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Silberfarbener Schimmer tanzte die Schneide des schlanken Elfenschwertes herab, als sie wild aus ihrer Scheide gerissen wurde. "Verzeiht," sprach die blaßhäutige Schönheit von zwei Metern Höhe. "aber Ihr könnt nicht passieren! Es ist undenkbar, Euch in mein Dorf einzulassen." Der eisige Blick ihrer tiefblauen Augen verlieh ihrer Aussage die nötige Härte. Beim Anblick des Schwertes schlich sich ein Lächeln auf die Lippen des halbwüchsigen Kriegers. Ein schweres Kettenhemd umhüllte das breite Kreuz des Zwergen, oder Angroschim, wie sein Volk sich selbst nannte. Sein langer schwarzer Vollbart war ebenso wie sein Haupthaar zu unzähligen Zöpfen geflochten, die er sich hinter den Gürtel geschoben hatte. Er hob seine für ihn schulterhohe zweischneidige Streitaxt auf seine Schulter und ließ sie gegen seinen eisernen Halbhelm schlagen, aus dessen Stirnseite ein gekrümmtes weißes Horn ragte. "Euer Dorf befindet sich in großer Gefahr."
"Was interessiert Euch das, Boroborinoi!" erwiderte die junge Elfe. Der Blick des Angroschim verfinsterte sich. "Euer engstirniger Zorn gegen mein Volk spielt hier keine Rolle! Es verlangt rasch nach Taten! Die Orkhorde wird in den nächsten Tagen diesen Wald erreichen und dann mögen die Götter euch beistehen."
Die Elfe schien unbeeindruckt. Sie musterte den Zwergen und fragte sich, ob er das elfische Schimpfwort, das 'kleiner Bartmurmler' bedeutete, verstanden hatte oder einfach erraten hatte, daß sie ihn beleidigt hatte. "Warum sollte ich Euch glauben? Was für ein Interesse habt Ihr am Überleben meines Stammes?"
Ungeduldig ließ der Zwerg seine Axt niederschnellen, woraufhin die Elfe zusammenzuckte. Sie war nicht so ruhig, wie sie sich gab, bemerkte der Zwerg lächelnd. Er tat einen Schritt auf sie zu, bis die Spitze des Elfenschwertes seine Brust berührte. "Ich hege keinen Gram gegen das elfische Volk. Außerdem befindet sich mein Gefährte in der Gefangenschaft der Orks. Wenn es zu einem Kampf kommt, werde ich euch eine nützliche Hilfe sein. Jeder Krieger zählt!"
Einen Moment starrte die Elfe ihrem Gegenüber in die Augen. "Feysala?"
"Feysala! Ja, ich bin euer Freund." bestätigte der Zwerg und entspannte sich innerlich.
Die Elfe schob ihr Schwert in die Scheide zurück und wandte sich um. "Folgt mir!" sagte sie kurz und schritt voran.
Endlich war Alberix Axtschwinger, der Zwerg aus dem fernen Amboßgebirge, der Rettung seines menschlichen Kumpans Conner Mc'Leod näher gekommen.

Aufgrund der nicht enden wollenden Diskussionen über Alberix' Glaubwürdigkeit waren die Stellungen kaum zur Hälfte ausgehoben, als die Späher die nahenden Orks meldeten. 300 bis 350 Orks, etwa 50 Goblins und ein Dutzend kahlrasierter vier Meter hoher Trolle bildeten die tobende Horde, die sich im Dauerlauf schnell näherte. Das Elfendorf hatte rund 100 Kämpfer hervorbringen können, alle mit Bögen und Schwertern bewaffnet. Die taktischen Ratschläge des Zwergen waren unbeachtet geblieben, ebenso wie seine Bitte nach einem Kommando über eine Handvoll Krieger. Nur die junge Elfenkriegerin Mara Del Gado, die ihn in das Dorf geführt hatte, war bei ihm, und während sie damit beschäftigt war, ihren Bogen zu bespannen und ihre Klinge zu schärfen, beendete Alberix die letzten Kontrollen seiner im Wald verstreuten Fallen, die er in den letzten zwei Tagen eingerichtet hatte. Immer wieder schüttelte er den Kopf beim Gedanken an die unausgereiften elfischen Schlachtpläne. Dennoch war sein Herz voller Hoffnung. Wenn Conner noch am Leben war, würde er ihn befreien, um jeden Preis.
