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Gregorys Finger zitterten ein wenig, als er die Einladung handschriftlich verfasste. Eine etwas nostalgische Art, jemanden zu einem Schachspiel einzuladen. Aber wie heißt es so schön? Adel verpflichtet. Und Gregory McButton ward noch zu einer Zeit geboren, da selbst elektrische Schreibmaschinen schon ein Novum darstellten.
„Henry!“, rief der weißhaarige McButton seinen Butler. „Wollen Sie so freundlich sein und diese Einladung an Mister Thomas Weecock überbringen?“
Der dienstbare Geist neigte leicht den Oberkörper und nahm das längliche Kuvert mit dem Siegel der McButtons an sich.
„Sehr wohl, Sir! Soll ich eine Antwort abwarten?“, hinterfragte Henry die üblichen Gepflogenheiten des Hauses zur Sicherheit.
Das weißhaarige Haupt nickte, was so viel wie ein „Ja“ signalisierte. Der Butler zog sich zurück und ließ einen nachdenklichen Gregory McButton zurück.
Wo waren die Jahre abgeblieben, als er voll von Vitalität durchs Leben gegangen war? Unwillig klatschte der Alte auf seine, in eine karierte Wolldecke gehüllten, Beine. Der Rollstuhl war ein ständiger Begleiter geworden.
Das gesamte Anwesen des Lords hatte einen behindertengerechten Umbau erfahren. Selbst die Stallungen zu den Rennpferden waren mit dem rollenden Sessel gut erreichbar. Eine unverzichtbare Einrichtung, denn nach wie vor gehörte Gregorys Liebe seinen hochdotierten Rennpferden. Pokale und Auszeichnungen im >Horse-Ressort<, wie der Lord ein ganz bestimmtes Zimmer seines Landhauses betitelte, zeugten von Rekorden und Siegen der Vierbeiner. Etwas anderes als ein Triumph wäre Schmach und Schande für McButton.

„Wie war die Trainingszeit von SwordFighter?“, wollte Gregory von Stan, seinem Vorarbeiter, wissen.
„Nicht schlecht“, resümierte der Gefragte. „Wenn er so weitermacht, schlägt er seine Konkurrenten um Längen.“
McButton nickte und ein erfreutes Lächeln drängte sich in das faltenzerfurchte Gesicht. Wache Augen musterten die Vollblüter in den geräumigen Verschlägen. Der Lord ließ seinen automatischen Rollstuhl an den Boxentüren geräuschlos vorbeifahren. Bei jedem der edlen Tiere machte er Halt. Aus einem papierenen Beutel zauberte er jeweils eine frische Möhre, um sie den Pferden auf der flachen Hand anzubieten. Gregory liebte es, wenn die weichen Lippen der Hengste seine Handflächen berührten und ein leises Schnauben Dank symbolisierte.
An der Box von SpeedRunner verharrte McButton etwas länger. Das englische Vollblut konnte bestimmt einen hohen Preis bei der Auktion erzielen. Die Trennung würde schwer fallen. SpeedRunner hatte in der Vergangenheit seinem Namen alle Ehre gemacht. Unzählige Trophäen im >Horse-RessortEure Lordschaft, lieber Sportsfreund!
Ich danke Ihnen für die Einladung zu einer Partie Schach am kommenden Freitag. Gerne nehme ich an und freue mich, dass Sie mir nicht gram sind, dass mein Silverstar Ihrem Hengst beim letzten Rennen die Show gestohlen hat. Vielleicht können Sie sich mit einem Königsspringerspiel dafür revanchieren.
In sportlicher Verbundenheit
Thomas Weecock



„Sportsfreund“, äffte der Lord zynisch nach. Nur zu gut wusste er, was dem Rappen aus dem Stall Weecock zum Sieg verholfen hatte. Aber die Idee, sich mit einem gelungenen Spiel zu revanchieren, gefiel McButton mit jeder Minute mehr. Er lenkte seinen Rollstuhl zu dem antiquarischen Sekretär an der getäfelten Wand. Die Scharniere der Schranktüren waren gut geölt und verursachten keine Geräusche beim Öffnen.
Gregory entnahm das leicht verstaubte Schachbrett mit besonderer Sorgfalt. Auf dem Schachfeld verharrten noch die Figuren eines letzten Spiels, bei dem er Jason Burghire Schach Matt gesetzt hatte. Auch Burghire war ein Rivale des Gestütbesitzers gewesen. Richtig, gewesen. Kurz nach der verlorenen Partie war Jason plötzlich verstorben. Ursache unbekannt. Nun, nicht ganz unbekannt. Bloß wollte man in der Presse nicht breittreten, dass der Rennstallbesitzer an einer Überdosierung eines Dopingmittels für seinen Siegerhengst elendiglich zu Tode kam. Welch makabres Schicksal.
Seit jener Zeit waren es wieder die Pferde von Lord McButton, die siegreich aus den Derbys hervorgingen.
Henry würde das Brett und die Spielfiguren entstauben und sich um Ersatz für die zwei weißen Springer umsehen müssen, die bei diesem Schachspiel fehlten.
Bis nächsten Freitag waren noch einige Dinge zu erledigen. Schließlich wollte Gregory nicht unvorbereitet in diese ehrenrettende Schachpartie stolpern. Ehe man diese Angelegenheiten in Angriff nahm, wollte der weißhaarige Lord allerdings noch sein >Horse Ressort

Impressum

Texte: Renate Zawrel
Bildmaterialien: Coverfoto Renate Zawrel
Tag der Veröffentlichung: 01.12.2011

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