Cover



Als ich 12 war kauften Freunde meiner Eltern einen Hundewelpen. Ein Schäferhund-Rottweiler-Mix. Und ich war glücklich. Ständig bin ich mit dem Fahrrad ins Nachbardorf gefahren, um die kleine Banshee zu besuchen und mit ihr zu spielen.

Mit 14 durfte ich endlich alleine mit ihr spazieren gehen. Eigentlich war sie ganz schön groß. Ihr Fell war schön glatt und schwarz. Ihre Augen genauso braun wie meine. Wenn Banshee mich ansah, hatte ich das Gefühl, wir würden uns ohne Worte verstehen.
Und eigentlich war es so. Es sei denn, Banshee war auf Hühnerjagd...

In Ferien und an Wochenenden war ich beinahe immer drüben. Allein oder mit der besten freundin, hauptsache Banshee war mit von der Partie. Ich hab mit ihr Ganztages-Fahrradtouren gemacht, bin allein in Waldseen baden gegangen mit ihr oder wir sind Döner essen gegangen.
Als sich meine Eltern trennten war ich 16. Mich hat das fertig gemacht, Aber ich hatte ja Banshee. Zu der der Zeit war ich jeden Tag bei ihr. Jede freie Stunde. Mit Banshee konnte man gut Jungs abschecken:
Wer Angst vor ihr hatte, brauchte es gar nicht erst probieren. Und wen sie nicht mochte, den wollte ich auch nicht :)

Einmal hatte ich mich etwas in der Zeit verschätzt und musste von meiner Stadt noch zu ihr aufs Dorf. Banshee musste ja schließlich auch wieder heim. Mein Fahrrad stand bei ihren Besitzern im Hof, also stand uns noch etwa eine Stunde Fußweg bevor. Quer durch den Wald. Es dämmerte bereits. Aber wer hat denn schon Angst mit so einem großen Hund zur Seite?!
Es war der Hund, der Angst hatte. Banshe zog gar nicht an der Leine (was für sie dann doch ungewöhnlich war). Sie drückte sich mit eingezogenen Schwanz an meine Beine.
Kurz vor Ortsausgang sprach mich ein Mann an, wie spät es denn sein. Plötzlich kam ein tiefes, grollendes Knurren vom anderen Ende der Leine. Ich weiß gar nicht, wer erschrockener war: Ich oder der Mann! Von da an jedoch wusste ich, Banshee beschützt mich! Dafür liebte ich sie noch mehr.

Einige Zeit, nach dem mein Vater aus unserer Wohnung gezogen war, mussten wir die Wohnstube renovieren. Eines Abends brachte ich Banshee mit hoch in die Wohnung, steckte meinen damals 4Jährigen Bruder ein Leckerlie in die Hand und zog ihn mit Banshe in die Stube. Dann haben wir ein paar stühle aufgebaut und ein Hinderniss und haben dann mama und Banshees Besitzerin eine Zirkusvorstellung gegeben.
Natürlich war mein kleiner Bruder der Domteur. Ich stand in der Zimmerecke und hab meinen Kleinen mit Handzeichen unterstützt. So machte der große Hund also vor dem Zwerg "Sitz", "Platz" und gab "Laut". Nur über das Hindernis wollte sie nicht springen. Die dachte wahrscheinlich wir sind doof, als wir sie angefeuert haben, drüber zu springen. Banshee marschierte schwanzwedelnd drum herum und erntete fleißig Applaus. Nach mehreren Versuchen fanden wir uns damit ab, dass sie gar nicht daran denkt, über das Hinderniss zu springen. Aber ich hatte das Gefühl, Spaß gemacht hat die Zirkusvorstellung auch ihr. ich meine, es gab ja auch Leckerlies dafür...

Als ich 17 geworden war, starb meine Lieblings-Oma. Ich habe tagelang geheult und blieb die letzte Sommerferienwoche bei meinem Opa, damit er nicht alleine sein musste. Sobald ich konnte, floh ich zu Banshee. Mit ihrer Wärme und Freundlichkeit war sie mir eine Quelle fürt Trost und Kraft. Es klingt vielleicht merkwürdig, aber ich hatte das gefühl, Banshee wusste genau, wann es mir schlecht ging.

