Es war einmal vor langer Zeit, in einem fernen Land ein König, der eine wunderschöne Tochter hatte. Als die Tochter das heiratsfähige Alter erreichte, ließ der König Prinzen in sein Reich kommen, damit seine Tochter sich einen aussuchen konnte. Doch entweder mochte die Prinzessin den Bewerber nicht oder der König fand ihn nicht gut genug für seine Tochter.
So kam es, dass plötzlich keine Bewerber mehr da waren und die Königstochter trotzdem keinen Mann hatte. Wenigstens keinen, von dem der König wusste, denn die Prinzessin hatte sich bereits für einen entschieden und ihm ihr Herz geschenkt.
Da ließ der König eine Fee in sein Reich kommen, die ihm helfen sollte. Die Fee braute einen Schlaftrank für die Königstochter. Diesen Trank gab sie in einen wunderschönen, gold-roten Granatapfel und ließ die Prinzessin davon kosten. Kaum hatte die ersten Kerne des Granatapfels die Zunge der Prinzessin berührt, fiel sie in einen tiefen Schlaf. Der König bettete sie auf Rosen in ihr Zimmer und verschloss die Tür. Dann verließ er das Schloss und die Fee versiegelte es mit einem Schutzzauber. Die Prinzessin sollte so lange schlafen, bis der Richtige sie fand und aufweckte. Vor Trauer um den Verlust der Prinzessin starb der Mann, der ihr Herz geschenkt bekommen hatte. Nun kam es jedoch, dass die Prinzessin fast 300 Jahre schlief und langsam in Vergessenheit geriet, da viele Männer, die noch von ihr wussten, bei dem Versuch starben sie zu erwecken.
Eines schönen Tages, im Jahre 2025, bekam ein junger Mann von seinem Großvater eine Geschichte erzählt. Er erzählte ihm von einer Prinzessin, die so hübsch war, dass ihr Vater keinen passenden Mann für sie fand. Er legte sie in einen tiefen Schlaf, damit der Richtige sie irgendwann erwecken konnte.
„Ist diese Geschichte wahr?“ fragte der junge Mann, nachdem sein Großvater geendet hatte. „Viele denken ja“, antwortete der Großvater.
Als der junge Mann an diesem Abend nach Hause fuhr, musste er ständig an die Worte des alten Mannes denken. Doch selbst, wenn diese Geschichte wahr sein sollte, wo sollte der junge Mann dann anfangen zu suchen? Schlösser gab es keine mehr auf dieser Welt. Vielleicht war es einfach zusammen mit der Prinzessin abgerissen worden?
Der junge Mann beschloss in eine Bibliothek zu gehen und nachzusehen, ob dort etwas über das geheimnisumwobene Schloss stand. Tagelang blätterte er in jedem Sagen und Märchenbuch, wälzte Geschichtsbücher und verglich Karten miteinander und schließlich fand er etwas. In einem Buch über Sagen fand er die Geschichte der Prinzessin und auch, wo das Schloss gestanden hatte. Sofort machte er sich auf den Weg.