"Sie kommen." Sagte die Elfe ruhig und verbarg sich im Schatten eines umgestürzten Baumes. Sie hatte ein gutes Dutzend Pfeile vor sich in den Boden gerammt und ihr Schwert auf den Rücken geschnallt, damit es ihr beim Laufen nicht zwischen die Beine geriet.
Alberix hatte nichts gehört, doch er kannte die elfischen Sinne. Es würde noch ein Weilchen dauern, bis er sie hören könnte. Auch er begab sich hinter den Baumstamm und spannte seine beiden schweren Armbrüste. "Bleibt dicht bei mir und ihr geratet nicht in meine Fallen." Flüsterte er.
"Ich hoffe nur, daß ihr nicht fallt." Sagte Mara und als sie Alberix' überraschten Blick sah, fügte sie rasch hinzu: "Allein würde ich wohl kaum Euren Fallgruben entkommen!"
Doch Alberix lächelte bereits. Seine Freude verging schnell, als er die Orks hörte, einige Trolle mußten bei ihnen sein.
Das seltene Kriegerpaar wartete im Verborgenen ab, wobei sich ihre Blicke trafen. Vielleicht würden sie beide das Leben verlieren und erlebten gerade ihren letzten Augenblick des Friedens. Ihre Schicksale waren miteinander verschmolzen.
Dann zischten Pfeilschwärme durch den Wald und orkisches Gekreische erfüllte die Luft.
"Zu früh!" schrie Alberix und erhob sich aus der Deckung mit den Armbrüsten im Anschlag. Er erkannte drei verwirrte Trolle und drei oder vier Dutzend Orks und Goblins nur wenige Schritte vor sich. Alberix schickte die Bolzen auf ihren unaufhaltbaren Flug und sie schlugen krachend in die Brust des nächsten Trolles in nur sieben Schritt Entfernung.
Kurz darauf entließ Mara ihre Pfeile. Zwei trafen den bereits verwundeten Troll, welcher daraufhin brüllend zusammensackte, und zwei weitere Pfeile durchbohrten einen Ork. Verwirrtes Chaos ergriff die Horde und Alberix schmetterte zwei Orks nieder, bevor er die Flucht antrat.
Langsam begriffen die Eindringlinge das Geschehen und gingen zum Angriff über, als bereits hundert von ihnen tot dalagen.
Mara verschoß ihren letzten Pfeil und eilte hinter Alberix her, gefolgt von gut vierzig Orks und zwei Trollen, die nach Rache für ihren toten Kameraden sannen.
Im Lauf hieb Alberix nach einem Tau, das senkrecht an einem Baumstamm gespannt war, und zwei große Netze fielen aus den Ästen auf die Verfolger herab. Schreiend stürzten einige Orks und verhedderten sich unrettbar, sie waren nicht gerade wegen ihrer Intelligenz berüchtigt.
Doch die beiden Trolle kamen erschreckend schnell näher.
Alberix wechselte die Richtung und bremste abrupt ab. Überrascht zückte Mara ihr Schwert und hätte den Zwergen beinahe überlaufen.
"Was?" schrie sie, doch die Trolle waren bereits heran.
