Cover

Нулевой - Nulevoy


 

[…]

but if you close your eyes,

Does it almost feel likeNothing changed at all?

And if you close your eyes,

Does it almost feel likeYou've been here before?

[…]

Great clouds roll over the hills

Bringing darkness from above

[…]

How am I gonna be an optimist about this?

                               Bastille - Pompeii

Один – odin: In einer anderen Welt

 

*Oliver*

 

Menschen drängten sich. Schubsten einander in der Eile aus dem Weg. Wie magnetisch zog es die reißende Menge in Richtung Zelt.

In Richtung einer unbekannten Welt, die sie für einen Moment entführen sollte aus ihrem tristen Leben.

Mittendrin ein aufgeregtes Mädchen an der Hand ihres Bruders.

„Verdammte Scheiße“, leise fluchend wich ich den trampelnden Füßen aus. Wie eine Horde Elefanten, schoss es mir –dem armen Bruder- durch den Kopf.

Immanuelle wollte unbedingt hierher und innerlich hasste ich sie dafür… falls man eine neunjährige Zuckerschnute hassen konnte.

„So was sagst man aber nicht Oli!“ Tadelnd traf mich ihr Blick aus rehbraunen Augen, die sie eindeutig von unserer Mutter geerbt hatte.

„Tschuldige…“, nuschelte ich leise, obwohl ich hier auch hätte brüllen können. Die schnatternde Masse übertönte einfach alles. Fast. Wenn ich schimpfte und Worte benutzte, die ich in der Gegenwart meiner Schwester nicht sagen sollte, dann hörte man es garantiert. Sie zumindest tat es.

 

„Krieg ich Zuckerwatte?“ Da ich zu großen, bittenden Kinderaugen nie nein sagen konnte, nickte ich und zog sie aus dem Strom der Massen hinaus und hielt vor dem spärlich besuchten Zuckerwattestand an. Entweder waren alle schon bedient oder würden, nachdem sie sich einen Platz im inneren des Zeltes gesichert hatten, erneut hier herausstürmen und sich mit Fressalien eindecken.

 

Immanuelle bekam eine große Zuckerwatte, fluffig und rosa. Ich musste nur eine kleine zahlen. Die Frau hinter der Maschine meinte wir wären ja so süß, dass wir unmöglich eine große bezahlen könnten.  Mir war es nur Recht. Dank der Einsparung von fast einem Euro entschied ich mich dazu, mir auch etwas Süßes zu gönnen. Ich wollte schließlich nicht geizig erscheinen. Außerdem konnte ich ebenfalls etwas Süßes vertragen. Nervennahrung sozusagen.

 

Eine gefühlte Ewigkeit später saßen wir irgendwo mittig in einem riesigen Zelt auf unbequemen Holzbänken. Die dünnen Sitzauflagen konnten die Sache nicht besser machen. Vor allem da ich nicht auf Zirkus stand.

Schon als ich klein war, konnte man mich nicht mit Clowns und dressierten Tieren und dergleichen begeistern. Heute fand ich Clowns nur noch gruselig, dressierte Tiere Tierquälerei und den Rest langweilig. Doch was tat man nicht alles, wenn die Erzeuger einen anwiesen mit der herzallerliebsten Schwester den Tag zu verbringen. Als hätte ich mit Fünfzehn nichts Besseres zu tun.

 

Aufgeregt und begeistert zappelte Imma neben mir herum, wies mich darauf hin was gerade toll war und dass sie so etwas auch gerne können würde. Bisher hatte ich noch keine Clowns oder Tiere zu Gesicht bekommen. Nur Akrobaten, die die unmöglichsten Dinge vollführten, mich jedoch noch immer nicht im Geringsten reizen mochten. Dennoch nickte ich hin und wieder, wenn die Kleine richtig begeistert war und tat so als würde mich das Geschehen interessieren.

Das ganze übertriebene Gehabe der Leute in der Manege, das schummerige Licht –welches mir Tränen in die Augen trieb- war nichts für mich. Ich wollte auch nicht können was die da vorne taten. Knochen brechen konnte ich mir auch anders. Da mochte mich einen Banausen nennen wer wollte…

 

„Oli, Oli! Nun guck doch mal!“

Genervt tat ich wie meine Schwester, an mir rüttelnd, befohlen hatte. Desinteressiert stierte ich in die Manege, erkannte nur eine schemenhafte Gestalt und einen… was war das?

Ich kniff die Augen zusammen.

Ein Tier war es. Vielleicht ein Tiger?

Irgendwas war es bestimmt. Durften die den überhaupt halten? Jede Tierschutzorganisation würde jetzt ausrasten und diesen Zirkus boykottieren.

Na egal. Verschwommene Gestalt, vermutlich weiblich, da lange schwarze Haare und merkwürdiges Outfit und Großkatze oder ähnliches. Was taten die? Irgendwas. Imma würde es mir vermutlich erzählen. Wenn ich Pech hatte.

Verhalten lugte ich zur Seite, kassierte einen finsteren Blick –wie konnte ich es bitte wagen nicht zuzusehen wenn sie es mir doch befohlen hatte- und versuchte von neuem mich auf das Geschehen da unten zu konzentrieren.

 

Das Licht wurde noch etwas gedimmt. Bunte Lichter schwirrten umher. Fixierten schließlich die Artistin in der Mitte, während weitere hinzu kamen, ihre Nummer vorführten und sie mit einem pompösen Knall –natürlich nur im übertragenen Sinne- ihre Show beendeten.

Ein kalter Schauer jagte mir über den Rücken. Für September war es ganz schön kalt hier drin.

Doch endlich war es vorbei.

Der Zirkusdirektor, ein finsterer Typ mit Bart –wie man sich solche Kerle eben vorstellte- bedankte sich mit schwerem Akzent für unser Kommen und entließ uns in die Freiheit.

Wie ich darauf gewartet hatte.

 

Im Freien angekommen wurde ich erneut genötigt dem Zwerg was Süßes zu holen –dieses Mal war die nette Frau nicht da- ehe wir schließlich in Richtung Straßenbahn aufbrachen, damit wir endlich nach Hause konnten.

Wirklich alles war besser als zwei Stunden Zirkus, oder vielleicht auch drei. Mein Zeitgefühl war mitten während der Vorstellung flöten gegangen. Zusammen mit meinem Handy Akku.

Nach so einem Nachmittag ertrug ich auch gerne das fahren mit einer überfüllten Straßenbahn. Direkt an einen dieser ekligen, schwitzenden und nach Essen muffenden Kerle gepresst. Und das trieb mir schon die Tränen in die Augen.

 

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Ja ich fang was Neues an,

mal schaun wie schnell oder langsam ich damit voran komme.

Zur kurzen Erklärung:

-es ist geplant, das ganze hier wie ein Drama aufzubauen...

-also wird es 5 Akte geben. Nulevoy ist Null, eine Art "Einstieg", der zu allem passt aber an sich nicht dazugehört

-alles was unter 'odin' (der Eins) steht ist demnach der erste Akt

-wenn der zweite Beginnt werdet ihr das wieder an der russischen Bezeichnung vor dem Kapitel erfahren.

 

Nun aber genug gelabert.

Es wird Zeit, dass ihr auch Jascha kennen lernt.

 

Hinter den Kulissen

*Jascha*

 

Auch nach all den Jahren war ich noch immer aufgeregt, wenn ich die Manege betrat. Die Spannung der Menge sprang auf mich über, ließ meinen Körper beinahe vibrieren. Übelkeit überkam mich. Doch ich liebte es.

Liebte es zu wissen wie ihre Blicke mir folgten. Wie sie mit Neugier verfolgten was ich tat.

Auch Naila schien nervös.

Kein gutes Zeichen. Wenn sie ruhig war konnte man sicherer mit ihr arbeiten. Ein unruhiges Kätzchen barg Gefahren, selbst für mich.

Doch die Nummer lief wie geplant. Die Zuschauer waren begeistert. Das war die Hauptsache. Und auch mein Kätzchen wurde ruhiger.

Kaum außer Sichtweite, hinter dem dicken Vorhang verschwunden, wandte ich mich aus einem Teil des Bühnenoutfits, hockte mich vor die Gepardendame und tätschelte ihr den Kopf, was mir ein verzücktes Knurren einbrachte. Bei kleinen Kätzchen konnte man dieses Geräusch vermutlich als Schnurren bezeichnen.

„Gut gemacht“, brummte es von irgendwoher. Ich nickte nur dankend, sah mich jedoch nicht um von wem es kam. Unwichtig. Im Moment wollte ich den Adrenalinschub genießen. Vor einem so großen Publikum zu stehen und Applaus zu ernten war fast so gut wie ein Orgasmus. In manchen Fällen –je nachdem, wer diesen verursacht- war dies eindeutig besser.

Seufzend verließ ich heimlich das Zelt.

Mein Auftritt war vorbei. Die Vorstellung wurde von Babu beendet. Ich wurde nicht mehr vermisst.

 

Mit Naila an meiner Seite streifte ich durch die Wohnwagenreihen. Ich würde das ganze hier vermissen. Wegen irgendwelcher Formalitäten wie es Babu, mein Großvater, ausdrückte, mussten wir eine Pause einlegen. Ende September… den ganzen Winter lang. Wegen der Zwangspause wurde auch gleich eine Wartung eingelegt. Alles würde auf Herz und Nieren getestet, erneuert, auf Vordermann gebracht, ehe wir nach Ostern weiterziehen konnten.

Ich hasste Pausen.

Man war zu lange an einem Ort. Hatte Zeit sich mit den Leuten anzufreunden… War nicht meins. Ein halbes Jahr…

Sacht stupste mir eine feuchte Nase gegen die Hand.

„Schon gut Kleine… Lass uns ins Bett gehen, ja?“

Als wollte sie ein Nicken andeuten wippte Nailas Kopf, doch setzte sie sich nicht in Bewegung, sondern verharrte auf der Stelle.

Erneut seufzte ich auf. Rollte die Augen und fuhr mir durch die verschwitzten Haare.

„Wollen wir erst Papa und Zara einen Besuch abstatten?“ Wie von der Tarantel gestochen sprang sie auf und flitzte von dannen. Wie konnte ein Gepard nur ein Pferd so abgöttisch lieben?

Zara war eine unserer Stuten, die immer mit uns kamen, jedoch nicht wirklich eine Aufgabe hatten, außer da zu sein. Leopold hatte sie vor einiger Zeit erfolgreich gedeckt… nun drohte sie jeden Tag damit das Fohlen auszupacken, was meinen Vater in Aufruhr versetzte.

 

Leise schlichen wir uns zu den beiden. Zara wurde getrennt von den anderen untergebracht. Prinz, der Bruder von Leopold wurde in ihrer Nähe immer aggressiv, seit sie trächtig war. Keiner hier wollte riskieren, dass dadurch Mutter oder Fohlen zu Schaden kamen. Doch so leise wir auch waren, die Ohren meines Vaters bemerkten uns.

„Wie war die Vorstellung?“ Beruhigend streichelte er über den Hals des Pferdes. „Wie immer“, grinsend ließ ich mich auf einem Heuballen fallen, während sich mein Kätzchen zu Zara schlich und sich neben dieser niederließ. Mit der Aussage versuchte ich ihm das schlechte Gewissen zu nehmen. Selbst jetzt dachte er noch, ich wäre sauer, wenn er auch nur eine Vorstellung verpasste. Als ich klein war, war dem vielleicht auch so, doch nun freute ich mich zwar, wenn er zusah, beharrte jedoch nicht darauf. Ich tat eh immer das gleiche.

 

„Bist du schon nervös wegen Montag?“

„Warum sollte ich?“

„Weil du für länger in eine neue Schule kommst…“

„Ach Papa…“ genervt starrte ich ihn an. „Ich bin keine fünf mehr ich bin fünfzehn. Ich komm mit neuen Klassen klar. Wirklich!“

Schweigend musterte er mich, beließ es jedoch dabei.

Er wusste, dass ich stur stellte, wenn mir ein Thema nicht passte, darum ließ er es und ich konnte mich in Ruhe zu meinem Wohnwagen und meinem Bett begeben.

An Montag wollte ich gar nicht denken.

Doch was tat man nicht alles für eine gute Schulbildung?

Wie jeden Abend, auch wenn es erst halb acht war, versuchte Naila ihr Glück aufs Neue. Sie mochte ihren Schlafplatz nicht, schlich sich lieber in mein Bett. Ich verbot es ihr jeden Abend. Am Morgen wärmte sie mir dennoch die Füße.

Hatte im Winter durchaus Vorteile, im Sommer nicht… Außerdem liebte sie es Füße abzuschlecken, was mich dazu zwang mit Socken zu schlafen… eine Tatsache, die fast schlimmer war als eine raue Katzenzunge die meine Füße bearbeitete.

Heute war ich zu müde sie zu Recht zuweisen. Abschminken musste sein, doch mehr auch nicht. Halb ausgezogen lag ich in den Kissen und Decken. Spürte wie der Gepard aufs Bett sprang und sich ebenfalls in Schlafposition brachte.

Ach sollte sie… ausnahmsweise Mal… nur heute, logisch.

„Nacht Naila“, brummte ich leise, erntete ein Schnaufen, welches mein Bein streifte und mich frösteln ließ.

Der Lärm, der meinen Wohnwagen umgab, wiegte mich in den Schlaf. Was würde ich nur tun, wenn es plötzlich einmal ruhig war um mich herum?

Bald würde ich es vermutlich erfahren…

 

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sehr kurz ich weiß, aber bis jetzt alles was ich habe.

Drückt die Daumen, dass ich schnell voran komme.... falls ihr es denn mögt.

Morgens nach sechs im Hause Kant

 

*Oliver*

 

Kurz nach sechs. Ich ignorierte meinen Wecker gekonnt. Wer solch ein Mistding erfunden hatte gehörte verklagt.

In dem Versuch noch eine Runde schlafen zu können, ehe ich aufstehen und in die Schule gehen musste –ein Hoch auf Montage!- kuschelte ich mich zurück im meine flauschige Decke und rollte mich wie unsere Katze zusammen, um es so warm wie möglich zu haben. Keine viertel Stunde später, ich war bereits wieder im Land der Träume verschwunden, zerstörte mein Schwestermonster die huschelige Umgebung, indem sie mit Schwung auf mich und mein Bett schwang und mir ein klingelndes Etwas vor die Nase hielt.

„Was willsu?“ verschlafen fuhr ich Imma an, versuchte sie von mir zu schieben, um mich erneut einzurollen und weiterzuschlafen, doch der Zwerg blieb hartnäckig. Verdammt!

„Das Telefon klingelt!“ Unnötigerweise deutete sie auf das klingelnde Haustelefon.

„Dann geh ran!“

„Darf ich doch nicht.“„Dann gibt’s Papa.“

„Der ist beim Bäcker.“

„Mama?“

„Im Bad. Hat den Fön an und hört nix…“

Knurrend entwand ich ihr das klingelnde Scheusal, sah den Schriftzug ‚Unbekannte Rufnummer‘ aufblinken und fluchte leise, während ich etwas lauter ein ‚Kant‘ in das mobile Haustelefon nuschelte.

„…aha…. Ja… aha… Tut mir leid. Falsche Nummer. Der Rolloservice hat hinten 54 nicht 45. Ja. Tschüss.“

Die Omi hatte ich lange nicht mehr dran. Ihre Rollos müssen eine scheiß Qualität haben. Mindestens einmal die Woche rief die Frau bei uns an. Oder sie litt an Alzheimer… oder so. Vielleicht brauchte sie auch nur Gesellschaft…

Vermutlich war sie aber nur etwas verrückt… ich sollte das nächste Mal fragen wo sie wohnte, wer rief schon um zwanzig nach sechs den Rolloservice an? Der machte vor neun nicht auf, ich hatte nachgeschaut.

„Kommst du mit runter?“ Immas Kulleraugen hielten mich davon ab noch bis sieben zu schlafen und ungeduscht und ohne Frühstück zur Straßenbahn zu sprinten um noch rechtzeitig in die Schule zu kommen. Leicht nickte ich. „Klar. Flitz schon mal los. Ich komm gleich.“

Gähnend wand ich mich aus meinem Deckenknäul, sah meiner davonflitzenden Schwester nach. Wie konnte man um diese Uhrzeit nur so wach sein? Ich brauchte mindestens meine acht Stunden Schlaf. Meistens bekam ich jedoch nicht mal fünf. Mit noch fünfzehn hatte man nachts wirklich andere Sorgen als schlafen.

 

Verschlafen begutachtete ich mich im Vorbeigehen im Spiegel. Dunkelblonde, fast braune Haare die wild abstanden, vom schlafen zerknautschtes Gesicht, schlabberige Jogginghosen und Unterhemd… reichte fürs Frühstück. Herrichten konnte ich mich später!

 

Noch während ich die Treppe nach unten schlich, hörte ich die Haustür zuschlagen und meinen Vater in die Küche verschwinden. Fröhlich klapperten Tassen und Besteck. Imma hatte es sich heute Morgen zur Aufgabe gemacht den Tisch zu decken. Ganz akkurat… mehr oder weniger. Normalerweise machte das meine Mutter, heute war die aber wie es schien spät dran. Oben im Bad lief der Fön noch immer auf Hochtouren. Hoffentlich wollte sie sich damit nicht in die Wanne legen und mich zum Halbwaisen machen… auch wenn ich mir manchmal wünschte, dass sich die Erde auftat und sie einfach verschluckte. Immerhin war sie doch meine Mutter. Die Frau die mich geboren hatte und mich nun mit Taschengeld versorgte. Selbstmord würde ich nie zulassen.

 

Ein recht munteres ‚Morgen‘ schwang von meinem Vater, der vollbeladen mit viel zu vielen Brötchen für nur vier Leute mitten im Raum stand und wartete, dass der Tisch endlich fertig gedeckt war und er Immas Erlaubnis bekam, die heiße Ware abzulegen. Seltsam, dass er schon wach war. Eigentlich fiel er immer erst aus dem Bett wenn wir schon in der Schule waren.

 

Ein ungesundes Frühstück in mich stopfend, wurde ich langsam wach. Kurz vor sieben, stellte ich fest, als ich mir das dritte Brötchen mit Nutella bestrich. Dick mit Nutella bestrich. Richtig dick. Meine Mutter warf mir bereits einen tadelnden Blick zu und drohte mit Zahnarzt. Davon ließ ich mich schon lange nicht mehr beeindrucken. Der Zahnarzt hatte bei mir noch nie was gefunden… außer das eine Mal, als ich mir den halben Zahn am Tisch in der Schule ausgeschlagen hatte und er es reparieren musste.

 

„Soll ich dich auch mitnehmen?“ Sich den Rest Marmelade aus dem Mundwinkel wischend –ohne dabei ihren Lippenstift zu verschmieren!- sah meine Mutter mich an. Streng wies sie meine Schwester an ihre Schultasche und die Jacke zu holen.

Jeden Morgen hatte ich die Qual der Wahl. Mit meiner Mutter fahren oder mit der Bahn. Mit meiner Mutter oder einer stinkenden, vollgestopften Bahn in der alle herumnölten und drängelten…

„Fahrt mal ohne mich. Muss noch duschen. Ich nehm dann die Straßenbahn.“

Meine Wahl fiel nur in den aller seltensten Fällen auf meine Mutter. Sie fuhr schrecklich… außerdem musste ich nicht zeitiger als nötig in der Schule verbringen.

 

In Höchstgeschwindigkeit sprang ich unter die Dusche und richtete mich so weit her, dass ich unter Menschen treten konnte. Nur die Haarpracht musste unter einer Mütze verschwinden. Innerhalb von fünf Minuten war nicht mal ich in der Lage dieses Gestrüpp zu bändigen.

Noch ein Blick auf die Uhr. Mist. Jetzt hieß es Eile an den Tag legen.

Im Vorbeigehen schnappte ich mir meinen Rucksack, flog förmlich die Treppe nach unten –wobei ich fast meinen Vater umrannte, der vertieft in sein Buch im Flur herumstand- verabschiedete mich beiläufig bei meinem Erzeuger und eilte zur Straßenbahn. Ein Weg von drei Minuten. Heute hatte ich nur noch zwei. Ich betete einmal im Leben für eine Verspätung, oder schnellere Beine.

 

Woran genau es lag, dass ich meine Bahn erwischte konnte ich nicht wirklich sagen. Die Hauptsache war schließlich auch, DASS ich es geschafft hatte. Wir hatten Deutsch, da konnte ich mir Zuspätkommen nicht leisten.

 

„He Oli!“ Erstaunt darüber meinen besten Freund in der überfüllten Straßenbahn anzutreffen, zuckte ich leicht zusammen, als ebendieser nach mir rief.

„Morgen Felix.“ Ich fragte nicht, warum er mit meiner Bahn fuhr. Er nahm sonst eine andere oder den Bus. Ich freute mich schlicht darüber wenigstens ein Gesicht zu sehen, das nicht wie drei Tage Regenwetter dreinblickte. Warum sahen Menschen in öffentlichen Verkehrsmitteln immer so schlechtgelaunt aus? Griesgrämigkeit machte die Fahrt auch nicht kürzer.

„Bad-Hair-Day?“ Vielsagend deutete der viel zu dürre und großgewachsene Junge auf meine Mütze und grinste.

„Wie immer.“ Nichtssagend zuckte ich mit den Schultern, quetschte mich derweil zur Tür, da unsere Haltestelle in Sichtweite kam. Felix folgte mir, obwohl die Leute ihm den Weg mehr versperrten als mir. Er war einer von der Sorte, die dank ihrer schlaksigen, fast schon hageren Besenstielfigur Topmodel wurden, oder… nun ja… ich hoffte einfach für ihn, dass er endlich in die Mauser kam und es schaffte Model zu werden. Oder wenigstens etwas fülliger. Selbst ich hatte Angst wenn ich mit ihm alberte und ihm auf die Schulter schlug, dass ich mir einen Splitter einziehen könnte. Wenn ich mir ihn ansah, war ich dankbar, dass er mit mir befreundet war… und dadurch nicht gehänselt wurde. Kinder konnten grausam sein… man musste nicht mal dick oder hässlich sein, damit sie einen piesackten… es reichte auch eine zu große Körperhöhe…

 

„Ich hab SO Panik vor Deutsch in der Dritten.“ Man sah meinem Besenstielfreund die Panik wirklich an. Wenn es um Deutscharbeiten ging wurde er kreidebleich, mit leichtem Grünstich, litt unter Schweißausbrüchen und knetete hektisch Dinge mit seinen langen dünnen Fingern. Er hatte Finger von der Sorte, die bestimmt in jede Nase passten… auch wenn der Gedanke mir etwas auf den Magen schlug.

„Bleib locker. Du kannst das. Ist nur Shakespeare. Du sollst bloß so ein altes Stück erklären können, kein Allzweckmittel gegen Krebs und Aids und Pickel entwickeln.“ So wie mein bester Freund drein blickte wäre Letzteres ihm eindeutig lieber. „Denk an das was wir gestern gelernt haben…. Und krieg keinen Blackout!“ Wies ich ihn streng an, damit das Desaster vom letzten Jahr nicht wiederholt wurde. „Und nun hopp… auf in deine Klasse. Oder willst du Ärger vom Mathedrachen kriegen?“

Grinsend deutete ich auf die Uhr. Noch vier Minuten hatte er um in den vierten Stock zu kommen. In den vierten Stock im Westteil der Schule, also einmal quer durchs Gebäude und rauf.

Ich drückte ihm alle Daumen, hoffte das er mit seinen langen Beinchen schnell genug war und begab mich in mein Klassenzimmer.

 

Alle Mitschüler –außer die üblichen Verdächtigen die jeden Tag zu spät kamen- saßen an ihren Plätzen. Glücklicherweise war die Lehrerin noch nicht da und ich konnte mich noch ein zwei Momente seelisch und moralisch auf das Kommende vorbereiten. Manchmal hasste ich mein Schicksal… auch wenn es Vorteile hatte….

 

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Dammdammdaaaaaam und hier die Frage der Fragen: Was ist wohl Olis Schicksal?

Eigentlich kann man es sich denken :)

Im nächsten Kapi kommt wieder was aus Jajas Sicht

Montagmorgen bringt Kummer und … Rührei?

 *Jascha*

 

„Man…. Wirst du bald fertig?“ Zähneklappernd schlang ich einen dünnen Pulli um meinen Körper. Anklagend stierte ich zu Naila, die mich nur bedröppelt ansah, jedoch nicht einsah sich zu beeilen. Ihr Fell war immerhin schön warm. „Dass du auch nie alleine gehen kannst!“ zischte ich weiter, während sie unberührt weiter neben einem Busch hockte und sehr konzentriert wirkte.

„So alt wie du bist solltest du alleine nach draußen gehen können. Ich brauch immerhin auch keine Hilfe beim aufs Klo gehen…“

Himmel Herrgott… soweit war es mit mir schon gekommen. Morgens um kurz vor fünf stand ich mit meinem Kätzchen irgendwo in der Pampa hinter den Wohnwagen und wartete drauf, dass sie fertig wurde mit Pullern. Ich hatte ja nichts Besseres zu tun. Konnte nachher auch mit Augenringen in die Hölle spazieren. War nicht so, dass ich wert drauf legte was andere von meinem Aussehen hielten…

„Wenn ich wegen dir nachher schrecklich aussehe gibt’s einen Monat lang keine Schweineleber mehr meine Liebe. Und Kaninchen kannst du dir auch abschminken!“ Mahnend fixierte ich sie. War ich halt seltsam. Waren hier alle. Immerhin lebte ich in einem Zirkus, da durfte man mit einem zahmen Geparden sprechen. War schließlich kein anderer zum Reden da im Moment.

 

Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der ich mir alles abgefroren hatte, bequemte sich die Dame zurück zu meinem Wohnwagen, in dem sie sich in ihre Schlafecke verzog und tat als wäre nichts gewesen.

Hätte ich sie nicht so gern würde ich sie ein dummes Mistvieh schimpfen. Mich zu wecken und auch noch so undankbar zu sein.

 

Da es bereits zu spät war sich noch einmal hinzulegen blieb ich gleich wach, studierte meinen Kleiderschrank und zog mich bestimmt fünfmal um, bis ich schließlich fand, dass ich so gehen konnte.

Einen kurzen Blick riskierte ich zu Zara. Diese schlief friedlich, wie mein Vater neben ihm auf zwei Heuballen. Um sie nicht zu wecken schlich ich mich weiter, machte erst am Wohnwagen meiner Eltern halt, aus dem bereits Licht und diverse Kochgeräusche drangen.

Als ich kleiner war, wohnte ich mit ihnen da drin. Mittlerweile durfte ich mehr Privatsphäre genießen, auch wenn ich keine eigene Kochzeile besaß. Doch Mama kochte eh immer für den halben Zirkus.

„Komm rein!“, rief meine Mutter mir entgegen, nachdem ich zweimal gegen die Tür geschlagen und schon halb im inneren verschwunden war. Klopfen tat man hier nur der Form halber. Jeder kam und ging wann er wollte. Hatte Vorteile… konnte aber mehr als nur manchmal echt nervig sein. Man stelle sich nur mal vor man hat ein süßes Sahneschnittchen aufgerissen und mit hergeschleppt und wenn man grade so schön am spaßhaben ist kommt irgendwer rein… Vorzugsweise die Eltern, oder Großeltern… oder andere Verwandtschaft, davon gab es hier schließlich genug.

 

„Morgen mein Schatz.“ Der obligatorische Schmatz auf die Stirn störte mich seit Jahren nicht mehr. Diese Sache konnte meiner Mutter eh nicht ausgetrieben werden, in solchen Dingen war sie stur wie ein Esel. „Hast du Hunger?“

„Machst du mir Rührei?“

„Ist schon fertig.“

Hatte ich erwähnt, dass meine Mutter die Beste war?

Eilig begann ich den Tisch zu decken. Sechs Leute passten an den Tisch, also wurde für sechs gedeckt… man wusste nie wer morgens alles vorbei kam. Nach einigem Suchen fand ich auch Brot und diverse andere Sachen und verfrachtete diese schließlich auch auf den Tisch.

Je schneller der Tisch gedeckt war, desto schneller kam ich an mein Ei, eine ganz einfache Gleichung.

 

Noch während ich an meiner zweiten Portion Ei hing begann meine Mutter mich zu mustern.

„Willst du wirklich SO zur Schule gehen?“ Skeptisch fixierte sie meine Haare.

So wie sie guckte würde sie mich nicht gehenlassen… würde mich an sich ja nicht wirklich stören aber… „Was passt nicht?“ Seufzend erwiderte ich ihren Blick. Das Spiel so zu spielen war einfacher als sich mit ihr zu Streiten und dann doch den Kürzeren zu ziehen.

„Deine Haare! So kann ich dich doch nicht rauslassen. Hat sich ein Vogel darin eingenistet?“ Noch während sie plötzlich loszeterte sprang sie auf, verschwand im Minibad und kam bewaffnet mit einer Bürste zurück an den Tisch.

„Das kann ich alleine Mama!“, zischte ich sie an. Sie jedoch ignorierte mich rigoros und begann meine Haare samt Kopfhaut zu malträtieren. „AU!“ „Ach sei ruhig. Alleine kannst du es ja anscheinend nicht!“

Hatte ich schon erwähnt, dass sie stur wie ein Esel sein konnte? Vor allem wenn es um meine Haare ging? Ich glaubte immer noch, dass sie nur neidisch war.

Gut… hätte ich so eine Matte wie sie auf dem Kopf wäre ich auch neidisch. Schulterlang, mit mehr Locken als allem anderen… einzig und allein die Haarfarbe hatte ich von ihr, wofür ich sehr dankbar war.

 

Nachdem die Frau endlich aufgehört hatte meine Haare zu quälen, bequemte ich mich vor einen Spiegel und fragte mich ob es vorher wirklich schlimmer war als jetzt.

„Mama…“

„Ja Schatz?“ Freudestrahlend stellte sie sich hinter mich und bewunderte ihr Werk.

„Ich seh aus wie ein Mädchen!“

Nur Mädchen hatten zwei Zöpfe, meiner Meinung nach. Mal ganz davon abgesehen, das es immer noch so aussah als würde ein Tier darin nisten. Warum halfen Bürsten nie wirklich? Vielleicht sollte ich sie mir doch schneiden lassen? Uh nein. Ganz böser Gedanke. Die bleiben dran. Basta.

„Ach was… Obwohl…“ Ihr Blick wanderte im Spiegel nach unten. „… Jungs tragen normalerweise keine Blümchenleggins oder?“

Ja Mutter, schieb es nur auf das was ich anhab. Tse.

„Das sind keine Leggins es sind Jeans.“ Und sie passten zum Oberteil, auch wenn ich diese rosa-pink-Töne eigentlich nicht mag. Wenigstens war es bequem.

„Niedlich. Wo hast du die her. Hab sie noch nie an dir gesehen.“

Die waren ja auch neu…. Bloß nicht die Augen verdrehen.

„In der Innenstadt gibt’s so nen kleinen Laden. War am Samstag mit Mihai dort.“

Damit war sie zufrieden. Ihr war vermutlich egal, dass ihr einziges Kind aussah wie eine Transe. Vielleicht sollte ich mir die Haare doch… nein aus! Dann siehst du halt aus wie ein Mädchen. Nur ein völliger Idiot würde das beim näher hinsehen nicht erkennen. Welches Mädel war mit fünfzehn flach wie ein Brett?

Daran den Pulli und die Hose zu wechseln dachte ich nicht. Wäre ja zu einfach gewesen. Außerdem hatte ich mich schon in den Stoff gekuschelt, ich konnte mich gar nicht mehr umziehen. Nur andere Schuhe mussten her… in Hausschlappen musste ich nicht gehen. Und die Socken konnten glaub ich auch weg… ich frag mich wo das Loch da herkommt… Sehr merkwürdig…

 

Grade als ich den Wohnwagen meine Eltern verlassen wollte rief meine Mutter mich mit einem ‚Jaja- dein Essen!‘ zurück. Wenn sie mich Jaja nannte kam ich mir vor wie vier… mal ganz davon abgesehen, dass man mir auch keine Brote mehr schmieren musste.

„Ich bin alt genug mir selbst Essen zu besorgen. Die haben bestimmt ne Mensa an der Schule.“

Eine ihrer Augenbrauen wanderte nach oben, während sie mit einer Brotbüchse in der Hand die Arme vor der Brust verschränkte. „Jaja… Erinnerst du dich dran was das letzte Mal passiert ist, als du in der Schule gegessen hast?“

Urgh… ich hatte es bis gerade verdrängt. „Danke Ma…“ Jetzt musste ich wieder dran denken. Heute brauchte ich bestimmt nichts mehr zu essen. Trotzdem nahm ich die grüne Dose, die sie mir entgegen hielt und verschwand damit zurück in mein Reich.

 

Mit frischen Socken und Schuhen an den Füßen machte ich mich endlich –und viel zu früh- auf zur Schule. Naila lieferte ich vorsichtshalber bei meinem Vater ab, der mittlerweile wach war, wie der Rest der Zirkusleute hier. Es gab viel zu tun. Bis Oktober liefen die Vorstellungen noch, das wollte alles vorbereitet sein.

 

Mit der Straßenbahn musste ich keine halbe Stunde fahren um zu meiner neuen Schule zu gelangen. Ich hasste neue Schulen. Ich fragte mich jedes Mal wieder warum ich nicht zuhause unterrichtet werden konnte. Wäre bestimmt förderlicher als alle zwei Wochen in eine neue Klasse gestopft und von den anderen wie ein seltenes Tier behandelt zu werden und dann doch nichts zu lernen, weil an Unterricht nicht zu denken war wenn ich dabei war. Das meiste lernte ich demnach eh zuhause… Sahen meine Eltern aber anders. Sie meinten ich müsse meine soziale Kompetenz mehr fördern. Soll das heißen ich war unsozial? Pfff… ich war verdammt sozial. Immerhin lebte ich mit etlichen Menschen auf engstem Raum und verstand mich mit allen davon. Ich hasste es nur so zu tun, als würden Fremde mich interessieren… Auf solche Heuchelei konnte ich verzichten. In Schulen lief es aber genau darauf hinaus…

Seufzend stieg ich an der Haltestelle aus. Ich hätte weiterfahren sollen, doch vermutlich hegte ich die Hoffnung, dass es diesmal vielleicht anders werden könnte. Verfluchter Optimismus. Aber schwänzen konnte ich auch morgen noch. Wenigstens war es noch ruhig. Der schlimmste Andrang würde noch kommen.

Wie Recht ich damit hatte durfte ich eine halbe Stunde später erfahren, als ich immer noch auf der Suche nach meinem Klassenzimmer war. Einen einzigen Raum zu finden konnte doch nie im Leben so schwer sein.

Yebat'!“ Unsanft stieß ich einen Fluch aus und krachte ebenso unsanft gegen eine hagere Gestalt. Gerade als ich erneut zum Meckern ansetzen wollte entschied ich mich anders. „Entschuldige.“ Er schien verwirrt, nickte nur und wollte weiterhetzen, als ich ihn am Arm zurück hielt. „Wie komm ich zum Zimmer 159?“

„Erster Stock, von der Haupttreppe aus links!“ Und schon war er weg. Seltsamer Typ. Wo der wohl so eilig hinmusste?

Ich sollte mich lieber auf mein Problem konzentrieren… jetzt hieß es nämlich die Haupttreppe finden und vermutlich nicht mehr rechtzeitig kommen.

Wie aufs Stichwort schrillte die Schulglocke los und urplötzlich kehrte Ruhe ein auf den Gängen. So machte man das also…

 

Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichte ich die Haupttreppe und auch mein gesuchtes Zimmer. Noch einmal tief durchatmen und… automatisch klopfte meine Hand gegen die Tür. Diesmal jedoch zeigte ich Anstand und wartete draußen, bis ich hereingerufen wurde.

„Guten Morgen ich…“

„Du musst Jascha sein. Komm rein nur nicht so schüchtern!“ Überschwänglich trat eine Frau mit schulterlagen, akkurat sitzenden hellbraunen Haaren auf mich zu. Musste die Lehrerin sein. Wer stellte sich sonst so geschniegelt vor eine Klasse.

Mehr als ein eingeschüchtertes ‚ok‘ brachte ich im ersten Moment nicht heraus. Irgendwie fehlten mir gerade die Worte. Das hatte was zu heißen. Die Frau war definitiv anders als die Lehrer die ich sonst hatte.

„Ruhe bitte!“ Streng richtete sie das Wort an die Klasse, welche augenblicklich etwas ruhiger wurde. Lächelnd wand sie sich zu mir, schubste mich ermutigend ein Stück nach vorne. Setzte mich damit den Blicken aller aus. Wenn ich nicht in der Manege stand empfand ich solche Blicke eindeutig als Nerv tötend. Dann dachte ich immer ich hätte Essensreste irgendwo hängen, oder ein Fleck auf dem Pulli. Ob ich einen kurzen Blick riskieren konnte? Wohl eher nicht.

„Stell dich doch bitte der Klasse einmal kurz vor. Sie sollen doch wissen wer sie für das nächste halbe Jahr beehrt.“

Schwer schluckend tat ich wie gehießen. Hoffentlich stotterte ich nicht ausversehen. Was genau ich von mir gab wusste ich nicht wirklich. Die Worte purzelten ohne mein Zutun aus meinem Mund.

Aber anscheinend war nichts Peinliches dabei. Die Lehrerin lächelte zumindest noch und die Schüler waren auch noch ruhig.

„Schön… dann suchen wir dir mal einen Platz…“ Noch während sie das sagte ließ sie ihre Augen scharf über die Menge wandern, blieb schließlich an einem Typen in der zweiten Reihe hängen, der zu ahnen schien was auf ihn zukam und nicht begeistert wirkte.

Da hatte ich mir schon einen Freund gemacht… fing ja gut an.

 

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Soooo da hat mich auch Jajas Kapitel gesackt... *seufz*

Ob das was er da fluchenderweise von sich gegeben hat korektes Russisch ist kann ich nicht garantieren...

Falls einer von euch Russisch kann: verbessert mich ruhig :)

Unfaire Mittel

*Oliver*

 

Pünktlich auf die Minute, alles Hoffen hatte nichts geholfen, stand die Lehrerin auf der Matte. Bereit dazu ihre armen Schüler zu quälen.

Sie war gerade dabei Shakespeares Ausschweifungen in Form von Romeo und Julia auseinander zu nehmen und bis ins kleinste Detail zu erörtern, als ein Klopfen an der Tür sie unterbrach.

Im ersten Moment wirkte sie verwirrt, dann jedoch schien ihr ein Licht aufzugehen. Na wenn sie sich freute, konnte es nur etwas schreckliches sein, dass da gleich durch die Tür trat.

Einfach abschalten. Nur nicht hinsehen oder hinhören. Keinen Mucks machen, dann war man vielleicht sicher, vor was auch immer.

Ging leider nicht.

Jemand Neues? Im September? Für ein halbes Jahr? Und dann auch noch einer dieser Zirkusleute? Konnte ja heiter werden.

Aber die Stimme war gut. Irgendwie… keine Ahnung… sahnig? Konnte eine Stimme sahnig sein? Leider war es eine Tussi…

Eindeutig.

Wer sonst würde so herumlaufen? Wenn man so alt war wie meine Schwester, dann war es in Ordnung solche Hosen zu tragen… aber in dem Alter? Na gut. Wenn man beim Zirkus war, durfte man vermutlich einiges.

„Ich bin Jascha. Fünfzehn und… Artist im Zirkus meines Großvaters.“ Sie klang nicht begeistert. Waren wir schon mal zwei. Irgendwie wusste ich, dass es noch schlimmer kommen musste. Tat es immer.

Kurz darauf wurde mir diese Vermutung bestätigt.

„Wohin setzten wir dich …?“ Allein schon bei der Frage kroch es mir eiskalt den Rücken runter. Ich kannte die Antwort. Und ich hasste sie.

„Setz dich doch zu Romeo-Oliver! Er wird dir auch alles zeigen.“

Den Namen hasste ich auch.

„Aber Ma…“ Und manchmal auch die Frau die mich wütend anfunkelte. Sollte ich zurück funkeln? Nein gäbe nur Hausarrest. Brauchte ich die Woche nicht. Felix feierte dieses Wochenende seinen Geburtstag.

Demnach blieb mir wohl nichts übrig. „Ja Frau Kant…“, stimmte ich zu. Verfluchte aufs neue die Tatsache, dass meine Mutter meine Klassenlehrerin war, dass mir meine Mitschüler im Nacken saßen und nur drauf warteten, dass ich dieses ‚Ma…‘ endlich einmal beenden und mich in die Nesseln setzen würde und dass sie mir in einem Moment völliger Umnachtung einen solch bescheuerten Namen verpasst hatte!

Die Frau laß eindeutig zu viel. Hätte sie nicht irgendein anderes Fach belegen können? Vielleicht Mathe… oder Physik? Dann wäre ich vielleicht ein Albert geworden… oder ein Isaac… aber nein… Zwischen Wehen und noch schlimmeren Wehen musste sie sich unbedingt von Oliver Twist und Romeo und seiner Schnepfe einlullen lassen!

Gott!

Nur nicht aufregen. Konnte man nicht ändern. Mittlerweile fanden die Hirnis meiner Klasse es nicht mehr ganz so witzig wie zu beginn.

Man musste nicht mehr mit diversen Dingen drohen…

 

„Hi…“ Süß grinsend setzte diese Jascha –was war das bitte für ein dämlicher Name, war ja noch schlimmer als meiner!- sich neben mich, traktierte mich mit den blauen Kulleraugen. Gott ich könnte kotzen. Ich sollte einen Antrag auf Versetzung in eine andere Klasse stellen. Oder gleich auf eine andere Schule wechseln… Auswandern wäre auch eine Option.

Heute Abend würde ich meine Erzeugerfraktion aber erst mal fragen was der Mist sollte. Nur weil ich den braven Jungen mimen musste war ich doch kein Kindermädchen für irgendwelche Zirkusschnepfen.

Oder doch nicht… Ich musste an den Hausarrest denken der drohte. Na wenigstens hielt sie die Klappe.

Anders als erwartet schien sie fixiert auf das, was meine Mutter sagte. Schrieb auch alles fein säuberlich –gut vom Schriftbild her eher in Hieroglyphen- mit.

Grade als ich mich fragte ob sie wohl eine dieser Strebertussen sein könnte, schrillte die Schulglocke und ein Pulk aus Kerlen umgab mich. Oder besser die Neue.

Nein… keine Streberin. Die Testosteronschleudern der letzten Reihe rochen so was auf fünf Kilometer und machten denjenigen fertig. Im Moment schienen sie jedoch eher hin und weg und absolut Hormongeplagt. Die wetteten im Geheimen bestimmt schon wen sie ranlassen würde.

 

Sollte ich sie retten?

Immerhin musste ich ihren Freund und Helfer spielen….

Ach die würde schon klar kommen.

…Sie wirkte aber nicht grade begeistert…

Oh man!

Ich war einfach zu nett für diese Welt.

„He Jascha. Gib mal deinen Stundenplan.“ Ohne auf eine Reaktion zu warten entriss ich ihr das Ding, verzog unwillig den Mund und murrte schließlich, dass sie hin machen sollte.

Die würde sich gnadenlos verirren an der Schule… konnte ich ja nicht zulassen. Nicht wenn das Muttertier heute nochmal auf dem Plan stand und merken würde wenn sie irgendwo in den Untiefen dieses Gemäuers herumirrte.

Außerdem hatten wir fast die gleichen Stunden…

Dreck aber auch…

 

Die nächsten drei Stunden lotste ich sie von einem Zimmer zum anderen, erst als es zur Mittagspause schrillte war ich so weit, dass ich dachte sie käme alleine bis zur Mensa und zurück ins Zimmer, weshalb ich mich, hungrig wie ein Bär, verkrümelte und in der Mensa, nachdem ich mein Tablett voll beladen hatte, an meinen angestammten Platz setzte.

 

Nach und nach trudelte der Rest der Kolonne ein. Neben Felix tummelten sich immer ein paar Leute aus meiner Klasse und den beiden Parallelklassen in meinem sogenannten Freundeskreis herum. Außer Felix interessierten mich jedoch die wenigsten. Sie waren da, damit man nicht alleine war, aber wenns drauf ankam könnte ich auf diese Anhängsel verzichten.

„Wo hast du die Neue gelassen? Hab gehört du musst ihr zeigen wie es hier so läuft“, grinsend beugte Felix sich zu mir. Ignorierte das Essen auf seinem Teller wie so oft, wenn er interessantere Themen gefunden hatte. „Ist sie echt so scharf wie die anderen behaupten?“

„… wenn du eine Antwort willst solltest du mir auch Zeit zum antworten lassen“, genervt rollte ich mit den Augen. Wie oft musste ich noch so reagieren, ehe man merkte, dass ich an solchen Details kein Interesse hatte.

Langsam fragte ich mich aber auch wo sie abblieb.

Hoffentlich hatten die Testosteronmonster oder die Killerbarbies sie nicht erwischt.

Erstere mussten unschuldig sein, die lümmelten mit am Tisch rum und gaben grunzende Laute von sich, während sie sich irgendwelche versauten Witze erzählten…

Letztere stolzierten just in diesem Moment durch die Tür, scannten den Raum und fixierten ihr Ziel. Scheiße…

„Ich geh die Neue mal suchen.“

War definitiv ne gute Ausrede von hier zu verschwinden. Diese Weiber konnten lästig werden.

Zu meinem Leidwesen musste ich ihnen dennoch zu nahe kommen.

Wenn sie Jascha bereits in der Luft zerfetzt und hinterm Schulhof verbuddelt hatten brauchte ich nicht mehr zu suchen.

 

„He Natalie!“

Begeistert darüber, dass sie angesprochen wurde, warf die Barbie ihre langen Haare über die Schulter und fletschte die Zähne wie eine hungrige Hyäne. Vermutlich sollte es ein laszives Grinsen darstellen… und vermutlich sollte ihr Ausschnitt auch reizvoll wirken… jaaaa…. Klappte beides nicht.

„Hast du der Neuen die Meinung gesagt, oder sie gleich auf den Mond geschickt.“

Natalie hasste Konkurrenz. Und die Neue, war trotz fehlender Oberweite definitiv Konkurrenz, wenn man sich das Verhalten der Kerle anschaute. Tja Nats… große Möpse waren keine Wunderwaffe.

Nur schwer konnte ich mir bei diesem Gedanken ein Grinsen verkneifen. Dabei war sie so stolz auf diese überdimensionalen Dinger.

„Schön wärs.“ Zickig verzog die Fakeblondine ihre Lipglossschnute. Wirkte äußerst unzufrieden. „Aber die dämliche Kuh hat mich einfach ignoriert und ist raus gegangen…“

Fast konnte man das Knurren in ihrer Stimme hören, könnte jedoch aus Teil meiner Fantasie sein, die gerade Amok lief.

Die Neue sammelte definitiv Pluspunkte. Auch wenn immer noch zu viel gegen sie sprach, als dass ich sie als ‚akzeptabel‘ einstufen könnte.

„Na dann…“ Schulterzuckend ließ ich die Barbies hinter mir zurück, ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen. Sollten bloß nicht glauben ich würde mehr Zeit als nötig mit denen verbringen. Auch wenn ich dadurch Eitel rüberkam… es gab einfach Menschen, mit denen musste man nichts zu tun haben. Für andere würde man hingegen durch die Hölle und zurückgehen. Letztere beschränkten sich momentan auf meine Familie und Felix.

 

Ein Blick auf die Uhr verriet, dass ich wirklich länger nach der Zirkustussi suchte, als dass ich etwas gegessen hatte.

Ich war echt zu nett für diese Welt… nahm sogar den Hungertod in Kauf… oder so was in der Art.

Irgendwann jedoch fand ich sie… auf dem Schulhof, auf einer Bank hockend und offensichtlich Musik hörend, während sie ihr Gesicht mit Geschlossenen Augen gen Himmel richtete.

 

„Hey…“ Etwas rüde zog ich an einem der Kopfhörer, sodass sie auf mich aufmerksam wurde.

„He…“ Kurz schien sie zu überlegen, ob sie den Hörer einfach wieder in ihr Ohr stopfen sollte, entschied sich augenscheinlich aber dagegen, da sie in ihre Hosentasche griff und die Musik abstellte.

„Haben Natalie und die anderen dich geärgert?“ War ich halt mal nett und erkundigte mich danach. Wer war schon so blöd und glaubte was die Barbies so alles von sich gaben.

Es gab ja so einige Sachen, die sie behauptet hatten, die aber nie im Leben stimmen konnten.

„Nein…“

„Haben die Jungs dich belästigt?“ So rattig wie die aussahen wäre das auch gut möglich gewesen.

„Nein…“

„Hattest du keinen Hunger?“

„Hab hier gegessen…“

Grundgütiger… hieß es nicht Weiber redeten ohne Punkt und Komme? Warum zur Hölle bekam dieses Exemplar den Mund nur so schwer auf? Musste man ihr alles aus der Nase ziehen?

„Du hättest auch mit uns zusammen essen können“

Seufzend richtete sie nun ihre blauen Augen auf mich, starrte mich förmlich an. Was im Übrigen wirklich gruselig war.

„Ich seh keinen Grund dafür, dass zu tun. Und du legst auch keinen Wert auf meine Gesellschaft… also sei einfach froh wenn ich nicht an dir festklebe…“

Das war ein Treffer… ein zielgenauer Volltreffer. Obwohl ich es nicht so ausgedrückt hätte. Klang zu fies. Fast so als wöllte ich nichts mit ihr zu tun haben wollen…

Wollte ich eigentlich auch nicht… aber…

Argh… warum verhielt sie sich so irrational?

Wie ich das hasste!

Ein Glück hatten wir die nächste Stunde getrennt Unterricht… musste ich mich nicht weiter mit ihr auseinander setzen… Vorerst…

Wer wusste schon, was sich meine Mutter noch alles so ausgedacht hatte.

Alles Einbildung…?

*Jascha*

 

Völlig überfordert mit der Situation drängte ich mich an meinen Mitschülern vorbei, umging dabei geschickt die Damen mit den tiefen Ausschnitten, angeführt von Mopsi – ich hatte das Mädel so getauft, da ihre Brüste übertrieben weit nach oben geschnallt worden sind, ihr fast unterm Kinn kleben und grotesk aus ihrem Ausschnitt herausschauten. Außerdem konnte ich mir ihren Namen nicht merken… Anna war es glaub ich. Oder Julia?- und ließ mich, endlich die Freiheit genießend, auf eine der Bänke am Rand des Schulhofes sinken.

Trotz, dass es angenehm warm war, sah man kaum einen Schüler auf dem Schulhof. Alle schienen sich in die Mensa oder die Raucherecke verkrümelt zu haben.

War mir nur Recht.

Zu viele Menschen konnte ich im Moment nicht ertragen. Nicht nach diesen seltsamen Typen, die sich meine Klasse schimpften.

Etwas lief gewaltig daneben.

Normalerweise scharten sich die Mädels um mich, nicht die Kerle. Und die Mädels töteten mich normalerweise auch erst mit ihren Blicken, wenn ich offenbart hatte, dass ich schwul war und ihnen ja die Kerle wegnehmen könnte.

Diesmal…

Heilige Mutter… Ich war bestimmt im Irrenhaus gelandet. Paps musste mich an einer Schule für geistig Verwirrte angemeldet haben.

Anders konnte ich mir das Ganze nicht erklären.

Außer…

Leise lachte ich auf. Wäre schön blöd wenn dem wirklich so wäre.

Vierundzwanzig Mann konnten unmöglich so blind und dämlich sein, mich für ein Mädel zu halten.

Wäre aber eine Erklärung…

Testosteronschleudern scharrten sich normalerweise nicht um einen Kerl, schon gar nicht wenn der auf Jungs stand…

Wie Mädels normalerweise reagierten war mir ein Rätsel… demnach …

Herr Gott… bitte lass dem nicht so sein. Mit so vielen ignoranten Leuten wollte ich nicht das nächste halbe Jahr verbringen, selbst wenn einige doch ganz schnuckelig waren.

Einer wirkte sogar so, als könnte er Interesse haben… irgendwie, obwohl er nur widerwillig mit mir redete. Trotzdem war er nett zu mir…

Aber einen verdammt bescheuerten Namen hatte er. Also ehrlich.

 

Und warum machte ich mir darum Gedanken?

Einfach die Dinge laufen lassen… würde eh bald wieder weg sein, durch Deutschland und Europa gondeln…

Ich vermisste das Ganze jetzt schon, dabei war ich noch nicht einmal richtig angekommen.

 

„Hey“ Erschrocken öffnete ich die Augen, als mir jemand den Kopfhörer entriss, den ich mir zuvor ins Ohr gestopft hatte. Nichts half besser als Musik, um sich von der wirren Realität abzuschotten.

„He.“ Der Kerl mit dem seltsamen Namen und definitiv schwuler Ausstrahlung. Nicht Harald oder Ross-mäßige Aura… nur ganz dezent… erklären konnte ich die Vermutung nicht aber… ich sollte dem Kerl lieber zuhören. Irgendwas muss er wollen wenn er mich ansprach, obwohl er noch vor ein paar Minuten die Flucht ergriffen hatte.

„Haben Natalie und die anderen dich geärgert?“

Ach richtig… Mopsi hieß Natalie. Lag ich mit Julia und Anna ja gar nicht SOOOO daneben. Waren immerhin alles weibliche Namen.

„Nein…“

„Haben die Jungs dich belästigt?“

Meinte der das ernst? Die Typen sahen aus, als würden sie bei drei über mich herfallen wenn ich eine falsche Regung machte.

„Nein…“

„Hattest du keinen Hunger?“

Himmel! Ich lande definitiv in der Hölle wenn ich hier für längere Zeit bleiben muss. So oft wie ich Gottes Namen oder auch nur ein Synonym dafür in unpassender Weise in den Mund genommen hab…

Wäre ich gläubig würde mich das echt tangieren.

„Hab hier gegessen…“

Bitte halt die Klappe. Geh einfach wieder und lass mir meine Ruhe.

Mein Karma war mies wie mir schien, denn mein Flehen wurde gekonnt ignoriert und mit Füßen getreten. Natürlich blieb er da und redete weiter mit mir.

Ob es mir hier denn gefiele, ob ich mit den Mitschülern klar käme und all solches Geblubber.

Seine Mutter –es war offensichtlich, dass die Deutschlehrerin seine Mutter war- hatte ganze Arbeit bei Romeo geleistet. Der hörte sich an wie ein Vertrauenslehrer im Miniformat.

„Mir geht’s gut. Wirklich.“ Wehrte ich nach einer Weile ab.

Ehe er dazu noch irgendwas sagen konnte, rettete mich die Schulglocke. „Wir sollten zurück. Ich will nicht zu spät kommen.“

Eigentlich wollte ich nun davonstürzen, jedoch fand ich mich noch immer nicht im Schulhaus zurecht. Musste ich mich wohl oder übel doch an den Kerl dranhängen.

Na wenn ich schon mal neben ihm saß…

Wenigstens sah er gut aus.

 

Eigentlich mochte ich Unterricht. Eigentlich bekam ich aber auch mit worum es ging. Heute leider nicht. Wenn man genau hinhörte konnte man noch immer das Tschutschut der Züge hören… ich verstand nämlich nur Bahnhof. Nix. Null. Nada.

So muss ich auch ausgesehen haben.

„Stimmt etwas nicht Jascha?“ Überfürsorglich schaute mich die Mathelehrerin an… vermutlich… Durch ihren Silberblick war ich nicht so ganz sicher.

„Nein… ich… Ich versteh das nicht…“, gab ich schließlich leise zu, erntete ein leises Kichern aus der letzten Reihe. Dämliche Kühe. Als würden die verstehen worum es ging.

„Ich nehm an, dass dir einiges an Stoff fehlt. Zumindest wenn ich mir deinen Hefter so ansehe.“ Grob überflog sie die Blätter die sorgfältig eingeheftet worden sind.

Wenigstens im Hefter konnte Ordnung herrschen.

„Am besten du lässt dir den fehlenden Stoff von Oliver geben, er ist wirklich gut wenn es um Nachhilfe geht. Du wärst doch so lieb, nicht wahr?“ Lächelnd wandte sie sich an meinen Sitznachbarn, der natürlich nickte. Missmutig wohlgemerkt. Würde er nein sagen wäre Mami schneller informiert als er schauen konnte. Ich vermutete das Frau Kant ein echter Besen sein konnte, wenn es nicht nach ihr ging.

„Gut, gut. Ich hoffe ihr kriegt es bis nächsten Montag hin. Für diesen Tag hab ich einen Test zum laufenden Stoff eingeplant. Das dürft ihr euch alle notieren wenn ihr eure BESCHISSENEN HANDYS WEGGELEGT HABT!“

Erschrocken zuckte ich zusammen.

Was war das?

Hatte die Frau grad echt gebrüllt? Kaum vorzustellen mit ihrem dünnen Stimmchen. Ich war beeindruckt. Und verängstigt. Den Stoff sollte ich unbedingt nachholen. Nicht das sie mich noch so anging, wenn ich den Test versemmelte… wo sie ihn doch so nett angekündigt hatte.

 

Den Rest der Stunde verbrachte ich weiter im Fragezeichen-Modus. Ich hätte genauso gut schlafen können, oder kritzeln oder was weiß ich nicht alles tun können, leider war ich gut erzogen und versuchte wenigstens etwas zu verstehen. Auch wenn es ein sinnfreies Unterfangen war.

 

Das rettende Klingeln ließ lange auf sich warten, doch endlich kam es. Zur fünften Stunde Schluss zu haben war wirklich praktisch. Und eine Seltenheit, wenn ich mir meinen Stundenplan so ansah.

„Hast du Donnerstag Zeit?“

„Was?“

„Donnerstag?“

Verwirrt sah ich zu dem Blonden, der sich neben mir von seinem Stuhl erhob und sein Zeug in den Rucksack stopfte.

„Nochmal zum mitmeißeln… hast du Donnerstag Zeit, um den Stoff nachzuholen? Wir haben Sportausfall also hätte ich Zeit für den Scheiß.“

„Ooh…“ Kurz überlegte ich, verwundert darüber, dass er es wirklich machte, obwohl er es nicht musste. „Klar. Ich hab Zeit.“

„Gut… Bis Morgen.“ Das letzte Wort knurrte er fast schon, als er sich an mir vorbei drängte und aus dem Klassenzimmer verschwand. Gerade als ich denken wollte, dass er vielleicht doch nett war.

Den Kopf über mich selbst schüttelnd packte ich ebenfalls meine Sachen in die Schultasche, wimmelte einen der aufdringlichen Typen ab und machte mich auf den Weg, um meine Bahn zu kriegen.

Und er war doch nett… irgendwie… Schoss es mir durch den Kopf, als ich mich in die übervolle Bahn quetschte.

Ach was… alles Einbildung…

Oh Gott… färbte das auch schon ab. Mist.

 

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Da ihr so lieb wart... und das letzte Kapi so kurz, kommt hier noch eins...

mal schaun wie lange ich fürs Nächste brauche...

 

Achja und....

Nur so zur Info: Mich gibt's jetzt auch offiziell auf Facebook.

https://www.facebook.com/yvieking

wer mag kann dort ja mal vorbei schauen... dort erfahrt ihr von Zeit zu Zeit wie ich mit was voran komme, was es neues gibt und so weiter. Hin und wieder gibt's bestimmt auch Bildchen zu meinen Jungs...

