Ein Philosoph äußert sich zur Hässlichkeit
Konfuzius und der häßliche Mensch
Im Staate Lu lebte ein Mann mit Namen Herr des Buckels (Wang Tai), der nur Ein Bein hatte. Die Schüler, die ihm nachfolgten, waren ungefähr ebenso zahlreich wie die Kung Dsï's.
Da befragte einst Tschang Gi den Kung Dsï und sprach: »Der Herr des Buckels ist ein Krüppel, und doch sind seine Schüler so zahlreich, daß ihm die eine Hälfte der Leute von Lu zufällt, wie Euch die andere. Er ist mit ihnen zusammen, ohne sie zu belehren oder mit ihnen zu reden, und doch geht keiner von ihm weg, ohne reichen Gewinn davonzutragen. Gibt es denn wirklich eine Belehrung ohne Worte, eine unsichtbare Beeinflussung des Inneren? Zu welcher Art von Menschen gehört der Mann?«
Kung Dsï sprach: »Jener Meister ist ein Berufener. Ich habe es mir gerade vorgenommen und bin nur noch nicht dazugekommen, ihn zu meinem Lehrer zu machen. Wieviel mehr sollten die es tun, die noch nicht einmal so weit sind wie ich! Die ganze Welt möchte ich ihm zur Nachfolge zuführen.«
Tschang Gi sprach: »Jener ist ein Krüppel und ist selbst Euch über, Meister; wie weit muß er da erst den gewöhnlichen Menschen voran sein. Welche Gesinnung muß einer haben, um es dazu bringen zu können?«
Kung Dsï sprach: »Leben und Tod sind wohl wichtige Dinge, und doch können sie ihm nichts anhaben. Wenn Himmel und Erde zusammenstürzen würden, so brächte auch das ihm keinen Verlust. Er hat die unmittelbare Erkenntnis gewonnen und kann daher nicht mehr durch die Erscheinungen fortgerissen werden. Er beherrscht der Dinge Wandel, denn er besitzt ihren Urborn.«
Tschang Gi sprach: »Was heißt das?«
Kung Dsï sprach: »Vom Standpunkt der Sonderung betrachtet, gibt es Einzeldinge wie Leber und Galle, wie das Reich Tschu und das Reich Yüo; vom Standpunkt der Gemeinsamkeit betrachtet sind alle Wesen Eins. Wer es so weit gebracht hat, der ist in seiner Erkenntnis nicht mehr angewiesen auf die besonderen Sinneseindrücke von Auge und Ohr, sondern sein Herz wandelt dort, wo das LEBEN Einklang der Dinge schafft. Er sieht die große Einheit und sieht hinweg über die Unvollkommenheit. So betrachtet jener Mann den Verlust seines Fußes, als hätte er einfach ein Stück Erde zurückgelassen.«
Tschang Gi sprach: »Jener Mensch arbeitet nur an sich selbst; aus seiner Erkenntnis gewinnt er seine Gesinnung; aus seiner Gesinnung gewinnt er die Beständigkeit seiner Stimmung. Wie kommt es nun, daß auch die andern so viel von ihm halten?«
Kung Dsï sprach: »Der Mensch besieht sein Spiegelbild nicht im fließenden Wasser, sondern im stillen Wasser. Nur Stille kann alle Stille stillen.