Alberix warf einen großen Dolch und durchtrennte ein Seil zwischen zwei Bäumen. "Ducken!" rief er Mara zu und beide warfen sich zu Boden. Ein zwei Mannslängen großer Baumstamm, aus dessen Rinde unzählige Spitzen ragten, schwang waagerecht über sie hinweg und krachte in die beiden Trolle, die nur vier Schritt hinter ihnen waren. Mit zerschmetterten Beinen stürzten die Verfolger zu Boden und würden sicherlich binnen weniger Minuten verblutet sein.
"Unglaublich!" stöhnte Mara, doch Alberix war schon wieder auf den Beinen und lief einem Hügel entgegen. Langsam ging der Elfe die Puste aus. Immer noch waren ihnen über dreißig Orks auf den Fersen, und sie waren für ihre enorme Ausdauer bekannt, sie holten schnell auf. Bald würden sie sich ihren Verfolgern stellen müssen. Vielleicht hatte der Zwerg ihre Erschöpfung bemerkt, vielleicht näherten sie sich auch der nächsten Falle, er wurde langsamer. Plötzlich stach Mara der Geruch von Brandöl in die Nase, und sie lächelte. Doch ihre Freude verblaßte schnell wieder, als sie erkannte, daß auch die Orks das Öl riechen würden. "Alberix!" rief sie, doch der sprang bereits hinter zwei Findlinge. Sie folgte ihm.
Abrupt stoppten die vorderen Reihen der Horde, sie hatten es gerochen!
Mara warf Alberix einen ängstlichen Blick zu, doch der grinste breit. Während die vorderen Reihen stoppten drängten die hinteren weiter und verursachten somit deren Sturz. Panik machte sich breit.
Alberix hob ein Wurfbeil vom Boden und schleuderte es gegen den nächsten Baum, wo es ein straffes Seil zerhieb. Ein Dutzend Fässer stürzten aus den Baumkronen und zerbrachen beim Aufprall, ihren Inhalt über die Orks verspritzend. Bevor diese reagierten, hatte der Zwerg flink eine Fackel entzündet und beendete die Verfolgungsjagd mit einem höllischen Inferno. Einige Orks entkamen den Flammen, doch Maras Klinge und Alberix' Axt setzten ihrer Glückssträhne ein jähes Ende.
"Zwei gegen fünfzig, wahrhaft unglaublich dein Geschick mit den Fallen, Alberix." Keuchte Mara vor Erschöpfung.
"Zusammen sind wir unschlagbar!" rief Alberix, der so ermattet war, daß er kaum noch stehen konnte. "Sehen wir nach, wie die Hauptschlacht verlaufen ist, und dann werde ich Mc'Leod befreien. Auch, wenn es das Letzte ist, was ich tue." Der Zwerg stapfte entschlossen voran.
Dieser Mc’Leod konnte sich glücklich schätzen, einen solchen Verbündeten zu haben, dachte sich Mara und folgte ihm. "Wir müssen Hilfe holen, um den Brand zu löschen, er könnte sich ausbreiten."
"Unwahrscheinlich." Stieß Alberix hervor. "Ich habe den Ort extra so gewählt, daß das nicht geschieht.
"Gut!" sagte die Elfe knapp und lächelte. Alberix war nicht wie die Zwerge, von denen die elfischen Schauergeschichten berichteten.
Sie kamen zurück an den Ort, wo sich einige Orks in den Netzen verfangen hatten und der Zwerg lachte beim Anblick der sich gegenseitig zu Tode zerquetschten Leichen. Er fand seine Armbrüste, spannte sie und lud zwei neue Bolzen. Dann eilten die beiden Krieger ins Dorf.

Tränen standen Mara im Gesicht, als sie die brennenden Hütten sah. Überall lagen aufgeschlitzte Elfen, auch Kinder, und einige Orks befriedigten ihre Gelüste an den Gefallenen. Während sich die junge Elfe übergab, freute sich Alberix beim Anblick der beiden Planwagen, die neben der größten unbeschädigten Hütte des Dorfes standen. Mc'Leod befand sich darin, das wußte der Zwerg.
