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Vorwort





Öl auf Leinwand von George Bellows

Dieses Gemälde entstand 1919 und hängt im Metropolitan Museum of Art in New York.



George Wesley Bellows (* 12. August 1882 in Columbus, Ohio; † 8. Januar 1925 in New York City) war ein ameri-
kanischer Maler, Zeichner und Lithograph, der vor allem durch seine Bilder des Großstadtlebens in New York bekannt wurde. Durch seine Motivwahl wurde er der Ashcan School zugerechnet. Er war zudem einer der Hauptvertreter des Amerikanischen Realismus des frühen 20. Jahrhunderts.


Die Autorengruppe hat sich auf der Basis dieses Bildes eine kleine Geschichte ausgedacht. Jeder formulierte jeweils einen Satz danach folgte ein anderer Autor mit seinem Satz und dies in bunter wechselnder Folge. Es gab kein Konzept, keine weiteren Vorgaben. Alles ergab sich unabgestimmt. Ein gutes Zusammenspiel und aufeinander Eingehen war jedoch nötig, um eine zusammenhängende Erzählung zu erarbeiten. Das war sehr spannend und machte viel Freude.


Tennis at Newport



In diesem Jahr zeigte sich der April erfreulich warm, was die Natur mit saftigen Grüntönen dankte. Die Menschen strömten hinaus ins Freie, um die Natur zu genießen. Sie saßen, meist zum Schutz mit Sonnenschirmen ausgerüstet, teils auf dem Boden, teils auf bequemen Stühlen. Die Damen waren in der Regel weiß gekleidet, aber es gibt auch gewisse Ausnahmen. Es ist ein Sehen und Gesehen werden, ein wichtiges Gesellschaftsereignis.

Um höchste Beachtung zu finden, wählte eine der Damen, sie nannte sich Ernestine, ein rotes Kleid, denn die Farbe rot wirkt wie ein Hinguckermagnet. Ernestine wollte dieses Mal auch ganz sicher gesehen werden, denn es war ihre letzte Chance, sich angemessen zu verheiraten; nächstes Jahr würde sie zu den alten Jungfern gehören, zu den Hoffnungslosen!
Ernestines Augen schweiften herum, sehr schöne, junge Frauen mit Ihren Männern erblickte sie,.....aber wo waren die gut aussehenden, begüterten und klugen, vor allen Dingen auch unverheirateten jungen Männer?

Die Luft wird schwül und am Horizont tauchen die ersten dunklen Wolken auf. Ernestine geht ins Haus, um dem Regen zu entgehen. Etwas verloren steht sie in der großen Eingangshalle als sie ihn erblickt.
Das rote Kleid sticht ihm sofort ins Auge und er denkt: "Welch' verführerische Gestalt".
Er war gekommen, um Tennis zu spielen und nun sah er sie dort herumstehen, den nunmehr zusammengeklappten, roten Sonnenschirm etwas verlegen in den Händen haltend.
Was für ein gut aussehender Mann, dachte sie. Er kam auf sie zu, in der linken Hand den Tennisschläger mit der rechten nahm er ihre Hand und deutete einen Handkuss an,
“Madame... Darf ich Sie vor meinem Match noch zu einem Gläschen Sherry einladen. Sie werden sich das Spiel doch ansehen?“
Züchtig schlug sie die Augen nieder.
"Ja, gern, und selbstverständlich werde ich mir die Tennisspiele ansehen“, hauchte sie gespielt verlegen.
"Mein Name ist George", sagte er daraufhin lächelnd und reichte ihr seinen Arm, um sich mit Ernestine wieder nach Draußen zu begeben, denn die Wolken erwiesen sich als harmlos, man würde also spielen und sich zeigen.
Sie hängte sich ein und antwortete höflich, aber doch etwas schüchtern:
"Ich heiße Ernestine, man nennt mich allgemein einfach Tine."
Ein Hauch von Röte zierte ihre Wangen. Ihr Herz schlug ein wenig schneller, während sie mit ihm über den Rasen schritt. Aller Augen waren auf dieses entzückende, wenn auch ungleiche Paar gerichtet.