Auserwählte der Erde sind Kiefern und Zypressen, darum sind sie allein im Winter wie im Sommer grün. Ein Auserwählter des Himmels war Schun, der Vollkommene; er hatte das Glück, durch Vervollkommnung seines Lebens das Leben aller anderen vervollkommnen zu können. Die Bewahrung dieser uranfänglichen Vollkommenheit zeigt sich in ihren Früchten als Furchtlosigkeit. Ein einziger tapferer Held vermag es, einzudringen in neun feindliche Heere; das Streben nach Ruhm ist ihm der Ansporn zu solcher Tat. Wie erst wird ein solcher sein, der die Welt beherrscht und die ganze Natur in sich beherbergt! Der weilt als Gast in seinem Leib, und was Augen und Ohren ihm bieten, ist ihm ein Gleichnis. Die Einheit ist die Erkenntnis, die er besitzt und die seinen Geist unsterblich macht. Er wählt sich seine Zeit, wann er von hinnen fahren will. Die Menschen laufen ihm zu, aber wie sollte er gewillt sein, die Beschäftigung mit der Welt als seine Sache anzusehen!«
Diskussion über die Ästhetik der Hässlichkeit
http://de.wikipedia.org/wiki/H%C3%A4sslichkeit
„Hässlichkeit ist ein wertender Begriff für ein als abstoßend angesehenes Merkmal, welches sich bei Personen auf Aussehen und Charakter, aber auch auf Kunstwerke und Gegenstände beziehen kann. Sie wird durch das subjektive Empfinden einer Person, Kultur bzw. durch eine Zeitepoche definiert und ist das Gegenteil von Schönheit. Hässliches wird auch als eklig, widerlich oder unschön bezeichnet.“
Quentin Massys (1456/1466–1530) Die hässliche Herzogin
Beschreibung:
In der Londoner National Gallery am Trafalgar Square kann im Raum No.5 Die Hässliche Herzogin - The Ugly Duchess - Eine groteske alte Frau - bewundert werden. Es handelt sich hierbei um ein Gemälde des flämischen Malers Quentin Massys etwa aus dem Jahre 1513. Manche Fachleute sehen in diesem Bild nicht nur eine Karikatur, sondern auch ein Porträt von Margarete Maultasch, Gräfin von Tirol.
Es gibt auch einen Roman von Feuchtwanger "Die hässliche Herzogin"
Margarete, die Tochter von Herzog Heinrich VI. von Kärnten und Tirol, der zeitweise auch der König von Böhmen war, wurde 1330 im Alter von 12 Jahren mit dem zwei Jahre jüngeren Prinzen Johann Heinrich vermählt. Sie ist klug und wird zu einer wichtigen Figur in der europäischen Geschichte. Sie ist sicher in ihren Handlungen und zwingt selbst ihren Gegnern einiges an Achtung ab.
Ihr einziges Manko ist ihre groteske Hässlichkeit, die ihr den Namen "Maultasch" einbringt. Dieses Aussehen liegt wie ein dunkler, böser Schatten auf ihrem Leben und macht sie zum Gespött der Menschen. Im Kampf gegen ihr so abstoßendes Gesicht versucht Margarete trotzdem Anerkennung, Macht und vielleicht sogar Liebe zu erlangen.
Wir hatten das Thema schon einmal angedacht und wollten es später wieder aufgreifen.
In der Kunst und im Leben berührt uns immer wieder die Unterscheidung, die so schnell getroffen wird. Aber das ist es nicht allein, man neigt dazu damit auch eine tiefergehende Wertung zu verbinden: schön = gut
hässlich = böse
Was ist richtig? Können wir heute besser mit augenscheinlich hässlichen Menschen umgehen?
Erstellt: am 11.09.2011 um 13:57:03
Von: concortin
Ob wir einen Menschen als schön oder häßlich...
Ob wir einen Menschen als schön oder häßlich empfinden, hängt anscheinend mit angeborenem Wahrnehmungsschema zusammen, wie beispielsweise das Kindchenschema zeigt.
Es handelt sich bei dem Maultasch-Bild um traditionelle Malerei, die um genaue Abbildung bemüht ist. Ein moderner Maler würde das "Verborgene", das "Wesen" der Person in die "Lichtung" bringen.
Erstellt: am 12.09.2011 um 08:42:35
Von: clara.c.
Das "Verborgene" und das "Wesen".
Wahrscheinlich würde dieses Bild, gemalt von einem modernen Maler ganz anders wahrgenommen, ja ich würde sagen, positiver und vielleicht sogar schön und interessant gesehen werden. Ich wäre neugierig, wie dieses Maultasch-Bild von einem modernen Maler mit schwungvollem Pinselstrich dargestellt würde.
Erstellt: am 12.09.2011 um 09:12:01
Von: helgas.
Die Expressionisten malen "hässliche Menschen". Sie können abstoßen aber auch unser Herz erwärmen.
Die hässliche Herzogin hat gute Augen, finde ich. Sie wirkt trotz ihrer Hässlichkeit nicht furchterregend.
meint Helga
Klärchen
Äußerlichkeiten
sollten keine Rolle spielen,...spielen sie aber!