Stoff für Jascha

*Oliver*

 

„He, Oliolioliolioliiiiiii“ aufgedreht sprang Felix um mich herum als er mich auf dem Weg zum Schultor bemerkte.

Die Neue war noch drin. Musste laut eigenen Angaben nochmal für kleine Königstiger. Ich wollte gar nicht eine solche Auskunft, wollte auch keine weiteren Details oder zuschauen. Hab deshalb schlicht gesagt ich warte am Schultor auf sie. Heute war immerhin Donnerstag und ich musste ihr den Stoff geben.

Na wenigstens hatte sie sich gut benommen die letzten Tage, da konnte ich auch riskieren zwei Stunden mit ihr bei mir zu sitzen, ohne dass ich Gefahr lief ihr wehtun zu wollen, da sie Scheiße laberte.

Trotzdem fand ich sie irgendwie nervig. Wenn sie in der Pause neben mir saß –da ich mal wieder nicht schnell genug vom Platz aufspringen und flüchten konnte- umringten die lästigen Kerle einen. Selbst in diesen fast vier Tagen, in denen sie manchmal wirklich fies zu ihnen war –was die Kerle vermutlich nicht einmal bemerkt hatten, da sich ihr Hirn nur auf eine Sache konzentrieren konnte; und ich konnte mir genau vorstellen was das war- hatte sie es nicht geschafft die Meute zu vergraulen.

Fast schon fand ich das ganze amüsant… Aber nur fast. Leider Gottes hatte auch Felix von weitem einen Blick auf das Zirkusmädel geworfen und mutierte wie alle anderen in ein leicht sabberndes… Etwas.

„Hast du Zeit? Hab gehört Sport fällt bei euch aus. Ich könnte vorbei kommen wenn du magst. Hab dieses neue PS3 Spiel über das Letztens im Fernsehen berichtet wurde. Habs auch noch nicht getestet. Soll zu zweit mehr Spaß machen.“

Ohne Punkt und Komma zu setzen, oder gar Luft zu holen, riss er mich aus meinen Gedanken. Ich sollte ihm dafür meinen Dank aussprechen. Ging ja nicht an, dass ich mir den Kopf wegen der Neuen zerbrach.

„Klingt gut“, setzte ich an, brachte seinen Enthusiasmus jedoch mit einem gezielten Faustschlag zu Boden. „Geht aber nicht. Muss mit der Neuen den Schulstoff durchgehen. Und NEIN“, betonte ich im Vorfeld. „Du kannst dabei nicht helfen, ich werd auch kein gutes Wort einlegen. Solche Sachen erledigst du bitte allein und nicht in meinem Haus. Klar?“

„Schade…“ Seufzend sackten seine Schultern nach unten. Ruhiger wurde er jedoch nur für einen Moment. Bereits im Nächsten schien ihn eine neue Idee gesackt zu haben.

„Wie lange geht dieses lern Ding?“

„Weiß nicht.“ Er konnte Fragen stellen. Nicht zu lange hoffte ich. „Bis vier oder fünf… vielleicht auch sechs oder länger. Weiß ja nicht wie schnell sie es rafft.“ Bei meinem Glück wäre sie dumm wie Brot und die Aufmerksamkeit im Unterricht nur Tarnung, damit man sie in Ruhe ließ.

„Und wenn ich nach sechs, mal vorbeischaue? Und wir das Spiel anzocken? Nur ein wenig?“

„Und mit etwas Glück die Neue anquatschen können… jaja ich kenn dich doch.“

„Ach menno Oli. Gönn mir doch den Versuch. Ich bin nun mal kein Weibermagnet.“

„Pfff…“ Kam er mir wieder auf die Tour. Große Augen und Schmollmund machen. Er wusste wie er mich weich bekam. „Sechs Uhr. Keine Sekunde eher, verstanden?!“ Ich hoffte inständig Jascha wäre bis dahin weg und ich müsste keinem Balzritual –oder eher verdammt miesen Anmachritual mit Nullprozentiger Chance auf Erfolg- beiwohnen, was meinen besten Freund und die Zirkustrine beinhaltete.

„Danke“ Überschwänglich und absolut unmännlich –wie er nun mal von Zeit zu Zeit eben war- drückte er mich an sich, zerquetschte mir fast den Brustkorb ehe er mit einem ‚Bis dann‘ zurück zum Schulgebäude trabte. Die arme Sau hatte jetzt noch Deutsch bei meiner Mutter. Die würde seine Hochstimmung mit Sicherheit wieder auf den Boden der Tatsachen befördern.

 

„Geht’s los?“

„Hab nur auf dich gewartet.“ Sie konnte ruhig wissen, was ich davon hielt, wenn Weiber ewig im Bad hockten um sich die ‚Nase zu pudern‘. Meine Fresse konnten die nicht wie andere auch sagen, dass sie mal kacken mussten und fertig. Da wusste man, dass man mehr Zeit einzuplanen hatte… aber ‚Nase pudern‘ oder ‚für kleine Königstiger‘ gehen führten einen doch in die Irre. Wenn etwas ‚klein‘ war brauchte man dafür nicht ewig… und pudern dauerte auch nie im Leben so lange!

Ein Grund mehr auf meiner Liste, warum ich Weiber nervig fand. Leider brauchte man sie… sonst würde es bald recht leer auf der Erde werden. Außer ein genialer Wissenschaftler fand heraus wie man ohne Eizellen Kinder in Reagenzgläsern oder im Bauch der Männer heranzüchten konnte.

„Sorry, war Stau.“

„Den hatten sie aber gar nicht im Verkehrsfunk gemeldet.“

„Du kannst ja witzig sein… oder zumindest den Versuch eines Witzes starten…“ Sie klang mehr als beeindruckt. Sollte ich jetzt beleidigt sein? Hieß das, ich war unlustig? Bitte. War mir doch egal. Wurde nicht fürs Witze reißen bezahlt.

„Jaja… die Bahn da müssen wir kriegen!“ beiläufig deutete ich auf das Gefährt, welches gerade an der Haltestelle zum Stillstand kam und die, um diese Uhrzeit vergleichsweise wenigen, Fahrgäste in sich aufsog.

„Renn lieber wenn du keine halbe Stunde warten willst.“ Grinsend legte ich einen Zahn zu. ICH wollte nicht warten. Der nette 10 Minuten Rhythmus wurde dank diverser Baustellen auf einen 30 Minuten Rhythmus gedehnt. Ätzend.

Hinter mir schlossen sich die Türen. Die Neue war auch schnell genug gewesen und ließ sich neben mir auf den Sitz fallen. „Denkst du mit ein bisschen Rennen kannst du mich loswerden?“ Ihre Frage klang wie eine Drohung. Ich ging nicht drauf ein, sondern stopfte mir meine Kopfhörer in die Ohren.

Sie tat es mir gleich und so fuhren wir schweigend nebeneinander sitzend zu mir nach Hause.

 

Im Haus war alles ruhig. Kein Wunder, Imma würde zusammen mit meiner Mutter erst in mehr als zwei Stunden hier aufschlagen und mit meinem Vater konnte man erst zum Abendbrot rechnen.

„Da sind Hausschuhe. Bad ist den Gang runter Links neben der Treppe. Hast du Hunger oder Durst oder sonst irgendwas?“

„Definiere ‚sonst irgendwas‘.“ Skeptisch sah sie mich an, streifte sich dabei die Knöchelhohen Schnürschuhe von den Füßen, wodurch ihre bunt geringelten Socken zum Vorschein kamen. Ein paar der angebotenen Hausschuhe nahm sie nicht. Würde ich auch nicht tun in fremden Häusern. Wer wusste schon, wer da schon alles seine Füße drin hatte. Buääääh.

„Keine Ahnung. Steht dir nach irgendwas der Sinn?“ Schulterzuckend tat ich es ihr gleich, schlüpfte jedoch in meine Plüschkrokodilhausschuhe. Ausversehen. Normalerweise trug ich die nur heimlich wenn keiner da war der mich kannte. Ups. Na egal. Sie beschmunzelte die Teile nicht mal.

„Jaaaaa, schon…“ setzte sie an, beendete den Satz jedoch nicht. Stattdessen schaute sie sich etwas auf der untersten Etage um. War wohl neu für sie. Konnte mir vorstellen, dass man beim Zirkus nicht viel Platz hatte.

„Aber…?“ Ich hasste Spielchen, bei denen man seine Sätze nicht beendete. Außer ich machte das mit Felix, der Eule… wir konnten das prima… unsere Sätze ergänzen. War manchmal schon unheimlich.

„Du willst bestimmt nicht, dass ich es ausspreche. Aber wenn es dich glücklich macht… ein Tee wäre nett. Falls du so was hier hast.“

Pfff, als hätten wir keinen Tee da. Wir hatten IMMER Tee da. Mein Vater war ein Teejunkie. Ich wusste sogar wie man den kochte. Wir hatten dafür extra so eine Kanne zum Drücken wo in die Mitte loser Tee hinein kam. Beuteltee war ja das schlimmste Übel, was die Menschheit heimgesucht hatte… oder so ähnlich, wenn ich meinem Erzeuger richtig zugehört hatte.

 

Mit dem Tee schickte ich sie schließlich ins Wohnzimmer- in mein Zimmer würde ich sie garantiert nicht lassen. Weiberfreie Zone und alles… und wer wusste schon, was sie sich dann einbildete- während ich mein ganzes Schulzeug nach unten holte. Die arme Sau, die das wieder hochschleppen musste… Dreck…

 

Zwei Stunden und drei Kannen voll Tee waren nötig, damit zwei Drittel des Stoffs, von meinem in ihren Hefter wanderten. Kopieren lassen wollte sie es sich nicht. Dann würde sie angeblich ja gar nichts verstehen.

Um ehrlich zu sein: ganz dumm stellte sie sich nicht an. Eine Leuchte war sie nicht unbedingt, aber sie fragte jedes Mal nach, wenn sie das abgeschriebene nicht verstand, was ihren Aufenthalt in die Länge zog. Ungemein.

Das bemerkte ich aber erst, als die Haustür aufgerissen wurde und die Damen des Hauses lautstark in den Flur strömten.

Meine Mutter lugte als erstes zu uns ins Wohnzimmer, begrüßte Jascha fröhlich und bombardierte uns mit Fragen, ob alles in Ordnung wäre und ob wir Hunger hätten.

„Wie weit seid ihr zwei denn? Habt ihr noch viel zu tun? Du bleibst doch bestimmt zum Essen, oder Jascha?“ Noch ehe die Gefragte antworten konnte war meine Mutter verschwunden.

„Okay…. Ähm…“ Irritiert blickte die Schwarzhaarige vom leeren Türrahmen zu mir. „Nein das war keine Einladung sondern ein Befehl. Sie wird dich erst gehen lassen wenn du mindestens zwei Teller von was auch immer verdrückt hast.“

„Na dann….“ Immer noch leicht irritiert zückte sie erneut ihren Füller –wer schrieb noch mit so was?- und pinselte fröhlich weiter.

Leider nicht lange, da nun der zweite Störenfried ins Wohnzimmer kam. Leise. Ninja spielend. Sich dabei verstohlen hinter diversen Möbeln versteckend und hin und wieder hervorlinsend.

„Immanuellé!“

So süß meine Schwester war. Das gerade nervte. Gewaltig.

„Hallo.“ Die Schüchterne spielend ging sie verhalten auf Jascha zu, hockte sich neben diese aufs Sofa.

„Hi.“

„Du…“

„Ich?“

„Sag mal…“

„Ja…?“

„Bist du zufällig vom Zirkus?“

„Ja wieso?“

„Bist du am Samstag auch aufgetreten… mit der großen Mieze?“

„Ja.“

Die Augen meiner Schwester fingen förmlich an Funken zu sprühen. Wieso konnte Jascha es nicht leugnen? Vielleicht hätte ich sie vorwarnen sollen.

„Wirklich? Ieeeeek. Ich fand dich sooooo toll und die anderen auch. Vor allem die Frau da oben auf dem Seil. Aber du warst tolliger. Und deine Miez wirkte sooooooo niedlich da unten und….“ Ich schaltete meine Ohren auf Durchzug. Das hielt ja keiner aus.

Erst als das Gespräch augenscheinlich auf mich gelenkt wurde, wurde ich hellhörig.

„Oli war mit mir dort, der mag aber keinen Zirkus. Der ist doof, ne?“

Lachend nickte die Schwarzhaarige. „Brüder müssen doof sein. Das ist deren Aufgabe.“

„Wirklich?“ Imma wirkte erstaunt.

„Ja klar. Und große Brüder müssen gleichzeitig auch auf dich aufpassen, wenn böse Jungs dich ärgern.“ „Ach so…“ Erstaunlich sachlich nickte meine Schwester nun, stimmte Jascha in diesem Punkt zu und fiel zurück ins Zirkusthema.

„Ist es schwer beim Zirkus zu arbeiten? Darfst du das denn überhaupt? Bist du nicht zu jung dazu? Wie heißt deine Miez? Wa…“

„Immer mit der Ruhe Kleines… ja?“ Die Zirkustrude traute sich echt meine Schwester zu unterbrechen. „Sonst kann ich dir doch gar nicht antworten. Also: schwer ist es in dem Sinne nicht, da ich damit aufgewachsen bin. Ja ich darf es. Sie heißt Naila und den Rest den du fragen willst hebst du dir für den nächsten Zirkusbesuch auf ja? Ich lad dich ein. Dann kannst du gucken was man so alles vor einer Vorstellung machen muss. Und Naila darfst du kennenlernen und die anderen Artisten auch, wenn du magst. Und deine Mama es dir erlaubt.“

„Wirklich?!“ Schon sprang Imma auf, steuerte ‚Mamimamimami‘ schreiend die Küche an und stieß prompt mit meiner Mutter zusammen. „Mamimamimami darf ich darf ich darf ich… ähm….“ Vor Aufregung schien sie vergessen zu haben was sie fragen wollte. Das hatte sie oft. Meistens jedoch kurz vor ihrem Geburtstag… oder Weihnachten.

„Ja Schatz. Darfst du. Du musst aber deinen Bruder mitnehmen. Allein lasse ich dich nicht gehen.“ Lächelnd tätschelte meine Mutter – das fiese Monster!- ihr den Kopf, schob sie an sich vorbei in den Flur und wies sie an, sich die Händewaschen zu gehen.

„Ab…“, setzte ich zum Protest an. Ich wollte nicht nochmal dahin. Sie konnte doch mit Imma gehen, oder Papa.

„Kein aber!“ Streng kniff sie die Lippen zusammen. Duldete keine Widerworte. Also nickte ich. „Ist gut…“

„Dein Angebot ist wirklich lieb Jascha, aber das…“ Die Frau wusste auch nicht was sie wollte. Erlaubte Imma das Angebot anzunehmen, war aber mit dem Vorschlag an sich unzufrieden… verstand sie doch wer wollte. Ich gab es langsam auf.

„…doch das geht.“ Warf sie schnell ein und unterbrach somit auch meine Mutter. So was tat man normalerweise nicht. „Wirklich, das ist okay. Den beiden kann nichts passieren und mein Opa hat bestimmt auch nichts dagegen wenn die beiden sich etwas umsehen. Versprochen.“

„Oh… also…“ unsicher hielt sie einen Moment inne. Nickte dann jedoch. „Na gut… aber jetzt geht euch auch Händewaschen. Das Essen ist fertig.“ Wie aufs Stichwort klingelte es an der Tür.

Mit einem ‚Ach Wolfgang!‘ eilte meine Mutter zur Tür um diese für meinen Vater zu öffnen, der wie so oft schon seinen Schlüssel vergessen hatte. Ob hier oder in seinem Büro in der Uni war unklar. Sein Schlüssel bekam überall Beine, das böse Ding.

 

Scheu betrachtete die Neue sich den Esstisch an dem wir bereits Platz genommen hatten. „Nun setz dich endlich. Ich hab Hunger.“ Zischte ich sie an, da ich doch wusste, dass wir nicht eher essen würden, bis auch sie am Tisch saß.

„Ist es wirklich in Ordnung wenn ich hier mitesse? Ich kann auch zuhause essen. Wir sind schließlich auch fast fertig mit dem Schulstoff und…“

„Nichts da Kind.“ Tadeln verzog meine Mutter die Lippen, sprang von ihrem Stuhl auf, um Jascha auf ihren zu buxieren. „Mit leeren Magen lass ich dich bestimmt nicht aus dem Haus. Nicht das du mir vom Fleisch fällst.“ Das war noch so eine Sache. Für meine Mutter waren alle Teenies, die nicht mindestens drei Portionen pro Mahlzeit aßen –gesunde Sachen versteht sich, bei meinem Nutellabrötchen regte sie sich immer auf- Magersüchtig oder anderweitig Essgestört. Konnte einen schon ankotzen.

„Na gut.“ Kleinlaut ließ sie sich auf den freien Platz drücken, wirkte jedoch gar nicht glücklich. Eher wie ein wildes Tier, dass man in die Ecke gedrängt hatte.

 

Wie immer sprach mein Vater mehr von seinem Tag an der Uni, als zu essen, was meine Mutter wie jeden Tag zu bemängeln hatte. Als sie ihn endlich zum verstummen –und essen- gebracht hatte begann Imma zu brabbeln. Ihre Freundin Lisa hatte dies bekommen und die Karo das und Charlotte war hingefallen… blablabla.

Bei uns war es üblich am Esstisch den Tag zu erläutern –natürlich nur im Maßen, nicht wie mein Vater- und als nächstes war wohl ich dran. Verdammt. Ich wollte nicht reden. Heute noch weniger als sonst. Jascha hier brauchte nicht alles wissen.

Schließlich musste ich trotzdem ein „War ganz gut“ hervorwürgen. Was meine Mutter jedoch nur mäßig zufrieden stimmte.

Ehe sie auch nach dem Tag der Trine fragen konnte zerriss ein nerviges Klingeln die Idylle. Innerlich jubelte ich. Bis ich zur Uhr sah und wusste wer vor der Tür stand.

Verdammt!

Nein…

Warum?!

Hatte ich etwas verbrochen? Bitte Erde… tu dich auf.

Natürlich passierte das nicht. Wäre ja zu schön gewesen.

„Abeeeeend“ Erneut völlig überdreht –manchmal fragte ich mich echt ob Felix‘ Mutter ihn als Kind mit Speed, Crack oder so etwas vollgestopft hatte- stürmte mein bester Freund in die Küche, scannte kurz den Esstisch und quetschte sich neben Jascha auf den letzten freien Stuhl.

Für ihn war es ganz normal, dass er sich einfach bei uns breit machte. Auch am Esstisch.

Doch heute konzentrierte er sich als erstes einmal nicht aufs essen.

Sein Interesse lag eher bei seiner Sitznachbarin.

 

„Oh hey… du bist die neue aus Olis Klasse, oder?“ Den Unwissenden konnte er perfekt spielen. Mieser Kerl. Hatte ich nicht gesagt er soll seine kläglichen Versuche nicht bei mir zuhause starten?

Gott!

Warum tat niemand was dagegen?

„Hmm…“ knapp nickte die Angesprochene, stockte dann jedoch. „Bist du nicht der Typ der mir den Weg gezeigt hat am Montag?“ Sie schien kurz zu überlegen ob das wirklich stimmen konnte, wirkte dann jedoch sehr sicher.

„Ja… stimmt. Ich erinner mich.“ Wieder tat er unschuldig.

Wahrscheinlich hatte er die letzten Nächte von nichts anderem als diesem Zusammentreffen geträumt. Pff.

„Jascha.“

„Felix.“ Grinsend, als wären sie alte Freunde, die vergessen hatten, dass sie sich eigentlich schon kannten, stellten sie sich einander vor.

Zum Glück plauderten sie nicht wie ebensolche. Was mehr an Jaschas plötzlicher Hektik lag, wie ich annahm. Hastig bedankte sie sich bei meiner Mutter für das Essen, bei mir für den Schulstoff und bei Felix für… keine Ahnung… für irgendwas.

„Jascha warte mal!“

Gerade war sie dabei nach ihrer Schultasche zu greifen, die fertig gepackt am Küchenschrank lehnte, als Felix sie zurück hielt.

Mir schwante übles. Wie immer bei solchen Sachen behielt ich Recht.

„Was machst du Samstagabend?“

„Weiß nicht…“

„Komm doch auch zu meiner Geburtstagsfeier. Da kannst du noch ein paar Leute aus unserer Schule kennenlernen. So als Einstieg und alles.“

Oh ich hasste ihn, ich hasste ihn, ich…

„Mal sehen. Okay?“ Wieder wirkte sie nicht begeistert. Gerade so als wäre sie Menschenscheu. Was quatsch ist. Mit Imma und meinen Eltern verstand sie sich blendend.

Durch die Antwort, die recht karg ausfiel, etwas geknickt nickte Felix nur und sah ihr nach, ehe er sich endlich über das Essen hermachte.

Aus den Augen aus dem Sinn… oder wie war das?

Weiber und Essen, was brauchte das Lockenköpfchen mehr?

„Bereit fürs anzocken?“

Achja, da war ja noch was.Das konnte ja noch heiter werden. So wie ich ihn kannte dauerte das ‚anzocken‘ bis kurz vor Mitternacht, er würde hier pennen müssen und morgen früh würden wir beide gemütlich von meiner Mutter zur Schule kutschiert. Kannte ich alles schon. Was einer der Gründe war, warum Felix seinen halben Kleiderschrank bei mir deponiert hatte…

Dennoch hasste ich ihn. Warum hatte er die Trulla eingeladen? Musste das sein? Waren nicht schon genug Weiber eingeladen?

Verdammt noch eins. Ich hatte mich auf Samstag gefreut…

 

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Soooo... ich sags gleich.... freundet euch mit der Eule (Felix) an....

er kriegt ne größere Rolle als angedacht...

Naja... vielleicht hasst ihr ihn auch nach dem nächsten Kapitel.... aber egal. Ich lieb ihn.

 

Achja... fürs nächste Kapi könnt ihr mitentscheiden.

Morgen (oder so) werd ich auf meienr fb Seite ein 'Bildchen' hochladen wo ihr euch entscheiden könnt, was ich Jaja anziehen werde. (ich kann mich einfach nicht entscheiden... seufz)

 

soooo nun mach ich mich aber zurück an meine neu gekaufen BL Mangas und drück mich brav vorm KaKAO-Karten malen... *kopfkratz*

Eulenparty

*Jascha*


„Willst du da wirklich hin?“ Dunkle Augen fixierten mich, während ich unschlüssig vorm Spiegel stand.

Von wollen war keine Rede. Meine Mutter zwang mich ja beinahe dazu. Warum hatte ich auch erzählt, dass der lange Typ mich eingeladen hatte.

Ich müsse mehr mit anderen Leuten in meinem Alter unternehmen hatte sie gemeint.

Warum brachte ich mich selbst in solche Situationen?

„Was von beiden soll ich anziehen?“ Nicht auf die Frage meines mürrisch dreinblickenden besten Freundes antwortendend hielt ich zwei zur Auswahl stehende Outfits nach oben. Beide erhielten ein abfälliges Schnauben.

Auf seine Hilfe brauchte ich also nicht hoffen. Klasse. Wozu hatte ich so was wie ihn eigentlich? Konnte ich auch mit Naila reden. Aber die blöde Kuh hatte sich ja bei Zara und dem Fohlen –was ENDLICH einen Weg aus seiner Mutter gefunden hatte!- einquartiert. Auf keinen war hier mehr verlass.

„Soll ich dich hinfahren?“

„Musst du nicht.“ Wer mürrisch zu mir war musste mich auch nicht rumkutschieren. Konnte auch Bahn fahren. Störte mich nicht.

„Und wie ich das muss. In den Klamotten fangen die dich sonst weg.“ Kopfschüttelnd wanderten dunkle Augen an mir herab. „Dorogoy Bog na nebesakh! Pochemu ty tak so mnoy postupayesh' , kak paren' ?”

“Du kannst mich auch mal…” knurrend fuhr ich mir durch die Haare, beschloss sie einfach offen zu lassen. Mir fiel partout nicht ein, was ich mit ihnen hätte anstellen können.

 

Schlussendlich fuhr er mich doch, mit dem Geländewagen seines Vaters. War gar nicht auffällig das Ding. Zwei, drei Leute, die wohl auch auf dem Weg zu Felix waren sahen zu uns rüber wie verschreckte Hühner.

„Viel Spaß.“

„Hm.“

„Benimm dich.“

„Hm.“

„Rufst du an wenn ich dich holen soll?“

„Mal sehen…“ Unwillig schlug ich die Beifahrertür hinter mir zu, ging ein paar Schritte auf Felix‘ riesiges Haus zu, ehe mich eine Stimme zurück hielt.

„Beregi sebya , khorosho?“ Wenn er einmal nicht auf seine ruppige Art kam, musste man einfach nachgeben. „YA vsegda delayu. Privod tshchatel'no.“

Schwach lächelnd, ich wollte wirklich nicht hier sein –was mich insgeheim dennoch hierher trieb konnte ich nicht sagen. Immerhin hätte ich die Zeit auch mit Miha, verbringen können. Keiner hätte es gemerkt- winkte ich ihm zu, ehe er mit einem gewagten Manöver die Einfahrt verließ und davon fuhr.

Nun war es zu spät zum Abhauen.

In den Schuhen würde ich mir Blasen vom feinsten laufen wenn ich den ganzen Weg zurückgehen musste. Auf eine pünktliche Straßenbahn hoffte ich erst gar nicht.

Augen zu und durch Jascha. Bist ein großer Junge. Musst nicht kneifen. Reicht wenn deine Unterhose es tat. Wie ich diese engen Dinger hasste… leider konnte man nichts anderes unter enge Hosen und Röcke ziehen. Und wer wollte schon sein Outfit durch die falsche Unterwäsche ruinieren. Konnte schließlich nicht riskieren, dass irgendwas unter meinem Möchtegern Schottenröckchen für kleinwüchsige Damen hervorlugte.

 

Kaum, dass ich den Klingelknopf gedrückt hatte, wurde die Haustür auch schon aufgerissen und ich überschwänglich ins Innere komplimentiert.

Auf einen wundervollen Abend in der Hölle…

 

Meine dünne Jacke wurde mir abgenommen, die Schuhe durfte ich, trotz Teppichboden anbehalten. Sehr mutig. Ehe ich dem Gastgeber für die Einladung danken, geschweige denn ihm irgendwie gratulieren und das hastig besorgte Geschenk übergeben konnte, bekam ich ein Glas in die Hand gedrückt –nur Cola. Brav. Man konnte schließlich nicht mit harten Sachen den Abend beginnen.- und wurde ins riesige Wohnzimmer buxiert, wo sich bereits einige Leute tummelten. Eine Hand voll davon kannte ich sogar. Die Hälfte hatte ich schon mal gesehen und der Rest… ging mir noch mehr am Arsch vorbei als die anderen die hier waren.

„Danke.“ Mehr bekam ich nicht heraus, da huschte Felix bereits wieder von Dannen. Um zur klingelnden Tür zu hasten.

Jaja, als Gastgeber hatte man es nicht einfach.

An der Cola nippend begutachtete ich das Wohnzimmer, was fast nahtlos in die Küche überging, nur abgetrennt durch einen schmalen Tresen der heute als Ablage für Knabberkram und Getränke diente. Das Geschenk –ja ich gebs zu, meine Mum ist vollauf begeistert losgehüpft und hat es besorgt, nicht ich- stellte ich einfach zu den anderen, die so unbeachtet im Zimmer rumlagen. Auch ne gute Idee. Die Geschenke erst dann aufmachen, wenn alle weg waren, musste man nicht so tun als würde man es toll finden wenn es eigentlich scheiße war. Sollte ich mir merken. Aber ich freute mich ja über alles.

 

„Du solltest hier nicht alleine rumstehen… die Aasgeier kreisen schon um dich herum, bereit dich zu fressen wenn du unachtsam bist.“Erschrocken fuhr ich zusammen, verschüttete fast den Inhalt meines Glases.

„Was?“

Perplex starrte ich Oliver an, der wohl aus dem Nichts aufgetaucht war und mit Sicherheit keine Cola trank. Wo hatte er das gute Zeug her? Warum bekam er das und ich nicht? Suspekt. Wenn ich lieb war teilte er vielleicht sein Wissen mit mir…

„Halt die Beine zusammen, wackel nicht mit dem Arsch und klimper nicht mit den Wimpern wenn die Typen da herschauen…“ Unauffällig deutete er auf ein Grüppchen, das mir bekannt vorkam.

„Oha… gut zu wissen… Aber sag mal…“ Vielsagend schaute ich auf sein Glas, erntete dafür einen skeptischen Blick und ein schnauben. „Vergiss es. Dann ist das Zeug ja noch schneller weg.“ Und weg war er. Erst warnte er mich davor alleine zu bleiben, da ich sonst leichte Beute war und jetzt haute er einfach ab?

Fiesling!

Tsss…

 

Seufzend leerte ich mein Glas und bediente mich an der provisorischen Bar um mir nachzuschenken. Cola musste fürs Erste reichen.

 

„Jascha, warum stehst du hier so alleine rum? Misch dich doch unter die Leute.“

Felix schien fertig mit der Begrüßung an der Tür zu sein. Nett das er mich wiederfand. Immerhin war ich nur wegen ihm hier… und meiner Mutter. Hätte ich mal mit Miha einen drauf gemacht… Verdammt. Heute sollte auch noch so ein toller ausländischer Film gezeigt werden…

„Oder traust du dich nicht, weil du sie nicht kennst?“Ehe ich auf diese absurde Vermutung antworten konnte krallte er sich meinen Arm und zog mich gezwungenermaßen mit sich. Genau hinein in den Pool von Menschen, denen ich nicht zu nahe kommen wollte.

Wie bestellt und nicht abgeholt stand ich also in der Menge, nickte hier und da –mehr aus Reflex, ich hörte bestimmt nicht zu- und warf ein paar dieser fiesen Zicken diverse Blicke zu, damit sie endlich aufhörten mich so blöd anzustieren.

„Neidisch?“ Fauchte ich eine sogar an, die ich noch nicht kannte. Blöd für sie wenn man denselben Rock trug wie ich, er einem aber rein gar nicht stand. An ihrer Stelle würde ich tierische Komplexe bekommen, immerhin sahen meine Beine weitaus besser aus als ihre Storchenbeine. Ob sie magersüchtig war? So dürr wie die wirkte. Ein Windhauch und weg wäre sie.

Innerlich schüttelte ich den Kopf. Ich sollte aufhören so fiese Sachen zu denken. War nicht gut fürs Karma. Vielleicht war es ja genetisch bedingt, oder krankhaft… oder ihr gefiel dieser Magerlook einfach. Wer wusste das schon. War mir auch so egal wie die Wasserstandsmeldung der Elbe von 1945.

Während ich also den stierenden Blick dieser Kuh erwiderte merkte ich nicht wie der Gastgeber sich erneut verzog. Erst als er mir ein volles Glas in die Hand drückte, wusste ich, dass er wohl weg war.

 

Wie lange ich schon da war?

Eine Uh schien es nicht zu geben. Weggeräumt wie alle anderen zerbrechlichen Sachen, vermutete ich.

Langsam lichtete sich die Menge um uns herum, verteilte sich mehr auf die Gesamtfläche. Irgendwer hatte miese Musik aufgelegt und so laut gedreht, dass man sie nicht mehr ignorieren konnte.

Quatschen war demnach out. Die Leute wollten nun entweder tanzen oder wie die Irren rumknutschen. Manche anscheinend auch beides. Gleichzeitig… Der Kerl sah aus, als hätte er riesigen Hunger und… oh nein er verschlag die kleine Brünette doch nicht. Glück gehabt. Hätte auch schief gehen können.

„Magst noch was?“

Ohne abzuwarten drückte Felix mir ein neues Glas in die Hand. Das vierte insgesamt. War ja ganz nett aber…

„Du weißt schon, dass du mich nicht abfüllen kannst…“ Dachte er wirklich ich merk nicht, wenn keine pure Cola in meinem Glas war? War zwar nicht die feine englische Art aber… es war schon süß, so schüchtern wie er in dieser Beziehung sein konnte. Musste mich erst abfüllen.

Tat mir beinahe schon leid, dass es in einem Desaster enden und seine Fantasien zerplatzen würden.

„Nicht? Äh…he…he….“ Nervös lachte er auf. Es war ihm unangenehm, dass ich es wusste.

Er war wirklich niedlich… für nen langen Lulatsch wie er einer war.

„Tun wir einfach so als würde es funktionieren okay?“

Verwirrt schaute er drein, gab dann jedoch ein ‚okay‘ von sich. Ob ihm klar war, was das hieß?

 

Irgendwie hatte Felix es geschafft, den Idioten mit dem miesen Musikgeschmack von der Anlage zu vertreiben. Das was nun lief, war nicht unbedingt mein Geschmack… aber wenigstens besser als diese Affenmusik.

 

„Wolln wir auch tanzen?“ der Lockenkopf brauchte einen Moment um mich zu fixieren. Er hätte eine Cola mit Schuss weniger zu sich nehmen sollen.

Eigentlich war mir nicht nach tanzen, aber alle tanzten… oder stopften sich mit Chips und anderen ekligen Sachen voll.

„Warum nicht.“ Kurz überlegte ich ob ich mein halbvolles Glas einfach irgendwo stehen lassen könnte, doch dann siegte das Misstrauen und ich stürzte den Rest hinunter, obwohl ich jetzt schon aufs Klo musste. Dringend… Verdammt

An etwas anderes, als meine volle Blase, denkend folgte ich Felix in die Menge aus sich seltsam windenden Menschen. Ein solches Glück wie ich immer hatte schlug die Musik von wildem Gehopse zu einem dieser Schmuselieder, die es mir schwer machten mich nicht zu übergeben, um. Dennoch tat ich dem Langen den Gefallen mit ihm zu tanzen… er mühte sich schon den ganzen Abend ab… Ja es tat mir wirklich leid was unweigerlich passieren würde…

Auch hierbei wirkte er etwas zögerlich, ehe er sich dann jedoch aufraffte und nah genug an mich heran trat, damit das ganze irgendwie zu dieser schrecklichen Musik passte. Energisch griff ich mir seine Hände, platzierte sie an den richtigen Stellen und versuchte ihn und mich in Einklang mit diesem Gejaule zu bringen.

 

Nach dem zweiten Lied, dieser Art wollten wir schon aufgeben. Vor allem ich. Doch da schlug die Musik erneut um und stimmte mich milde. Ich war nun wirklich kein Lady Gaga Fan… aber wenn ich auf eine Frau stehen würde… dann kurioser Weise auf sie… Und manche Lieder waren ganz… nett. Passten zu einem Paradiesvogel wie mir… dachte ich.

Fand anscheinend auch Felix, der mich breit angrinste, als der Refrain von Born this Way das erste Mal ertönte. Er meinte, dass das Lied zu mir passte. Fand ich nicht. Das Lied passte meiner Meinung nach nicht. Ehrlich. Ich war bestimmt nicht SO geboren worden. Welche Mutter presste schon ein langhaariges Kind mit rosafarbenen Springerstiefeln aus sich heraus? Richtig… keine.

„Doch, doch.“ Hielt er ebenso vehement an seiner Aussage fest, wie ich sie abstritt. Nach vier Minuten oder so, in denen wir immer noch versuchten im Takt der Musik zu bleiben, war der Streit jedoch gegessen, da ein neues Lied anstimmte. Wieder von Miss Paradiesvogel. Wer das hier mixte hatte noch nie was von Variation gehört.

„Also DAS Lied passt!“ Grinsend klatschte ich kurz, passend zum Lied, ehe ich die Arme wieder um Felix schlang auch wenn es nicht passte.„Wieso passt gerade DAS Lied?“ Er schien nicht begeistert. Einer der Leute, die das neue Gagalied anscheinend nicht mochten. „Das fragst du noch?“ Hatte er vergessen wo ich herkam?„Applaus ist der Hammer. Besser als Sex… Wenn man einmal im Mittelpunkt stand, die Menge den Blick nur auf einen selbst gerichtet hat… herrlich…“ Leise seufzte ich, übertönte damit Felix‘ Kommentar dazu. Er würde das Gefühl erst verstehen wenn es ihm selbst so ging… mit zwei Flaschen Wodka intus…

 

Während die Musik von schrecklich zu erträglich und abartig hin und her pendelte hingen Felix und ich noch immer zusammen. Er sah auch nicht so aus, als wolle er mich in nächster Zeit loslassen. Stattdessen sah er mich immer wieder so komisch an…

Armer Felix… so was konnte nicht mal Alkohol richten… Wenn man so verpeilt war und diesen Hollywood-Knister-Kitsch-Moment nicht erkannte wenn er da war… Aber ich war nicht so und er sollte schließlich nicht auf immer gestört sein. Tat ich halt so als hätte er ihn bemerkt.

Himmel noch eins!

Ruckartig zog ich ihn zu mir herunter. Steif folgte er meinem Drängen. Erst als er realisierte was da gerade vor sich ging löste sich die Anspannung in seinem Körper und er floss beinahe in die richtige Haltung.

So große Kerle wie ihn zu küssen war anstrengend. Für beide Parteien. Ich fand es anstrengend, weil ich die ganze Zeit auf Zehenspitzen stehen musste und ihm würde mit der Zeit der Rücken wehtun. In Kauf nahmen wir beide es.

Wer hatte schon was gegen ein bisschen rumknutschen. Ich bestimmt nicht.

Doch so angenehm diese Interaktion auch war –es war weitaus weniger schlabberig, als ich befürchtet hatte- musste ich unsre Lippen irgendwann voneinander lösen und unsere Zungen entknoten. Nicht um etwa das Klischee zu bedienen auch einmal Luftholen zu müssen. Nein. Ich war noch unromantischer. Ich musste ganz einfach Pinkeln. Tierisch. Keine Drei Minuten würde ich es mehr aushalten

„Felix…“ Unwillig knurrte dieser, öffnete dennoch leicht die Augen, als ich mich nicht anschickte weiterzumachen.

„Lässt du mich mal eben los?“

Ich konnte schlecht halb um ihn gewickelt und verknotet zur Toilette hüpfen. Wobei hüpfen an sich schon eine verdammt beschissene Idee ist wenn man pinkeln muss.

„Nein…“ Demonstrativ griff er etwas fester zu. Damit machte er die Situation nicht besser. Ernsthaft…„Wenn du mich nicht loslässt mach ich ein riesengroßes Pfützchen auf den Teppich hier und ich werde es nicht wegmachen.“

„Wä…?“ Verwirrt zog er die Augenbrauen zusammen, ließ den Gedanken ratternd durch sein Hirn wandern und verstand schließlich. „Oh, ja… Tschuldige…“ Hektisch entknoteten wir uns. Ich dabei in Gedanken die Sekunden zählend.

„Wo?“ Keine Zeit um ganze Sätze zu formulieren, musste auch so gehen.

Tat es leider nicht, weshalb ich ein „Wat?“ erntete.

„Klo!“

„Ach so… hier vorne und dann da und dort und… äh nee… ich…“ Wild gestikulieren deutete er in alle möglichen Richtungen. Scheiß Alkohol. Scheiß Bubis die nicht wussten wie viel sie vertrugen.

„Komm einfach mit und zeig mir den Weg!“, wies ich ihn streng an. Es wurde langsam wirklich knapp. Mit eisernem Griff hielt ich seine Hand umklammert, schleppte ihn wie einen nassen Sack hinter mir her, ehe ich schließlich drauf hoffen musste, dass er mich rechtzeitig zum ersehnten Örtchen führen würde.

„Hierlängs“, wies er an und obwohl ich den Ausdruck nicht mochte war ich froh ihn zu hören.

„Bis gl…“ überschwänglich griff ich nach der rettenden Tür, wich jedoch vor dem unmenschlichen Brüllen zurück, welches mir, mitsamt eines bestialischen Gestankes entgegen wehte.

„Uäääh!“

Konnte diese Schnapsleiche nicht später kotzen? Oder irgendwo anders? Musste es jetzt und hier sein?

„Oben ist noch ein WC“, tönte es rettend hinter mir.

Oha… oben.

Eine Minute hatte ich noch.

Eins zwanzig wenn ich mich richtig anstrengte und alle Willenskraft aufbrachte die ich hatte.

„Na dann… Schmeiß den Riemen auf die Orgel*, Mann. Es eiiiiiilllllllt!“

Auf dem Weg nach oben hieß es beten –dass nicht noch so ein Suffkopp den Raum blockierte- und verkneifen und auf die Füße aufpassen, die ständig über irgendwas stolpern wollten, was gar nicht da war. Imaginäre Teppichkanten waren wirklich aggressiv zuweilen.

 

Ohne zu klopfen stürmte ich die weiße Tür des gefliesten Zimmers. Schmiss erleichtert die Tür ins Schloss und war froh einen Rock zu tragen. Das Gewürge mit den Hosen hätte heute zu einem Malheur geführt.Doch so war der Tag, bzw. die Nacht, gerettet. Überschwemmung verhindert. Alles im grünen Bereich. Noch fein säuberlich Händewaschen, man war ja vorbildlich, und zurück zu Felix, der artig im Flur auf mich gewartet hatte.

Aber wollte ich wirklich zurück? Da war es immer noch so voll… und mittlerweile nervten die Leute unten noch mehr, so besoffen wie die waren.

Hilfesuchend sah ich mich um und entdeckte in meiner Nähe eine buntbeklebte Tür.

„Ist das dein Zimmer?“ Fragend wandte ich mich an Felix, der etwas entsetzt dreinblickte und mir somit die Antwort gab.

Ohne auf irgendeine Reaktion von ihm zu warten steuerte ich die beklebte Tür an und schlüpfte ohne viel Tamtam ins Heiligtum.

Etwas duster. Schnell war der Lichtschalter gefunden und das Innere erhellt.

Hmm… ganz nett… Keine nackten Möpse an den Wänden zu sehen. Nur irgendwelche Mannschaften und Bands zierten den hellblauen Grund.

Langweilige Schränke, diverse Bücherregale, Spielekonsolen und Games dazu… Typisch Jungszimmer. Gefiel mir.

Das Bett wirke bequem. Und so groß…

Fast wurde ich neidisch. Ich liebte große Betten, da mein Wohnwagen jedoch nur begrenz Platz bot hatte ich nie die Möglichkeit so ein riesiges Teil zu kriegen.

Ob es weich war?

Dreist wie ich nun einmal sein konnte, ließ ich mich auf das gemachte Bett fallen.

Es federte wirklich schön. Definitiv eine gute Investition. Könnte mich dran gewöhnen hier drin zu liegen.

 

„Sieht gut aus…“

„Meinst du?“

Grinsend nickte Felix, der anscheinend versuchte seine Unsicherheit zu überspielen.

„Na dann… kann ich ja hier bleiben, oder?“

„Klar…?“ Unsicherheitsbekämpfung gescheitert. Das musste er definitiv noch üben.

Zielsicher griff ich nach dem Shirt des Großen, zog ihn daran zu mir, bis er die Knie rechts und links neben meinen Beinen aufs Bett lehnte und mir beinahe in die Augen sehen konnte. Also ich ihm. Er war immer noch viel zu groß.

„Und jetzt?“

Musste er das wirklich noch fragen? Gut die Stimmung hätte besser sein können, aber drauf geschissen.

„Einfach machen. Schalt die olle Denkbirne ab.“ Nun war ich dran mit grinsen, während ich ihn mit Schwung neben mir aufs Bett drückte. Mich selbst platzierte ich zielsicher auf seiner Hüfte, während unsere Münder erneut aufeinander trafen und die Finger auf Wanderschaft gingen.

 

Außer Atmen lösten wir uns widerwillig voneinander. Scheiß Lungenatmung. Störend wie nichts anderes. Doch wo man nun schon einmal getrennt war voneinander…

Ich sollte ihn vielleicht vorwarnen. Ich kannte es gar nicht leiden, wenn die Typen kreischend davonlaufen wollten wenn es fast schon zu spät war. In solchen Situationen diskutierte ich eigentlich nicht gern und bei Felix wollte ich das auch irgendwie gar nicht… er war so süß… das kam mir gemein vor.

„Du Felix… ich glaub ich sollte dir was sagen ehe das hier weiter geht.“

Das Gesicht verziehend richtete er sich auf, schüttelte dann jedoch mit dem Kopf.

„Musst du nicht. Mir ist klar, dass du ein Kerl bist. Bei näherem Hinsehen müsste das JEDER hier erkennen… außer das unter deinem Rock ist nicht das wofür ich es halte… dann…“

„Und wie es das ist was du denkst…“ Er wusste es, er war trotzdem hier. Alles war geklärt. Jetzt durfte er die Klappe halten und sich nützlicheren Dingen widmen.

 

Endlich aus dem Schneckenhaus kriechend, schoben sich Felix schlanke Finger unter mein Shirt, fuhr die Wirbelsäule erst nach oben, dann nach unten bis die Fingerspitzen unter dem Bund meines Rockes verschwanden.

Mich lies das hier schon lange nicht mehr kalt, auch wenn ich nicht vermutet hätte, dass Felix dazu in der Lage war.

Ungeduldig griff ich zu dem störenden Gürtel in der Jeans des Lockenkopfes. Mit etwas Mühe schaffte ich es diesen zu öffnen und im Nirwana seines Zimmers verschwinden zu lassen.

Die Knöpfe waren schnell geöffnet und auch der lästige Stoff der mich vom Allerheiligsten trennte war schnell beseitigt. „Entweder hast du es echt nötig… oder ich hab dich anfangs falsch eingeschätzt“, gab ich leise zu, während ich Felix‘ Körpermitte begrüßte.

„Vielleicht beides?“ Sein Satz ging in einem unterdrückten Stöhnen unter.

Es klang herrlich… so herrlich, dass es ein wirklich netter Abend, bzw Morgen hätte werden können. Wenn dieses HÄTTE nicht wäre.

 

„Jascha ich…“ Ich wollte es eigentlich nicht hören, dennoch ließ ich es zu, dass er mich von sich schob. „Ich glaub ich kann das doch nicht…“ Verzweifelt klang er. Ganz eindeutig. Oh halleluja… der Kerl war eine verdammt Jungfrau… scheiße… Zumindest hörte es sich schwer danach an…

Wäre auch zu schön gewesen…

Aber vielleicht war es besser so.

„Schon gut…“ Seufzend rutschte ich von ihm herunter. Ein Blick zu unseren Körpermitten reichte jedoch, um zu wissen, dass wir so auf keinen Fall zurück konnten.

Er schien dasselbe zu denken.

„Naja… also…“, setzte er an. Seine Stimme klang ganz danach, dass ihm die eigenhändige Abhilfe genauso missfiel wie mir.

„… wir müssen das ja nicht durchziehen… aber…“, setzte ich seinen Gedanken fort und erntete ein Schmunzeln.

„Okay!“ Unerwartet war nun ich es, der in die Matratze gedrückt wurde, ehe sich der Große ans Werk machte, das zu beenden, was er begonnen hatte.

 

„Verdammt…“ Seufzend rollte ich mich auf dem Bett zur Seite, fixierte den Wecker neben mir. Felix tat es mir gleich, während er begann ohne viel Erfolg meine Klamotten zu richten.

„Du sagst es… wir sollten zurück… die werden uns vermissen…“

Pff.

Laut schnaufte ich auf.

„Wenn dann vermissen die nur dich… aber eigentlich sind die eh alle zu dich, um irgendwas bemerkt zu haben.

Mit wackligen Beinen kroch ich aus dem Luxusbett, ordnete meine Sachen nun selbst und verzweifelte an meinen Haaren.

Dann blieben sie halt so. Drauf geschissen.

„Gehst du schon mal vor? Ich muss mich umziehen.“ Demonstrativ deutete er auf sein Shirt, welches wirklich gewechselt werden musste, da diverse Flecken darauf verräterisch prangten. Nickend ließ ich ihn allein. Wenn ich Glück hatte würde ich mich auf dem Weg nach unten zur Partymeute nicht verlaufen.

 

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*die Person die über diesen Satz lacht und weiß warum sie lacht und warum ich das benutzt habe… nur für die Person ist das hier drin…

 

Im nächsten Kapi wird geklärt warum dieses Kapitel 'Eulenparty' heißt.

Wer mag kann auch gerne Born this Way hören und verstehen warum ich denke, dass dieses Lied zu Jascha und irgendwie auch Felix passt

Drohungen und Schläge und so weiter... ähm ja... die dürft ihr verteilen... aber ich verkrümel mich jetzt.

Bis zum nächsten Mal...

 

(PS: das hier war mit 6 A4 Seiten das längste Kapi an das ich mich erinnern kann!)

Allein unter Schnapsleichen


*Oliver*

 

Eules Party fing nett an.

Gute Musik. Knabberzeug…

Dann kamen die ersten Gäste.

Auch wenn ich klang wie ein menschenhassender Einsiedler… ich war eigentlich keiner. Ich war gerne unter Menschen… wenn sie ein gewisses Niveau hatten. Oder wenigstens mit mir auf einer Wellenlänge lagen. Wie Felix. Auch wenn er momentan so ziemlich der Einzige war.

Die anderen waren… einfach nur da und nervten. Irgendwie. Vielleicht war es auch nur Einbildung. Wer wusste das schon.

Trotz dass ich die meisten der eingeladenen Gäste nicht leiden konnte wurde ich überschwänglich begrüßt. Die Mädels schlabberten rechts, links über meine Wange, die Kerle brachen mir halb die Finger mit ihren seltsamen Begrüßungen… das übliche Theater eben.

Nur Felix war heute anders.

„He, Eule… was ist los?“

„Ob Jascha kommen wird?“ Freudig erregt und bis zur Haarwurzel nervös trampelte er von einem Fuß auf den anderen.

Oh Gott. Ging das Thema schon wieder los.

Den ganzen Freitag über hatte er kein anderes gefunden.

Jascha hier, Jascha da. Wäre es nicht so offensichtlich müsste ich sagen, dass er verknallt war. Und wie.

Insgeheim hoffte ich, dass sie nicht kommen würde. Dann wäre vielleicht Schluss. Er hätte sich einen mächtigen Korb eingehandelt und könnte weiter nach der Richtigen suchen.

Vermutlich würde er sich dann jedoch irgendeine dämliche Ausrede einfallen lassen, dass das ja gar kein Korb war.

Vielleicht sollte sie dann doch kommen, er sollte sie anmachen voller Hoffnung, die sie dann ja doch nur zerplatzen lassen würde.

Klang fies, aber man konnte mir nicht erzählen, dass sie es ernst mit ihm meinen könnte, wenn sie sich denn auf ihn einließ. Sie zog von Stadt zu Stadt, war nie lange an einem Ort… Keine guten Voraussetzungen für was Ernstes.

Da ich Felix dies genau SO erklärt hatte –zumindest hatte ich es versucht- musste er da nun allein durch. Mir war es egal. Wenn er es nicht einsah, dann sollte er sich eben in die Nesseln setzen. Das bisschen Liebeskummer würde ich meinem Freund schon austreiben können, wenn es nötig war.

 

Angewidert starrte ich die Plärre in meinem Glas an. Was immer das sein sollte… die Blume überlebte es hoffentlich. Trinken konnte man das Gesöff nicht. Nicht wenn man noch nüchtern war. Was eindeutig mein Stichwort war an diesem Abend.

Da ich mich bei der Eule besser auskannte als manch anderer, wusste ich, wo ich zu suchen hatte, damit ich mir den Abend schön schlabbern konnte. Felix Eltern hatten immer ein paar Flaschen mit Umdrehungen da, falls mal Gäste oder Kollegen oder dergleichen aufkreuzten, ganz unerwartet. Tja. Wenn man Geschäftsmann bzw. –frau war musste man wohl mit allem rechnen. Felix‘ Eltern gehörte ein Maklerbüro in der Innenstadt, nur falls es irgendwen interessierte.

Die ganze Prickelbrause ignorierend griff ich eine zierliche Flasche von ganz hinten im Schrank. Was es war? Egal. Hauptsache es hatte Prozente und hüllte meine Wahrnehmung in Watte, sodass ich die ganzen Leute überstand, damit ich morgen den Tag mit meinem besten Freund verbringen konnte… nachdem ich die ganzen Schnapsleichen aus dem Haus befördert und uns ein Katerfrühstück kredenzt hatte. Verbringen wurde in dem Fall gleichgesetzt mit: uns gegenseitig die Ohren volljammern wie schlimm doch Alkohol war, dass nie wieder SO gefeiert werden würde und wir schließlich über diesen Themen in einen tiefen Schlaf fielen aus dem uns erst der Wecker am Montagmorgen riss. Sachen wie Geschenke übergeben, ins Kino gehen oder daddeln wurde immer vorher erledigt. Im Suff ging so was gar nicht. Ich sprach da aus Erfahrung… auch wenn wir beide das ganze erst zweimal durch hatten, wenn man nur die Geburtstage zählte.

Wobei ich mich fragte, warum ich eigentlich solche Feiern ausrichtete, wenn ich doch eh alle hasste? Musste an den Teeniegenen und dem allgemeinen Gruppenzwang liegen.

 

Angeregt unterhielt sich irgendwer mit irgendwem und hielt es für nötig, mich mit ins Gespräch einzubeziehen.

Ich verstand nur Bahnhof, deshalb stierte ich stumm in die Runde und wartete, bis sie mich aufhörten fragend anzusehen.

Wirkte ich eben arrogant.

Mir doch Wurst. Hauptsache ich hatte meine Ruhe.

 

„Na lebst du noch?“ Außer Puste plumpste der Lange neben mir aufs Sofa, streckte die ewig langen Stelzen von sich und machte es sich auf meinem Schoß bequem. Wieder so eine unmännliche Geste. Davon hatte er viele drauf. Das er dafür nicht aufgezogen wurde wunderte mich. Konnte aber auch dran liegen, dass ich den Leuten Dresche angeboten hatte wenn sie nicht lieb zu meinem Käuzchen waren.

„Weiß nicht. Schubs mich um und warte ab ob ich aufstehe oder anfange zu stinken.“

„Ach komm. Tu nicht immer so. Insgeheim magst dus doch. Mr. Unnahbar.“

Da ich nicht diskutieren wollte (ich mochte das hier bestimmt nicht!) schwieg ich und wartete darauf, dass er das Thema wechseln könnte. Tat er aber nicht. Stattdessen stürzte er wie viele Male zuvor zur Tür, als die Klingel an der Haustür sich bemerkbar machte.

Und wieder war ich vergessen. Konnte ich mir auch noch mal nachschenken. Das Zeug musste schlecht sein. Man merkte gar nichts. Und Knabberzeug könnte auch nicht schaden… wenn da nur nicht so viele unliebsame Hindernisse wären. Nats und ihre Brüste waren nur drei davon…

Sollte ich es wagen? Oder lieber lassen?

Ach verdammt.

Da prallten Welten aufeinander…  Abneigung gegen Menschen mit Brüsten und nervigen Stimmen und… Knabberkramsucht. Oder so was.

Eigentlich war ich zu faul um aufzustehen und mich in die Tittenhölle zu begeben… eigentlich war mir eigentlich aber auch egal.

Also hievte ich meinen Allerwertesten endlich vom Sofa, erkämpfte mir meinen Weg zum Ziel und überging Nats gekonnt.

 

Den Mund vollgestopft mit allerhand unappetitlichen und ungesunden Sachen beschaute ich mir unseren neuen Gast.

War sie also doch aufgekreuzt. Sah in der Schule nicht so aus als würde sie kommen wollen. Wobei sie eh seltsam ist… irgendwie. Schien aber nur ich bemerkt zu haben.

Einem läufigen Hund gleich scharwänzelte Felix um die Neue herum, entwand ihr die dünne Jacke und drängte sie schließlich zu den anderen, wo er sie einfach stehen ließ, da es erneut an der Tür läutete.

Könnte mir ja fast leidtun, die Kleine… Aber wirklich nur fast. Hätte ja nicht herkommen brauchen. Dennoch siegten irgendwie meine Manieren.

Meine Mutter würde mich einen Kopf kürzer machen, wenn sie erfahren würde, dass ich ein armes, wehrloses Mädel einsam und verlassen irgendwo hab stehen lassen.

Zwei Sätze konnten bestimmt auch nicht schaden. Falls es überhaupt ein so langes Gespräch werden würde.

 

„Du solltest hier nicht alleine rumstehen… die Aasgeier kreisen schon um dich herum, bereit dich zu fressen wenn du unachtsam bist.“

Holla die Waldfee… wo kamen die vielen Wörter denn her? Der zu wenig Umdrehungen aufweisende Alkohol schien doch auf meine Zunge zu wirken… Wer hätte das denn geahnt?

„Was?“ Wie ein Reh im Scheinwerferlicht stierte sie mich an, als ich sie ansprach.

Ob sie aus dem stand einen zwei Meter Sprung geschafft hätte wenn ich ihr dabei auf die Schulter getippt hätte?

Zuzutrauen wäre es ihr.

„Halt die Beine zusammen, wackel nicht mit dem Arsch und klimper nicht mit den Wimpern wenn die Typen da herschauen…“ unauffällig deutete ich in Richtung geifernde Menge, die bereits wieder Beute witterten. Ich war wirklich zu gut für diese Welt. Verfluchtes minimal alkoholhaltiges Getränk. Wenn ich weiterhin meine Ruhe haben wollte, sollte ich die Finger von dem Zeug lassen. Sonst dachten die Leute noch ich wäre gesellig… oder nett… oder an ihnen interessiert.

„Oha… gut zu wissen… Aber sag mal…“

 „Vergiss es. Dann ist das Zeug ja noch schneller weg.“ Ehe sie ihren Satz beenden konnte unterbrach ich sie unwirsch. Das sollte sie sich mal schön abschminken. Einfach auf mein Glas zu stieren. Tse… als würde ich teilen…

Dann floh ich doch lieber. Sollte meine Mutter es doch erfahren und mich ungespitzt in den Boden rammen.

Konnte ich heute auch noch ab… Viel schlimmer würde es das auch nicht machen.

 

Eine von Natalies Anhängseln hatte es irgendwann geschafft und mich in eine Ecke gedrängt. Eine bequeme Ecke zugegeben, dennoch war mir unwohl dabei. Doch sie war genauso angeheitert wie die anderen hier und quasselte glücklicherweise nur. Anders als Natalie hatte sie ihre Fingerchen augenscheinlich unter Kontrolle.

Fummeltrine stierte ihre Busenfreundin deswegen jedoch ganz fies an. Hoffentlich war das Ganze bis Montag gegessen. Solche Art von Ärger konnte mir gestohlen bleiben.

 

„Wer hätte gedacht, dass die Zirkus Kuh auf Besenstiele steht“, giggenld warf Marie –eben genanntes Anhängsel- sich in meine Arme. Ich ließ es zu. Marie war ganz okay. Später konnte ich dieses Verhalten immer noch auf den Alkohol schieben, der nun endlich richtig begann zu fließen… nachdem Felix den Versuch startete seine Angebetete abzufüllen. Klappte entweder besser als erwartet oder sie fand wirklich etwas an ihm und tat einfach so als ob.„Lass sie doch. Ich gönn es Felix.“ Dass sie meinen besten Freund beleidigt hatte ignorierte ich fürs erste. Der war eh beschäftigt, was ich ihm wirklich gönnte, auch wenn es mir etwas schnell ging, dass sie nach oben verschwanden.

