Das Arztgespräch
Obwohl mir bei der Aufnahme klar war, sie wird nie meine Vertrauensärztin, muss ich zu ihr, zumindest wenn ich das Krankenhaus verlassen möchte. Also Termin ausmachen und durch. Ich komme pünktlich, was nicht meine Art ist, denn ich bin kein gerne Wartender und lasse warten.
Nachfrage bei der Anmeldung: "Schönen Vormittag!" Der Gruß kam zurück, mit den Worten: "Frau Binder, bei der Frau Doktor dauert es noch ein bisserl, sollen wir ihnen hinaus helfen?"
Komisch, alle wissen immer wo ich hin gehöre. "Nein danke! Kann ich alleine, holen sie mich bitte, wenn ich dran bin? Danke!"
Ums Eck, draußen, das Raucherplatzerl.
Das Fenster zum Portier ist leicht geöffnet, leicht Rauchschwaden treten heraus, Erwin, ist wahrscheinlich der Letzte, der trotz des öffentlichen Rauchverbots, in seiner Portierloge rauchte. "Servus, Kaffee?" "Immer doch." Der Automat steht , hinein ums Eck, vor seiner Tür. "Hab Zeit!" und setzte sich zu mir.
"Ich warte auf die Strasser-Fux." "Gut, dass du ein Buch mit hast." "Weist doch, hab ich immer." Wusste er natürlich, hab auch ein Buch am Turnierplatz mit und von dort kannten wir uns.
So oft er Zeit hatte, redeten wir über Pferde, wie wunderbar sie sind.
Nach etlichen Gesprächen mit den einen oder anderen, zwischen durch ein paar Seiten und so vier, fünf Becher Kaffee und einiger Nachfragen, ob ich denn nicht zu Mittag esse, war Frau Dr. Strasser-Fux für mich bereit. Dachte ich, zumindest wusste sie meinen Namen und wer dazu gehört.
Ich saß also vor ihr in ihrem Kämmerlein, hatte natürlich wieder die Hand zwischen Rollstuhl und Liege gequetscht, dass sie nach draußen anrief um mir Hilfe zuteil kommen zu lassen und blätterte in meiner Akte. Da so wenig Blätter drinnen sind, blätterte sie vor und zurück, jetzt hat sie es auswendig gelernt, aber das kleine Kärtchen, 10x5cm groß, müsste sie jetzt frei sagen. Die ersten zehn Minuten sind vorbei und nach dem Gruß, hat sie schon ein zweites Frau Binder heraus gebracht.
Wieder blätterte sie, angestrengt lesend, die Befunde und nimmt immer wieder das Kärtchen zur Hand. Nach weiteren zehn Minuten, hebt sie den Kopf und verdeckt damit endlich die Uhr, hinter ihr. Zum Glück, der Sekundenzeiger hat schon die Geschwindigkeit des Minutenzeigers angenommen.
"Ja, Frau Binder, wir haben jetzt Klarheit," wieder nimmt sie dieses Kärtchen, aber nun mir zu gewandt, kann ich jeweils die Rückseite lesen. Ich weis jetzt, das es zwei gravierende Verläufe der MS gibt. "Sie haben Multiple Sklerose mit progredienten Verlauf" und wollte gerade den Unterschied zur Schubweisen erklären, was vor fünf Minuten vielleicht noch notwendig gewesen wäre. "Ich kenne den Unterschied, hab das Kärtchen mitgelesen." Sie schaut mich an und redet mit mir, "Wenn sie wollen, könnten sie heute heim, da bei dem progredienten Verlauf keinerlei Behandlung eine Rückbildung des eingetretenem Schaden bewirkt."
Professor Achellos und sein Chef sagen, das eine Cortisoninfussionsbehandlung sinnvoll sei.
"Das wird ihnen nichts bringen!"
"Woher kommt diese Krankheit?", wollte ich von ihr wissen.
"Das weis man nicht so genau. Die Cortisonbehandlung ist nicht …" "Ich werde sie machen!"
"Wenn sie meinen. Ich sehe da, wieder den Blick in der Akte, dass sie den Stimmungsaufheller nicht nehmen."
"Ich bedarf dieser nicht, da ich jetzt eine Diagnose habe und nicht mehr für verrückt erklärt werde, ob der seltsamen Ausfälle meines Körpers."
"Es ist eine schwere Krankheit, dass sollten sie nicht auf die leichte Schulter nehmen."
"Frau Doktor, ich bin 45 und mit 18 war mir klar, irgend etwas passt nicht. Immer wieder und nicht immer das Gleiche, aber seither lebe ich mit Erklärungsbedarf. Jetzt weiß ich, wie er heißt, der den ich zu besiegen vorhabe."
"Sie dürfen sich da nicht sinnlose Hoffnungen hinein steigern, sie werden damit leben müssen, dass es nur beim schubweisen Verlauf zu einer Rückbildung der Schädigung kommt."
"Ich werde mir keine Hoffnungslosigkeit einreden lassen."
"Sie sollten sich das mit dem Cortison überlegen, "riet sie mir noch und verabschiedet mich.
Nach dieser Behandlung war meine Muskulatur wieder in der Lage mich mit Krücken gehen zu lassen.
Tag der Veröffentlichung: 09.10.2010
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