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Ein Lächeln zum Sterben




Theaterstück




Mein Lächeln ist weder sanft, noch freundlich und doch sehen es alle als solches. Es ist kalt, denn ich empfinde nur eine hauchdünne Spur Vorfreude. Mitleid und Erbarmen sind mir fremd. Für mich zählt nur die Rache und das Recht. Nach einem Mord wird es immer ganz friedlich in mir, wo doch sonst nur Hass und Wut bitter in mir brennen. Aber alle denken, ich hätte ein gutes Lächeln. Sie fallen wirklich hoffnungslos auf mein Schauspiel und meine zarte Maskerade herein und ahnen offensichtlich nicht:
Unter der Maske lauert ihr Tod.




Bray stolperte rückwärts, als plötzlich zwei Kinder vor ihm auf die Straße sprangen. Sie mussten wohl auf dem Dach gesessen haben. Es war noch dunkel, aber die Morgendämmerung war nicht mehr fern. Er war mit seinem Kumpane auf Nachtrundgang. Dieser war aber eben in eine Seitenstraße gewichen, um Wasser zu lassen. Bray wollte hier warten. Der hünenhafte Mann musterte die Kinder, die vor ihm standen. Ein großer, dünner Junge und ein kleines Mädchen, mit einem hübschen Gesicht. Kleine Ladendiebe, dachte er sich. Er würde sie schon schnappen. Sie schienen ihn wohl ausrauben zu wollen, standen sie doch vor ihm und blickten ihn furchtlos an. Da trat das Mädchen einen Schritt vor und funkelte ihren Begleiter böse an, als auch er vortreten wollte. Er blieb folgsam stehen. Ein Lächeln umspielte den schmalen Mund. Sein Haar hatte im Schein der Fackel einen rötlichen Glanz.
"Was wollt ihr verlausten Drecksbälger?", donnerte Bray ungeduldig und stierte mit seinen blassblauen, hervorquellenden Augen nun auch das Mädchen an.
Sie war sogar sehr hübsch, hatte zarte, weibliche Züge, die langsam das Kind zur Frau machten. Ihr Haar war von schönem Goldbraun und halb von ihrem Umhang bedeckt. Zwei große, dunkle Augen sahen ihn mit einer unfassbaren Ruhe an, als sich eine angenehme, kaum noch kindliche Stimme aus ihrem Mund erhob:
"Wir werden Euch töten, Herr."
Ungläubig sah er die Kinder an. Der Junge war nicht besonders groß, hatte aber vielleicht durchaus Kraft, sein Blick war unbarmherzig und kühl. Das Mädchen aber war eine fast zu zarte Erscheinung mit einem ebenmäßigen Antlitz und einem sanften Lächeln. Sie war sicher noch keine elf Jahre alt und hatte warme, dunkle Augen. Ganz sicher könnte sie ihm kein Leid zufügen.
Also grinste Bray die Kleine an und hockte sich vor ihr nieder, um mit ihr auf einer Höhe zu sein:
"Warum willst du mich töten, Kind?"
"Du hast meinen Bruder hingestreckt, Mann. Er war zwölf!",
ihre Stimme wurde dunkel, genau wie ihre Augen auch alle Wärme verloren. Bray dachte nach. Er sollte ein Kind getötet haben? Er dachte nach. Ja, da war vor langer Zeit im Herbst... ein kleiner Junge, der einem anderen Wächter einen Feuerhaken in die Schulter geschlagen hatte... Sie hatten seinen Vater festgenommen.
"Dann habe ich ja auch deinen Vater verhaftet.", meint er nachdenklich.
"Das hast du. Aber das war nur ein Befehl. Meinen Bruder zu töten war es nicht. Ich bin nachtragend, weißt du?",
ihre Stimme war ganz leise. Das Kind meinte es doch tatsächlich ernst!
Vorsichtshalber sprang Bray auf und zückte sein Schwert:
"Dann kannst du ja ruhig mit zu den beiden ins Grab."
Boshaft grinste er. Der Junge trat hinter den Mädchen hervor. In seiner Hand hielt er einen schwarzen Metallstab. Auch er grinste und in seinen Augen blitzte Wut auf:
"Ich glaube kaum, dass sie sterben wird."
"Laber nicht!",
knurrte der Mann und griff den Jungen an, der seinen Hieb gut parierte. Da sprang ihm auch schon das Mädchen in den Rücken:
"Stirb schön.",
zischte sie und schnitt ihm in einer Bewegung die Kehle durch.
"Wartet, euch bekomm ich, ihr Drecksbälger!",
grölte es da aus der Seitengasse. Brays Kumpane war fertig mit seinem Geschäft. Die Kinder sahen sich an. Das Mädchen nickte und warf ihren Dolch. Die Klinge drang tief in die Armbeuge ein. Ein Schmerzenschrei hallte durch die Nacht. Da war schon der Bursche über dem Verwundeten und schnitt auch diesem die Kehle durch. Das Mädchen bekreuzigte sich und murmelte:
"Gott gebe euren Herzen Frieden."
Dann folgte sie dem Knaben, der an einer Hauswand hinaufkletterte. Sie flohen über die Dächer bis ans andere Ende der Stadt. Dort trafen sie auf eine kleine Bande Straßenkinder und bestachen diese, dass sie mit ihnen spielend die Stadttore passieren konnten. Für eine Silbermünze rannten sie zusammen mit zwei Jungen schreiend und lachend durch das Tor, als gehörten sie zu ihnen. Keiner schenkte den Kindern Beachtung. Zur selben Zeit fand eine alte Frau die beiden toten Wächter. Ihr Geschrei weckte die ganze Nachbarschaft. Einer von beiden hatte eine kleine Blume in der offenen Hand liegen...

