"Ich mach jetzt Feierabend! Man sieht sich", brüllte ich durch die langen Gänge des Callcenters zu einem Kollegen, der noch immer an seinem Rechner saß und späte Arbeiten verrichtete. "Bring mir morgen am besten einen Kuchen mit, Galliger!" Diese Antwort war typisch für ihn, Rick Bone ist sein Name und er arbeitet ungefähr ein Jahr länger als ich in diesem Callcenter der Versicherungen. Eine schreckliche Arbeit aber was anderes blieb mir nicht übrig, wenn ich mit Menschen keinen Augen Kontakt haben möchte. Meine Name ist Sean Galliger und die meisten meiner Freunde halten mich für einen Freak, da ich seit meiner Kindheit mit meinem guten Freund Sam zusammen lebe und wir Tag ein, Tag aus aufeinander hocken. Noch dazu habe ich es nicht besonders gern, jeden Tag mit irgendwelchen Fremden Leuten reden zu müssen, die einen im Endefeckt so oder so nur anpöbeln, obwohl man einfach seinen Job macht.
Nachdem ich das Center nun verlassen hatte und bereits in meinem billigen Audi saß,schaute ich auf die Uhr und musste fest stellen, dass es schon verdammt spät war. Sam konnte es noch nie leiden, wenn ich zu viele Überstunden betreibe und erst mitten in der Nacht auftauche aber das kümmerte herzlich wenig. Also startete ich meinen Wagen, manövrierte ihn aus dem großen Parkhaus und fuhr durch die leeren Straßen. Mein Weg war nicht sehr lang, ich könnte auch mit dem Fahrrad fahren, doch bin ich nun wirklich viel zu faul und nehme lieber das Auto. Wenige Minuten später kam ich an unserer neuen Wohnung an, parkte den Audi und schnappte mir meine Tasche und den Schlüssel, um mich gleich auf den Weg ins traute Heim zu machen. Bis dahin wusste ich noch nicht, dass es heute keinen ruhigen Abend geben würde ich meine Tasche gleich im Auto hätte liegen lassen können. Auf leisen Sohlen schlich ich in die Wohnung, nachdem ich die Tür lautlos ins Schloss fallen lassen habe, da Sam bestimmt schon in seinem Zimmer schlief und ich wollte ihn nicht wecken. Er konnte schnell aggressiv werden, sollte man ihm in seinem Schönheitsschlaf stören. Doch war dem nicht so, der Fernseher lief und das Flackern der Bilder war vom Flur aus zu erkennen, der Ton war auf Stumm geschaltet und lediglich ein leises wimmern drang durch die Türe. "Sam?", fragte ich besorgt, stellte die Tasche auf dem Boden ab und schob die Tür ganz auf, um in den großen Raum zu schleichen. Da saß der 2,10m große Mann zusammen gekauert auf der Couch und schluchzte in seinen Schoß. "Sam, hey", meine Schritte wurden schneller und trugen mich zum Ecksofa auf das ich mich nun setzte, gleich neben ihn, ehe ich die Hand ausstreckte und seine Schulter berührte. Sam hob den Kopf und rote, mit Tränen benetzte Augen schauten mich wehleidig an. Schockiert von diesem Anblick rückte ich ein Stück näher, nahm seinen schweren Kopf mit beiden Händen in gewahrsam und schob die Augenbrauen zusammen. "Was ist passiert? Sag doch was..", flehte ich wimmernd und hoffte auf eine Antwort, auf eine Lösung für meine Fragen. "Kasie.. ", brachte der junge Mann vor mir ächzend zustande bevor seine Stimme zusammenbrach und ein schweres schlucken erklang. Kasie sagte mir alles und die Wut brodelte in mir, ich konnte diese Frau noch nie leiden, Sams Freundin. Sie betrog und belog ihn, doch er konnte nie nein sagen, wollte nie schluss machen, dafür liebte er sie zu sehr. Ich konnte mir das nicht mehr lange mit ansehen, was sie mit ihm veranstaltet und es brach mir das Herz.
"Du musst sie endlich mal aufgeben. Was hat sie dieses mal gemacht, hm? Dich schon wieder mit irgendeinem Typen aus der Bar betrogen?" Die Worte flossen nur so aus meinem Munde und ich konnte sie nicht mehr aufhalten. "Diese Schlampe hat dich gar nicht verdient, mach endlich Schluss und such dir eine bessere." Doch Sam schüttelte nur den Kopf, wand sich aus meinen Händen und schluchzte einsam weiter. "Sag sowas nicht, ich liebe sie und... vielleicht war es nur ein ausrutscher", nuschelte der gute Freund, den ich dachte so gut zu kennen. Die Wut stieg und stieg in mir auf und ich konnte mich kaum zurück halten, er soll doch endlich mal erkennen, was sie da tut. "Hör auf Sam, sie ist nicht gut für dich, verdammt noch mal", meine Stimme erhob sich forsch und das Blut kochte in meinen Adern, dass sich die Zähne zusammen bissen.
"Ich werde sie morgen abholen, dann kaufe ich ihr was tolles, vielleicht verzeiht sie mir dann." Was ist nur mit diesem Jungen nicht in Ordnung, schoss es mir durch den Kopf, als er mich wie ein unschuldiges Reh anschaute. Ich erhob die Hand und lies sie gegen seine Wange aufprallen, dass es laut knallte. Es war eine art Reflex und ich habe es sofort bereut, doch soll er endlich aufwachen. Sam legte seine Hand an die rote Stelle, die ganz mein Werk war und schaute mich entsetzt an, senkte den Blick und sagte nichts. Er blieb einfach still und kauerte sich noch mehr zusammen. Ausrastend stand ich auf, brüllte ihn an, er solle doch endlich wach werden und verließ wütend das Haus, mit einem Hauch von Angst und Schuld.
Alles ist still in dem kleinen Zimmer. Die Vorhänge sind zugezogen und kein einziger Lichtstrahl schaffte es sich hinein zu zwängen. Ich lag auf der dünnen Matratze, des billigen Raumes eines Motels und drehte mich von einer zur anderen Seite. Eigentlich hatte ich mir streng vorgenommen zu schlafen, da ich die Nacht über unterwegs war. Gerade war ich kurz davor einzuschlafen, als ein kleines aber dennoch sehr helles Licht mich davon abhielt. Mein Handy fing an auf dem kleinen Nachtisch zu Vibrieren. Gestört in meinem Schlaf grummelte ich herum, ehe ich mich aufrappelte und das kleine Mobil Telefon in meine Hand nahm um es aufzuklappen. Man konnte die Nummer schon auf dem winzigen Display erkennen. Es war Sam.
Wieder einmal bin ich aus unserer WG abgehauen, weil er zu mir sagte ich sei ständig so grob zu ihm. Wie immer blieb ich ein Sturkopf und haute mit quietschenden Reifen ab.
Einige Minuten zögerte ich, bis ich schließlich abhob und mich genervt mit einem, ‚Was willst du?’ meldete. „Hast du etwa geschlafen?“
„Ja…“ „Das ist ja wieder mal klar. Es ist mitten am Tag, Sean. Wie kannst du da schlafen“ „Du hast doch nicht angerufen nur weil du wissen wolltest ob ich wach bin, oder?“ Ich sprach mit meiner schwer genervten Stimme und drehte mich auf den Rücken, während das Handy an meinem Ohr lag. „Was möchtest du, Sam?“ „Naja…also“ ich hasse es, wenn Sam mit seiner so sanften Stimme sprach, als wäre er ein kleines Kind, welches das erste mal scheiße gebaut hat. „Komm wieder zurück, Sean“ nur sehr leise drang die Stimme durch den Hörer des Handys direkt in mein Gehör und ich riss automatisch die Augen auf, bei seinen Worten. „Was?...“ „Hu..ich meine ..also. Ach vergiss es bitte“ Sam schien sich dafür zu schämen, so schnell wie er abblockte. Ich konnte es mir genau vorstellen, wie er nun aufstand von seinem Stuhl, sich ins Haar fasste und rot wurde.