„Die machts doch bestimmt mit jedem“, mischte sich nun Natalie ein, die sich nicht hat abschütteln lassen.

„So wie du? Bezweifle ich…“ Beleidigt plusterte Nats ihre Backen auf, sprühte nun in meine Richtung funken, fand jedoch nicht die richtigen Worte um es mir heimzuzahlen. Außerdem stimmte es doch… vermutlich. Natalie hatte jeden zweiten Kerl unseres Jahrgangs im Bett gehabt, die neue zeigte nicht einmal interesse an denen die sich ihr praktisch an den Hals warfen. Vielleicht fand sie ja wirklich was an Felix…Ich hoffte es für ihn und sie… ich wollte ihr nicht wehtun wenn sie ihm das Herz brach. Dabei vergriff ich mich gar nicht an Mädchen… merkwürdiger Gedanke.

 

„Uuuuh, da ist sie wieder. Man sieht die… fertig aus. Felix hat offensichtlich gute Arbeit geleistet.“

Huch? Erschrocken zuckte ich zusammen, als Maries Stimme neben mir ertönte. War sie nicht grad… wo auch immer?

„Hmm… scheint so“, brummelte ich ihr entgegen und nahm die Flasche in Empfang, die sie herumreichte. Das Etikett sah teuer aus. Schien irgendwas blubberndes von Eules Mutter zu sein. Na wenn sie ihn dafür mal nicht zur Schnecke machte.

An der Flasche nippend beobachtete ich wie nun auch Felix zurück zu uns kam. Nicht minder zerzaust. Eindeutig ein Volltreffer für ihn. Hoffentlich wollte er nicht drüber reden?

Vor den anderen verkniff er es sich bestimmt…

 

Ein Grinsen schlich sich auf sein Gesicht, als er uns entdeckte. Seine Eroberung des Abends… des Morgens wenn meine Armbanduhr nicht log,  am Arm gesackt kam er auf uns zu, vertrieb ein paar der Damen von ihren Plätzen und ließ sich zu meinen Füßen nieder. Die Neue machte es sich zwischen seinen Beinen bequem und streckte die lange, in rosafarbene Springerstiefel gehüllten Beine von sich.

„Na wars gut Eule?“

Mein Kommentar brachte die Runde zum giggeln, selbst Jascha rang sich ein Schmunzeln ab. Hieß wohl ja. Oder sie hielt die Frage für witzig… warum auch immer.

„Kann nicht klagen.“

„Sonst hast du nichts zu erzählen?“, hakte ich vorsichtshalber nach. Noch hätte ich immerhin Zeit die Flucht zu ergreifen. Oder mir irgendwas in die Ohren zu stopfen.

„Nö.“

„Ob buh, du Langweiler!“ Die Tratschweiber fanden die Ausbeute an Informationen natürlich mager. So schieden sich die Geister.

„Oli?“

„Hm?“ Fragend richtete ich meinen Blick nach unten. Wenn ich über meine Schuhe schielte schaffte ich sogar der Neuen ins Gesicht zu gucken wenn ich mit ihr redete.

„Warum nennst du Felix eigentlich Eule? Ich überleg das schon den ganzen Abend… Er hat aber rein gar nichts von so einem Federvieh.“

Alle brachen in allgemeines Gelächter aus. Diesmal fiel auch die besagte Eule mit ein. Nur Jascha blickte drein wie ein Auto.

Es war fies zu lachen. Für ihre Unwissenheit konnte sie nichts.

„Hast du dir das Klingelschild mal angeguckt?“

Kopfnickend deutete ich in Richtung Haustür, erntete ein Kopfschütteln auf meine Frage.

„Ich heiß Kautzky. Kauz – Eule. Passt schon irgendwie. Meine Mutter ist Schuld an dem Namen. Die hat mich früher schon immer ihr kleines Käuzchen genannt…“

Also DIE Story kannte ich noch nicht. Ich dachte immer ich hätte angefangen ihn so zu nennen. So konnte man sich also irren. Auch gut. War ich eben nicht schuld.

 

„Lasst uns was spielen.“ Noch immer nach Qualm stinkend setzten sich Marie und Kumpanen wie so oft in dieser Nacht zu uns. Das was mir entgegen wabberte trieb mir die Tränen in die Augen. Hoffentlich war der Nachbar nicht zuhause. Der war Polizist und fände das eben gerauchte Kraut bestimmt suspekt. Zum Glück hatte Felix abgelehnt. Wenn ich heute nach mit ihm in einem Bett pennen musste brauchte ich solch einen Gestank nicht.

„Und was?“

Diverse Vorschläge wurden mehr oder weniger enthusiastisch in die Runde geworfen, die seine Gestalt geändert hatte. Natalie war verschwunden. Nur zwei der Tussitruppe war noch hier. Dafür tummelten sich ein paar der Jungs aus Felix Klasse um uns. Ebenso ein Mädel aus der Nachbarschaft, das ich nur flüchtig kannte.

 

„Okay… du bist!“ Grinsend deutete die Nachbarin ohne Namen auf mich. Ebenso ihre Flasche. Wie ich es hasste. Ehe ich jedoch maulen konnte unterbrach ein erschreckendes Gekreisch die gesellige Stimmung.

„Tschuldigung.“ Verunglückt grinste Jascha in die Runde. Rappelte sich vom Boden auf und ging beiseite, während sie sich das Telefon ans Ohr presste.

 

Zdravstvuyte !

Wie gebannt starrten alle zur telefonierenden Jascha.

War wohl irgendwelche Verwandtschaft. Sonst sprach hier doch keiner russisch.

Chto eto takoye?

Net, vse v poryadke.

Eto khorosho.

Uvidimsya.

YA tozhe tebya lyublyu

Wild gestikulierend stand sie da, warf mit seltsamen Lauten um sich… und wirkte hammer sexy… Ein Zeichen, dass ich nicht mehr zurechnungsfähig war. Weiber machten mich nicht an. Auch nicht, wenn sie mit gurrender Stimme Dinge murmeln die keiner versteht.

„Sorry. Mein Taxi. Ich muss los.“ Entschuldigend schaute sie in die Runde, wobei ihr Blick eigentlich nur Felix galt. An ihrer Stelle wären mir die Anderen auch egal. Die hassten sie eh. Marie und Trulla deren Namen ich vergessen habe zumindest.

„Ich bring dich“, warf Felix auch gleich ein, sprang euphorisch vom Boden auf und ignorierte, dass wir hier gerade spielten.

Junge Liebe…

Wenn ich irgendwann mal so war dann… Einfach hoffen, dass so was nicht passiert.

„Machs gut!“ Meine Verabschiedung hörte die Schwarzhaarige schon gar nicht mehr. Zu beschäftigt war sie damit, zusammen mit der Eule nach ihrer Jacke zu suchen. Und vermutlich würden die vor der Tür wild rumknutschen.

 

War bestimmt alles besser als meine Situation. Ich musste immer noch auf die Frage antworten… verdammter Mist. Warum vergaßen betrunkene Weiber erst später was sie wollten?

 

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verzeiht einer faulen Trulla bitte, dass sie ewig für dieses kurze Kapitel gebraucht hat....

mir haben sich aber ein paar andere Sachen dreist in den Weg geschmissen

Unwillig

*Jascha*

 

Hektisches Treiben herrschte auf dem Zirkusgelände.

Heute Nachmittag war wieder eine Vorstellung. Bis dahin müsste auch ich wieder fit sein. Felix‘ Geburtstagsfeier hatte mich doch ganz schön geschlaucht.

Aber was erwartete man auch, wenn man vor drei nicht ins Bett kam und um kurz vor acht die ersten Leute begannen einen zu wecken. Wobei ‚Leute‘ in dem Sinne falsch war. Naila war die erste die mich geweckt hatte. Wenn die Gute pinkeln musste, dann musste sie pinkeln. Ohne Wenn und Aber und Rücksicht auf Verluste.

Manchmal würde ich darauf wetten, dass es ihr heimliches Hobby war zu warten bis ich schlief und dann irgendwas zu wollen.

 

Meine Mutter war ebenfalls schon auf den Beinen, als ich zu ihrem Wohnwagen kam. Nur das Frühstück stand noch immer auf dem Tisch und wartete darauf von mir vernichtet zu werden.

Der Aufforderung –so stumm sie auch war- würde ich nur zu gerne nachkommen.

 

Mit ein paar belegten Brötchen im Schlepptau –was Besseres gab es heute Morgen nicht- machte ich mich auf die Pirsch. Mir war nicht danach alleine zu essen. Oder allein zu sein.

Es musste doch jemanden geben, der nichts zu tun hatte.

Sah nach einer halben Stunde suchen jedoch nicht so aus.

Selbst Tante Hana war beschäftigt… Heute war mir nicht danach ihr und klein Jonni –meinem fast einjährigen Cousin- Gesellschaft zu leisten. An sich mochte ich Kinder, heute war mir bei bestem Willen nicht danach zumute. Geplärre war Gift für meine übernächtigten Ohren.

 

Schlussendlich beschloss ich nach Mihail zu suchen. Der würde mit Sicherheit meinem Vater helfen. Mit Sicherheit könnte ich ihn aber auch dazu bringen sich meiner anzunehmen und die Arbeit Arbeit sein lassen. Wenigstens für eine Weile.

Ehe ich drüber nachdenken könnte, dass er mich bei dieser Aktion genauso gut zum Ställe Ausmisten einspannen könnte ignorierte ich, zu groß war mein Drang nach Gesellschaft. Gesellschaft die auch blieb und nicht nach kurzer Zeit wieder verschwand.

Wie zu erwarten war, fand ich ihn und meinen Vater bei den Pferden. Dem Fohlen ging es blendend. Immerhin hatte er auch zwei Männer die es verhätschelten wo es nur ging.

„He Mihaschka“ Leise schlich ich mich an meinen Freund heran.

Er zuckte nicht einmal mit der Wimper. Man könnte wetten er wittert einen auf einen Kilometer Entfernung. Oder ich war einfach zu laut... schleichender Weise. Leise war einfach nicht mein Ding.

Отдыхали?(Otdykhali ?)*“

„Nicht wirklich. Trulla Vierbein hat mich geweckt.“

„Wie immer also.“ Beim Sprechen stahl sich ein Grinsen auf sein Gesicht. Er konnte mir seinen Rücken zudrehen wie er wollte. So etwas hörte ich mittlerweile heraus. Fieser Kerl.

Bestimmt steckte er mit Naila unter einer Decke und stachelte sie. Oder er dachte sich neue Gemeinheiten aus, die sie dann in die Tat umsetzen konnte.Na die konnten was erleben wenn es stimmte.

„Frühstückst du mit mir?“

„Ich muss arbeiten… im Gegensatz zu dir faulem Miststück.“

„Hab dir auch ein Belegtes Brötchen mitgemacht“, grinsend halte ich es hoch, was ihn kurz inne halten lässt.

„Fünf Minuten hätte ich Zeit. Aber nicht mehr, klar?“

Ja war klar. Fünf Minuten, halbe Stunde… beim Essen merkte er eh nichts.

Ohne dass mein Vater sich dafür interessierte, verkrümelten wir uns in eine ruhige Ecke. So ruhig es beim Zirkus eben ging. Hauptsache es roch nicht nach Pferdemist. Pferdemist war ein No-Go beim Essen.

 

„War es gut gestern?“

Auf der Heimfahrt hatten wir nicht viel geredet. Gefiel mir eigentlich ganz gut. Ich wollte nicht unbedingt Rede und Antwort stehen. Nun blieb mir wohl nichts anderes übrig.

„Ja. War nett.“

„Der Kerl auch?“

„Welcher Kerl?“ Kurz stockte ich. Redeten wir wirklich über gestern?

„Du musst doch wissen welcher Kerl. Ich war nicht dabei…“ Genüsslich biss Mihai in eines der Brötchen. Wartete ab, was ich dazu sagen würde.

Gar nichts wenn es nach mir ginge.

Um Zeit zu schinden tat ich es ihm gleich und biss ebenfalls in mein Brötchen.

„Вы влюблены?( Vy vlyubleny ?**)“

Ein Bissen blieb mir im Halse stecken. So musste sich Schneewittchen bei diesem verflixten Apfel gefühlt haben.

Hustend versuchte ich dem Glassargschicksal zu entkommen.

Mission geglückt. Auch wenn mir nun die Tränen in den Augen standen. Passte bestimmt zu meinem „völlig-fertig“-Look.

„нет!!! (net!!) ***“ Erneut hustete ich ein Brötchenkrümel dorthin zurück wo es hingehörte. „Wie kommst du auf das schmale Brett… verliebt…tse…“

Kopfschüttelnd fragte ich mich, warum grade er mein bester Freund war. Mal abgesehen von der Tatsache, dass ich nicht die größte Auswahl hatte.

„Außerdem lieb ich nur dich, weißt du doch!“ Verdammt, warum war mir das nicht eher eingefallen. Wäre viel cooler gewesen als fast zu ersticken und herum zu stammeln. Mist aber auch.

Leise lachte er auf. „Spiel nicht mit meinen Gefühlen, Zwerg.“

„Sag nicht, du bist immer noch nicht über deine letzte Ische hinweg?“ Innerlich verdrehte ich die Augen. Ich gönnte ihm eigentlich wenn er jemand hatte, aber die Kuh war das letzte. Zum Glück war die Vergangenheit sobald wir die Zelte abbrachen und auf und davon zur nächsten Stadt waren. Mihai fand das ganze natürlich nicht so witzig. Hing ganz schön an der Schreckschraube. Gut ich reagierte nicht gut auf fremde Weiber. Vielleicht war sie ganz hübsch. Möglich, dass sie auch nett war… Hatte nie die Lust es herauszufinden. Immerhin war von vornherein klar, dass es nicht auf Dauer war. Er hätte bald eine neue Schnecke gefunden. Eine die einfach mitkommen würde wäre dazu am besten. Mihai war ein kleines Sensibelchen, was solche Gefühlsduselei wie verliebt sein anging.

„Aus diesem Grund“, spielte ich auf seine innere Verfassung an, die sein Blick nur zu gut nach außen projizierte, „verlieb ich mich nicht. Gibt nur Ärger.“

Bitter lachte er auf. „Aus den Grund hast du auch Angst dir andere Freunde als mich anzulachen. Nicht dass ich nicht reichen würde… aber egal“

„Ist doch meine Sache.“ Zischend stopfte ich den Rest meines Frühstücks in meine eh schon vollen Backen –ja die im Gesicht-  und beschaute mir meine schmutzigen Turnschuhe. Ich hasste Themen wie Freunde finden oder verliebt sein. Das alles nervte mich.

„Ja… nicht wirklich.“

Fragend blickte ich zu dem Größeren auf. Mit seinen rauen Fingern fuhr er sich durch die kurzen, dunkelbraunen Haare, was ein seltsam scharrendes Geräusch verursachte.

Seine ebenfalls dunkelbraunen Augen richteten sich auf mich, als ich es wagte zu fragen, wie sein ‚nicht wirklich‘ gemeint war.

„Ich meine, dass du die Sache nicht kontrollieren kannst. Du findest automatisch Freunde. Genauso verliebst du dich einfach. Das macht auch nicht vor dir halt, wie man sieht. Du magst diesen Kerl, egal auf welche Weise. Das lässt sich nicht ändern. Also nimm es einfach hin.“

„Aber…“ Ich mochte ihn nicht. Gut, Felix war nett aber… wir waren doch keine Freunde… Wir… Ich wollte einfach keine Freunde haben. Ich wollte ihn nicht genauso vergessen wie all die anderen. Er…

„Kein ‚aber Jaschaschka. Lass es zu. Wird einfacher für dich.“

„Ab…“

„Sagte ich nicht ‚kein aber‘? Ich weiß, dass bei dir irgendwas kaputt ist. Aber kaputte Dinge kann man kitten oder durch etwas Neues ersetzen. Versuch es wenigstens. Ich seh das Mr. Unbekannt etwas in die auslöst. Und ich denke, dass es dir gut tun wird. Immerhin werden wir recht lange hier bleiben. Wenigstens einen Freund außerhalb des Zirkus solltest du dir gönnen“

So viel hatte ich ihn noch nie an einem Stück sagen hören.War auch besser so.

„Ich will aber nicht…“

„Zu spät… du steckst schon mitten drin…“ Damit erhob er sich, wuschelte mir kurz durch die eh schon struppigen Haare und ging zurück an die Arbeit.

Ich brauchte länger um mich aufzuraffen. Viel länger.

Blöder Mist aber auch, vom vielen grübeln hatte ich nun wieder Hunger.

 

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*Ausgeschlafen?

** Bist du verliebt?

*** Nein!

 

Sooo... das war ein recht kurzes Kapitel.... wird gaaaanz am Ende der ganzen Geschichte vielleicht interessant sein (da sich das ende kurz hierrauf beziehen wird höhö)

Im nächsten Kapi passiert dann aber mehr... und wir nähern uns der nächsten Etappe des 5 Akt Dramas (was aber kein Drama werden soll... denk ich)

Herzlichen Glückwunsch. Es ist ein Junge

 

*Oliver*

 

Wie erhofft hatten Natalie und die anderen kaum Erinnerungen an Felix Geburtstag. Glück für mich. Keine belästigte mich wegen irgendetwas, was passiert war.

Das ließ mich den Tag ruhiger angehen.

Mein Montag verlief gut. Zu gut..

Das hieß entweder die ganze Woche wurde noch besser, was ich nicht vermutete, solch ein Glück hatte ich selten oder alles wurde urplötzlich schlimmer.

Ich betete dafür, dass dieses Gefühl Einbildung war.

Ich mochte es wenn die Woche nach einem guten Montag gut blieb.

Felix würde sich freuen mich einmal im Leben so optimistisch zu sehen.

Leider war der zu sehr mit seiner kleinen Freundin beschäftigt.

Er hatte sie kurzerhand zum Mittag an unseren Tisch geholt.

Da sie in Begleitung war und somit keine Konkurrenz akzeptierten die Biester sie. Es war als wäre sie isoliert solange sie über Felix Witze lachte und an ihm hing wie eine Klette.

Ich wollte nicht genervt klingen. Das war ich am Montag auch noch nicht. Erst als es Dienstag und Mittwoch genauso verlief wurde es mir am Donnerstag zu bunt.

Felix hatte sich mit mir zu beschäftigen. Gingen beste Freunde nicht vor?

In was für einer Welt war ich nur gelandet?

 

„Stimmt was nicht Oli?“ Zuckersüß rutschte mir Natalie zu dicht auf die Pelle.

„Hier stimmt einiges nicht.“ Es lohnte sich nicht zu sagen, dass sie dazugehörte. Nichts hätte es ihr verklickern können. Nicht einmal die Wahrheit selbst. So schwieg ich mich aus und wartete darauf für die Eule wieder interessant zu werden.

Ob mir ein kurzer Rock dabei helfen könnte?

Brusttechnisch konnte ich ihr bestimmt Konkurrenz machen.

Natalie sollte der armen mal ein oder zwei Körbchengrößen abgeben.  Unweigerlich fragte ich mich, ob man als Frau –oder was mal eine Frau werden wollte- wegen zu kleinen Brüsten Komplexe bekommen konnte. Kerle hatten so was schließlich oft. Hab ich gehört.

 

„Warum guckst du so?“

Endlich hatte Felix sich von der Neuen trennen können. Aber auch nur, weil sie dringend aufs Klo musste und ihn praktisch weggescheucht hatte. Vielleicht sollte ich ihr danken. Nein, dafür, dass sie es erst so spät gecheckt hatte, hatte sie keinen Dank verdient.

„Du hast keine Zeit mehr für mich“, brachte ich die Sache auf den Punkt. Drumherum reden brachte mich nicht weiter. Also einfach rein ins Thema, wie peinlich es auch sein mochte.

„Bist du eifersüchtig?“

„JA!“ Kopfschüttelnd stieß ich ihm in die Seite. „Nicht so wie du denkst. Ich will nur meinen besten Freund behalten und nicht wegen… der abgeschoben werden.“

„Wirst du doch nicht. Warum lernst du Jascha nicht einfach kennen. Also so richtig. Dann siehst du vielleicht, dass du nicht eifersüchtig sein musst.“

Das sagte er so einfach… war es auch so leicht?

Irgendwie zweifelte ich daran.

„Ja… vielleicht. Aber erst mal quäl ich mich zu Sport. Wir sehen uns nachher.“ Hoffte ich. Außer er hing wieder mit seiner Ische rum. Dann würden wir uns nicht sehen.

 

Unwillig begab ich mich zur Turnhalle. Steuerte in der Umkleidekabine der Jungs meinen angestammten Platz an und begann ohne auf die anderen zu achten mich umzuziehen.

Gerade als ich in meine Sporthose geschlüpft war passierte es.

 

Völlig gelassen spazierte sie in die Umkleidekabine, entlockte den „großen“ Jungs unserer Klasse die höchsten Töne, unmännliches Kreischen vom feinsten. Es schien sie nicht zu interessieren, als wäre es völlig normal solche Klänge zu hören. Vielleicht war sie es gewohnt. Verständlich wenn sie solche Aktionen jedes Mal startete.

„Hey… das hier ist die Umkleide für die Jungs!“ Irgendeiner hatte sich zusammengerissen und wandte sich nun an Jascha, deren Tasche laut polternd auf eine freie Bank geschmissen wurde.

„Ich weiß.“ Eiskalt schälte sie sich Stück für Stück aus ihren Sachen.

Keiner von uns schien zu wissen was gemacht werden sollte. Mir war danach es zu ignorieren… doch irgendetwas hielt mich davon ab, sodass ich sie anstarrte wie all die anderen hier auch.

Definitiv flach wie ein Brett…

Fast wie…

 

Wie Schuppen fiel es mir, Stück für Stück, von den Augen. Ein Kerl…

Die anderen schienen ebenso verblüfft wie ich.

Sickerte es bei ihnen genauso langsam ins Hirn wie bei mir? Die totenstille könnte darauf hindeuten.

Ein Kerl… flach… Da war kein BH, nichts was da rein passte. Nur Batmanunterhosen… mit Eingriff…

Ach du scheiße… Die stand auf Batman… nein der… die.. der… Gott. War das ein Piercing in der Brustwarze?

 

Hastig löste ich mich aus meiner Starre, sobald mein Körper wieder tat was ich wollte. Zieh dich an. Dreh dich einfach weg. Dann verschwindet es.

 

Leider verschwand es nicht.

Leben kam auch in meine Mitschüler. So musste auch ich dreingeblickt haben gerade. Nur nicht ganz so entsetzt. Immerhin hatte ich mich nicht öffentlich an Jascha rangemacht, wie ein großteil der anderen.

Wie viele hatten sich wohl versaute Tagträume mit ihr… ihm… ausgemalt?Wieviele bereuten es jetzt wohl?

Oh bestimmt alle… Allen voran Toni, der es als letzter zu raffen schien. Er war der einzige der seine Erkenntnis laut äußerte.

„Du bist ein Kerl!“

„Na ach nee. Danke dass du mich aufklärst.“ Schnippisch zischte der Schwarzhaarige ihn an, zog sich ein enges Shirt über den Kopf und schlüpfte schließlich in hellblaue Turnschuhe.

Wie konnten wir nur so blind sein? Ich versuchte ihn mir als Mädchen vorzustellen, doch es ging nicht. Er wirkte nicht mehr weiblich…  kein Stück. Na gut, ein bisschen, doch nicht so, dass man nicht erkennen konnte, dass er ein Kerl war.

Verdammt.

Alles Idioten.

Und ich war der Größte von allen. Irgendwie.

Ich könnte mich selbst ohrfeigen so dämlich war ich.

 

Gezank riss mich aus den Gedanken.

Irgendwie hatte Toni es geschafft, sich trotz des Schocks anzuziehen und ging Jascha hinterher, der unbeeindruckt von dem anderen zur Turnhalle ging.

„Dann bist du so was… na… so ne Transe halt.“ Wie Boris schien er mit jedem Satz zu kämpfen, wirkte mehr als nur lächerlich dadurch.

„Transe?... Wenn das die sind, die sich falsch in ihrem Körper fühlen… nein.“ Kurz hatte er auf seinem Weg innegehalten. Nutzte die Zeit dafür sich die Haare nach hinten zu binden. Die Zeit, die er zum Antworten verschwendete wurde so wenigstens sinnvoll genutzt.

„Aber du hattest nen Rock an!“

„Ach echt? Sind also alle Kerle in Röcken Transen. Lass das mal die Schotten hören“, Augenrollend wandte er sich ab. Wäre ich an seiner Stelle hätte ich nichts anderes getan. So viel Dummheit war nicht auszuhalten. Doch im Moment sollte ich den Mund halten. Ich war auch dumm. Und blind. Und ignorant…

Gott im Himmel… wenn nicht wegen meiner Mutter, dann sollte ich wegen dieser Feststellung die Schule wechseln. Dummheit und Ignoranz wurde doch wie ein Virus übertragen.

Einen kurzen Moment wartete Jascha auf irgendwas. Vielleicht noch einen bissigen Kommentar, der jedoch ausblieb, da Tonis Hirn nicht so schnell arbeitete wie das normaler Menschen.

Drei.

Immer noch Ruhe.

Zwei.

Ein Grunzen.

Eins.

Doch nur falscher Alarm.

Null.

Jascha Abgang. Verlassen der Bühne durch den Hinterausgang.

Hinein ins unbekannte.

Was die Grazien da draußen denken werden?

Konnte ich mir das entgehen lassen? Nein.

Aber wollte ich wirklich dabei sein? Nein…

Zwickmühle.

 

Der Sportlehrer trällerte mich schließlich zu einer Entscheidung. Hinterher und dem Spektakel folgen, sonst trötete der nicht nur in seine Pfeife, sondern warf damit um sich. Warum waren nur alle Lehrer so seltsam?

 

„SIND ALLE DRAUSSEN?“ Die Lautstärke erschreckte keinen hier, nur Jascha wirkte etwas überrascht, als unser Sportlehrer losbrüllte. Er konnte gar nicht leiser. Er redete immer so. Auch wenn man direkt neben ihm stand. „SETZT EUCH!“

Anhand der hochgezogenen oder auch nicht langgezogenen Satzenden erkannte man, ob man etwas gefragt wurde oder nicht. War vorteilhaft. Man brauchte jedoch ewig um aus dem Ganzen schlau zu werden.

 

„ICH SAGTE SETZT EUCH!“ Streng blickte er zu zwei Störenfrieden, die nicht mehr auf das zarte Stimmchen unseres Leerkörpers achteten.

„Boah das ist so…“ Angewidert verzog Toni das Gesicht, während er seine Hände wild herum warf. Spastische Zuckungen oder Gestik? Nicht zu deuten.

„Sind eigentlich alle so dämliche Schw…“ Er konnte den Satz nicht mehr beenden. Schneller als vermutet, griff der Schwarzhaarige nach einer der wedelnden Hände, die seinem Gesicht eindeutig zu nahe gekommen sind, riss ihn Karate-KungFu-Dingenskirchen-mäßig herum, warf ihn halb über die Schultern und ließ ihn krachend den Boden küssen.

Ein Anblick… Wenn das Schwein Pfundweise fällt…

„Halt endlich die Klappe du Pussy!“

Definitiv nicht weiblich spuckte Jascha ihm entgegen, zischte leise irgendwas vor sich hin, ehe er unter den verwirrten Blicken der Mädels zur Bank ging um sich endlich zu setzen.

 

„JASCHA RUSKE NEHM ICH AN?!“ Brüllend stellte der Lehrer sich vor diesen, schielte kurz auf sein Buch und schließlich zurück zu dem Schwarzhaarigen, der nur schwach nickte.

„NICHT DIE FEINE ENGLISCHE ART.“ Nichtssagend deutete er auf Toni der versuchte vom Boden loszukommen. „BESTIMMT VERDIENT. DENNOCH… FÜNF STRAFRUNDEN EXTRA! DIE ANDEREN HINTER HER!“

Allgemeines Gestöhne erklang, doch selbst die unwilligsten setzten sich in Bewegung.

 

Jascha war, dank der Strafrunden der Letzte der noch lief, während meine Klasse begann ‚Stille Post‘ zu spielen. Nach und nach, schien die Tatsache, dass Jascha gar nicht zu ihnen, sondern zu den Jungs gehörte die Runde zu machen. Verzückte Laute ließen darauf schließen. Einige schienen auch einfach nur erleichtert.

Jedes Mädel weniger an der Schule, bedeutete weniger Konkurrenz.

Wobei ich mir da nicht hundertprozentig sicher bin…

Dieser Fall schien kompliziert zu sein.

 

„RUSKE! HER HIER. WÄHL DIR NE MANNSCHAFT. WIR SPIELEN VÖLKERBALL!  UND DU KÖRNER DIE ZWEITE MANNSCHAFT. HOPP HOPP IHR LAHMÄRSCHE!“

„Das ist glaub ich keine gute Idee.“ Entsetzt dreinblickend blieb der Schwarzhaarige vor dem Lehrer stehen. Einwände wurden nicht geduldet. So auch heute. Egal wie sehr Jascha sie versuchte durchzusetzen.

„Aber auf Ihre Verantwortung…“ brummelte er nur leise, begann die Mannschaft zu wählen.

Wird schon schiefgehen, dachte ich.

Seine Proteste, dass er und Bälle sich nicht vertrugen, seien übertrieben, dachte ich.

Ich hätte nicht denken sollen.

Trotz dass ich teil seiner Mannschaft war, fand ich mich nach der Hälfte des Spieles, k.o. gegangen auf dem Boden wieder.

Gut, nicht KO aber nah dran. Irgendwie drehte sich einiges. Und mein Schädel dröhnte wie nichts Gutes.

„Normalerweise lieg ich so da…“ Ein entschuldigendes Lächeln schlich sich in mein Blickfeld. „Sorry. Ich bring dich nach Hause wenn du willst.“ Dass der Lehrer das hätte absegnen müssen wurde ignoriert. Wollte eh nicht nach Hause.

War schließlich mit Felix verabredet.

Felix…

Felix!

Ach du Scheiße!

Entsetzt blickte ich zu Jascha.

Junge… er ist ein Junge. Felix auch… und…

Gott…

Wie konnte die dämliche Eule mir DAS verschweigen!

Der konnte was erleben!

Aber sofort… wenn ich auf die Beine kam.

 

Noch etwas wackelig stürmte ich in die Umkleidekabine, schaffte es irgendwie aus den Sportsachen raus und in normale Sachen reinzuschlüpfen. Der konnte was erleben. Der konnte was erleben. Aber so was von.

Das Objekt der Begierde stand bereits am Tor und wartete.

Sein Grinsen verging ihm als er mein Gesicht sah.

„Du wusstest es?!“ Dämliche Frage. Klar wusste er es. Immerhin hatte er mit Jascha… oder der mit ihm und… egal…

„Dir auch hallo?“ Er schien nicht zu wissen worauf ich hinaus wollte. Tat unschuldig. Das nützte ihm auch nichts.

„Jascha?“, half ich ihm auf die Sprünge. Nun schien er zu verstehen. Vorsichtshalber wich er ein zwei Schritte zurück. Brachte ihm gar nichts, denn ich folgte ihm.

„Ja… irgendwie schon…“ Panisch zuckten seine Augen hin und her, suchten höchstwahrscheinlich nach einem Fluchtweg. Fanden keinen.

„Du hast aber mit ihr… ihm rumgemacht… Seit wann bist du schwul?“ Ich war sein bester Freund. Ich sollte so was wissen. Er hatte mir diese Dinge zu erzählen!

Er druckste rum. „Nicht so richtig… nur ein bisschen…“

Wie konnte man ein bisschen rummachen?

Das war wie ein bisschen schwanger werden!

„FELIX!“

„Schrei mich nicht an!“ Trotzig verzog er das Gesicht. „Und komm mal wieder runter. Musst dich nicht so künstlich aufregen nur weil ich ein bisschen mit ihm rumgefummelt hab. Immerhin steh ich trotzdem noch auf Möpse und bin nicht so stockschwul wie du!“

„Ach ja und…“ mitten in der Bewegung und im Satz hielt ich inne.

Was?

„…wie meinen?“

War ich im falschen Film? Es ging doch grade noch um ihn, die Tatsache, dass Jascha ein Kerl ist und die zwei sich augenscheinlich mit einander vergnügt hatten… Wie kam es dann, dass solch ein Satz durch die Luft flog?

 

Trotzig verschränkte der Lockenkopf die Arme vor der schmalen Hühnerbrust. „Ach komm. Du bist schwuler als Siegfried und Roy!“

Oh, das wüsste ich aber.

„Vergiss es. Du willst es nämlich nicht wissen! Du bist das Abbild eines schwulen Kerls, der es nicht einsieht, seit ich dich kenne.“

 

Was sollte ich dazu sagen?

Irgendwie…

Sein Kommentar nahm mir den Wind aus den Segeln und die Gedanken aus dem Kopf.

Irgendwas wollte ich jetzt doch…

…was…

 

„Was hast du denn mit dem angestellt?“ Ein blaues Augenpaar tauchte vor mir auf, musterte mich besorgt.

„Ihn mit der Wahrheit konfrontiert… da schaltet er gerne mal ab und verdrängt es…“

„Ach so… dachte schon ich hätte ihn zu hart mit dem Ball erwischt…“

„Ach das hält seine Hohlbirne aus… keine Bange.“

 

Warum redeten die über mich als wäre ich nicht da? Ich hatte keine Hohlbirne. Und ich ignorierte die Wahrheit nicht… ich…wollte sie eben bloß nicht hören. War ein großer Unterschied.

 

„Gehen wir Eis essen?“

„Sicher…“ Die Stimmen entfernten sich von mir. Ich merkte gar nicht, dass ich alleine dastand, und noch immer versuchte Feliy Aussage aus dem Kopf zu bekommen. Was man nicht wollte, dass stimmte auch nicht. Ganz einfach. Ich wollte nicht, dass Felix es wusste. Ich wollte nicht so sein. Dann war ich es nicht. Ich guckte aus Langeweile und Neid anderen Kerlen nach. War doch logisch.

„Kommst du endlich?“

Etwas schnipste mir gegen die Stirn. Riss mich aus den Gedanken und brachte mich zurück auf den Schulhof.

Jetzt realisierte ich auch, dass der Grund dieses Gespräches –konnte man das gerade als Gespräch bezeichnen?- neben Felix stand, der mir doch tatsächlich gegen die Stirn geschnippt hatte.

Mieser kleiner…

„Nimms als gegeben Oli. Nimms als gegeben.“ Augenrollend packte der Schwarzhaarige meinen Arm, hakte sich schließlich auch bei Felix unter und zog uns zur Straßenbahn.

„Wir gehen jetzt Eis essen und vertagen das Geschrei auf später. Wir wollen doch nicht… dass noch mehr Leute es mitbekommen, oder?“ Mitfühlend legten sich zwei helle Augen auf mich.

 

Als hatte der eine Ahnung.

Bis vor dem Sportunterricht war der Kerl ein Weib. Was wusste der also…

 

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Es hat gedauert.... jaaaa... bedankt euch bei Maxxy1983, dass es weiter geht...

*pfeif*

ich faule Dusseltrine brauch mal wieder ewig, ich weiß.

*seufz*

mit dem nächsten Kapi wird das so schnell auch nix. Muss gucken was als nächsten genau kommen soll...

Au0erdem nervt Felix mich gerade...e r will unbedingt seine Story haben... mit aller Macht...

Wer mag: auf meienr FB Seite gibts eine Kostprobe von einem erwachsenen Felix... der dennoch warten muss, bis das hier vorbei ist... mag ja nicht spoilern....

 

 

Das Eis ist heiß

*Jascha*

 

Bestimmt zogen Felix und ich den Blonden mit uns mit.

Wären wir nicht gewesen, würde der morgen noch da stehen und Löcher in die Luft starren, während Leere durch sein Hirn fegte.

Vielleicht war ich auch etwas an diesem Zustand schuld…

Höchstwahrscheinlich war dem so.

Er sah doch ganz schön geschockt aus zu Beginn der Sportstunde… nachdem er endlich aufgehört hatte mich anzustarren.

Jahaaa, er hatte tatsächlich gestarrt.  Entweder wegen des unerlaubten Stücks Metalls in meiner Brustwarze –Miha hatte es mir nach ewigem Betteln zu meinem letzten Geburtstag verpasst- oder weil Felix recht hatte.Stockschwul und auf verdrängen programmiert.

War fast zu schade.

Jetzt da Felix und ich immerhin geklärt hatten, dass wir uns zwar gern hatten, jedoch nicht recht passten wäre Oli schließlich eine gute Alternative.

Wenn ich denn eine bräuchte.

Brauchte ich aber nicht.

Also konnte Blondie sich auch wieder beruhigen. Nervte langsam ihn so Hirnlos mitzuschleifen. Die Leute dachten noch die Zombieapokalypse ging los. Viel zu früh und sehr schleichend.

 

Die Straßenbahn war voll. Freute mich heute das erste Mal. So konnte das Anhängsel nicht einfach umkippen. Langsam machten wir uns nun doch Sorgen.

„Ob er jetzt nen Knacks weg hat?“ wandte ich mich flüsternd an Felix, der nur leicht mit dem Kopf schüttelte. „Den hatte er schon ewig. Er braucht nur etwas um das zu begreifen…“

Ach so.

Na wenn dem so war…

Er sollte sich gefälligst beeilen. Es war öde wenn man ihn nicht piesacken konnte.

Ernsthaft. Irgendwen musste ich ärgern. Aber mit Felix wollte ich es mir nicht versauen… dazu hatte ich mich zu sehr an ihn gewöhnt.

Ein Freund konnte nicht schaden.

Hoffte ich.

Auch wenn mir der Abschied in einem halben Jahr dann sichtlich schwer fallen dürfte…

Doch daran wollte ich nicht denken.

Musste ich auch nicht.

Kurz nachdem wir aus der Bahn gesprungen waren, kam die Eisdiele in Sicht. Pardon, das Eiscafé. So viel Zeit musste sein. Das Käuzchen meinte es wäre die beste in der Gegend. Ich für meinen Teil hoffte es war erschwinglich… wollte meine Eltern nicht wegen mehr Taschengeld anhauen, auch wenn sie es mir mit Freuden geben würden, wenn sie wüssten, mit wem ich es ausgegeben hatte.

 

Felix suchte uns einen ruhigen Platz auf der Terrasse. Es war sonnig genug dafür und noch angenehm warm. So was musste man nutzen, ehe  das schlechte Herbstwetter begann.

Langsam kam auch wieder leben in Oliver. Er sah jedoch so aus, als bräuchte er einen Moment mit seinem Freund. Zeit für mich das Weite zu suchen. Fürs erste. „Du Sowaschka*“ Fragend blickte der Lockenkopf mich an. Er war zu süß… ich bereute wirklich, dass wir uns zu gleich waren…

„Bestellst du irgendwas für mich mit… ich muss mal ein gewisses Örtchen aufsuchen.“

Knappes nicken, dann verschwand ich. Nicht ohne einen Blick auf den Kellner geworfen zu haben und mich in den Hintern zu beißen. Ich hätte warten sollen. Dann hätte ich den Knackarsch vielleicht in Augenhöhe gesehen wenn er bei uns vorbeigelaufen wäre.

Egal. Man konnte nicht alles haben.

Geschickt schlängelte ich mich zwischen mehreren Kinderwagen hindurch. Wer stellte diese Dinger mitten in den Weg? Sollte man mitten ins Cafe pinkeln wenn man dringend musste und nicht durch kam? Wie ich so was hasste. Nur weil sie nervende kleine Bälger hatten die sie nicht unter Kontrolle brachten, dachte sie sie könnten sich alles erlauben.

Nicht, dass ich falsch verstanden werde. Ich hasste kleine Kinder nicht. Nur die dreisten Mütter, die, nur weil sie ein Kind hatten, plötzlich dachten sie könnten sich benehmen wie Graf Koks. Grässlich. Unabsichtlich verpasste ich der Babykutsche einen Tritt. Sah zum Glück keiner. Dann verschwand ich die Treppen nach oben um den Sanitärbereich aufzusuchen. Vor der Damentoilette bildete sich eine lange Schlange. Ich Glücklicher musste mich nicht anstellen. Männerklos waren immer leer.

Naja fast.

Bis auf den Typen der pikiert aufquiekte als ich mich neben ihn ans Pissoir stellte war es leer. Schneller als man gucken konnte hatte der sein Ding eingepackt und floh ohne sich die Hände zu waschen. Igitt, igitt. Hoffentlich traf ich den Unten nicht wieder. Eisessen könnte ich da bestimmt nicht mehr.

Ein Schauer überlief mich. Bei dem Gedanken konnte man nicht mal mehr pinkeln.

Na komm schon…

Drängend stierte ich meinen Freund an. Lass es raus du Mistding…

Nach einigem gut zureden machte er endlich was ich wollte.

Erleichterung machte sich breit.

Wirklich ein tollen Gefühl wenn der Druck nachlässt. Und die ungewaschenen Ekelhände aus meinem Hirn verschwanden.

Der Kerl der ans Pissbecken kam, kurz bevor ich fertig war, war jedoch nicht viel besser.

Stierte der echt rüber?

Es fühlte sich so an. Hätte der nicht wenigstens ein zwischen uns frei lassen können?

Unsicher blickte ich zur Seite nach oben, fing seinen Blick auf und beschloss, dass ich genug gepinkelt hatte.

Igitt hoch drei.Sein Zwinkern überstieg den Ekelfaktor von eben bei weitem.

Buääh. Der war doch mindestens so alt wie mein Vater. Also ungefähr hundert oder so. Sah ich wirklich SO nekrophil aus?

Trotz flucht vergaß ich die Hygiene nicht und benutzte –wenn auch nur kurz- Wasser und Seife. Was muss das muss.

 

„Schon zurück?“ Wurde ich begrüßt. Nicht wie erwartet von der Eule, sondern vor einem Blonden, der sich gierig über Regenwürmer her machte. Na gut es war Spagettieis, hatte aber mächtig Ähnlichkeit mit Regenwürmern.

Meins war zum Glück normal. Danke Felix.

„Musste vor Ekeltypen flüchten. Und du wieder bei Sinnen?“

„Jaaa….“

Schweigen.

Ihm war es definitiv unangenehm.

Mir auch.

Naja nicht das was ihm unangenehm war. Sondern das da oben auf Toilette. Der Typ saß auch noch zwei Tische weiter. Hatte mich zum Glück aber übersehen, da Felix vor mir saß. Ich dankte ihm innerlich für diese unmögliche Größe. Ob er schon ausgewachsen war? Ich zweifelte fast daran. Obwohl er uns mit seinen einsachtzig um einiges überragte.

 

„Jascha?“

„Hm?“ Wieder war es Oliver der mich ansprach. Felix nannte irgendwie nie meinen vollen Namen, wie mir gerade auffiel.

„Warum hast du dich als Mädchen ausgegeben?“

„Hab ich nicht.“ Hatte ich wirklich nicht. Was konnte ich dafür, dass die Typen alle zu dämlich waren genau hinzusehen und zu erkennen, dass ich ein Kerl war. Für Dummheit war jeder selbst verantwortlich.

Leise seufzte er, schien sich eine neue Frage zu überlegen. Kam wohl das Lehrerkind in ihm durch. Hatte er bei der Nachhilfe auch oft. Apropos… sollte ihn nach noch ner Runde Nachhilfe fragen. Kann es dringend gebrauchen wenn ich nicht hinter den anderen herhinken wollte. War alles nicht so mein Stoff. Aber alles zu seiner Zeit, nicht?

„Dann frag ich so: Warum hast du uns nicht aufgeklärt?“

Leicht zuckte ich mit den Schultern. „Weil es lustig war, wie die Kerle sich zum Affen gemacht haben. Und eure Gesichter heute waren auch genial… wirklich. Allererste Sahne. Wird mir Kraft geben an Tagen wo es nichts zu lachen gibt.“

„Kommt man sich dabei nicht dämlich vor?“

„DAS…“ grinsend leckte ich den schmalen Eislöffel ab. „könnte ich dich auch fragen.“

„Touché“

Das Thema schien gegessen.

Und ich war anscheinend akzeptiert.

Oder zumindest nicht als Störfaktor eingestuft. Oli und Felix alberten recht unbeschwert miteinander herum.

Involvierten mich dann und wann und ich fragte mich…

Welcher Teufel hatte mich geritten zu denken Freunde zu finden wäre vielleicht doch ganz lustig?

 

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-* Sowa = Eule, schka= Verniedlichung (hoffentlich ist es korrekt erklärt :) )

Verzeiht mir meine Lahmarschigkeit.... aber Felix und sein ausgeprägtes Liebesleben halten mich grad auf Trab... aber das wird vermutlich erst zuende geschrieben und dann hochgeladen... oder zumindest soweit fertig gemacht, bis das hier zuende ist... Der Spoileralarm wäre doch ZUUUU groß :)

 

Nochmal der hinweis: auf FB gibt es immer Mal wieder Bildchen. Als letztes zB zu Felix und seinem Mr. Unbekannt (bei dem gerne spekuliert werden darf wer es ist.
Tipp: er ist euch schon in Gémeaux bzw. Stiefbrüder bzw R.Lovit begegnet :)

 

Achja: mit diesem Kapitel ist der erste Akt (Odin) beendet und es geht an den zweiten Akt (insgesamt gibt es fünf... also könnt ihr euch ausrechnen wie viel noch auf euch zukommen kann)

два – dva: So ein Zirkus mit der Verwandtschaft

*Oliver*

 

Ich wusste, dass der Tag irgendwann kommen würde… doch dass es unbedingt heute sein musste…

Genervt stierte ich zu meiner Schwester, bzw. ich versuchte an ihr vorbei zu stieren. Das kleine Biest versperrte mir doch tatsächlich die Sicht auf den Fernseher. Nicht das etwas interessantes lief, aber trotzdem!

„Muss das sein?“

„Du hast es mir versprochen!“ Der Schmollmund wurde größer, die Augen feuchter, selbst das Beben der Unterlippe nahm zu.

„Wir können doch auch wann anders gehen!“

„Ich will aber heute!“

„Imma ich…“ „ICH WILL HEUTE GEHEN!“ Ungehalten schrie die Kleine mich an. Tat sie selten, wofür ich ihr sehr dankbar war. Diese kreischenden Laute waren nichts für meine Ohren.

Meine Mutter eilte schließlich zur Rettung, auch wenn sie mich streng fixierte. Ich war gar nicht der Böse! Die kleine Kröte ist schuld…

Glaubte mir aber keiner, deshalb der Blick.

„Was soll der Lärm?“

„Der da will nicht mit mir zum Zirkus gehen!“ Finster dreinblickend deutete sie streng auf mich. Beeindruckend… wenn sie nur nicht so ein Zwerg wäre.

„Nur nicht heute. Wer weiß ob es heute überhaupt passt“, versuchte ich mich rauszureden. Wenn es nach mir ginge würde ich nie wieder dahin gehen. Sollte ich jedoch nicht vor den Grazien äußern.

„Aber…“ „Nein Imma, Schatz, Oliver hat Recht.“

Innerlich jubelte ich, erlitt jedoch einen herben Tiefschlag. „Ruf Jascha doch bitte an und frag ihn. Mach am besten gleich einen Termin aus.“ Damit du dich nicht drücken kannst- fügte sie mit ihren Augen hinzu.

 

Nach einigem Murren wählte ich Jaschas Nummer. Felix hatte sie mir zugesteckt, wofür ich ihn momentan hasste. Einmal tuten, zweimal. Dann ging er ran, etwas gehetzt. Schien jedoch zu wissen mit wem er zu rechnen hatte. Vermutlich hatte auch da Felix seine langen Fingerchen im Spiel.

„Hi“, grüßte ich ihn knapp. „Imma geht mir grad tierisch auf den Keks. Sie mag deinem Versprechen so gerne nachkommen und dich im Zirkus belästigen.“ Das leise ‚hey‘ aus dem Hintergrund ignorierte ich.

„Klingst ja begeistert.“

„Bin ich… glaub mir“

Leises Lachen ertönte. „Da kann ich dich heute vielleicht retten. Wir haben die Nachmittagsvorstellung grade hinter uns gebracht… es gibt nur noch eine heute Abend… aber morgen muss die Kleine zur Schule, oder?“

Kaum merklich nickte ich, bis ich bemerkte, dass er das ja nicht sehen konnte.

„Was sagt er!?“

„Wart die Minuten ab!“ Mies gelaunt fauchte ich die Kleine an, so wie sie es zuvor bei mir getan hatte.

„Jascha, ich stell dich auf laut. Sagst du ihr bitte was du mir gesagt hast?“

Er bestätigte. Erneut fühlte ich mich in Sicherheit. Doch wie zuvor erhielt ich einen fiesen Schlag.

„Aber am Samstag haben wir am frühen Nachmittag eine Vorstellung. Zu der könnt ihr vorbei kommen. Wenn ihr eher kommt, dann kann ich euch auch rumführen und alles zeigen.“

„Nein!“

„JAAAAAAAAAAAAAAA“ der begeisterte Schrei meiner Schwester schluckte alles. Meine Proteste stießen auf taube Ohren. Was der Grund war, weshalb ich hier stand, mit einer Neunjährigen an der Hand und von einer Frau skeptisch gemustert wurde.

 

„Entschuldigen Sie bitte“, ich setzte mein charmantestes Schwiegermutterlächeln auf –so wie die Frau mich ansah ging das jedoch nach hinten los. „Ich suche Jascha, wir sollten ihn hier treffen…“

„Ihr seid seine VIPs?“ Eine ihrer schmalen Augenbrauen wanderte nach oben, ehe sie leise begann vor sich hin zu lachen.

„Er muss irgendwo dahinten sein. Ihm gehört der grässliche Wohnwagen.“ Noch immer leicht vor sich hin schmunzelnd –ihr Blick dabei war irgendwie gruselig- deutete sie auf eine ganze Kolonne an Wohnwagen. „Ich geh ihn suchen!“ Damit war der Zwerg auf und davon und ich konnte mich davon stehlen. Natürlich nicht. Sie zog mich unbeugsam hinter sich her und ignorierte die Qualen die ich hierbei litt. Nur weil ich plötzlich wusste, dass Jascha ein Kerl war und ich ihn dadurch vielleicht ein bisschen besser leiden konnte hieß noch nicht, dass ich einen auf besten Freund machen und ihn ständig sehen wollte. Ein bester Freund reichte mir vollkommen.

 

Orientierungslos standen wir zwischen diversen Wohnwagen. Keiner wirkte nun grässlicher als der andere. Sie waren alle furchtbar. So winzig. Wie konnte man nur freiwillig in so einem kleinen Kasten hausen?

„Jaschaaaaaaaa“, schon wieder am schmollen –da der Gesuchte nicht sofort vor uns stand- schrie sie einmal quer übers Gelände.

Noch immer zuckte sich nichts, außer eine zierliche Frau mit wildem Lockenkopf, die aus dem Wohnwagen direkt neben uns hervorlugte.

„Der ist noch unterwegs.“

„Was?“

„Na Jascha, er ist noch unterwegs. Er wollte schon vor einer halben Stunde zurück sein“, informierte sie uns, was mich jedoch nicht weiter brachte. Was Jascha wollte und was er tat waren zwei Paar Schuhe.

Seufzend schaute ich zu meiner Schwester, die weiter schmollte, als wäre ich dran schuld. Auch die Frau schien Immas Unmut zu bemerken und grinste sie an. „Ach guck doch nicht so Kleines. Er kommt bestimmt gleich, dann zieh ich ihm die Ohren lang und er zeigt euch alles. Es ist noch viel Zeit bis zur Vorstellung.“

Nur schwer ließ sich meine Schwester davon überzeigen, dass alles ok wäre.

„Ach übrigens… ich bin Mascha… Die Mutter des Zuspätkommers.“ Ich bin nur mäßig überrascht als sie mir die Hand entgegen streckt. Hätte man sich denken können. Wenn man genau hinsah wiesen sie eine große Ähnlichkeit auf- von den Haaren einmal abgesehen- auch wenn Mascha reichlich jung wirkte für eine Mutter. „Mascha und Jascha?“

„Besser als Ernie und Bert oder?“ Sie lacht. Anders als ihr Sohn. „Und eigentlich heiße ich Michaila. Aber Mascha ist kürzer.“

Ein schmatzendes Geräusch ließ und unsere Blödelei vergessen. „Na endlich!“ Maschas Ausruf ließ mich zusammen fahren. Ein lautes Organ einer kleinen Frau… Dinge womit ich nie gerechnet habe.

„Sorry…“

„Oh, bei mir musst du dich nicht entschuldigen Freundchen. Deine Freunde hier haben schließlich auf dich gewartet.“ Streng baute sie sich vor dem Schwarzhaarigen auf, der mit gesenktem Blick vor uns zum Stehen kam.

Musste erwähnt werden, dass er eine einteilige Lederkluft trug, in giftgrün? Musste erwähnt werden, dass der Reißverschluss halb offen stand und er nichts drunter hatte?

Musste erwähnt werden, dass ich der einzige war der auf dieses Detail achtete?

„Und wie siehst du wieder aus? Wo warst du?“ Gut, Mascha hatte sein Outfit auch bemerkt. Jedoch anders als ich.

Er schwieg, wandte den Blick ab.

„Oh nein… Jascha! Wie oft hab ich dir gesagt du sollst nicht mit Mihail Motorrad fahren. Auf Privatgelände: bitte meinetwegen… aber es sieht eher so aus als währt ihr durch die Pampa gefahren. Du bist zu jung für so was! Ohne Führerschein und überhaupt. Denkst du auch mal an…“

„Lass den Jungen, doch. Wenn er sich das Genick bricht merkt er was für Scheiße er gebaut hat.“ Ein mir unbekannter Mann drängte sich an uns vorbei, warf Jascha einen vielsagenden Blick zu ehe er in Maschas Wohnwagen verschwand.

„Das du ihn IMMER in Schutz nehmen musst!“, fauchte sie nun dem Mann hinterher, der sich mir später als Jochen und Jaschas Vater herausstellte.

Ein paar russische Brocken wurden dem Mann hinterher geworfen, ehe sie sich wieder auf ihren Sohn konzentrierte. „… geh duschen und dann komm essen. Wenn du dich nicht beeilst ist alles weg. Du weißt wie dein Vater ist wenn es um sein Lieblingsessen geht.“ Ein einziger Blick genügte, damit der Schwarzhaarige kuschte und aus meinem Blickfeld verschwand. „Kinder… Bist du auch so schlimm?“ Ihre Augen richteten sich nun auf mich, den Mund zu einem Lächeln verzogen. Die Frage war rhetorisch, weshalb ich nicht antwortete. Reichte schon, dass Imma ein ‚viel schlimmer‘ von sich gab.

„Ihr esst doch mit uns oder?“ Ohne eine Antwort abzuwarten wandte sie sich von uns ab. Bestieg den Wohnwagen und ließ die Tür einladend offen stehen. Ein herrlicher Geruch drang an meine Nase. Ich hatte zwar schon gegessen… aber ich wollte schließlich nicht unhöflich sein.

Auch Imma ließ sich nicht zweimal bitten. Altes Fressvieh… ganz der große Bruder. Manchmal war ich richtig stolz auf sie.

 

Kurz darauf wurden wir an einen winzigen Tisch gezwängt, der mit Essen voll beladen war, auch wenn ich nicht wirklich etwas damit anfangen konnte. Mascha werkelte an der Pfanne herum, während ihr Mann aus dem Bad kam, sich die noch immer schmutzig wirkenden Hände abtrocknete. „Nimmst du das mit an den Tisch?“ Ohne zu ihm zu schauen drückte sie ihrem Mann eine Schüssel in die Hand, welche sofort begierig gemustert wurde. „Jochen. Wag es dir jetzt schon davon zu naschen. Am Tisch wird gegessen!“ Strenge warf sie ihm einen Seitenblick zu, der jeden Protest unterband.

Kaum am Tisch angekommen griff Jochens große Hand in die begehrte Schüssel. Mit einem ‚jetzt ess ich am Tisch‘ ignorierte er die neuen Proteste seiner Frau und schaufelte sich irgendwelche Pampe auf eine Art Teigfladen.

Ich hatte keine Ahnung was das darstellen sollte.

Ernsthaft.

Schweinshaxe oder so hätte ich grad noch so erkennen können aber das?

 

Keine zwei Minuten später eilte meine Erleuchtung herbei. Mit klatschnassen Haaren –nur provisorisch mit irgendwas hochgesteckt- und in eine schmuddelige graue Sporthose samt passendem Shirt gehüllt stürmte Jascha den Wohnwagen, schmiss sich neben seinen Vater und riss die Schüssel an sich.

„Man. Du elender Vielfraß!“ Unsanft stupste er seinem Vater den Ellenbogen in die Rippen. „Ich wollte auch satt werden!“

„Dann wärst du eher hier erschienen…“

Das Gezanke wollte und wollte kein Ende nehmen. War ja irgendwie amüsant. Auch wenn Wörter fielen, die meine Schwester definitiv nicht hören sollten. Es wurde auch erst unterbrochen als Mascha die Faxen dicke hatte. Eine Tube Senf schoss knapp an den Köpfen der beiden vorbei und klatschte gegen die Plastikscheibe.

„…“ Perplex wandten sich die beiden an die einzige Frau am Tisch Imma zählte noch nicht mit ihren neun Jahren- wagten sich jedoch nicht etwas zu äußern.

Synchron kuschten sie unter ihrem strengen Blick und begannen gesittet wie nie zu essen.

„Hier. Nimm doch auch was von dem Langos. Die beiden lieben das Zeug. Mir krümelt es schon fast zu den Ohren heraus.“ Dennoch griff sie nach einem der Teigfladen und pappte sich irgendeine Eierpampe drauf. Die Pampen waren sehr lecker. Auch wenn ich nicht wissen wollte was das alles war. Wie bei Hagis. Nachdem ich wusste was es war hab ich den halb geleerten Teller beiseitegeschoben und bin für eine geschlagene Stunde im Bad verschwunden. Wissen konnte einem echt ALLES verderben.

„Ist Langos eigentlich was russisches?“ Taktvoll wie immer begann meine Schwester mit vollem Mund loszuschmatzen.

„Nee“, setzte auch Jascha mit vollem Mund an. Schluckte jedoch das Stück im Ganzen hinter, als er den Blick seiner Mutter auffing. „Ist ungarisch… glaub ich… oder?“ Fragend blickte er zu seinem Vater, welcher mit derselben Miene  zurückschaute. Eindeutig Vater und Sohn. Wenn sie sich auch sonst nicht ähnlich sahen, Mimik und Gestik waren haargenau kopiert.

„Weiß nicht. Hauptsache es schmeckt, nicht?“

 

Dagegen hatte keiner etwas einzuwenden. So aßen wir schließlich stumm, bis der Schwarzhaarige verkündete, dass er uns nun herumführen könnte, wenn wir denn wollten.

Immas begeisterter Aufschrei war ihm Antwort genug. Ein Glück achtete keiner auf mich. Ich wollte mich nur zu gerne in einer der Schüsseln ertränken. Einen leckereren Tod konnte ich mir kaum vorstellen.

 

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dva bedeutet einfach nur 2

Und jaaaaa ich bin faul und jaaaa schlagt mich nur und jaaaaa das Kapitel ist laaaaahm

aber Felix nistet sich vermehrt in meinem Kopf ein und ich MUSS unbedingt lesen und... ich bin krank *hust* *hust* *mitleidig guck*

Ach egal...

