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Affiger Ausflug

Papatunga blickt Richtung Kirchturm. Nur noch wenige Minuten, dann ist der alltägliche Trubel vorbei. Seine Mitaffen sitzen gelangweilt auf ihren Reifen und Baumstämmen. Auch sie warten darauf, dass es endlich Nacht wird.

Hoffentlich ist heute keine Nachtshow angesagt. Dann kommen hunderte von Besuchern, um die Tiere im Schein von künstlichen Kerzen zu bewundern.

 

Papatunga kann das nicht leiden. Seine Gefährtin Mamatunga regt das jedes Mal so sehr auf, dass sie fast einen Herzinfarkt bekommt. Sie meint, dass man ihnen doch wenigstens etwas Freiheit und Privatleben gönnen sollte. Außerdem können die drei Kinder von Papatunga und Mamatunga bei dem künstlichen Licht nicht schlafen.

 

Wer die drei Chaoten kennt, weiß, dass es eine äußerst schlechte und vor allem sehr anstrengende Idee ist, die drei nicht schlafen zu lassen. Die Zwillinge Fanga und Fungu sind gerade sechs Monate alt und ihr älterer Bruder Kingi drei Jahre. Alle drei haben nichts als Unfug im Kopf.

 

Solltet Ihr mal im Zoo von Staßfurt sein, dann besucht doch mal Papatunga und seine Familie. Aber bringt bitte keine Bananen mit!

 

Wenn Kingi gelb sieht, dann ist das Affenhaus vor seinen Attacken nicht mehr sicher. Er hat sogar schon einmal einem Besucher mit Hilfe eines sehr langen Astes den Picknickkorb entwendet. Die Pfleger hatten keine Chance, diesen Korb zu retten. Gemeinsam mit den Zwillingen hat sich Kingi in den höchsten Baum zurückgezogen, um den erbeuteten Korb zu leeren. Anschließend hatten die drei Affenkinder so starke Bauchschmerzen, dass sie zum Tierarzt mussten. Natürlich haben sie nicht eingesehen, dass es ihre eigene Schuld war. Tagelang haben sie mit allen möglichen Dingen nach den Pflegern geworfen sobald diese in ihre Nähe kamen. Sehr zur Freude der Kinder, die vor dem Affenkäfig dieses Spiel beobachteten.

 

Endlich geht das Licht aus und im Tierpark kehrt Ruhe ein. Aber nur solange bis auch der letzte Zooangestellte das Gelände verlassen hat. Kaum hat sich der Schlüssel im Schloss gedreht als die ersten Affen zum Aufbruch drängen. Es ist Freitag und alle haben Pläne für den Abend.

 

Bei den Schimpansen wird heute Abend gepokert. Die Lemuren wollen mit ihren Freunden Canasta spielen. Bei den Seelöwen und Pinguinen gibt es ein Wasserrennen und die Elefanten laden zum Konzert ihres Blas-Orchesters.

 

Die Kinderbetreuung der Affen übernehmen heute Abend die Orang-Utans. Die Chefin der Orang-Utans Ottilie ist eine sehr geduldige und sehr alte Dame. Sie weiß genau wie sie mit den kleinen Affenkindern umgehen muss. Und wie man sie dazu bekommt lieb und brav zu tun, um was man sie gebeten hat. Heute Abend wird sie jedoch ihren kniffligsten Fall zu lösen haben.

 

Papatunga und Mamatunga freuen sich auf den Tanzabend, der heute im benachbarten Tropenhaus von den Flamingos veranstaltet wird. Aber erst einmal müssen sie sich etwas zu Recht machen.

Zum Glück vergessen die Menschen immer wieder Kleidungsstücke und sonstigen Kram auf ihren Spaziergängen durch den Zoo. Diese werden von den Tieren eingesammelt bevor der Reinigungsdienst am nächsten Morgen kommt.

Mamatunga hat einen schönen und weiten Rock gefunden, den sie heute Abend tragen will. Dazu passend hat sie von Fungu vor einigen Tagen ein Band geschenkt bekommen. Daraus macht sie sich eine Schleife fürs Fell. Papatunga hat einen Hut und eine dunkelfarbige Jacke in seinem Versteck. Nachdem er diese Kleidungsstücke angezogen hat, sieht er aus wie ein Gentleman.