Eine hochgewachsene Frau mit schwarzem Hut und streng wirkender, schwarzer Robe angetan, inmitten einiger Damen und Herren stehend, starrte zu ihnen, scheinbar empört, herüber. Die Dame hieß Amalie und war die Gattin des Konsuls Berendsen. Amalie war bei allen gefürchtet wegen ihrer spitzen und schnellen Zunge, doch da ihr Mann eine so hochgestellte Persönlichkeit war, tat man gut daran, sich mit ihr auf keinen Disput einzulassen.
Amalie stieß ihre Nachbarin an, um ihrer Empörung Luft zu tun.
George, ihr jüngster Sohn ging seinen Weg, spielte sein Spiel und fürchtete die gestrenge Mutter nicht, die ihn auf jeden Fall standesgemäß verheiratet wissen wollte und sie hatte auch schon eine Braut ausgewählt. Doch George hatte seine eigenen Pläne und auch schon seine Herzens-
dame erwählt. Trotzdem war er nicht abgeneigt eine kleine voreheliche Affäre zu beginnen.

Die Gesellschaft tuschelte, George machte sein Spiel auch und gerade mit den Frauen, die ihn liebten, während Ernestine ohne es zu wissen allmählich Bestandteil dieses Spieles wurde, denn George hatte mit seinen Kameraden eine Wette laufen. Für George und seine Freunde, ver-
wöhnte Söhne wohlhabender Eltern ohne irgendwelche Verpflichtungen, bestand das Leben nur aus Müßiggang und amourösen Abenteuern.

Nach jedem Tennisspiel würde er mit einer neuen Begleitung in der Gesellschaft erscheinen. Dieses Mal sollte ihm jemand einen großen Strich durch sein Abenteuer machen. Seine Wette schien so gut wie verloren, weil er nicht mit Jim gerechnet hatte, der dieses Schauspiel schon seit langer Zeit beobachtete. Jim hatte sich nämlich ernsthaft in Ernestine verliebt und wollte nicht tatenlos zusehen, dass sie ein Opfer dieser Wette werden sollte. Er war fasziniert von ihrer Aura, die sie umgab und von ihrer einfachen und doch wirkungsvollen Art, die Blicke magisch auf sich zu ziehen. Wie konnte er Ernestines Aufmerksamkeit erregen, jetzt, da sie doch so offenkundig an George interessiert war?

Er beschloss gegen George im Tennismatch anzutreten.
Es kam tatsächlich zu einem Match zwischen Jim und Georg.
Beide legten sich mächtig ins Zeug.
Jim war der routiniertere Spieler und schlug dem zwar besser aussehenden, aber arroganten George, die Bälle nur so um die Ohren, dass es für die Zuschauer ein wahres Vergnügen war ihm zuzuschauen und Ernestine voller Begeisterung verwundert bemerkte, dass ihm ihr Herz zuflog.
Sie hatte Jim schon oft gesehen auf dem Tennisplatz, doch war er immer ein stiller Besucher und Spieler gewesen, bis auf den heutigen Tag: Warum sah sie ihn plötzlich mit anderen Augen?
Plötzlich stand vor Ernestine ein Kellner mit einem Tablett, auf dem ein weißer Brief lag, der das Siegel der Frau Amelie von Berendsen trug, der Dame in Schwarz, die immer noch eine finstere Miene aufgesetzt hatte.

Ziemlich erschrocken und verunsichert um sich schauend, fragte Ernestine den Kellner, ob der Brief wirklich für sie sei. Als dieser bejahte, nahm sie zaghaft den Brief vom Tablett. Mit leicht zittrigen Händen öffnete sie ihn.
Als sie die paar Zeilen gelesen hatte, wurde sie leichen-
blass, sie hatte sich erhoben aber ihre Beine versagten ihr den Dienst und sie fiel dem hinzueilenden Jim in die Arme, denn er hatte Ernestine beim Seitenwechsel des Spiels beobachtet.

Ernstine hielt den geöffneten Brief fassungslos in ihren Händen und als Jim die Zeilen gelesen hatte, strich er Ernestine zärtlich übers Haar und sprach beruhigend auf sie ein, dann .... verließen beide erhobenen Hauptes, ohne sich um die neugierig, erstaunte Gesellschaft zu kümmern, den Platz, um in der Halle, in einer der Sitzecken, sich einem ersten vertraulichen Gespräch zu widmen.

George wusste in diesem Moment, dass er die Wette verloren hatte und schaute den beiden wutentbrannt nach.
Amalie von Berendsen hatte alles unauffällig beobachtet, sie nickte ihrem Sohn zu und war höchst zufrieden, während die feine Gesellschaft noch ein wenig raunte. Doch man würde sich neuen Skandalen zuwenden. Wie immer.




George Bellows "summer fantasy", 1924

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 28.04.2010

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Mitgewirkt haben: Gabi, Helga, Clara, Klärchen, Lilie, Sissi, Waltraud, Mondlady, hammerin

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