Bis zum nächsten Mal :)

 

Showgirl

 

*Jascha*

 

„Willst du als erstes meinen Liebling kennenlernen?“ Grinsend beugte ich mich zu Imma, deren Augen anfingen hell zu strahlen, als sie die Frage hörte. Sie schien zu begreifen auf wen ich ansprach. Ihr Bruder tappte offensichtlich im Dunklen. Wie so oft. Er war nicht wirklich ein Blitzmerker, außer in schulischen Dingen.

„Ja!“ Begeistert hüpfte sie voran, jedoch in die falsche Richtung, sodass ich sie an der Jacke festhalten und ich die richtige Richtung lenken musste.

Zu den Ställen. Ihr neuer Lieblingsplatz. Das ganze nahm ich ihr immer noch übel. Aber irgendwann würde sie zurück in mein Bett gekrochen kommen wollen. Gott, ich sollte aufhören so was zu denken.

„Naila“, pfeifend öffnete ich die Tür zu den Pferden. Leises Schnauben begrüßte uns, ehe die Gerufene durch die Tür sprang und uns mit großen Augen musterte. Entsetzen breitete sich auf Olivers Gesicht aus, entzücken auf Immas, die sich auch sogleich vor Naila kniete und ohne Bedenken anfing ihren Kopf zu tätscheln, was bei ihrem großen Bruder einen mittelschweren Herzinfarkt auslöste. Oder zumindest eine kleine Panikattacke.

Wenn ich nicht wüsste, dass ich Naila gut erzogen hätte würde ich die auch bekommen. Ich wusste wie ich sie einzuschätzen hatte, auch wenn sie ein wildes Tier war. Ich war so was wie ihre Mutter…. Vater… was auch immer.

„Nun guck nicht so. Sie beißt nur wenn ich das will.“ Unsanft stupste ich dem Blonden neben mir in die Rippen, wodurch er sich aus seiner Starre löste.

„Sicher?“ Immer noch skeptisch musterte er mein Kätzchen. Ihm schien es gar nicht zu gefallen, dass sie nun an Imma vorbei ging und ihm um die Beine streifte. Ein eigenartiges Knurren auf den Lippen. Das war ihre Art zu schnurren. Ich fand es ganz süß. Die meisten anderen hielten es eher für gefährlich. So auch Oli. War ja klar.

„Die knurrt mich an.“

„Die heißt Naila und mag dich…“ Aus welchem Grund auch immer. „Und nun entspann dich.“ Ich griff nach seiner Hand, zog sie vor Nailas Gesicht. Angstschweiß brach aus. Bei ihm, nicht bei mir. Erneut knurrte Naila leise, begann dann jedoch über die dargebotenen Finger zu lecken. „Ieh das ist…“ „…Liebe…“ beende ich seinen Satz und lass es so stehen.

„Na komm Imma. Ich führ euch jetzt rum.“ Wo ich anfangen sollte wusste ich nicht so genau. Was ich wusste war, dass Naila uns definitiv begleiten würde. Sie wich Oliver einfach nicht mehr von der Seite… untreues Biest.

 

Ich fing bei den Süßwaren an. Trotz, dass wir gerade gegessen hatten ließ ich mir etwas aufschwatzen. Lisa war heute für den Verkauf verantwortlich. Die Gute war einfach zu fürsorglich. Meinte ich würde sonst vom Fleisch fallen. Sie war eine der wenigen, die nicht zur Familie gehörten. Wäre auch etwas schwer, einen so großen Zirkus nur mit Familienmitgliedern zu besetzen.

Auf unserem Weg zum hinteren Teil des Zirkuszeltes stolperten wir fast über Hana und Evanna. Beide kümmerten sich um den Eintritt. Die Empfangsdamen sozusagen. Bis vor zwei Jahren war Hana –die Frau meines Cousins- eine der Hochseilartisten, zusammen mit meiner Mutter. Seit sie jedoch mit Jonni schwanger war, hatte sie den Posten gerne abgetreten. Ma und Onkel Millo –Mamas jüngster großer Bruder- waren zur Zeit alleine, da sich niemand finden ließ, der mit ihnen da hoch wollte.

Beide –Hana und Evanna- grüßten uns flüchtig, wobei Evanna –die Frau von Onkel Tomasz- besonders Oliver angrinste. Fast hätte ich sogar darauf gewettet, dass sie ihm sogar zugezwinkert hatte. Aber nur fast. Sicher war ich mir bei ihr nie.

 

„Müsst ihr hier herumrennen?“ Rüde wie er gerne war, ging uns Onkel Serge an, kurz bevor wir unser Ziel erreicht hatten. Zum vermutlich hundertsten Mal kontrollierte er nun schon den Aufbau des Zeltes. Serge war der älteste von Mamas Brüdern und der Schwiegervater von Hana und vermutlich der Hüter unserer Gesundheit. Er war pingelig was seine Arbeit anging. Überließ nur selten etwas den anderen.

„Tut mir leid Onkel Serge. Sind schon weg.“ Ich wollte es mir nicht mit ihm verscherzen, also zog ich Oliver und Imma mit mir von der arbeitenden Bevölkerung weg.

„Bist du mit allen hier verwandt?“ Skeptisch warf Oli einen Blick über seine Schulter zurück zu Serge.

„Nein. Nur mit einigen. Hana und Evanna die wir grade gesehen haben, sind eingeheiratet in die Familie. Serge ist mein ältester Onkel. Daneben gibt es nur noch: Jegor, Millo, Tomasz, Anka, Katarina, Mihail, Emil, Jonni, Petr, Andous, Marek, Pawel und Olek“, ratterte ich ohne Luft zu holen und ohne Erklärung herunter. Nur um ihn etwas zu verwirren. Hätte ich den Verwandtschaftsgrad von allen versucht zu erläutern hätte ich vermutlich auch mich verwirrt.

Wenn wir ihnen begegnen sollten, könnte ich es ja anbringen, auch wenn ich stark daran zweifelte, dass es den Blonden sonderlich interessierte

„Ooooh, soviel Verwandtschaft hast du?“ Imma hingegen schien begeistert. Saugte die Infos förmlich in sich auf. Wie ein Schwamm. „Wie alt sind die denn alle? Älter als du?“

„Nein. Es gibt auch jüngere. Petr, Andous und Olek dürften ungefähr dein alter sein. Vielleicht treffen wir sie ja.“

„Au ja!“ Dadurch hin und weg begann sie wie ein Flummi zu hüpfen und schoss schließlich voran, durch den geöffneten Eingang des Zeltes. Ein lautes Scheppern sagte mir, dass sie auf irgendwen gestoßen war. Wortwörtlich. Hoffentlich hatte sie weder sich noch irgendwen anderes aufgespießt, erschlagen oder niedergetrampelt. Einen größeren Ausfall konnten wir uns beim besten Willen nicht leisten.

„Imma?“ Erst einmal die Lage peilen. Wenn keine Reaktion kam konnte man den Arzt rufen. „Hier“ Ein dumpfes Nuscheln bestätigte, dass sie noch lebte. Nun konnte ich auch nachsehen gehen.

 

Im Zelt fand ich sie verknotet mit Petr. Andous war bereits dabei die zwei zu entknoten. Wirkte sehr witzig… wenn es nur nicht so erst gewesen wäre. Mir wurde schon etwas mulmig wenn ich mir die verstreuten Wurfmesser so ansah. Hätte wirklich ins Auge gehen können. Im wahrsten Sinne des Wortes.

„Geht’s euch gut?“ Vom ersten Schock erlöst half ich den beiden auf die Beine. Petr überragte die kleine Imma um gut zwei Köpfe. Dabei war er erst zehn. Oder war es Andous? Zwillinge verunsicherten mich jedes Mal wieder. Doch der hier trug blaue Jogginghosen. Also musste es Petr sein. Sein Zwilling beharrte darauf grüne Jogginghosen während des Aufwärmens zu tragen. Das sollte bitte immer so bleiben.

„Ja, alles gut“, kicherte Imma fröhlich, während sie zu den beiden aufsah, die sich links und rechts von ihr platziert hatten, wie Bodyguards. A-Hörnchen und B-Hörnchen brummelten nur zustimmend. In Gegenwart fremder Damen wurden sie sehr schweigsam.

„Ist wirklich alles okay. Keine schweren Verletzungen?“ Endlich schien der Schock auch bei Oliver überwunden zu sein. Panisch trat er vor seine Schwester, packte ihre Schultern und begutachtete sie gründlich.

„Ja doch…. Lass mich endlich los.“ Schmollend wand sich die Kleine aus dem Griff ihres besorgten Bruders und schwirrte schon wieder munter durch diesen Teil des Zeltes.

„Pass diesmal besser auf!“

„Jaaa ja.“

Man konnte förmlich ihr Augenrollen spüren.

Ich liebte die Kleine für ihre Art.

„Wolltet ihr üben oder seid ihr fertig?“ wandte ich mich an meine Cousins, als ich sicher war, dass die Kant-Geschwister keinen Mist bauen konnten.

„Waren fertig…“ setzte Andous an. „…warum fragst du?“ beendete Petr für ihn den Satz. An so was hatte ich mich bei den beiden schon gewöhnt. Auch wenn es gruselig war zuweilen. Als würden sie sich ein Hirn teilen oder so.

„Sonst hättet ihr der kleinen Krachbummente ja mal was zeigen können“ Vielsagend deutete ich auf Imma, die noch immer versuchte den Fängen ihres Bruders zu entkommen.

Ein glück war ich Einzelkind. Imma tat einem schon leid.

„Können wir doch…“ Diesmal fing Petr an. „…immer noch machen.“ Und sein Bruder beendete das gesagte.

 

„Messerwerfen?“ Ich wusste nicht ob die Größe ihrer Augen gesund war oder nicht, auf jeden Fall waren sie unheimlich wie die Sprechweise der Zwillinge. „Darf ich auch mal?“

Ein einstimmiges ‚nein‘ brachte sie zum Schmollen. Wenigstens da waren wir uns alle einig.

„Aber die Jungs könnten dir ein paar Sachen zeigen. Wenn du magst. Wir könnten natürlich auch w…“

„Ich wills sehen.“

Und schon war vergessen, dass sie es nicht selbst testen durfte.

 

Es ging eindeutig auf die Knie. Ich wusste warum ich es hasste Assistentin für die beiden zu spielen. Wenn man einen Kopf größer war, als sie gewohnt waren konnte gefährlich enden. Die Messer waren nämlich tierisch scharf und zwei kleine Jungs die mit diesen Dingern spielten wirkten nicht gerade vertrauenserweckend. Die Tatsache, dass die zwei zeitgleich warfen verstörte mich noch mehr. Doch ich tat einfach so, als wäre ich nicht hier und es bestünde nicht die Chance erstochen zu werden. Ich vertraute darauf, dass die beiden wussten was sie taten.

Acht, neun, zehn. Mehr Messer hatten sie nicht. Das ließ mich aufatmen. Dabei hatte ich jedoch vergessen, dass auch meine Tanten –Anka und Katarina- solche Spielzeuge, nur eine Nummer größer, besaßen. Dementsprechend erschreckend war ihr Kommando, dass ich in Pose gehen sollte.

Pose, welche Pose?

Das erste Messer surrte knapp an meiner Nase vorbei.

Achja, die Pose. Etwas spät richtete ich mich auf, machte mich auf Zehenspitzen größer als ich war und demonstrierte eine dieser übertriebenen Assistentinenbewegungen mit viel Arm und Brust und Arsch. Nur ohne Brust.

War auch ganz gut so. Zwischen den ganzen Mordwaffen wurde es auch so ganz eng.

„Olé!“ Ich wusste, es war der falsche Ausruf, doch konnte ich meiner Erleichterung nicht anders Ausdruck verleihen. Wenn die Tanten nun endlich die Messer entfernen würden, damit ich von der Holzscheibe –ja die konnte sich bei Bedarf auch mit dem Opfer drehen, aber ohne MICH- loskam und wir hoffentlich etwas anderes fanden, was die kleine Imma begeistern konnte.

 

Die Artisten hielten sie als nächstes in ihrem Bann gefangen. Nach zehn Minuten war ihr einziger Kommentar dazu jedoch, dass es in Glitzeranzügen einfach besser aussah. Und schwups war sie auf und davon. Auf der Suche nach etwas anderem.

Das Zelt ließen wir dabei wieder hinter uns.

Erst an einem Seil hielt sie erneut inne. In einem Meter Höhe hing es da einfach so rum und verwirrte sie. Kurzzeitig fragte ich mich, ob ich sie unaufgeklärt lassen sollte… doch ich war einfach zu nett zu kleinen Kindern.

„Das ist ein Übungsseil. Da man nicht immer direkt am Hochseil üben kann. Wäre zu gefährlich und einfach nicht machbar.“

Nun erkannte sie auch die massigen Halterungen, die das Seil straff hielten.

„Darf ich da rauf?“

„Du fällst bloß runter!“, warf Oli ein. Wie bei eigentlich allem was sie testen wollte.

„Ich halt sie fest“, beruhigte ich ihn, da sein Gesicht äußerst überhitzt wirkte vor Sorge. „Und wenn du lieb bist darfst du auch mal rauf.“

Sein leises Gemecker ignorierend hob ich Imma auf das Seil, hielt ihre Hand dabei fest, damit sie nicht gen Boden segelte. Es war nur ein Meter. Doch auch das konnte wehtun.

Zwei Meter schaffte die Kleine es, ehe es ihr zu wackelig wurde und sie wieder runter wollte. Ganz frustriert.

„Nun guck nicht so Liebes.“ Aufmunternd wuschelte ich ihr durch die wirren Strähnen.

„Ich hab auch ganz lange gebraucht um da sicher drauf zu stehen.“

„Du?“

Zwei Augenpaare hefteten sich auf mich, sobald ich es ausgesprochen hatte.

„Ja…“

„Zeigst du es uns?“ Zu meiner Verwunderung stammte dieser Satz nicht von Imma, weshalb ich nur knapp nickte, ehe ich wusste, worauf ich mich einließ.

Kein Hochseil. Ich wollte da nicht hoch.

Panik.

Nein! Ruhig bleiben. Es war nicht hoch. Nur ein Meter. Man kann nicht tief fallen. Außerdem war es doch ganz lustig. Früher gab es nichts Schöneres als da oben rumzuturnen.

Tief durchatmend beruhigte ich mich, ohne dass die anderen von meinem inneren Krampf bemerkten.

„Und hopp…“ Nicht mehr ganz so fit darin wie vor ein paar Jahren schwang ich mich auf das Seil. Etwas wackelig. Ich trug die falschen Schuhe. Ich streifte sie mir einfach von den Füßen. Barfuß drückte es zwar, jedoch hatte ich mich so besser im Griff.

Zwei, drei Schritte und das ganze klappte wieder ganz gute.

„Tada. Ganz leicht.“ Ein bisschen angeben schadete nie.

Beeindruckt waren die beiden aber nicht.

Schwieriges Publikum.

„Kannst du noch was?“ Wieder Immas große Augen, die mich musterten.

Mehr. Da musste ich überlegen. Was konnte ich noch? Wofür war ich noch nicht zu lange raus?

„Ich denke Rad schlagen könnte ich hier rauf noch.“ War vermutlich auch das einzige.

Es schien ihren Ansprüchen zu genügen. Gut. Mehr konnte ich bestimmt nicht mehr.

Trotz dass es eine leichte Übung war, brauchte ich einiges an Konzentration und Überwindung, ehe ich es schließlich schaffte ohne mich dabei zum Deppen zu machen. Oder herunterzufallen. Wobei beides gleichgesetzt werden konnte.

„Toll. Warum machst du das denn nicht mehr in der Vorstellung?“

Fettnäpfchen…

Großes Fettnäpfchen Kleine.

Sah ihr Bruder auch. Weshalb er versuchte die Situation zu retten. Imma verstand den Wink leider nicht und stichelte weiter.

Bis ich beschloss, es ihr zu erzählen.

„Ich hab Angst davor.“

„Wieso?“ Große Augen durchbohrten mich.

„Imma!“ Leises Zischen brachte mich zum Schmunzeln.

„Schon gut“, dankend lächelte ich Oliver an. „Mit fünf hab ich angefangen hierauf herumzuturnen. Irgendwann durfte ich aufs richtige Hochseil. Bis ich zwölf oder dreizehn war ging auch alles gut. Es hat richtig Spaß gemacht. Da oben hat man sich gefühlt wie ein Vogel. Gigantisch…“ Seufzend verdrängte ich das schöne Gefühl. „Dann war ich unvorsichtig. Bin während einer Vorstellung runtergefallen.“

Erschrocken starrten die Geschwister mich an. Beschwichtigend hob ich die Hände. „Ich bin nicht unten zermatscht. Das Netz hat das meiste abgefangen. Leider war der Kerl der das Dinge gespannt hat nachlässig gewesen. Es hat mich nicht gehalten. Aber zwei drei Meter taten auch ganz schön weh.“ Seit dem war Onkel Serge pingelig was die Sicherheit anging. Er gab sich indirekt die Schuld dran. So wollte er sein Gewissen beruhigen. Wenn er alles immer wieder kontrollierte konnte nichts mehr passieren.

Hoffte ich auch. Immerhin turnte meine Mutter da oben herum. Ich wollte nicht als Halbwaise enden.

„Mein Arm hat es ganz schön erwischt gehabt.“ Demonstrativ hielt ich besagten Arm in die Höhe. „Die Knochen da drin sind merkwürdig gesplittert und haben aus dem Arm rausgegakelt. Sah eklig aus. Die mussten mir ne Metallplatte einsetzen. Jetzt piept es auf Flughäfen immer. Einmal musste ich auch meinen Arm in dieses Scanding für Taschen halten, damit die sehen, dass ich nix gefährliches mit mir herum trug. Ist manchmal ganz witzig. Das blöde ist nur, dass man die Narbe immer noch sieht.“ Wehmütig strich ich mit der rechten Hand über meinen linken Unterarm. Sah echt nicht schön aus. Aber eigentlich konnte ich froh sein, dass es so gut geworden war. War nicht die fortschrittlichste Gegend in der ich vom Seil gefallen bin. Irgendwie war ich schon froh, dass ich im Dunkeln nicht plötzlich anfing zu leuchten.

„Also ich hätte jetzt Angst…“ Das Gesicht besorgt verzogen unterbrach Imma meine Gedanken. Langsam wurden sie auch lächerlich.

„Ach, solange ich da nicht mehr hoch muss geht es.“ Einmal stand ich danach wieder oben. Panikattacke vom Feinsten. War nicht lustig für die armen Leute die es miterleben mussten.

„Ich hätte aber auch vor den anderen Sachen Angst. Da kann man sich so doll wehtun… und…“ Plötzlich wurde ihre Stimme weinerlich. Nicht dran denken Kleine… verdammt warum hatte ich es ihr nur erzählt.

„Hey… immer ruhig Süße, okay. Da drin passiert mir gar nichts mehr. Onkel Serge macht seine Arbeit toll. Fantastisch. Und alle anderen wissen auch was sie tun. Ich brauch keine Angst zu haben. Nicht am Boden zumindest…“

„Sicher?“ Wässrig war kein Ausdruck, der ihren Kulleraugen gerecht wurde. Der Pazifik wäre neben ihren Glubschern verblasst, wenn er es hätte sehen können.

„Sicher. Immerhin bin ich ein Showgirl…. Oder so. Wie sähe es denn aus, wenn ich einfach ganz aufhören würde?“ Beruhigend tätschelte ich ihr den Wuschelkopf. „Und jetzt schieb die Regenwolkengedanken weg. Immer lächeln.“ „Mag nicht…“

„Wenn du für mich lächelst, darfst du mir heute die Haare für die Vorführung machen!“

Sie zögerte keine Sekunde. „Okay.“ Heftig nickend griff sie nach meiner Hand und grinste breit. Als hätte sie nur darauf gewartet.

„Viel Glück…“ Olis Murmeln war so leise, dass nur ich es hören konnte. Es ließ mich schlimmes ahnen.

Ob es eine gute Idee war eine neunjährige an meine Haare zu lassen?

 

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Wow war ich schnell.... ich hab nur ganze 10 Tage gebraucht um was hochzuladen.... unkorrgiert natürlich.... *hust*

ähm jaa....

vielleicht habt ihr Glück und es kommen noch ein, zwei Kapitelchen dieses Jahr (Ich bezweifel es aber fast. Da ich mich grade arg mit Felis und seinem ersten Kapitel bzw mit dessen Schreibstil herumärgere).

Falls kein neues Kapitel kommt: Stoßt an Silvester auf die Jungs an.

Oli und Jascha werden an diesem Tag nämlich ihren süßen 16. Geburtstag feiern. (Ich hoffe damit spoiler ich nicht zu sehr *hust*)

 

 

 

Zirkuszauber

*Oliver*

 

Imma versuchte nun wirklich Jascha die Haare zu machen.

Beide saßen in seinem Wohnwagen vor einem riesigen Spiegel, während ich mich verstohlen umsah. Halb aus Neugier, halb um das Unheil, welches meine Schwester auf dem Kopf des anderen anrichtete, nicht sehen zu müssen.

Sie liebte es Haare zu frisieren, doch sie konnte es nicht. Ehrlich. Jedes Mädel konnte es –selbst ich, obwohl ich nicht weiblich war- nur sie nicht. Trotzdem tat sie es mit einer Freude die unerklärlich war. Mama ließ es über sich ergehen. Papa sowieso. Selbst ich hielt still für sie. Felix sowieso. Er mochte die Kleine, keine Ahnung warum.

 

Verstohlen musterte ich den Dunkelhaarigen im Spiegel. Das Gebilde auf seinem Kopf wurde immer schlimmer. Schnell wegsehen! Gedacht getan. Der Wohnwagen war klein. Nichts für mich. Ich brauchte Platz… dennoch war es nett eingerichtet. Ein kleiner Tisch, auf welchen diverse Schulsachen gestapelt waren, viele bunte Kissen auf der Sitzecke verteilt, ebenso bunte Gardinen an den Fenstern. Dunkle Schränke und Regale rechts und links. Zwischen zwei Regalen stand der mannshohe Spiegel, vor dem Jascha saß und sich quälen ließ.

Ich saß derweil auf einem sehr bequemen Bett. Riesig für die Verhältnisse hier. Ungemacht tümmelten sich Decken und Kissen darauf. Eine Art Katzenkörbchen in XXL lag zu meinen Füßen. Mitsamt des Besitzers. Auf dem Weg hierher hatte Jascha das Tier eingesammelt. Skeptisch beäugte ich das Kätzchen. Verträumt blinkte es zurück. Irritierend… dennoch irgendwie… faszinierend. Wie alles hier. Auch wenn ich Zirkus nicht leiden mochte. Der Umgang unter den Menschen war ungewohnt. Wie eine riesige Familie. Was sie wohl auch waren. Dennoch, nicht alle hier gehörten zur Familie, wie Jascha erzählt hatte. Die ganzen Erklärungen wer wer ist was er macht sobald wir jemandem begegnet sind bereiteten mir Kopfschmerzen. Imma sog alles auf wie ein Schwamm.

Eine warme Nase stupste gegen mein Bein, ehe sich der gesamte schwere Kopf auf meinen Schoß legte, fast schon bettelnd die Augen auf mich gerichtet. Wollte die jetzt das was ich dachte das sie will? Gott…

Zögernd tätschelte ich dem Tier den Kopf. Erntete dafür ein leises Knurren. Sollte wohl bedeuten, dass es gut ist und ich weiter machen sollt. Sie guckt zumindest so.

Naja ganz süß ist Naila ja…

 

„Olllliiiiiiii“ quäckend durchbrach Imma die Stimme meiner Gedanken. „Hilf mir. So kann Jaja nicht raus!“ weinerlich schob sie die Unterlippe nach vorne. Täuschte einer ihrer falschen Tränen vor, die mich jedes Mal weich werden ließ.

Grummelnd nickte ich nur, verscheuchte meine Schwester von ihrem Platz hinter Jascha und hoffte, dass sein breites Grinsen bald verschwand.

Tse.

„Mach ich nur wegen Imma, klar?!“ Zischend blitzte ich ihn im Spiegel an. Das Grinsen wurde jedoch nur breiter.

Arsch!

Ich hoffte ihm tat es weh, wenn ich seine elend langen Haare striegle. Grr.

 

Ihm schien die Behandlung zu gefallen. Verdammt! Wenigstens grinste er nicht mehr so dämlich. Dafür schien er genauso schnurren zu wollen wie sein Haustier.

Nach zwei Anläufen und viel Zeit hatte ich die dunkle Mähne gebändigt so gut es ging. Immas Haare waren völlig anders als die hier. Auch wenn beide gleich weich waren. Ganz fluffig zart wie bei Babykätzchen.

…Grundgütiger, was für ein Vergleich. Ich war Imma und Zirkusverseucht. Hilfe.

 

„Fertig…“, grummelnd, dennoch zufrieden, musterte ich mein Werk. Ging doch. Sollte Friseur werden… Wenn nichts anderes klappt.

Einer dieser grässlichen Franzosenzöpfe die meine Schwester so liebte zierte Jaschas Kopf. Besser gesagt gleich zwei. Einer verlief von oben bis zum Hinterkopf. Der andere –welcher wohl der schwierigere und zeitaufwändigere war- begann in seinem Nacken und musste einmal verkehrtherum nach oben geflochten werden. Beide trafen sich irgendwann. Ein schlichter schwarzer Gummi hielt die beiden zusammen. Imma hatte mich schließlich gezwungen Locken in den offenen Pferdeschwanz zu machen. Was tat man nicht alles für dieses Weib. Selbst bunte Bändchen musste ich mit einflechten. Als wäre es nur mit Haaren nicht schwer genug gewesen.

Doch dem Besitzer der Haare schien es zu gefallen. Auch wenn Imma nun begann diverse glitzernde Sachen im Haar zu verteilen.

 

„Willst du echt so da raus?“ Die funkelnde Blume auf dem Haargummi irritierte mich. Absolut unmännlich. Was das andere war, wollte ich schon gar nicht mehr nachschauen.

„Klar. Warum nicht. Hätte außerdem eh keine Zeit mehr um was anderes zu machen. Der Einlass beginnt gleich.“

„Schon?“ Fragte Imma dazwischen.

„Ja. Ich bring euch schon mal an eure Plätze. Dann muss ich mich umziehen und dann sollte es auch gleich losgehen.“

Neugier blitzte in den Augen meiner herzallerliebsten Schwester auf. „Wo sitzen wir denn?“

Hoffentlich ganz weit hinten. Im dunklen. Wo man schön schlafen konnte. Oder nah am Ausgang, sodass ich fliehen konnte.

„Ganz vorn natürlich. Sonst seht ihr doch gar nichts.“ Krabumm. Hoffnungen zerstört. Tod. Für immer.

Schei…benhonig aber auch.

 

Keine fünf Minuten später saßen wir an besagten Plätzen. Erneut mit Naschkram eingedeckt.

Noch war es ruhig im Zelt, doch davor ging es heiß her. Einige Leute schienen es nicht erwarten zu können hereinzukommen. Alles Bekloppte…

„Ich freu mich so.“ Aufgeregt rutschte die Kleine neben mir auf ihrem Platz herum. Verschüttete dabei fast ihre Nüsse.

Dann begann der Tumult um uns herum. Die Irren wurden eingelassen. Lärmend und drängend quetschten sie sich an ihre Plätze. Ein übereifriges Rentnerpaar sowie Vater mit Kind –circa 3 Jahre alt- belegten die Plätze rechts und links von uns. Hinter uns gab es keine Sitze. Dafür einen dicken Stahlträger , der diverse Scheinwerfer hielt. In gebührendem Abstand natürlich. Nicht auszudenken was passierte wenn das runterfiel und jemand drunter saß. Onkel  Serge leistete wirklich peinlich genau seine Arbeit.

 

Als das Licht gedimmt wurde wurden auch die Gespräche leiser. Getuschel erfüllte nun das Zelt, bis eine tiefe, brummende Stimme alles zum Schweigen brachte.

Ein kräftig gebauter Mann –nicht dick kräftig sondern stramm kräftig- betrat die Manege im Schein des hinter uns hängenden Scheinwerfers. Ein dichter Schnurrbart zierte sein faltiges Gesicht. Buschige Augenbrauen lagen tief über tiefblauen Augen. Die konnte man hier nicht sehen. Doch wir waren Jegor Kr…schießmichtot-wasauchimmer –den Namen konnte ich beim besten Willen nicht aussprechen… vielleicht mit einsacht auf dem Kessel- begegnet als wir zu unseren Plätzen geführt wurden.  Jaschas Großvater wirkte einschüchternd, grimmig irgendwie. Passte nicht zu den kleinen Gesten seinem Enkel gegenüber.

Vielleicht musste man als Zirkusdirektor innerlich absolut nett und äußerlich scharfkantig erscheinen.

Mit seiner Bärenstimme begrüßte er das Publikum, wie schon bei unserem ersten Besuch. In seinem verzierten Frack, wie es Zirkusdirektoren nun einmal trugen, sah er gut aus für sein Alter. Wie alt musste er wohl sein? Über Sechzig bestimmt. Nein noch älter. Jaschas ältester Onkel war bereits fünfzig. Mindestens siebzig also. Vielleicht. Wenn er mit zwanzig begonnen hatte.

Er wirkte nicht so alt.

Bedächtig zog er sich hinter den roten Vorhang uns gegenüber zurück. Lauernde Musik erklang. Wurde langsam lauter. Nun hatte ich verpasst wer angesagt wurde. Verdammt.

Nicht, dass es mich interessierte oder so…

 

Zwei kleine Jungs betraten als erstes die Manege. Alleine. Nur mit diversen Sachen bewaffnet. Das Publikum gab ein obligatorisches ‚ooooh‘ von sich. Die zwei waren definitiv jünger als die Zwillinge. Ich hatte die Namen der zwei vergessen. Müssten jedoch auch Cousins von Jascha gewesen sein.

Der kleinere der beiden trat als erstes vor, wurde von nun bläulichem Licht erfasst, während der andere in Dunkelheit gehüllt wurde.

Mit drei kleinen Bällen begann er zu jonglieren. Schnell wurden aus den drei Stück vier. Dann fünf. Zum Schluss hielt der Zwerg sieben Stück in der Luft, die er schließlich unter lautem Applaus an den anderen weitergab. Fließend gingen die Bälle von einem Paar winziger Hände in das Nächste über.

Beeindruckend. Ich konnte einen Ball in der Luft halten. Maximal zwei. Das da war…

Erneut brach Applaus aus. Diverse andere Sachen wurden später zum Jonglieren verwendet. Bunte, im Dunkeln leuchtende Ringe, Kegel… fehlten nur noch brennende Fackeln… aber hey, es waren kleine Kinder.

 

Die nächsten Artisten zogen an mir vorbei. Die Verrenkungen taten schon beim Zuschauen weh.

Erst als ein bekanntes Gesicht die Manege betrat wurde ich aufmerksamer.

Maschas Lockenkopf zog meinen Blick magisch an.

Sie sah Hammer aus in diesem hautengen Dress. Musste sie wohl auch. Leicht lächelnd winkte sie in unsere Richtung, obwohl sie uns nicht sehen konnte. Der Scheinwerfer blendete sie. Vielleicht wusste sie dennoch, dass wir hier saßen.

Mir wurde erst mulmig als sie und eine andere Frau –auch hier war mir der Name entfallen- rechts und links an zwei weiteren Stahlträgern emporkletterten. Das dazwischen gespannte Seil fiel mir erst zu diesem Zeitpunkt auf. Spontan bekam ich Höhenangst… und Panik. Wenn sie da runter fiel… Jaschas Geschichte kam mir in den Sinn.

Kopfschüttelnd vertrieb ich die negativen Gedanken. Sie würde oben bleiben und wenn nicht. Serge hatte das Netz bestimmt 50 Mal geprüft. Da konnte nichts passieren.

 

Tat es auch nicht. Als hätten sie nie etwas anderes gemacht, turnten die beiden Frauen mal einzeln mal zu zweit auf dem Seil herum. Wenn ich mir vorstellte wie Jascha da oben ausgesehen haben musste… Würde zu ihm passen. Definitiv. Doch ihn würde ich dort oben nie sehen. Nicht, dass ich nochmal vor hätte in den Zirkus zu gehen in den nächsten fünfzig Jahren.

Bei den beiden stimmte ich in den Beifall ein. Mascha war toll. Da durfte auch ich mich an die Menge anpassen. Danach würde ich wieder dezent desinteressiert tun und meinen Knabberkram vertilgen.

 

Meinen Plan zog ich durch bis ein glitzernder Haarschopf –und ein paar andere Leutchen- hinter dem Vorhang vortrat. Selbst von hier konnte man nicht erahnen, dass Jascha ein Kerl war. Außer man wusste es.

Wie die anderen vier Personen –zwei Männer, zwei Frauen- trug er ein enges schwarzes Oberteil. Dazu solche hellblauen Haremshosen wie sie zurzeit wohl Mode waren. Meine Mutter liebte die Dinger… aber ob das ein Indiz dafür war, dass sie populär waren? Irgendwie zweifelte ich daran, doch ich hatte nicht wirklich Zeit darüber nachzudenken.

Viel zu sehr war ich damit beschäftigt fremde Schmerzen durchzustehen.

Ernsthaft, dass was Jascha und die anderen da trieben war beeindruckend, aber mir tat bereits vom Zusehen alles weh. Als Mann sollte man wirklich keinen Spagat machen können.

Imma hingegen war vollauf begeistert. Wäre sie nicht doch irgendwo gut erzogen worden, wäre sie mit Sicherheit über den Rand der Manege geklettert um selbst mitzumachen.

Mit etwas mehr Übung –einmal die Woche Schwimmen und Zwei Mal im Monat zur Gymnastik brachten in dem Falle nicht viel, nahm ich an- wäre es ihr auch bestimmt gelungen mit ihnen mitzuhalten.

 

Durch zusammengekniffene Augen versuchte ich dem Spektakel zu folgen, was mir schließlich auch gelang. Auch wenn ich hin und wieder immer noch zusammen zuckte und mir wünschte nicht zu wissen, wie sehr manche Dinge schmerzen konnten.

Jascha schien es Spaß zu machen.

Vor allem als einer der Männer ihn auf die Schultern hob, damit er auf eines dieser Schaukeldinger –Imma hatte mich später aufgeklärt, dass es wohl Trapeze waren keine Schaukeldinger- steigen und mit eine der Damen diverse Akrobatikeinlagen darbieten konnte.

Immer noch au. Und definitiv Urgs. Er hing sehr oft Kopfüber. Konnte ich auch als Kind nicht. Sobald ich Kopfüber irgendwo hing sah ich wahlweise Frühstück, Mittag oder Abendbrot wieder. Manchmal auch alles zusammen.

 

„Ist er nicht toll? Sag dass er toll ist. Er war toll oder? Jascha ist so klasse, stimmt’s? Sag es, sag es, sag es!“ Völlig verzückt durch die Darbietung und aufgedreht durch den vielen Zucker, stierte meine Schwester mich an. Piekte mir aller drei Worte die Zeigefinger unsanft in die Rippen. Also genau Achtmal. Plus zwei extra, weil es ihr so Spaß zu machen schien.

„Ja, Kleine. Er ist Klasse.“ War er erschreckenderweise wirklich… irgendwie… auf verquere Art und Weise. Auch wenn er nach seiner Darbietung ein merkwürdiges Grinsen in unsere Richtung geworfen hatte, was mich noch immer kirre machte.

So sah man keine Kerle an. Oder seine kleine Schwester. Punkt.

 

 

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Jaaaa wer hätte das gedacht... ich faules Stück krieg dieses JAhr noch was auf die Reihe..... und Oli kann Zöpfe flechten...
Mysteriööös, mysteriöööös.... genauso wie mein Spontan kauf der Herr der Ringe Triologie... eigentlich mag ich die gar nicht... aber irgendwas hat mich dazu getrieben.... hatte den ersten Teil irgendwie anders in Erinnerung... (jaaaahaaaa ich hab der ersten Teil gestern komplett geguckt... und bin NICHT eingeschlafen!)

Naja wenn ich ihn nach diesem Zwang es zu schauen immer noch doof finde kann ich die DVD neben meine Harry Potter Sammelbox Stellen und so tun als ob... *Kopfkratz*... Und eigentlich wollte ich nur den Hobbit gucken... jajaja  Smaug war irgendwie herzallerliebst in der Kinovorschau...

 

OOOh Gott... jetzt laber ich über Hobbits und Nerdkram... Hilfe...

Man merkt mir bekommt die Zeit nicht.


Egal...

Für alle Weihnachtsfreunde: Schönes Fest.

Für alle die so gerne rumscroogen wie ich...: Es sind nur 3 Tage... dann ist der Scheiß vorbei!

(Ernsthaft... ich kann Weihnachten nichts abgewinnen. Manchmal fühle ich mich wie Scrooge... nur ohne komischen kleinen Hund *hab nur 2 große* und Geister... naja und ohne Nachthemd und Schlafmütze und so... Ihr wisst schon)

 

LG

Kronos

*Jascha*

 

Es war schwer, die kleine Imma nach der Vorstellung dazu zu bewegen nach Hause zu gehen. Am liebsten wäre sie hier geblieben.

Doch ob zu dritt –zu viert wenn es Naila mal wieder zu mir trieb- in meinem Bett kuscheln war… nicht unbedingt erstrebenswert. Auch wenn ich drüber nachdenken würde, wenn Schwesterchen und Kätzchen nicht dabei wären… Also… wenn ichs mal so nötig hätte, oder er sich freiwillig dahin verirrt oder so.

Sonst war er nicht ganz mein Typ. Obwohl ich keinen Typ hatte. Er war süß, wirklich… aber von süß bekam man Karies… außerdem stand ich nicht so auf Typen die sich selbst anfingen zu hassen wenn sies mit nem Kerl getan hatten. Schließlich waren sie nicht schwul oder so…

Nein bloß nicht. Ein Kerl der einem anderen den Willi in den Hintern schiebt ist Hetero wie sau… schon klar.

Hatte ich einmal.

Würde ich mir nie wieder geben.

Deshalb war ich auch ganz froh, mein Bett für mich zu haben.

Halb schlafend hatte Oli sich seine Schwester über die Schulter geworfen und zur nächsten Straßenbahn getragen. Entweder war die Kleine schwerer als sie aussah oder Oliver schwächer als er anmuten ließ.

 

„Lass uns weggehen.“ Den ganzen Tag über hatte ich mich nicht aus dem Bett bewegt. Es gab einfach Tage an denen ich zu träge für irgendwas war. Mihail war der erste, der sich in meinen Wohnwagen verirrte. Um kurz vor fünf am Nachmittag.

„Keine Lust…“, brummte ich unwillig. Weggehen schön und gut, aber dann musste ich ja aufstehen und duschen und mich anziehen und rausgehen und anderen Menschen begegnen…

War so viel auf einmal. Grässlich.

 

Zwei Stunden später stand ich frisch geduscht und schickgemacht –wie meine Mutter es genannt hat, als ich kurz zum Abendbrot und um mich abzumelden hab blicken lassen- an der Haltestelle der Straßenbahn. In meinem dünnen Pulli war mir eindeutig kalt. AN eine Jacke hatte ich nicht gedacht. Wer wusste auch wo mein herzallerliebster Cousin mich hinschleppen wollte. Bestimmt in so einen überhitzten Schuppen in den ich mit meinen 15 noch nicht einmal rein durfte.

Aber mir sollte es recht sein. Er zahlte den Eintritt, er sorgte dafür, dass die Leute über mein Alter hinwegsahen und er diente mir als Heizung während ich die Klappe hielt und mich nicht beschwerte.

Unfairer Tausch, schon klar, aber ihm schien es nichts auszumachen.

 

„Wohin geht’s eigentlich?“ Nuschelnd drängte sich meine Stimme an Mihais Pulli vorbei. Die Bahn hatte bereits zehn Minuten Verspätung, wie die beiden anderen Linien die hier fuhren auch. Leicht bibbernd rückte ich noch näher an den großen heran. Er bollerte immer wie ein Ofen. Kam mir nur recht.

„Wirst du sehen sobald wir da sind.“ Mehr kam nicht von ihm. Alter Brummbär. Tat so als wäre er derjenige den man genötigt hatte mitzukommen.

Hoffentlich in keiner dieser Lokalitäten in denen halbnackte zwölfjährige, wie Nutten geschminkt um einen herumhüpften und mit ihren nicht vorhandenen Möpsen wackelten. Bäh.

 

Zum meinem und seinem Glück ließen wir ebendiese Lokalitäten links liegen. Ich hätte es ihm ewig nachgetragen wenn er mich noch einmal in solch einen Schuppen gezerrt hätte.

Dieses eine Mal hatte ich ihm noch immer nicht verziehen. Zumindest dann nicht wenn ich dran dachte…

 

Wir mussten ein ganzes Stück laufen. Noch immer waren wir in der Innenstadt, jedoch war es hier ruhiger als an manch anderen Ecken dieser Stadt. Verirrte sich irgendwer –außer uns- hierher? Augenblicklich wohl nicht.

Vor einer massiv wirkenden Tür, völlig unscheinbar neben all den anderen, ebenso unscheinbaren Türen hielt er an. Ein altes Schild, beinahe zu verwittert um noch etwas darauf zu erkennen, zierte den Türbogen. Das einzige Unterscheidungsmerkmal. Irgendwas mit K stand dort… oder war es ein M? Egal… so gut waren meine Augen dann auch nicht.

Als wäre er hier schon zigtausend Mal gewesen schob Mihai die Tür auf. Stickige Luft schlug mir entgegen und ich fragte mich, ob ich heil wieder nach Hause kommen würde. Eigentlich dachte ich öffentlich zugängliche Orte wären rauchfreie Zonen.

Tja falsch Gedacht.

Hier räucherte man sich eben da wo man saß.

 

Ausweise wurden nicht kontrolliert. Dafür warf mir der Barmann einen argwöhnischen Blick zu, während er mit Mihai ein paar Worte wechselte.

Schienen sich zu kennen die beiden.

Ich fragte nicht woher. War mir genau genommen auch ziemlich egal, solange der Kerl mich nicht rausschmiss. Hier drinnen war es, im Gegensatz zu draußen, nämlich richtig schön kuschelig warm. Das machte auch den ganzen Qualm wieder wett.

Das Gespräch der beiden ignorierend ließ ich den Blick schweifen.

Definitiv keine Zwölfjährigen mit wackelnden Möpsen. Die einzigen weiblichen Wesen die ich im Raum finden konnte waren weit über dieses Alter hinaus und saßen, sich angeregt unterhaltend in einer Ecke. Jede eine dünne weiße Kippe im Hals steckend.

Bäh.

 

„Hier.“ Ich sah erst auf, als mir ein Glas an die Brust gedrückt wurde. Das Gespräch war beendet, augenscheinlich, und ich wurde zu einem der wenigen freien Tische gezerrt.

Ich quetschte mich auf eine Ecke der Sitzbank. Von da hatte man einen guten Überblick. Bar und Tür lagen im Blickfeld, außerdem hatte ich die Toiletten entdeckt und einen Nebenraum in dem ein paar Kerle versuchen Billard zu spielen. Versuchten wurde dabei groß geschrieben. Sah lächerlich aus was die da veranstalteten. Meine Oma spielte besser Billard als die. Zumindest meine tote Oma. Was Oma Helga in Kanada von diesem Ballsport hielt wusste ich nicht SO genau.

Schweigend kostete ich das seltsam anmutende Zeug in meinem Glas. Schmeckte ganz gut. Nicht zu süß. Eher leicht bitter, mit irgendwas Fruchtigen darunter. Ganz komische Mischung. Schmeckte aber. „Darf ich das eigentlich schon trinken?“ Fragend musterte ich meinen Cousin, der jedoch keine Miene verzog als er antwortete.

„Wenn du dich benimmst und das Kronos nicht auseinander nimmst oder zu sehr aufmischst, macht dir Sven da vorne sogar noch einen.“

„Kronos?“

„Der Laden hier?“ „Ah…“ Jetzt fiel mir auch auf, dass genau das Über diesem Sven –ein Bulle von einem Kerl, wenn ich ihn mir jetzt so betrachte- auf einer massiven Holztafel an der Wand stand. Wäre das geklärt.

„Woher kennst du Sven?“ Neugierig geworden – Sven passte nicht in das sonst so übliche Schema des anderen was seine Kontakte betraf- musterte ich die scharfen Gesichtszüge des anderen. Noch immer verzog er nicht einmal die Mundwinkel ein Stück.

„Seine Schwester führt einen Pferdehof hier in der Nähe. Die Pferde werden den Winter über bei ihr einquartiert.“

Boah, wie lahm. Da hoffte man auf eine heiße Story und dann kommt er mit Pferden und Svens Schwester.

Nochmal an dem Drink genippt hatte ich Svens Schwester schon wieder vergessen, was auch an den Typen liegen könnte, die ihr Billardspiel aufgegeben hatten und durch die Tür in unseren Raum kamen.

Zwei Minuten später wusste ich, dass sie Mike, Andreas, Hannes und Thomas hießen. Warum?

Tja… unser Tisch war der einzige der noch Platz bot, also quetschten sie sich breit grinsend zu uns. Ich persönlich hatte nichts dagegen. Auch Mihail schien sich gut mit ihnen zu unterhalten. Obwohl, was hieß ‚auch‘. Er unterhielt sich als einziges mit den Typen. Ich stierte nur diesen Thomas ganz unauffällig an und hoffte ich würde nicht sabbern.

SO unauffällig war ich dann doch nicht. Er hatte es bemerkt und grinste mich an. Was sollte ich machen, außer zurück grinsen und zu hoffen, dass ich noch immer nicht sabberte.

Also wenn ich einen Typ Mann hätte… dann den da. Groß, tolle Oberarme, nette Rückansicht, braune Rehaugen und kurze blonde Haare. Leider fehlte ihm jedwedes Talent zum Billard spielen.

Sagte ich ihm auch so… indirekt…

„Euer Spiel da drüben war aber auch ganz schön… fürn Arsch...“

Etwas beleidigt rutschten die Blicke der drei anderen zu mir, ehe sie sich wieder meinem Cousin zuwandten und über was auch immer redeten.

„So, so. Fürn Arsch. Aber du kannst es besser?“

„Meine Oma kann es besser.“

Wir hatten gewettet, wer besser ist. Der Verlierer zahlt den Drink des anderen.

 

Ich dürfte mittlerweile ziemlich angeheitert gewesen sein. Fünf Spiele. Fünf Drinks… alle für mich. Fand er irgendwie uncool.

„Tja ich weiß halt wie man mit so was umgeht.“

Ich musste wirklich einen im Tee haben, um solche platten Sachen zu bringen. Normalerweise spielte ich nicht demonstrativ mit den Billardkugeln. Nicht wenn ich dabei grinste wie eine läufige Katze. Falls die Grinsen konnten.

„War mir schon fast klar.“ Thomas wirkte, entgegen meiner Vermutungen, nicht ansatzweise irritiert. Wenn mich mein trüber Blick nicht täuschte grinste er mindestens genauso komisch wie ich. Ich hätte ein, zwei Runden absichtlich verlieren sollen. Das Zeug ballert ganz schön rein. Und das sollte was heißen. Felix‘ Geburtstag hatte ich schließlich auch mit klarem Kopf verlassen, obwohl ich mehr intus hatte als die anderen.

 

„Was machst du anders als ich? Was lässt dich gewinnen, Kleiner?“ Seine Stimme einem Schnurren gleich, trat er an mich heran, schlang von hinten die Arme um mich.

Er fühlte sich definitiv an wie er aussah.

Geniaaaaaal… Oh Gott. Scheiß Teeniehormone. Hoffentlich benahm ich mich nur in meinen Gedanken so lächerlich.

Kurzer Seitenblick nach oben.

Nein der peinliche Laut war nur in meinem Kopf zugegen gewesen. Glück gehabt.

Aber was hatte er gefragt?

Irgendwas mit Anders und Gewinnen…

War auch fast egal. Reden konnten wir beide nicht mehr. Knutschend in einer Ecke zu stehen war einfach viel cooler. Und so erwachsen…

Zum Glück musste ich mir selbst nicht dabei zusehen.

 

Ich ließ erst von ihm ab, als ich Schritte hörte. Die Kerle die den Raum betraten musterten uns zwar, doch gingen sie Kommentarlos weiter zu dem Darts Automaten in der anderen Ecke. Kein dummer Spruch, kein abfälliger Blick. Lief anders als sonst. Irgendwas war am Kronos seltsam. Was würde ich noch herausfinden. Später. Oh, ja. Viel Später.

Thomas‘ Lippen lockten zu sehr, als dass ich sie länger ignorieren konnte.

 

„Soll ich dich nach Hause bringen?“

Die Anspielung war deutlich. Sehr deutlich. Ich nahm aber niemanden mit nach Hause. Obwohl ich für ihn schon eine Ausnahme machen würde. Er sah nicht so aus, als wüsste er nicht wie der Hase laufen würde. Nein… eigentlich sah er so aus, als würde er es nicht anders wollen.

Viel zu erwachsen der Kerl…

„Du Thomas…?“

„Hmm…“, brummend ließ er es zu, dass ich einen Schritt zurück machte und seinen erneuten Lippenangriffen entkam.

„Wie alt bist du eigentlich?“ Ich war nur neugierig. Älter als Mihail sah er nicht aus.

„26, warum?“

„Okaaaaay….“ Mir fiel die Kinnlade etwas herunter. „So nekrophil bin ich dann doch nicht….“ Das musste ich kurz sacken lassen. 26… Oha, das waren elf Jahre… Er hatte sich höchstwahrscheinlich das erste Mal einen runtergeholt, als ich aus meiner Mutter gepurzelt bin.

„ Bitte?“ Leicht pikiert schaute er mich an. Hatte ich was Falsches gesagt? Achja… nekrophil… nahmen die meisten nicht so gut auf. Selbst wenn sie, wie Thomas hier mit seinen 26, bereits mit einem Bein im Grab standen.

„Ich bin 15…“ Klärte ich ihn darum auf. Er sollte nicht sauer sein… nur weil er mir eindeutig zu alt war… Trotzdem war er irgendwie heiß… vielleicht hätte ich… Ach nein.

„ Oh…. Sch…“ Genau Großer. Mein Gedanke.

„Wir sollten zurück zu den anderen, oder?“

Bestätigend nickte der Blonde. „Oh, ja…“

Und weg war er.

Schade auch.

Hatte nen geilen Arsch der Opi…

 

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Ein neues Kapi, mit nur einem der Geburtstagskinder.

(An der Stelle alles Gute an Jaja und Oli *auch wenn wir in der Geschichte nicht so weit sind* und natürlich an alle anderen die heute Geburtstag haben)

Ich hoffe ich konnte euch mit dem gestern angefangenen Kapitel (ja ich hab mich dazu gezwungen!) noch überraschen und wünsche euch nen guten Start ins neue Jahr, in welchem ich hoffentlich nicht ganz so schreibfaul bin.

 

LG

Konfrontation

*Oliver*

 

„Guck mal Oli, guck mal.“

Da ich einfach keine Lust hatte zu gucken ignorierte ich die nervige Aufforderung meiner Schwester, während ich sie mit mir in unsere Straßenbahn zog.

Als guter Bruder durfte ich sie  jedes Mal vom Schwimmen abholen… oder von ihrer scheiß Gymnastik…. Oder was auch immer sie noch machte. Als hätte ich selbst kein Leben.

Hatte ich vermutlich auch nicht, sonst würde ich bestimmt ein paar gute Gründe finden sie nicht jedes Mal abzuholen.

„Olllliiiiii“

„Was denn?“ Etwas gereizt fuhr ich sie an. Sie zuckte nicht einmal mit der Wimper… eigentlich sollte ein großer Bruder imposanter sein.

„Ich hab Jaja gesehen.“

„Wo?“ Fast schon war ich etwas erschrocken. Verfolgte der Kerl uns? Manchmal kam es mir so vor. Ich wurde eindeutig paranoid… nicht gut.

Einfach ignorieren.

„Na da.“ Seufzend deutete sie auf die Scheibe. Draußen konnte ich jedoch niemanden ausmachen, der auch nur ansatzweise wie das Zirkusäffchen aussah. Außerdem versperrte mir ein Riese von Mann den Blick.

„Da ist kein Jascha, Kleine. Hast du dir nur eingebildet.“ Gott, Imma war ja schlimmer als ich. Wenn ich mich von ihm verfolgt fühlte war er wenigstens körperlich anwesend. Auch wenn sein Interesse dann weniger mir galt, als meinem besten Freund.

Ich konnte immer noch nicht glauben, dass die beiden zu seinem Geburtstag fast… Oh Gott… nicht drüber nachdenken. Nachdenken führ zu Kopfkino. Kopfkino will ich nicht. Kopfkino ist böse.

 

Außerdem es war nur FAST passiert. Also nix schlimmes an sich. Wenn man einen zu viel im Tee hatte kann’s schon mal passieren das man mit ‘nem Mädel rummacht was eigentlich ein Kerl ist. Nicht, dass mir das schon mal passiert ist. Nein. Nein!

Man musste ja auch nicht gleich schwul sein, nur weil einem so was einmal passiert ist. Oder vielleicht zweimal… Oder viermal. Man ich hatte halt immer Pech, was waren die Weiber dort auch hässlicher als Kerle!

Jascha war bestimmt nicht schwul. Nein. Röcke trugen auch die Schotten. Rosa Klamotten? Pff, Gleichberechtigung für alle; Emanzipation der Männer an die Macht. Und die langen Haare? Einfach, Metal-Fan, einmal zu viel ‚A Song of Ice and Fire- Game of Thrones‘ gelesen… außerdem sind die Haare schön. Extrem männlich.

„Nein Oli, er war da. Guck doch!“ Unsanft boxte Imma mir in die Schulter und deutete erneut nach draußen, während die Straßenbahn sich ruckelnd in Bewegung setzte.

„Imma, ich…“ …hab keinen Bock auf die Scheiße, wollte ich eigentlich sagen, verschluckte mich jedoch daran. Da war er. Meine Paranoia war nicht umsonst, ha! Aber wie er da war… die langen dünnen Arme um diesen riesen Kerl geschlungen, der mir die Sicht nach draußen genommen hatte. Ein breites –absolut nüchtern aussehendes- Lächeln auf dem Gesicht, während er dem Kerl einen Kuss aufdrückte. Verdammt. Meine schönen Theorien waren dahin. Nur für ihn. Ich würde jetzt nicht durchdrehen.

„Er sieht mich gar nicht…“

Er schob dem Kerl ja auch grade die Zunge in den Hals! Statt ihr das an den Kopf u werfen schwieg ich. Ignorierte das gerade gesehene. Versuchte es zumindest.

„Und warum küsst er den Mann da?“ Neugierige Augen bohrten sich in meinen Schädel. Wenn ich nicht bald reagierte schossen Laser daraus hervor um die Informationen direkt aus meinem Hirn u schälen… höchstwahrscheinlich.

„Weiß nicht, vielleicht ist es sein Freund.“

„Aber das war doch ein Mann… Ich dachte man kann nur als Frau einen Freund haben. Und Jaja ist auch ein Mann.“

Musste ich ihr das ganze wirklich erklären? Konnte ich dieses Thema nicht meiner Mutter überlassen? Die war eh viel besser im Erklären als ich. Und die musste tolerant tun. Immerhin war sie ein Vorbild für Kinder.

„Imma…“ ich seufzte kurz. Machte ich das wirklich? „Mittlerweile ist es nicht mehr verboten, dass auch Männer einen Freund haben können. Frauen dürfen im Gegensatz dazu sogar eine Freundin haben.“

Kurz sah sie mich stumm an, nickte dann jedoch. „Cool.“ Das wars. Kein: wieeeesooooo? Keine tieferen Details… war doch einfacher als gedacht. Das der Kerl im Strickpulli mit der Alditüte mir pikierte Blicke zuwarf wurde ignoriert. Wie die Tatsache, dass ich Jascha gerade mit einem Kerl gesehen hatte.

 

„Du Oli…“ Zwei Haltestellen später bohrte sich erneut die Stimme meiner Schwester in meinen Gehörgang.

„Willst du dann auch lieber einen Freund haben?“ Ihre fragenden Kulleraugen fixierten mich neugierig.

„Was? Nein!“

„Aber du hast doch auch keine Freundin…“

„Nein!“

Damit würgte ich sie ab.

Ich wollte keinen Freund haben. Nein.

Wenn man als Kerl einen Freund haben wollte, dann musste man schwul sein.

Aber das war ich nicht.

Nein.

Ich war nicht schwul.

Neinneinneinneinneinneinneinnein…

 

 

 

…neinnneinnneinneinneinNEIN!

 

Absolut am Durchdrehen schmiss ich die Tür zu meinem Zimmer hinter mir zu.

Ich war es nicht. Ich konnte es nicht sein…

Verdammt, wenn ich mich weiter so aufregte würde ich an Herzversagen sterben bevor ich sechzehn werde.

Aber ich bin nicht…

„Ich kann nicht schwul sein, oder?“ Wie ich an mein Handy gekommen bin wusste ich nicht so genau. Warum ich gerade diesen Satz als erster in den Hörer schrie wusste ich genauso wenig. Vielleicht weil ich hyperventilierte, oder so.

„Hallo Oli, dir wünsch ich auch einen wunderschönen Abend. Mir geht’s bestens danke der Nachfrage.“

„Felix! Lass die Scheiße!“

Seine Gelassenheit trieb mich nur weiter auf die Palme.

„…jaja, red nur so mit deinem besten Freund.“ „Felix!“ Ic hatte keine Geduld für solch ein Spielchen. Nicht jetzt.“

Zu meiner Erleichterung kam er endlich auf den Punkt.

„Also können, kannst du alles –‚auch schwul sein‘ höre ich es hämisch aus seinem Unterton schreien- außer du bist mal wieder zu faul dafür.“

Konnte man zu faul zum Schwulsein sein?

Bestimmt.

Felix am anderen Ende der Leitung war vergessen.

Bestimmt konnte man auch dazu zu faul sein. Meine leichteste Übung.

Immerhin war ich auch zu faul mir eine Freundin zu suchen.

Wer brauchte schon Beziehungen? Kosteten nur Nerven und Zeit.

Ja, eindeutig.

Ich war einfach zu faul für irgendwas… Beziehungen wurden überschätzt. Sex auch. Ich würde einfach für alles zu faul werden…

…dann KONNTE ich gar nicht schwul sein. HA!

 

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jaaa die Bummelliese konnte sich von ihren Avengers FFs, und den Marvel DVDs und der zweiten Staffel von game of Thrones loseisen...

mal sehen wie lange.

 

Lang war dieses Verdrängungskapitel von Oli ja nicht.

Aber besser als nix oder?

 

Am Wochenende werd ich wohl nicht zum schreiben kommen, da ich nach Bremen fahre und mir die Schöne und das Biest angucke. *freu*

 

Bis demnächst

Hobbys

 

*Jascha*

 

Nach dem Schock mit Thomas hatte ich erstmal genug vom Ausgehen… und von Kerlen. Lieber konzentrierte ich mich darauf, die letzten Vorstellungen dieses Jahres hinter mich zu bringen und die Nerven meiner Umwelt zu testen.

Meistens waren es die Nerven meine Mitschüler die strapaziert wurden.

Vor allem Tonys Nerven.

