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ESKALATION!
Mephisto ex abrupto
von
Joachim Baron
Alfons Witte
Johanna Witte, seine Ehefrau
Eugen und Cornelia, ihre Kinder
Mephisto
Ort der Handlung ist das Wohnzimmer von Familie Witte in deren Einfamilienhaus
Die Zeit ist die Gegenwart
Frau Witte (indem sie die Hände zum Tischgebet faltet): „Komm, Herr Jesus, sei unser Gast, und segne, was du uns bescheret hast…“
Alle (im Chor): „Amen!“
Frau Witte: Hier, die Kartoffeln, Alfons!...
Herr Witte: Danke, Johanna!
Frau Witte: Cornelia, legst du bitte Eugen auf!...
Eugen: Aber ich kann mir doch schon selber auflegen, …schließlich bin ich (sehr betont) FÜNF! (Cornelia legt ihm auf) Danke, Schwester!
Frau Witte: Wie schön die beiden folgen!...
Herr Witte: Allerdings, …wirklich sehr schön anzusehen!
Frau Witte: Wenn man bedenkt, was die anderen da für Probleme haben!...
Herr Witte: Unglaublich, Johanna! Wenn man sich einmal vor Augen führt, wie es da DRAUßEN! aussieht, …ich meine in der großen weiten Welt, die mittlerweile klein und eng geworden ist! Abscheulicher Gedanke, wirklich! Sich damit auseinanderzusetzen!...
Frau Witte: …Da kann einem Angst und Bange werden! Übrigens: Wie viel hast du vorhin in den OpferStock geworfen?
Herr Witte: Heute etwas mehr als sonst, …weil es uns allen (betont) relativ gut geht und weil wir keinerlei Grund haben, uns in irgendeiner Form über unser Schicksal zu beklagen!...
Frau Witte (ernst): Was ja auch gewissermaßen zur Hilfe gegenüber denen, die sich schlechter gestellt sind als wir, (betont) MORALISCH verpflichtet…!
Herr Witte: …So vorhin in der Kirche der Pfarrer!
Frau Witte: Eine gute Predigt, die er da gehalten, ich meine!... Wirklich!
Herr Witte: Allerdings und fürwahr! Absolut!
Frau Witte: Wie schön die Blätter rauschen und die Blumen blühen!...
Herr Witte: So ein Garten ist was Wunderschönes! Allein schon wegen der Kinder!...
Frau Witte: Fürwahr! (schwärmerisch) Dazu noch der liebliche und blaue Himmel, der das Ensemble leuchtend überstrahlt!...
Herr Witte (mit gekünsteltem Pathos): Arkadien!...
Frau Witte: Wirklich sehr schön anzusehen!...
Herr Witte (wie zuvor): Unsere Idylle!
Frau Witte: O ja!...
