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Es war im Jahre 1380; da lag ein frommer König im Sterben. Es war Karl V. Von Frankreich. Sein Tod glich dem eines Heiligen. Er befahl, jedermann die Türen seines Gemaches zu öffnen, damit man sehe, wie Könige gleich dem Niedrigsten gedemütigt würden. Als die letzte Stunde nahte, ließ er durch den Bischof von Paris die Dornenkrone Christi bringen. Er verehrte sie, indem er sterbend hauchte: O kostbare Krone, Diadem unseres Heils, wie lieblich und honigsüß ist die Freude, die du mir gewährst! Dann wandte er das brechende Auge hin zur Königskrone, die sein müdes Haupt in glücklichen Tagen schmückte und sprach: O Krone von Frankreich, wie bist du doch so kostbar, und wie bist du so gering! Dann verstarb der König, dem sein Volk den Beinamen der Weiße gegeben und hinterließ einen Sohn, der erst elf Jahre zählte. Damit begann für Frankreich eine Zeit unseligen Haderns im Inneren, und blutige Kriege mit den ländergierigen Briten, die nichts weniger erstrebten, als die völlige Einverleibung Frankreichs unter die englische Herrschaft, brachten Not und Elend über das Land. Noch erwartete man Gutes von den Königen dem Vielgeliebten, wenn er erst mündig werde und Frankreichs Geschicke leiten. Doch ach! Als er volljährig ward, fiel er in Wahnsinn und dreißig Jahre lang führte ein König mit umnachtetem Geiste das Zepter Frankreichs, während seine Gattin, die schöne, gefallsüchtige und gefühlslose Isabella (Isabeau) der irdischen Freuden nicht genug genießen konnte. In dieser Zeit übernahm ein Bruder des Königs, Ludewig von Orleans, ausschweifend und gewalttätiger Natur, die Reichsregierung. Ihm zur Seite stellte man den Herzog Philipp von Burgund, einen wackeren und gerechten Mann. Das Unglück wurde drohender, als dieser starb, und dessen Sohn, Johann der Unerschrockene, an die Stelle trat. Empört über Ludwigs rasenden Übermut, ließ er den Herzog in einer Straße von Paris zu nächtlicher Stunde feige ermorden und entfachte durch diese Bluttat den schrecklichsten Bürgerkrieg. Diese Zeit des inneren Zwistes benutzte Heinrich V. von England zu einer Landung in Frankreich. Er eroberte im Fluge mehrere feste Plätze der Normandie und schlug das gegen ihn zusammengebrachte französische Heer bei Azyncourt (1415) vollständig. Der Reichsregent, Johann von Burgund, konnte nichts tun, denn ihm war in dem Grafen Armagnac, dem die Tochter des von ihm ermordeten Herzogs von Orleans vermählt war, ein erbitterter Feind entstanden. Die Partei des Armagnac hielt zum alten Königshaus und erklärte den dritten Sohn des unglücklichen Herrschers, den nachmaligen Karl VII. fünfzehnjährig, zum Dauphin von Frankreich. Die Burgunder dagegen wählten die Freundschaft mit England. Das Bündnis, das die unnatürliche Isabeau förderte, kam zustande. Die Verbündeten bemächtigten sich 1419 der Hauptstadt Paris, Armagnac selbst kam in dem fürchterlichen Blutbad um, und nur mit knapper Not entging der Dauphin dem gleichen Schicksal. So war Paris die schönste und reichste Stadt Frankreichs, in den Händen der Engländer, die ganze Normandie war in ihrer Gewalt. Der Herzog von Burgund bekam endlich Gewissensbisse. Er bot dem Dauphin, der nun in Poitiers sein Hoflager hielt, Friedensverhandlungen an. Der junge Prinz war damit einverstanden und schlug eine mündliche Unterredung vor. Auf der Brücke zu Montereau begegneten sich die Fürsten. Kaum aber waren einige Worte gewechselt, als die Begleiter plötzlich den Dauphin zurückzogen. Einige Minuten später lag Herzog Johann ermordet auf der Brücke. Der Tod des Herzogs von Orleans war gerächt. Die Mitwisserschaft Karls an dem Verbrechen ist nicht erwiesen. Johanns Sohn und Nachfolger, Philipp der Gute, trat jetzt öffentlich dem englischen Bündnis bei; Philipp und Isabeau stimmten einem Vertrage zu, nach welchem England und Frankreich unter ein Haupt, den König von England, vereinigt werden, der Dauphin Karl mit allen seinen Nachkommen von der Thronfolge gänzlich ausgeschlossen sein sollte. Heinrich V. Pläne aber verwirklichten sich nicht. 