Wieso ruft er mich extra an, nur damit ich zu ihm zurück kehre. Vermisst er mich etwa? Möchte er sich vielleicht entschuldigen oder hat er mir vielleicht auch verziehen? Hu..? Hat er vielleicht ein schlechtes gewissen, weil ich so sauer auf ihn war und abgehauen bin!?
„Kannst du nicht wieder zurück kommen? Es ist so langweilig ohne dein ständiges Genörgel…also ich meine, wenn du möchtest. Ich werde das schon überleben…naja..“
Schon wieder seine ruhige Stimme, die zu mir sprach und dennoch einen nervösen hinterton besaß.
Langsam richtete ich mich in meinem Bett auf und blickte hinab. „Sean…?“
„Schon gut…wenn du es um bedingt möchtest, werde ich zurück kommen.“ Ich hörte sofort ein leises erleichtertes seufzten auf der anderen Seite des Hörers, als ich diese Worte nuschelte. „Gut…ich werde hier auf dich warten.“ Plötzlich war Sams stimme so erfreut, so laut und erwartungsvoll. „Bis dann, Sean“ „Bis dann…“ langsam legte ich auf und senkte die Hand. Nur verzögert klappte ich das Handy zu und warf es zurück auf den kleinen Tisch.
Bevor ich zu meinem Mitbewohner zurück kehre, wollte ich mich wenigstens frisch machen, den Gestank von Alkohol und Rauch loswerden.
Langsam schlüpfte ich aus meinem Bett und legte die Füße auf den kalten Boden um mich vorsichtig aufzurichten. Mir tat alles weh und ein schmerz erfülltes keuchen glitt über meine Lippen. Genervt schlurfte ich ins Bad und befreite mich von meinen Klamotten. Unter die Dusche gestellt, lies ich mir das lauwarme Wasser über meinen Körper fliesen und wurde somit richtig wach.
Fertig geduscht, frische Sachen über gezogen und das letzte mal durch die Haare streifend ging ich schließlich hinaus um endlich zu Sam zu fahren. Er wartete bestimmt schon auf mich. Ich frage mich immer wieder was er macht, wenn er alleine ist. Ob er wohl den ganzen Tag an seinem Laptop sitzt oder auch mal raus geht um sich zu amüsieren? Nein, das konnte ich mir nicht vorstellen, dass er jemals freiwillig eine Frau mit zu sich nimmt. Das will ich auch gar nicht, das wäre nicht mein Bruder, wie ich ihn gerne nannte. Erschöpft seufzte ich laut und gestreckt auf, als ich das kleine Haus erblickte, in welchem Sam auf mich wartete. Auf dem Parkplatz haltend stieg ich aus und schaute stumm auf das große Gebäude, vor meiner Nase. Ich überlegte ob ich wirklich da rein sollte.
Vor einer guten Woche stand ich schon einmal hier, es kommt mir vor als wären es mehrere Wochen gewesen an dem ich hier stand, Sam vor ging um sich unsere neue Wohnung anszuschauen und ich mir das Haus betrachtete. Schon wieder seufzte ich leise und beschloss einfach zu ihm zu gehen. Was soll schon passieren.
Ein griff in eine der Jacken taschen und ich hielt den Schlüssel in der Hand, den ich die ganze Zeit über behielt. Ich schloss auf und betrat den Flur. Wie ich es mir dachte, alles war perfekt aufgeräumt und kein einziger Pizza Karton oder Bierflasche standen auf dem Tisch. Erleichtert über die gewohnte Ordnung suchte ich Sam in der ganzen Wohnung. Doch war er nirgends zu sehen. Anfangs dachte ich, er sei weg aber dem war nicht so. Mit einem mal öffnete sich die Badezimmertür und Sam kam, nur mit einem Handtuch bekleidet aus dem Nebel der heißen Dusche. Mir stockte der Atem und ich schaute weg. „Sean!“ erfreut mich zu sehen, kam er auf mich zu. Damit hatte ich nicht gerechnet, als er seine starken arme um meinen Hals legte und mich an seinen nackten Oberkörper drückte. Überrascht weiteten sich meine Augen und nur zögernd legte ich meine rauen Hände an seinen breiten Rücken. Es verschlug mir glatt die Sprache, also konnte ich nichts sagen und war einfach still. „Es ist schön, dass du wieder hier bist. Ich habe dich vermisst…“
Seine stimme, sie ist wieder so sanft…und das direkt neben meinem Ohr.
Mit einem so vertrauten lächeln auf seinen geschwungenen Lippen, löste er sich von mir und blickte mich an. „Sean? Ist ..alles gut?“ er schien bemerkt zu haben, wie er mir alle Worte stahl, also fing ich mich so schnell es ging und röchelte gespielt. „Hu? Ja…entschuldige. Es…es ist auch schön wieder hier zu sein“ ein aufgesetztes lächeln zeigte sich und Sam nickte zufrieden mit meiner Antwort. Als wäre nichts, ging er davon und verschwand für eine Minute wieder im bad um seine Klamotten anzuziehen.
Während dieser Minuten setzte ich mich auf den Stuhl in der Essecke. Meinen schweren Kopf stützte ich auf meine Hand ab und blickte aus dem Fenster, direkt neben der kleinen Essecke.
Warum verschlug es mir so sehr die Sprache, als ich ihn aus dem Bad kommen sah…als er mich umarmte. Das passiert doch ständig, wenn wir uns länger nicht sehen und nach dem Duschen ist es normal, dass einer von uns so durch die Gegend läuft. Es ist doch nichts dabei…ist ja nicht so, als würden wir komplett nackt aus der Dusche kommen. Heute ist es anders, der streit war so unglaublich blöd. Ich würde niemals grob zu ihm werden, das könnte ich doch gar nicht. Er ist mein bester Freund, ich kenne ihn schon seit meiner Kindheit. Und wie meint er das nur mit grob sein. Wie ich mich ausdrücke? Wie ich zu ihm spreche oder…weil ich ihn geschlagen habe? Das wird es sein aber er hat mich schon wieder nur angelogen. Er hat sich wieder mit seiner Ex getroffen, die ich nicht leiden kann, weil sie ihn immer verletzt und verarscht hat…wer weiß was sie immer mit ihm macht. Da ist meine Hand ausgerutscht. Dabei wollte ich das gar nicht und ich hab mich nicht einmal entschuldigt.
Langsam senkte ich den Blick mich schuldig fühlend und legte die Stirn auf das kühle Holz des Tisches. „Ich bin so ein Idiot…“ murmelte ich leise und wuschelte mir selber durch das kurze Haar, während mein Kopf am Tisch klebte.