 

Als Papatunga seine Gefährtin Mamatunga mit Rock und Schleife sieht, ist er total hingerissen. Für einen Moment denkt er darüber nach, den Tanzabend zu vergessen und sich mit seiner Liebsten in ein ruhiges Eckchen zurück zu ziehen. Vielleicht bekommen die Zwillinge ja dann bald ein kleines Geschwisterchen.

 

Nein, natürlich wäre das nicht fair!

 

Mamatunga hat sich soviel Mühe gemacht, gut auszusehen. Papatunga will dann doch lieber mit der tollsten Affenfrau des Zoos an seiner Seite angeben.

 

Gemeinsam trommeln sie ihre Kinder zusammen und liefern sie mit einiger Anstrengung bei Ottilie ab. Noch bevor diese sich überlegen kann, die Beaufsichtigung der drei Chaoten abzulehnen, sind die Eltern schon verschwunden.

 

Fröhlich und voller Vorfreude auf den kinderfreien Abend schlendern Papatunga und Mamatunga über das Zoogelände Richtung Tropenhaus. Dabei machen sie einen großen Umweg, um die Atmosphäre dieses wunderschönen Frühlingstages zu genießen.

 

Unterwegs kommen sie bei den Ottern vorbei. Diese machen sich gerade auf dem Weg zum Wasserrennen bei den Pinguinen. Da das ungefähr die gleiche Richtung ist, begleiten die Otter die beiden Affen ein wenig. Dabei unterhalten sie sich über das unglaubliche Verhalten der Menschen. Wie sehr sie doch wieder gelacht und geschrien haben. Ein Kind hat sogar einen Stein nach dem Otterbaby geworfen. Direkt auf die Nase hat er das spitze Ding bekommen. Das war ein Drama!

 

Mama Otter hatte größte Mühe das kleine Baby, dass ja erst 2 Wochen alt ist, wieder zu beruhigen. Zum Glück kam sofort ein Pfleger und hat die verletzte Nase gekühlt und desinfiziert. Was hätte da nur alles passieren können!

 

Noch immer ist Mama Otter aufgewühlt. Sie wirft einen Blick zurück und überlegt, ob es richtig war, dass kleine Kind allein in der Obhut der Großmutter zu lassen. Es ist ihr erstes Baby, so dass ihr noch die Erfahrung fehlt. Papatunga beruhigt die junge Mutter. Kinder stecken so was ganz gut weg und morgen hat es das schon wieder vergessen.

 

An der nächsten Kreuzung trennen sich die Wege der beiden Paare. Sie wünschen sich gegenseitig einen schönen Abend und viel Spaß. Mamatunga schüttelt leise lachend den Kopf. Ob sie wohl bei ihrem ersten Kind auch so nervös war? Papatunga nickt heftig. Ja, er kann sich daran erinnern, dass seine Gefährtin bei dem ersten Kind noch viel schlimmer war. Wochenlang hat sie es nicht allein gelassen. Und wehe außer Papatunga ist jemand anders auch nur 1 Schritt zu nahe gekommen.

Aber das ist schon sehr viele Jahre her. Seit dem hat es viele Kinder gegeben. Aber nur noch Fungu, Fanga und Kingi sind noch da. Die anderen wurden zu anderen Zoos gebracht, wo sie heute ihre eigenen Familien haben.

 

Am Ende des Weges kann man schon das hell erleuchtete Tropenhaus erkennen. Auch die ersten Musikfetzen kann man hören, wenn man schön leise ist. Die beiden Affen beschleunigen ihren Schritt. Spätestens nach dem sie die ersten Musiknoten gehört haben, kann sie nichts mehr vom tanzen abhalten. Gorillas sind nämlich sehr musikbegeistert müsst ihr wissen. Und sie tanzen für ihr Leben gerne. Sie lassen sich nur nicht so gerne von Menschen dabei beobachten. Deswegen wissen das nur ganz wenige.

 

Im Tropenhaus ist schon sehr viel los. Da sind die Flamingos mit ihren rosa Kleidern, die Schleiereulen mit dem weißen Gefieder und auch die Geparden haben sich auf ein Tänzchen eingefunden.

 

Ja, auch die Geparden! Die tanzen nämlich auch sehr gerne.

 

Und hier im Tierpark sind alle Freunde. Es gibt keinen Futterneid und auch keine Feinde. Natürlich wird sich schon mal gestritten und rum gezickt. Aber keiner würde dem anderen was zu Leide tun. Hier ist man eine große und harmonische Familie.