Doch wo das Schloss laut Karte stehen sollte, erstreckte sich nur eine weite Sumpflandschaft. Doch anstatt den Mut zu verlieren, lief der junge Mann durch den Sumpf auf der Suche nach Hinweisen. Er fand in einer kleinen Höhle einen gold-roten Granatapfel, den er sofort an sich nehmen wollte. Doch kaum hatte er ihn hochgehoben, bebte die Erde und ein wunderschönes, hellblaues Schloss erhob sich aus dem Sumpf. Das musste einfach das Schloss sein, in dem die Prinzessin schlief. Sofort betrat der junge Mann das Schloss. Drinnen war es mit den schönsten Edelsteinen geschmückt. Eine riesige, hellblaue, mit Diamanten verzierte Treppe führte in den ersten Stock. Bestimmt sind die Gemächer der Prinzessin oben, dachte der junge Mann und stieg die Treppe hinauf. Er durchsuchte die einzelnen Zimmer und im letzten, das verschlossen war, lag die Prinzessin, wie er beim durchsehen des Schlüsselloches bemerkte. Doch er bekam die Tür nicht auf und es gab auch keine Gegenstände, mit denen er sie hätte zerschlagen können. Also lief er die Treppe wieder hinunter und sah sich unten um. In einem der Zimmer fand er eine Axt. Er nahm sie an sich und öffnete damit die Tür der Prinzessin. Die Prinzessin war so schön, wie der Großvater sie beschrieben hatte. Sie hatte helle, fast weiße Haut und wunderschönes, langes, pechschwarzes Haar. Der junge Mann lief auf sie zu, doch bevor er ihr Rosenbett erreichte, erschien ein Tiger und stellte sich zähnefletschend vor ihn. Anstatt die Axt zu benutzen, floh der Mann vor dem Tiger. Er verließ das Schloss und rettete sich in die Sümpfe.
Dort lief er verzweifelt auf und ab.
Er musste die Prinzessin haben, sonst würde er seines Lebens nicht mehr froh werden. Als er so vor sich hin grübelte, wie er den Tiger loswerden konnte, bemerkte er plötzlich eine Fee, die hinter einem Baum stand und ihn ansah. „Wer bist denn du?“ fragte der junge Mann die Fee. „Geh nicht wieder hinein“, sagte die Fee. Verständnislos sah der junge Mann sie an. „Ich warne dich. Willst du so enden wie die vor dir?“ fragte die Fee. „Ich muss sie aber haben!“ antwortete der junge Mann. „Wenn ich dich nicht aufhalten kann, dann lass mich dir wenigstens helfen!“ sagte die Fee und gab ihm ein kleines Beutelchen. Bevor er noch etwas sagen konnte, drehte sie sich herum und war verschwunden.
Der junge Mann stieg wieder zum Zimmer der Prinzessin hinauf und spähte vorsichtig hinein. Der Tiger war noch da. Der Mann öffnete das Beutelchen und erkannte, dass es voller Sand war. Bevor er überlegen konnte, wofür er den Sand verwenden sollte, stürzte der Tiger auf ihn zu. Ohne nachzudenken, streute der Mann dem Tiger den Sand in die Augen. Dieser sah nichts mehr, stürmte aus dem Zimmer und kippte über das Geländer. Der junge Mann lief zu seiner Prinzessin, beugte sich über sie und küsste sie.
Kaum hatte die Prinzessin die Augen aufgeschlagen, sah sie sich um und fragte: „Wo ist der Tiger?“ „Keine Angst, ich habe ihn getötet“, sagte der junge Mann. „Angst?“ fragte die Prinzessin, „ich habe keine Angst, er hat mich beschützt.“ Verständnislos sah der Mann sie an. Die Prinzessin blickte ihn an, nahm einen Dolch, der neben ihr lag und tötete den jungen Mann. Nachdem er zusammen gesunken war, betrat die Fee das Zimmer. „War auch das der Falsche?“ fragte sie. „Ja“, sagte die Prinzessin, „warum hast du ihm geholfen?“ „Er sah so nett aus“, sagte die Fee. Dann nahm sie den Granatapfel aus der Tasche des Mannes, zauberte einen neuen Tiger, nahm den Mann auf die Schultern und verließ das Schloss. Die Prinzessin aß von dem Granatapfel und fiel erneut in einen tiefen Schlaf.
Draußen vergrub die Fee den jungen Mann und platzierte einen neuen Granatapfel an diesem Platz. „Arme Prinzessin“, sagte die Fee zu sich selbst, „sie hat ihr Herz schon so lange jemand gegeben und niemand kann es ihr zurück geben.“ Dann verschwand sie zwischen den Bäumen, während das Schloss wieder im Sumpf versank.
Ende
Tag der Veröffentlichung: 24.07.2009
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