Er war aber auch selbst schuld. Was versuchte er auch jedes Mal wieder mir auf den Sack zu gehen mit seiner ganzen intolleranten Scheiße?

Es war jedoch auch irgendwie witzig wie er anfing nervös mit dem Augenlid zu zucken wenn ich ihn nach diversen unschönen Äußerungen einfach nur anstarrte, ein wissendes Grinsen auf den Lippen. Nicht, dass ich irgendwas wusste…  doch so tun hat noch niemandem geschadet!

Lange hielt er das Starren nicht aus. Keine Minute. Danach fauchte er wütend irgendwas in meine Richtung und stapfte irritiert davon. Bis das Spiel in der nächsten Pause weiter ging.

Wird das nicht langweilig?, wurde ich mehr als einmal von Felix und Oli gefragt, die wohl irgendwie zu meinen Freunden geworden waren… vermutete ich. Nach Äußerungen meiner werten Mutter passten die beiden genau auf das Schema „Freunde“. Gut zu wissen.

„Nee…“, brummte ich mal wieder, mit einer Portion Rigatoni im Mund. Schmeckte nicht wie bei Mama, war aber eines der besseren Gerichte hier in der Mensa. „Findsch imma noch luschdisch…“ ich schluckte kurz, verkniff mir ein ersticktes Husten, weil mir eine Nudel im Hals stecken geblieben war. „lustig, wenn der so unbeschreiblich dämlich dreinguckend abdampft…“

Könnte mein liebstes Hobby werden, wenn es das nicht schon war.

 

Jetzt hieß es aber erst mal, den armen Kerl abkühlen lassen. Er hatte ja ne ganze Stunde, bis er mich wieder ertragen durfte. Ein hoch darauf, dass wir nicht alle Kurse gleich belegten… wenn auch die meisten. Russisch war wohl nicht seins. Mein Glück. Er war einer dieser möchtegern Franzosen, mit ihrem schrecklich nasalen Akzent. Nicht, dass er es konnte… oder dass ich es mitbekam. Immerhin heimste ich mir eine leichte Note ein. Schön wenn man die eigene Muttersprache beherrschte.

„Jascha…“ Entkam es meinem Sitznachbarn zischend. „Hm?“ Grinsend wandte ich meinen Blick vom Lehrbuch zu Oli, der mehr als verdrießlich dreinschaute. Sonst war er der Superschüler. In Russisch war er die absolute Niete, obwohl seine Mutter versuchte ihm Nachhilfe zu geben. Das hier war das einzige Fach, in dem ich besser war als er und es nagte an ihm, dass ER sich etwas von MIR erklären lassen musste.

Dieser Triumph war fast noch genialer als bei Tony…

„Was… wie macht man das?“ Hilfesuchend deutete er auf die Aufgabe über dem Text. Sollte ich es ihm wirklich erklären? Jetzt? Hier, wo die Frau da vorne es mitbekommen könnte?

Kopfschüttelnd schob ich ihm mein Heft zu. Abschreiben dürfte reichen. Hofften wir einfach mal, dass er wenigstens gelernt hatte wie man russische Wörter aussprach, oder dass er nicht der arme Tropf war, der nach vorn musste um sein Ergebnis vorzutragen.

Die Frau war ein Biest (nein nicht Olis Mutter, die Unterrichtete einen anderen Jahrgang in Russisch). In der ersten Stunde wollte sie mich dran kriegen. Nachdem ich sie auf ihre miese Aussprache aufmerksam gemacht hatte –vor der gesamten Klasse, die natürlich kein Wort verstanden hatte- und ihr Stolz etwas angeknackst war ließ sie mich zu frieden.

Die sollte mir mal mit was dummkommen was ich konnte. Tsss.

 

„Diene Aussprache ist miserabel!“

Augen verleiernd stopfte der Angesprochene seine Sachen in den Rucksack. Natürlich war er dran gekommen. Hatte die alte Kuh ihn vermutlich beim abschreiben erwischt… Dreck aber auch. Für ihn. Ist immerhin ne drei geworden, gnädiger Weise, weil es ja wenigstens Ansatzweise richtig war. Dumme Tussi. Das war nicht ansatzweise richtig. Es war goldrichtig. Konnte doch niemand was für, dass Mr.Superschlau eine Nullnummer in Fremdsprachen war!

„Machs doch besser!“ Kam seine genervte Antwort ehe er drüber nachdenken konnte. „Argh… Du…“ Als er seinen Fehler bemerkte –immerhin konnte ich es besser als er- deutete er erst mit dem Finger auf mich, griff dann jedoch seinen Rucksack und machte sich dran, das verhasste Russischzimmer zu verlassen.

Noch eine Stunde. Nur Bio. Zum Glück.

Und vielleicht, wenn ich glück hätte eine Runde Tony-Starren.

Oooh ja. Das wurde bestimmt mein neustes Hobby.

 

Ich ließ mich neben den noch immer verdrießlich dreinblickenden Oli fallen, als ich kurz nach ihm das Klassenzimmer betreten und an meinen Platz gegangen war.

„Jetzt guck doch nicht so sauertöpisch, Miesmuschelchen.“ Klar zog ich auch Oli gern auf, aber wenn der ständig so guckte, dann war das nicht witzig. Wenn er lachte sah er eh viel besser aus…

Ein leises Ts sollte mich vermutlich ruhig stellen. Doch ich wäre nicht ich, wenn ich mich von so was beeindrucken lassen würde.

„Wenn du wieder lieb guckst kriegst du auch ein Küsschen“, gurrend legte ich den Kopf schief –das Wimpernklimpern und Haare über die Schulter werfen ließ ich mal bleiben. ZU theatralisch, selbst für mich- und rutschte provozierend ein Stück näher an ihn ran.

Wie in Zeitlupe wurden seine brauen Rehaugen groß. Ehe seine Wangen –die wie überreife Tomaten zu schimmern begannen- von den tellergroßen Guckern ablenkten.

„Ich…“ kurz stockte er. Schien sich aber schließlich wieder zu fangen. „Ich bin nicht…“ „…schwul. Jaja. Was auch immer.“ Ich kannte diesen Satz mittlerweile. Vor einer Woche oder so kam er irgendwie auf dieses Thema. Als wäre irgendwie an meinen sexuellen Interessen zu zweifeln gewesen. Aber nett dass er nachgefragt hatte und keine Vorurteile schürte von wegen, wenn Kerle Weibersachen trugen und lange Haare hatten waren sie schwul. Felix hatte sich ganz gut drüber amüsiert. Ich auch, aber das musste nicht verraten werden, sonst bildeten die beiden sich nur was ein. Wobei die Frage im Nachhinein betrachtet hohl war. Ich hatte mit Felix rumgemacht. Und er war definitiv männlich. Dann sag mal einer der Kerl sei intelligent. Alles Schmu.

„Hast doch nur Angst, dass ich es wirklich mache und nicht nur heimlich in der Umbleidekabine auf deinen süßen kleinen Knackarsch schiele, wenn du dich so herrlich freizügig zu deiner Sporttasche beugst, die gut geschnittene Unterhose sich straff über deinen Bäckchen spannt und ich mir ausmale was…“

„Halt die Klappe!“ Gab es eine Steigerung für Tomatenfarbe? Wenn nicht musste sie erfunden werden. Olis Wangen sahen nun definitiv so aus. Reichlich ungesund… Dabei kann er sich doch denken, dass ich ihn nur ärgern will. Als würde ich auf seinen Hintern starren… Naja ein bisschen vielleicht aber… Egal.

„Wieso?“

„Weil…“

Ich ließ ihn nicht aussprechen. Stattdessen griff ich meine Federmappe und den Biohefter und schmiss beides auf den Tisch.

„Wusstest du eigentlich, dass ich einen hervorragend funktionierenden Schwulenradar –oder wie auch immer diverse Weiber-Schmonzetten es ausdrücken- besitze? Ich erkenne einen schwulen Kerl auf hundert Meter Entfernung. Dreihundert wenn der Wind gut steht.“

Von der Tomate mutierte er zur Kalkwand, als er meine Worte abwägte und augenscheinlich beschloss, dass ich nicht flunkerte.

„So was gibt’s doch gar nicht.“ Er versuchte seine Stimme ruhig zu halten. Dennoch wirkte er ertappt, bei was auch immer. Als wäre es nicht offensichtlich, dass er ne verklemmte Schwuchtel war, die nicht aus ihrem Schrank raus wollte. Also, das waren Felix Worte, nicht meine. Ich würde so was nie sagen. Obwohl es schon ganz gut passte…

„Und ob. Bis jetzt hab ich noch keinen Kerl erwischt, der nicht angesprungen ist. Auch wenn ich nicht aussah wie ein Mädel.“

„Was beweist das schon?“

Alles wollte ich sagen. Doch ich zuckte nur mit den Schultern.

„Nichts… außer dass ich sehr überzeugend sein kann. Denn wenn ich ein paar Heten erwischt hab, dann haben sie sich nicht beschwert danach… Zumindest nicht bei mir.“

„Das glaub ich dir erst recht nicht. Kein Hetero würde was mit dir anfangen wenn sie sehen, dass du ein Kerl bist.“

Am liebsten hätte ich gefragt, ob er darum wetten will, doch dann hätte es bestimmt nicht funktioniert. Ich gewann Wetten irgendwie nie, egal wie hoch meine „Gewinnchancen“ standen.

„Sieh, Ungläubiger und staune.“

Ich hatte noch genau fünf Minuten ehe der Unterricht losgehen würde. Genug Zeit um mein Können zu beweisen.

„Jascha… nein…“ Oli war meinem Blick gefolgt und deutete mein Grinsen richtig. „Du musst das nicht tun. Ich glaubs dir auch so… okay?“ Sein entsetzter Blick stachelte mich zusätzlich an. Außerdem glaubte ich ihm kein Stück. Wenn er so etwas sagte sollte er es auch so meinen.

 

„Hey Tony…“

Der Hirntod auf zwei Beinen, der ganz cool an der Fensterbank lehnte und mit zwei seiner Kumpels quatschte –und nebenbei versuchte Nat in den Ausschnitt zu stieren- richtete seinen Blick auf mich. Verzog abfällig das Gesicht, sagte jedoch nichts, da er diese Situation nicht kannte. Sonst kam er immer um mich blöd anzumachen. So rum war es noch nie.

„Was willst du Zirkusäffchen?“ Es sollte wie eine Beleidigung klingen, tat sie aber nicht, auch wenn ich wusste, dass es eine war. Beleidigungen verniedlichte man einfach nicht. Wenn dann wäre ich kein Zirkusäffchen sondern ein Zirkusaffe. Viel beleidigender. Ich nannte ihn ja auch kein Arschlöchlein oder Arschlöchchenchenchen oder wie auch immer das verniedlicht werden konnte. Das machte man einfach nicht.

„Nimms nicht persönlich okay?“ Grinsend warf ich mir die Haare über die Schulter nach hinten. Sein Gesicht nahm einen dumpfen Ausdruck an. Die Augenbrauen zogen sich zusammen, bis sie fast in der Mitte aufeinander stießen. In seinem Hirn ratterte es. Er war nicht der Schnellste. Nein, bestimmt nicht.

Deutlicher Beweis war seine Reaktionsgeschwindigkeit, als ich ihn an den Schultern packte, seinen Arsch von der Heizung wegzog und ihm fast ungehindert die Zunge in den Hals steckte.

War irgendwie eklig… lief auch alles ziemlich mechanisch… musste aber sein. Dem entsetzten Röcheln des einen Kumpels zu urteilen sah es auch verdammt echt aus.

Sollte vielleicht Schauspieler werden.

 

Tonys panisch geweitete Augen fixieren mich als wir uns leise schmatzend voneinander lösten. Ich sagte ihm besser nicht, dass er es mit Kaugummis oder Minzbonbons versuchen sollte. Stattdessen grinste ich ihn erneut an, machte diese dämliche Checkerbewegung –ihr wisst schon, Hand zur Pistole geformt, knappes Zwinkern, Tschacka Geräusch mit der Zunge machen- und stolzierte zurück zu meinem Platz, wo ich mit einem angewiderten Blick empfangen wurde.

Oli wollte den Mund aufmachen um etwas zu sagen. Aber noch war ich nicht fertig.

 

„Achja Tony…“ Gespielt verzückt drehte ich mich auf dem Stuhl nach hinten. „Ab jetzt darfst du dich offiziell wie ein homophobes Arschloch verhalten… Naja…“ ich stockte leicht, versuchte einen naiven Blick aufzusetzen. „…zumindest wenn dass da eine allergische Reaktion auf mich war…“

Diverse Blicke glitten an Tony herab, der nun Oli nachahmte und rot wurde um die Ohren, ehe er fluchend aus dem Klassenzimmer stürmte und mindestens fünfzehn Minuten brauchte um zurück zu kommen. Ein Schelm der schlechtes denkt, würde nun spekulieren was er so lange außerhalb des Zimmers trieb. Ich tat es natürlich nicht… neeeeein.

 

„Und?“ Auch der trockene Vortrag über langweilige Zellteilung konnte Oliver nicht vom Lachen abhalten. Lachen war hier als gedämpftes, halb verschlucktes, glucksendes Hintergrundgeräusch, kaum überdeckt vom Polyluxgebrumme, definiert.

„Wie wars?“ Schmunzelnd presste er sich die Hand vor dem Mund, um nicht laut zu werden. Nachdem er sichtlich angeekelt war, fand er es doch amüsant. Er wollte sogar freiwillig darüber reden. Zwar im Unterricht aber immerhin!

„Küss einen Pferdearsch und du fühlst dich immer noch besser.“ Auch ich verkniff mir mein Lachen, auch wenn Tony Geknurre von weiter hinten mich immer wieder dazu animierte. Der hatte seinen Freunden eindeutig ein paar Dinge zu erklären.

 

 

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alternative Kapiteltitel werden gerne gesehen...

Ebenso Motivationsschübe und Entlustlosigkeitspillen....

 

Ich bezweifle fast, dass das nächste Kappi schneller kommt....

Momentan bin ich echt mehr der Leser/ DVD gucker Typ...

wobei ich fast nur Avengers FFs lese und die passenden DVDs schaue.... (Iron Man könnte ich noch mal schaun... Thor und Avengers hab ich nun schon so oft geschaut.... oder doch Captain America?.... Mist blöder dass mir Hulk noch fehlt....

Bettgeschichten...

 

... oder wenn der Schraubenzieher droht 

 

 

*Oliver*

 

Wie ich Kulleraugen hasste.

Vor allem wenn Felix sie machte.

Es sah einfach nur lächerlich aus, dennoch wirkte es. Mit diesem Blick schaffte es einfach JEDER mich um den Finger zu wickeln. Außer vielleicht Miss Busenwunder. Deren Möpse lenkten einfach zu sehr von ihren Augen ab… auch wenn ‚ablenken‘ in diesem Sinne nichts Gutes an sich hat. Ich fand ihre… konnte man die Dinger noch als Brüste bezeichnen, egal, ihre Brüste nicht im Geringsten anziehend. Möpse an sich waren furchtbar. Eigentlich war alles furchtbar was früher oder später auf irgendwelche mehr oder weniger intensiven Aktivitäten hinauslief.

Tse… Wie konnte Felix nur denken ich sei schwul? Ich war eindeutig zu faul für so einen Mist.

Aber zurück zu den Kulleraugen.

Felix hatte sie benutzt. Auf ganz fiese, hinterhältige, absolut bösartige Weise. Während ich fröhlich an meinem Eis schleckte, nichts Schlimmes ahnend natürlich. Aber dann kam es. Der Glubscherangriff.

Und jetzt stand ich hier. Hievte diverse Kartons aus einem verdreckten Transporter und schickte vernichtende Blicke in Richtung Jascha.

„Ist nicht mehr viel. Versprochen“, kam es entschuldigend von dem Schwarzhaarigen.

Aber das hatte er auch vorgestern schon gesagt. Als wir –zu der Zeit noch zu Dritt- Jaschas Zimmer gestrichen hatten. Der Zirkus würde bald die letzte Vorstellung geben- Ein Glück. Ich musste letztens schon wieder mit Imma und ihrer dämlichen kleinen Freundin dahin, schließlich waren sie zu jung um alleine zu gehen. Pff. Andere nahmen in ihrem Alter Drogen, drehten Pornos oder heirateten und bekamen Kinder… Gut… manchmal übertrieb ich… aber hallo. Sie war keine fünf!- und die Wohnwagen mussten zu irgendeiner Inspektion… oder so. Ich hatte nicht wirklich hingehört, als er Felix die ganze Sache erklären musste.

Und jetzt zog er mitsamt Mutter, Vater und Kätzchen in eine definitiv riesige Villa. Während des Streichens fragte ich mich wie sie sich so ein Teil leisten konnten. Zirkus warf bestimmt nicht so viel Gewinn ab, auch wenn der Großvater das ganze leitete. Bisher war meine Neugier noch nicht groß genug gewesen um zu fragen.

Doch während wir versuchten Jaschas Bett –vermutlich neugekauft, mit schwarz glänzendem Metallrahmen, schick verziert. Typisch Prinzessin eben- mithilfe einer kaum vorhandenen Gebrauchsanweisung zusammen zu schrauben, war mein Hirn gar. Die Frage musste raus.

Leises Lachen war seine Antwort. Eine Weile dachte ich, dass würde seine einzige Antwort bleiben. Eine lange Weile, in der sein Grinsen zunahm.

„Das Grundstück mit dem Haus gehört meinen Großeltern.“

Verwirrt zog ich die Augenbrauen zusammen. „Wieso hat dein Zirkusopa hier ein Haus und zieht nicht selber rein?“

Erneut lachte er auf, sog jedoch zischend die Luft ein, als er mit dem Schraubenzieher abrutschte und das Ding sich in seine Hand bohrte.

Igitt…

Na wenigstens war ich kein Weichei wie Felix. Wäre er seit gestern Abend nicht krank -das Magen-Darm glaubte ich ihm kein Stück, auch wenn die üblen Geräusche im Hintergrund echt authentisch klangen- hätte es ihn spätestens jetzt aus den Latschen gehauen.

 

„Autsch“, missmutig zischte Jascha mich an, als ich versuchte den Unfall zu verarzten. Sah von nahem noch übler aus. Sagte ich aber nicht, sondern sprühte fein artig eine halbe Tonne Desinfektionsmittel auf die offene Stelle. Sicher war sicher.

„Mecker nicht du Schussel. Erklär lieber weiter.“ Vielleicht hielt ihn das davon ab mich weiter mit Blicken zu traktieren. Ich war aber auch böse.

Seufzend nickte er und klärte mich auf, die leidlichen Blicke blieben jedoch.

„Meine anderen Großeltern. Den Eltern von meinem Vater gehörte das ganze hier. Die sind aber schon als ich klein war nach Kanada ausgewandert. Seitdem gehört es inoffiziell meinem Vater. Eigentlich steht Tante Jolanda und Tante Luna das Haus hier auch zu… aber die zwei dümpeln in der Weltgeschichte rum… die sind nie hier.“

„Du hast Großeltern in Kanada? Bist du deshalb besser in Englisch als ich?“

Sein Grinsen war eindeutig. „Jeder ist besser in Englisch als du.“ Das war eine Lüge, das wusste er auch. Als Strafe sprühte ich eine neue Ladung von dem Desinfektionsmittel auf seine Hand. „Aber ja, deswegen bin ich besser als du. Ich flieg hin und wieder in den Ferien zu ihnen um Urlaub zu machen. Und ehe du fragen kannst: ja sie wohnen im Französischsprachigen Teil, weshalb ich auch ein paar Brocken Französisch sprechen kann.“

So ein Angeber. Dafür klatschte ich dieses Watteding unsanfter als nötig auf die triefnasse Stelle.

„Okay…. Streber. Aber eine Frage noch… Luna und Jolanda… ernsthaft?!“ Kein normaler Mensch nannte seine Kinder so? Gut kein normaler Mensch wollte diesen grässlichen Farbton in seinem Zimmer haben… außer Jascha… das sollte alles sagen.

„Luna heißt eigentlich Elisa und ist Pflegerin irgendwo unten in Afrika. Die hat im Übrigen auch Nailas Geschwister Kami und Linna wieder ausgewildert… wenn man dieses Reservat als Wildnis bezeichnen will. Und Jolanda heißt Roswita und kümmert sich irgendwo in der Ukraine –oder so. Ich kann mir die ganzen osteuropäischen Dörfer nicht wirklich merken, so peinlich es auch sein mag- um Straßenhunde und diverse ausgebüxte oder ausgesetzte Haustiere.“

Die Infos verarbeitend klatscht ich ein Pflaster auf die mittlerweile verarztete Stelle und nickte zufrieden. Sollte Arzt werden. Bin richtig gut, wenn man mal davon absieht das Wunden nicht in Desinfektionsmittel ertrinken sollten.

 

„Bei euch haben wohl alle was mit Tieren zu tun?“

Seine Hand musternd nickte er. Seine Augen hatten einen zufriedenen Ausdruck angenommen, als er über seine Tanten berichtet hatte.

Schon seltsam, dass er so offen über diesen Teil der Familie redete. Hätte ihn nicht so eingeschätzt.

„Ja. Jolanda und Papa haben beide Veterinärmedizin studiert. Luna nicht, aber die arbeitet schon seit fast …“ Er schien kurz nachzurechnen. „Vierzehn Jahren mit Tieren zusammen. Mit fünfzehn hatte sie sich aber immer nur um die Pferde gekümmert. Danach diverse Praktika, Aus- und Weiterbildungen, Anstellungen in Zoos und Tierparks… bis sie unten in Afrika einen netten Tierarzt getroffen, sich unsterblich verliebt und schließlich beschlossen hat sich da unten häuslich einzurichten, um sich um die Aufzucht von wilden Tieren zu kümmern, die alleine nicht überleben würden.“

„Wie kam Jolanda zu den Hunden?“ Interessiert war ich nun wirklich nicht. Ich war nicht so der Typ, der auf Biografien stand… aber hey, er starrte mich nicht mehr böse an und ich wurde wenigstens kurzzeitig verschont weiter dieses Scheißteil von Bett zusammen bauen zu müssen.

„Ähnlich… obwohl die Hunde eher sie gefunden haben. Nach ihrem Studium hat sie an diversen Unis Vorlesungen gehalten. In irgendeinem ukrainischen Kaff wurde sie von der Uni zu ihrem Hotel kutschiert als ein Hund vors Auto gerannt ist. Das Tier hat überlebt, aber der Fahrer ihres Taxis war außer sich und drauf und dran auf den Hund einzuprügeln. Zwei Tritte konnte Tantchen nicht verhindern. Als der Kerl zum dritten angesetzt hatte war es zu spät. Details erspar ich dir… aber so viel sei gesagt… dem Hund geht es gut und der Fahrer dürfte sein traumatisches Erlebnis überwunden haben. Mit Karlchen –dem Hund- hat es bei ihr angefangen. Sie hatte ein günstiges Grundstück dort gekauft und immer mehr dieser verwilderten Hunde bei sich aufgenommen. Mittlerweile sind manchmal an die Hundert Tiere bei ihr. Nachdem sie ärztlich versorgt und aufgepäppelt worden sind gibt Jolanda sie zu interessierten Familien. Auch wenn manche ihrer Babys nicht vermittelbar sind, da sie psychisch doch ganz schön einen Knacks weg haben..“ Kurz schüttelte er sich, als würde er sich an einen bestimmten ‚Knacks‘ erinnern.

„Nun aber genug von diesem sentimentalen Mist. Mein Zimmer räumt sich nicht von allein ein. Und das Bett steht auch noch nicht… Würde Felix nicht kneifen wären wir schon lange fertig.“

 

Verdammt… er hätte ruhig weiter labern können. Das Bett war, falls ich es noch nicht erwähnt hatte, HORROOOOOOR! Konnte er nicht auf einem Futon schlafen? Oder die Matratze auf den Boden legen? Der war doch eh nicht lange hier!

Aber wenigstens dachte er auch, dass Felix sich drückte.

Der konnte auf jedenfall was erleben.

Erst mich dazu bringen hier mit zu helfen –das ganze würde dann schließlich schneller gehen und Jascha war immerhin unser Freund, tse- und dann das…

Dämliches Ar…

„Komm endlich oder muss ich dir einen Schraubenzieher in den Arm rammen damit du endlich in die Pötte kommst?“ Drohend schwenkte er besagtes Mordinstrument und schließlich setzte ich mich, schwer schluckend und mit Angstschweiß auf der Stirn –immerhin kannte ich sein Geschick mit dem Teil- in Bewegung. Man sollte immer das kleinere Übel wählen… oder?

 

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Ich war wieder fauler als faul....

sorry...

aber es gibt soooo viele Dinge die mich gerade so nett ablenken wollen....

Bücher springen in meine Hände wenn ich tippen will. Bilder schreien danach gemalt zu werden. Comichefte müssen getötet werden, damit ich tolle Schuhe habe....

alles gaaaaaaanz wichtige Sachen...

 

 

ähm... naja ok nicht wirklich....

mir tuts auch leid, dass das hier nur ein Lückenfüller ist.... aber ich muss grade umdisponoeren... irgendwie passt das ganze nicht mehr so, wie ichs geplant habe.... grrrr wieso machen die Kerle immer was sie wollen?

Und wieso wollen sich andere Sachen immer in meinen Kopf schleichen, damit sie endlich geschireben werden....

aber ich kann doch nciht alles auf einmal *heul*

Einweihung

 

*Jascha*

 

Eine Woche nach meinem Schraubenzieherunglück war unser temporäres Heim bewohnbar. Zeit zu entspannen… Wäre da nicht Felix, der eine Einweihungsparty für UNBEDINGT notwendig hielt.

Als ich zugestimmt hatte –nur um meine Ruhe zu haben- konnte ich ja nicht ahnen, dass er den kompletten Jahrgang eingeladen hatte.

Meine Eltern fanden die Idee toll. Ich nicht. Diese Verräter hatten beschlossen mit Onkel Tomasz, Onkel Millo und Co. Den Abend zu verbringen, ehe unsere Wege sich für eine Weile trennten. Die Winterpause –auch wenn noch gar kein Winter war- nutzten alle um die Verwandtschaft außerhalb des Zirkus zu besuchen, oder endlich mal richtig Urlaub zu machen ohne die ganzen anderen Nervensägen um sich zu haben. Wenn man die ganze Zeit aufeinander hockte entwickelte man leicht Mordgedanken… auch wenn man sich eigentlich liebte.

 

Und so verbrachte ich den Abend, der eigentlich gemütlich werden sollte –nur Naila, ich…und gezwungenermaßen meine beiden Helfer- in einer lärmenden Menge, die die untere Etage meines Hauses belagerte.

Die zweite Etage wurde nur verschont, da Naila oben vor der Treppe lag und diese Schisser sich nicht an ihr vorbei trauten. Wenigstens eine die meine Meinung über diese Leute teilte. Die sollten weg bleiben… oder mich anhimmeln, aber das stand heute nicht zur Debatte.

Wenigstens hatte noch keiner gekotzt. Ich hätte denen auch was gehustet. Der Teppich ist neu. Sollten sie woanders kotzen.

 

Irgendein Idiot hatte die Anlage meiner Mutter entdeckt. Nun schmetterte ohrenbetäubender Lärm durchs Haus. Gar nicht meine Musikrichtung. Wenn ich Musik hören wollte die man auf Malle hörte wenn man einen zu viel im Tee hatte, dann würde ich nach Malle fahren und mir einen antrinken.

„Geiles Haus!!!“ Plärrte mir irgendwer entgegen, übertönte dabei jedoch kaum das sinnlose Gebrabbel, das aus den Boxen drang. Wer es war? Wenn ich das nur wüsste. Als ich mich herablassen und nachsehen wollte war er oder sie oder es weg. Sollte mir recht sein. Ich gammelte gern alleine auf Papas Lieblingssessel herum und verscheuchte jeden der das Ding auch nur schief ansah. Meine Erzeuger waren zwar für dieses Ereignis hier… doch wenn dem Sessel irgendwas passierte… oh das gäbe Ärger. Ganz gewaltigen. Der Ausbruch dieses komischen Vulkans und der damit verbundene Untergang Pompeis wäre ein Scheißdreck gegen den Ausbruch meines Erzeugers. Jede Wette.

 

„Siehst ja nicht begeistert aus…“

Eine sehr schlaue Feststellung einer angeheiterten Eule. Grinsend und tadelnd einen Finger erhoben –wir sollten nicht übertreiben- hatte meine Mutter Getränke bereitgestellt. Nicht wirklich harmlose. Wie konnte Papa nur so eine Frau heiraten?

Aber ich sollte mich nicht beschweren. Musste ich mich nicht heimlich drum kümmern. Und wenn sich einer was einfing deswegen wussten wir wenigstens an was genau es gelegen haben könnte.

„Sollte ich begeistert aussehen?“

„Eigentlich schon. Ist immerhin deine Party.“ Grinsend ließ er sich auf meinen Schoß fallen. Sein Wuschelkopf sank seufzend gegen meine Schulter während sein Glas verdächtig ins Wanken geriet.

„Aber nicht meine Gäste.“ Das stellte ihn ruhig. Er wusste, dass ich sauer auf ihn war, weil er mir diesen Mist eingebrockt hatte. Er und Oli der seltsamerweise verschwunden war. Ob Marie ihn verschleppt hatte? Oder hatte ihn Natalie im Waschbecker ertränkt? Alles möglich. Seine Leiche würde ich so oder so irgendwann finden, also keine Panik.

„Schmeiß sie doch raus.“

„Damit ich der Böse bin?“

„Sowieso…“

Ich spürte sein Grinsen an meinem Hals. Mistkerl.

„Runter von mir. Und halt den Platz war. Muss nur mal kurz in die Küche…“ Und heimlich mein Schauspielerisches Talent aus dem Alkoholsumpf holen, der sich in meinem Hirn gebildet hatte.

Wenn das Zeug schon mal da war konnte ich auch zulangen…

„Was hast du vor?“ Misstrauisch wanderte seine linke Augenbraue nach oben. Es sah eher witzig aus als skeptisch, da seine Augen einen Augenblick brauchten um mich zu fokussieren und ernst dreinzublicken. Ja, was hatte ich vor?

Das würde mir hoffentlich einfallen wenn ich unseren Kühlschrank plünderte. Falls noch irgendwas da ist. Ich hatte ein paar der Jungs verdächtig aus der Küche schleichen sehen.

 

Leer war der Kühlschrank nicht… aber die Typen hatten ordentlich zugeschlagen. Mein Pudding war weg –den wollte ich morgen… ach nee heute, noch essen ihr Blödmänner!- ebenso die Überreste von Mamas Nudelsalat. Die würde toben und nie wieder eine Party erlauben. Vielleicht sollte ich mich bei den Fressviechern bedanken. Ach nee, hatten die echt nicht verdient.

 

Die zündende Idee, wie ich die ganzen Kackbratzen hier –entschuldigt den Ausdruck- rausbekommen würde, kam mir beim Knabbern an einer Möhre. War zwar eigentlich für den Eintopf morgen gedacht, aber egal. Ich brauchte Möhren zum Knabbern damit mir spontan dämliche Ideen kamen. Und die hier war echt dämlich –im Nachhinein betrachtet- aber effektiv wie sich herausstellte als ich die Musik leise drehte und panisch in den Raum rief, welches Arschloch sich an Nailas Essen vergriffen hatte.

Diverse Augenpaare richteten sich auf mich.

„Ich wiederhole: wer war es? Der wird die Sache nämlich ausbaden! Wenn sie nicht aller sechs Stunden was zu fressen kriegt dann…“ Wie auf Kommando ertönte ein fauchen von der Treppe und eine zuckende Nase kam in mein Sichtfeld.

Die Gäste die am nächsten an der Treppe standen wichen ein paar Schritte zurück, unauffällig ihre Gläser abstellend und schließlich ganz flüchtend.

„Oh ganz toll. Das letzte Mal als sich einer nicht an ihre Fressenszeiten gehalten hat war…“ theatralisch seufzte ich. „Armer Tropf der das ausbaden darf…“

Innerlich auflachend genoss ich die panischen Gesichter und das Haus, was sich im raschen Tempo leerte.

„Dein Glück, dass wir alle zu besoffen sind, um zu erkennen wie rieeeesig diese Lüge war“, lachend stellte Marie sich neben mich und drückte mir ihr leeres Glas in die Hand. „Welche Lüge?“ Unschuldig blinzelte ich sie an. Leider hatte ich vergessen, dass Weiber gegen so was immun waren.

„Ach komm schon… Das Kätzchen hat bis gerade mit Oli oben auf der Treppe geschmust… als würde sie uns fressen wollen…“ Augen verdrehend verabschiedete sie sich von mir. Was seltsam war, da sie mich sonst nicht ausstehen konnte. Zumindest hasste sie mich als sie mich noch für ein Mädel gehalten hatte.

Die Zeiten schienen sich zu ändern. Verdammter Mist aber auch…

 

Mit einer Flasche lauwarmen Bier in der Hand schloss ich die Vordertür ab –alle von mir unerwünschten Gäste waren weg- und begab mich durch die Terrassentür in den Garten, wo die zwei Überbleibsel, die geplant hier waren, sich auf der Hollywoodschaukel breit machten und an ihren Flaschen nippten. Naila hing halb auf Olivers Schoß, was vermuten ließ, dass Marie vorhin nicht gelogen hatte. Wann die beiden Faulpelze sich wohl angefreundet hatten? Sonst trat Blondi meinem Kätzchen doch eher skeptisch gegenüber…

„Macht Platz“, ohne abzuwarten quetschte ich mich zwischen die beiden, die bestiefelten Füße fanden ihren Platz auf dem hölzernen Gartentisch.

Leise Proteste kamen auf, flauten jedoch ab, als ich nicht reagierte, sondern nur an meinem widerwärtigen Bier nippte. Wer hatte das Zeug nur im warmen Wohnzimmer deponiert?

Felix‘ Finger lenkten mich von Drohungen gegenüber diesem Hirni  ab. Mit geschlossenen Augen spielte er mit meinen Haaren. Machte er ganz gerne. Sollte er doch. Er durfte das. Manchmal.

Ich war gerade in Gönnerstimmung. War immerhin schon drei Uhr morgens.

Deshalb ließ ich es Oli auch durchgehen halb auf mir hängend zu schlafen. Solange er nicht anfing zu sabbern war alles gut.

 

„Lass uns ins Bett gehen…“

Verschlafen drückte Felix das Gesicht gegen meins. Leicht nickend stimmte ich zu. Auch mir fielen die Augen fast zu. „Hilf mal Oli hochzuhieven…“ Alleine bekam ich den schweren Toffel bestimmt nicht weg. War schwerer als er aussah.

 

Zu zweit schafften wir es Oliver dazu zu bringen wenigstens so weit zu kooperieren, damit wir ihn nach oben in mein Zimmer buxieren konnten.

Meine Mutter hatte Luftmatratzen in mein Zimmer gebracht. Zum aufpusten und beziehen hatten wir jedoch alle keine Lust mehr, weshalb ich beschloss, dass mein Bett auch drei Personen aushalten könnte. Nicht, dass ich da noch irgendwas dran ändern könnte. Felix lag ja schon im Bett… halb unter Oli begraben und um sein Leben kämpfend.

War ganz witzig ihnen zuzusehen.

Grollend stupste mir Naila ans Bein. Ihr Blick sprach Bände. Das Vieh war echt unheimlich, wenn sie mich ansah, als wüsste sie was ich tun sollte und was nicht. Sie sollte sich abgewöhnen mein Gewissen zu spielen.

„Ist ja gut…“ Gab ich schließlich nach, als sie nicht aufhörte mich streng anzustarren wie meine Mutter es tat und zerrte die blonde Schlafmütze von der sterbenden Eule herunter. Elender Simulant.

 

„Frühstück!!!!“ Krachend wurde meine Zimmertür aufgestoßen und dutzte gegen die Wand. Ich hätte wetten können, dass der Putz anfing zu bröckeln. „Maaaaa…“ Nölend zerrte ich an meiner Decke, als diese jedoch nicht nachgab schlug ich die Augen auf, versuchte die Frau aus meinem Zimmer zu vertreiben. Egal wie sehr ich sie auch liebte… mir brummte der Schädel, sie hatte mich nicht SO zu wecken.

„Nichts da ‚Maaaaa‘. Es ist fast zehn. Und es ist Sonntag. Du weißt was das heißt. Raus, hopp hopp ihr Schnapsleichen!“ Unbeugsam fies brüllte sie weiter ins Zimmer, bis es hinter mir zu zappeln begann.

Zufrieden mit ihrer Aktion verschwand meine Mutter aus dem Sichtfeld, ließ jedoch die Tür offen. Blöde Kuh…

 

„Oli… nimm den Arm weg“, grummelnd schob ich den Blonden von mir weg. Löffelchenstellung schön und gut… aber…. Bäääähhhhrrrrr…. Nicht JETZT. Unzufrieden mit mir selbst rollte ich mich aus dem Bett und beschloss, dass ich dringend eine Dusche brauchte. Ich stank schlimmer als jede Kneipe.

„Feli…“, setzte ich an ihn zu informieren, dass ich nach nebenan verschwinden würde, hielt jedoch inne, als ich das entzückende Bild sah.

Käutzchen und Grummelbär kuschelnd… das wurde definitiv mein neues Hintergrundbild. Für peinliche Fotos von anderen war immer Zeit. Auch jetzt. Die Dusche konnte auch noch zehn Sekunden warten.

 

Leise zog ich die Zimmertür hinter mir zu. Sollten die beiden noch etwas den Schlaf der Gerechten schlafen… auch wenn es mich wurmt, dass die Idioten bei dem Krach meiner Mutter einfach weiterschlafen konnten. Was würde ich für diese Fähigkeit geben.

 

 

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So...

neues Kapitel....

nun kann keiner mehr meckern ich wäre lahm...

 

Aber erwartet nicht, dass es so schnell weiter geht...

Auch wenn ich ne Idee hab...

Kater

 

 

*Mascha*

 

Skeptisch wurde ich über den Rand der Zeitung gemustert. In den letzten Jahren hatte er diesen Blick perfektioniert. „Was?“ Unschuldig hob ich die Hände, versuchte dabei nicht das Handy wegzuwerfen, wie es mir doch ganz gerne einmal passierte.

„Was hast du angestellt? Wolltest du nicht die Jungs wecken?“ Die zweite Augenbraue wanderte zu der anderen nach oben.

Als ich nicht antwortete, faltete Jochen die Zeitung zusammen und legte sie beiseite. „Raus mit der Sprache Mischka…“

Ohhh, wenn er mich schon Mischka nannte. War ganz kanpp davor mich mit vollem Namen anzusprechen. Mit vollem Namen plus Mädchennamen. Wenn der noch kam dann wurde es eng.

„Nichts wirklich…“ Engelsgleich schwebte ich durch die Küche und machte mich auf seinem Schoß breit. Wenn ich schon mal die Gelegenheit dazu hatte, musste ich sie nutzen. Kam nicht allzu oft vor.

„Ich war nur oben und… die drei sind so niedlich… Ich konnte sie noch nicht wecken.“ Erneut traf mich sein skeptischer Blick.

„Warum glaubst du mir nur nie?“

„Weil du auch die Terminator-Filme süß fandest?“  Hielt er mit einem erschreckend zutreffenden Argument entgegen. Verdammt.

Dabei mochte ich diesen Fleischberg nicht einmal… aber die Idee eines Roboters in Lederjacke… uuuh…. Ließ mich kreischen wie ein junges Mädchen.

Verträumt lehnte ich den Kopf an Jochens Schulter, während ich mit dem Zopf spielte, den er selbst zu so früher Stunde trug. Welcher normale Mensch stand nur um halb zehn auf?

Innerlich schüttelte ich mich.

Jochen war bereits um kurz vor sieben wach gewesen. Dumme Angewohnheit, wenn man sich um Tiere kümmern musste, auch wenn die Tiere bereits wo anders untergebracht waren.

Pferde hätten wir hier nun wirklich nicht unterbringen können. Naila war  ja schon hart an der Grenze. Die Behörden würden sich wieder affig haben, wenn sie etwas spitz kriegten.

Dämliche Idioten.

„Könntest du das lassen?“

Erschrocken fuhr ich zusammen, fiel dabei fast von Jochens Schoß. „Was?“

„Du sollst aufhören mir an den Haaren zu ziehen.“

„Oh.“ Augenblicklich löste ich meinen Griff. Ich hatte nicht einmal bemerkt, dass ich so fest zugegriffen hatte. War aber nicht weiter verwunderlich. Immer wenn ich an Behörden oder Anzugträger dachte schwoll mir der Kamm.

„Besten Dank…“ Erleichtert strich er sich durch die malträtierte Haarpracht. „…aber nun raus damit. Was hast du angestellt. Irgendwas ist. Sonst hätte ich den Morgenmuffel schon gehört.“

 

Ich verlor das stumme Blickduell, das unweigerlich folgen musste. Augenrollend griff ich nach meinem Telefon –wobei dieses Ding wenig von einem Telefon hatte… mehr von einer Science-Fiction-Monster-Maschine- und suchte nach meiner Errungenschaft. Es dauerte eine Weile, doch dann fand ich es…

„Da!“ Verzückt hielt ich ihm das Gerät entgegen.

„Oh…“

Oh? Irgendwie hatte ich mehr erwartet. Von wegen Privatsphäre und diesem ganzen Pipapo. Doch nichts dergleichen. Stattdessen brummte er irgendwas, das klang wie ’lass es ihn nicht sehen oder er jagt das Ding in die Luft‘. Auch gut. Freute ich mich eben allein über das herzallerliebste Bild.

Mein kleines Kätzchen hat neue Freunde.

Ich war eine glückliche Mutter.

Wirklich. Er fand selten Anschluss, auch wenn er eigentlich so ein geselliger Junge war.

 

„Die drei erinnern mich irgendwie an die Katzen die unser Nachbar mal hatte…“ Jochens Kinn lehnte sich auf meine Schulter während er das Bild erneut musterte.

„Katzen?“

„Naja… Kater… Jascha ist das garstige Biest, was dir erst um die Beine schnurrt und dann kratzt und beißt. Der Lange da, erinnert mich an den dauerrolligen Kater, der jeder Nachbarkatze hinterher scharwänzelt ist. So wie er die beiden von hinten umschlingt wie eine Würgeschlange… Das Vieh hing immer so an Vatis Gummistiefel gekrallt.“

„Und Oli?“ Das interessierte mich wirklich. So eingequetscht zwischen den beiden anderen wirkte er eher wie eine Sardine. Wobei sein seliges Grinsen an ein Kätzchen erinnerte, dass eine Schüssel Sahne zum Frühstück weggeschleckt hatte.

„Ist der faule Kater der immer nur träge im Weg lag.“

„Fies…“

„Nur knapp ehrlich. Und jetzt, ab mit dir an den Herd Weib ich hab Hunger!“ Grinsend schob er mich von seinem Schoß, gab mir einen spielerischen Klaps auf den Hintern. Wenn es nicht alles scherzhaft wäre… ich müsste ihm wohl die Eier abschneiden… Aber ich mochte sie ganz gerne… Und ich wusste, dass er selbst eher die Küche in Brand stecken würde als etwas Essbares zu fabrizieren.

In Gedanken ging ich durch, was ich den Herren der Schöpfung kredenzen könnte. Pfannkuchen wären vielleicht ganz nett. Hatten wir noch Eier da?

 

Ein Blick in den Kühlschrank verriet mir, dass wir wirklich noch welche hatten. Dafür hatte sich jemand an meinem Nudelsalat vergriffen. Nur die leere Schüssel stand noch da.

Wer auch immer das war… gut der konnte nichts erleben, da ich ihn vermutlich nie erwischen würde… aber wozu hatte man Kinder.

Die Kühlschranktür knallend stakste ich mit aufgebrachten Schritten davon.

„FRÜHSTÜCK!“ Energisch riss ich die Tür auf. Ließ sie sogar absichtlich gegen die Wand knallen –was ich sonst NIE gutheißen würde!- und schrie die Jungs beinahe aus dem Bett.

Aber nur beinahe.

Jede Leiche reagierte mehr. Nur mein Spross regte sich widerwillig.

Verdammt.

So ging das doch nicht.

Erst mein Salat und nun lassen die sich nicht mal ärgern.

Da musste wohl eine andere Strafe her.

Einen Moment lang dachte ich drüber nach, das Duschwasser kalt zu drehen… doch dann beschloss ich, dass es schlimmer für sie werden würde, wenn sie ihren Mist von heute Nacht selbst beseitigen müssten. So wie es im Wohnzimmer ross, musste da einiges getan werden.

Ich hoffte nur, dass keiner in meinen Fikus gekotzt hatte.

 

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Ein kleines Spaßkapitelchen aus Mama-Maschas Sicht...

ist nicht so geworden wie ichs im Kopf hatte...

aber naja...

war einen Versuch wert...

Vielleicht meldet sich auch bald mal jemand anderes neben den Jungs zu Wort...

Hoch zu Ross

*Oliver*

 

Mir tat noch immer alles weh nach der Aufräumaktion am Sonntag. Dabei war bereits Mittwoch. Jaschas Mutter war der Teufel. Auch wenn sie Pfannkuchen machen konnte… vom feinsten. Hatte sich fast gelohnt dort zu bleiben. Fast…

Seit Sonntag zierte ein Dauergrinsen Felix‘ Lippen. Nicht mal ich konnte ihm das aus dem Gesicht wischen. Und ich hatte mir mit meiner miesen Laune echt Mühe gegeben.

„Heute wieder bei dir lernen?“

Schwer seufzend ließ der Dunkelhaarige sich neben mich fallen und packte geräuschvoll seine Sachen für die nächste Stunde aus.

„Kann nicht.“ Grummelnd hob ich den Kopf ein Stück und linste über meinen Arm –auf dem ich bis gerade lag und versuchte zu entspannen- zu meinem Banknachbarn.

Mittwoch war Lerntag. Ungeschriebenes Gesetz. Und ich musste zugeben… es war ganz okay. Alleine lernen war immer doof, aber Felix war nicht zum Lernen geeignet. Er redete zu viel, vor allem Müll. Außer es ging mal wieder ans Eingemachte. Wie die letzte Klausur in einem Fach, die den Durchschnitt noch deutlich beeinflussen konnte.

Bis dahin war zum Glück noch ein Weilchen. Auf Halbjahreszeugnisse legte der Herr ja keinen Wert, weshalb ich bis März bzw. April sicher sein sollte.

Jascha war da erträglicher. Er schien wirklich etwas lernen zu wollen.

„Wieso nicht?“ Er klang nicht begeistert. Ich fand es auch nicht klasse. Freitag würden wir Russisch schreiben und diesmal brauchte ich SEINE Hilfe, wenn ich nicht in die Bredouille geraten wollte. Aber ich musste nun mal auf Imma aufpassen.

Immerhin war sie ja nicht alt genug den Nachmittag alleine zu verbringen ohne Blödsinn anzustellen.

Wobei ich ihr den Blödsinn erst einreden musste. Sie war ein kleiner Engel… wenn sie es so wollte.

„Warum kommt ihr zwei nicht zu mir? Mein Vater wollte heute nachsehen wie es den Pferden so ergeht. Wir könnten alle gehen. Reiten macht ihr vielleicht mehr Spaß als alleine mit dir bei euch zuhause herumzulungern.“

Ich ignorierte seinen spitzen Kommentar und wollte auch schon ablehnen, als ich jedoch beschloss, dass es eine ganz gute Idee war. Imma mochte Pferde –glaubte ich- und … ich würde doch den Nachmittag mit Jascha kriegen… Auch wenn mir dieser Gedanke nicht behagte. Ich sollte mich nicht immer auf Mittwoch freuen. Nicht wenn es wegen ihm zu sein schien.

Das Ganze war absurd. Und nachts mit ihm –und Felix- zu kuscheln machte es nicht besser.

„Okay. Können wir nach der Schule gleich zu dir? Müssten Imma dann nur noch aus der Schule abholen. Ist kein großer Umweg.“

Kopfnickend wurde die ganze Sache beschlossen.

 

„Du Oli…“ Den Kopf auf meine Schultern gelegt bettelte er mich mit großen Augen an. „Hm?“ Aus den Augenwinkeln beobachtete ich ihn. Mit Kopfdrehen war in dieser Position nicht wirklich viel anzufangen.

„Hast du die Hausaufgaben?“

Ach darum gings ihm. Fauler Hund. War ja schlimmer als ich.

Murrend reichte ich ihm mein Heft. Wer wusste schon, wann ich mal wieder bei ihm bittebitte wegen diesem Mist machen musste.

„Danke.“ Freudig griff er sich das Heft und drückte mir einen Kuss auf die Wange.

Leicht verzog ich das Gesicht. Einfach so. Machte man eben. Machte ich auch bei meiner Mutter. Ich war zu alt für so was. Doch es störte mich nicht wirklich… man musste aber sein Gesicht waren, nicht? Die ganze Aktion gab Tony so und so genug Zündstoff. Jascha erstickte dessen kläglichen Versuch uns irgendwie zu beleidigen, mit einem süßlichen „deinen Kriegst du später, Herzblatt“ im Keim

Das übliche Pausenbild also.

 

Nach einer ermüdenden Doppelstunde Mathe schlichen wir über den Schulhof, Felix im Schlepptau. „Kommst du auch mit?“ Jascha schaute an mir vorbei hoch zu unserem etwas bleich aussehenden Käuzchen.

„Nee.“ Er fragte nicht nach wohin er mitkommen sollte. Ziemlich untypisch für ihn.

„Wieso nicht? Heimliches Date mit Natalie?“, versuchte ich ihn zum Reden zu bringen, was ich sonst nie machen musste… außer…

„Augenarzt.“

Außer wenn er zum Augenarzt musste. Andere hatten Panik vor Spritzen oder vorm Zahnarzt… er bekam Schweißausbrücke und Herzrasen wenn es um den Augenarzt ging. Komische Geschichte. Wer hatte schon vor so was Angst.

„Na dann… Lass dich nicht umbringen.“

„Mach keine Witze darüber. Es ist ernst. Diese Frau ist das pure Böse“, zischend schlug er meine Hand weg, die ihm spielerisch auf die Schultern klopfen wollte. „Du weißt, dass ich das letzte mal nur knapp überlebt habe.“

Dramaqueen. Innerlich rollte ich mit den Augen. Nickte jedoch bestätigend und hoffte, dass er auf dem Weg keinen Nervenzusammenbruch haben würde. Ich wusste nicht warum er sich so anstellte. Als ich einmal zu ihr musste, war alles gut. Bis auf, dass ich einen Glassplitter im Auge hatte und danach für einige Zeit aussah wie ein Pirat, da ich eine verflixte Augenklappe tragen musste.

 

Umringt von krach machenden Erst- bis Viertklässlern waren wir auf der Suche nach meiner Schwester. Warum konnte sie nicht älter und auf einer anderen Schule sein? Natürlich nicht auf meiner. War schon schlimm, meine Mutter da zu haben.

In einer Horde aus schnatternden Mädchen fand ich sie schließlich und konnte sie erst dazu bewegen mit zu kommen, als Jascha ihr ins Auge fiel.

Auf dem Weg zur Straßenbahn hatte besagter Dunkelhaariger arge Probleme meine Schwester von sich loszueisen, damit er sich setzen konnte, auch wenn sie während des Sitzens weiter an ihm klebte. Die Kleine hatte echt einen Narren an dem Kerl gefressen.

„Jaja… was machen wir heute? Was Tollen, bitte?“

Als würde sie sonst nie etwas Tolles machen. Sie ist genauso eine Dramaqueen wie Felix… und Jascha… die sind alle drei schlimm.

 

„Sind wir bald da?“ Das gefühlte hundertste Mal zupfte Imma an Jaschas Ärmel, ebenso an meinem. „Ja.“

„Aber das hast du auch gerade eben schon gesagt. Und wir sind schon SOOO lange unterwegs!“ Übertrieben schob sie ihre Unterlippe nach vorne und schaute mich schmollend an.

Wie konnte ich auch?

„Kannst du auch mal was sagen?“ Genervt wandte ich mich an den Schwarzhaarigen, der mir das alles hier eingebrockt hatte. Warum nur hatte ich zugestimmt mit ihm den Nachmittag zu verbringen? War ich wirklich so masochistisch veranlagt?

„Wir müssen den Bus da kriegen…“

„Was?“

„Du sagtest ich soll auch mal was sagen. Und ich hab gesagt, dass wir den Bus da kriegen müssen… Also fang an zu laufen.“ Unsanft schubste er mich aus der Straßenbahn, sobald diese die Tür geöffnet hatte, griff sich meine Schwester und hechtete in Richtung Bus. Ich hing natürlich hinterher. Eigentlich hätte ich auch zurück in die Bahn steigen und nach Hause fahren können, doch ich entschied mich dagegen und tat etwas, dass ich sonst nie, NIE, tun würde. Ich rannte zum Bus. Wenn der Nachmittag sich nicht lohnte, dann konnte er was erleben. Umsonst rannte ich bestimmt nicht zum Bus. Unter keinen Umständen. War viel zu anstrengend.

„Ich hasse dich…“

Jascha wusste, dass es nicht so war und grinste um eben dies zu verdeutlichen. Mistkröte. Und meine Schwester war nicht besser. Grinste doch tatsächlich mit.

„Mach Platz“, murrend quetschte ich mich neben meine Schwester, die ihren Sitz nur zu gerne räumte um sich auf Jaschas Schoß zu platzieren.

 

Zwanzig Minuten und etliche ‚wann sind wir da?‘ Fragen später stiegen wir aus dem Bus und ländliche Luft stieß mir entgegen. Na gut… ländlichere Luft. Roch nicht mehr ganz so sehr nach Autoabgasen, hier mischte sich der Gestank nach Kuhscheiße drunter. Herrlich… und dafür war ich so weit gefahren.

„Und wohin jetzt?“

„Meinen Vater suchen.“ Grinsend lief er in eine Richtung davon. Schien genau zu wissen wo er hin wollte, oder tat zumindest so.

Vor einem Kuhstall –zumindest roch es sehr danach- hielt er inne, schaute sich suchend um, ehe er grinsend auf ein Geländewagen zuging. „Und jetzt?“

„Warten bis er raus kommt. Wir dürfen nicht da rein. Seuchengefahr und alles.“ Klärte er uns auf.

Als würde ich da rein wollen. Ich mochte Kühe nur wenn sie gebraten vor mir auf dem Teller lagen.

Wenn die einen mit ihren riesigen Kuhaugen anschauten wollte man nichts lieber als Vegetarier werden… doch ich liebte mein Steak, ohne Wenn und Aber!

„Was macht er da drin?“ Neugierig blickte Imma zu Jascha hinab, der sie ohne viel Mühe auf die Motorhaube des Geländewagens gesetzt hatte.

„Naja… Tierarzt-Sachen. Jetzt wo er sich nicht um nur um Naila und die Pferde kümmern muss hilft er hier in der Gegend aus.

„Werden die Kühe da drin zu Schnitzeln gemacht?“ Noch immer blinkerte sie unschuldig mit den Augen, während sie ihrer Neugier freien Lauf ließ.

„Nein. Das sind Milchkühe. Die produzieren nur die Milch für deine Cornflakes. Zu Schnitzeln werden die nicht.“ Wofür er sichtlich dankbar war, das schrie zumindest der Ausdruck auf seinem Gesicht. Oha… da hatte einer wohl zu tief in treuherzige Kuhäuglein geblickt. Tja, selber schuld würde ich mal meinen.

 

Jaschas Vater war nur mäßig überrascht uns zu sehen. Vermutlich war er einfach auf alles gefasst –sollte man bei dem Sohn und der Frau auch sein.

„Wenn es dunkel wird müssen wir zurück. Deine Mutter killt mich wenn ich zu spät zum Essen komme“, genervt rollte er mit den Augen. Jascha erklärte mir später, dass er und seine Mutter in irgendein überteuertes Restaurant wollten um irgendeinen dämlichen Jahrestag zu feiern.

 

Meine Schwester war schneller aus dem Auto raus, in Reitklamotten drin und auf dem Rücken des Pferdes, als ich hätte Superkalifragelistigexpialigetisch hätte sagen können. Auch wenn ich keinen Grund hatte gerade dieses Wort zu sagen.

„Na komm. Du musst dich auch umziehen.“ Fies grinsend hielt Jascha die Zügel seines Pferdes.

„Vergiss es. Und ich werde auch nicht auf so ein Biest steigen.“

Die beiden Grazien im Reiterdress –warum nur mussten die Hosen so eng sein und die Stiefel so hoch und so gut zu Jaschas Kehrseite passend?- überzeugten mich schließlich doch. Wie, das würde ich nie zugeben. Unter Folter vielleicht… sonst nicht. Auch wenn diese engen Hosen Folter genug waren. Warum musste die Frau, der der Hof hier gehörte, auch was in meiner Größe haben? Verflucht sei ihr Sohn und sein beschissener Farbgeschmack. Mintgrün und Beige waren definitiv nicht meine Farben.

 

Beide versuchten vehement glucksende Geräusche und manisches Gelächter zu unterbinden. Sehr nett. Änderte nichts an der Tatsache, dass ich auf diesem vierbeinigen Monster hing und versuchte nicht zu fallen. Noch wirkte es sanft, ruhig… ja… aber sobald ich mich in Sicherheit wiegte würde es seine wahre Seite zeigen. Doch ich war gewarnt. Ich würde mich NIE in Sicherheit wiegen.

„Stell dich nicht so an. Das ist nur ein Pferd. Ein kleines, herzensgutes Pferd. Kein dreiköpfiger Drache!“

„Sicher?“

 

Zuckerschnute –ja Namen waren noch weniger sein Ding als Farben und Schnitte- und ich hatten ein stilles Abkommen geschlossen. Er tat weiter so als wäre er lieb und ich wagte es mich wie ein normaler Mensch auf dieses Tier zu setzen und nicht mehr ganz so lächerlich zu wirken. Klappte bis jetzt ganz gut. Die beiden grinsten mich hin und wieder nur an, lachten mich nicht mehr aus. Dafür war ich mehr als dankbar.

Wofür ich noch dankbar wäre: ein weiches Kissen. Unter meinem Hintern. So ein Pferderücken ist gar nicht entzückend, warum das nur alle so toll fanden verstand ich nicht.

 

„Nun guck nicht wie zehn Tage Regenwetter. So ein Ausritt ist was Schönes. Vor allem da die Gegend hier ganz schön ist. Wusste gar nicht, dass ihr hier so viel Grün habt.“

Ich schwieg. Schön wenn Jascha es toll fand. Ich mochte es nicht. Erst recht nicht, als er anbot, dass wir am Wochenende nochmal ausreiten könnten. Länger als heute und mit Naila.

 

Imma strahlte übers ganze Gesicht, als sie dies hörte. Bis es schließlich Samstagvormittag war und ich wieder missmutig auf Zuckerschnute hing, hinter den beiden her trabend. Schwankte wie ein Schiff. Ein Glück wurde ich nicht seekrank. Meine Eltern waren hingerissen von der Idee –also meine Mutter war es, mein Vater war nur körperlich anwesend als Imma es erzählt hatte- weshalb sie uns glatt einen Picknickkorb gepackt hatten, damit wir auch schön lange wegbleiben würden. Na hoffentlich gab das nicht noch mehr Geschwister… Ich war definitiv zu alt für so ein schreiendes Plag.