 

Alle sind fröhlich und tanzen ausgelassen. Zwischendurch wird mal eine kleine Pause gemacht, um den Musik machenden Vögeln einen kleinen Applaus zu schenken. Sie machen das wirklich großartig!

 

Eine Mischung aus Rock’n’roll, Walzer, HipHop und alles was die aktuelle Musikszene sonst noch hergibt in einer wundervoll gestalteten Umgebung. Und das alles ganz ohne Kinder! Das ist wie ein kleiner Urlaub für die Eltern, die teilweise von ihren sehr lebenslustigen Kindern sehr in Anspruch genommen werden. Natürlich freuen sich die Eltern darauf, ihre Kinder später wieder gesund in die Arme zu schließen. Aber nach ein paar entspannenden Stunden können sie ihren Nachkommen wieder viel besser Aufmerksamkeit schenken.

 

Was machen eigentlich unsere kleinen Chaoten in der Zwischenzeit?

Die haben Ottilie ganz schön auf Trab gebracht. Und das in ihrem Alter! Kaum waren Mamatunga und Papatunga um die Ecke verschwunden, da hat Kingi seine Geschwister schon beiseite genommen, um mit ihnen einen Plan auszutüfteln. Er mag die Orang-Utans nicht besonders. Sie haben so lange Arme und ein zotteliges Fell. Und dann noch diese Farbe! Außerdem ist er viel zu alt für den Kindergarten. Da kann auch Ottilie mit ihrer Engelszunge nichts machen. Kingi will hier weg!

 

Die Zwillinge sind natürlich für jede Schandtat bereit. Gespannt lauschen sie den Vorschlägen ihres großen Bruders. Der Plan klingt einfach. Jetzt muss nur noch ein Sündenbock her. In einem Kindergarten voller Affenkinder ist der natürlich schnell gefunden.

 

Jeder weiß ja, dass Klammeraffen nicht besonders schlau sind. Und der kleine Atele ist ein besonders einfältiges Kind dazu. Außerdem hat er sich in Fanga verguckt. Dass sie ein Gorilla ist, scheint ihn dabei wenig zu stören. Er findet ihre großen schwarzen Augen so toll. Diese Tatsache macht sich Fanga jetzt zu nutze. Sie ist ja eigentlich noch sehr jung, aber sie hat es faustdick hinter den Ohren.

 

Mit ein wenig Hinterwackeln lotst sie Atele in einen hinteren Teil des Geheges. Auf einem Baum überredet sie den Klammeraffen zu einem Versteckspiel. Natürlich muss Atele als erster suchen. Mit dem Gesicht zum Stamm fängt er an zu zählen. Dabei hängt sein Schwanz über den Ast und zuckt ein wenig. Noch bevor der kleine Affe weiß wie ihm geschieht haben Fungu und Kingi seinen Schwanz um den Ast gewickelt und festgeknotet. Dabei sind sie so geschickt, dass sie den Knoten so anbringen, dass Atele selber nicht dran kommt, um ihn zu lösen. Es wird aber ein paar Minuten dauern, bis er das verstanden hat. In dieser Zeit schlendern die drei Taugenichts unschuldig drein blickend in den vorderen Teil des Kindergartens. In der Nähe des Tores setzen sie sich nieder und tun so, als würden sie einen Stein intensiv nach fressbarem untersuchen.

 

Spätestens da hätte Ottilie, die Kinderaufseherin, aufmerksam werden müssen. Wo doch Gorillas Pflanzenfresser sind! Was sollten sie da unter einem Stein fressbares finden? Aber die Orang-Utan Dame ist so froh, dass die drei friedlich in einer Ecke sitzen, dass sie sie einfach gewähren lässt. Außerdem hört sie gerade einen ohrenbetäubenden Schrei von dem Baum in der hintersten Ecke. Atele hat endlich begriffen, dass er den Knoten in seinem Schwanz nicht alleine lösen kann und schreit jetzt lautstark nach Hilfe.

 

Das ist die Gelegenheit auf die die drei Gorilla-Kinder gewartet haben. Da sich alle aufgemacht haben, um dem armen kleinen Atele zu helfen, ist die Tür unbewacht. Keiner merkt, wie sich die drei davonstehlen. Mit einem Affentempo laufen sie Richtung Elefantenhaus. Das ist fast am anderen Ende des Tierparks, aber dort wird man sie bestimmt als letztes suchen. Fungu ist nicht ganz so schnell. Er hat sich am Vortag bei einer ihrer „Klau-dem-Besucher-das-Essen-und-dann-nichts-wie-weg-Aktionen“ den Fuß leicht verstaucht. Kingi nimmt ihn auf den Rücken, damit sie nicht aufgehalten werden.

