Am Anfang war die Schrift. Lange bevor Vincent van Gogh den späten Entschluss fasste, bildender Künstler zu werden, schuf er in seinen Briefen literarische Bilder: Mal sind es Landschaften, die er lebendig vor Augen führt, mal Kunstwerke, mit denen er sich auseinandersetzt. Schreiben und Zeichnen waren für ihn eng verknüpft - wie er denn überhaupt empfand, dass Bücher und Wirklichkeit und Kunst auf dasselbe hinausliefen. In einem der allerletzten Briefe an den Bruder Theo berichtet van Gogh von drei Bildern, „ungeheure, ausgestreckte Felder unter wolkigem Himmel“, in denen er seine „ganze Traurigkeit“ und „äußerste Einsamkeit“ artikulieren wollte. Diese Leinwände sagten, was er in Worten nicht auszudrücken vermöge.
... es folgen die Briefe aus alten Zeiten
Nach einem Treffen mit Seneca geschrieben von Helga
Lucius Annaeus Seneca, genannt Seneca der Jüngere (* etwa im Jahre 1 in Corduba; † 65 n. Chr. in der Nähe Roms),
(so oder ähnlich hat sich Seneca geäußert)
Liebe Helga,
in meinem hohen Alter dauert es einige Jahrhunderte, bis ich einen Brief zuwege bringe.
Seit Sokrates sich das Leben nahm, fühle ich mich einsam in Athen. Wir hätten ihm alle zur Flucht verholfen. Aber er zog den Giftbecher vor. Du fragst, ob Philosophen denn arm sein müssen? Sokrates jedenfalls interessierte sich nicht für Geld. Platon dagegen hätte den Philosophen am Liebsten die politischen Ämter anvertraut. Aber ich fürchte, er hätte nichts bewirkt. Politik verdirbt den Charakter. Denken und Handeln sollte auf zwei Köpfe verteilt sein. Darüber bin ich schon oft mit Platon in die Haare geraten.
Wie schon gesagt, das Leben in Athen gefällt mir nicht mehr. Auf dem Marktplatz vermisse nicht nur ich Sokrates.
Die Stadt hat sich mit seiner Verurteilung keinen Gefallen getan.
Die große Zeit ist vorbei.
Ich habe vor, nach Rom zu ziehen. Dort liegt die Zukunft.
Kalimera
Conrad
Für Sissi
Texte: Briefe von Conrad, Helga, Clara, Klärchen , Sissi und Dora
Tag der Veröffentlichung: 12.02.2012
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