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„Nimm nie deinen Stress mit ins Bett. Er ist ein absolut untauglicher Bettnachbar!“
Haha. Das Lachen will mir nicht wirklich gelingen. Die Worte meiner Kollegin klingen in meinen Ohren nach. Sie kann leicht solche Sprüche klopfen. Denn diese Frau ist das absolute Anti-Stress-Paket. Keine Ahnung, wie Elvira es fertig bringt, all ihre Aktivitäten samt einem perfekten Äußeren unter einen Hut zu bringen. Darüber möchte ich jetzt aber nicht nachdenken, denn es würde meine Situation bestimmt nicht ändern.
Ich quäle mich also mit meinem ungeliebten Matratzenfreund weiter herum. Vielleicht würde es wirklich helfen, das Fenster zu öffnen. Frischluftzufuhr – durchlüftetes, kühles Schlafzimmer. Irgendwo hatte ich diese Kombination eines Schlafforschers einmal gelesen. Glaube ich zumindest.
Woran ich mich jedenfalls NICHT erinnere ist, wie der Mensch das ausgehalten hat. Selbst die flauschige Doppeldaunendecke vermag die herein purzelnden Minusgrade nicht von meinen frierenden Zehen fernzuhalten. Natürlich könnte ich mir jetzt wärmende, handgestrickte Wollsocken aus dem Kasten holen. Die Betonung liegt allerdings auf „könnte“. Denn ich will keineswegs mein Bett ein zweites Mal verlassen. Insbesondere, da das Zimmer mittlerweile einer Oase für Nordpol-Freaks entspricht.

22.45 Uhr – seit mehr als einer Stunde liege ich wach in meinem Bett und überlege, wie ich mich selbst zum Einschlafen bringen könnte. Wie gesagt, nachdem die Erfrierungserscheinungen nicht den Erfolg in erster Instanz brachten, suche ich nach Alternativen. Eine davon fällt gleich wieder aus. Nämlich jene, noch einen flotten Spaziergang um das Haus zu machen. Keine Ahnung ob der Begründer dieser These der Besitzer eines Hochhauses auf quadratmetergroßer Grundfläche war oder zu der Phalanx der Eis-Sportler gehörte. Sie kennen keine Eis-Sportler? Nun, das ist diese verrückte Spezies des homo sapiens, die sich freiwillig Löcher ins dicke Eis hackt um im wohlig eisgekühlten Fluss darunter ein erfrischendes Bad zu nehmen. Spinner! In meinen Augen natürlich. Gleichzeitig bedeutet das aber, dass ich bereits zwei Einschlafoptionen aus dem Repertoire streichen muss.
23.25 Uhr – das Baumwolllaken gleicht mittlerweile einem für das Nähen von Röcken plissierten Stoffrest. Wieso grinst mich die digitale Anzeige meines Radioweckers heute so unverschämt an? Frech – wenn auch sinnlos – strecke ich dem Feindbild die Zunge heraus. Nichts ändert sich, außer der neuen Uhrzeit: 23.47 Uhr. Super! Bleiben mir immerhin noch genau sechs Stunden und dreizehn Minuten bis mich der Morgengruß der Wecksendung im Radio aus meinem Tiefschlaf und meist auch aus meinen Träumen reißen würde. Aus dem Tiefschlaf? Gut, dazu müsste ich einmal in einen eben solchen fallen. Und das ziemlich rasch. Denn bekanntlich war der Schlaf VOR Mitternacht der beste. Ungerührt der Tatsache, dass ich diesem vormitternächtlichen Schlafwunsch nachkommen möchte, hüpft die Zeitanzeige geradezu heuchlerisch langsam auf 0:00 Uhr. Exakt sechs Stunden bis zum Startschuss, ähm Wecksignal.
Genervt trommle ich mit meinen Fingerkuppen Stakkato auf die Bettdecke. In diesem Moment erinnere ich mich an eine weitere Einschlaftaktik. „Ein Schäfchen …“ Dabei stelle ich mir eines dieser wolligen Tierchen vor, wie es über einen nicht allzu hohen Weidezaun hüpft. „Zwei Schäfchen, drei Schäfchen …“ Es gibt nur ein Problem. Meine Schafe waren äußerst talentfrei, was das Überspringen von Zäunen betraf. Richtige Antisport-Schafe. Eine Rasse, die es mit Garantie nur in meinem Kopf gibt. Ich versuche einen zweiten Anlauf mit rassigen Rennschafen. Die stelle ich mir mit längeren Beinen und energiegeladenen Hopsern vor. Allerdings konzentriere ich mich dermaßen auf das beschränkt wirkende Aussehen der Hüpfwolle, dass es mir nach einiger Zeit nicht mehr einfällt, wie viele meiner Rasseschafe ich bereits über die Holzstämme gejagt habe. Grübeln nutzte weder den Schafen, noch mir. Gedanklich treibe ich die Viecher wieder zurück in den Pferch und lasse sie nochmals springen. Rache war bekanntlich süß – die blökenden Tiere treten in einen unbefristeten Streik. Es will mir nicht gelingen, sie erneut über die Barriere hüpfen zu lassen. Ich kann fast ihr beleidigtes Rufen hören. „Mäahhhh!“