 

Bei ihren Planungen haben sie jedoch nicht bedacht, dass die Elefanten heute Abend ein Konzert geben. Deswegen ist rund um das Elefantenhaus ein ziemlicher Trubel. Auch ihre Tante Langa und ihr Onkel Ponto sind hier. Fast wäre Kingi Ponto in den Rücken gelaufen. Im letzten Moment kann er sich abbremsen. Fanga und Fungu halten den Atem an. O Weia!

 

Wenn sie jetzt von ihrer Tante und ihrem Onkel erwischt werden, wäre es für die nächsten Monate vorbei mit dem schönen Leben. Zum Glück hat Ponto im Moment nur Ohren für das Blas-Orchester. Langa unterhält sich leise mit einer jungen Stachelschweindame. Langsam und ohne ein Geräusch zu machen entfernen sich die jungen Gorillas vom Ort des Geschehens. Sie müssen sich einen neuen Ort zum spielen suchen.

 

Der ist schnell gefunden. Ein wenig versteckt liegt das Haus mit den Gerätschaften der Tierpfleger. Dort drinnen gibt es viele tolle Spielsachen. Nur – wie kommen sie da rein? Die Tür ist abgeschlossen und einen Schlüssel haben sie nicht.

 

Fungu hat eine Idee!

 

Er läuft den Weg ein wenig zurück. Dort hatte er in einer Blumenanlage einige Steine gesehen. Davon will er sich einen holen. Fanga und Kingi sind etwas ratlos. Was will er denn mit einem Stein? Daraus kann man doch keinen Schlüssel machen. Sie haben gerade keine bessere Idee, also warten sie auf die Rückkehr des kleinen Bruders. Der hat vorsichtshalber direkt drei Steine mitgebracht. Man kann ja nie wissen. Er stellt sich vor eins der Fenster und wartet. Immer noch ratlos sehen sich Fanga und Kingi an.

 

Gerade wollen sie Fungu fragen, was er vorhat, als ein Elefant so laut in sein Blasinstrument bläst, dass man sein eigenes Wort nicht verstehen kann. Genau in diesem Augenblick wirft Fungu einen Stein ins Fenster. Das laute Geklirr der Scheibe geht in der Musik des Elefanten unter. Kingi sieht mit einem anerkennenden Blick auf seinen Bruder. Nicht schlecht für so eine halbe Portion. Vorsichtig entfernen sie die messerscharfen Glassplitter, damit sie sich beim reinklettern nicht verletzen.

 

Wow, was für tolle Spielzeuge! Fanga hat sich schnell den kleinen Traktor unter den Nagel gerissen und tut jetzt so, als würde sie über ein Feld voller kleiner Insekten rollen, die beim überfahren lustige Geräusche von sich geben. Fungu findet das toll und steigt in das Spiel ein. Für Kingi ist das natürlich viel zu kindisch. Ihn interessiert viel mehr das große Tor am hinteren Ende des Raumes. Was sich wohl dahinter befindet? Und wie kommt er da hinein?

 

Er erinnert sich an den Trick von Fungu und versucht das auch bei der Tür. Aber es funktioniert nicht. Die Zwillinge lachen ihn aus. Das hätten sie ihm auch vorher sagen können. Eine bessere Idee haben sie aber auch nicht.

 

Was Kingi sich einmal in den Kopf gesetzt hat, dass wird auch gemacht. Und jetzt will er wissen, was sich hinter diesem Tor befindet. Er läuft rechts rüber, dann wieder nach links. Dabei wirft er immer mehr Spielzeuge um. Natürlich sind das nur aus der Sicht der Affen Spielzeuge. Es handelt sich hierbei um Schaufeln, Hacken und noch allerlei anderen Kram, den die Zooangestellten benötigen, um die Anlagen sauber zu halten.

 

Plötzlich gibt es ein lautes surren. Erschreckt springt Kingi nach hinten auf den Traktor, wo sich die Geschwister ängstlich zusammendrücken. Erst als sie erkennen, dass das Geräusch von dem Tor kommt, das sich langsam nach oben öffnet, weicht ihre Angst der Neugierde. Jeder will der Erste sein, der den neuen Raum untersucht. Und es kommt wie es kommen musste!