Herr Witte: Bewahren wir sie uns darum! (sie speisen; gefräßige Stille. Mephisto tritt auf)
Mephisto: Ich will es kurz und bündig machen und auch gleich zur Sache kommen: Ich bin das abgeschmackte AntiThema der EntzweiungsEinheit …und zugleich ihr fleischlicher VollzugsGenuß, Vollzugs/EntzugsGedanke, sprich der böse Teufel also bin ich, und ich hasse alle diese ScheinIdyllen! (kurze Unterbrechung) ScheinIdyllen?... Warum?... Ganz einfach: weil sie lügen, allesamt! Schon gut, ich selber bin der Teufel und daher der Lüge hold; aber hier, in diesem Fall, bevorzuge ich die Wahrheit, …die viel gepriesene! (etwas zynisch) Um Himmels willen: alleine um der lieben Menschheit willen!... (etwas leiser) Eine Wahrheit allenthalben, deren (verächtlich) ausgemachter Witz die MenschheitsLebensLüge ist! Hi, hi, hi! (leiser, jedoch allmählich immer schneller) Solche Wahrheit heiße ich: die UnterKreaturenLüge aus dem Hause FrühVerwesung! Pest und HÖLLE darüber! Ha, ha, ha!.. Der Wahrheit eitler WortGebrauch ist ÜberSchallGrammatik, pure LärmVerschmutzung - wie auch immer! Ihren Gedanken lüften zu wollen bedeutet, …ihn gleichsam zu verteufeln helfen, excusez-moi! (sehr zornig) Meinen FußTritt in die WeichTeilStruktur der AfterMenschheit am Busen der Wegwerf- und EintagsWahrheiten! (mit großer Ironie) Nichtsdestoweniger: ich fühle mich der HalbTierSpezies Menschheit dergestalt verbunden, als wie ich allen VollWertMenschen ungeschminkt die WahrheitsLüge sagen will und muß, sorry about that noble mind!... Schließlich lebe ich davon! (sehr bemüht und gleichsam ironisch) Der Teufel ist halt auch nur: EINER KLEINEN TEUFELEI DER ARME TEUFEL! (laut) Verruchte Menschheit: ich bin´s, der dir vertraut - und wohl auch umgekehrt! In Zeit und Raum, der Tod! hat dich zu mir zurückgebracht! (er hält inne) Doch kehren wir zum Thema zurück! An ihm, an unserer (sarkastisch) SCHEINIDYLLE IN FAMILIA, vollstreckt sich geradewegs des Leibhaftigen bittere Botschaft und (sehr betont) EUNUCHENWAHRHEIT: EINEN FRIEDEN GIBT ES NUR IM KRIEG - UND NIEMALS UMGEKEHRT! (mit komödiantischem Gestus) Noch Fragen?... Bringen wir es also auf den Punkt zurück: Begriffe sind ein WörterIrrtum und sie lügen! Somit ist der Menschheit SprachGebrauch des Teufels unheimlichste als auch allerliebste WunderWaffe, und ein wahres Beten darum: SCHWEIGEN! Hi, hi, hi!... (kurzes Schweigen) He, Idylle - (leise) existiert nur als Begriff und meint die Scheinidylle - ist (laut und heftig) GESCHMINKTE HÖLLE! (leise und sehr amüsiert) Ich will es auch sogleich damit beweisen! (ab)
Herr Witte (freudig): Gar nicht schlecht der Wein!... Rheingauer Riesling, guter Jahrgang!… Der paßt haargenau zu unserer Stimmung! Prost Johanna! (sie stoßen miteinander an)
Frau Witte: Wie recht du hast! Prost Alfons!
Cornelia (amüsiert): Rheingauer Fiesling, hi, hi, hi!
Eugen (albern): Einrauer Fiesling!...
Frau Witte: Aufpassen, da kleckert was!
Eugen: Einrauer Fiesling, hi, hi, hi!... Papa, …hast du das gehört?...
Cornelia: Soll ich einen Witz erzählen?...
Frau Witte: He, nicht so viel reden, …lieber essen, Kinder!
Cornelia: Gilt das auch für Eltern?...
Herr Witte: Warum fragst du?...
Cornelia: Einfach so!
Frau Witte: He, Eugen! nicht immer alles auf einmal und zugleich in den Mund schieben!
Herr Witte: Mama hat recht!
Cornelia: Als GroßMaul darf man das!
Eugen (verärgert): Selber GroßMaul!
Cornelia: Ätsch!...
Frau Witte: Ruhe, bitte!...
Eugen: Cornelia hat aber angefangen!…
Frau Witte: Egal!
Cornelia: Aber nicht mit der Kleckerei!
Eugen: Aber mit dem BlödSinn, nicht wahr, Mami?...
Herr Witte: Also Ruhe, ihr beiden!
Cornelia: Warum „IHR beiden?“
Frau Witte (strenger): RUUUHE!
Cornelia (lästerlich): Eugen ist doof!...
Frau Witte: Interessiert mich nicht!...