„Was machst du da..?“ erschrocken, dass Sam mich so sah schreckte ich auf und lachte ablenkend. „Hu? Nichts ..ich ähh..haha. Naja, es hat ..gejuckt“ schnell dachte ich mir einen Grund aus und lächelte ihn falsch an. Sam zuckte mit den Schultern und wunderte sich schon gar nicht mehr über mein Verhalten. „Hast du dir gestern wieder mal eine Frau geschnappt?“ seine Frage wunderte mich und ich blickte ihn an, während Sam in seiner Tasche rum wühlte. „Du kennst mich doch“ ich wusste nicht direkt was er damit meinte, so blickte ich den grauen Teppich unter meinen Füßen an. Mit einem mal tauchten die großen Füße von ihm in meinem Blickfeld auf und ich erhob erschrocken meinen Blick, als Sam sich mit einer Hand auf dem Tisch abstützte und sich zu mir hinab beugte. „Ich möchte nicht, dass du dir weiterhin deinen Spaß bei diesen Weibern suchst..!“ „Sam!“ entsetzt stieß ich ihn weg, da er mir einfach viel zu nah war und ich vom Stuhl sprang um mich zu entfernen. „Warum sagst du so was?“ ich wurde nervös und rot zugleich, was ich nicht mehr im griff hatte. „Weil du mein Kumpel bist und du nicht auf die schiefe Bahn geraten sollst, wie ich!“ seine Antwort war doch wieder so beruhigend, dass ich mir nichts weiter dabei dachte. Doch spürte ich mein Herz immer noch rasen, als ich ihm direkt in die Augen blicken konnte. Von mir selbst genervt klatsche ich meine Hand an die Stirn und seufzte. „Ich bin müde…ich denke ich werde ein wenig schlafen, wenn es recht ist“ ich wartete gar nicht erst auf eine Antwort seiner seits und ging zum Sofa, um mich dort samt Klamotten hin zu legen.
Ich wusste nicht mehr wie mir geschieht. In letzter Zeit wird mir ständig so warm in seiner Gegenwart und mein Herz fängt an zu rasen, als zerspringe es. Ich darf ihm gar nicht in die Augen blicken, bevor ich mich in diesen verliere. So wunderschöne braune Augen, die immer ein lächeln in sich tragen. Solche anziehenden Gedanken bringen mich irgendwann bestimmt noch einmal um, doch konnte ich nichts gegen sie tun, außer sie zu ignorieren und mein Leben weiter zu leben.
Ich hörte wie Sam sich auf den Stuhl setzte und an seinem Laptop arbeitete. „Es tut mir leid…“ murmelte ich leise, ich wusste nicht warum ich damit anfing aber ich fühlte mich so verdammt schlecht. „Hast du was gesagt , Sean?“ er wandte sich mir zu und ich drehte mich herum, damit ich ihn wenigstens anblicken konnte. „Es tut mir leid, dass ich dich an dem Tag geschlagen habe…ich wollte das wirklich nicht. Ich war nur so sauer und es hat mir das Herz gebrochen, dass du es einfach nicht eingesehen hast und dann…entschuldige bitte, Sam.“ Langsam setzte ich mich einfach wieder auf und schaute zum Boden, den ich anscheinend immer wieder betrachten musste. „Ich hasse es wirklich dir weh zu tun, wahrscheinlich bin ich deshalb auch abgehauen, weil ich mich so schlecht gefühlt habe. Das tut mir alles so leid…ich weiß auch überhaupt nicht mehr was mit mir los ist. Ich frage mich auch jedes mal was du machst, wenn ich nicht hier bin.“ Ich konnte Sams erstaunten blick deutlich auf mir spüren, denn es passierte nicht sehr oft, dass ich mich entschuldige. Schon wieder erscheinten seine Füße, die in den Schuhen steckten, in meinem Blickfeld, doch hob ich meinen blick nicht an. Statdessen hockte Sam sich vor mich und hob mein Kinn mit seinen Fingern an.
Sein Blick traf den meinen und ich drohte mich in den weiten seiner braunen Augen zu verlieren, was mir ganz und gar nicht in den Kram passte. "Ist ok, ich hab dir verziehen." Leise horchte ich seinen warmen Worten und pulte nervös an meinen Fingernägeln herum, die sowieso schon ganz abgeknabbert waren. Weiterhin plagte mich die Schuld in meinem Innern, auch wenn Sam mir verziehen hat, sowas hätte niemals passieren dürfen, nicht in zichtausend Jahren. Doch wollte ich meinem besten Freund nicht an meinem Selbstzeifel teil haben lassen und nickte nur stumm, verlor mich dann tatsächlich im funkeln der Augen meines Gegenüber. Bis dieser mich aus all meinen Träumen riss und mir grinsend die Wange tätschelte und sich wieder aufrichtete. "Gut, dann mach ich jetzt was zu Essen, ich bin am verhungern!"
Unglaublich wie Sam es immer wieder zustande brachte mich so in seinen Bann zu ziehen und dennoch so unschuldig zu wirken.
Nachdem ich mich wieder gefangen hatte, den Kopf schüttelte und mich auf der Couch lang machte, verschrenkte ich die Arme unter meinem schweren Kopf und schloss die Augen. "Ich habe keinen Hunger, mach du dir was", raunte ich als kleinen Hinweis müde bis in die Küche und bekam keine Antwort, so dachte ich zumindest. Denn nach wenigen Minuten war ich weg, in meinen verrückten Träumen verschollen. Wie lange ich auf der Couch gedöst habe, wusste ich nicht, doch spürte ich mit der Zeit wie jemand meine Beine anhob, sich ans andere Ende des Sofas setzte und meine Beine wieder niederlies. Müde öffnete ich meine Augen, befreite die Arme unter meinem Kopf, die kläglich eingeschlafen waren und wie wild kribbelten, und sah wie Sam sich zu mich gesetzt hatte und die Beine nun auf seinen Oberschenkeln lagen. Anscheinend war ich wohl doch lang genug, um die ganze Sitzmöglichkeit aus Leder zu bedecken.
Ein leises grummeln entwich meiner trockenen Kehle, die sich anfühlte wie nach einem Marathon lauf. "Ich wollte dich nicht wecken, entschuldige", die große Hand des starken Mannes lag auf meinem Bein, was ich durch ein angenehmes brennen festellen musste, während ich die Augen rieb und den verschwommenen Blick zum Fernseher richtete, der eine Dokumentation über Ägypten ausstrahlte. "Du guckst schon wieder so eine Doku? Kennst du die nicht schon alle auswendig, Einstein?" Natürlich erntete ich für diese Bemerkung gleich einen leichten Schlag gegen den Hinterkopf und ein amüsiertes Lachen, welches auch meinem Munde entglitt. "Nein, die kenne ich tatsächlich noch nicht, Skully!"
Es war mal nach längerer Zeit wieder friedlich zwischen uns beiden und ich genoss diesen Frieden und unsere alten Witze und Sprüche. Wir beide waren schon immer dafür bekannt, wie gut wir uns doch kannten und wie perfekt wir einander Sätze vervollständgen konnten. Wahrscheinlich sogar besser als Tick, Trick und Track. Aus dem Augenwinkel heraus sah ich, wie Sam in den Flur starrte, sich richtig auf den dunklen Gang konzentrierte, als sei dort etwas spannendes. "Was ist...", ich durfte nicht einmal meine Frage beenden, als er mich ansah, den Finger vor seine Lippen presste und mir klar machte, dass ich die Klappe halten solle. Auf sein Zeichen hielt ich den Mund, richtete mich lautlos auf und rutschte zu dem großen Mann herüber, um ebenso in den Flur zu starren. Es war mucksmäuschen Still während wir in den tief schwarzen, unheimlichen Flur starrten. Ich wartete auf irgendein Geräusch, irgendwas erschreckendes oder einen Einbrecher. Langsam wurde ich nervös und mein Blick schweifte für wenige Sekunden neugierig zu Sam, der konzentriert und stumm zur Tür hinaus starrte, also tat ich es ihm abermals gleich. Ich sollte das erschreckende bekommen, als mein Mitbewohner mit einem mal laut 'Boo' schrie und die Arme hob, sodass ich total erschrocken zusammen zuckte und zurück auf die Couch fiel. Mein Herz raste und das Adrenalin schoss durch meine Adern, bevor ich überhaupt regestrieren konnte, was gerade geschehen ist. Empört haute ich Sam gegen die Schulter, schubste ihn und konnte ein grinsen nicht vermeiden. "Du bist so ein Idiot! Ich hätte an einem Herzinfakt abkratzen können!", pöbelte ich ihn an, konnte dabei nicht ernst bleiben und bekam dafür nur lautes Gelächter seiner seits.