Das ist der Kern dieses Buches. Wie sehr sind wir Menschen auf Äußerlichkeiten fixiert, auch im stinknormalen Alltag. Wie oft wird gelästert über das Aussehen, ausgegrenzt?
Das Gesicht passt mir nicht! Wer schaut sich schon den gesamten Menschen an, hört, was er zusagen hat.
Hässlichkeit weckt negative Empfindungen, Schönheit Positives.
Wer hinter die Kulissen schaut, sieht auch die Intelligenz und Schönheit im Hässlichen. In der Schönheit wird Intelligenz vorausgesetzt, oft ist es umgekehrt.
Der Inhalt des Buches schreit ja nach einer Fortsetzung.
Warum?
Man möchte doch wissen und wünschen, dass auch Hässlichkeit in unserer Gesellschaft einen Platz hat, ganz normal.
sagt Klärchen.
Erstellt: am 12.09.2011 um 12:33:02
Helga
Man wünscht sich das. Doch der Hässliche hat es ungleich schwerer, vermutlich war das schon zu allen Zeiten so. Von ihm wird sofort eine Leistung abverlangt, die ein schöner Mensch, wenn es ein wenig gerecht zugeht, erst später auch erbringen muss ... manchmal sogar nie.
Ich frage Euch, warum muss man z.B. bei der Bewerbung ein Bild von sich mit einreichen?
Zum Glück gibt es, was die Schönheit oder das gute Aussehen anbetrifft unterschiedliche Auffassungen und dennoch ...hätte heute ein Quasimodo bessere Chancen?
Wer hinter die Kulissen schaut, sieht auch die Intelligenz und Schönheit im Hässlichen.
das finde ich sehr gut gesagt.
Erstellt: am 13.09.2011 um 12:24:27
Letzte Änderung: am 13.09.2011 um 12:26:59
Von: klaerchen
Ich frage Euch, warum muss man z.B. bei...
der Bewerbung ein Bild von sich mit einreichen?
Der erste Eindruck ist entscheidend, obwohl er oft täuscht, zumindest kommt ein Bewerber mit nettem Aussehen sicher näher in Betracht.
Zum Glück gibt es, was die Schönheit oder das gute Aussehen anbetrifft unterschiedliche Auffassungen
Inteligenz, Wissen, Klugheit, steht nicht im Gesicht geschrieben.
Also ist es doch das Äußere von dem wir uns blenden lassen allgemein.
Es muss näher geprüft werden.
Erstellt: am 13.09.2011 um 20:51:32
Von: clara.c.
Wir haben hier bisher nur vom "Häßlichen" beim Menschen gesprochen. Gibt es nicht auch andere häßliche künstlerische Objekte oder Kunstwerke, die man als häßlich empfindet?
Ich denke an Sagrada Familia.
In der Tierwelt finde ich z.B. Faltenhunde potthäßlich.
Erstellt: am 13.09.2011 um 21:31:20
Von: helgas.
Da bin ich völlig Deiner Meinung, Clara
Die Sagrada Família (vollständige katalanische Bezeichnung: Temple Expiatori de la Sagrada Família; deutsch Sühnekirche der Heiligen Familie) ist eine römisch-katholische Basilika in Barcelona. Der Bau der von Antoni Gaudí im neukatalanischen Stil entworfenen Kirche ist bis heute unvollendet. Er wurde 1882 begonnen und soll nach jüngsten Prognosen 2026 abgeschlossen sein.
Im Jahr 2005 nahm die UNESCO die Geburtsfassade, die Apsisfassade und die Krypta der Sagrada Família als Erweiterung des Weltkulturerbedenkmals Arbeiten von Antoni Gaudí in ihre Liste des Weltkulturerbes auf. Am 7. November 2010 weihte Papst Benedikt XVI. die Kirche und erhob sie zugleich zur päpstlichen Basilica minor.
Das Gotteshaus liegt nördlich der Altstadt im Stadtteil Eixample. In diesem schachbrettartig angelegten Viertel nimmt sie zusammen mit der Baustelle einen ganzen, 17.822,25 Quadratmeter großen Straßenblock ein. Dieser grenzt im Süden an die Carrer de Mallorca, im Norden an die Carrer de Provença, im Westen an die Carrer de Sardenya und im Osten an die Carrer de Marina.
Und doch ist ihr höchste Ehre zuteil geworden.