Zuckerschnute scheute hin und wieder, wenn Naila mir einem Affenzahn an uns vorbei rannte und nicht nur die Vögel auf der Wiese aufscheuchte. War ganz niedlich die kleine, große Miez. Wie sie so naiv verspielt versuchte einen Spatz zu fangen. Da will man fast nicht glauben, dass sie ein wildes Tier sein soll.

 

„Ich hab Hunger…“ nörgelnd machte meine Schwester sich bemerkbar.

„Dann suchen wir uns jetzt ein schönes Plätzchen wo wir die Pferde anbinden und unser Picknick machen können.“ Bestimmt nickte der Schwarzhaarige, wodurch sein akkurat geflochtener Pferdeschwanz wild herumhüpfte.

Und gesagt getan wurde ich vom Pferderücken –also eher vom Sattel- befreit und hatte endlich wieder festen Boden unter den Füßen. Ich war noch nie so glücklich darüber auf einer feuchten Wiese zu stehen und mich darum zu streiten wo wir die Decke am besten ausbreiten konnten.

Schlussendlich benutzten wir doch die Holzbank und den Tisch, der von irgendeinem vorrausschauenden Menschen hier errichtet worden war, während die Pferde genüsslich ihr Gras kauten.

Naila lümmelte unter dem Tisch und versuchte mir die Füße zu wärmen, was durch diese grässlichen Stiefel kaum bemerkbar war. War trotzdem nett. Vielleicht sollte ich sie mir mal ausleihen wenn es dann Winter und kalt wäre.

„War nett von deiner Mutter uns was zu Essen mitzugeben. Schmeckt lecker.“

„Die wollte nur mal ihre Ruhe haben.“

„Würde ich auch wollen wenn ich sie wäre…“

„Stimmt.“ Vielsagend schauten Jascha und ich uns an, ehe wir Schulterzuckend weiter aßen. Imma hatte alles in sich rein gestopft und versuchte auf einen der Bäume zu klettern, da  Naila nicht auf ihre Bemühungen sie unterm Tisch hervor zu locken reagierte.

 

„Boah… jetzt schlafen… Das wärs…“

Nein diesmal war ich nicht derjenige mit faulen Ambitionen. Obwohl es mir genauso ging. So vollgefressen wie ich war würde ich nicht auf Zuckerschnute rauf kommen… und wenn doch hing sein Rücken nach dem Heimritt durch und wäre nie wieder zu gebrauchen.

„Ja…“, stimme ich zu. Bewegen ist grad nicht drin. Fresskoma will einsetzen. „Du hast da was…“ Schwerfällig deute ich in Jaschas Richtung.

„Wo?“ Er schaut an sich hinunter, findet jedoch nichts. „Im Gesicht.“

„Hier?“

„Nein da.“

„Wo da?“

Fast schon panisch wischt er sich über das Gesicht. Was man vorher in sich reinstopft entwickelt sich nicht zu ätzender Masse nur weil es im Gesicht landet… Sag ich ihm so nicht. Dafür sehe ich schmunzelnd zu wie er weiter sein Glück versucht, den Fleck jedoch nicht erwischt.

Was es wohl genau ist? Könnte Soße vom Nudelsalat sein oder… hm nein keine Ahnung.

„Oli!“

„Ja doch…“

Seufzend erhebe ich mich etwas von meinem Platz. Mein Finger landet zielgenau auf dem Fleck.

„Da, weg…“ kam es viel zu spät von mir. Irgendwas hat mich davon abgehalten den Finger wegzunehmen. Sah bestimmt bescheuert aus. Wer weiß was da in mich gefahren war. Kerlen ins Gesicht grabschen und auf irgendwas warten war nicht mein Ding. Warm wurde mir dabei sonst auch nicht. (Zu meiner Schande musste ich gestehen, dass ich Felix des Öfteren das Gesicht sauber machen durfte. Keine leckere Angelegenheit)

Kopfschüttelnd bekam ich meinen Kopf frei von was auch immer das war.

„Lass uns zurück reiten. Je eher wir zurück sind desto eher komm ich von dem Monster da weg.“ Misstrauisch linste ich zu Zuckerschnute, der noch immer Gras mampfte und unschuldig tat mit seinen großen Augen.

„Zuckerschnute ist kein Monster. Er ist so lieb.“ Das weitere Geplapper über Pferde blendete ich gekonnt aus. Da hatte ich schon Erfahrung drin, hatte ja Imma zum Üben zuhause.

„Jaja… lass uns einfach zurück Prinzessin…“

Das Prinzessin löste natürlich einen Schwall Proteste aus, dennoch zeigte es Wirkung und er begann die Pferde zu satteln während ich die Überreste unseres Essens verstaute und versuchte Imma vom Baum zu holen. Sie hatte sich jedoch in den Kopf gesetzt jetzt auf Horst zu wohnen. Sie war sich hundertprozentig sicher, dass sie das wollte, immerhin hatte sie dem Baum schon einen Namen gegeben. Ich konnte sie erst mit dem Argument, dass Horst kein Wohnbaum ist und er dadurch unglücklich werden würde, dazu bewegen herunter zu kommen. Damit und weil ich sie mit einer Tafel Schokolade bestochen hatte.

Der Heimritt gestaltete sich genauso wankend wie vorher. Essen war vielleicht keine gute Idee gewesen. Irgendwie wollte mein Nudelsalat dringend zurück ans Tageslicht.

Ich verkniff es mir. Wie sähe es denn aus, wenn ICH auf dem Pferd sitzend kotzen würde? Lächerlich!

 

Die Orientierung hatte ich schon lange verloren. Wären die beiden fies würden sie nun einfach davon galoppieren und mich hier zurück lassen. Allein der Gnade von Zuckerschnute ausgeliefert. Das wäre definitiv mein Untergang. Doch die beiden waren nett und trabten gemütlich vor mir her. Erst als der Hof in Sichtweite kam –ganz weit weg, kaum mehr ein grauer Punkt am Horizont- ließen sie die Pferde schneller reiten. Das Schiff unter mir wollte ihnen nach, das merkte selbst ich. Dämlicher Gruppenzwang!

Panisch hielt ich mich an dem Tier fest, was es jedoch zu animieren schien sein Vorhaben in die Tat umzusetzen –Jascha lachte mich später aus und erklärte mir, dass ich in solchen Situationen nicht die Beine fest an das Tier drücken sollte, da es so dressiert wurde um dabei in Galopp zu verfallen. Hätte er mir vielleicht eher sagen sollen, dieser Idiot.

Als ich mit beten fertig war und mit meinem Leben abgeschlossen hatte wurde Zuckerschnute langsamer.

 

„Du kannst jetzt loslassen.“

Vehement schüttelte ich den Kopf. „Nein…“ Dann sterb ich ganz bestimmt.

„Sieht aber albern aus wie du dich am Sattel festkrallst und wimmerst wie ein Mädchen…“

„Ich wimmere nicht wie ein Mädchen!“ Die Geräusche die ich mache sind äußerst Männlich!

„Ja klar. Komm jetzt runter, sonst sieht Imma dich noch so und zieht dich für den Rest deines Lebens damit auf.“

Gutes Argument.

Vorsichtig öffnete ich die Augen. Alles war ruhig. Nur Jascha stand neben uns und schaute mich abwartend an, während er das Monster unter mir mit einer Möhre bestach. Naila entdeckte ich ebenfalls, doch die hing mit ihrem Kopf im Wassertrog und beachtete uns nicht weiter.

„Okay…“ Mit Schwung wollte ich vom Pferd steigen. Hatte bis jetzt auch immer ganz gut geklappt. (Immerhin ganze zwei Mal!) Doch dieses Mal wollte mich mein Fuß ärgern und blieb im Steigbügel hängen. Innerlich stellte ich mich auf eine Beule ein. Eine große. Hatte ich mich doch vehement gegen den scheußlichen Reithelm gewehrt. Doch Boden und Kopf ohne Helm tat aua.

Der Aua-Moment kam aber nicht.

Verwirrt schaute ich nach unten. Konnte ich jetzt fliegen? Hätte ich doch eine Einladung nach Hogwarts kriegen sollen? Bestimmt. Meine Eule hatte sich nur verflogen. Genial.

„Wer ist nun die Prinzessin?“ Ach, schade. Doch kein Hogwarts für mich. Dafür rote Ohren.

„Oi, wollt ihr beiden heiraten?“ Quietschend kam meine Schwester aus einem der Pferdeställe gerannt. Mist. Und das wenn ich wie eine Dame in Nöten in Jaschas Armen lag. Er war definitiv stärker als er aussah, mit seinen dünnen Ärmchen.

Ich ignorierte beide Kommentare und wand mich aus Jaschas Griff, nachdem ich meinen Fuß aus dem Steigbügel befreit hatte.

„Ein Danke wäre nett…“

„Ja… nein…“ Ich tat einfach so, als wäre das alles hier nicht passiert. „Ich muss Zuckerschnute absatteln und zurück bringen…“ Genau. Das Monster war mir plötzlich lieber als die beiden Grinsenden hinter mir.

 

„Was wärst du eigentlich wenn ihr beiden heiraten würdet?“  Ich ging bei der Frage meiner Schwester automatisch schneller, doch das Pferd erwies sich als störrisch und wollte in Richtung Koppel laufen, während ich es jedoch zum Stall buxieren wollte. Wie sollte ich den Sattel von seinem Rücken bekommen wenn es davon rannte? Schon im Stehen war das eine Kunst, die ich nicht beherrschte.

„Naja… dein Schwager denk ich… oder die Braut… weiß nicht worauf du hinaus willst.“

Nur nicht hinhören nur nicht hinhören…

„Heiratest du meinen Bruder bitte?“

„Nee, bin doch noch zu jung dafür.“

„Na dann halt später.“

„Ja, später heirate ich ihn bestimmt mal…“

Meine Schwester jubelte, während ich es schaffte mit Pferd und glühenden Ohren im Stall zu verschwinden.

Was hatte ich nur verbrochen um mit den beiden bestraft zu werden? WAS?!

 

 

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Und jetzt hat es wieder so lange gedauert....

Die Hälfte hatte ich geschrieben... da hat mich plötzlich wieder was abgelenkt.... wieso schaffen es nur mich heiße Engländer und süße Iren so in ihren Bann zu ziehen... *seufz*

Männer allein im Bad

*Mihal*

 

Flüge strengten mich an. Sehr.

Ich hasste fliegen. Doch was tat man nicht alles um die Familie glücklich zu machen.

Urlaub auf Hawaii, mit der Sippschaft. Zumindest den ganz nahen Verwandten wie Eltern und Geschwistern.

Um ehrlich zu sein wäre ich lieber mit Jascha und seinen Eltern auf Hawaii gewesen oder besser, bei ihnen geblieben. Wäre mir das Fliegen erspart geblieben.

„Mihaschka!“ Eine aufgeregte Stimme zog meine Aufmerksamkeit auf sich.

Eigentlich wollte Jochen mich vom Flughafen abholen. Nun stand Mascha vor mir, wild mit den Armen wedelnd und sich freuend mich zu sehen. Als wäre ich ihr verlorengeglaubter Sohn, den sie seit vierzig Jahren nicht mehr gesehen hat. Sie konnte wirklich übertreiben.

„Добро пожаловать домой“ (Dobro pozhalovat' domoy // Willkommen zu Hause)

Und ich liebte sie für ihre Art.

Stürmisch warf sie ihre, nun nicht mehr wedelnden, Arme um mich und zog mich in eine rippenbrechende Umarmung. Die Frau war in ihrem früheren Leben bestimmt Schraubstock gewesen. Jede Wette.

„Ich hab dich auch vermisst тетушка.“ (tetushka // Tantchen)

„Hast du Souvenirs von Hawaii mit?“

„Klar.“

Erleichtert atmete sie auf, entließ mich dabei endlich auch ihrem Griff.

„Gut. Wie geht’s dir? Hast du den Flug gut überstanden? Wo sind Serge und Anka? Noch mit Emil, Hana und klein Jonni auf der Insel?“

Ja auch wenn sie zuerst nach Geschenken fragte und dann nach meinem Befinden liebte ich sie wie eine Mutter.

„Geht. War anstrengend wie immer.“ Wie um die Aussage zu untermalen begannen meine Schultern unangenehm zu ziehen. Stundenlange verkrampfte Haltung war nun mal nicht das Beste, das man seinen Muskeln antun konnte. „Die bleiben noch drei Tage dort. Dann fliegen sie weiter. Wollten glaub ich nach Rio weiter und dann über den Amazonas schippern… oder Urwaldwanderung? Ach irgend so ein Scheiß halt…“ Ich hatte nicht die Ambition es mir zu merken. Mein Hirn hatte schon nach ‚Hawaii‘ und ‚fliegen‘ abgeschalten und protestiert.

„Und du bist lieber zurück ins kalte Deutschland gekommen anstatt die gut gebräunte Badenixen und Tropenschönheiten anzuschauen?“

Ich antwortete nicht auf die Frage. Sie wusste, dass ich lieber zuhause, als woanders war. Auch wenn der Gedanke mit den Badenixen und Tropenschönheiten verlockend war… leider ist er mir dort auch nicht in den Sinn gekommen. War zu beschäftigt damit gewesen am Strand zu liegen und meinen Jetlag loszuwerden.

 

Die Fahrt nachhause verlief ruhig. Innerlich dankte ich Mascha dafür, dass sie mich in Ruhe auf dem Beifahrersitz vegetieren und meinen Zustand wieder auf ‚nicht fliegen‘ einpegeln ließ.

Das Haus welches ich mit ihnen bewohnen würde, kannte ich nur vom hören-sagen. Dennoch hatte ich sofort zugestimmt mit ihnen hier zu bleiben. Als müsste ich groß überlegen, bei so einem Angebot. Endlich einmal für einige Zeit an einem Ort bleiben, mit einem Zimmer, was keine Räder besaß.

Vielleicht sollte ich doch sesshaft werden. Jochen würde auch ohne mich zurande kommen.

Später.

Noch gefiel mir der Zirkus ganz gut. Noch hatte ich gerne einen Großteil meiner Sippschaft um mich. Manchmal zweifelte ich daran, ob sich das jemals ändern würde.

 

Ein großer Garten hieß mich willkommen. Das fehlte mir beim umherziehen. Blumenbeete und Rasen und Bäume… Konnte alles so schlecht transportiert werden.

Nur kurz konnte ich das Grün um mich bestaunen, ehe ein brauner Streifen auf mich zugeeilt kam, um sich diverse Streicheleinheiten zu holen. Natürlich erst nachdem der Fellball nicht zum Stehen kam und mich zu Boden riss.

„Na hast du mich vermisst du alte Ratte?“

Eine raue Zunge fuhr mir quer übers Gesicht. Das hieß wohl ja.

„Oder willst du auch nur ein Geschenk haben und bist deshalb lieb?“

Ein harter Schädel rieb sich an meinem Kinn, ehe der ganze Brocken es sich auf meinem Schoß bequem machte.

Vor einigen Jahren war das Ganze noch angenehmer. Eine Hand voll Fell, kaum schwerer als ein Fliegenschiss… und nun… Man wer hatte Naila nur so fett gefüttert?

Gedanklich pfeifend wies ich alle Schuld von mir. Ich steckte ihr nie Leckereien zu außerhalb der Fressenszeiten… nein. Niemals.

„Wenigstens eine die nichts von mir will…“ Brummend vergrub ich mein Gesicht etwas in dem gefleckten Fell. Viel besser als Hawaii.

„Kriegst nachher ein feines Leckerchen meine Süße.“ In einem Laden in Honolulu gab es ‚Zeug‘ –was es eigentlich darstellen sollte konnte ich beim besten Willen nicht sagen, doch es schmeckte…. annehmbar. Auf jeden Fall war es sehr Fleischig- mit dem mein Vater sich eingedeckt hatte, bis er merkte, dass er es nicht vertrug. Nun durfte ich alles mit nach Hause schleppen und Naila damit eine Freude machen.

„Aber lass mich erst mal das Gepäck ins Haus bringen ja?“

Als hätte sie mich verstanden sprang sie von meinem Schoß und trippelte von Dannen. Mascha stand derweil grinsend hinter mir, hatte sich das Spektakel schweigend angesehen und amüsierte sich nun köstlich darüber.

Sollte sie doch. Redete ich halt mit zu groß geratenen Katzen. Jeder hatte so seine Macken. Von ihren wollte ich gar nicht erst anfangen.

 

In zwei knappen Sätzen schilderte Mascha mir, wo ich mein Zimmer finden konnte. Plötzlich hatte sie es ganz eilig irgendwas zu machen. Vermutlich wollte sie nur irgendwo hin verschwinden und ihre Ruhe haben. Zum Nägel lackieren oder Locken eindrehen … oder was Frauen in ihrem Alter auch immer den lieben langen Tag taten wenn sie frei hatten.

Besagtes Zimmer war schnell gefunden. Milde erstaunt fand ich es in einem recht netten Zustand vor. Keine grellen Farben, kein Schnickschnack. Jascha musste sich echt zurückgehalten haben. Oder Jochen konnte ihn erfolgreich von diesem Zimmer fern halten.

Seufzend ließ ich mein Gepäck neben dem Bett fallen. Ausräumen konnte ich später. Auch das Bett testen musste warten. Die Diva wäre nur beleidigt, wenn ich ihn nicht sofort begrüßt hätte. War immerhin wichtiger als zu schlafen.

Ein Glück konnte er meinen gedanklichen Sarkasmus nicht hören.

„Jascha?“ Fragend steckte ich den Kopf in das, was ich vermutete, was das Zimmer meines Cousins sein sollte. Jup. Definitiv seins. Schreckliche Farbe. Aber nettes Bett. Leider war es leer und so begab ich mich wieder auf die Suche.

Zwei weitere Zimmer inspizierte ich, ehe ich den Grund meiner Suche fand.

„Na Badenixe…“

Erschrocken zuckte der Dunkelhaarige zusammen, rutschte eindeutig zu tief ins Wasser und verschluckte sich prompt an dem schaumigen Zeug.

„Du Blödmann…“ Prustend blickte er zu mir auf, mich mit einem finsteren Blick traktierend. Ehe er schließlich leicht lächelte und fragte wie mein Urlaub war.

Seine Launen erinnerten mich an Hana, meine Schwägerin, als sie mit Jonni schwanger war. Fehlte nur noch die ständige Übelkeit. Merkwürdige Essgewohnheiten hatte er schließlich von klein auf.

„Warm“, lautete meine kurze und ihn nicht zufrieden stellende Antwort.

„Details“, verlangte er. Mit Sicherheit auf einen Skandal spekulierend.

„Muss das jetzt sein? Ich bin verspannt und müde… und…“ seufzend fing ich seinen Blick auf. Den hatte er sich definitiv von Naila abgeschaut. Verflixt.

„Ist ja gut… Ich erzähls ja…“

„Prima. Darfst auch mit ins Wasser kommen.“

Kurz überlegte ich.

Blieb mir ja nicht viel Auswahl.

 

Während ich als in seinem zu süß riechenden Badewasser planschte und von meinem Urlaub berichtete, tat Jascha etwas sinnvollen –kam nur selten vor bei ihm!- er knetete gekonnt meinen Nacken.

Wäre er eine Frau und nicht mein Cousin… allein für seine Finger würde ich ihn heiraten… oder zumindest über so einen Schritt nachdenken.

 

„Und wie läufts mit deinem Herzblatt?“

Sichtlich entspannt lehnte ich mich zurück, achtete gar nicht auf Jaschas Proteste, dass ich doch nun etwas zu viel Platz einnehmen würde und benutzte ihn schließlich als Kopfkissen.

„Ich hab kein Herzblatt.“ Eindeutig übertrieben piekte er mir in die Seite. Dieses Thema war schon immer ein wunder Punkt gewesen. Schien jetzt sogar schlimmer geworden zu sein.

Er stand vermutlich wirklich auf den Kerl…

Und merkte es nicht einmal.

„Na die blonde Prinzessin, die vor dem bösen Pferd beschützt werden musste.“ Lachend versuchte ich mir das vorzustellen. Jochen hatte mir schmunzelnd davon erzählt, als er mich im Flur beinahe umgerannt hatte und ich gefragt hatte, was Schönes passiert war, während meiner Abwesenheit.

„Oli ist nicht mein Herzblatt. Lass dir das nicht von meiner Mutter weismachen. Die spinnt.“

„Habs aber von deinem Vater. Obwohl deine Mutter definitiv gute Argumente hatte, die diese Tatsache belegen.“

„Hör auf damit. Schlag dich nicht auf ihre Seite! Da ist nichts. Nicht mit ihm. Ich hab einmal Freunde gefunden –was verdammt schwer war für mich zu akzeptieren!- und will das nicht auf Spiel setzen für nichts und wieder nichts.“

Oha…. Nun stellte er auf stur. Wollte nichts anderes mehr hören oder sagen oder wissen. Auch wenn es stimmte.

Von Wegen Freunde…

Der konnte mir erzählen was er wollte.

Ich wusste, dass er den Kerl mehr als das mochte.

Mascha hatte mir das Foto gezeigt, was Beweis genug war. Jascha ließ sich nicht einfach von jedem von hinten ‚anlöffeln‘. So viel war sicher.

Auch wenn ich nicht ganz sah, was den Kerl so besonders machte. Wirkte auf mich nicht sehr… ach was auch immer. Sollte mir egal sein, an was für Geschmacksverirrungen Jascha litt.

„Lass mich raus.“ Unsanft stieß er mir seine Spitzen Knochen in den Rücken, während er versuchte aus der Wanne zu steigen. Sehr ungeschickt für einen Artisten wie ich zugeben musste. Das ganze regte ihn also immer noch auf.

„Ich hab ein Souvenir von Hawaii für dich mit.“

„Ja?“ Kurz schien er seine schlechte Laune zu vergessen. Warum waren die alle nur so scharf auf Mitbringsel? Das ganze Zeugs gab es schließlich auch hier.

„Ja.“

 

Ungeduldig drängte er mich dazu endlich aus der Wanne zu kommen. Immerhin konnte ich ihm nicht etwas von Souvenirs erzählend und sie ihm dann nicht sofort geben.

„Klischeehafter gings nicht… oder?“ Beinahe enttäuscht hielt er eine bunte Blumenkette vor sein Gesicht. Schulterzuckend legte er sie sich dennoch um und schien sich mit ihr abzufinden. Ich fand sie passend. Immerhin war sie genauso schrill und bunt wie er selbst.

„Doch… mit Hularöckchen und Kokosnüssen…“ scherzte ich, erhielt jedoch nur einen merkwürdigen Blick aus blauen Augen. Ich hielt dagegen. Himmlische Ruhe, wenn auch anstrengend. Schlussendlich gab ich auf. So lange konnte man doch gar nicht starren. War bestimmt ungesund.

„Im grauen Koffer ganz unten…“

Schneller als der Blitz stürmte er immer noch halb nackt aus seinem Zimmer, nur um kurz darauf breit strahlend zurück zu kommen. Seine Trophäe stolz vor sich her tragend.

„Und das Zeug ist nun besser und weniger klischeehaft als eine Blumenkette?“

Heftig nickte er. Die nassen Haare klatschten ihm dabei ins Gesicht, was ihn jedoch nicht störte. (Mich dafür umso mehr, da das ganze Wasser zu mir spritzte.)

„Ja. Viel besser.“ Als wäre es ein Schatz presste er das Zeug erst an sich, ehe er es schließlich zwischen uns einquetschte um mich umarmen zu können.

„Ich hab dich vermisst.“

Glaubte ich ihm aufs Wort. Hat ja auch nur… -ich schielte kurz zur Uhr- eine Stunde gedauert bis er das zugegeben hatte. Der wollte doch auch nur Geschenke… wie seine Mutter. Pff.

„Ist klar. War ja auch sooo lange.“ Kopfschüttelnd tätschelte ich ihm das nasse Köpfchen. Gott, ja. Dann hatte ich ihn halt auch vermisst. War schließlich meine Familie. Was sollte ich auch sonst tun?

Außer ihn aufziehen natürlich…

„…außerdem hattest du ja den Lulatsch und das Prinzesschen zum anschmachten und turteln.“

Geschickt wich ich einer halben fliegenden Kokosnuss aus, ehe ich mich in meinem Zimmer verschanzte und beschloss, dass es eine gute Zeit war, mein neues Bett zu testen.

 

 

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ein kurzes Kapitel nach langer Abstinenz....

aber ich habe eine Entschuldigung... ich musste meine Dauerkarte für die Buchmesse (zwei drei kleine Fotos dazu auf meiner FB Seite) nutzen... und meine neuen Bücher lesen... und eine neue Idee aufschreiben.... und THor - the dark kingdom auf dvd schauen und...

naja... gut keine gute Entschuldigung... aber das hab ich ja nie behauptet.

 

 

Achja... ich musste Mihal einfach mal zu Wort melden lassen.... ich mag ihn gerne... irgendwie... Außerdem hätte ich nicht gewusst wie ich das ganze mit Jascha rüberbringen soll, ohne das es kitschig wirkt...

 

hormongesteuerte Teenager

*Oliver*

 

Mit panisch aufgerissenen Augen starrte ich an meine Zimmerdecke. Das konnte nicht sein. Das durfte nicht sein.

Fahrig strich meine Hand über mein verschwitztes Gesicht. Die nervige Hofbeleuchtung meiner Mutter tauchte mein Zimmer in diffuses Schummerlicht.

Blinkend gab mein Wecker mir zu verstehen, dass ich noch locker zwei Stunden schlafen könnte, doch jedes Mal wenn ich versuchte meine Augen zu schließen…

Erneut schluckte ich schwer, versuchte die Bilder aus meinem Kopf zu vertreiben.

‚Zierst du dich?‘

War es zu viel verlangt in Ruhe schlafen zu wollen? Ich brauchte meinen Schönheitsschlaf. Dringend. Wie Tony wollte ich nicht enden.

‚Du bist doch schon ein großer Junge, nicht wahr? ‘

Verzweifelt presste ich mir die Arme übers Gesicht. Kniff die Augen wenn es möglich war noch weiter zusammen. Doch es half nichts. Ich sah nichts… aber ich hörte. Und fühlte. Als wäre ich immer noch in diesem miesen Traum gefangen.

Unruhig wälzte ich mich im Bett hin und her, versuchte die Finger zu vertreiben, die mal spielerisch mein Gesicht entlang fuhren, mal unsanft über den Rücken kratzten. Versuchte die Stimme zu ignorieren, die zuckersüß versuchte mich einzulullen.

 

Als ich das nächste Mal aufwachte –eine gute halbe Stunde später- war mir definitiv zu warm, als dass es gut für mich gewesen wäre. Ein Schauer überlief mich, als ich realisierte, warum mein Zustand so unangenehm war.

Unwillig knurrte ich ins Kissen, während mein Körper –dieser elende Verräter- sich verzückt versuchte einzureden, dass er sich nicht wie ein rolliger Kater an der Decke rieb sondern an... Gott… Ich konnte ihm doch nie wieder in die Augen sehen, ohne hier ran denken zu müssen.

Die Schuld schob ich einzig und allein Felix zu. Er hatte mir eingeredet, dass ich schwul wäre und er war auch an der ganzen Jascha-Misere schuld. Er allein. Ich nicht. Ich war nur ein armes Opfer. Ein Opfer mit einem Problem… welches sich nicht ignorieren ließ.

Wie ich es manchmal hasste doch nur ein hormongesteuerter Teenager zu sein.

 

Mein Zustand fiel auch der Familie auf. Imma war sichtlich verstört, da das Bett, auf welches sie schwungvoll gehüpft war, leer war.

Meine Mutter versuchte mich erfolglos auszuquetschen um zu erfahren warum ich der erste am Tisch war und lustlos in einer Schüssel voll aufgeweichter Cornflakes herumstocherte. Und mein Vater… na gut… der war wie immer. ‚Hmm… passt schon…‘ war das einzige neben ‚Ist noch Kaffee da?‘ was er hervor brachte, während er den Blick nicht von irgendwelchen Notizen löste.

Heute Morgen war ich ihm dafür mehr als nur dankbar. Wenn ich mir nur vorstellte wie er sich mit meiner Mutter verbündete und mich zum reden zwang…

Gruselig.

Ich wollte weder meiner Mutter noch meinem Vater von diversen frühmorgendlichen Aktivitäten berichten… eine Medaille fürs heimliche Palme wedeln unter der Dusche gab’s vermutlich nicht. Eher einen Augenbrauenblick Seitens meiner Mutter. So was sollte ich doch bitte dort machen wo sie nicht hinkommt. Oder meine Schwester… Mit diesem Gespräch hatte sie mir vor fast drei Jahren beinahe alles versaut…

Kein Kerl wollte von seiner Mutter in so was unterwiesen werden. Fast würde ich wetten, sie hätte mir irgendwelche hilfreichen Grifftechniken gezeigt, hätte ich nicht Fluchtartig den Raum verlassen.

Fluchtartig den Raum verlassen war nun wieder angesagt, da Imma nach oben verschwand und der gesprächige Part meiner Erzeugerfraktion exakt den oben genannten Blick bekam.

„Bin weg.“

In aller Eile vergaß ich mir ein Schulbrot zu schmieren. Schuhe und Tasche lagen zum Glück im Weg, sodass ich nicht in Hauspuschen und ohne Lehrmaterial zur Schule ging. Viel zu früh. Trotzdem war die Bahn überladen… und der Pausenhof leer.

Ein paar Lehrer und der Hausmeister wuselten schon umher, doch ich zog es vor mir bei herbstlichen Temperaturen den Arsch auf kahlen, steinernen Blumenkästen abzufrieren, als mich ins stickige Klassenzimmer zu hocken und womöglich noch als lernwillig oder gar Streber angesehen zu werden. Soweit würde es dann doch nicht kommen.

Das taube Gefühl in meiner Kehrseite lenkte mich nur bedingt von vergangener Nacht ab.  Dank dem fehlenden Schlaf –den ich dringend brauchte. Immer!- fühlte ich mich gerädert. Diverse Bilder die mir durch den Kopf hüpften, meine Hormone anheizten und mit denen Tango tanzten taten ihr Übriges. Fast schon war ich gewillt zu überlegen, ob ein harter Schlag mit meinem Kopf gegen einen dieser Blumenkübel daran irgendwas ändern konnte. Aber nur fast. Der Schmerz, der damit verbunden war, ließ mich davor zurück schrecken.

 

„Was machst du schon hier? War dein Bett nass oder wie?“

Aus den Gedanken gerissen –DANKE!- schaute ich auf. Felix grinste mich breit an, während er sich neben mich quetschte, jedoch sofort wieder aufsprang und begann rumzumeckern, dass einem doch der Arsch abfrieren muss wenn man sich hierhin setzt. Dazu bräuchte man erst mal einen Arsch, wollte ich sagen, doch ich hielt mich zurück.

„Konnte nicht schlafen…“

„Albtraum?“

„So was in der Richtung…“, hielt ich mich vage. Zu vage.

Verdammt.

Sein überdimensionales Grinsen verriet mir, dass er genau wusste was mich wach gehalten hatte.

„Ahja… lass mich raten. Mutter Kant wollte danach unbedingt… kommunikativ werden?“

Knurrend eiste ich meinen Hintern vom Untergrund los und ließ Felix hinter mir zurück. Ich würde nicht drüber reden. Nicht mit ihm. Nicht mit jemand anders. NIE.

‚Nie‘ definierte sich fünf Minuten später auf exakt 5 Minuten. Wer hätte gedacht, dass ‚nie‘ kürzer ist als eine Unterrichtsstunde. Wie lange wohl ‚immer‘, ‚ewig‘ und ‚unendlich‘ sind? Wäre nett es heraus zu finden. Alles wäre besser als meine Position.

Eingekesselt zwischen Felix und Jascha –der natürlich zum richtigen Zeitpunkt auf der Bildfläche erschienen ist und sich prompt auf Felix‘ Seite schlagen musste.

Mit Jascha wollte ich bestimmt auch nicht reden.

Ging auch gar nicht.

Sobald ich ihn ansah, oder er irgendwas sagte oder auch nur zu nah an mich heran rutschte zischte ein Bild durch mein Hirn, welches mich schaudern ließ.

 

Nur weg hier. Nur weg.

Ich hatte es geschafft den beiden zu entkommen, jedoch nur, bis ich gezwungen war, in den Unterricht zu gehen und meinen Platz neben dem Langhaarigen einzunehmen.

Irgendwie musste es doch gehen, oder?

Konnte ich das Ganze nicht ausblenden? Ignorieren? So tun als wäre etwas in der Art nicht passiert. Klappte sonst doch auch so wunderbar.

Warum also jetzt nicht.

 

„Ist dir nicht gut?“

Sichtlich zuckte ich zusammen, war ich doch nicht vorbereitet angesprochen zu werden.

„Was?“

Ehe ich etwas unternehmen konnte, legte sich seine Hand auf meine Stirn. „Hast du Fieber?“ Fragend legte er den Kopf schief, was mir jedoch gewaltig am Arsch vorbei ging. Stattdessen stierte ich –oder besser ich versuchte es- seine Hand an. Nimm sie weg. Nimm sie weg. Nimm sie weg…

Verdammt.

Mein stummes Brüllen ignorierend blieb sie liegen. Blut schoss mir erst in den Kopf, dann in tiefere Gefilde.

Warum verpuffte das Ganze nicht wie alle anderen Träume. Ich wollte mich nicht dran erinnern was seine Finger alles konnten. Oder was mein Unterbewusstsein wollte das sie konnten.

„Nein. Nimm die Hand endlich weg…“ Mehr als ein leises Zischen wollte nicht meinen Mund verlassen.

„Du siehst aber so aus als…“

„Mir geht’s gut okay?!“

Noch immer zischte ich nur. Diesmal schärfer. Der Lehrer beäugte uns misstrauisch, fuhr dann jedoch mit dem Stoff fort.

Wenigstens einer der prima ignorieren konnte. Das wollte ich auch können. (Besser als sonst)

„Sicher?“ Machten seine Lippen tonlos. Mein Hirn fügte ein unanständig klingendes ‚ich könnte sonst sehr –stellt euch hier das Schnurren einer Katze vor- gern dafür sorgen, dass es dir wirklich gut geht‘ hinzu.

Als Kind war ich nie mit reger Fantasie gesegnet. Selbst jetzt nicht. Nur heute lief alles in meinem Inneren Amok. War heute verkehrte-Welt-Tag? Ich wollte nach Hause. Wo es ruhig war. Ich wollte in mein Bett.

Bett…

Nein…

Ich hätte heulen können. Kaum lenkte man sich prima ab in Gedanken, kamen fiese kleine Gedankenmoster und tunkten einen zurück in die Scheiße die man nicht denken wollte.

Zusammen mit dem verbleibenden Blut in meinem Körper wanderte Jaschas Hand an mir herunter. Hauchzart über meine Wangen, den Hals entlang, ehe er grober wurde und die Fingernägel durch den Stoff meines Shirts hindurch über meine Seite kratzten. Schwer schluckend flehte alles in mir danach, dass er endlich zur Sache kommen und tiefer wandern sollte. Doch dann fiel mir ein wo wir waren.

Scheiße.

Er konnte so was doch nicht beim Böttcher im Unterricht machen.

„Jascha …!“ Ich wurde lauter als beabsichtig.

Erschrocken blickte er auf. In diesem Moment realisierte ich, dass er seine Hände schon längst von mir weggenommen hatte und brav die Infos von der Tafel in seinen Hefter übertrug.

Da war keine Hand. Kein lüsterner Jascha der vor allen Leuten…

Nun wurde mir glaub ich doch schlecht.

Fluchtartig verließ ich das Klassenzimmer. Knallte mit diversen Stühlen und Türen ehe ich mich schließlich hinter einer beschmierten Klotür verschanzte.

Das war doch krank.

Abartig.

Für andere vielleicht okay und ganz normal… aber mir passierte so was nicht. Ich bildete mir diese Dinge nicht ein. Ich wollte so was gar nicht… nie… und doch lachte mich meine unangenehm spannende Hose aus. Die wusste es halt immer besser.

„Oli?“

„WAS?!“ Konnte man nicht wenigstens auf Toilette in Ruhe gelassen werden? Ich hatte hier ein Problem zu regeln!

„Ist dir schlecht?“

„Ja…“ Das war nicht mal gelogen. Mir war wirklich schlecht.

„Musst du kotzen?“

Nein, das einzige was ich jetzt musste war mir in einer miefigen, keimigen Schultoilette einen runterzuholen. "Ja..."

„Brauchst du Hilfe?“

JA! „Nein… geh wieder in die Klasse… ich… komm gleich.“ Ein Glück, dass er mir nicht ansah wie zweideutig ich es meinte.

„Okay…“ Ohne lange zu diskutieren floh er aus dem Bad. Ihm hätte eine andere Antwort mit Sicherheit genauso wenig gepasst wie mir. Wer half anderen Leuten schon gerne beim übergeben? Auch wenn ich gar nicht musste.

 

War diese Situation die schlimmste dieses Tages? Nein… Sie war übel… vermutlich auch unhygienisch und eklig… aber nicht die schlimmste.

Das Schlimmste war, dass mir das ganze mehr als einmal passierte.

Während er irgendwas in seiner Tasche suchte, halb vom Stuhl rutschte und mir seine Jeans mitsamt Knackarsch entgegen sprangen. Während der Pause, als er abwesend an seinem Handy herumspielte, dabei immer wieder die Augenbrauen zusammenzog und sich auf der Unterlippe herum biss oder als er sich in der Mittagspause wortwörtlich an Felix festkrallte und mir einfiel… wer an diesem Dilemma schuld und peinlicherweise teil meiner nächtlichen Träumereien war.

Unsere gemeinsame Freistunde –Felix hatte regulär frei, Jascha und ich durften uns freuen, da unser Lehrer in der ersten Stunde krank geworden war und kein Ersatz aufgetrieben werden konnte- brachte das Fass schließlich zum Überlaufen.

Es sollte verboten werden  Füller, Kulis sowie diverse andere Schreibgeräte oder ähnlich geformte Objekte SO zu behandeln.

Während er über den Hausaufgaben hing –nein, mir fiel nicht auf, wie eine widerspenstige Haarsträhne sich immer wieder in sein Gesicht fallen ließ- kaute er ersonnen auf dem ende herum, sog es ein Stück zwischen die Lippen nur um es kurz darauf wieder freizugeben und schließlich daran herum zu nuckeln, als wäre es der liebste Schnuller aus Babytagen.

 

Es reichte.

Eindeutig.

Noch einmal tat ich mir keine dieser Klos an.

Die letzte Stunde konnte mich doch mal kreuzweise und gepflegt am Allerwertesten…

Einmal im Leben durfte man schwänzen. Auch wenn ich meiner Mutter nie erzählen durfte was mich dazu getrieben hatte.

 

„Oli?“ Zwei paar Augen beobachteten was ich tat –mein Buch und den Hefter unordentlich in den Rucksack stopfen- erhielten jedoch keine Antwort.

„Was hatte der denn? Er ist schon den ganzen Tag so seltsam drauf...“  Jaschas Blick bohrte sich in meinen Rücken –und ging mir durch und durch-, während ich die Flucht ergriff.

„Vermutlich Samenstau…“ Kam prompt die Antwort von meinem sogenannten besten Freund, den ich bei Gelegenheit ungespitzt in den Boden rammen sollte.

Falls ich diesen peinlichen Tag überleben sollte.

 

 

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schäm ich mich für dieses Kapitel?

Ein bisschen vielleicht...

 

Eingentlich wollte ich es explizitier gestalten...

aus P16 Gründen und eurer Fantasie zuliebe hab ichs gelassen...

 

und hier noch eine schlechte Nachricht am Schluss... ich werde mich die nächste Zeit noch rarererererer machen müssen als eh schon. Ich hab am 6+7. Mai Abschlussprüfung und muss nun 3 Jahre Schule in meinen Kopf befördern....

*seufz*

 

Dafür darf ich sagen: mit dem nächsten Kapitel beginnt der 3. Teil dieser Geschichte... wer sich mit dem aufbau des Dramas auskennt dürfte wissen was das heißt...

триTri: Kriegsrat oder der Knall-Bumm-Samenstau-Omi-Plan in 3 Stufen

 

 

*Jascha*

 

„Ich war aber nicht der Einzige, der Oliver heute merkwürdig fand? Also… merkwürdiger als sonst.“ Er war immer etwas merkwürdig, aber niedlich merkwürdig. Heute war er nur verstörend merkwürdig.

Leise seufzend klemmte ich mir mein Handy zwischen Schulter und Ohr und goss frisches, heißes Wasser ins Spülbecken.

Der Abwasch blieb an mir hängen. Wie jedes Mal wenn ich den kürzeren Strohhalm zog. (Normalerweise machte Mama den Abwasch, und wenn sie keine Lust hatte mussten entweder mein Vater oder ich ran. Damits dann keinen Streit gab wurden Strohhalme gezogen… dabei hatte ich nie Glück…).

Angewidert verzog ich das Gesicht, als ich die schmutzigen Teller ins Seifenwasser gab und auf Eulchens Antwort wartete. Der schien jedoch mit irgendwem im Hintergrund zu diskutieren.

„Bin wieder da. Sorry. Was hattest du gesagt? Hatte es nicht gehört…“

Klasse. Hörte mir überhaupt wer zu? „Oli! Merkwürdiger als sonst! Ja/Nein?“ Warf ich ein paar Brocken durchs Telefon, da ich keine Lust hatte nochmal die gleiche Frage zu fragen. Außerdem war mir der Wortlaut eh wieder entfallen.

„Aber hallo. Mehr als merkwürdig. Hast du irgendwas mit ihm angestellt?“

„Wieso ich? Ups…“ Beinahe wäre mir das Telefon in den Abwasch gefallen. Krachend landete es jedoch nur auf der Kante und fiel zu Boden. Zielgenau auf meinen Fuß.

Yebat'!“ leise fluchend hockte ich mich neben die schmerzhafte Gerätschaft.

Ein verwirrt klingendes Jascha verriet mir, dass es noch intakt war. Ein Glück. Noch eins würde ich mit Sicherheit nicht kriegen. Hatte ich mein altes doch im Sommer erst geschrottet… ein Sturz vom Bett konnte eben hin und wieder tödlich enden… so im Eifer des Gefechtes…

„Bin noch da. Mir ist das Scheißding nur weggerutscht…“

Ein Glück, dass ich alleine in der Küche war. Sah bestimmt urkomisch aus, wie ich auf dem Boden hockte und das Ohr ganz nah an die Fliesen presste, während ich versuchte nach einem Handtuch zu fischen. Blind. Wäre einfacher gewesen das Ding liegen zu lassen und es so zu holen, aber nein… einfach wäre ja langweilig.

„Okay… Und klar bist du Schuld. Vorher hatte er nie solche Aussetzer. Was hast du mit ihm gemacht? Telefonsex am Vorabend oder wie?“

„Telefonsex? Oli? Weiß der überhaupt dass es so was gibt? Also Sex im Allgemeinen?“ Auf mich wirkte er nicht so… Nie. Nicht mal als mich alle für ein Weib gehalten hatten…

„Bestimmt. So ein verdorrtes Gänseblümchen ist selbst er nicht. Hormone plagen auch ihn, glaub mir. Aber sagen wir mal so… Mutter Kant scheint ihn zu verängstigen.“

Konnte ich mir definitiv vorstellen. Sie wirkte nicht wie eine Glucke aber… ja … Aufklärungsgespräche der verstörendsten Sorte hatte sie mit Sicherheit drauf.

„Der Arme…“

Endlich waren meine Hände trocken und ich konnte meine Yoga Übungen beenden.

Den Lautsprecher einschaltend –nochmal war ich nicht so blöd und ignorierte diese tolle Funktion- machte ich mich erneut an den Abwasch. Igitt… wie ich es hasste…

„Eigentlich müssten ihm wir doch helfen… immerhin sind wir seine Freunde…“ Felix‘ Unterton gefiel mir gar nicht. Irgendwas hatte er vor.

„Und wie?“

„Naja…“

„Nein!... Sags mir besser doch nicht. Allein der Gedanke an all die kranken Dinge die dir durch den Kopf zu gehen scheinen treibt mir die Angst in die Knochen.“

Lachen ertönte am anderen Ende des Telefons. „Du kennst mich schon viel zu gut“, presste Felix atemlos hervor.

Wenigstens einer der die Situation witzig fand.

Gut ich fands auch witzig… irgendwie… am Anfang. Mittlerweile machte ich mir doch schon ein paar Sorgen um unseren Romeo…

 

„Bist du nun langsam fertig?“ Ich war es. Ein wackeliges Konstrukt aus Tellern, Tassen und ein paar Töpfen türmte sich vor mir auf.

Jetzt aber schnell weg ehe es zusammen fallen konnte.

„Ja…“ Tief atmete der andere durch. „Bin fertig. Aber mal ernsthaft… irgendwas müssen wir machen. Noch so ein Tag übersteht weder er noch wir.“

Da musste ich ihm zustimmen. Aber Schlachtpläne übers Telefon erledigen war nicht meins. „Besorg was Ungesundes zum Knabbern. Ich komm rüber.“ Ein Glück wohnte die Eule nicht weit weg, sodass ich auf die Straßenbahn verzichten konnte. Umziehen sollte ich mich dennoch. Der Hausmütterchenlook stand mir nicht. „Dreißig Minuten hast du…“ Damit legte ich auf und huschte ins Bad. Den Spülmittel Geruch musste ich genauso dringend loswerden wie das furchtbare Kopftuch. Warum auch immer ich das Bedürfnis hatte dies beim abwaschen zu tragen.

 

Fünfundvierzig Minuten später musste ich gestehen, dass ich gelogen hatte. Felix hatte doch länger Zeit. War aber auch blöd, wenn die Dusche einen dazu zwang länger zu bleiben. Schien der Eule aber nicht aufgefallen zu sein, da er ganz entsetzt war, mich schon an seiner Haustür klingelnd vorzufinden.

„Hättest du dir nicht Zeit lassen können?“ Ging er mich an, nachdem er die Tür aufgerissen, mit hineingezogen und selbst nach draußen geflitzt war.

„Okay…“

Verdattert blieb ich im Flur stehen. Ungefähr fünf Minuten. Bis es mir zu blöd wurde und ich einfach nach oben ging. Wo er wohl so schnell hin musste?

Schulterzuckend ließ ich mich oben angekommen auf Felix‘ Flauschebett fallen und sah mich um. Gab leider nichts Neues zu sehen.

Fünf Minuten vergingen. Immer noch kein Felix in Sicht. Hoffentlich war der nicht abgehauen und würde nie wieder kommen. Ach was. Der hatte es viel zu gut hier…

Kopfschüttelnd vertrieb ich den seltsamen Gedanken und begann zu suchen.

Mir war langweilig. Was sollte ich also sonst tun?

Unterm Bett wurde ich fündig. Wenn er schon keine Bücher hatte konnte ich wenigstens das hier lesen.

 

„Jascha?!“ Schnaufend stolperte der Lulatsch in sein Zimmer. Nichts neues, weshalb ich auch brav weiter laß anstatt drüber zu lachen.

„Anwesend… nicht so wie du…“

„Sorry… musste noch was holen.“ Noch immer schniefend, als wäre er einen Marathon gelaufen, warf er diverse Chips Tüten und Cola Flaschen aufs Bett, ehe er sich neben mich schmiss.

„Warum liest du eigentlich meine Iron Man Comics?“

„Weil deine Tittenhefte nicht mein Fall sind.“ Unterm Bett war wirklich kein gutes Versteck. Weder für Comichefte noch für diverse Magazinchen. Ob er die eigentlich schon kaufen durfte, oder obs die übers Internet gab?

„Meine was…?“ Voller Entsetzen weiteten sich seine Augen. Nun sah er fast wirklich aus wie eine Eule… Ein kleines verschrecktes Käuzchen mit Augen so groß wie Untertassen, die Federn um den Kopf herum wild geplustert. Ja, da gab es verdammt viel Ähnlichkeit!

„Tu nicht so. Kannst außerdem lesen was du willst. Solltest nur aufpassen, nicht dass deine Mutter die Dinger noch entdeckt wenn sie dein Zimmer aufräumt.“ Empört plusterte er die Backen auf. „Meine Ma räumt mein Zimmer nicht auf!“

Ihm kein Wort glaubend hob ich den Blick von einem halb nackten Tony Stark –wirklich lecker, leider absolut alt- der sich auch ohne IronMan Anzug wirklich zu wehren wusste.

Die Augen rollend gab er unser kurzes Blickduell auf. Endlich. Ich wollte wissen wie es weiter geht. Außer das Iron Man die bösen platt macht, logisch.

„Meine Ma räumt trotzdem nicht auf!“

„Dann eben eine Putzfrau. Du siehst nicht aus als würdest du ‚aufräumen‘ überhaupt buchstabieren können. Außerdem habt ihr Geld wie Heu… da würde ich mir auch jemanden zulegen der aufräumt.“

„Pfff….“ Zischend kam er angekuschelt, den Kopf auf meine Schulter legend und mit einem Auge den Comic mitlesend.

 

„…Aber Hilde kann die Hefte nicht wirklich finden, oder?“

„Wer ist Hilde?“ Hatte ich schon erwähnt, dass dieser rot goldene Metallanzug hammer sexy war?

„Die Haushaltshilfe. Putzfrau mag sie nicht genannt werden.“

„Kann sie dir ohne vorwurfsvollen Ausdruck in die Augen blicken während sie mit dir redet?“

Ruhe kehrte ein. Er schien zu überlegen, bis er schließlich leise fluchte.

„Ach reg dich ab. Hätte schlimmer sein können.“

„Bitte?!“ Hysterisch schrie er mich an, sprang aus dem Bett und hastete von einem Ende des Zimmers ans andere. Dabei murmelte er irgendwas von wegen ‚wohin nur? Wohin?‘

„Du hättest immerhin auch Schmuddelhefte mit Schwänzen drauf haben können.“

„Oh Gott!“ Kraftlos sackte er neben seinem Schreibtisch zusammen. Ein Bild des Jammers.

Verdammt.

Wiederwillig legte ich das Comicheft weg –bis gleich Mr.Star –raaaw-k!- und hockte mich neben ihn. Ich sollte ihn beruhigen. Wirklich. Als guter Freund sollte ich das tun.

Statt aufmunternder Worte sprang mir jedoch die Frage von der Zunge, ob er DIESE Hefte nicht etwa im Schrank versteckt hatte.

Lachend kugelte ich mich neben ihm auf dem Teppich, als er ein wehleidiges Geräusch von sich gab. Eindeutig ein JA. Wie blöd konnte man auch sein. Solche illustrierte Zeitvertreibe deponierte man offensichtlich, damit gar keiner anfing herumzuschnüffeln. Oder sie beim rumschnüffeln einfach übersehen wurden, vor lauter Offensichtlichkeit.

 

„Nun aber mal zurück zu wichtigeren Sachen. Warum wir uns eigentlich hier zusammen gefunden haben. Boah leg den bescheuerten Comic weg!“ Mit einem Tritt beförderte der Lange mich von seinem Bett. Autsch.

Was tat nun mehr weh, der mit dem Boden Kollidierte Hintern oder der Finger, der sich an Seite 101 vom Winter Soldier –Felix hatte echt ganz schnuckelige Sachen unter seinem Bett… neben den verstörenden Tittenmonstern- geschnitten hatte?

Unentschieden.

„Man, ja… Gib deine bescheuerte Idee zum Besten, ich mecker rum, geb schlussendlich doch nach und dann kann ich endlich weiterlesen. Ok? “ Maulig raffte ich mich auf und krabbelte zurück aufs Bett. Wenn schon Kriegsrat, dann auch gemütlich. Und Felischkas Bett war definitiv gemütlich.

 

Eine gute Stunde diskutierten wir hin und her, was nun wirklich in Oliver gefahren war. Nun ja… eine viertel Stunde. Die restlichen fünfundvierzig Minuten verbrachten wir damit Chips und Cola zu verdrücken, mit ersterem zu werfen und mit zweiterem zu kleckern und schließlich die ganze Sauerei zu entfernen. Hilda sollte schließlich nicht zu viel zu tun haben.

Außerdem waren Ameisen auf flauschigem Teppich nicht gut. Nein, nein, nein.

„Also liegt sein ganzes seltsames Verhalten nur, wie du es heute Nachmittag so schön ausgedrückt hast, am Samenstau?“ Fragte ich sicherheitshalber nochmal nach.

Nicken.

„Ok. Einfaches Ding. Besorg ihm nen Freund. Oder ne Freundin wenn er Angst hat aus seinem Schrank zu kommen.“ Hier gab es doch genug Opfer. Einige die sich sogar freiwillig zur Verfügung stellten.

„Ja… nicht einfach. Er hatte in der ersten Klasse seine letzte Freundin…“

„Kommt vor…“

„Ja…“ Sein sonst so fröhliches Stimmchen erhielt einen Touch von Grabesstimmung. „Seine Freundin war Natalie –ja DIE Natalie- und als sie versucht hat ihn nach einer Woche des Zusammenseins zu küssen hat er sie geohrfeigt und findet solche sozialen Interaktionen …eklig… lästig… überflüssig.“

„Ach du scheiße…“ Ob nun die ganze Natalie Geschichte mich zu dieser Aussage bewegte oder doch eher Olis Einstellung gegenüber ‚sozialer Interaktionen‘ wusste ich nicht hundertprozentig. Hielt sich bestimmt die Waage. Wobei, nein Natalie war weniger schlimm. Wie konnte man sich hin und wieder ein huscheliges, knackiges ‚soziales Interagieren‘ entgehen lassen?

Meine Welt begann etwas zu bröckeln. Wollte er etwa ins Kloster gehen? Himmel bloß nicht.

„Oh ja. Ach du scheiße.“ Seufzend schaute er in die letzte leere Chipstüte. Wir waren verdammt verfressene Kerle. Vier Tüten leer. Trotzdem hatte ich Hunger. „Sowaschkaaaa mach mir was zu essen.“ „Nein.“ „Bitteeee…“ „Mach dir doch selbst was, du weißt wo die Küche ist.“ „Aber ich bin dein Gast!“ „Du warst mehr als drei Mal hier, also gehörst du zum Inventar. Basta.“ „Och Feliiiiiix…“ Die Kulleraugen oder das nervige Pieken in die Seite stimmten ihn um. Ich war einfach zu gut.

 

Der Kriegsrat tagte in der Küche weiter, während der Lange irgendwas Essbares zusammenrührte. Roch auf jeden Fall besser als es vom Tisch aus aussah.

„Also wie gehen wir es an?“ Ungeduldig auf das Essen wartend spielte ich mit der hässlich kitschigen Wachstuchtischdecke. Dachte nur meine Oma hätte so was.

Verwirrt zog er die Augenbrauen zusammen, während er flüchtig über die Schulter zu mir blickte.

„Wie gehen wir was an?“

Augenrollen meinerseits. Ich dachte das wäre klar. „Naja, Plan :‘Besorg-Oli-eine-Freundin/einen-Freund-damit-er-aufhört-so-nervig-merkwürdig-zu-sein-und-wieder-typisch-Oli-merkwürdig-ist‘.“

„Ist ein ziemlich langer Plan.“ „Ja, ich weiß. Hab dafür auch schon eine Abkürzung.“ „Welche?“ „Bo(eF)²deasnmzsuwtOmi“

„Was für ne Omi?“

Genervt seufzte ich auf. Da versuchte man schon mal anderen zu helfen und dann das. „Hast du nen besseren Vorschlag?“

„Ja.“ Grinsend stellte er mir einen Teller mit… irgendwas… vor die Nase.

 „Nein“, unterbrach ich seinen Vorschlag, indem ich ihm die vollbeladene Gabel drohend entgegen streckte. „An einem Plan ‚Samenstau‘ werde ich mich nicht beteiligen.“ Nur damit er es vorher wusste.

„Menno. Spielverderber.“ Gespielt schmollte er am anderen Ende des Tisches. Versuchte sich sogar an den Kulleraugen. Tse. Heute nicht großer, heute nicht.

„Und wie wäre es mit…“

„Nein… nichts was ficken, nageln oder andere vulgär klingende soziale Interaktionen im Titel trägt.“

Erneut schmollen.

„Dann doch der Omi-Plan?“

„Nee, bloß nicht. Klingt scheiße.“ Hungrig waren meine Ideen einfach beschissen.

„Boah… du bist…“ Kopfschüttelnd klaute er mir die Gabel und aß mein –MEIN!!!!- Essen. „Ach auch egal… Wollen wir ein fünf oder zehn Stufen Plan?“

„So viele Stufen? Oh bitte, das lässt sich in drei Stufen regeln.“ Wagemutig eroberte ich meine Gabel zurück. „Erstens: die Such-und-Find-Stufe. Wir suchen und finden der, die, das passende Etwas für Oli. Zweitens: die Knall-Bumm-Stufe: wir bringen beide zusammen. Drittens: die Entspannt-zurücklehnen-Stufe: während die beiden Olis Problem beheben lehnen wir uns zurück und genie0en die Ruhe. Ganz einfach.“

 

War es nicht. Es war alles andere als einfach… Ich bezweifelte, dass es irgendwo in der Stadt, dem Bundesland oder gar der nördlichen Hemisphäre ein geeignetes Etwas für Oli gab. Vielleicht sollte er doch ins Kloster und wir Plan: ‚Knall-Bumm‘ –Felix fand den Begriff so lustig und zweideutig… und hatte mich mit mehr Essen bestochen- ad Acta legen.

 

„Weißt du was?“

„Was?“ Erschöpft ließen wir uns nebeneinander auf die Bank fallen und warteten auf die Straßenbahn. Heute ohne Oli. Diesmal war er mit Zahnarzt an der Reihe, was Felix jubeln ließ. Warum auch immer. Schadenfroher Bastard.

„Am besten wir verkuppeln einfach dich mit Oli und ich hab meine Ruhe. Dann kannst du dich nicht mehr beschweren, dass du hier noch keine gute Nummer hattest und ich muss mir Olis Art nicht mehr antun.“

„Vergiss es!“

„Warum? Ist doch gut. Er mag dich, du magst ihn. Seine Familie mag dich… und er braucht definitiv jemanden, der ihn aus seinem Schrank holt.“

„Dann mach du es. Auf dich treffen all diese Argumente auch zu. Und ich interagiere nicht auf diese Weise sozial mit meinen Freunden.“ Ich konnte kaum glauben, dass ich Oli wirklich als ‚Freund‘ bezeichnete. Aber das war er. Ein Wunder. Seit langem hatte ich nun also doch andere Freunde als Miha und Naila…

„Nun denk doch wenigstens mal drüber nach“, bettelte er, während er versuchte mich in der Straßenbahn nicht zu verlieren.

„Nein! Dann ist der Plan halt hinfällig, er ist weiter so und wir müssen es ertragen. Und? Ich bin nach Ostern weg. Ist nicht mein Problem. Also vergiss es einfach!“ Gereizt fuhr ich ihn an und starrte aus dem Fenster. Es war schlimm genug Freunde zu haben, die man dann einfach ‚auf nimmer Wiedersehen‘ hinter sich ließ. Eine Bettgeschichte –die einem Zwangsläufig etwas bedeutete, da man ihn ja als Freund angesehen hatte- kam demnach ganz und gar nicht in die Tüte. Also warum sollte ich drüber nachdenken. Ich würde es nicht tun, das stand fest.