Mit 18 kam ich nach einem Nervenzusammenbruch in ein psychatrisches Krankenhaus, gute 60 km von zuhause entfernt. Dort fühlte ich mich wie in einem Käfig. Nur wenn ich 3 Tage lang meine "Punkte" erreicht hatte durfte ich eine Stunde raus, was mir mehr als gegen den Strich ging. Was ist denn schon eine Stunde zu Ganz-Tages-Ausflügen mit Banshee durch die Wälder?!
Auf meiner Station war auch ein Junge, der mir ständig versuchte an die Wäsche zu gehen. Das hatte zur Folge, dass irgendwann die ganze Aggression und die Isolation herausbrach und sich an diesem Jungen entlud. Normalerweise geh ich einem Streit lieber aus dem Weg, aber den kerl habe ich grün und blau geschlagen. Leider war er stärker als ich. Am Ende hatte ich mindestens genauso viele blaue Flecken. In mir brach der letzte rest Selbstbewusstsein zusammen. Ich zog mich in mein Schneckenhaus zurück.
Als ich dann mal übers Wochenende heim durfte, konnte ich keine Berührungen mehr ertragen. Selbst vor meinem damaligen Freund hatte ich Angst! Auch meine Mutter versetzte mich in helle Panik. Sobald mich jemand anfasste oder gar umarmte, brach ich in Tränen aus und zitterte am ganzen Leib.
Da hatte Mamas Freundin die rettende Idee: Sie brachte Banshee zu mir. Mit dem Hund an meiner Seite beruhigte mich mich immerhin schon mal. Ich umklammerte sie, wie ein Kleinkind, heulte mir die Augen in ihr Fell aus und hörte auf zu zittern. Am Wunderbarsten war, dass Banshee ganz ruhig saß. Sie hat mich einfach weinen lassen. Und als ich etwas ruhiger war, stubste sie mich mit ihrer kalten Nase an, als wollte sie mir Mut machen.
Auch nach meiner entlassung war Banshee mir eine große Hilfe. Denn ich war noch Monate nach meinem Krankenhausaufenthalt sehr schreckhaft und hatte Angst vor menschlicher Nähe. Dank Banshee schaffte bald mein kleiner Bruder den Durchbruch zu mir. Sie zog mich ja ständig zu ihm ran, weil sie den kleinen auch gern hatte. Bald konnte ich mich schon "angstfrei" in meiner Familie bewegen. Meine Panikattaken bekam ich dann nur noch in großen Menschenmengen oder wenn mich in der Schule unerwartet jemand anfasste. Also bin ich mit Banshee zu Stadtfesten und so gegangen. Ihre braunen Augen und ihre freundliche Art, beruhigten mich irgendwie. Wenn wir den Wäldern spazieren waren gab mir ihre Anwesenheit etwas Selbstvertrauen...

Letztes Jahr hatte Banshee eine Gebärmutterentzündung. Ich war krank vor Sorge, als ich davon erfuhr, leider konnte ich aber wegen ungünstiger Arbeitszeiten nicht zu ihr. Dann aber erholte sie sich. Völlig erleichtert atmete ich auf. Anfang dieses Jahres verschlimmerte sich ihr Zustand aber wieder. Der tierarzt stellte fest: Banshee hatte altersbedingte Diabetis. Bald darauf wurde Banshee blind. Dummerweise war ich wegen Berufschule und diversen Lehrgängen verhindert und konnte sie nicht mehr besuchen. Im Laufe der folgenden Wochen verlor Banshee auch Geruch- und Hörsinn. Schließlich konnten ihre Besitzer ihr Leid nicht mehr sehen. Im Februar 2011 wurde Banshee eingeschläfert.

Ich habe viele schöne Erinnerungen an diese Hündin, die ein Geschenk des Himmels für mich war. Ich habe auch viele schöne Bilder. Aber das Coverbild ist das Schönste von ihr. Da waren wir zusammen im See baden, der nach ihrem Heimatdorf benannt ist.
Irgendwo habe ich mal gelesen, jeder Mensch hat einen seelenverwandten Vierbeiner. Meiner war Banshee.
In meinen Erinnerungen werden wir ewig durch die Wälder toben, alte, leerstähende Bahnhöfe erkunden und durch irgendwelche Seen planschen.

Mach's gut, meine Schöne.
Bye, Bye Beautyful.

Impressum

Texte: Alle Rechte liegen bei Avena Fatua
Tag der Veröffentlichung: 31.05.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Jeder hat einen guten Freund. Meine beste Freundin hatte 4 Beine... Das ist zur Erinnerung an sie...

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