Sam streckte die Hand aus und wuschelte grinsend durch mein kurzes Haar. "Pussy..hast dich ja total erschreckt." Mein Herz raste unentwegt, doch sollte nicht der Schreck der Grund dafür sein.
Auch wenn es bereits dunkel war, entschied ich eine Runde um den Block zu gehen, einfach um etwas frische Luft zu schnappen und mit Glück hatte der kleine Kiosk um die Ecke noch auf und ich kann mir eine neue Schachtel Zigaretten kaufen, die mir am vorigen Tag ausgegangen sind. "Und bleib nicht wieder die ganze Nacht weg, du musst morgen früh raus!" ,"Ja, Mum...", warf ich Sam schnippisch an den Kopf, schenkte ihm ein unverschämtes grinsen und verschwand durch die Tür, die durch den Luftzug lautstark ins Schloss fiel. Die Kopfhörer von Beats, die zuvor um meinen Hals hingen, setzte ich mir auf die Ohren, schaltete den Ipod ein und lies die Welt mit Chombirchrist hinter mir, während ich auf die toten Straßen der Nachbarschaft trat und mich umsah. Entschlossen bog ich rechts ab, steckte die Hände in die Jackentaschen und schländerte durch die, von hohen Häusern abgeschiermten Wege. Der Gettho in Tokyo war nichts anderes als der in Deutschland, bis auf die kleinen Läden mit ihren vielen Leuchten, verrückten Windrädern und kleinen Spielzeugen an den Vordächern.
Vor ungefähr einem Jahr sind Sam und ich nach Japan ausgewandert, haben zuvor ihre Sprache studiert und waren einfach fasziniert von diesem Land und ihren Kulturen. Es war eine der besten entscheidungen die wir nur treffen konnten in unserem bisher gut geführtem Lebenslauf. Wir haben viele Freunde gewonnen, doch umso mehr Freunde man gewinnt, umso mehr Feinde erntet man, was ich immer wieder zu spüren bekam an meinem Arbeitsplatzt und auf Feiern anderer Freunde. Sie sind gegen Deutsche Anwanderer, stellen schwere Behauptungen auf, dass wir ihre Ehre und ihr Grund und Boden beschmutzen, doch lass ich mich davon nicht irritieren. Denn sind sie in diesem Falle genau wie wir mit unserem Land. Manche sind gegen die Ausländer und manche wiederrum heißen sie herzlich Willkommen.
Ich nahm eine Abzweigung nach der Nächsten und traf endlich auf den alt bekannten Kiosk aus unserer Gegend an. Zu meinem Glück waren noch alle Lichter an, meine Rettung in letzter Not. Den Kiosk Besitzer freundlich grüßend, da ich ihn bereits sehr gut kannte, schlich ich durch die kleinen Gänge, schnappte mir ein paar Snacks und eine Flasche Sake, schob die Kopfhörer von meinen Ohren in den Nacken zurück und stellte alles, bereit zum Kauf auf den Tresen. "This is it?" Englisch war die einzige Sprache, die er fließend sprechen konnte, damit ich ihn verstand. Denn auch wenn ich studiert habe, um hier her zu ziehen, reichen meine Künste bei weitem nicht um fließend Japanisch zu reden. Ich gab ein stummes nicken von mir, lächelte höflich und zupfte ein paar Yen Scheine heraus, die ich auf einen kleinen Teller aus Glas legte, während der Besitzter alles in eine weiße Tüte packte und sie mir reichte. Das Geld hatte ich passend, nachdem ich eine Schachtel Zigaretten forderte und sie gleich bekam, also schnappte ich mir die Tüte und nickte abermals zum Abschied. "See you tomorow!" "Sure", ein wirklich netter Mann und Gedanken lesen konnte er auch. Mit Sicherheit würde ich am nächsten Morgen wieder her kommen, wie jeden anderen frühen Morgen auch, um mir mein Frühstück aus der Plastikpackung zu holen.
Vor der Tür umhüllte mich sofort eine kühle Luft, die mir langsam den Rücken hinab kletterte und eine Gänsehaut in mir auslöste. Um sie nicht zu nah an mich heran zu lassen, zog ich die Jacke enger an mich, schob die Kopfhörer mit der laufenden Musik auf die Ohren und öffnete die Schachtel Marbid. Die schmeckten genauso wie Marlboro und das Design war beinahe das selbe und da es hier in Japan keine, für mich, typischen Zigaretten gab, musste ich mich damit zufrieden geben. Die Tüte um das Handgelenk geschnürt, zündete ich den gestopften Tabak an mit einem Feuerzeug, dass ich so gut wie immer bei mir trug, und inhalierte genießend den ersten Zug. Ein Blick auf die Uhr meines Ipods und die Schritte wurden schneller, da es kurz nach Mitternacht war und Sam sicherlich wieder panisch zuhause herum tigerte, wie eine Mutter schwer besorgt um ihren Sohn. Die Hälfte des Weges verlief reibungslos und ich war bereits mit meiner zweiten Kippe zur hälfte fertig, als dunkle Schatten in einer Gasse immer größer wurden. Es war zu erkennen, dass sie auf mich zu steuerten, eine Gruppe aus drei Männern meiner Statur. Meine Schritte wurden langsamer und ich blieb einen Moment stehen, dabei war ich so kurz vor meinem Ziel und konnte schon das Fenster der Wohnung erkennen. Die Männer kamen immer näher und sahen nicht gerade sehr erfreut aus, ich kannte sie nicht und wusste nicht was die von mir wollten. Vielleicht wollten sie auch einfach an mir vorbei und mussten aufmucken und tun als wären sie die geilsten in dieser Gegend, also ging ich weiter, direkt auf die drei Musketiere zu. Doch ich irrte mich.