"Lief alles so, wie ihr es geplant hattet?",
Amon erwartete seine beiden Schützlinge schon gespannt.

"Es war gut, dass sie nicht allein war."
"Ich wäre mit beiden fertig geworden!",
zischte Daga den Neffen ihres Meisters an. Noch immer nahm sie es den beiden Männern übel, dass sie nicht hatte allein gehen dürfen.
Amon grinst: "Ich wusste gar nicht, dass du wütend werden kannst, Tochter."
Sie sah Vormic mit kalten Blick an:
"Er wähnt sich klüger, als er ist."
Sie stampfte die Treppe zu ihrem Lager rauf. Seufzend sagte der Junge zu seinem Onkel:
"Ich dachte, sie wäre sanft?!"
Amon zuckt mit der Schulter:
"Sie ist fast elf Jahre alt. Wahrscheinlich wird sie in Zukunft ab und zu etwas launisch sein. Oder es liegt an dir."
"An mir?",
der Knabe schaut verblüfft zum Bruder seiner Mutter auf.
"Vielleicht nervst du sie?"
"Ich... Aber.. ich bin doch nur freundlich zu ihr."
"Freundlicher als zu den anderen?"
Vormic lächelt wehmütig:
"Ein wenig... Ihre Augen lassen mich nicht los."
Amon lacht leise:
"Das kennt sie nicht. Heut ist ihr Rachefeldzug beendet... Ich gehe zu ihr. Vielleicht möchte sie uns verlassen."
Schmerz überschattet das hübsche Bubengesicht, doch er sagt nichts und nickt. Daga... Warum muss sie ihn so hassen? Sein sechzehnjähriges Herz zieht sich kummervoll zusammen. Dieses Gefühl ist fremd in seinem sonnigen Gemüt. Er legt sich auf sein Lager und seufzt.
Daga derweil ahnt nichts von dem Durcheinander, das in Vormics Herz wütet. Sie kann ihn einfach nicht leiden. er will ihr ständig helfen. Wie soll sie denn so beweisen, dass sie würdig ist, zu den Wölfen zu gehören?! Als ihr Meister den Dachboden betritt beruhigt sie sich. Keiner darf sehen, dass sie ihre Gefühle noch nicht immer ganz unter Kontrolle hat.
"Deine Rache ist erfüllt, Tochter. Was willst du nun tun?"
"Schickt mich nicht weg, Herr!",
leise bebt Angst in ihrer Stimme mit.
"Das wollte ich nicht. Ich will wissen, was du willst. Du hast dem Clan Ehre gemacht und dich deinem Namen als würdig erwiesen."
Sie lächelt. Es ist ein ehrliches Lächeln. Nicht wie sonst nur eine Maske. Sie ist erleichtert. Dann atmet sie tief durch:
"Ich will reiten lernen, Herr. Und von Euch Aufträge bekommen. In Eurem Clan habe ich eine Gabe entdeckt, die ich beherrsche und ich bin bereit, sie weiter zu erlernen."
"Gut, Tochter. Olcan soll dir auf Albina das reiten beibringen. Aber ich nehme dich in die Pflicht noch mehr zu lernen. Vormic wird dir Latein beibringen. Ich lehre dich Lesen und Schreiben. In der Stadt habe ich eine Freundin. Sie soll dich lehren, dich wie eine Frau zu benehmen."
"Aber...!"
"Kein Widerspruch, Daga. Du benimmst dich wie ein Lausebub und bist doch ein Mädchen. Ich habe nichts dagegen, wenn du dich hier so benimmst, aber ich will, dass du dem Clan auch Ehre bereitest, wenn du einmal woanders bist."
Stumm senkte das Mädchen ihr Haupt.
"Morgen beginnt dein Reitunterricht, ich gehe zu Olcan und sage ihm bescheid. Wenn ich denke, du hast genug gelernt, bekommst du deinen ersten Auftrag. Ruh dich aus, Tochter."