 

Beim Reinlaufen in den Raum stoßen sie erneut allerlei Spielzeug um. Und eines davon erwischt den Kopf des Rolltores erneut. Das Tor schließt sich und die drei Gorillakinder sind gefangen. Was für ein Schlamassel aber auch!

 

Um Hilfe rufen hätte jetzt keinen Sinn, denn das Elefantenkonzert ist noch im vollen Gange und übertönt jedes andere Geräusch. Die kleinen Zwillinge klammern sich an einander und fangen hemmungslos an zu heulen. Es ist so dunkel hier! Und keine Mama und kein Papa, die sie da wieder rausholen.

 

Jeder Versuch von Kingi das Tor durch ständiges Gegenlaufen zum öffnen zu bewegen ist zwecklos. Schließlich ist er so müde und erschöpft, dass er aufgibt. Ganz eng kuscheln sich die drei Gorillas zusammen und hoffen, dass sie bald jemand findet. Noch bevor das Konzert der Elefanten vorbei ist, sind die drei vor lauter Müdigkeit eingeschlafen.

 

Natürlich hat Ottilie mittlerweile entdeckt, dass ihr die drei Chaoten abhanden gekommen sind. Völlig aufgelöst läuft sie durch den Tierpark und ruft die drei laut. Eine Antwort bekommt sie jedoch nicht. Als sie am Tropenhaus vorbeikommt entscheidet sie sich, die Eltern zu informieren. Keine schöne Aussicht. So ein wütender Gorilla kann ganz schön gefährlich sein.

 

Zögerlich betritt der Orang-Utan die Tanzveranstaltung und hält Ausschau nach Papatunga und Mamatunga. Die beiden Gorillas sind jedoch nicht die Einzigen Affen, die ihre Kinder bei Ottilie gelassen haben, um auf den Tanzabend zu gehen. Es gibt einen riesigen Aufschrei, als die Kinderaufseherin entdeckt wird. Jeder glaubt, dass mit seinem Kind was nicht in Ordnung ist. Nur Papatunga bleibt ganz ruhig. Ihm ist klar, dass es mal wieder um sein Trio Infernale geht. Wäre ja auch zu schön gewesen! Mit Mamatunga an seiner Seite macht er sich auf den Weg, um herauszufinden, was die drei wieder angestellt haben.

 

Ottilie baut sich zu ihrer vollen Größe auf. Sie braucht jetzt viel Mut, denn so ein Gorilla wie Papatunga ist mit seinen 1,80 m ein ganz schöner Riese. Und seine Muskeln lassen erahnen wie viel Kraft in ihnen steckt. Überhaupt ist Papatunga ein sehr mächtiges und beeindruckendes Exemplar seiner Gattung. Und man weiß nie, wie so ein übervorsorglicher Vater auf die Nachricht von verschwundenen Kindern reagiert. Väter können da schon mal völlig irrational und übertrieben reagieren.

 

Der Gorilla-Vater ist da keine Ausnahme. Kaum hat er erfahren was passiert ist, ist es mit seiner inneren Ruhe vorbei. Er bäumt sich auf seine Hinterbeine und zeigt seine rasiermesserscharfen und langen Zähne. Dabei schreit er so laut, dass sogar die Elefanten ihr Konzert einstellen. Als Papatunga sich wieder auf die Vorderpfoten fallen lässt, gibt es einen so starken Schlag, dass die Steinfliese unter seiner Hand zerbricht. Sofort ist das Geschnattere und heillose durcheinander Rufen der Anwesenden beendet. Es herrscht plötzlich Totenstille. Im ganzen Tierpark!

 

Einen solchen Schrei eines Gorillas ignoriert man nicht. Nein! Wenn ein Gorilla so schreit, dann ist was passiert. Und alle haben zu zuhören!

 

Ein paar Anweisungen später steht der Tierpark Kopf! Jeder wurde verpflichtet nach den Ausreißern zu suchen. Stundenlang huschen die Tiere hin und her. Aber sie können keine Spuren finden. Selbst in dem Geräteschuppen waren sie und haben gerufen. Und wären die drei Gorillakinder nicht so tief am schlafen, dann hätten sie sie auch gefunden.