Schnell war festzustellen, dass sie mich umzingelt hatten und einen engen Kreis um mich bildeten, während der anscheinende Anführer mir die Visage vor hielt und verärgtert schnaubte, dass ich seinen Atem auf meiner Haut spüren konnte. "Ist das der?", wendete der Kerl vor mir, gute zehn Zentimeter größer als ich, den Blick zu einem seiner Kumpel, der nur stumm nickte und mich weiter in gewahrsam hielt. "Was wollt ihr?" Ich versuchte so stark wie nur möglich zu wirken, atmete tief ein und streckte die Brust vor, breitete die Schultern wie eine Bulldogge und ferfinsterte die Miene, mit der Kippe zwischen den Fingern. "Du fässt meine Schwester nie wieder an, hast du mich verstanden! Sonst..." , "Sonst was?" Ich spielte mit dem unbekannten Typen, forderte mein Glück heraus und zog an der Zigarette, tief und lang, bevor ich den dicken Qualm direkt in sein Gesicht frei lies. Doch das schien ihn nicht zu stören, ganz im Gegenteil, nachdem sich die Wolke aus Rauch gelegt hatte erkannte ich sein angespanntes Gesicht, wie sich die Nasenflügel weiteten und die Augen aus den Höhlen zu springen schienen. Langsam wurde mir mulmig in der Magengegend und ich fürchtete, das esw ein Fehler war ihn zu provozieren, doch spielte ich gerne mit meinem Glück, welches mich bis jetzt nie im Stich gelassen hatte. Mit der Zeit fiel mir auf, dass ich den Mann schon einmal gesehen habe, ja ganz eindeutig. Verdammt. Nun wurde mir bewusst was er damit meinte und warum er hier ist.
Plötzlich legte sich eine Hand fest um meine Kehle und drückte zu, dass mir einen Moment lang die Luft weg blieb. Das Atmen fiel mir schwer,doch ich blieb gelassen, lies mich nicht darauf ein, so sehr es auch schmerzte. "Sonst werde ich dir eigenhändig den Kopf abreißen, das schwöre ich dir", drang die raunende Stimme zu mir durch und lies mich wissen, dass es sein voller ernst war. "Deine Schwester ist ein echtes Tier in der Kiste, was sie in dieser Nacht alles geschluckt hat, unglaublich", legte sich ein Grinsen auf meine Lippen, welches alle drei Kerle herausforderte und einer hinter mir bereits mit dem Kopf knackte und die Finger in einer Faust zu brechen schien, so wie das klang. Ich erhielt als Antwort einen tiefen Tritt mit dem Knie in den Magen. Vor schmerz keuchend, knickten meine Knie ein und ich landete auf dem kalten Asphalt, eine Hand in meiner schmerzenden Magengegend und die andere auf dem unsicheren Stein. Der Anführer der Bande beugte sich hinab zu mir, packte mich am Kragen, dass die Kopfhörer zu Boden fielen und zog mich auf die Beine zurück. Erneut spürte ich sein Schnauben in meinem Gesicht und ich schloss die Augen, Respeckt kriegend vor diesen Bulldosern. "Fass sie noch einmal an und ich werde dich und deine Familie in Flammen setzten!" Zum Abschied verpasste er mir von unten einen Schlag gegen die Nase , sodass ich rücklings auf den Boden fiel und mir den Kopf stieß, da die anderen stummen Idioten zur Seite gingen und mir den Vortritt ließen. Zufrieden mit ihrem Werk stapften sie davon und nahmen sich meinen Sake mit, liesen den Rest jedoch bei mir auf dem Gehweg liegen. Alles um mich herum wurde schwarz und ich konnte kaum etwas erkennen. Mein Magen schmerzte, der Kopf dröhnte wie wild und meine Nase pochte unter dem heftigen Schlag. Ich spürte wie ich langsam aber sicher bewusstlos wurde und hilflos in der leeren Gasse lag. Wo war Sam nur, wenn ich ihn mal brauchte?
"Sean!.. Sean, wach auf", es waren die ersten Worte, die ich dumpf hörte, als ich langsam wieder zu mir kam. Mein Kopf war in der großen Hand von Sam gebettet, damit ich nicht mehr auf dem kalten Asphalt lag und der Blick traf sogleich im ersten Moment den besorgten Ausdruck meines Freundes. Ich wusste nicht recht, wie lange ich so dort lag und mich nicht rührte, ebenso wusste ich nciht, wie lange Sam schon versuchte mich wach zu kriegen, doch schien es eine Weile gedauert zu haben, als ich den schweren Seufzter vernahm und das sanfte Lächeln sah. "Gott sei Dank, Sean. Ich dachte schon, du würdest nie wach werden. Was ist nur passiert?"
Die Worte blieben mir im Hals stecken und ich wollte einfach aus dieser Gasse raus, weshalb ich mich langsam errichtete um wieder auf die Beine zu kommen. Bis zur Hocke lief alles glatt, doch als ich versuchte wieder aufrecht zu stehen wurde mir für wenige Sekunden abermals schwarz vor Augen und ich sackte zurück. Zu meinem Glück stand der große Mann parat und fing mich auf, hiefte mich unter den Achseln auf die Füße und gab mir den nötigen Halt. Ein Schmerz der Muskeln durchzog meinen Magen, als hätte ich Stunden um Stunden durchgehend gelacht, und ich konnte deutlich den Geschmack von Blut auf meiner Zunge ausfindig machen, welches mit Sicherheit aus meiner Nase stammte. Natürlich ergriff ich die dabietende Hilfe und legte einen Arm um die breite Schulter neben mir, damit ich die Hälfte meines Gewichtes auf Sam verlagern konnte und leichtfüßig voran Schritt. "Ich will einfach nach Hause, Sam", bat ich leise raunend und krampfte die Finger im Stoff der Jacke fest. "Ja, natürlich. Ich bring dich nach Haus, aber langsam", packte mit den Worten eine Hand die meine, hielt mich aufrecht, während der andere Arm um meine Hüfte schlang und mich fest gegen den großen Körper zog.
Wirklich lange dauerte es nicht bis wir es in die Wohnung im dritten Stock geschafft haben und Sam mich auf die Couch schleppte. So schwach habe ich mich wahrscheinlich noch nie gefühlt, doch war es in diesem Moment einfach nicht zu ändern. Meine Gedanken schweiften noch beim Vorfall vor wenigen Minuten oder Stunden, wer weiß wie lange ich dort mitten auf dem Weg lag wie eine Leiche, und ich begann Angst zu bekommen. Nicht um mich, dass mich dieser Kerl finden wird und warscheinlich umbringen wird, was auch immer in seinem schiefen Kopf vor geht, doch habe ich schreckliche Angst, dass er Sam auffinden wird. Der Gedanke, dass dieser Mann meinen besten Freund kaltblütig umbringen würde und das alles meinet wegen. Ein eiskalter Schauer rutschte meinen Rücken hinab und während ich so Gedanken verloren auf dem Sofa im Wohnzimmer hockte, bemerkte ich nicht, wie Sam um mir herum wühlte, Taschentücher holte, etwas zu Trinken auf den Tisch stellte und sich vor mich auf den Boden kniete. "Sean.. hey. Sieh mich an, Buddy." Endlich war ich wieder fähig die Dinge um mich herum wahr zu nehmen, da raue Finger über meine stacheliege Wange fuhren und meinen Kopf anhoben, denn auch wenn Sam kniete waren wir auf Augenhöhe, was an seiner Größe und dem kleinen Sofa liegen mochte. Leise brachte ich ein grummeln von mir und schaute mein Gegenüber müde an, während dieser das halb getrocknete Blut von meiner Nase und den Lippen entfernte.
Bei dem Anblick, wie er sich um mich kümmerte, mir das Blut sorgfältig von den Lippen wischte und seine Finger auf meiner Wange ein Brennen hinterließen, blieben mir abermal die Worte wie ein Kloß im Halse stecken und ich dachte ich ersticke stumm und heimlich daran. Ich würde es mir niemals verzeihen können, sollte ihm jemals etwas zu stoßen. Vorsichtig hob ich die zitternden Hände und ergriff die jeweiligen Handgelenke meines Mitbewohners, damit er einen Moment aufhörte und mir, nur mir zuhören konnte, was sofort gelang und Sam wie ertappt zu mir herüber starrte. "Sam, bitte sei vorsichtig, ganz egal wo du hin gehst oder was du machst. Versprich mir das!" Mit der Zeit löste sich der Brocken aus Wörtern in meinem Hals und zerbröselte zwischen den Lippen. "Was ist nur passiert, Sean?!" "Versprich es mir, Sam", unterbrach ich ihn in seiner ausfragerei, sähte einen ernsten Blick und machte ihm weis, dass es mein voller ernst war und ich ein Versprechen von meinem besten Freund haben wollte, ansonsten könnte ich nie wieder schlafen.