Oh wie nett – meine Restzeit beträgt nun nur mehr vier Stunden und zehn Minuten. Mehr als eine Stunde lang habe ich zum nächtlichen Fitnessguru für unbegabte Sportschafe mutiert und das alles umsonst. Denn ich habe weder das eine, noch das andere Auge zugetan.
Ah – ein Glas warme Milch mit Honig. Es kostet mich einige Überwindung, meine bettwarmen Glieder in die klirrende Frostzone außerhalb der Kuscheldecke zu strecken. Noch mehr, meinen müden Körper in die Küche zu schleppen. Kann sich irgendjemand vorstellen, wie frustrierend der Anblick meines geöffneten Kühlschranks war? Dort, wo normalerweise der Milchvorrat seiner Leerung harrt, stand --- nichts. Gut, ich kann mir da selbst keinen großen Vorwurf machen. Schließlich trinke ich meinen Morgenkaffee schwarz. Haha --- Morgenkaffee. Welch ein Hohn. Ich suche doch eben nach einem Mittel, um endlich ins Reich der Träume abzudriften. Und die Aussicht auf das Gebräu, das mich munter machen soll, passt hier wie die Faust aufs Auge.
Ernüchtert, dass ich dieses Hausmittel nicht versuchen konnte, schlurfe ich wieder zurück ins Bett. Bibbernd verkrieche ich mich wieder unter meiner Winterdecke, die sogar noch mit der Sommerdecke zusammengeknöpft ist. Zähneklappernd wage ich einen Blick auf die roten Leuchtziffern. 3:47 Uhr.

Mist! Sch***…marr’n! Meine Aggressionen richten sich gegen das Kopfkissen, das ich nun wütend mit meinen Fäusten bearbeite. Jeder kann sich denken, dass diese Aktion weder zielführend noch von Nutzen war. Ich starre an den Plafond des Zimmers. Die Lichter der nahen Straßenlaterne zaubern hübsche Leuchtblumen, die mir von da oben zulächeln. Ja, ja .. lächelt ihr nur. Trotzig stehe ich erneut auf und mache mich zielstrebig auf zum Schlafmittel Nummer eins. Dem Fernsehgerät. Sagt man doch, oder?
Allerdings regt die Dokumentation über die Ernährungsvorräte der Menschheit mich noch mehr als mein „Nicht-schlafen-können“ auf.

Resignierend blinzle ich zu der antiken Wohnzimmeruhr und höre das verhaltene Knirschen des außer Kraft gesetzten Gongs, der die fünfte Morgenstunde verkündet. Ich habe das „Ding-Dong“ immer vorsorglich abgestellt, damit es mich nicht weckt in der Nacht. Diese Aussage gehört ab sofort zu den „Nicht-lustig-Witzen“.
Es nützt nichts. Heute würde ich alle Künste der „Schminkologie“ auf mein Gesicht anwenden müssen, um halbwegs zivilisiert auszusehen, wenn ich mich auf den Weg ins Büro machte. Schadensbegrenzung betreiben.
Die verbleibende Stunde kann ich gut und gerne noch in einem Buch blättern. War es Fügung, dass ich nach einem Band mit „Hausmitteln gegen allerlei Weh-wehchen“ greife? Wie von Zauberhand schlägt sich die Seite mit „Einschlafmethodik“ auf.
Den Absatz mit der abgesenkten Raumtemperatur im Schlafzimmer überfliege ich und lächle beim Lesen der Trainingsmethoden für den Schafsparcour … Darüber kann ich nur lachen. Das würde mich nie zum Einschlafen bringen.

Es ist 10:54 Uhr.

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Texte: Alle Rechte bei der Autorin
Tag der Veröffentlichung: 30.11.2011

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