Von ihrem Versteck aus zählten die beiden Kämpfer rund 100 Orks und drei Trolle, die immer noch wütend durch das Dorf zogen, begleitet vom gelegentlichen Aufschreien ihrer Opfer.
"Dort müssen sie ihr Lager bezogen haben." Entschied Alberix und wies auf die große Hütte. "Ich werde mich zu den Planwagen schleichen. Du mußt mir Deckung geben." Und schon kroch er durch die Büsche davon.
Mara suchte verzweifelt nach einem Zauberspruch, der helfen könnte, doch hatte nie viel für ihre arkane Intuition übrig gehabt, hatte sich voll und ganz dem Schwertkampf hingegeben. Plötzliche Freude huschte über ihr Gesicht, als ihr endlich ein Spruch einfiel. Schnell sprang sie auf eine ihr altbekannte Baumgruppe zu und sammelte zwei Hände voll Zapfen. Sie erinnerte sich gut an die Spielchen ihrer Kindheit, und zurück am Dorfplatz murmelte sie die Worte: "Haselbusch und Ginsterkraut gehorchen meiner Stimme Laut!" Sie sich als Ziel einen Troll, der gerade aus einer Hütte kam und warf ihre Zapfen. Als die Geschosse aufprallten, gehorchten sie Maras stummem Befehl und schleuderten ihre Samen laut explodierend in alle Richtungen.
Brüllend sprang der Troll zurück, griff sich den nächstbesten Ork und schlug ihn mehrere Mal gegen einen Baum, bis er die schlaffen blutüberströmten Überreste zu Boden warf. Sofort stürmte eine Meute Orks auf den Troll ein, ihren Kameraden zu rächen, und ein wilder Kampf entflammte. Nur ein Wesen erfreute sich daran, hinter einem Busch.
Conner Mc'Leods geschundener Körper lag wie ein Häufchen Elend gefesselt und geknebelt auf dem Boden des Planwagens. Eigentlich war es unnötig, ihn zu fesseln, denn er war weder in der Lage zu laufen, noch zu sprechen. Der einst mächtige dunkelhäutige Wüstenkrieger war blaß und abgemagert. Von der adligen Eleganz fehlte jede Spur, die blutverkrustete Kleidung hing in Fetzen an ihm herab, war sie doch einst teurer als Alberix' Kettenhemd gewesen. Und die schwarze Haarpracht war verbrannt und verfilzt.
"Mc'Leod!" stieß der Zwerg seinen Gefährten an, der ihm so oft das Leben gerettet hatte.
Langsam drehte sich der Kopf des Gefangenen und leere Augen starrten den Neuankömmling an. Sofort begann Alberix, die Fesseln zu lösen und entfernte schließlich den Knebel, der von verkrustetem Blut steinhart war. Immer noch war in Mc'Leods Blick kein Anzeichen des Erkennens zu sehen, doch wenigstens wehrte er sich nicht, falls er dazu überhaupt in der Lage war. Der Zwerg stemmte sich den erschreckend leichten Südländer auf seine Schultern und verließ den Planwagen.
Ein Kampf lenkte die Aufmerksamkeit der Horde auf sich und so verschwand Alberix im nächsten Gebüsch. Mara erwartete ihn bereits und nahm ihm seine Axt ab, um seine Last zu verringern.
"Eine gute Stunde von hier gibt es eine verlassene Bärenhöhle, die gut getarnt ist." Flüsterte die Elfe, als sie die Führung übernahm.

Schweißgebadet erreichte der schnaufende Zwerg hinter Mara die Höhle, vor der er Mc'Leod sanft ablegte, bevor er selbst zusammenbrach. Die Elfe zog die beiden in das feuchte Innere und begann damit, den Eingang zu tarnen. Dann ging sie mit ihrem Bogen auf die Jagd.

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Tag der Veröffentlichung: 08.10.2011

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