Sam gab nach, senkte den Kopf ergebend und löste die Handgelenke aus meinem Griff, dass die flachen Handflächen nun auf meinen Oberschenkeln lagen. "Ich verspreche es", hob sein Blick sich zu mir auf und eine gleich beudeutende Miene zierte sein markantes Gesicht. Unmittelbar hob sich seine rechte Hand und der Daumen fuhr sanft über meine Unterlippe, dass mir der Atem stehen blieb, doch entfernte er anscheinend lediglich den letzten Tropfen Blut vom Werk des mysteriösen Unbekannten. Unbewusst stieg die Hitze in mir auf und meine Wangen färbten sich in eine rötliche Farbe, dass ich im Boden hätte versinken können. "Jetzt komm, geh Duschen und zieh dir was anderes an, dein Shirt ist am Ellenbogen ganz zerissen vom Aufprall, ebenso deine Jacke und deine Ellenbogen selber werden auch nicht verschont worden sein!"
Hatte ich schon einmal erwähnt, wie schnell Sam alles ruinieren konnte, was er gerade in mir entfacht hatte?!
So schreckliche Rückenschmerzen hatte ich mit Sicherheit noch nie, wie ich ungewollt feststellen musste, als ich mich in meinem verwühlten Bett aufrichtete. Die Decke habe ich im Schlaf von meiner wackeligen Matratze mit extra alten Federn gestrampelt und das Kissen hatte sich so zerknautscht, dass es kaum noch aussah wie ein Kissen sondern eher wie ein in Vakuum gehülltes Tuch. Es wurde so verflucht heiß in meinem Zimmer wie in einem Brutkasten für kleine Küken, dass ich mich nicht traute mich zu rühren, da mein Shirt nass geschwitzt an meinem Rücken klebte. Zu allem überfluss fing mein Kopf an heftig zu dröhnen und ich glaubte nichts mehr hören zu können außer dieses stetig anhaltende Summen in meinem Oberstübchen.
Langsam wurde ich richtig wach und blinzelte einige Male, als ich erschrocken zusammen fuhr und mir schlagartig eiskalt wurde, dass ich mich hastig unter der Decke verkrümelte. Sam saß in meinem bescheidenen Bürostuhl aus dem neunzehnten Jahrhundert und starrte auf den verschwitzten Fleck im Laken, in dem ich zuvor in meinen Träumen wiegte. Plötzlich schossen seine braun mit grün befleckten Augen in meine Richtung und weiteten sich monströs, dass es mir den Atem raubte. "Hast du mir die ganze Zeit beim Schlafen aufgelauert?", krächzte ich aus heißerer Stimme, als ich diese wieder gewonnen hatte und zog die Decke bis unters Kinn das er mich ja nicht weiter auspähen konnte.
"Aufgelauert würde ich das jetzt nicht unbedingt nennen." Seine langen Finger tippten ungeduldig auf der Lehne aus Kuntstoff, als verlange er von mir jetzt aufzustehen.
Während ich eingeschüchtert wie ein Lamm und mit verschwitzten Haaren in der Stirn klebend unter meiner sicheren Decke kauerte, darauf wartend, dass der Wolf zu schlug, saß Sam anmutig in dem kleinen Stuhl. Das weiße Hemd war nur notgedrungen zugeknöpft, dass es einen kleinen Teil seiner glatt rasierten Brust frei gab, seine hart antrainierten Muskeln schimmerten schemen haft durch den Stoff aus Satin und die Haare waren nur so weit nach hinten gegelt, dass einige Strähnen sich heraus schlichen und in sein Gesicht fielen. Doch hatten sie keine Chance dort lange zu verweilen, ehe er sie mit einer ruhigen Bewegung hinters Ohr trapierte.
Sein Blick wanderte weiter hinab und schnellte ruckartig wieder hinauf in sein markantes Gesicht. Anscheinend hielt er es nicht für nötig in dieser Bullenhitze eine Hose zu tragen. So schmückte lediglich eine enge Briefboxer sein Gemächt, während die langen Beine dadurch nur noch besser zur Geltung kamen.
"Los steh auf, ich hab Frühstück vorbeitet und eine Apsirin liegt bereits neben deinem Kaffeebecher." Dieser Befehlston war neu und er gefiel mir irgendwie nicht. Wer mochte es schon herum kommandiert zu werden. Doch irgendwas in seiner Stimme und seinem Blick, mit dem ich genauestens beobachtet wurde, sagte mir, dass ich lieber auf ihn hören sollte und mich jetzt aufraffen werde. "Krieg ich wenigstens etwas Privatsphäre, Kommandant?", antwortete ich schnippisch auf seine Befehle und wollte keine Schwäche zeigen, wozu es schon lange zu spät war. Mit einem widerwilligen Nicken stand Sam auf, woraufhin sich zu meinem Glück das Hemd ausstreckte und alles bedeckte, was ich im Moment nicht sehen wollte.
Die Aspirin hat sofort ihre Wirkung gezeigt, genau wie der heiße Kaffee, der ungewöhnlich gut geschmeckt hat, dafür das er von Sam gemacht wurde. Normalerweise verschätzte er sich maßlos in der Portionierung von Kaffeepulver und Wasser und ich hatte jedes mal das Gefühl an diesem starken Kaffee wie der Roudrunner durch die Straßen laufen zu müssen.
Die Rückenschmerzen verblichen natürlich nicht, ganz ohne Schmerz wüsste ich mit Sicherheit nicht mehr ob ich noch am Leben war oder schon längst in seinen Fängen untergegangen bin. Vor Schmerzen aufkeuchend rekelte ich mich in dem Barhocker unserer Küche und stützte die Ellenbogen auf der kalten Holzplatte ab, um mich meinem Gegenüber etwas entgegen zu beugen, was anscheinend ein riesen Fehler war. Sam der große teil zich millionen und eins beugte sich mir entgegen und fesselte meinen Blick schlagartig. In diesem Moment glaubte ich sogar seinen aufgehitzten Atem an der empfindlichen Haut zu spüren. "Ich möchte, dass du dich anziehst und dann werde ich dich für heute einmal in Beschlag nehmen müssen", raunte diese unfassbar tiefe Stimme mir entgegen, dass mir ganz schwindelig wurde und fasziniert von seiner aufdringlichen und dennoch anziehenden Art rutschte ich vom Hocker, um mich anzuziehen. Dabei schrie es in meinem Kopf: Er kann mich doch nicht einfach in Beschlag nehmen, wie einen billigen Gegenstand. Vielleicht hatte ich ja was vor und wollte gar nicht bei ihm sein. Sein Kopf war voll von Pro und Kontra Argumenten mit zu gehen, während der Richter das Plädoyer zwischen dem Gefecht von Sehnsucht und Gewissen abhielt.