Der Ausgangspunkt unserer Diskussion war aber im Hässlichen Schönes zu entdecken. Vielleicht gibt es das auch bei diesem Bauwerk, welches wir als eigentlich furchtbar empfinden (mein Mann stand einst davor und fand es unglaublich beeindruckend, eigentlich auch nicht hässlich).
Ich weiß das nicht. Ich habe jetzt nur dieses Bild gesehen. Bei der Architektur scheiden sich auch die Geister. Das nüchterne Moderne, die Architektenhäuser heute, sind in meinen Augen auch oft echte Monstergebilde.
Vermutlich muss man sich näher befassen, um alles zu begreifen. Aber auch hier gewinnen wir einen ersten Eindruck und fällen ein Urteil.
Bei Tieren haben wir natürlich auch unseren individuellen Geschmack.
Aber ist es nicht hier auch so, dass ein kleiner hässlicher Straßenköter, ein anhänglicher, guter, auch wachsamer Hund sein kann. Schmücken kann man sich mit ihm sicher nicht.
Erstellt: am 14.09.2011 um 11:36:55
Von: clara.c.
Richtig!!! Das finde ich auch.
Ein häßlicher Straßenköter oder ein rausgezüchteter Faltenhund können durchaus liebenswerte Geschöpfe sein und sie sind es auch bestimmt. Es ist eben das Erscheinungsbild, das nicht in unser Schönheitsempfinden passt.
Die Sagrada Familia finde ich, wie auch manche asiatischen Tempel, die überladen sind mit Verzierungen, ziemlich häßlich. Natürlich sind manche Einzel-Elemente daran sicherlich schön und auch künstlerische wertvoll. - Hier spielt eben auch wiederum der Geschmack der einzelnen Menschen eine wesentliche Rolle.
Dann gibt es Maler, die vorwiegend übergewichtige Personen darstellen, oft in häßlicher Pose. Diese Personen mögen in der Realität gar nicht unbedingt häßlich sein. Da muss man sich auch fragen, was an den Kunstwerken schön ist. Für mein Empfinden sind solche Bilder häßlich. Die künstlerische Ausführung und das Können dieser Maler sind da meist hervorragend. Die Kunstwerke wirken so, wie sie wirken sollen: das Häßliche dominiert.
Von: lemmy1211
Inwieweit ist die Frage ob wir etwas hässlich empfinden eine Frage der Sozialsation?
Sind wir in der Lage Hässlichkeit neutral zu betrachten?
Gewinnt Schönheit an Bedeutung, wenn wir uns mit Menschen umgeben, die unsere Ansicht von Schönheit teilen und wir damit in unserem ästethischen Empfinden gestärkt werden?
Ist unser Blickwinkel geprägt davon, ob wir im Moment der Berurteilung lieben oder hassen?
Kann Hass schön sein? Liebe hässlich?
Wart ihr schon einmal in der Situation etwas hässliches als schön empfunden zu haben, weil ihr es mit einem Menschen den ihr liebt, teilen durftet und in diesem Moment die Schönheit im Hässlichen überwog?
Ja es gibt sie. Die Schönheit im Hässslichen. Jeder kann sie entdecken.
Schauen wir mal.
Erstellt: am 15.09.2011 um 00:28:02
Von: helgas.
Wie schön Lemmy, dass Du Dich beteiligst ...
Sind wir in der Lage Hässlichkeit neutral zu betrachten?
Ich denke, wir können nichts neutral oder objektiv betrachten. Wir können uns aber durch die Aneignung von Wissen dem ein wenig nähern. Geschmacksbildung wäre ein Stichwort.
Es gibt so etwas wie einen Zeitgeschmack, aus dem man schwer ausbrechen kann, denn er wird uns von allen Seiten eingehämmert.
Ih finde es sehr, sehr wertvoll, dass man sich auch darauf besinnt, was hinter dem sog. Hässlichen steckt, nämlich evtl. ein guter Charakter, ein liebenswerter Mensch, dessen Handlungen das ganze Äußere, uns hässlich Vorkommende, vergessen lässt.
Menschen möchten sich mit "schönen" Dingen umgeben. Sie fühlen sich dadurch positiver aufgestellt.