 

Es wird schon hell, als die Tiere die Suche aufgeben müssen. In wenigen Minuten kommen die ersten Tierpfleger und sie haben noch nicht aufgeräumt! Das hat jetzt Vorrang. Die Menschen dürfen auf gar keinen Fall wissen, was die Tiere nachts machen, wenn keiner von ihnen in der Nähe ist. Sie hätten ja keine ruhige Minute mehr. In letzter Sekunde können sie die Anzeichen der aufregenden Nacht verstecken. Aber die verlorenen Kinder sind immer noch nicht da.

 

Mamatunga sitzt in ihrem Gehege und weiß nicht was sie machen soll. Papatunga läuft aufgeregt am Zaun auf und ab. Natürlich fällt das dem Affenpfleger sofort auf. Nicht nur die Gorillas sind ganz aufgeregt. Auch die anderen Affen sind sehr nervös. Besonders die Orang-Utans. Der Pfleger versucht herauszufinden, was los ist. Es dauert eine Weile bis er merkt, dass zwar alle sehr nervös sind, aber gleichzeitig eine unglaubliche Ruhe ist.

 

Ruhe im Gorillakäfig?

 

Nein, das kann ja gar nicht sein! Die drei Rabauken sorgen schon dafür, dass hier immer was los ist! Aber – wo sind sie? Endlich hat der Tierpfleger verstanden, dass die drei nicht da sind, wo sie sein sollten.

 

Wer dachte, die suchende Meute der Tiere in der Nacht wäre ein Ereignis gewesen, der wird jetzt eines besseren belehrt. Alles was Mensch ist, wird auf die Beine gebracht. Während die Pfleger die Gehege und das gesamte Gelände durchsuchen, greift der Zoodirektor zum Telefon und informiert Polizei und Presse. Drei Gorillas entflohen! Sehr ängstlich und daher hoch gefährlich. Wer sie sieht, soll sich sofort verstecken und den Zoo informieren. Solche und ähnliche Nachrichten werden über alle Radiosender in der Stadt verbreitet. Die Polizei fährt durch die Straßen und informiert die Bürger über Lautsprecher. Und über der Stadt fliegen ganz viele Hubschrauber umher und suchen die vermissten Affen.

 

Und dann wird es noch dramatischer! Ein Pfleger hat die zerbrochene Scheibe am Geräteschuppen entdeckt. Ein Einbruch! Oh nein, jemand muss die Gorilla entführt haben! Auf die Idee, in den Raum hinter dem Rolltor zu sehen, kommt niemand.

 

Die armen Kleinen! Da sitzen sie und haben furchtbare Angst. Sie können die Menschen hören, aber sie haben beigebracht bekommen, dass sie denen nicht zeigen dürfen, wie intelligent sie sind. Und deswegen dürfen sie auch nicht um Hilfe rufen.

 

Kingi ist sehr aufgeregt. Was soll er nur machen? Er ist doch für die Zwillinge verantwortlich! Und sie haben Hunger! Nach Stunden ist ihm alles egal. Sie müssen hier raus!

 

Mit aller Gewalt und seinem vollem Körpergewicht lässt er sich gegen das Tor fallen. Nichts bewegt sich! Noch mal! Immer noch nichts! Und dann noch einmal! Nein, da tut sich gar nichts! Nicht mal ein Fenster gibt es hier! Vor Verzweiflung schreit der junge Gorillamann seine Wut gegen das Tor. Totenstille! Im ganzen Tierpark!

 

Ihr erinnert Euch? Einen Gorillaschrei tut man nicht einfach so ab! Wenn ein Gorilla so laut schreit, dann ist was passiert!

 

Papatunga hört diesen Schrei natürlich auch – wie jedes andere Tier im Zoo. Mit aller Kraft versucht er aus seinem Käfig auszubrechen, um zu seinem nach Hilfe rufenden Sohn zu gelangen. Die Gitterstäbe sind aus massiven Eisen und sehr stark. Aber Papatunga ist kein gewöhnlicher Gorilla!

 

Als er sich mit seinem ganzen Gewicht gegen die Stäbe wirft, geben diese ein wenig nach und biegen sich nach Außen. Ohje! Ein Pfleger hat das gesehen und ist sofort zur Stelle, um Papatunga von einem weiteren Angriff auf die Stäbe abzuhalten.