Während ich mir also die blaue Jeans über meine unmenschlich dünnen Beine striff und ich erkennen musste, dass ich mal wieder ein neues Loch in den Gürtel stechen musste, wurde mir klar was für ein Weichei ich doch war. Für Gesund kann man mein Gewicht nicht bezeichnen, für einen ausgewachsenen Mann, doch konnte ich nichts dagegen tun. Das blaue Shirt mit einem Superman Logo aufdruck fiel mir über die Schultern, da ich es Sam aus dem Wäschekorb der frisch gewaschenen Wäsche geklaut hatte und er wesentlich breiter war als ich.
"Was hast du nun vor mit mir?", stand ich wie ein bettelnder Hund im Flur mit schlaffen Armen und krummer Haltung. Sams Augen begutachteten mich ganz genau, was ich deutlich durch ein Feuer in meinem Innern spüren konnte. Es machte mich immer wieder rasend, wenn er mich so herablassend betrachtete, als sei ich sein Sklave. Doch war ich mir dessen bewusst, dass ich niemals gegen den starken Mann ankommen würde, also halte ich still und sage nichts. Sein Zeigefinger und Daumen bewegten sich an sein Kinn und er rieb sich dieses nachdenklich, wie ein alter weiser Mönch. Schließlich kam er großen Schrittes auf mich zu, blieb vor mir stehen und zupfte an dem blauen Shirt. Anfangs befürchtete ich, er würde mich jetzt zur Schnecke machen, da ich ihm doch sein Shirt stibitzt hatte aber lag ich da ganz Falsch. "So nehme ich dich nicht mit. Zieh dich um, ich hab die passenden Klamotten auf meinem Bett liegen", zuckten seine Mundwinkel zu einem gutmütigen Lächeln, das schlagartig wieder verschwand.
Verärgert schnaubte ich und verschrenkte die Arme vor der Brust. Ich kann mir das nicht weiter gefallen lassen, spielten meine Gedanken wieder einmal verrückt. Sam hingegen schien allem Anschein nach genau zu wissen, was er tun musste, um mich kleiner zu kriegen, als ich es eh schon war. Ein kleines aber grelles Funkeln in seinen Augen und der leicht geneigte Kopf brachten mein Herz zum schmelzen, dass ich es mit einem Mop hätte aufwischen können. Erneut schnaubte ich, doch gab ich nach und stampfte in sein Zimmer. Dort lag tatsächlich eine längliche Plastikhülle, darauf ein paar glänzender Slipper. Ich hätte einen Pollunder und eine ordentliche Jeans erwartet aber nicht einen Anzug und Slipper. Noch immer entgeistert trat ich auf die Hülle zu und starrte apartisch auf das graue Plastik, hinter dem sich wahrscheinlich ein unglaublich attraktiv geschnittener Anzug befand. Mein Herz raste und ich überlegte, ob ich nicht doch einfach wieder in mein Bett klettern sollte, um dort für den Rest meines Leben zu bleiben. Aber nein, dieses Mal durfte ich Sam nicht enttäuschen. Ich fasste mir allen Mut zusammen und zog den Anzug aus feinstem Material an. Er passte wie angegossen und nachdem ich die bequemen Slipper anhatte, versuchte ich mich an der Krawatte. Meine ungeschickten Finger hingegen streikten gewaltig und der perfekte Knoten endete in einem schrecklichen Wirr Warr.
Hilflos schlich ich aus dem Zimmer, lugte aus dem Rahmen der Tür, als wären noch andere Menschen in dieser Wohnung, die mich nicht entdecken sollten, und ging schließlich zu Sam, der erwartungsvoll am Thresen saß und seinen Tee schlürfte. "Ich brauche deine Hilfe", flüsterte ich kleinlaut und schenkte dem großen Mann ein flüchtiges Grinsen, während meine Finger in dem Knoten verheddert an meinem Hals hingen. Mit einem entzückten Lachen ging Sam auf mich zu, nahm meine Hände und befreite die Finger aus der Krawatte. "Manchmal kommst du mir vor, wie ein kleiner Junge." Das war nicht nett, ich war schon groß und ein starker Mann und kein kleiner Junge. Empört schaute ich zu ihm hinauf und schob die Brauen zusammen. Doch der Anblick, wie Sam sich auf die Lippe biss, ganz konzentriert alles richtig zu machen, da fingen meine Wangen an zu brennen wie die Hölle. Plötzlich schaute er auf, direkt in meine Augen und ich lief rot an. Ertappt und peinlich berührt senkte ich hastig meinen Blick und hustete gespielt. "Danke", gab ich in diesem gespielten Ablenkungsmanöver von mir, das schlagartig zu einem wahren Hustenanfall wuchs. Seine großen Finger hoben mein Kinn mit einem mal an und ich war gezwungen ihn anzuschauen. Ein unangenehmes Kribbeln machte sich in meiner Magengrube breit und als ich bemerkte, dass sich Sam immer weiter näherte, glaubte ich zusammen zu brechen. Nur noch wenige Zentimeter zwischen unseren gewellten Lippen. Mein nicht eingestandener Traum würde war werden, endlich. Erwartungsvoll schloss ich die Augen und wollte mich gerade vor lehnen, als er mir dir Wange tätschelte und lachte. "Was soll das werden?" Erschrocken wich ich zurück und würde am liebsten im Erdboden versinken.
Letzten endes standen wir vor einem hoch angesehenem Restaurant, bei dem ich mir niemals hätte erträumen können, dass wir uns die feine Kost leisten können. Ein seufzten, das eigentlich alles andere als begeistert klang, drang aus meiner Kehle an die frische Luft und verpuffte in einer kleinen Wolke. Sam öffnete die Tür, lies mir den Vortritt und deutete mit einem Blick hinein. Irgendwie fühlte sich das nicht richtig an aber vielleicht lag es auch einfach nur an dem Anzug, der noch komplett neu und somit sehr unbeweglich an meinem Körper haftete.
Mit vorsichtigen Schritten betrat ich den Raum, gefüllt mit Tischen, Stühlen und einer menge Dekoration. Da es ein amerikanisches Restaurant war, was sehr selten aufzufinden ist, stand in einer Ecke eine kleine Freiheitsstatur aus Plastik, eine Flagge des Landes über einem großen Gruppentisch und reichlich weitere Bilder der Geschichte von Amerika. Staundend stolperte ich durch die Gänge in einen hinteren Raum aber auch nur, weil Sam mich stets in eine Richtung schob wie ein Hirte das bockige Schaf.
"Ein Tisch nur für uns zwei", kam der große Mann zur Sprache und dirigierte mich auf einen der beiden Stühle. Noch immer ganz baff plumpste mein schwerer Körper auf den Stuhl, der ungewohnt gemütlich war. Langsam kam ich zu mir und realisierte das dies kein Traum war. Nur um sicher zu gehen kniff ich mir selber ins Bein, was sofort einen stechenden Schmerz durch meinen Körper ins Gehirn schießen lies. Es wurde alamiert. Ich war eindeutig wach. Dann huschte der Blick durch den kleinen Raum, hübsch eingerichtet für Gäste mit extra viel Geld und dem Willen der Privatsphäre. "Warum sind wir hier alleine?" Irritiert wagte ich Sam einen schiefen Blick zu widmen, während der schwere Kopf auf einer Hand stützte. "Ich möchte nicht gestört werden an so einem wichtigen Tag." Hatte ich etwas verpasst? Einen wichtigen Tag? Ich kann mich an nichts besonderes erinnern. Doch um meinen Gegenüber nicht zu enttäuschen lies ich mir nichts anmerken und nickte nur.