Jetzt ist es aber so, dass diese "schönen Dinge" für den Einzelnen ganz unterschiedlich ausschauen. Der eine liebt seine Nippes und Gartenzwerge, der andere die eigenen Bilder oder überhaupt Bilder usw. Andere stellen ihr Fahrrad in die Wohnung und lieben kahle Wände. ...Aber auch eine Überladung, kann alles "Schöne" hässlich werden lassen.
Erstellt: am 15.09.2011 um 12:13:20
Von: lemmy1211
Zeitgeist
Ja, das sehe ich ähnlich wie du, Helga.
Der so genannte Zeitgeschmack richtet sich in der heutigen Zeit sehr nach dem Schein.
Von der Schönheit oder dem perfekten Körper, lassen wir uns blenden, von dem hässlichen Erscheinungsbild eher abstoßen.
Dennoch denke ich, dass wir, wenn wir etwas unschönes Betrachten, mehr auf die Hintergründe achten und unsere Gedanken tiefer eindringen, weil uns die nicht vorhandene Schönheit weniger dazu verleitet, nur den oberflächlichen Schein wahrzunehmen.
Erstellt: am 18.09.2011 um 11:29:20
Von: lemmy1211
"Mein lieber Freund und Kupferstecher"
Dieses, heute noch verwendete Zitat stammt aus einer Zeit, als ein "adeliger Herr" ein Selbstbildnis bei einem Kupferstecher in Auftrag gab. Der Künstler machte den Fehler, den feinen Herren allzu realistisch abzubilden, was ihn beinahe das Leben kostete. Um sein Leben zu bewahren und auch seinen verdienten Lohn für seine Arbeit zu bekommen, musste er seinem Werk eine nicht vorhandene Schönheit verleihen.
Erstellt: am 18.09.2011 um 11:37:08
Conrad
Das Hässliche in der Kunst
Ich vermute das Thema „Das Hässliche in der Kunst ist noch nicht ausdiskutiert.
Zu dem Buch „Indianerland“ erhielt ich eine Kritik, die folgende Zeilen enrhält:
doch ein grosses Fragezeichen bleibt bei mir am Ende.
Eine Künstlerin malt ein häßliches Bild, das keiner versteht, erklärt es, die Indianer sind versöhnt, aber sie fühlt sich daraufhin svhlecht und hat Schmerzen.
Ich weiss nicht, welchen Sinn das Ende der ansonsten so gut erzählten Geschichte haben soll.
Der Text
Über Nacht malte die Malerin S. an die glatte Felswand einen Indianerkopf. Zugegeben, der Kopf war imposant, obwohl sie ihn nur schwarzweiß malte. Und überdies war der Kopf keine Schönheit, niedere Stirn, trotz des sehr weit nach hinten gerückten Haaransatzes. Genau genommen war der Kopf sogar abgrundtief hässlich. Wie machte sie das bloß, dass man es trotzdem als großes Kunstwerk empfand. Es kommt auf solche Dinge an, erklärt sie uns, wie den Wind. Weht er von links oder von rechts. Man muss sich auf ihn einstellen, er malt mit. Und dann achte man auf die Bäume. Winken sich die Wipfel Bäume zu, ist das ein gutes Zeichen. Zeigen aber die Wurzeln aufeinander, hat es eine schlechte Vorbedeutung. Sie selbst fühlte sich nach der Arbeit an dem Bild nicht mehr wohlauf, ihre Hände schmerzten. Sie konnte sie kaum mehr bewegen. Es dauerte ein halbes Jahr, bis zum Sommer, dann verschwand der Schmerz. Um so unbegreiflicher ist uns ihre Kunst, und um so mehr bewundern wir sie.
Meine Stellungnahme:
Ein religiöse Symbol zu schaffen, bedeutet für den Künstler, an die Grenzen zu gehen, die Paradoxie des Hässlichen auszuhalten,manches Mal auch an die Grenze des körperlich Erträglichen. Wer am Kreuz hängt, ist auch kein schöner Anblick. Man hat es mit einer Komplexität und Tiefe zu tun, die dem Kunstwerk eine andere Art von Schönem als die gewohnte verleiht.
Jede Faser sträubt sich, das zu malen, was der Künstler selbst von sich verlangt. Die schmerzenden Hände zeugen davon.
