Ein riesiges dunkelrotes Pferd wirft seinen Kopf hoch und wiehert freudig, als es Ashanti sieht, um gleich darauf auf sie zu traben. Die lange Mähne flattert im leichten Sommerwind, den Hals stolz gebogen hält das Tier vor ihr und prustet in ihr Gesicht. Ihre Hände fahren durch das seidige Fell...
"Ashanti! Kind, jetzt steh doch auf."
Erschrocken fährt sie aus dem Schlaf und haut sich erst mal ordentlich den Schädel am Bettpfosten ein.
"Au- Scheiße... JA, ich komm ja gleich, Oma!!!!", ruft sie zurück und setzt sich stöhnend auf. es ist Samstag, aber ausschlafen...? Nein, Oma will ja heut unbedingt auf den Markt. 8 Uhr- so eine unchristliche Zeit nach der langen Nacht... Aber davon weiß Oma ja nichts.
Seufzend steht sie auf. Mit ihrem 1,57m ist sie ziemlich klein, aber in ihren Bewegungen liegt eine Menge Kraft. Lautlos schreitet sie zu ihrem Kleiderschrank. Gähnend zieht sie sich ein schwarzes Top und ihre Jeans-Hot-Pants an.
"Ashanti, möchtest du was frühstücken?"
"Haben wir noch Erdbeeren da?"
"ich mach dir ein Schälchen fertig. Beeil dich bitte."
Bloß gut, dass Oma so selten raufkommt wegen ihrem Rheuma, denkt Ashanti als sie in den Spiegel schaut. Ihre sonst dunkelbraunen Augen sind momentan honigfarben. Folge der Jagd in der letzten Nacht. Ist sie erst mal munter, sollte alles gut sein. Barfuß tapst sie ins Bad und wäscht sich mit kaltem Wasser das Gesicht und wirft noch einen prüfenden Blick in den Spiegel. Schon eine Nuance dunkler. In aller Ruhe kämmt sie ihr langes, schwarzrotes Haar und steckt es zu einer Frisur hoch. Make-Up benötigt sie kaum, ihre blasse, elfenbeinerne Haut ist makellos. Sie setzt nur einen dunklen Eyeliner auf und tuscht sich die Wimpern. Zart streicht sie über die Tätowierung neben ihrem Auge, die sich in einem eleganten, schlichten Bogen über die Schläfe streckt. Ein Erbe ihres Vaters, ihres Volkes.
Eigentlich kommt Ashanti aus den Bergen im Norden des Landes. Dort hat sie ihre ersten 12 Lebensjahre verbracht. Die Menschen dort sind ein ganz besonderer Stamm, selbst die „normalen Menschen“, Kachèa, wie sie dort genannt werden, kennen den Stamm als Pumavolk. Sie ziehen junge Pumas auf wie Jagdhunde, heißt es, aber das ist nicht ganz wahr. Denn jedes erstgeborene Kind(manchmal aber auch ein besonders sensibles Kind) einer Familie erbt die Fähigkeit, sich mit 8 Jahren in eine Raubkatze zu verwandeln. Meistens in einen silbergrauen oder goldbraunen Puma. Und diese Kinder erhalten dann solch eine Tätowierung am Auge. Den Kachèa wird diese Tätowierung als Auszeichnung erklärt, für besondere Fähigkeiten. Wüssten sie die Wahrheit würde das Pumavolk „Cugaléh“ nicht mehr existieren. Vor allem, seit in den letzten 100 Jahren der Aberglaube wieder gestiegen war, nach dem 3. Weltkrieg…
Sie hört ihre Großmutter unten leise herum grummeln und grinst ihr Spiegelbild an. Ihre Augen sind wieder dunkelbraun.
Eilig rennt sie aus dem Bad und springt die Treppe hinunter und eilt in die Küche.
"Wird ja auch Zeit! Wie sollen wir denn meine Stickereien und deine Schnitzereien und Zeichnungen verkaufen, wenn wir zu spät kommen?!", grummelt Oma gutmütig.
Grinsend verschlingt Ashanti ihre Erdbeeren und spült ihre Schale und den Löffel gleich ab.
"Ich hol bloß noch meine Tasche..."
Im alten, rostigen Auto träumt Ashanti wieder vor sich hin. vor ihrem geistigen Auge sieht sie neben dem Auto ein schlankes, weißes Pferd galoppieren, welches jedes Hindernis mit einer Leichtigkeit nimmt, als könnte es fliegen...
Pferde, ihre Kraft und Eleganz haben Ashanti schon immer fasziniert, doch leider haben beinahe alle Tiere instinktiv Angst vor ihr. Sie können alle ganz schwach den Puma an ihr riechen, egal wie gründlich sie sich wäscht und ein parfümiert. Nur die „Cuvars“, Pferde, die ihr Volk gezüchtet hat, fürchten Ashantis Raubtiergeruch nicht, jedoch gibt es die in dieser Gegend nicht… Beinahe nächtlich, wenn das Tier in ihr an ihrer Haut kratzt, verwandelt sie sich in einen schlanken, schwarzen Puma mit goldenen Augen. Aber ihre Großmutter weiß das nicht und darf es nie erfahren, denn sie ist eine von hier, eine normale Frau, eine Kachèa.
Also vor 5 Jahren Ashantis Mutter bei einem unfall schwer verletzt wurde, nahm diese ihrer damals 12-Jährigen Tochter das Versprechen ab, ihre Gestaltenwandler-Fähigkeiten geheim zu halten. Auch vor der Großmutter, zu der sie ziehen musste, denn im Volk war ein solches Halbblut, wie Ashanti nicht gern gesehen. Vor allem weil sie ein schwarzer Puma war, was bedeutete, dass sie noch andere, ungewöhnliche Fähigkeiten hatte, als normale Gestaltenwandler. Auch wenn damals niemand wusste, welche, glaubten alle, sie bringe Unglück.
Ashanti hatte ihren Vater nie kennengelernt, aber ihre Mutter sagte, auch er war ein Puma, aber ein dunkelbrauner…
Texte: alles meins ;)
Bildmaterialien: Die Collage besteht aus Fotos, die ich selbst gemacht und bearbeitet habe.
Tag der Veröffentlichung: 05.06.2012
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Geb deine Träume nie auf, vielleicht werden sie wahr?