Ich wühlte und wühlte, doch fand ich keine besonderen Ereignisse, die so Nobel gefeiert werden sollten. Es war der 28. Februar, in drei Monaten habe ich geburtstag aber das kann er wohl kaum gemeint haben.
Ein Kellner platzte herein oder ich habe das Klopfen einfach nicht gehört, als Sam ein bestimmendes 'Ja' rief und der fein gekleidete Herr herein stürtzte. Erst zündete er die kleine, weiße Kerze an, rückte die rote Rose zurecht und reichte uns schließlich die Karten. Sofort bestellte Sam einen Chardonnay zum warm werden und der Kellner verschwand nickend. Als ich so über die einzelnen Gerichte der Karte schweifte fielen mir unter anderem die sehr hohen Preise auf, für die ich persönlich nie im Leben aufkommen könnte. So fragte ich mich, wie Sam das machen wollte. Schließlich ist er anfänglicher Schriftsteller, hat noch kein einziges Buch heraus gebracht und arbeitet nebenbei in einer Drogerie. Langsam lugte ich über die Karte. "Wie willst du das bezahlen? Ich könnte mir nicht einmal ein glas Wasser leisten!"
"Mach dir darum keine Sorgen, Sean. Genieße einfach den Abend mit mir."
"Hm.. wie du meinst. Aber wehe wenn ich am Ende doch wieder Teller waschen muss." Schnaufend verschwand ich hinter der, nach Plastik stinkenden, Karte und entschied mich für ein Rumpsteak mit Backkartoffel. Da kam auch schon der Kellner, stellte zwei dicke Gläser auf den Tisch und die Weinflasche gehüllt in ein weißes Leinentuch. Natürlich entfernte er sofort den Korken und goss uns beiden einen Schluck ein. Ich dankte ihm herzlich und nachdem wir unsere Bestellung abgegeben haben lies er uns mal wieder alleine.
Noch immer wunderte ich mich, was genau er zuvor meinte. Ein wichtiger Tag. Grübelnd, in der Annahme das mein Gehirn gleich anfängt zu dampfen, kaute ich auf meiner Unterlippe herum und schaute in das flackernde Licht der kleinen Flamme. "Über was denkst du nach?", fragte Sam aus heiterem Himmel und als hätte er mich bei etwas unanständigem ertappt lief ich rot an und schaute hinab. "Über nichts, die Flamme sah nur so.. schön aus", redete ich mich irgendwie heraus und versuchte nicht vollkommen wie ein Idiot dazustehen. Ein leises Lachen kam von der anderen Seite des Tisches zu mir rüber und drückte mich noch tiefer in den Sitz. Empört schaute ich auf und schob die Brauen zusammen, dass sich gekräuselte Falten bildeten. "Warum lachst du? Das war mein Ernst!", "Auf einen schönen Abend." Der feine Herr versuchte gar nicht erst auf meine Worte einzugehen und streckte mir sein Glas gleichgültig hin, dass ich anstoßen konnte. Verärgert nahm ich das Glas mit teurem Wein zwischen die Finger und stieß mit ihm an. Nachdem ein leises klirren ertönte nippte ich an dem Traubensaft mit Alkohol und anstatt es brav wieder auf den Tisch zu stellen kippte ich mir gleich alles den gierigen Rachen hinab. Noch immer war ich gereizt, dabei ganz ohne Grund. Schließlich redete ich nur schwachsinn.
Ohne zu zögern füllte ich nach, dennoch blieb ich etwas diskreter als ich eigentlich vor hatte und füllte das Gefäß nur zu einem viertel. Denn es könnte jeden Moment der Kellner herein platzen.
Natürlich sollte ich Recht behalten, denn nur eine Sekunde später kam er herein getorkelt mit den Tellern in den Händen voller Essen, das direkt in sein Gesicht dampfte. Respekt an den jungen Herren. Somit dankte ich ihm mit einem breiten Strahlen. Sobald wir wieder alleine waren, ich mir den Rotwein rein pfiff und mich mit Fleisch voll stopfte, bereute ich es überhaupt mit gekommen zu sein. Einerseits bin ich glücklich mit einem sehr guten Freund hier zu sein, den ich doch tatsächlich dachte zu lieben, doch andererseits koche ich vor Wut, da er einfach so mit mir herum spielt und mich überall mit hinschleift ohne mich vorher gefragt zu haben. Doch dann ist da noch dieses schlechte Gewissen. Irgendwas muss ich vergessen haben. Den Grund für dieses Essen und das plagt mich. Alles gleichzeitig und dazu Alkohol ist alles andere als Gesund. Was sich schnell zeigte.
Die Kartoffel war vorzüglich und dennoch schlug mir etwas auf den Magen, sodass ich nicht mehr als zwei Happen hinab bekomme ohne zu würgen. Ich schnitt das blutige Fleisch an, lies es sich mit dem eigenen Saft voll saugen und schob mir das Stück in den Mund. Plötzlich bekam ich das Gefühl einfach zu Lachen, also tat ich es. Leises gekicher drang aus meiner Kehle, während die Spitzen der Gabel noch immer in meine Lippe bohrten. Verzweifeltes gelächter, das Sams Ausdruck zum ersten Mal an diesem Tag außer Fassung brachte. Heiße Tränen liefen mir spürbar über die Wangen, hinterliesen eine brennende Spur. Geschockt über mein eigenes Handeln lies ich die Gabel fallen und hielt die Hand vor den Mund. Warum weine ich gerade jetzt? Verdammt. Ich kann nicht mehr aufhören wenn ich einmal anfange.
Frustriert rutschte ich ein Stück zurück, schaute hinab und hoffte, dass Sam mich nicht so sah. Aber wieso sollte er nicht, er sitzt direkt gegenüber und wird das sicherlich nie vergessen. Ich schämte mich in Grund und Boden, mal wieder. "Entschuldige", schaffte ich nach einer Welle von Atemlosigkeit und Schluchzen zu sagen. "Entschuldige dich nicht. Sag mir lieber was gerade in deinem Kopf vorgeht?" Ein schütteln des Kopfes sollte ihm deutlich machen, dass ich nicht konnte und wollte. Am liebsten würde ich nach Hause wollen.
Sam war stark genug um mich samt Stuhl herum zu drehen, um sich vor meinen zitternden Körper zu knien und mir die Hand vom Mund zu nehmen. Die rauen Fingerspitzen tasteten meine Wangen ab, endeten im Haar und dirigierten mein Antlitz mal wieder in die Höh. Mit roten Augen und verschwommener Sicht schaute ich zu dem starken Mann vor mir, der immer wieder eine Lösung parat hatte, nie seine Schwächen zeigte. Bis auf vor mir, ich war sicherlich der Einzige der all seine Schwächen kannte und ihn schon am Boden gesehen hatte. Doch das sind Geschichten an die ich nun nicht denken mochte.
Wie er mich betätschelte, nein mich berührte. Dieses vertraute Gefühl beruhigte mein schnell rasendes Herz und sobald ich durch die nasse Sicht erkannte, wie Sam näher kam stoppten die Tränen. Dieses mal wich er nicht zurück und lachte mich aus. Weiche Lippen streichelten die Meine, sie verschmolzen mit einander. Ich schloss die Augen und spürte wie mein Körper sich sofort entspannte, es fühlte sich an als könnte ich fliegen und dennoch rührte ich mich kein einziges Stück. Da schoss es mir wieder durch den Kopf, nun wusste ich wieder warum er all diesen Rummel veranstaltete.
Tag der Veröffentlichung: 02.06.2013
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