Erstellt: am 10.11.2011 um 08:23:13
Von: clara.c.
Religiöse Symbole zu schaffen ...
Religiöse Symbole zu schaffen, auch starke Gefühle und Schmerzen darzustellen sind für einen Künstler eine große Herausforderung und er geht mit Sicherheit an die Grenzen der körperlichen und auch seelischen Erträglichkeit.
Auf derartige Kunstwerke muss man sich als Betrachter einlassen und sich damit genau befassen, um sie verstehen oder annähernd verstehen zu können.
Hat man sie erst verstanden, beginnt die Schönheit, die der Häßlichkeit inne wohnt.
Erstellt: am 10.11.2011 um 09:37:28
Letzte Änderung: am 10.11.2011 um 09:39:39
Von: helgas.
Schönheit kann der Hässlichkeit inne wohnen, ...
muss aber nicht zwangsläufig. Die Betonung liegt auf "kann".
Die Schönheit, die sich einem Menschen erschließt, wenn er gewillt ist, sich zu vertiefen, wenn er Hintergründe verstehen möchte, ist ganz anders geartet als die äußere Schönheit, die wir mit Ästhetik, Zeitgeschmack oder Ähnlichem verbinden.
Sie zeigt Wahrheit, sie enthüllt, sie inspiriert, sie hat Geist. So würde ich das auch mit der religiösen Symbolik definieren, die mit einem dergestaltigen Kunstwerk verbunden wird. Man schaut das Bild an und wird von ihm ins Innere gezogen. Das kann im Übrigen mit jedem Menschen passieren, der so ein Kunstwerk anschaut, er muss nicht religiös sein. Ich glaube auch, dass Künstler so etwas erschaffen können, die nicht religiös sind. Ich sehe da keinen zwingenden Zusammenhang.
Ein wahrhaftiger Künstler malt aus sich heraus, er gibt alles und lässt sich durch nichts beeinflussen. Er vernachlässigt sich selber, die eigenen Bedürfnisse, alle Kraft gilt dem Bild. Danach muss er sich erholen, er hat sich für seine Kunst verausgabt. Das Ganze kann ein tolles und "anbetungswürdiges" Ergebnis bringen, muss es aber nicht. Die Betrachter sehen es auch unterschiedlich.
Es kommt auf solche Dinge an, erklärt sie uns, wie den Wind. Weht er von links oder von rechts. Man muss sich auf ihn einstellen, er malt mit. Und dann achte man auf die Bäume. Winken sich die Wipfel Bäume zu, ist das ein gutes Zeichen. Zeigen aber die Wurzeln aufeinander, hat es eine schlechte Vorbedeutung.
Hier muss ich passen. Das schaut für mich irgendwie nach Aberglaube aus. Die Sache mit den Zeichen, den guten wie den bösen, ist nichts für mich. Dass alte Indianer oder Sterndeuter und Weissager aus grauer Vorzeit in allen Naturerscheinungen Zeichen sahen und sie deuteten ist ja bekannt, aber ich bin Realist und der Hokuspokus erscheint mir für die heutige Zeit aufgesetzt. So kann man natürlich einem Werk eine höhere Bedeutung herbeireden. Geheimnisse kommen immer gut an.
Was ich allerdings einräume ist, dass die Natur, das Umfeld überhaupt, den Künstler positiv oder negativ einstimmen und beeinflussen kann. Das geschieht mit ganz normalen Menschen aber auch.
Erstellt: am 10.11.2011 um 20:05:09
Letzte Änderung: am 11.11.2011 um 09:36:44
Von: clara.c.
Lieber Conrad,
immer wieder lese ich deine Aussagen unter 606 durch über das Thema "das Häßliche in der Kunst".
Darüber mache ich mir viele Gedanken. Es ist nicht nur schwer für einen Künstler, DAS in seinem Kunstwerk auszudrücken, was ihn bewegt. Ebenso schwer ist es oft für den Betrachter, bestimmte (surrealistische) Kunstwerke zu interpretieren. Da gibt es viel zu philosophieren.
Erstellt: am 17.11.2011 um 14:12:22
Letzte Änderung: am 17.11.2011 um 14:13:42
Tag der Veröffentlichung: 24.11.2011
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Es diskutierten.
Conrad, Helga, Clara, Klärchen, lemmy,