 

Und doch sponn mein Unterbewusstsein des Nachts die herrlichsten Szenarien. Wie schön alles hätte sein können.. wenn wir eben nicht wir wären…

 

 

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nun ja nein.... ich bin nicht tot.... und hab mich auch nicht nach Hintertupfingen in Ismirkistan abgesetzt.

Also nicht ganz...

noch bin ich auf der Flucht...

 

...

nee ernsthaft: Entschuldigt das ewige warten ABBBBBERRRRR.... nun gut meine Ausreden sind doof aber ich bring sie trotzdem:

1. Ich musste lernen (wirklich... ich konnte es selbst nicht glauben)

2. ich hatte 3 Abschlussprüfungen (und alle irgendwie verkackt... lernen bringt eben nix bei mir)

3. eine Prüfung steht noch an (aber erst im Juli)

4. Meine Lust und Laune ist irgendwie ausgeflogen

5. Mein Lappi kackt ständig ab...

....

joa das wars eigentlich...

 

Also keine Bange hier geht es weiter. Bin mir unsicher wie.... aber naja.... irgendwann werd ich hier fertig.... bestimmt. 

zurück in unserer kleinen, pinken Welt

Oliver

 

 

Da war man eine Woche lang nicht bei Sinnen und dann das.

Entweder trieben es die Eule und Jascha miteinander… oder sie planten einen Mord. Vorzugsweise meinen.

Ich umschauen- tuscheln- mich anschauen-wieder tuscheln. Das ganze Spiel. Immer wieder und wieder und wieder.

„Kautzky. Ruske. Kommt endlich mal wieder runter vom Planeten Tratschtantus!“

Ein ‚Ja Mama‘ in herrlichem unisono umfing mich. Wie hatte ich das vermisst.

Eine Woche lang von Hormonen geplagt zu werden war nicht angenehm. Oh nein. Vor allem nicht, wenn bei meiner Mutter eine Klausur anstand. Und sie denkt man habe die ganze Woche gelernt und nicht… seinen Hormonhaushalt ins Gleichgewicht gebracht…

„He Oli.“ Wie findest du die neue aus der 9ten?“ Grinsend stieß Felix mir seinen spitzen Ellenbogen in die Seite und deutete auf genannte Neue.

Klein. Blond. Ein Weibchen wie die Bezeichnung ‚Neue‘ schon ausgesagt hatte.

„Hab sie nicht gesucht…“ Kopfschüttend wandte ich mich erneut meinem labberigen Schulbrot zu. Morgens zu verschlafen, kurz vor einer Klassenarbeit zu stehen und nervige Freunde zu haben war ja nicht schlimm genug… nein. Dann muss ich auch noch in aller Eile Immas Brote erwischen und jeder wusste, sie liebte es Matschig. Aufgeweichte Cornflakes? Immer her damit? Matschiger Reis mit zu viel Soße? Super! Schulbrote mit ganz viel nasser Tomate oder Gurke! Ein MUSS. Pfui…

„Sagte dir doch sie ist nicht SO toll.“ Zufrieden grinsend griff Jascha nach meinen Broten und schob mir dafür sein Mittagessen zu.

Ich wusste nicht was es war, doch ich könnte ihn dafür küssen. Wirklich. Nur nicht jetzt. Der aß doch tatsächlich das aufgeweichte Brot und verzog nicht einmal das Gesicht dabei.

„Du bist ja auch schwul“, protestierte Felix gekränkt. Versteifte sich jedoch glücklicherweise nicht weiter auf das Thema wie sonst. Ich konnte mir echt besseres vorstellen als weiter über diese nichtssagende Person zu diskutieren.

 

„Hast du für die Klausur gelernt?“

„Klausur?“ Geschockt riss Jascha die Augen auf. „Hör auf mich zu verarschen. Bitte.“

„Was hast du gemacht um DAS zu vergessen?“ Was ich getan hatte wusste ich… oh Gott, wollte ich wirklich wissen was ER gemacht hatte?

Schulterzuckend murmelte er etwas in seinen nicht vorhandenen Bart, das klang wie ‚Brautschau‘ –was aber nicht sein konnte- ehe er an mir vorbei huschte und sich auf seinen Platz quetschte um die Nase noch fünf Minuten in den Hefter zu stecken, in der Hoffnung irgendwas zu behalten.

Würde ich ja auch tun… wenn ich die fünf Minuten nicht zum Entspannen bräuchte. Hektik und Stress waren nicht gut fürs Gemüt.

Und ob ich nun nichts wusste und mir alles aus den Fingern saugen musste, oder ob ich ein Fitzelchen wusste –was hundertpro nicht einmal abgefragt werden würde- und mir den ganzen Rest aus den Fingern saugen musste, DAS war doch nun wirklich Wurst.

„Ruhig Brauner…“ Beruhigend tätschelte ich Jaschas Schulter. Wofür ich einen tödlichen Blick und ein Zischen à la ‚alles deine Schuld‘ bekam. Wirklich nett.

Warum noch mal war ich mit dem Kerl befreundet?

 

Nach dem Unterricht –nach der Klausur durften wir gehen- wartete ich artig auf die Straßenbahn. Einen jammernden Jascha dabei an meine Schulter gelehnt.

Heulte rum von wegen Leben versaut. Verdammte Klausur… oder so etwas in der Richtung. War mir nicht sicher. Nach den ersten paar gejammerten Sätzen hatte ich auf Durchzug gestellt. Hielt doch keiner aus.

 

„Uhhh schau mal…“ Er hatte plötzlich aufgehört zu jammern und deutete stattdessen auf irgendeinen Kerl. „Ist der nicht süß?“

Fragte der mich das ernsthaft?

Warum machte der das? Ich hatte zu solchen Typen keine Meinung. Wenn er sich was zum Aufreißen suchen wollte, dann doch bitte ohne mich.

Und warum versetzte mir der Gedanke daran irgendwie einen Stich? Einen so ganz zarten nur. Nichts ernstes… Dennoch störte es mich. Ich wollte das nicht.

„Oli.“ Da hatte nichts zu stechen.

„OLI!“

„WAS?!“ Um den Schrecken zu überspielen, schrie ich so laut zurück, wie er meinen Namen von sich gegeben hatte.

„Wie fandest du den?“

„Wen?

„Na… ach vergiss es. Dir kann man echt nicht helfen…“ „Hä?“

Verwirrt schaute ich zu, wie Jascha sich erhob, die imaginären Falten aus seiner Hose strich und sich Richtung haltender Straßenbahn quetschte. „Warte auf mich!“

 

Während der Fahrt zu Jaschas Haus, begann dieser von neuem über die fiese Klausur zu jammern. Langsam bereute ich es doch, mit ihm nach Hause gefahren zu sein. Vielleicht sollte ich schreiend wegrennen?

Klang gut… nur leider würde ich in Russisch komplett durchrasseln wenn ich wegrannte.

Nächste Woche wurden wir in dem Fach mit einer Klausur gequält und… wenn ich Glück hatte konnte Jascha mir zu einer vier verhelfen.

Durchfallen oder Gejammer? Schwer, schwer…

Nein. Einfach. Wenn ich durchfiel würde ich jammern. Ging ja gar nicht.

 

„Mamaaaaa?“

„Küche!“ Laute Musik schepperte uns entgegen.

„Musst du immer meine CDs klauen?“ Genervt drehte Jascha in der Küche den CD Spieler leiser, während er über die Schulter seiner Mutter linste und einen Blick auf den Topfinhalt warf.

„Musst du dich immer an meinem Kleiderschrank bedienen?“ Grinsend hielt sie ihm einen Löffel voll von irgendwas vor die Nase, die er nur zu gerne probierte.

„Touché. Schmeckt gut. Isst Papa heute nicht mit?“ Heimlich versuchte Jascha mit dem Löffel erneut in den Topf zu langen. Ein Klaps auf die Finger hielt ihn von seiner Missetat ab.

„Papa und ich gehen heute essen. Sobald er von den Pferden zurück ist. Und jetzt hopp, hopp. Schulsachen weg, frisch machen. Essen ist in fünf Minuten fertig.“

„Okay:“ Grinsend nickte Jascha, drückte Mascha einen kurzen Kuss auf die Wange und verschwand schließlich, mit mir im Schlepptau, nach oben.

„Musst du duschen?“ Schnell sprach er weiter, als ich etwas überrumpelt mit dem Kopf schüttelte. „Ok. Ich geh auch später. War ja nicht so warm heute.“ Sein dunkler Haarschopf verschwand in seinem Schrank. Fast schon glaubte ich ihn verloren, als er mir etwas seltsam Gefärbtes entgegen hielt.

„Was?...“

„Na komm. Zieh dir was Bequemes an. Nach Mamas Essen wird deine Jeans nur kneifen. Und lernen wenn die Hose kneift geht gar nicht.“

„Muss das sein?“  Angewidert begutachtete ich das Stück Stoff in meinen Händen.

„Ja… bitte.“

„Aber das ist… pink…“

„Ja… und es wird herzallerliebst an dir aussehen. Außerdem bist du für alle anderen zu… füllig um die Hüften.“

„Ey!“

Schmollend quetschte ich mich in die pinke Jogginghose. Und verdammt… er hatte Recht. Ich war wirklich zu füllig für seine Hosen… und ja… ich sah entzückend aus in pinkfarbenen Jogginghosen. Tse.

„Na komm, lass uns futtern gehen.“ Kaum das er seinen kleinen Arsch in eine graue Hose gequetscht hatte stürmte er aus dem Zimmer. Das zu große, grüne Shirt über seinen Kopf gestülpt.

Ich folgte ihm. Das Handy im Anschlag. Die Nummer des Notrufes schon gewählt. Wer wusste schon, was ein hungriger, durch ein Shirt erblindeter Jascha alles anstellen konnte, wenn er eine Treppe herunter stürmte und Naila irgendwo auf den Stufen herumlungerte.

 

 

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tja ich könnte wieder mit guten Ausreden kommen aber...

 

ach ... viel zu warm für Ausreden....

(Außerdem YAY. ich hab 3 von 4 Prüfungen bestanden.... Nr. 4 steht leider noch an... *seufz*)

Verbündete

Mascha

 

Das Klingeln an der Haustür riss mich aus meinem tranceähnlichen Entspannungszustand.

Welcher verfluchte Idiot mich auch immer an meinem Männer –und Jascha- freien Abend störte konnte etwas erleben. Auch wenn ich in dieser hellblauen Jogginghosen-Tanktop-Kombi nicht unbedingt respekteinflößend wirkte. Welches Rindvieh hatte auch Winnie Puh Flicken drauf genäht? Notfalls konnte ich Naila auf den Störenfried hetzen.

Patschende Geräusche auf den Fliesen im Flur hinterlassend riss ich die Eingangstür auf und wollte den ungebetenen Gast anranzen.

Och nee. Jaschas Freunde behandelte ich besser nett. Wer wusste schon, ob er so schnell neue finden würde. Außerdem fand ich das rollige Kätzchen entzückend.

„Felix. добрый день (dobryy den' /Guten Tag)“

„Hi Mascha.“ Grinsend hob er die Hand.

„Jascha ist nicht da“, wollte ich ihn aufklären, doch er schob sich schlicht an mir vorbei. Immer noch grinsend.

„Ja. Ich weiß. Der pennt bei Oli. Die lernen wieder… Ätzend. Mit den beiden zu lernen ist furchtbar.“

„Die lernen wirklich? Dachte immer das wäre so eine Umschreibung fürs… naja… rummachen…“

„Schön wärs… die Langweiler lernen wirklich.“ Entsetzt von dem Gedanken schüttelte der Lockenkopf sich.

„Darf ich fragen was du dann hier willst, wenn du weißt dass Jascha nicht da ist?“ Hoffentlich hatte er nicht zu viele Teeniefilme geschaut und dachte jetzt er müsste sich an die Mutter des Freundes ranmachen… obwohl ich ihn verstehen würde. Ich war einfach ein zu süßes Ding. Das fast erwachsene Kind sah man mir gar nicht an. Obwohl die grüne Paste in meinem Gesicht vermutlich nicht anziehend wirkt. Verdammte riesige Poren.

„Ich… wie drück ich das nur aus ohne das es dämlich klingt…“

Oh Himmel er machts echt… „Du sagst mir jetzt aber nicht, dass du auf mich stehst, oder?“

„Ieh. Nein! Du bist viel zu alt.“ „Puh…“ erleichtert atmete ich auf. Dann jedoch sackte die Erkenntnis ein. „EY. Ich bin nicht alt du Giftzwerg!“ Unsanft stieß ich ihm in die magere Seite.

„Was auch immer. Was dagegen wenn du mir einen Tee machst und ich dir versuche zu erklären warum ich hier bin?“

„Klar. Ich bediene ungebetene Gäste gerne.“ Unhöfliche Jugend. Aber diesen Kulleraugen konnte ich einen Tee schlecht abschlagen. Außerdem war ich neugierig, was er ausgeheckt hatte. Sein Grinsen verhieß nie im Leben etwas Gutes.

 

Mit Tee und Kaffee –und Keksen- bewaffnet machten wir uns im Wohnzimmer breit. Naila schlich uns leise nach und als Felix sich setzte, legte sie sich zufrieden über seine Füße und beschloss, dass jetzt der perfekte Zeitpunkt für ein Nickerchen war.

„Also?“

Schlürfend nippte ich an meinem heißen Kaffee. 

„Also…“ Knapp erzählte er mir, welchen Plan er und Jascha ausgearbeitet hatten. War nun nicht so interessant. Jeder versuchte mal einen seiner Freunde zu verkuppeln. Was danach kam, war jedoch interessant.

„Oli registriert andere jedoch nicht mal… Also hab ich beschlossen, dass Jascha eine gute Partie für ihn wäre. Immerhin redet er mit ihm und verbringt seine Zeit mit ihm… fehlt nur noch Händchenhalten in der Öffentlichkeit und wildes rumknutschen und alles wäre in Sack und Tüten.“

„Aber?“ Wenn alles so einfach klang, warum kam er dann zu mir? Verstand ich nicht ganz.

Seufzend fuhr er sich durch die Locken. „Aber… Oli würde nie den ersten Schritt bei so was machen. Und ich denke er würde wollen das jemand ihn macht… also das Jascha ihn macht… wenn er denn nur ein bisschen drüber nachdenken würde.“

„Und du glaubst, dass er das tut?“

Heftiges Nicken. Unwillig schnaufte Naila auf. Felix‘ Füße waren ihn wohl zu zappelig. Mürrisch schlich sie einmal um den Tisch, ehe sie in den Flur verschwand und höchst wahrscheinlich auf der Treppe weiterschlief. (Quer über Stufe 6 und 7 gelegt. Die mochte sie am liebsten!)

„Ja. Naja… vermutlich… wenn ich die Zeichen alle richtig deute…“

„Okay…“ Langsam nickte ich und trank den letzten Schluck Kaffee aus meiner Tasse. „Und warum erzählst du mir das?“

„Ich brauch deine Hilfe…“

„Wofür?“

„Naja… für den Teil mit deinem Sohn.“

„Was soll ich tun?“

„Du machst mit?“ Erstaunt schaute er mich an.

„Erzähl mir was ich machen soll und ich überleg es mir.“

Tief durchatmend setzte er zu einer langen Rede an. Schön mit wilden Gesten untermalt versteht sich. Und um langes kurz zu machen; der Kern seiner Aussage: tritt deinem Kind in den Arsch, damit aus den beiden was wird. Nette Idee… leider nicht durchdacht.

„Nein… mach ich nicht.“

„Was? Aber…“ Entsetzt riss er die Kulleraugen auf. Definitiv die Babyeule von der Jaschka immer geredet hatte. „Lass mich ausreden!“ Streng erwiderte ich den Blick, woraufhin er nur den Mund verzog, die Eulenaugen jedoch sein ließ.

„Versuch Jascha zu irgendwas zu drängen und er tritt dir in den Arsch und verreibt dir den Plan in deinem hübschen Gesicht. Dein Plan ist zum Scheitern verurteilt Häschen.“

 

Seufzend schaute er in seinen Tee. Der arme. Er sah fast so aus, als wollte er heulend nach Hause rennen. „Dann geh ich wohl besser…“

„Sicher?“ Grinsend hob ich eine Augenbraue und merkte, dass die grüne Paste auf meinem Gesicht hart wurde und auf den Tisch krümelte. Verdammter Mist.

„Ja? Oh… warte… Du hast einen besseren Plan als ich, nehm ich an?“ Da hatte er den Wink wohl verstanden. Schlauer Junge. Eine Mutter hatte immer einen Plan in der Hinterhand. Oder auch zwei, oder drei.

„Hab ich. Mein Plan ist es ihn machen zu lassen und nichts zu tun. Drängen bringt nichts. Reden bringt nichts… Lass ihn einfach machen. Er erfüllt den Plan ganz von selbst… wenn man ihn lässt. Auch wenn er das gar nicht will.“

„Und da bist du dir sicher?“ Unsicher schüttelte er mit dem Kopf. „Der wehrt sich doch vehement gegen den Gedanken!“

„Warum wohl? Weil er Oliver mag und er das ganz genau weiß. Verdrängung ist Momentan sein Motto. Das hält nicht lange an. Ich sag mal noch knapp drei Wochen, maximal vier, dann kann er es nicht mehr leugnen und gibt nach. Und voila… unser Plan ist erfolgreich… nun ja fast. Wenn er dann in der einsichtigen Phase ist sollten wir ihn ganz subtil Mut zusprechen und in die richtige Richtung schubsen… ganz sacht natürlich, schließlich wollen wir keinen Arschtritt, oder?“

 

Mit mehr Keksen und Tee und Kaffee besiegelten wir unseren –meinen- tollen Plan. Nachdem ich mir das grüne Zeug aus dem Gesicht gewischt hatte, langsam wurde es einfach unangenehm. „Zu was macht uns diese Sache hier eigentlich? Partners in crime, oder wie?“, presste er nuschelnd an ein paar Keksbrocken vorbei.

„Bitte… maximal zu Verbündeten… oder einfach zu stillen Zuschauern die kriegen was sie wollen.“

„Das gefällt mir.“ Klirrend stießen wir unsere Tassen aneinander, während wir grinsend unseren Gedanken über die Zukunft meines Babys nachhingen.

 

 

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nach drei Tagen des Versuchten hochladens kommt das Kapi endlich....

 

Einfach weil ich Mascha und Felix so liebe :)

Russisch für (blutige) Anfänger

 

 

Oliver

 

„Sag mal hörst du das auch?“ Das Gesicht verziehend legte Jascha den Kopf schief. Als ich verneinte drückte er wüst in seinem Ohr herum –abartig- und murrte leise weiter.

„Dämliches Fiepen. Wenn ichs nicht besser wüsste, würde ich sagen meine Mutter oder Felix reden über mich.“

„Uns.“ Korrigierte ich mit einem Hicks. Das konnte kein Zufall sein. Ohren klingeln. Schluckauf. Alles böse Ohmen. Oder nur Einbildung. Durch den ganzen Lernstress verursacht.

„Ja hast Recht. Was für ein Schwachsinn. Meine Mutter hat besseres zu tun als mit der Eule zu reden.“ Erneut mit dem Kopf schüttelnd schaute er zurück ins Buch und warf mir einen komischen Laut entgegen, den ich doch tatsächlich deuten sollte.

„Ähm…. Ja…. Ääääääähm…. „Langgezogen brummte ich und starrte die Decke an. „Äääähmmmm“ Vielleicht, wenn ich das lange genug machen würde….

„Streng dich an du Blödmann. ÄÄÄÄHM in jeglicher Länge ist es nicht.“ Ein Klaps auf meinen Hinterkopf unterstrich die Gemeinheit seiner Aussage. Ich war kein Blödmann. Ich hatte nur keinen Plan was diese furchtbare Sprache anging. Sie klang so grob und grässlich. Auch wenn es irgendwie niedlich war, wenn Jascha leise auf Russisch vor sich hin schimpfte. Wenn er mich jedoch auf Russisch anging und vermutlich zeterte wie bescheuert ich doch sei, dann war das wiederum nicht niedlich.

„Romeo Oliver Kant!“

Ungehalten schrie Jascha mir meinen vollen Namen entgegen. „Ich weiß die Antwort nicht!“

„Dann streng dich an du Holzkopf. Das ist nun wirklich nicht schwer!“

Da waren wir sehr unterschiedlicher Meinung, was zu einer mittelschweren Kriese führte. Was bedeutete ich verschanzte mich für eine halbe Stunde im Bad, und schrie ihn durch die geschlossene Tür an, ehe ich mich beruhigt hatte, in die Küche stapfte und mit Kuchen zurück in mein Zimmer ging, um vielleicht doch etwas zu lernen. Ich durfte einfach nicht durchfallen.

 

Um kurz nach neun hatte er mich schließlich so weit. Die Vokabeln saßen. Die Sätze klangen nicht mehr allzu missglückt und ich betete dafür, dass ich morgen früh noch etwas wusste. Ansonsten würden wir dieses Spiel wohl wieder und wieder Wiederholen müssen. Bis zur Klausur. Jeden Tag… Allein der Gedanke war die reinste Hölle. Von Jascha angeschrien zu werden –und mittlerweile zu wissen als was man betitel worden ist, da man die wütenden Satzfetzten via Google und Wörterbuch übersetzen konnte- war nicht lustig. Jedes Monster aus der Hölle wirkte friedlich und liebenswert neben ihm, in solchen Momenten.

 

Mit unserem Abendbrot –Pizza vom Lieferservice- bewaffnet quetschten wir uns im Wohnzimmer auf die Couch und ließen uns von einer lahmen Sendung berieseln.

„Wolln wir was anderes gucken?“ Ein Fan von Assi-TV war ich noch nie. Wenn irgendwelche seltsam überdrehten Weiber die Namen der eigenen 100000 Kinder nicht mehr wusste und nur Scheiße laberte ließ das mein Blut kochen. Im schlechten Sinne. Zu gerne würde ich dann den Fernseher verprügeln, obwohl dieser nichts dafür kann was läuft.

„Was läuft?“

Ich zeigte ihm das Fernsehprogramm und erhielt ein Kopfschütteln.

„Nee, da muss man zu viel denken. Lass das oder mach aus.“ Nach zwei weiteren Minuten der beschissensten Abendunterhaltung aller Zeiten gewann der schwarze Kanal und wir schlichen mit unseren Pizzen auf mein Zimmer.

Meine Mutter hatte Essen im Zimmer verboten. War mir in dem Moment jedoch völlig egal.

Die leeren Pizzakartons lagen quer im Zimmer verteilt, ebenso wie Jaschas Sachen. Jede Schlange häutete sich ordentlicher als dieser Kerl. Wenigstens war er dann doch so nett und hatte sich die schmierigen Finger gewaschen, ehe er sich in seiner ausgeleierten Jogginghosen-Shirt-Kombi zu mir auf Bett fallen ließ.

„Willst du echt so schlafen?“ Meine Mutter würde diese ausgenuddelten Sachen sofort in den Müll schmeißen, wenn sie sie in die Finger bekommen würde.

„Ich kann auch nackt schlafen.“

„…“ Nein, die Sachen waren gut. Wirklich. Bestimmt der letzte Schrei aus Mailand. Zufrieden mit meinem Schweigen grinste er mich an. „Was machen wir jetzt?“

Ich schielte an ihm vorbei zu meinem Wecker. „Ich geh duschen und dann schlafen.“ Morgen war immerhin Schule. Ein gegähntes ‚Du Langweiler!‘ folgte mir ins Bad.

 

Das warme Wasser der Dusche lullte mich in einen schläfrigen Zustand. Der Umstand, dass ich russisch lernen musste –und das absolut anstrengend war- tat den Rest.

Frisch geduscht und bettfertig schlüpfte ich in Selbiges, wobei mir egal war, dass Jascha die Hälfte blockierte, anstatt auf dem Gästebett zu schlafen, die mein Vater extra aufgebaut hatte.

 

Die Nacht war ruhig. Ich hatte geschlafen wie ein Stein und fühlte mich wunderbar als mein Wecker klingelte. Der Drang mich noch einmal umzudrehen und weiterzuschlafen blieb aus. Und da wusste ich: irgendwas war faul. Ein Morgen der so anfing hielt schreckliche Überraschungen bereit.

Keine Luft kriegen zum Beispiel. Es fühlte sich an als würde ein tonnenschweres Bleigewicht auf mir liegen und mich erdrücken. Ach nein…

Nur Jascha, der einer Boa Konstriktor gleich die Arme und Beine um mich geschlungen hatte.

War womöglich nur bedingt besser als ein Bleigewicht. Auf jeden Fall unangenehmer, da mich ein weiterer „Gast“ wie jeden Morgen begrüßte.

Mist…

Vorsichtig schielte ich zu Jascha. Schien zu schlafen wie ein Stein. Wenn ich jetzt ganz leise ins Bad schlich würde er nie etwas merken…

„Hör auf zu zappeln….“ Grummelnd machte er meine Hoffnung zu Nichte. „Ich muss mal“, log ich dreist. Erhielt dafür jedoch einen Schlag mit der flachen Hand auf den Bauch. Das klatschen was ertönte verwirrte mich. Warum klatschte es?

Verwirrt begutachtete ich nun mich das erste Mal und fragte mich… Wo zur Hölle war mein Shirt hin?

„Verkneif es dir.“  Noch einmal meinen Bauch in Form schlagend –anders konnte man es nicht bezeichnen- verstärkte er seinen Klammergriff erneut und missbrauchte mich doch tatsächlich erneut als Kissen.

 

„Jascha…“ Ein paar Minuten ließ ich mir das noch gefallen. Als er zu sabbern begann reichte es dann aber doch.

„Ruhe…“

„Warum trägst du mein Shirt?“ Warum fiel mir jetzt erst auf, dass er rein rotes Shirt trug. Mein rotes Shirt um genau zu sein.

„Hm?“ Verschlafen blinzelnd löste er seinen Griff um mich und schaute an sich runter. „Weiß nicht. Wo ist meins hin?“ Suchend schauten wir uns um. Ich glaubte es unter meinem Schreibtisch zu entdecken, war mir jedoch nicht sicher. Kurios.

„Haben wir etwa…“ Ein erschreckender Verdacht keimte in mir auf. Oh bitte nicht. Einen Moment lang wirkte auch Jascha entsetzt. Zuckte seinerseits dann jedoch mit den Schultern. „Tut dir der Arsch weh?“

Vehement schüttelte ich mit dem Kopf. Hielt dann inne und überprüfte ob es stimmte und schüttelte erneut den Kopf. Nein. Eindeutig nein.

„Dann waren wir brav.“ Gähnend setzte er sich auf und streckte sich. Einige lange Haarsträhnen standen wahlweise wild von seinem Kopf ab oder fielen wir in sein verschlafenes Gesicht.. „Bis jetzt zumindest.“ Eindeutig grinsend schielte er in eine Richtung die ich nicht gutheißen wollte. Mein Privatbereich. Gucken verboten. Anfassen erst recht. Vorher musste ein Antrag in dreifacher Ausführung ausgefüllt und bewilligt werden. Anders gings ja nun nicht. Schließlich waren wir hier in Deutschland. „Klappe!“ Zickte ich ihn an und hüpfte aus dem Bett. Ehe er noch auf blöde Ideen kam floh ich besser ins Bad.

„Laaaaangweileeeer!“

War das sein neuer Spitzname für mich? Er nannte mich in letzter Zeit oft so.

Egal. Duschen. ‚Gast‘ rausschmeißen. Anziehen. Ruhig bleiben. Alles war normal. Nichts war passiert.

Felix hatte mich schon mehr als einmal in solch einer Situation erlebt. Auch wenn er nicht aus unerfindlichen Gründen mein Shirt trug und sich an mich presste wie ein ertrinkender.

 

---

So was für zwischendurch... damit ihr mich nicht schlagen könnt.

Was ihn nicht stört

Ähm.... Anmerkung zu Beginn:

ja ich lebe noch

*unter Bett versteck*

Aber irgendwie.... hmmmm.... es wird hier auf alle Fälle weiter gehen.... hoffentlich brauch ich fürs nächste Minikapitel nicht wieder ein halbes Jahr....

Und da sagen alle Studenten hätten genug Zeit.... ich bin total im Stress und komm nicht wirklich zum Schreiben... Zwischen der ganzen Literatur- und Sprachwiissenschaft und Alter- und neuer Geschichte und europäischer Geschichte und Latein dreimal die Woche....

Sorry auf jedenfall, dass ihr ewig warten musstet.... und nur so ein Häppchen kriegt

 

Jascha

 

Das schlimmste am Sportunterricht?

Müffelnde Umkleidekabinen und deren Insassen? Oh ja. Richtige Antwort.

Ekelschauer vertreibend hüpfte ich in meine Sportsachen. Oder besser: ich versuchte es. Irgendwie waren diese dämlichen Hosen störrisch. Dabei war da nun wirklich nicht viel Stoff dran.

„Scheiße…“ Leise vor mich hin fluchend und die anderen ignorierend –was nicht schwer war, immerhin hielten alle, bis auf Oli, einen Mindestsicherheitsabstand von einem Meter ein. Was mir Platz verschafft und sie zum Gruppenkuscheln zwang.- erreichte ich schließlich mein höchstes sportliches Ziel. Unfallfrei in Sportsachen zu steigen. Radschlagen? Gymnastik? Dauerlauf? Hochseilartistik? Alles kein Problem. Anziehen… schon. Irgendwas hatte meine Mutter da wohl falsch gemacht…

Meinen Siegestaumel jäh unterbrechend –irgendwer starrte mir Löcher in den Rücken. Konnte ich auf den Tod nicht ausstehen- schaute ich mich um, entdeckte jedoch nur Oliver, der mich mit zusammengekniffenen Augenbrauen ansah und sich schließlich Schulterzuckend seinen Schuhen zuwandte.

Was war das? Wollte ich ihn zu gerne fragen. Die Trillerpfeife des Sportlehrers vereitelte dies gekonnt. Ein schrilles Fiepen im Ohr konnte Gedanken sehr schön durcheinander werfen. Au…

Bald wäre ich taub, wenn der Kerl das nicht bleiben ließ. Vielleicht hatte ich auch Glück und wäre schnell genug weg von hier um es nicht mehr ertragen zu müssen.

Weg… Daran wollte ich eigentlich noch nicht denken. Es fühlte sich an, als wäre ich schon ewig hier…. Dabei waren es nur… zwei Monate? Drei? Hatte ich tatsächlich vergessen wann ich hier angekommen bin. Was ich noch wusste war, dass es langsam verdammt kalt wurde. War schließlich schon November. Und wenn Weihnachten erst einmal ran wäre, dann würde Ostern nicht lange auf sich warten lassen und der Zirkus würde weiter ziehen. Mit mir.

Kopfschüttelnd verwarf ich diese Gedanken und quetschte mich neben Oliver auf die Bank in der Sporthalle.

Was der alte Sklaventreiber mit der Trillerpfeife schwafelte interessierte mich momentan die Bohne. Wenn es wichtig war, würde das schon irgendwer verlauten lassen. Nur als mein Name aufgerufen wurde, meldete ich mich mit einem automatischen ‚hier‘ ehe ich wieder in Gedanken versank.

 

„Ich hab so was von die Schnauze voll von Bällen…“, zischelte ich Oli leise zu, als der Sportlehrer am anderen Ende der Halle war und ich mir zu 90% sicher war, dass er mich nicht hören konnte. Schnaufend warf ich ihm dabei –zum gefühlt hundertsten Mal- diesen ätzenden Medizinball zu. Was brachte das? Oberarme wie Rambo? Darauf konnte ich verzichten. Sah außerdem scheiße aus… Glitzeroutfits und Oberarmmuckis mit nem Meter Umfang. Einfach gruselig die Vorstellung.

„Ich erst…“ Lustlos warf er den Ball zurück, welchen ich nur knapp fangen konnte. Meine Arme fühlten sich wie Pudding an. Wässriger Pudding… Wasser ohne Puddingpulver drin.

„Hört auf zu Quatschen ihr Waschweiber!“ Erschrocken fuhr ich zusammen und ließ den Medizinball unsanft auf den Fuß des Sportlehrers Fallen. (Der musste Spion gewesen sein in jungen Jahren… der konnte vielleicht schleichen.) „Noch zehn Mal!“

Entsetztes Stöhnen wehte durch die Halle, dennoch warfen alle fleißig weiter.

Während wir weiter fleißig Medizinbälle schubsten, zeterte das Sport Monster, was wir doch alle für Weicheier wären. Pädagogisch richtig war das bestimmt nicht.

 

Dann wurden Teams gebildet. Immer drei Mann. Natürlich mit abzählen. War ja auch viel cooler als selbst Teams zu bilden... Genervt starrte ich Toni und irgendwen -der Kerl war mir noch nie aufgefallen. Musste einer aus der stillen Ecke des Klassenzimmers sein... oder ein eingeschleuster Auftragskiller/Spion/etc. - an, während uns irgendwelche seltsamen Turnübungen vom Sklaventreiber im Adidas-Chic erklärt wurden.

Widerwillig hörte ich mit einem Ohr zu. Toni fragte ich im Leben nicht, der würde mir sowieso nie helfen, und der stille Typ der unsicher auf den Fußballen auf und ab wippte wirkte nicht so, als verstünde er, was er machen sollte. Warum nur hatte ich solches Glück?

 

Die Turnübungen nervten, nicht dass sie schwer waren oder anstrengend, sie waren einfach nur nervig. Noch nerviger war jedoch das Gefühl angestarrt zu werden. Normalerweise störte mich das nicht, doch während des Sportunterrichts war es etwas unheimlich. Ich hoffte nur es war nicht der Sportlehrer.

Ich atmete innerlich -und dennoch erleichtert- auf als der besagte Lehrer sich vor uns aufbaute, Toni verbal den Kopf tätschelte, dem stillen Typen unter die Nase rieb, dass er alles falsch machte und mich anranzte warum ich es wagte solch eine Monstrosität von Hose zu tragen, während das Gefühl des angestarrt Werdens in meinem Rücken blieb. Es war immer noch unheimlich, jedoch nicht mehr so 'oh Gott der Lehrer könnte mich an starren' unheimlich.

"Ist die Schnarch Nase nun endlich dein Betthäschen, oder warum starrt er dir so auf den Arsch, Lilli-Fee?" Lachend und angewidert verzog Toni das Gesicht, während er zu der Dreiergruppe Max-Oli-Marcel (das Mom-Team) deutete.

"Ich weiß nicht, ob es seltsamer ist, dass du Lilli-Fee kennst oder das Oli gestarrt haben soll." Augenrollend drehte ich Toni den Rücken zu.

Oli war seltsamer.

Toni sammelte höchst wahrscheinlich die Prinzessin Lilli-Fee Sachen, aber Oli... der war bisher immer so verdammt asexuell, dass dieses Starren gerade, schon an eine wilde Sex Orgie grenzte. Vielleicht hätte ich doch längere Hosen anziehen sollen... nicht das der arme Oli sich wegen mir die Hosen einsaute.

Ach Blödsinn... dennoch würde ich mit ihm reden müssen. Wenn man starrte und ein Typ wie Toni es bemerkte, dann starrte man eindeutig zu auffällig.

 

"Du Oli", setzte ich an, als ich mein Tempo drosselte und neben ihm her trabte. "Ist alles gut bei dir... du wirkst etwas... neben der Spur?"

"Neben der Spur? Ich?" Schulterzuckend schaute er mich an. "Bin ich doch immer."

Da hatte er allerdings Recht. Dennoch verhielt er sich heute besonders seltsam.

"Sag mal..." Erneut schaute er mich an, ließ dabei ein geschnauftes 'hm' ertönen, welches mich weiter sprechen ließ. "Hast du mich vorhin gerade angestarrt?"

Jetzt wartete ich eigentlich auf schwerwiegende Proteste und Gezeter. Doch das blieb aus. Stattdessen brummte er leise in seinen nicht vorhandenen Bart, dass dies durchaus möglich sein könnte, auch wenn er selbst nicht wüsste, warum zum Geier er so etwas tun wollen sollte. Seine Worte. Nicht meine.

"Alles klar bei dir?" Bestimmt nicht. Oli war ein Kerl, bei dem es etwas wie ein pauschales 'alles klar' nicht gab. Schon gar nicht wenn der Sklaventreiber ihn Runden rennen ließ und er schnaufte wie eine alte Dampflok.

Er überraschte mich zum wiederholten Mal an diesem Tag, als er schulterzuckendes "Keine Ahnung" von sich gab.

"Hört auf zu tratschen ihr elenden Waschweiber!" Das nette Stimmchen wehte zu uns herüber und zwang uns zur Stille.

 

Noch fünf Minuten durchhalten.

Mir ging es ja so weit gut, aber...

Prüfend warf ich einen Blick zur Seite.

...Oli war kurz vorm abnibbeln. Wirklich. Sein hoch roter Kopf war seit circa zwei Minuten kreidebleich und das Schniefen hatte noch einmal ein gewaltiges Stück zugenommen.

Noch vier Minuten.

Sein Gesicht nahm einen ungesunden Hauch von grün an.

Er würde nicht kotzen wollen, oder sterben...

"Oli?"

Ein leiden des 'hnnnnnä' zeugte davon, dass er noch ansprechbar war. Bloß wie lange noch?

"Wirst du die nächsten drei Minuten überstehen?"

Er versuchte mir einen bösen Blick zu zuwerfen, scheiterte jedoch kläglich. "Wenn nicht, dann bist du Schuld..."

Ich wüsste zwar nicht warum es meine Schuld sein sollte, doch wenn es ihn am Leben hielt.

"Ich kann Mund-zu-Mund-Beatmung, falls dich das beruhigt." Mit dem Gedanken, dass der Sklaventreiber Ersthelfer war und einen so retten sollte/müsste/könnte, würde ich mir das umkippen auch zweimal überlegen.

"Weißt du was das Schlimme an deiner Aussage ist?" Er versuchte gar nicht mich anzusehen, sondern konzentrierte sich zunehmend auf seine Füße und das Seitenstechen, das ihn seit einer Weile schon quälte.

Ich schüttelte mit dem Kopf auch wenn er es nicht sehen konnte. Meine Antwort 'dass du es wirklich gleich tun musst' verkniff ich mir nur mit Mühe. Beschreien wollte ich es nicht.

Zu meiner Verwunderung hob er den Kopf ein Stück. "...dass mich der Gedanke grad überhaupt nicht stört."

Meine Füße gerieten aus dem Takt. Stolpernd bewahrte ich meine Frontansicht vor einer Kollision mit dem Fußboden und blieb schließlich stehen. Beinahe entsetzt starrte ich ihm nach.

Hatte er grad wirklich...?

Neeeein.

...

"Nicht stehen bleiben Lahmarsch", rief er mir doch tatsächlich über die Schulter zu.

Oh doch, er hatte! Und wie er das hatte. Und ich würde ihn Tag und Nacht für den Rest meines Aufenthalts hier damit aufziehen. Natürlich nur als Rache für das Lahmarsch. So etwas musste ich mir von einem Bewegungslegastheniker erster Güte nicht sagen lassen!

 

 

//Oh Gott hier waren ja soooo viele dämliche Fehler drin... ich musste es heute einach nochmal kontrollierter reinstellen.... oh Gott ist mir das peinlich...

Ich frag mich warum mein Tablet alles so falsch korrigiert hat.... *hassssss*//

Von Nüssen und Küssen und Tratsch

 

 

*Oliver*

 

Warum?

Warum, warum, warum?

Warum war ich bitte so blöd und hatte etwas Derartiges von mir gegeben?

War ich tatsächlich so bescheuert und machte mir mein eigenes Leben schwerer als es war? Die Hormone eines Fünfzehnjährigen waren auch ohne solche Aktionen schlimm genug. Vielen Dank!

Es war fast eine Woche nach… ‚dem Unfall‘… und noch immer grinste er mich fies an, wenn er mich sah. Und Felix grinste mit ihm. Gerade so als wüsste er etwas. Miese Schlange… Eule… Verräter!

Hatte er es wirklich, allen Ernstes Felix erzählt? War er wirklich so ein Tratschweib? Oder grinste die Eule immer so komisch und ich bemerkte es nur zum ersten Mal?

Egal, beides gefiel mir nicht.

„Lasst den Scheiß!“, fauchte ich wütend, wie die Nachbarskatze wenn man ihr ausversehen auf den Schwanz trat, und stocherte lustlos im Mensaessen.

„Zick doch nicht so rum. Sonst verschluckst du dich noch und erstickst.“ Tadelnd schaute Jascha mich an.

Heute hatte er die Haare ganz männlich zu einem Pferdeschwanz gebunden… hätte er nicht den Haargummi meiner Schwester –mit Tinkerbell Motiv- getragen, würde diese Aussage nicht ansatzweise so sarkastisch klingen, wie sie es in meinem Kopf gerade tat. Ich konnte noch immer nicht glauben, dass er tatsächlich kein Mädchen sein sollte. Vom Wesen her war er recht nah dran an dieser garstigen, irritierenden, anhänglichen Personengruppe. Hätte ich nicht persönlich gesehen, dass er ein Kerl war –ganz ausversehen- würde mich der pinkfarbene Nagellack nicht mehr ganz so sehr irritieren. Diese Farbe musste einem doch alles wegätzen so schrill wie sie…

„Ist doch halb so wild“, riss Felix mich aus den unfertigen Gedanken. „Kannst ihn ja wiederbeleben.“ Sein Grinsen wurde noch eine Spur breiter, während er ein Stück von mir wegrutschte um aus meinem Radius zu verschwinden.

„Du hast es ihm wirklich erzählt? Musste das sein? Reicht es nicht, dass du dir daraus dein Vergnügen ziehst?“ Wild fuchtelte ich mit der Gabel vor seinem Gesicht herum. Da das Gerät stumpf war, wie jede Mensagabel, wirkte es tatsächlich etwas lächerlich.

„Ich hab ihm gar nichts erzählt. Das war Max.“ Abwehrend hob er die Hände. Sein Blick wirkte fast unschuldig. Aber nur fast.

Als ob ich ihm die Max-Geschichte abkaufte.

„Und warum erzählst du es Max?“

„Hab ich nicht. Er hat dich im Sportunterricht selber gehört. Genau wie Jannik.“

Oh Gott, was hatte ich mir nur gedacht so etwas zu sagen?

Nichts vermutlich.

Mein Hirn litt eindeutig unter Sauerstoffmangel, unter absolut tödlicher Belastung! So etwas konnte man doch nicht ernst nehmen!

Obwohl ich mich im Moment doch ganz gerne wiederbeleben lassen würde… argh, nein. Will ich nicht. Nicht hier. Nicht vor dieser komisch guckenden Meute…

Warum guckten die so komisch?

Die wussten nicht…

Mein Blick glitt zu Max und Jannik, die etwas entfernt von unserem Tisch saßen, meinem Blick auswichen und schließlich mit zwei Mädels an ihrem Tisch über etwas lachten.

Grundgütiger. Warum Jannik? Warum Max? Warum ich?

Ich hatte das Bedürfnis meinen Kopf in die Gabel zu rammen, da sie aber immer noch stumpf war, ließ ich es bleiben. Das Ding richtete nicht ansatzweise genug Schaden an.

 

„Na komm, Romeo. Wenn wir jetzt Händchenhaltend zu Russisch abdampfen brauchen die Leutchen hier erste Hilfe…“

Ein Glück hörte Felix Jaschas Aussage nicht.

„Spinnst du?“

„Spielverderber…“ Mit einem ‚pfft‘ Laut streckte er mir die Zunge raus und entsorgte die Reste seines Essens.

„Noch hast du dich Chance…“ Auffordernd schaute er mich an, während er nach seinem Rucksack griff und sich anschickte zu gehen.

„Träum weiter. Ich steh nicht auf Händchen halten.“

Das hätte ich nicht sagen sollen. Wie so manches in meinem kurzen Leben.

„Nein? Ich hab an der Jeans auch ne schöne Arschtasche. Wenn du willst kannst du dein Händchen da ablegen und meinen Hintern begrabbeln. Gibt vielleicht mehr Tratsch als Händchenhalten.“

Prustend spuckte Felix seine Cola zurück in die Flasche. Zumindest einen Teil davon. Der Rest verteilte sich auf dem Mensatisch.

Das gleiche wollte ich mit meinem Hirn machen.

Ganz dringend.

Kopfschüttelnd sprang ich auf und entsorgte nun auch mein Essen.

Wenn ich schnell genug war, dann würde ich ihm entkommen können. Aber wir hatten zusammen Russisch… vielleicht sollte ich mich im Bad einschließen und bis zum Stundenklingeln warten dann… nein, dann wäre auch nur neben ihm ein Platz frei.

Egal. Flucht war erst einmal ein guter Gedanke.

Leider war er schneller als ich –und hatte eine Flucht wahrscheinlich vermutet- und holte mich keine zwei Schritte hinter der Mensatür ein. Wie hasste ich es, dass ich nicht einfach wegrennen konnte.

Aber rennen hatte mich ja erst in diese Lage gebracht…

 

„Russischhausaufgaben bei mir?“ Mitleidig ruhten ein paar Kulleraugen auf mir.

„Besser bei mir. Wer weiß was du bei dir mit mir anstellst…“

Ich wollte es mir gar nicht vorstellen. Wenn er wollte, konnte er definitiv viel mit mir anstellen… Hilfe bei den Hausaufgaben in diesem Höllenfach würde ich dennoch nie ausschlagen. Ich musste meine Chance nutzen, solange er hier war. Wann würde mir das Leben schon meinen nächsten russischen Mitbürger vor die Nase setzen, der mir so bereitwillig half meine Noten aufzubessern?

Hoffentlich nie, wenn die alle so waren wie Jascha.

„Ich bin durchschaut…“ theatralisch griff er sich an die Brust, ehe er sich in seinem gigantischen Schal einwickelte und sich dran machte, in die Kälte zu treten.

Schlag auf Schlag wurde es von angenehm warm zu eisig kalt.

Dass der Winter vor der Tür stand war nicht zu leugnen.

Und ich Idiot hatte die falsche Jacke an, da ich nicht auf meine Mutter gehört und meine Wintersachen vom Dachboden geholt hatte.

Heiter, wie es nun einmal seine Art war, hüpfte er beinahe über den Fußweg.

„Sag mal…“ Fragend drehte er sich zu mir, blieb jedoch nicht stehen um meine Frage zu hören. „Wann hast du dir die Haare gemacht?“

Irritiert musste ich feststellen, dass der Pferdeschwanz verschwunden war und einem schräg verlaufenden Franzosenzopf Platz gemacht hatte.

„Als du in Russisch verzweifelt versucht hast den Text aus dem Buch zu übersetzten.“

Auf meine Frage warum er sich im Unterricht die Haare gemacht hatte er hielt ich die Antwort ‚Langeweile‘.

„Was auch immer…“ Kopf schüttelnd verdrängte ich sämtliche Gedanken an Jaschas Haare. Ich musste mich nicht mehr irritieren lassen als sonst.

„Uh guck mal, die haben den Weihnachtsmarkt aufgebaut…“ Strahlend schaute Jascha sich um.

Warum war mir bei seinem Blick klar, was jetzt kommen musste?

„Lass uns drüber schlendern ja?“

NEIN!

Mein inneres Schreien sperrte ich in die tiefsten Tiefen meiner Selbst und nickte stattdessen.

Hausaufgaben. Ich musste an meine Hausaufgaben denken. Wenn das Äffchen glücklich und zufrieden war, war er viel verträglicher was die Hausaufgaben betraf.

Also ging es über den Weihnachtsmarkt… auch wenn ich es hasste.

Ein glück waren um halb drei Uhr noch nicht so viele Leute da.

 

Mit strahlenden Augen huschte Jascha von einem Stand zum nächsten, beschränkte die Einkäufe jedoch auf eine große Tüte mit diversen Naschereien und eine Tasse Glühwein für jeden von uns.

Ich hasste Glühwein. Genauso sehr wie ich Weihnachtsmärkte hasste…

Dennoch trank ich ohne mich zu beschweren. Die Frage ob das überhaupt schon an uns ausgeschenkt werden durfte, da ich für meinen Teil erst 15 war, ließ ich unausgesprochen, ebenso die Frage warum zum Henker Jascha einen rosa gestreiften Schal trug und ich ihn darum beneidete. Es war aber auch verdammt kalt für November. Nicht, dass ich ihn wegen der Farbe beneidete, oder so. Die Farbe war grässlich. In so etwas würde nicht mal meine Schwester herumlaufen…

 

„Krieg ich auch eine?“ Mit einem Kopfnicken deutete ich auf die Tüte in seiner Hand. Der Duft von noch warmen, gebrannten Nüssen stieg mir in die Nase und ließ mich nicht mehr klar denken.

Warum nur hatte ich mir nicht auch ein Tütchen geholt, als wir noch auf dem Markt waren?

Jetzt –kurz vorm aussteigen aus der Straßenbahn und dem ankommen in heimischen Gefilden- wollte ich doch nicht mehr zurück. Nüsse wollte ich dagegen schon. Jetzt. Sofort. Wenigstens eine für den Geschmack.

„Nein…“ Mich anschauend, als wäre eine solche Frage überaus respektlos und unangebracht, brachte er die Nüsse außer Reichweite. Schlauer Junge. Er lernte. Mist.

„Ach komm schon. Nur eine.“

„Nein.“ Wieder sah er mich entsetzt an. Ich fragte ihn hier doch nur nach Süßkram. Oder sprach ich plötzlich eine außerirdische Sprache und er verstand etwas in die Richtung, dass er nackt durch die Straßen laufen soll oder ich unanständige Dinge gleich hier in der Bahn mit ihm machen will?

Nein… eher, dass er sich die Haareschneiden soll, oder so. Nackt durch die Straßen zu laufen würde ich ihm direkt zutrauen. Von den unanständigen Sachen wollte ich gar nicht erst reden.

„Jascha bitte!“

Der kalte Wind stieß mir entgegen, als wir die Bahn verließen.

„Du nervst!“

„Ich will doch nur was Süßes von dir!“

„Ich will aber nicht, dass du an meinen Nüssen knabberst!“

„Und ob du das willst.“ Gereizt schnipste ich ihm gegen die Stirn. Er machte absichtlich solche Anspielungen. Und es kotzte mich an. Wieso klang bei ihm alles versaut? Er könnte wahrscheinlich den Wetterbericht vorlesen und es würde klingen, als wäre es das Hörbuch zu einem dieser ach so tollen Schmuddelbüchlein, die einige meiner Klassenkameraden heimlich unter der Bettdecke lasen, oder hörten. Ob die alle lesen konnten bezweifelte ich.

„Du nervst!“

„Du wiederholst dich. Und nun gib mir bitte eine ab.“ Ich versuchte es mit dem Bettelblick, den Felix sonst immer nutzte. Sah lächerlich aus an mir, wie ich in einer Schaufensterscheibe erkennen konnte. Dennoch schien es ihn zu erweichen.

„Na gut.“ Ein fieses Grinsen legte sich auf sein von der Kälte errötetes Gesicht. „Hol es dir.“

Noch immer grinsend steckte Jascha sich die Nuss zwischen die Lippen.

Es sollte mich abschrecken. Definitiv.

Doch ich wollte diese Nuss. Ich wollte sie.

Um jeden Preis?

Ich zögerte einen Moment, dann noch einen.

Eine dunkle Augenbraue wanderte Richtung Haaransatz.

 

…ja.

Unsanft zog ich Jascha an seinem Zopf ein Stück zu mir.

Ich wollte die Nuss. Nuss.

Fast ebenso unsanft berührten sich unsere Lippen, als ich versuchte das Objekt der Begierde zu bekommen.

Nuss… Nuss… Kuss… Nuss… Nein Kuss.

Ich vergaß die Nuss. Er wohl auch.

Irritiert musterten seine Augen mich, ehe er sie schloss und die kalten Finger in meine Haare wühlte, um mein Gesicht näher zu ziehen.

Kuss.

Musste ein Kuss sein.

Fühlte sich so an, wie es bei anderen aussaß. Nur ohne das sich gegenseitig aufessen.

Jaschas Lippen wurden von eiskalt zu etwas wärmer. Sie schmeckten süß.

Süß…

Die Nuss kam mir wieder in den Sinn.

Ich wollte doch die Nuss haben. Genau.

 

Seufzend lehnte ich mich weg von dem anderen. Schweigend musterten wir uns für einen Augenblick. Und noch einen.

Schließlich zuckte ich mit den Schultern und bedankte mich, wie meine Erziehung es vorschrieb für die Nuss.

Den Kuss verdrängte ich.

Ich wollte nicht küssen. Küssen war anstrengend. Wie alles andere, was mit Menschen zu tun hatte.

Dennoch wurde ich den Gedanken nicht komplett los, dass ich es vielleicht doch öfter tun wollte als ich sollte.

Vielleicht.

 

„Kommst du?“ Verwundert blieb ich nach ein paar Metern stehen. Jascha stand noch immer wie angewurzelt vor dem Schaufenster.

Er hing wohl sehr an der Nuss…

„…ja. Klar.“ Er schüttelte den Kopf, ehe er sich durch die Strähnen fuhr, die sich aus seinem Zopf gelöst hatten.

„Die Hausaufgaben machen sich nicht von allein…“ Anscheinend wieder der alte, begann er von neuem seine Nüsse zu knabbern.

Ich wollte definitiv auch noch eine. Doch jedes Mal, wenn ich nur den Versuch startete nach noch einer zu fragen, schickte er tödliche Blicke in meine Richtung und ich beschloss, dass Nüsse überbewertet wurden.

 

 

 

---

Dieses Mal bin ich nicht für eine halbe Ewigkeit in der Versenkung verschwunden...

Das Kapitel ist zum großen Teil in der Uni entstanden... ich entschudige mich also schon mal, wenn es etwas.... komisch ist....

Hoffentlich gefällt euch der kleine Anstoß....

irgendwann muss die Sache ja mal ins rollen kommen.... vor allem wenn die Hälfte schon geschafft ist (wenn ich nach meinen Aufzeichnungen gehe.... das Ende kommt nämlich schneller als mir lieb ist)

 

 

Wenn Kerle mental menstruieren

(entschuldigt den beschissenen Titel)

 

*Jascha*

 

Seufzend presste ich einen Finger auf meine Lippen.

Seit zwei Tagen kribbelte es, als würden tausende Ameisen unter meiner Haut eine Party feiern. Und egal was ich tat, es wollte einfach nicht aufhören.

„Was ist los Jaschka?“

Ohne den Blick vom Fernseher abzuwenden fuhr Miha mir durch die nassen Haare, während mein Kopf es sich auf seinem Schoß bequem machte.

Mit Leidenschaft verfolgte er die Nachrichten, welche ich gekonnt ausblendete. Waren eh nur Mord und Totschlag und skandalöse Affären der Promis.

„Nichts…“ Erwiderte ich schulterzuckend und starrte ohne wirklich hinzuschauen auf den flimmernden Bildschirm.

„Hat dieses nichts zwei Beine, blonde Haare und kommt einfach nicht in die Pötte?“

„Pff…“ Genervt verdrehte ich die Augen, ohne das er es sehen konnte.

„Als ob.“

„Ach komm. Bei mir musst du nicht so tun als würde dich das Ganze kalt lassen.“ Noch immer stierte er auf den Fernseher, schaltete nach dem Wetterbericht jedoch auf stumm und musterte mein Profil.

„Du magst den kleinen Lahmarsch.“

„Tu ich nicht.“

„Und wie du das tust. Du magst den Kerl und das vermutlich mehr als dir lieb ist. Denn hättest du ihn nicht gern, dann könntest du einfach deine Krallen in ihn schlagen und ihn in dein Bett zerren, ohne ein schlechtes Gewissen zu bekommen. Und den Lockenbubi könntest du dir auch schnappen sowie zig andere in dieser gottverdammten Stadt.“

Leise grummelte ich vor mich hin. Vergrub das Gesicht an seinem Bauch. Warum hatte er Recht?

Ich sollte ausgehen, mir einen Kerl angeln der viel zu alt für mich und fader durchschnitt war, den ich einfach vergessen konnte, da er mir am Arsch vorbei ging.

„Will ich aber nicht“, gab ich schließlich zu und hoffte, dass nur sein Bauch mich verstand, nicht aber seine Ohren.

„War mir klar Kleiner. War mir klar…“ Mild lächelnd tätschelte er mir den Kopf, ehe er mich von sich schob und aus dem Wohnzimmer tigerte ohne zurück zu kommen.

Vollidiot.

Warum ließ der mich einfach ohne Vorwarnung allein? Das durfte der doch gar nicht. Wen sollte ich nun als Kissen missbrauchend.

Genervt verschränkte ich die Arme vor der Brust und Schnaufte wild vor mich hin. Naila hob misstrauisch ihren Kopf vom Wohnzimmerboden und beschloss, es nicht drauf anzulegen und verschwand ebenfalls im Nichts, dass sich unser Haus nannte.

Sollten mich nur alle allein lassen.

 

„Felix…“ Weinerlich presste ich das Handy an mein Ohr. In Phasen wie diesen beteuerte meine Mutter, ich sollte eigentlich ein Mädchen sein und mir wäre nach der Geburt nur einfach nicht der Schniedel abgefallen, egal wie doll der Arzt auch klopfte -ihre Worte nicht meine. Das Wort Schniedel ging gar nicht.- und würde einfach mental menstruieren.

Ekliger Gedanke.

„Was gibt’s?“ Meine Tonlage ließ ihn kalt. Entweder hatte ich zu wenig wehleidig geklungen oder er war abgelenkt.

„Du spielst nicht grade zufällig an dir rum, oder?“

Es gab nur wenige Sachen, die die Eule ablenkten und ihn dabei so ruhig klingen ließen.

„Willst du mitmachen wenn ich ja sage?“

„Nein!... Vielleicht. Würde mich zumindest ablenken.“

Seufzend –langsam konnte selbst ich dieses Geräusch nicht mehr hören- presste ich das Gesicht in eines der bunten Dekokissen auf der Couch.

„Nee, ich mach nur Geschichte. Mit was kannst du mich davon abhalten? Hab keinen Bock auf 30-jährigen Krieg und weiß nicht wie ich mich allein davor drücken könnte.“

„Wolln wir über der Weihnachtsmarkt flanieren?“

„Weihnachtsmarkt?“

„Ja.“ „Flanieren?“

„Ja…“

„Hast du einen Duden zum Frühstück gegessen?“

„Nein… und jetzt lass uns über diesen beschissenen Weihnachtsmarkt flanieren! Und ich sage diese dämliche flanieren wann und wo und wie ich will.“

„Aber es ist grau draußen…“

„Und?“ Ich schielte zum Fenster, doch der Blick nach draußen wurde von dicken Vorhängen blockiert.

„Die haben Schnee angekündigt!“

„Schiss vor Schnee? Nun sag schon ja. Bitte, bitte, bitte, bitte…“

Genervt von dem leiernden Geräusch, was einmal meine Stimme war und nun ohne Unterlass bittebittebitte von sich gab, stimmte er schließlich zu und stand kurz darauf vor meiner Haustür. Eingepackt wie ein Michelinmännchen. Er übertrieb vollkommen.

Minus 2 Grad! Fast noch Bikinitemperatur!

„Du gehst so?“ Entsetzt schauten mich seine großen Kulleraugen aus mehreren Lagen Stoff, was wohl Mütze und Schal und… was auch immer darstellen sollte, an.