Er strich ihr zärtlich über die braunen Haare. Sie hatte sie sich kürzer schneiden lassen. Trotzdem umrahmten sie ihr Gesicht ganz weich. Sie war ihm fast eine Tochter geworden. Amon war sogar sehr froh über ihren Wutausbruch. Denn so schöpfte er Hoffnung, dass Dagas Gefühle doch nicht ganz erkaltet waren. Das bereitete ihm nämlich Sorge.
Daga lag noch einige Zeit wach. Bald würde sich ihr Körper zu verändern beginnen, doch noch ahnte das Mädchen nichts davon. Ihre feinen Züge waren noch kindlich weich. Ihr Körper noch dünn und flachbrüstig. Sie wusste noch nicht, welches Durcheinander in ihren Gefühlen ausbrechen würde und auch nicht, welche Plagen ihre körperliche Veränderung sie kosten würde. Sie dachte darüber nach, warum sie soviel lernen sollte. Sich wie eine Frau zu benehmen, lag ihr eigentlich fern. Aber sie gestand sich doch ein, dass Amon mit seinen Gründen doch recht hatte. Warum aber sollte sie lesen und schreiben können? Vielleicht wurden die Augen Amons schlechter... Doch wenn sein Neffe es konnte, wozu musste sie es dann lernen? sie war die Tochter eines einfachen Bauern! Und Latein! Was sollte sie denn mit dieser fremden Sprache anfangen?! Wollte Amon sie zu einer Nonne erziehen und in ein Kloster geben?
Ihr fiel ein Gespräch ein, das sie belauscht hatte. Es war schon lang her, damals hatte ihr Meister mit Bledig gesprochen. Er hatte sich Sorgen gemacht, ob es gut für ein Mädchen war, so eng an den Tod gebunden zu sein... Die Angst raubte ihr den Schlaf. Wollte er sie wirklich in ein Kloster stecken? Lieber würde sie sterben, als sich in dieses Leben zu
fügen!

Impressum

Texte: Alle Rechte liegen bei Avena Fatua.
Tag der Veröffentlichung: 11.12.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
"Hütet euch davor, Gutes nur deshalb zu tun, damit ihr von den Menschen bewundert werdet." Mathäusevangelium 6 : 1 Bibel

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