 

Zur gleichen Zeit sind mehrere Kollegen von ihm wieder im Geräteschuppen angekommen und bauen einen barrierefreien Weg aus dem Schuppen heraus. Sie haben keine Ahnung, ob sich hinter dem Tor alle drei gesuchten Affen befinden, aber zumindest der Älteste war mehr als deutlich zu hören.

 

Mit einem gehörigen Respekt und einer genauso großen Portion Angst öffnen sie langsam das Tor. Sie alle sind mit kräftigen Stäben ausgerüstet, die Strom leiten. Damit wollen sie den wütenden Affen in die richtige Richtung lotsen. Aber Kingi hat gar nicht vor sich irgendwohin lotsen zu lassen. Als das Tor endlich offen ist, stürzt er hinaus und schreit die Pfleger so gewaltig an, dass die Hälfte von ihnen ihr Heil in der Flucht sucht. Schnaubend hält der Gorilla die anderen in Schach, während er vorsichtig seine kleinen Geschwister auf den Rücken nimmt und aus dem Schuppen hinaus wandert.

 

Er weiß genau, dass er einen sehr großen Ärger von seinen Eltern zu erwarten hat. Aber er ist ein Gorillamann! Mit hoch erhobenem Haupt und ohne sich von irgendjemand ablenken zu lassen, spaziert er zurück zum Affenhaus. Dort ist natürlich die Freude groß, dass die drei wieder da sind. Besonders Ottilie atmet auf. Sie hatte schon Angst, was passieren würde, wenn die Nacht einbricht. Papatunga machte zurzeit nicht den Eindruck eines friedliebenden Affenmannes.

 

Die Pfleger sind mit der Situation völlig überfordert. Im Käfig ein wütender Gorilla, der unbedingt raus will – und vor dem Käfig ein verängstigter Gorilla, der unbedingt rein will. Beide sind so gefährlich wie hungrige Raubtiere. Sehr hungrige Raubtiere!

 

Ein Pfleger sieht nur eine Chance. Mit ganz vorsichtigen und kleinen Bewegungen geht er zum Tor des Gorillakäfigs. Noch vorsichtiger und langsamer macht er das Tor auf. Als Kingi sieht was der Pfleger vorhat, setzt er sich in Bewegung. Mit einem weiteren Schnauben betritt er das Gehege und übergibt die Zwillinge einer völlig hysterischen Mutter, die sich sofort vergewissert, dass es den beiden gut geht. Genau wissend was ihn erwartet, stellt sich das Männchen seinem Vater.

 

Die Pfleger vor dem Käfig sind völlig fasziniert von dem was sich hier abspielt. So etwas hätten sie nie für möglich gehalten. Vor lauter Aufregung vergessen sie sogar, dem Direktor Bescheid zu geben, dass die Ausreißer wieder da sind und man die Polizei und Presse zurück pfeifen soll. Daher kreisen die Hubschrauber noch eine weitere Stunde über der Stadt. Hundestaffeln durchkämmen die anliegenden Wälder. Ängstliche Bewohner verstecken sich in ihren Häusern.

 

Und im Gorillakäfig bekommt Kingi die härteste aller harten Lektionen seines Lebens!

Sein Vater sieht ihn nur an. Kein Wort, kein Schnauben, kein Brüllen. Schweigen! Endloses Schweigen! Und dieser unendlich traurige Ausdruck in den Augen, die von einer ebenso unendlichen Enttäuschung sprechen.

Dann begibt sich Papatunga zu seiner Gefährtin, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist.

 

Schon wenige Minuten später – nach einer ausgiebigen Mahlzeit versteht sich – tollen die Zwillinge schon wieder umher und denken sich neue Streiche aus, die sie den Erwachsenen spielen können.

 

Nur Kingi sitzt in einer Ecke und kaut auf einem Ast herum. In dieser Nacht ist er erwachsen geworden, denn zum ersten Mal in seinem Leben hat er für jemand Verantwortung übernehmen müssen. Und irgendwie macht ihn das stolz. Aber es bedeutet auch eine große Veränderung für ihn.

 

Denn dieser Ausflug ist der letzte, den er in diesem Zoo gemacht hat. In einigen Tagen, so hat der Direktor es beschlossen, wird Kingi eine aufregende Reise in einen Nationalpark nach Afrika machen. Und dort wird er neue Freunde und eine neue Familie finden. Und natürlich neue Abenteuer erleben.

 

Aber davon erzähle ich Euch ein anderes Mal!

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Tag der Veröffentlichung: 08.11.2014

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