Diese dämliche Frage belohnte ich nicht mit einer Antwort. Natürlich ging ich bei minus 2 Grad in kurzen Shorts und Strumpfhose raus! Immerhin hatte ich Stiefel an. Und eine Jacke und einen Schal. So konnte man auch locker noch bei minus 15 Grad nach draußen.

 

„Du bist irre…“ Fröstelnd hüpfte Felix neben mir von einem Bein auf das andere, während ich an einer Eiskugel schleckte.

Ja… ich geb es zu. Das war etwas übertrieben oder seltsam oder übertrieben seltsam, aber ich wollte unbedingt ein Eis haben. Das und die schicke Lederjacke zwei Läden weiter. Doch mein Geld war begrenzt und bald wäre schließlich Weihnachten. An meinen Geburtstag wollte ich gar nicht denken.

„Und dafür liebst du mich.“

„Ich dachte ich lieb dich für deinen süßen Arsch?“

„Ja. Das auch.“ Lachend hielt ich ihm die Eiskugel entgegen, die erst misstrauisch gemustert, dann jedoch gekostet wurde.

 

„Warum wolltest du mich treffen?“ fragte Felix nach kurzem Schweigen und heftigem Fluchen, da diverse Damen, mit lebensgefährlichen Kinderwagen bewaffnet, es eindeutig auf ihn abgesehen hatten und ihn bei jeder Gelegenheit in Grund und Boden rammten ohne mit der Wimper zu zucken.

Mütter mit kleinen Kindern hielten sich eindeutig die Waage mit Senioren und ihren Rollatoren.

„Weil ich gerne Zeit mit dir verbringe?“

Theatralisch seufzend hakte er sich bei mir ein, schüttelte jedoch mit dem Kopf.

„Nein. Du hast mich angerufen, weil du mich magst… Aber treffen wolltest du mich, weil dir was auf dem Herzen liegt. Also raus damit. Erzähls mir. Und es ist besser guter Stoff, der mich lange beansprucht. Geschichte ist die Hölle, klar?“

Wir ließen genau vier weitere Stände hinter uns –vor denen sich zig tausend Touristen die Füße platt traten und beiseite schubsten um das funkelnde Weihnachtsklimbim als erste zu bekommen.

Weihnachtsmarkt war fast besser als Kino oder Reality TV. Irre Leute im Kaufrausch, die für billigen Weihnachtsschmuck ein Vermögen ausgeben und über Leichen gehen würden… Wenn das mal nicht Hollywoodreif war.

Hollywoodreif war jedoch auch mein Problem. Fand ich.

Felix lachte drüber.

Und lachte.

Und lachte.

Und lachte weitere zwei Stände weiter immer noch.

Er lachte länger als es sich anhörte. Jede Schnecke kam schneller voran als wir. Weihnachtsmarkt war eine beschissene Idee. Warum wollte ich gleich hier her?

„Hast du es langsam?“

Lachend wischte der Lockenkopf sich ein paar Tränen aus dem Gesicht.

„Ja. Alles gut.“ Doch anstatt sich meinem Problem zu widmen begann er erneut zu lachen.

Für eine erneute schneckenhafte Ewigkeit.

„Okay. Jetzt hör ich auf. Versprochen.“ Tief durchatmend beruhigte er sich wirklich.

Nachdenkend wuschelte er sich durch die Haare. Die Mütze hatte er irgendwann abgenommen, nachdem ihm der Glühwein zu Kopf gestiegen war.

 

„Also ihr habt Glühwein getrunken, er wollte an deinen Nüssen knabbern, hat dich geküsst und… ihr habt danach nur Hausaufgaben gemacht?“ Fasste er das, was ich zuvor viel schöner dargestellt hatte kurz zusammen. Und ich hatte das Nüsse knabbern nie erwähnt!

„Ja…“

„Seid ihr noch zu retten?“

„Ich weiß, das hätte nie passieren sollen. Er kriegt keinen Glühwein mehr von mir aber…“

„Spinnst du?“ Entsetzt blieb Felix stehen, schaute sich kurz um und zog mich schließlich aus der Menge in eine der wenigen freien Nischen.

„Gib ihm das nächste Mal eine Tasse mehr und lass es richtig krachen. Wenn ER küsst darf das nicht ignoriert werden. Das ist fast eine Aufforderung ihm die Kleider vom Leib zu reißen und ins Nirwana zu f…“

„Ist ja gut!“ schnitt ich ihm das Wort ab, da einige der Kinderwagenterroristen uns bereits mit mörderischem Blick straften.

„Aber ernsthaft. Hausaufgaben? Hättet ihr nicht wenigstens verlegen rumschmusen können? Oder eine romantische Sprache lernen können. Französisch oder so. Russisch ist so abturnend.“

Mein böser Blick ließ ihn die Augen rollen.

„Es ist wirklich abturnend…“

„Sicher?“ Skeptisch erwiderte ich seinen sicheren Blick, der zunehmend unsicher wurde.

„Na gut. Wenn du russisch vor dich hin fluchst ist es ganz anregend, aber… ach vergiss es. Sag mir lieber warum in drei Teufelsnamen ihr ignoriert habt was da war!?“

Unsanft schlug der Depp mir gegen die Stirn. Eine Antwort erhielt er deswegen trotzdem nicht. Nicht sofort zumindest.

Als wir wieder in meinem Wohnzimmer hockten –Naila die miese Verräterin hatte sich seinen Schoß zum kuscheln ausgesucht, nicht meinen- hatte er mich soweit bearbeitet, dass ich versuchte meine Gedanken darzulegen.

„Ich verstehs trotzdem nicht… Es hätte alles einfacher gemacht. Hast du unseren Plan vergessen?“

Das hatte ich tatsächlich. Für einen Moment überlegte ich von welchem Plan er sprach.

„Ach vergiss den Plan. Klappt eh nicht… Du kennst Oliver…“

Und ich kannte ihn auch. Dachte ich zumindest.

 

‚Red mit ihm‘ hat die Eule gemeint. Alles war leichter als das. Was sollte ich mit ihm reden?

He Oli, verträgst du keinen Glühwein?

Oder: Jo, Oliver. Du hast mich geküsst. Kannst du mir sagen warum?

Seufzend starrte ich aus dem Fenster und betrachtete den fast vollen Mond. Felix hatte ich mittlerweile rausgeschmissen und mich im Bett verkrochen –stinkig wie ich war, doch zum Duschen hatte ich partout keine Lust.

„Sollte wohl eher so was sagen wie: dämlicher Blödmann mach es endlich nochmal…“

 

 

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jaaa ich war wieder megafaul.....

Ne Ausrede hab ich auch nicht wirklich.... außer das Uni horror ist... (Studiert NIEMALS Deutsch und Geschichte in Kombination.... ich hab im Februar Prüfung und jetzt schon bammel da ich nur an Latein hänge und keine Ahnung habe wie ich Deutsch und Geschichte alles lernen soll)

Na egal...

Ich hoffe das nächste Kapitel kommt die Tage noch.... denn eigentlich sollte das zum Geburtstag der Jungs spielen (also morgen am 31.12.)

 

 

 

Silvesternacht

 

 

*Oliver*

 

Der Dezember brach über uns herein mit seiner nervigen Adventspracht, ebenso ein frostiger Winter mit mehr Schnee als Menschen auf den Straßen. Doch so schnell er kam, so schnell war er beinahe vorbei. Noch ein paar Stunden und das alte Jahr wäre vergessen.

Was passierte wohl, wenn einfach kein neues Jahr kommen würde? Wenn nach diesem Jahr Schluss ist und die Zeit sich einfach sagt: ‚Leckt mich ihr Irren. Ich streike! ‘

Die Frage kam am Esstisch nicht gut.

Imma hatte während des Mittagessens angefangen zu heulen, da sie Angst hatte wir könnten in ein zeitloses Loch fallen. Meine Erzeuger waren nicht sehr angetan davon. Vermutlich hielten sie mich danach für verrückt… War ich bei dieser Sippschaft wahrscheinlich auch.

 

„Und du willst wirklich nicht mitkommen? Oma freut sich bestimmt dich zu sehen.“ Fragend lehnte meine Mutter im Türrahmen und versuchte nicht auf die Unordnung in meinem Zimmer zu achten.

„Nee. Ich hasse Silvester. Geh sie lieber irgendwann die Tage besuchen.“ War ja nicht so, als würde sie ewig weit weg wohnen. „Du weißt aber, dass das nicht dasselbe ist“, versuchte sie mich erneut umzustimmen. Jedes Jahr dasselbe Theater.

„Ja Mama. Ich komm trotzdem nicht mit. Das ganze Trara geht mir auf den Geist. Und Opa ist bestimmt dankbar wenn ich ihn und seinen Golfkumpel nicht angeheitert sehe und stattdessen morgen Mittag mit Katerfrühstück bei ihm stehe um ihn wieder aufzupäppeln.“

„Wie du meinst. Wir machen in fünf Minuten los. Falls du es dir noch anders überlegen willst…“ Seufzend verschwand sie aus dem Türrahmen. Knurrend starrte ich die noch immer offen stehende Tür an. Warum konnten Frauen die Tür nie so hinterlassen wie sie sie vorgefunden haben? Geschlossen! Dafür haben Türen Klinken!

Weiber…

Waren fast genauso schlimm wie dieser Zirkusaffe.

War den ganzen Monat über seltsam. Redete entweder ohne Unterlass oder gar nicht mit mir; schlich um mich herum wie eine Katze die fieses im Sinn hat. Manchmal stürmte er auch einfach auf mich zu, wollte etwas sagen, hatte dann plötzlich einen Kloß im Hals, gab eine Art ‚eeep‘-Geräusch von sich und verschwand.

Wenn ich Felix fragte was los war zuckte dieser nur mit den Schultern, schüttelte den Kopf und schaute auf mich herab, als müsste ich genau wissen was los war. Den vorwurfsvollen Blick hatte die Eule echt perfektioniert.

Ein Glück musste ich diesen blick seit Anfang der Ferien nicht mehr sehen.

Felix war mit seinen Eltern über Weihnachten nach New York geflogen und würde erst nach Neujahr wieder zurück sein. Falls seine Eltern nicht beschlossen, dass es ihnen dort endgültig besser gefiel als hier und sie einfach dort bleiben würden. Wäre diese ganze Bürokratie nicht hätten sie es vermutlich schon längst getan.

Jeder Urlaub ging in die USA. Nicht immer New York City, doch immer öfter.

 

Das Knallen der Haustür und das darauf folgende Geräusch eines startenden Motors verrieten mir, dass die fünf Minuten vorbei waren und ich endlich meine Ruhe hatte. Endlich konnte ich mich mit Eistee und einer Tüte Chips unter der Bettdecke verkriechen und schlechte Filme gucken, bis ich keine Lust mehr hatte und wahrscheinlich vor Mitternacht einschlief und das neue Jahr schlicht verpennte.

 

Missmutig stierte ich aus dem Fenster. Noch immer fielen dicke Flocken vom Himmel. Hin und wieder konnte man in der Ferne Knallgeräusche vernehmen. Vollidioten! Warum knallten die jetzt schon. Es war nicht mal halb Sieben.

Apropos Idioten…

Jascha hatte sich auch nicht blicken lassen nachdem die Lehrer uns in die Ferien entlassen hatten. Ich vermutete ja, dass er unter einer Schneewehe verschüttet war und erst im Frühling wieder zum Vorschein kommen würde… oder dass er nach Russland ausgewandert war, oder Kanada… oder das Felix ihn ihm Handgepäck mitgenommen hatte. Nicht dass mich seine Abwesenheit irgendwie störte. Neiiin. Überhaupt nicht… Nie…

Na gut, ein bisschen schon.

Doch laut sagen würde ich das nie.

Reichte schon, dass ich ihn auf offener Straße geküsst hatte und er einfach nichts dazu gesagt hatte. Wie konnte man nur so… SO sein?

Er müsste mich mittlerweile kennen. Ich würde erst was sagen wenn er es tat… Warum eigentlich?

„Hm…“ Abwinkend zuckte ich mit den Schultern und Schwang mich aus dem Bett.

Das Rufen der Knabbereien wurde immer lauter und konnte nicht mehr länger ignoriert werden.

 

Eingemummelt und mit diversen Knabbereien bestückt zappte ich durchs Programm, ignorierte dabei gekonnt nervige Sendungen mit Count Down, Schlagereinlagen und Anekdoten über das vergangene Jahr, bis ich schließlich auf einem Hinterweltlersender hängen blieb und furzenden Alten dabei zusah, wie sie Aliens anlockten.*

Franzosen waren ein seltsames Völkchen. Dafür liebte ich sie im Moment… die beiden konnten mit ihren Ausdünstungen ganze Symphonien spielen. So viel hatte ich die letzten zwei Wochen nicht gelacht.

Erst der Schneeball, der brutal gegen meine Fensterscheibe klatschte ließ mich mit dem Lachen inne halten. Was zur…?

Solche Idioten…

Klatsch! Noch eines dieser frostigen Gebilde klatschte gegen die Scheibe. Und noch einer.

Und ein vierter verfehlte mich nur knapp, als ich das Fenster aufgerissen hatte und dabei war hinauszubrüllen, was diesem Rindvieh einfiel Schneebälle an fremde Fenster zu werfen.

„Hi!“

„Jascha?“

Mit zusammen gekniffenen Augen starrte ich auf die Gestalt die mit kurzen grellgrünen Shorts im Blumenbeet meiner Mutter stand. Einen fünften Schneeball in der Hand haltend.

„Kann ich rauf kommen?“

Würde er mit dem Schneeball treffen wenn ich nein sagte?

„Sicher.“ Ich nickte. „Ich komm runter und…“ Das ‚mach dir die Tür auf‘ blieb mir im Hals stecken, als der Kletteraffe mit ein paar fließenden Bewegungen sich durch mein Fenster hievte.

„…so geht’s auch…“ Kopfschüttelnd schaute ich aus dem Fenster bevor ich es schloss. Der Kerl wäre der perfekte Einbrecher. Hoppedihopp von Fensterbrett zu Fensterbrett gehüpft und sich ins Zimmer gehangelt…

„Was treibt dich her?“ Fragend beobachtete ich wie er sich aus einer dicken Lage Schal, Mütze und Plüschjacke befreite. „Und warum trägst du Shorts?“ Die dünnen weißen Strumpfhosen machten die ganze Angelegenheit auch nicht wärmer.

„Warum fragt mich jeder nach den Shorts? Ich mag so was halt.“ Sprach der Klamottenhaufen –Äffchen konnte sich noch immer nicht von den vielen Sachen befreien- und fluchte schließlich leise vor sich hin, bis ich mich erbarmte und ihm zumindest aus dem Schalgewirr heraushalf.

„Danke…“ Aufatmend schlüpfte er aus den Stiefeln –die meinen schönen Teppich vonmodderten!- und sah sich um. „Was guckst du da?“

„Einen Film….“

„Darf ich mitgucken?“

„Sagst du mir was dich hertreibt?“

„Silvester.“

„Ich hasse Silvester.“ Schaudernd dachte ich an den ganzen Krach und den Müll und die völlig überdrehten Leute.

„Dachte ich mir. Deshalb bin ich hier. Bist vermutlich der einzige bei dem ich mich verkriechen kann. Ich hasse Geburtstage…“

Verwirrt zog ich die Augenbrauen Richtung Haaransatz.

„Warum kommst du dann zu mir, wenn du Geburtstage hasst?“ Und was hatten jetzt Geburtstage damit zu tun? Woher wusste er eigentlich davon? Hatte Felix geplappert?

„Weil du nicht der Typ bist der mir ne Party deswegen schmeißen würde.“ Er zuckte die Schultern und schenkte mir einen Blick, der aussagte, dass ich das doch wissen müsste, ich Dussel.

„Warum sollte ich dir an meinem Geburtstag eine Party schmeißen?“

„Weil ich heute Geburtstag hab…“

Okay, das war seltsam. Hatten wir beide heute also Geburtstag. Und hatten wir beide keine Lust zu feiern…

„Welche Uhrzeit?“ Es konnte ja nicht angehen, dass wir gleich alt waren. Er war Mindestens zwölf Minuten jünger als ich. Musste es sein.

„19:07 Uhr.“ Skeptisch musterte er mein Mienenspiel.

„23:43 Uhr. Verdammt!“

Er schien es richtig zu genießen, dass ich jünger war als er. Nicht auszudenken wie er mich von nun an damit aufziehen würde.

„Kann ich trotzdem bleiben? Weiß nicht wo ich mich sonst vor meiner Geburtstagswütigen Mutter verstecken sollte.“

Schulterzuckend stimmte ich zu. Was sollte eine Person mehr hier drin schon ausrichten?

Er wollte immerhin genauso wenig feiern wie ich.

Auch wenn es mich immer noch wurmte am selben Tag Geburtstag zu haben wie er.

Hätte meine Mutter nicht schneller pressen können? 19:07 Uhr wäre doch zu schlagen gewesen. Also wirklich…. Tse.

 

So machten wir es uns also zu zweit auf meinem Bett bequem, schauten die furzenden Alten zu Ende –die schließlich von einem seltsamen Alien mit auf dessen Heimatplaneten genommen wurden, wegen Kohlsuppe!- und zappten weiter durchs Programm.

Nun hatten selbst die Hinterweltlersender angefangen Silvesterprogramm zu spielen und wir hatten die Wahl zwischen einer grässlichen Romanze (liefen heute nur französische Produktionen auf diesen Sendern?) und kurioser Weise einem Film über das tragische Leben eines Clowns.

„Können wir den Clown bitte wegschalten? Ich verlier auch kein Wort drüber, dass du jünger bist als ich…“ Hoffnungsvoll grinste er mich an.

„Du hast Angst vor Clowns“, riet ich ins Blaue.

Zögernd nickte er. „Aber so was von. Diese Dinger sind so….“

„…gruselig mit ihren aufgemalten Gesichtern?“

Erneut nickte er. Diesmal eifriger.

„Dann lass uns diese verdammte Schnulze gucken. Doch vorher geh ich die Erdbeeren frisch machen**“

„Hä?“ Verwirrt blickte er mir nach, als ich im Bad verschwand.

 

Nie würde ich es zugeben, doch der Film war nicht schlecht.

Auch wenn Francine und Yasmina mich nicht im Geringsten reizten und auch Manuel nur mittelmäßig anzuschauen war, war ihre verwirrende Romanze nicht SO schlecht wie der Titel glauben machte.

Francine und Yasmina sollten angeblich Zwillinge sein. Manuel traf die eine auf der Straße und verliebte sich unsterblich. Als er sie schließlich während einer offiziellen Gala wieder traf und ansprach wusste er nicht, dass er mit deren Schwester Yasmina sprach… Das ganze übliche Theater.

Nun war es endlich so weit. Manuel schwor seiner Francine die ewige Liebe, während diese sich von ihren schweren Verletzungen eines Autounfalls erholte und Yasmina sich mit einem der Ärzte tröstete.

 

„Oh Manuel, meine Liebesbörchön.“ Verliebt seufzend wandte Jascha sich vom Fernseher ab und klimperte mit den Wimpern. „Zwaar liegö isch ‘ier ,faast zermaatscht von deine ‘ässliche Autoo, nachdem tu miesch mit meine Schwestör betroge ‘aast. Küüs miesch auf der Stellö, damiit isch meinö Verletzungön vergesön kaan.“

Mit dem schlechtesten französischen Akzent den ich je gehört habe, kam er quer über das Bett zu mir gekrabbelt. Man sah ihm an, dass er sich das Lachen genauso sehr verkneifen musste wie ich.

„Oh Francine, isch habe eine solche Schlechte Gewissön. Doch isch liebö nur disch mon amour. Dein Schwestör koomt niescht an dein Schön’eit ‘eraan. Auch komplett eingegipst bist du… pfhahaha. Entschuldige ich kann das nicht.“

Ich hatte es versucht. Wirklich. Ganz ehrlich.

Doch das Ganze war so absurd. Lachend vergrub ich das Gesicht an Jaschas Schulter, der kurz nach mir in Gelächter ausbrach.

 

Nur langsam beruhigten wir uns. Und ich schaffte es auch nur, das Lachen einzustellen, da Jascha begonnen hatte mir durch die Haare zu fahren.

„Meine Haare…“ grummelte ich gegen seine Schulter, hielt ihn jedoch nicht davon ab weiter zu machen. Beinahe war es schon schön gekrault zu werden wie ein verwöhnter Kater.

„Ja. Sind sehr schön. Ganz weich und fluffig. Wie ein Küken. Passt sogar von der Farbe her du Blondchen.“

Empört schnaufte ich auf. Verglich er mich etwa wirklich mit einem Küken?

„Rache“, knurrte ich gespielt und biss ihm, mangels anderer Möglichkeiten –für die ich mich hätte mehr bewegen müssen- in den Hals, nahe dem Übergang zur Schulter.

„Hey… lass das.“

Mir wäre, als würde ein leises Schnurren in seiner Aufforderung mitschwingen. Doch da menschliche Stimmbänder wohl kaum zu solch einem tierischen Geräusch in der Lage sind, tat ich es für Einbildung ab.

„Nur wenn du aufhörst meine Haare zu betatschen…“

„Aber das macht so viel Spaß.“ Wie um die Aussage zu unterstreichen vergrub er die Hände erneut in meinem Vogelnest –einem Kamm oder einer Bürste war ich heute noch nicht zu nah gekommen- und ließ die Fingernägel über meine Kopfhaut wandern.

Nun hätte ich am liebsten geschnurrt. Auch wenn seine Krallen beinahe schon wehtaten.

„Ich sagte aber du…“ Mürrisch –immerhin musste ich mein Ego wahren- schob ich ihn ein Stück von mir. „…sollst das lassen.“

Ein Grinsen legte sich auf Jaschas Lippen.

Lippen die beim letzten Mal süß wie Zucker waren. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Ob sie heute genauso schmecken würden?

Nein heute währen sie salzig… mussten es sein, nach dieser Menge an Chips… aber sie sahen aus als wären sie süß…

Ich wollte den Kopf schütteln über meine Gedanken, doch anstatt dies zu tun zog ich den Schwarzhaarigen an seinem Mickey Maus Pulli zurück zu mir und drückte, zugegeben etwas ungeschickt, meine Lippen auf seine.

 

„Oli…?“

Verwirrt blinzelte er mich an, als ich ihn zu Atem kommen ließ.

„Was…ähm…“ Erneut blinzelte er.

„Sorry.“ Nun aber schüttelte ich mich, wie ich es zuvor bereits geplant hatte. Meine Gedanken wurde ich dennoch nicht los.

Ja er schmeckte salzig. Und süß. Nach Chemie und Eistee und… Bonbons… und sich.

„Das… Ich wollte… tut mir leid…“ Versuchte ich mich richtig zu entschuldigen, auch wenn mir gar nicht danach war.

„Oli. Halt die Klappe… und mach es gefälligst richtig …wenn du es schon machst.“

Noch bevor ich mein unintelligentes ‚hä‘ zum Besten geben konnte wurde ich mich Wucht in die Kissen gedrückt –ein Ellenbogen stach mir unsanft in die Rippen- und meiner Atemluft beraubt.

Er stellte sich eindeutig geschickter an als ich, kam mir zumindest so vor.

Vor allem als er begann an meiner Lippe zu knabbern wie vor einiger Zeit an den Kartoffelchips.

Verdammt stank der Vergleich, doch er fühlte sich richtig gut an.

Fast so gut wie die Finger die sich unter meinen Pulli schlichen und sich abwesend in meine Seiten krallten, als müssen sie sich festhalten.

„Okay…“ murmelte ich leise, als er kurz von mir abließ nur um sich gleich wieder auf mich zu stürzen, nachdem er es sich auf meinem Schoß bequem gemacht hatte.

Verfängliche Lage. Sehr verfängliche Lage.

Was auch Jascha bemerkte, als er sich der wilden Fummelei, die mittlerweile ausgebrochen war –seine Schuld nicht meine!- und auszuarten schien, hingebend an mir rieb.

Kalt gelassen hatte ihn das ganze wohl nicht. Außer seine Shorts wollten mir einen Streich spielen.

Was auch immer es war, es wollte mir das Blut in die Wangen schießen lassen, wäre es nicht bereits in entgegengesetzte Richtung unterwegs gewesen.

Da wollte wohl jemand auf das Zirkusäffchen reagieren. Wer hätte gedacht, dass das bei mir genauso funktioniert wie bei allen anderen.

„Sorry… Das…“ Fast schon unwillig versuchte Jascha sich zurück zu ziehen. Seine Untere Hälfte schien jedoch etwas anderes vor zu haben, denn beim Versuch blieb es.

„Wie war das mit Klappe halten?“

„Aber…“ Leise seufzte er und ließ den Kopf gegen meine Schulter sinken.

Meine Hände hatten sich mittlerweile verselbstständigt. Wanderten erst zielstrebig unter seinem Pulli nach oben um ihm diesen abzustreifen –dieses ätzende Teil störte einfach aus allen erdenklichen Gründen- und schließlich nach unten um im Bund der viel zu kurzen Hose zu verschwinden.

„…geht das nicht alles viel zu schnell?“ Würde ich es nicht besser wissen, würde ich vermuten er war verunsichert. Doch das war unmöglich. Jascha war alles andere als unsicher. Warum sollte er es jetzt also sein?

„Ich bin mir fast sicher, dass es bei dir schon schneller ging… Außerdem… ist doch alles ganz harmlos.“

 

Wie Unrecht ich in diesem Moment hatte wurde mir kurz darauf bewusst, als das Äffchen sich aus Shorts und Strumpfhose herauswand und die –mehr als nur unmännliche- Unterhose es nicht schaffte seine Erregung zu verstecken.

Wie von selbst reagierten meine Hormone. Stellten das Hirn auf Leerlauf. Leiteten das denken an tiefere Regionen weiter, welche diesen Anblick für sehr aufregend hielt.

„Du hast zu viel an.“ Noch ehe er zu Ende gesprochen hatte flog erst mein Shirt aus dem Bett, dann auch der Rest meines Silvester-Gammel-Outfits. Was nicht viel war.

„Kannst du dir Ansatzweise vorstellen, was ich mit dir tun will?“

Normalerweise nicht, nein; wollte ich antworten. Da sein Körper, der sich erneut an mich gepresst hatte und merkwürdige Sachen mit mir anstellte, jedoch Bände sprach, konnte ich es mir mehr als nur Ansatzweise vorstellen.

Dummerweise störte mich der Gedanke nicht im Geringsten.

 

Stöhnend presste ich mein Gesicht ins Kissen. Mein Kopf wollte noch nicht wach werden. Ein anderer Teil meines Körpers schon. Anscheinend hatte diese Nacht nicht nur meine Hormone beflügelt, sondern auch mein Unterbewusstsein.

Anders konnte ich mir die schmerzende Erregung die dort zwischen meinem Bauch und der Matratze nach Aufmerksamkeit schrie nicht erklären.

Ich könnte sie einfach ignorieren, wie immer. Doch ein gewisses Hochgefühl ließ mich anders entscheiden. Warum nicht das Beste aus der Situation machen?

Suchend tastete ich mit einer Hand übers Bett, fand aber nicht das Objekt der Begierde.

Missmutig stellte ich fest, dass das Bett neben mir kalt war. Das Haus war ruhig. Also entweder war diese Nacht ein einziger realistischer Traum gewesen oder der Kerl war verschwunden… ohne Bescheid zu sagen. Idiot.

Musste ich auch noch selbst ran. Oder doch ignorieren?

Mit so wenig Aufwand wie möglich versuchte ich mich aufzuraffen, schaffte es jedoch nur mich unelegant am Laken zu reiben und ein erstauntes Keuchen von mir zu geben.

Na dann…

So ging es natürlich auch.

Das Laken war eh versaut…

 

Erleichtert rappelte ich mich nach einiger Zeit auf. Tiefenentspannt wie nie, jedoch mit schmerzen an allen Ecken und Enden –hatte ich doch mit einem Stier gekämpft anstatt mich mit Jascha in den Laken zu wälzen?- machte ich mich dran aus dem Bett zu krabbeln.

Eine Dusche war jetzt von Nöten. Und frische Bettwäsche…

Mein Blick wanderte zum Wecker, blieb vorher jedoch an einem Tablett hängen. O-Saft im Glas, Müsli ohne Milch –die stand separat daneben- zwei Brötchen. Eins mit Nutella, das andere mit Käse.

Da kannte mich jemand eindeutig zu gut…

„Hm?“ Mit hochgezogenen Augenbrauen fischte ich einen Zettel unter dem O-Saft Glas hervor.

 

Hoffe du hattest nichts vor.

Hab deinen Wecker ausgemacht. Drecksding.

 

Hab mich an eurem Kühlschrank bedient.

Zusammen Frühstücken war nicht drin. Musste weg. Sorry.

Ma killt mich sonst.

 

Jascha

 

Trotzdem Idiot…

Jetzt war ich viel zu spät dran.

Es war bereits nach elf und ich hatte noch nichts geschafft.

Aber wenn ich Glück hatte würde meine Sippschaft erst in ein paar Stunden zu sich kommen und ihr Katerfrühstück brauchen.

Kopfschüttelnd machte ich mich über mein Essen her –Gedanklich beschließend, dass diese Nacht eindeutig befriedigender war als jede Wichsaktion meiner Hände und dass solche Anstrengungen eindeutig erträglich und wiederholbar waren-, ehe ich im Bad verschwand um danach hoffentlich nicht mehr zu riechen als hätte ich eine wilde Orgie hinter mir.

Mit Kater hatte meine Mutter den Geruchssinn eines Raubtiers. Ich wollte gar nicht dran denken was sie tun würde wenn ich nach Sex stinkend bei ihr aufschlagen würde.

 

 

(*Louis und seine außerirdischen Kohlköpfe

**Anspielung auf selbigen Film. Bedeutet strullern gehen)

 

Und da kam das Kapitel doch 3 Tage zu spät... naja... hust

So schnell ging mir das dann doch nicht von der Hand
*hust*

 

Mir ist auch eine versaute version der Nacht durch den Kopf gegangen... (man brennt mir die Birne deswegen) und ich überlege ob ich die evtl separat hochlade...

Oder ihr lasst eure Fantasie walten und beglückt mich mit euren Ergüssen (... ok das klingt versaut)

 

Nun gut... langsam nähert sich die Geschichte dem Ende... (zumindest beginnt nun der 4. Teil dieser Geschichte...)

 

Info

Das hier nur eine Info leider kein neues Kapitel.

 

Das 32. Kapitel gibt es jetzt auch in der längeren nicht ganz jugendfreien Version zu lesen.

Und zwar hier:

http://www.bookrix.de/_ebook-yvie-king-silvesternacht-radugi-lovit/ 

 

Bis zum nächsten richtigen Kapitel

четыре - chetyre :Wie Spiderman und MJ

Kapitel 33

 

*Jascha*

 

 

„Eiscreme und die spanische Version von ‚Political Animals‘?“ Mihas Stimme bricht den Bann, der meine Augen an den Fernseher geschweißt hatten. „Du starrst Sebastian Stan nur an wenn du irgendwas ausgefressen hast. Spucks aus Kleiner. Was ist es?“ Grinsend ließ er sich auf die Couch fallen.

„Tu ich nicht. Ich starr ihn immer an, denn, hallo?, der Kerl ist total heiß!“ Meine Proteste waren lahm, dennoch hoffte ich, dass er nicht weiter nachhaken würde.

Nicht sehr wahrscheinlich.

„Ja klar. Aber spanisch und“ mit zwei Fingern griff er sich meinen Eisbottich, um das Etikett zu lesen. „Nougateis mit Karamell-, Krokant- und Schokostücken? Du hast definitiv etwas ausgefressen und ein schlechtes Gewissen deshalb. Was ist es? Hast du Maschas Motorrad geschrottet weil du heimlich damit gefahren bist? Hast du pinke Haarfarbe in ihr Shampoo gemacht? Oder in das von deinem Vater? Du weißt er nimmt dir die grüne Farbe vom letzten Mal immer noch übel.“

Vehement schüttelte ich mit dem Kopf, konnte mir bei der Erinnerung an meinen Vater mit moosgrünen Haaren ein Lachen nicht verkneifen.

„Ich hab nichts ausgefressen okay? Mir war nur nach unzähligen Kalorien und einem sexy Typen mit spanischer Synchronisation zu mute. Ok?“

Schweigend starrte Miha mich eine Weile lang an –total irritierend- ehe er nickte. „Wenn du meinst. Aber irgendwann knickst du ein und dann wirst du es mir erzählen. Es ist nur eine Frage der Zeit.“ Damit verschwand er aus dem Wohnzimmer und ließ mich mit Mr.Sexy und einem schlechten Gewissen zurück. Wenn auch nur kurz.

Noch ehe die Folge zuende war kam er zurück ins Wohnzimmer und schüttelte mit dem Kopf.

„Du solltest echt anfangen zu reden. Eis macht dich dick… und seit wir hier sind hast du reichlich zugelegt…“

„Hey!“

Hatte ich gar nicht.

Empört warf ich meinen Eislöffel nach meinem Cousin, verfehlte ihn jedoch um gute zwei Meter und heimste mir damit ein fieses lachen ein.

„Denk dran. Reden. Ich hab ein offenes Ohr für dich, das weißt du.“

„Ja,ja…“ Genervt verdrehte ich die Augen, schloss den Eisbecher und brachte ihn zurück in den Gefrierschrank.

„Was fällt dem Kerl nur ein. Ich hab gar nicht zugenommen ich…“ Seufzend piekste ich mit dem Finger in meinen Bauch. Verdammte Scheiße…

Nur fürs Protokoll: Ich würde nie laut zugeben das Mihal recht hatte und ich wabbelig geworden war.

 

Mit gemischten Gefühlen betrat ich die ehemalige Lagerhalle. Über den Winter diente sie dem Zirkus als Abstellraum für alles was nicht gewartet werden musste. Außerdem konnten die Artisten hier ohne Probleme üben.

Bis jetzt war ich noch kein einziges Mal hier gewesen, wie ich zu meiner Schade eingestehen musste. Ich war träge geworden. Lange an einem Ort zu bleiben machte es einem leicht der Faulheit, der Gemütlichkeit nachzugeben.

Bald würde sich das alles ändern. Wenn alle zurück waren aus ihrem Urlaub würde ein neues Programm auf die Beine gestellt werden. Dann würden wir endlich wieder durchs Land ziehen und unserer altbekannten Routine nachgehen.

Konnte mir nur gut tun.

 

Keine Stunde später war ich fertig mit der Welt. Nichts klappte mehr, weshalb ich mich darauf beschränkte Naila durch diverse Hula-Hoop-Reifen springen zu lassen und sie mit Streicheleinheiten zu belohnen –da ich ihre Leckerlis zuhause vergessen hatte- jedoch nur solange, bis auch sie keine Lust mehr hatte und sich auf eines der Podeste am Ende der Halle legte.

In aller Ruhe begann sie sich erst den Bauch, dann den Rest des Fells zu lecken.

Vielen Dank auch dafür. Nur durfte ich meinen Gedanken nachhängen.

Gefiel mir gar nicht.

Denken brachte nur Ärger. Genauso wie nicht denken.

Wie konnte man mit sechzehn nur in solch einer Krise stecken? Ich fühlte mich wie Griechenland kurz vor der Staatspleite.

 

„Hey…“

Erschrocken ließ ich den Hula-Hoop-Reifen zu Boden fallen. Dabei lief es doch grad so gut. Noch einhundertfünfzehn Runden und ich hätte den Rekord gebrochen den ich mit neun aufgestellt hatte.

„Sah gut aus. Solltet ihr in der nächsten Show bringen. Imma würde es bestimmt gerne sehen.“

„Oli…“ noch immer etwas neben der Spur, dank dem Schrecken den der Kerl mir eingejagt hatte, fuhr ich mir durch die Haare. „Red keinen Stuss. So was sieht nur gut aus wenn man entweder noch nicht von der Pubertät heimgesucht worden ist, oder ein paar hübsche Möpse und einen geilen Arsch hat mit dem man im kurzen Kleidchen mit diesen Dingern wackeln kann…“

„Also mit den Möpsen bin ich mir nicht sicher aber…“ Unsicher grinste Oli und schob sich das grüne Bandana auf dem Kopf zurecht.

Wer trug heutzutage noch Bandanas? Sollte ihm jemand sagen, dass die out waren? *

Von den Ohren bis zum Hals lief er rot an, redete jedoch nicht weiter. Musste er auch nicht. Ich konnte mir fast denken was er sagen wollte, auch wenn ich hoffte, dass er es nicht dachte. Es würde vieles einfacher machen wenn er jetzt an Wellensittiche denken würde… oder an Möpse in einem knappen Kleid…

„Schon klar…“ Nichts war klar. Dennoch wedelte ich vielsagend mit der Hand herum.

Ob er die Geste verstand? Ob ich sie verstand?

Unsicherheit machte sich breit.

„Was machst du eigentlich hier?“ Ich hatte weder Felix noch Oliver von der Halle hier erzählt. Bis heute war ich ja selbst nicht hier gewesen… also…

„Deine Ma, sagte du wärst hier. Vermutlich. Da ihr Schlüssel hierfür fehlte und sonst keiner Ungefragt ihre Sachen nehmen würde.“

„Ok. Sie war schon zurück?“

„Ja…“

„...“

Betretenes Schweigen herrschte in der Halle. Allein Naila ließ sich davon nicht beirren und begann sich stattdessen erneut zu putzen. Reinliches Vieh.

„Also… noch mal. Was machst du hier? Gibt’s nen bestimmten Grund?“

JA! Schrie sein Blick. Er wollte reden.

„Nein“, meinte er stattdessen und zuckte mit den Schultern.

„Okay.“

Erneut herrschte Stille.

„Hilf mir wenigstens wenn du schon schweigend hier rumstehst.“ Unsanft stieß ich ihm in die Seite und deutete auf ein Seil mit Seilwinde, die an einer Öse am Boden festgemacht war, während ich zum anderen Ende des Seiles ging.

Zwei stabile Gummibänder hingen lose herab. Jedes Ende hatte eine Schlaufe, einem Lasso gleich. Ohne zu zögern schob ich erst einen Fuß durch eine der Schlaufen. Dann den anderen, während ich Oli Anweisungen gab das Seil hoch zuziehen.

„Noch ein Stück. Na los. So schwer bin ich nicht.“ Nicht wenn eine Seilwinde dazwischen gespannt war, zumindest. „Perfekt. Jetzt leg es durch das Metallding da. Genau das. Und jetzt schnapp das Teil zu. Nein fester. Ja, so. Jetzt kannst du loslassen.“ Skeptisch wartete ich einen Moment an, ruckelte an meinem Ende des Seils, doch es schien zu halten. Zwar war das ganze hier nicht ansatzweise so hoch wie sonst in der Manege, dennoch konnte es wehtun, wenn man an dieser Höhe auf den Boden knallte. Selbst wenn dünne Matten überall auf dem Boden verteilt worden waren.

„Was machst du da eigentlich?“ Fragend schaute er ein Stück zu mir auf und beobachtete wie ich noch etwas wackelig in den Schlaufen stand.

„Abhängen…“ Grinsend rutschte ich weiter in die Schlaufen hinein, sodass sie sich um meine Knöchel zusammen ziehen konnten und ließ mich mit etwas Schwung einfach nach hinten kippen. Im ersten Moment taten mir dadurch die Beine weh. Im zweiten Moment war der Schmerz vergessen. Einfach weggelacht, als ich wie ein nasser Sack so vor seiner Nase baumelte.

„Abhängen…“ Kopfschüttelnd verschränkte Oli die Arme vor der Brust. „Du bist unglaublich weißt du das? Zu schade, dass ich wieder los muss und nicht noch mehr deiner Verrücktheiten zu sehen kriege.“

„Machs gut. Wir sehen uns in der Schule?“

„Ja…“ Kurz winkend drehte er mir den Rücken zu, marschierte zum Ausgang, blieb stehen und kam schließlich entschlossen zurück gelaufen.

„Hm?“ Meine Augenbrauen wanderten zusammen. Hatte er etwas vergessen?

„Jascha…“

Ich wartete darauf, wie der Satz wohl weiter gehen würde. Erfahren würde ich es nie, da Oliver im nächsten Moment ruckartig nach meinem Gesicht griff und mich an sich zog. Seine Lippen pressten sich unsicher auf meine.

Verdammt. Wenn das nicht kitschig war. Ich kam mir vor wie Spiderman. Und Oli war meine MJ…

 

Unsicher schaute Oli mich an, bis sich auf die Lippe. „Bis dann.“ Ruckartig ließ er mein Gesicht los und ließ mich allein mit Naila in der Halle zurück.

Was sollte ich davon halten?

 

Seufzend zippte ich meine Hosentasche auf und griff nach meinem Handy. Felix‘ Nummer tippte sich fast von alleine ein.

Es tutete eine ganze Weile, ehe die Eule ranging. „Hmmm…“ brummte er mir missmutig entgegen.

„Dein Plan war scheiße! Überleg dir gefälligst wie du Oli anderweitig verkuppeln kannst.“

„Was?“ Es raschelte in der Leitung. Er schien aus dem Bett zu kraxeln. Oder grade hinein zu fallen. Ich war mir nicht so sicher. „Erst Entjungferst du ihn und jetzt willst du ihn abschieben???“

„Bitte? Ich hab nicht…“ setzte ich panisch an, wurde jedoch rüde unterbrochen.

„Ach Unsinn. Klar hast du. Ich hab ihn nach Silvester gesehen. Du hast ihm ganz eindeutig das dicke fette J von der Stirn gewischt. Außerdem… Er ist mein bester Freund. Er kann nichts vor mir geheim halten. Selbst wenn er das will.“ Ein fieses Grinsen schwang in Felix‘ Stimme mit.

„Ist mir egal!“ Am besten ignorierte ich seinen Ton und seine Worte und einfach alles. „Denk dir was aus. Ich will das Ganze nicht. Verstanden!?“ Ungehalten beendete ich die Verbindung ohne auf eine Antwort zu warten und schmiss das Telefon quer durch die Halle in der Hoffnung es würde mir dadurch besser gehen.

„Scheiße…“

Ungeschickt befreite ich mich aus den Schlaufen. Wie ich gelandet bin, ohne mir sämtliche Knochen zu brechen war mir ein Rätsel.

„Scheiße, scheiße, scheiße….“ Verzweifelt fuhr ich mir durch die Haare, zog daran bis es weh tat und versuchte einen klaren Kopf zu bekommen.

Es half nichts…

 

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*Ich persönlich liebe Bandanas, aber egal *hust*

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So .... ähm...

Ja es kommt spät. Es ist kurz und.... ich hab zur Zeit überhaupt keinen Plan WIE ich das ganze hier zuende bringe. Ja... ich weiß Wie es enden soll... aber ich hab immer noch keine Ideen wie es dahin kommen soll... Bin schon froh das Kapitel hier hingekriegt zu haben... (Ein hoch auf Freikarten für den Roncalli Zirkus in Leipzig)

Soll ich das ganze hier so kurz und schmerzlos wie möglich beenden oder wollt ihr lieber mit 50.000 Weiteren Kapiteln gequält werden?

Ach man.... ich geh wieder Political Animal gucken. Und auf DHL schimpfen (immer noch auf mein Paket warte) und online TeenWolf schauen...  (Sterek YAY)

 

Sherlock Kant ermitteln Sie!

 

Kapitel 34

 

*Oliver*

 

Was war nur in mich gefahren? Halt! Falsche Formulierung. Raus aus meinem Kopf!

Einfach diesem Kerl hinterher zu rennen…

Aber ich wollte …

Ja was wollte ich eigentlich?

Mit mir selbst unzufrieden seufzte ich auf und lehnte mich im Sitz der Straßenbahn zurück. In den nächsten Tagen sollte ich mich einfach von Jascha fern halten, mich sammeln, wieder ich werden. Klar im Kopf werden.

 

Tatsächlich sah und hörte ich den Rest der kurzen Ferien über nichts mehr vom ihm.

Erst als die Schule uns dazu zwang viel zu früh aus dem Bett zu kriechen und brav, gesittet unsere Bahnen durch den Tag zu ziehen, erhaschte ich einen Blick auf ihn. Vermutlich.

Was ich von seinem Hinterkopf entdeckt hatte, sah sehr nach seinem Hinterkopf aus, weshalb ich vermutete, dass er es war.

(Hirn schreit was und versteht sich selbst nicht mehr)

Nie hätte ich das mal gedacht… aber der Kerl ging mir aus dem Weg und das ging mir gewaltig gegen den Strich. Jetzt wo wir wie erwachsene reden mussten…

„Hast du eine Ahnung was sein Problem ist?“ Beinahe schon überfiel ich meinen besten Freund, als dieser neben mir den Schulhof betrat, ein fettes Gähnen nicht unterdrücken könnend.

„Das macht ihr unter euch aus. Ich bin raus. Klar?!“ Abwehrend hob Felix die Hände, was mich stutzen ließ, hielt er sich doch sonst nie aus irgendwas heraus.

"Felix.... was ist los?"

"Macht.das.unter.euch.aus. Kein Zickenkrieg für diese Eule hier." Mit schnellen Schritten zog er von Dannen, fast schon einen Kondensstreifen hinter sich herziehend. Vermutlich eine Halluzination meinerseits, da Felix sich nie so schnell bewegte. Nie. Nicht einmal für Essen.

Trotzdem war irgendwas seltsam. Sowohl mit meinem Besten Freund als auch mit Jascha...

Tja, musste Sherlock Kant halt seine Mütze auspacken und der Sache auf den Grund gehen. Das Pfeifchen ließ ich besser weg, meine Mutter würde mich sonst mit dem Teil ins nächste Jahrhundert befördern.

 

Die Detektivarbeit musste jedoch bis zur Mittagspause warten.

Der Kerl war glitschig wie ein Aal… nicht zu fassen für ungeübte.

Mist aber auch.

Doch mit einem Essen bewaffnet und Felix im Schlepptau konnte er nicht entkommen. Hoffte ich.

„Wieso flüchtest du vor mir?“ Toll… ganz klasse. Wirklich Oli, wie fändest du etwas mehr Feingefühl? Man könnte ja auch langsam an die Sache ran gehen. Wäre aber doch öde, nicht?

Vollidiot.

„Tu ich gar nicht… Ich wusste ja nicht mal, dass du mich verfolgst…“ Skeptisch sah Jascha von seinem Essen auf, nachdem er sicher war, dass ich mit ihm redete.

„Dafür bist du aber immer extrem schnell verschwunden, als es zur Pause geklingelt hat. Und im Unterricht hast du mir nur zu gezischt ich solle die Klappe halten.“

„Entschuldige, dass ich pinkeln musste und keinen Ärger wollte. Die Alte hatte mich doch ständig im Visier.“

Seine Ausreden waren gut. Musste ich ihm lassen. Dennoch war es mehr als suspekt.

„Können wir dann nach der Schule reden?“

„Heute?“

Ich nickte schlicht. Sicher heute. Am Sankt Nimmerleinstag wäre es zu spät. Am liebsten würde ich jetzt schon mit ihm reden und das obwohl ich noch nie der Typ fürs reden war. Immer wenn meine Mutter ankam sie müsse mit mir reden, versuchte ich zu fliehen (wenn auch erfolglos). Reden war nie gut.

Vielleicht sah er mich deshalb gerade so panisch an?

Mist. Beginne nie ein Gespräch mit wir müssen reden. Konnte nur übel enden. Dabei will ich doch nur klarstellen was hier läuft. Denn ganz ehrlich: ich war verwirrt. So vollkommen durch den Wind, dass ich sogar reden wollte. Freiwillig.

Womöglich war ich aber auch einfach nur krank und hatte jetzt Wahnvorstellungen vom feinsten.

„Heute geht nicht. Fahr mit Papa zu den Pferden… Ausreiten.“

Schaudernd dachte ich an die vierbeinigen Monster.

Nein heute würden wir nicht reden. In die Nähe eines solchen Tieres wagte ich mich bestimmt nicht mehr.

In meinen Erinnerungen wirkte der letzte Zusammenstoß noch schrecklicher als er vermutlich war. Übertreibung nannte es mein Vater gerne. Konnte aber nicht sein. Ich übertrieb nie.

„Morgen?“

„Da muss ich zum Arzt.“

Misstrauisch schaute ich ihn an. Das klang überhaupt nicht wie eine billige Ausrede.

„Zahnarzt“, wurde er präziser, was Felix einen panischen Aufschrei ausstießen ließ. „Aber Übermorgen hab ich Zeit…“

Er wirkte nicht, als wolle er Zeit haben, trotzdem war ich zufrieden. Übermorgen war etwas Konkretes. Mit übermorgen konnte ich besser leben, als mit ständigen Ausflüchten.

Also stimmte ich zu und versuchte nun endlich, Felix zu beruhigen. Seine Panik vor Zahnärzten war ja noch schlimmer als sonst. Wenn allein die Erwähnung, dass ein anderer zum Zahnarzt musste reichte… Vielleicht sollte ich ihm zum Schulpsychologen schicken?

 

Die nächsten beiden Tage lang hatte er sich genauso rar gemacht wie am ersten Schultag, nach den Weihnachtsferien. Es machte mich wahnsinnig. Und Felix wollte mir noch immer nicht helfen. Wenn er dieses Jahr nicht den Preis für den miesesten besten Freund erhielt, dann wusste ich auch nicht weiter.

Die letzte Stunde, Sport, schlauchte mich heute mehr als sonst. Noch immer zog sich eine unsichtbare Barriere durch den Raum und trennte Jascha und mich. Aber nach dem Sport würde er reden müssen. Er sagte heute würde er Zeit haben zum Reden. Heute ließ ich keine dämlichen Ausreden durchgehen.

Zu meinem Erstaunen äußerte er keine, sondern folgte mir brav zur Straßenbahn. Seine einzige Frage war, wo wir denn reden würden.

Mist. Darüber hatte ich nicht nachgedacht. Mit meinen Eltern und meiner Schwester zuhause, wäre nicht mit Ruhe zu rechnen, bei ihm sah es nicht besser aus. Großer Mist. Warum nur habe ich mir darum bis jetzt keine Gedanken gemacht?

„Sushi essen?“ Hier gab es viele Lokalitäten, die Sushi anboten, doch nur bei einem, schmeckte es himmlisch wie sonst nirgends. Ein winziger Verschlag, mitten in der Innenstadt. Ein kleines Stück japanischer Himmel.

Für einen Moment schaute Jascha mich nur fragend an, ehe er schließlich mit den Schultern zuckte und zustimmte.

Auf dem Weg in den Sushihimmel mussten wir einmal umsteigen und vom Hauptbahnhof aus schließlich nach fünf Minuten durch die Innenstadt schlendern, ehe wir beinahe an dem kleinen Schild vorbei liefen, das das Sushi Restaurant auswies.

Die Bedienung am Eingang begrüßte und höflich und ganz traditionell Japanisch mit einer Verbeugung, wobei ich jedoch zu zweifeln begann, ob sie für eine Japanerin nicht zu europäisch aussah.

Egal.

Sie führte uns zu einem der freien Tische neben denen ein schmales Fließband immer im Kreis lief und die verschiedensten Sorten an Sushi, Salaten und Nachtischen zur Schau stellte. Auch der Sushikoch in der Mitte des Fließbandes nickte und kurz, aber freundlich zu, ehe er sich wieder an seine Arbeit machte.

Außer uns waren nur zwei weitere Gäste anwesend. Zwei ruhig vor sich hin lachende Mitzwanzigerinnen, die uns keine Beachtung schenkten, jedoch schon einige Tellerchen und Schüsseln neben sich geleert auf dem Tisch stehen hatten.

„Was darf es bei Ihnen sein, meine Herren?“ Eine zweite Dame trat zu uns. Die erste stand bereits wieder am Eingang und wartete auf weitere Kundschaft.

„Ich hätte gern einen grünen Tee und das All-You-Can-Eat-Menü“, gab ich zuerst meine Bestellung auf, da der Schwarzhaarige nicht so recht zu wissen schien was er wollte.

„Mit Suppe?“

Dankend lehnte ich ab. Die Vorsuppen hier trafen nicht meinen Geschmack. Das hatte ich auf die ganz harte Tour lernen müssen.

„Vielen Dank. Und was hätten Sie gerne?“ Immer noch mit einem, beinahe aufgemalt wirkendem, Lächeln wandte sie sich Jascha zu, der erst kurz überlegte, schließlich mit den Schultern zuckte und dasselbe bestellte wie ich.

„Sehr gerne.“ Damit verschwand sie Bedienung. Kam keine zwei Minuten später jedoch mit einer dritten Dame im Schlepptau zu unserem Tisch zurück. Der Tee, sowie mehrere Schalen für Sojasoße, Ingwer uns Wasabi wurden aufgetragen, ehe sie den Tisch mit einem „Guten Appetit“ erneut verließen.

Das war mein Stichwort.

Kaum, dass die beiden Damen uns den Rücken zukehrten griff ich mir das erste Tellerchen vom Fließband und begann mehr schlecht als recht mit den Stäbchen zu essen.

Eine Weile lang aßen wir schweigend vor uns hin. Auch bei uns türmten sich nun rechts und links neben uns die Teller und ich wusste einfach nicht, wie ich anfangen sollte mit Jascha zu reden. Dabei waren wir doch deswegen hier.

Schließlich nahm er mir den ersten Schritt ab, richtete sich an seinem Tee nippend auf und fragte schließlich, worüber ich denn mit ihm reden wollte.

Tief durchatmen Oli. Du kannst das. Alles gut.

Noch einmal tief durchatmen und dann einfach mitten rein. Du kannst das.

„Wegen Silvester… ich…“ Stockend hielt ich inne. Wie sollte ich es nur rüberbringen ohne das er mich für einen Irren hielt und schreiend davon lief?

Er seufzte leise, kaum hörbar. „Schon gut. Vergiss einfach was passiert ist. Ok? Wird nicht wieder vorkommen, musst dir deswegen keine Gedanken machen.“

Okay, gut. War einfacher als… was?

Verwirrt kniff ich die Augen zusammen. Was hatte er gesagt? In meinem Kopf spielte ich das Ganze noch einmal ab.

Da lief aber etwas gewaltig neben der Spur.

„Was? Nein. Jascha…“ Kopfschüttelnd stopfte ich mir ein Sushiröllchen mit Tintenfisch einfach mit den Finger in den Mund. Sah unappetitlich aus, ich weiß, gab mir aber eine Minute Verschnaufpause, um die richtigen Worte zu finden.

„So hab ich das eigentlich nicht gemeint.“

„Aber du wolltest reden…“

Verdammt… man sollte wirklich keine Gespräche mit ‚wir müssen reden‘ beginnen…

„Ich weiß. Ich wollte einfach nur Klarheit haben was das Ganze war, was jetzt ist und… was wird. Ich… bin einfach völlig durch den Wind deswegen.“

„Sorry…“

War das alles? Anscheinend schon. Schweigend saß er mir gegenüber und stierte auf den leeren Platz vor sich.

Klasse… musste ich jetzt einen auf Dramaturg machen und einen Monolog halten?

Verdammt.

„Redest du bitte mit mir?“

Schulterzucken.

„Ach komm schon. Bitte.“

„Ich weiß nicht was ich sagen sollte außer, dass es mir leid tut und es nicht wieder vorkommt.“

Fühlte es sich immer so mies an, wenn einer sagte dass ihm SOWAS leidtat?

„Dann sag mir einfach warum grad ich? Ich glaub bei Felix wäre es einfacher gewesen zum Zug zu kommen.“ Ich wusste zwar nicht, seit wann mein bester Freund sich fürs selbe Geschlecht interessierte, doch ich zweifelte nicht daran, dass Jascha da seine Fingerchen im Spiel hatte.

„Ich mag dich halt.“ Schlicht und einfach, wie es schien.

„Okay…“ ich schluckte schwer und stopfte mir erneut irgendwas in den Mund. Hauptsache ich konnte erst einmal nachdenken, ohne eine unangenehme Stille zwischen uns aufkommen zu lassen.

„Und wie stehen wir jetzt zueinander?“

Schulterzucken.

Man waren wir Mädchen, dass wir das ganze so lange durchkauen mussten ohne zum Ergebnis zu kommen?

„Magst du mich immer noch?“ Eine Frage auf die er ohne Umschweife, ohne zu zögern mit einem überzeugtem „Klar!“ antwortete.

War ja immerhin was. Damit konnte man arbeiten.

„Und wie geht’s jetzt weiter? Tun wir so als wäre nichts gewesen oder kriegen wir uns ein und machen das ganze nochmal?“

Erstaunt schaute er nun auf. „Nochmal?“

„Sicher. Jetzt bin ich einmal aus dem alten Trott raus. Dank dir scheinen meine Hormone aus dem Winterschlaf aufzuwachen. Muss man doch irgendwas gegen tun.“

Er zwinkerte mich an. Einmal, zweimal, nach dem dritten Mal schüttelte er den Kopf mit den heute offenen Haaren.

„Wer bist du und was hast du mit Oli gemacht?“

„Hör auf doof zu sein. Ich bins…“

„Klar… und als nächstes sagst du, dass du am liebsten das ganze Paket willst als nur ein oder zwei schnelle Nummern.“

Diesmal war es an mir mit den Schultern zu zucken. „Warum nicht. Hab da nichts gegen. Immerhin mag ich dich. Wäre außerdem einfacher, oder?“

Warum es einfacher wäre wusste ich zwar selbst nicht, aber egal. Vielleicht kaufte er mir die Aussage ohne nachzufragen ab.

Seinem Blick nach zu urteilen wohl nicht.

 

Danach redeten wir nicht mehr viel. Nachdem wir gezahlt hatten brachte ich ihn nach Hause. Unnötig wie er meinte und trotzdem… „Danke fürs nach Hause bringen. Willst du noch kurz mit rein kommen?“

Ich verneinte. Besser nicht. Nicht, dass ich nicht wollte, doch wenn ich noch später nach Hause kommen würde, dann würde meine Mutter mir den Kopf abreißen.

„Du Jascha?“ Er war gerade dabei die Tür zu schließen, als ich ihn zurück hielt. „Hm?“

Zielsicher machte ich ein paar Schritte auf den anderen zu.

„Das mit dem Komplettpaket war ernst gemeint…“

Nach dem Kuss, den ich natürlich nur zur Verdeutlichung genutzt hatte, nicht etwa weil der andere gut schmeckte, schaute er mich nur perplex an, ehe ich schließlich, ohne weiteren Mist zu reden , zurück zur Straßenbahnhaltestelle lief, um nach Hause zu fahren. Wo mit Sicherheit ein Donnerwetter auf mich wartete. Warum nur hatte ich auch mein Handy zuhause vergessen?

Ein schöner Sherlock war ich…

 

 

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Ich lebe noch? Ach du scheiße... damit hat nun keiner mehr gerechnet oder?

Na gut... das Ende für die Jungs ist nun nach langem KreaTief durchgeplant und wird hoffentlich bald hier erscheinen...

 

Auch wens irgendwie alles anders läuft als zuerst geplant... also nicht wundern wenn manches nicht mehr so ganz passt... da muss in in der Überarbeitungsphase dran feilen...

Impressum

Texte: ich bin dran Schuld
Bildmaterialien: ... und das ebenfalls... *hust*
Lektorat: jaa... das geht auch auf meine Kappe
Tag der Veröffentlichung: 08.10.2013

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Für mich, für dich, für uns... für alle die das lesen für alle die es mögen für alle die es hassen

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