Eugen: Cornelia ist aber viel doofer!...
Frau Witte: Sei du die Klügere, Cornelia!
Cornelia (indem sie Eugens Essen verrührt): So schmeckt es gleich viel besser, hi, hi, hi!...
Eugen (laut): Weg da!
Frau Witte (laut): Aus jetzt!
Eugen: Cornelia fängt immer an! (gegen Cornelia) Blöde Ziege! Hier! (er rührt an Cornelias Essen)
Cornelia (böse): BlödMann!
Frau Witte (dazwischen): Jetzt ist aber Schluß damit! (angestrengt) Alfons, nun sage du auch mal etwas!
Herr Witte (betont): Wieso, …ich sagte bereits: RUHE!
Frau Witte: Das ist lange her!
Herr Witte: Also bitteschön, was soll ich tun?...
Frau Witte (genervt): Wie, da fragst du noch?... DU! könntest auch mal ein wenig resoluter und auch konsequenter sein!
Herr Witte: Ich?. .
Frau Witte: Na wer denn sonst? Heißt hier noch jemand: Alfons?...
Herr Witte: Das ist nur wieder so eine StereoType von dir, …ich meine das mit dem RESOLUTER UND AUCH KONSEQUENTER sein!
Frau Witte (ein wenig empört): StereoType?
Cornelia: Was ist das?...
Herr Witte (fortfahrend): …Aber klar doch: StereoType! Schließlich höre ich die Aufforderung ja nicht das erste Mal aus deinem Munde - oder? Nicht einmal heute!
Frau Witte: Vielleicht weil dein Verhalten immer wieder den Anlaß dazu hergibt?
Herr Witte: Mein Verhalten?...
Frau Witte: Genau dieses!
Herr Witte: Das verstehe einer!
Cornelia (für sich): Das verstehe einer!...
Frau Witte: Immer wenn es mit den Kindern schwierig wird, …dann kneifst du! Daran ändern auch die schönen SonntagsReden nichts! Du versteckst dich, sobald es schwierig wird!
Herr Witte: ICH?...
Frau Witte: Ja DU!
Eugen: Papa?... He, Papa!...
Herr Witte (ihn ignorierend): …Ich tue, als was ich für nötig erachte!... (schaut zur Seite weg)
Frau Witte: Das genau ist aber zu wenig, Alfons!
Herr Witte: Ewig zwingst du mir deinen Willen auf!
Frau Witte (forsch): Deine StereoType! (belustigt): Nur damit du dein GutMenschenImage vor den Kindern aufrechterhalten kannst, soll ich an deiner Statt: RESOLUT UND KONSEQUENT sein …und den BuhMann abgeben!
Eugen (dazwischen): BuhMann! BuhMann!...
Herr Witte (amüsiert): GutMenschenImage, …ausgerechnet ICH! (leiser) Außerdem, Johanna, …es muß heißen: die BuhFrau!
Frau Witte: Dann eben die (betont) BUHFRAU! (etwas spöttisch): Na ja, den LIEBEN PAPA als den netten ÜberVater vorzustellen ist doch einzig und alleine aus dem deinen Repertoire der ImagePflege - oder etwa nicht?... (für sich) Stets doch und überall!...
Cornelia: He, …ich habe KopfSchmerzen, …könnt ihr nicht leiser reden?...
Herr Witte: Hörst du, Cornelia hat KopfSchmerzen!
Frau Witte: Ja, ja, die DEINE IMAGEPFLEGE!
Herr Witte: Und du glaubst schon wieder, du hättest die (sehr betont) Moral und die Tugend für dich gepachtet! (für sich) Diese tugendsame Rolle steht dir sichtlich auf den Leib geschrieben!
Frau Witte: Blödsinn!
Herr Witte: Was soll das eigentlich, …ich meine…
Verlag: BookRix GmbH & Co. KG
Tag der Veröffentlichung: 01.08.2017
ISBN: 978-3-7438-2600-7
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