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Prolog




Er starrte mich an, als wäre ich vom Himmel gefallen, was ich im Grunde genommen ja auch war. Mein Rücken schmerzte immer noch vom Aufprall. Ich hatte echt schon weichere Landungen hinter mir.
Seine Haare waren so golden wie die Sonne. Und seine Augen spiegelten die ganze Galaxie über uns wieder. Dunkelblau mit silbernen Pünktchen, die sich zu Sternenhaufen zusammen fanden. Diese Augen würde ich nie wieder vergessen. Der Nachthimmel auf einen Blick. Für mich hieß er Satchán, Sternenhimmel auf Alt-Lamuranisch. Ich fand der Ausdruck passte zu ihm.
„Wer bist du? Und wo kommst du her?“ Er sah mich unentwegt an. Seine Stirn in Falten gezogen, was seine sandfarbenen Augenbrauen noch mehr betonte. Er hatte lange dunkle Wimpern, für die ich jederzeit einen Mord begehen würde, und ein spitz zulaufendes Gesicht mit hohen Wangenknochen.
„Das darf ich dir nicht sagen. Aber du solltest mir sagen, wo ich hier bin, damit ich auch weiß, ob ich an meinem Reiseziel angekommen bin.“, sagte ich und merkte, dass meine Stimme ganz normal blieb.
„Du bist ... eine von ihnen. Nicht wahr?“ Erst jetzt fiel mir auf, was für eine wundervoll raue Stimme er hatte. Dieses Mal schwang leichtes Erstaunen mit.
„Ja, ich bin eine von ihnen. Woher weißt du das?“ Ich begann ihn neugierig zu umkreisen. Wie ein Löwe seine Beute, abgesehen davon, dass ich ihn nicht fressen, sondern vernaschen wollte.
„Naja.“ Er fühlte sich deutlich unwohl in seiner jetzigen Situation. „Es kommt nicht oft vor, dass jemand vom Himmel fällt. Und dann noch deine Haare und Augen ...“
„Ich wusste ich hätte etwas dagegen unternehmen sollen!“, fluchte ich. Meine giftgrünen Augen wären überhaupt kein Problem gewesen, wenn sie nicht golden glitzern würden, als hätte jemand Glitterpulver hinüber gestreut. Dazu noch die Silbersträhnen, die von natur aus in meinem raben-schwarzen Haar waren, und ich fiel auf wie ein bunter Hund.
„Sag mal, wer hat dir von uns erzählt?“, fragte ich ihn, denn es gab nicht viele Menschen, die von uns Engelskindern wussten und wenn doch gehörten sie den Lamuranern an. Doch bei ihm konnte ich dies definitiv ausschließen. Er roch nicht wie jemand aus diesem Volk. Sondern vollkommen fremd. Er roch nach...
„Engelsblut!“
Unwillkürlich wich ich ein paar Schritte zurück, bereit ihn zu töten, falls er eine falsche Bewegung machte. Etwas blitzte kurz in seinen Augen auf, vielleicht Genugtuung, dass ich vor ihm zurück wich, doch es war zu kurz, als dass ich es hätte genauer bestimmen können.
„Wer bist du?“, fragte ich ihn misstrauisch, obwohl ich es doch wusste. Und genauso wusste ich auch, dass ich hätte fliehen sollen, denn der, der vor mir stand, war mein ärgster Feind.
Auf seinem Gesicht ließ sich ein arrogantes Lächeln nieder, alle Angst war von ihm gewichen. Sofort verfiel ich in eine kauernde Haltung und er tat es mir gleich. Seine Augen waren zu Schlitzen verengt und die meinen glichen denen einer Katze – die Pupille wurde schmal und senkrecht und das Grün noch kräftiger als junges Gras.
„Du dreckige kleine Schattengestalt! Du weißt genau, wer ich bin.“, stieß er mit unterdrückter Wut und Verachtung zwischen den Zähnen hindurch, wobei er sein arrogantes Lächeln verdrängen musste.
Ich wusste es, damit lag er richtig, doch ich konnte es nicht glauben. Ich musste aus seinem eigenen Mund hören, was er war. Also schluckte ich nur die bittere Galle, die mir inzwischen im Angesicht des Todes hochgekommen war, runter und wartete darauf, dass er meine Frage beantworten würde.
Eine Weile kreisten wir in der Hocke umeinander, wie große Raubkatzen, bis es ihm zu langweilig wurde. Er wollte, dass ich den ersten Schritt machte, doch darauf konnte ich gut verzichten. Es gab schließlich Gesetzte, an die ich mich halten musste. Eines von ihnen lautete, attackiere niemanden, ohne, dass er dir einen Grund dazu gegeben hat. Er war zwar mein größter Feind, aber allein dass noch immer eine klitzekleine Möglichkeit bestand, dass er es nicht war, gab mir keinen Anlass ihn zu töten oder zumindest außer Gefecht zu setzten. Ich wusste, dass sein Volk ähnliche Verhaltensregeln wie das unsere hatte – ich hatte sie mir mal durchgelesen – deswegen würde er mich mit großer Wahrscheinlichkeit nicht angreifen, obwohl er mit Sicherheit sagen konnte, dass ich ein Engelskind, oder wie er es ausdrückte, eine dreckige