1422 starb er auf den Gipfel seines Ruhmes und hinterließ einen Sohn von neun Monaten. Der englische Herzog von Bredford, ein äußerst staatskluger Mann, übernahm die Regentschaft, fest entschlossen, die Unterwerfung des Landes mit allen Mitteln zum Ende zu führen. Der Dauphin dachte nicht mehr daran, die Königswürde zu behaupten. Die letzten Anhänger fielen von ihm ab. Die Fürsten der noch königstreuen südlichen Provinzen schalteten und walteten wie unabhängige Herrscher in ihren Gebieten. Der geschwächte König wich Schritt um Schritt zurück. Zu einer rettenden Tat oder zu einem rühmlichen Untergang vermochte er sich nicht aufzuraffen. Er blieb tatenlos und unsicher jenseits der Loire.
... Gott helfe dem König und erbarme sich des Landes! Geschlagen sind wir in
Zwei großen Schlachten, mitten in Frankreich steht der Feind, verloren sind alle
Länder bis an die Loire!” - (Schiller)
Der Herzog von Bedford beschloss, den entscheidenden Schlag zu führen und die Streitkräfte nach dem Süden zu führen. Der Schlüssel zur Loire war das stark befestigte Orleans. Wenn Orleans fiel, war es mit der Schattenherrschaft Karls VII. zu Ende. Es war im Herbst des Jahres 1429, als die Belagerung der Stadt ihren Anfang nahm. Karl saß zu Chinon, in Trauer versenkt, ohne Geld, ohne freudige Krieger, er glaubte an keine Siege mehr. Nicht mit Unrecht lässt der Dichter den tapferen Dunois sprechen:
... Ich sage
Mich los von diesem König, der unrühmlich sich selbst verlässt. Mir blutet in der Brust das tapfere Herz, und glühende Tränen möchte ich weinen. Dass Räuber in das königliche Frankreich sich teilen mit dem Schwert, die edlen Städte, die mit der Monarchie gealtert sind, dem Feind die rostigen Schlüssel überliefern, indes wir hier in tadelloser ruh. Die köstlich edle Rettung zeit verschwenden. (Schiller)
In den Zeiten großer Bedrängnis, da alle menschliche Hilfe schier zu versagen scheint, tauchen nicht selten Ahnungen und Gerüchte auf von übernatürlicher wundersamer Hilfe, die der Not mit einem Male gebieten und unerträgliche Verhältnisse zum Bessern wenden. So ging auch durch das bedrückte Frankreich die Sage, nach welcher das Land, von einer Frau (Isabeau) an den Rand des Verderbens gebracht, durch eine Jungfrau wieder gerettet werde. Diese Sage vernahmen die armen Bauern in den Dörfern wie die trauernden Witwen und Waisen auf den verarmten Edelsitzen. Mönche durchzogen das verwüstete Land, um die Hoffnung zu beleben dass ein Gott dem Bitten eines gedemütigten Volkes Gewährung verheiße. Und die Hilfe kam; sie war schon da: Johanna von Arc‘, ein armes Hirtenmädchen von Domremy. Denn wenn im Kampf die Mutigsten verzagen, wenn Frankreichs letztes Schicksal naht, dann wirst du meine Oriflamme tragen, und wie die
Rasche Schnitterin die Staat, den stolzen Überwinder niederschlagen ... Errettung bringen Frankreichs Heldensöhnen und Reims befrei n und seinen König krönen.” (Schiller)


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Tag der Veröffentlichung: 14.11.2009

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