Schattengestalt war.
Wiederum konnte ich nicht anders, als mir jedes kleinste Detail von ihm einzuprägen. Sein Gesicht kannte ich ja bereits schon, jetzt ließ ich meinen Blick über seinen Körper gleiten, damit ich einschätzen konnte, welche Chance ich gegen ihn haben würde, wenn es zu einem Kampf käme.
Meine Chancen standen nicht sehr gut, obwohl ich himmlische Fähigkeiten besaß. Um genau zu sein grottenschlecht: Er war super durchtrainiert, hatte Muskeln an allen Ecken und Enden und war, wie ich erst jetzt bemerkte, schwer bewaffnet.
Na Klasse! Und ich hatte nicht mal einen Dolch bei mir.
„Lass mich raten“, zischte ich wie eine Kobra und brach damit das angespannte Schweigen zwischen uns. „Du wurdest extra nur hierher gesandt um mich abzufangen? Richtig?“
Er schnaubte verächtlich, was ich als „Ja“ deutete.
„Ach herrje! Du Armer! Schicken dich hierhin, nur um mich abzupassen, während sich die ganze Aufregung ganz woanders abspielt. Sie müssen dich ja für besonders schwach halten!“ Ich war so gut im Runtermachen. Er schien mir zu glauben, denn seine Augen verengten sich. Minimal, aber so, dass ich es sehen konnte. Seine Haltung änderte er jedoch nicht.
„Vergiss es! Ich habe von deiner Überzeugungskunst gehört und mich dagegen gewappnet. Auch deine anderen Gaben sind mir bekannt. Um genau zu sein, bist du wahrscheinlich die mächtigste Schattengestalt, die jemals existiert hat, Clarissa Mirabella Lovey!“, spuckte er mir zornentbrannt entgegen.
Wow, ich hätte nicht gedacht, dass er sich trauten würde meinen Namen auszusprechen, immerhin hatte er damit recht, dass ich mit Sicherheit das mächtigste Engelskind – das jemals existierte – des ganzen Universums war, bin und – im Angesicht der mir drohenden Gefahr hoffentlich – auch bleibe. Denn keiner hatte mehr Gaben als ich. Ich konnte praktisch alles, was man von mir verlangte mit einem Wimpernschlag ausführen.
„Okay, ich sag dir eins: Falls du später irgendwann mal zu einem weiblichen Wesen näheren Kontakt haben solltest, – oder überhaupt eine Chance, was ich mir kaum vorstellen kann – müsstest du dringendst an deiner Höflichkeit arbeiten.“, wies ich ihn zurecht. Er wollte etwas erwidern, doch ich schnitt ihm dass Wort ab. „Dazu gehört auch, dass man sich normalerweise vorstellt. Lass uns das Ganze doch gleich mal üben, nur um zu sehen, ob du auch wirklich alles verstanden hast. Also, wie heißt du und was bist du wirklich?“
Er wollte mir irgendeine abweisende Antwort geben, das spürte ich, weswegen ich ihn gar nicht erst zu Wort kommen ließ.
„Ich kann diese vertraulichen Fragen auch auf anderem Weg aus dir herauskriegen. Also liegt die Entscheidung ganz bei dir. Willst du es mit oder ohne Schmerzen?“
Er starrte mich an, als wäre ich geistesgestört, doch dann lächelte er und stand auf. Ich tat es ihm gleich, doch blieb angespannt.
„Jonathan. Jonathan Skyhiker.“, sagte er und irgendwie kam mir der Name bekannt vor. Er ließ mich frösteln und gab mir gleichzeitig alle Wärme des Universums, so dass ich mich entspannte. „Ich bin Morgensterns Sohn.“

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 11.11.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
An meine beste Freundin, Katharina, an die ich immer denken werde, ganz egal, was zwischen uns passiert. Ich weiß, dass du solche Geschichten liebst.

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