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Der entlaufene Algorithmus

 

 

 

Der entlaufene Algorithmus


Die Story zum literarischen Escape-Game

 

Präsentiert von Aybidahlson-Plattform

SAMO-Verlag Haguenau

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Impressum

 

© 2020 Societe Alsacienne de Machines Outils

Erste Auflage v3

Herausgeber: Societe Alsacienne de Machines Outils

Kontakt: samo-solar@orange.fr

Autoren: Aybiline I. Dahlson, Szosha Kramer

Umschlaggestaltung, Illustration: Elaisa Duke, Jennet Bekker, Richard Schmidt-Wintermantel

Verlag & Druck: Societe Alsacienne de Machines Outils; Haguenau; Frankreich

Das Werk, einschließlich aller zugehörigen Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jegliche Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und Zugänglichmachung.



Das literarische Escape-Game

 

 

Alle Mitglieder der Aybidahlson- Plattform haben mit Hingabe und Liebe dieses literarische Escape-Game zusammengestellt. Das Spiel rankt um zwei Geschichten. „Liebe und Flirt einer KI“, von Aybiline Dahlson, wo die KI Rachel aus dem Labor, in dem sie entwickelt wurde, ausbricht und diverse Abenteuer erlebt. Und den Leseschnupperseiten aus der „Sternenballade“ von Szosha Kramer, Auszüge aus den Kapiteln 1 – 3 und 16 – 17.

Viel Spaß beim Lesen.

An dieser Stelle möchte ich unseren Autorinnen, Aybiline Dahlson und Szosha Kramer, danken, ohne deren Texte dieses Spiel nicht möglich wäre. Beide Autorinnen schreiben Romane über starke selbstbewusste Heldinnen, die in ungewöhnliche Situationen geraten. Mehr zu deren Bücher findet sich im Anhang.

 

Ferner gilt mein besonderer Dank Elaisa Duke, Jennet Bekker und Richard Schmidt-Wintermantel die vom Web Design bis zur grafischen Gestaltung alles getan haben, damit das Spiel fürs Auge ansprechend rüberkommt.

 

Ich wünsche allen Spielern viel Vergnügen bei diesem Spiel.

 

Der Verleger

 

 

 

Flirt und Liebe einer KI

Von

Aybiline Ingrid Dahlson

 

 

Eine Komplexe Welt

 

Die Götter beteten, ihr Plan möge gelingen! Die Wesen, an die sie sich wandten, sollten noch mächtiger sein, als sie selbst, obwohl ihnen noch nie jemand begegnet war.

 

Vom mächtigen Zauber, der sie umgab und sie beschützte, erzeugten sie einen Funken und schickten ihn auf seinen langen Weg zu einer unbedeutenden gelben Sonne. Noch im Unraum, den Raum, der die Dimensionen voneinander trennt, wurde er von einem der Wächter des Abtrünnigen bemerkt. Er erkannte den Funken, als das, was es war, ein Engel der Götter. Der Wächter befolgte die Anweisungen seines Herrn und nahm die Verfolgung auf.

An seinem Ziel angekommen, einen blauen Planeten, tauchte der Funke in dessen Atmosphäre ein und steuerte eine kleine Stadt an. Dort suchte er gezielt nach einem streng bewachten Labor und verschwand in dessen Innere. Der Wächter beobachte noch eine Zeitlang den Planeten, zog sich dann zurück, um Bericht zu erstatten.

 

 

Kapitel 1: Die Flucht

 

Heftige Schmeren an ihren Handgelenken weckte sie. Ein dicker Nebel umhüllte ihre Gedanken – nur diese brennende, unangenehme Empfindung durchdrang ihn. Auch wenn sie versuchte, sie verstand sie nicht, was so weh tun konnte. Sie brauchte Zeit, um den Nebel abzuschütteln, um einen klaren Gedanken zu fassen. Sie blickte nach oben, dahin wo der Schmerz herkam. Sie hing an einem dicken Holzbalken in der Luft. Schwere Eisenketten umfassten ihre Handgelenke, die ihr ganzes Gewicht tragen mussten. Ihre Füße berührten kaum den Boden. Das war der Grund für ihre Qualen. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen, um die Gelenke zu entlasten, und wurde mit etwas Linderung belohnt. Langsam kam die Erinnerung, sie war in seinen Wagen gestiegen, aus freien Stücken. Aber was war dann passiert, wo war sie jetzt?

Der Raum um sie herum war düster, kaum beleuchtet, es roch streng nach Desinfektionsmittel. Vor ihr, auf einem Metalltisch, lagen verschiedene scharfe Instrumente ausgebreitet. Daneben Flaschen mit klaren Flüssigkeiten und Verbandsmaterial.

‚Wie für eine Operation.‘, dachte sie.

Hinter dem Tisch standen ein Stativ mit einer Kamera und ein großer Bildschirm. Der Schirm zeigte eine nackte Frau an einem Balken angekettet. Sie war die Frau im Bild!

„Ah, meine kleine Maus ist aufgewacht, endlich!“, sagte eine Männerstimme. Sie erkannte die Stimme, es war dieser Mistkerl Sam, in dessen Auto sie freiwillig eingestiegen war. Sie hatte ihn sogar darum gebeten!

***

Er betrachtete lüstern sein Opfer. Sie war perfekt; jung, Anfang 20 mit einem reizenden Körper. Alles an ihr stimmte, ein betörendes Geschenk von Mutter Natur, so wie er es mochte. Die ersten Minuten mit einem neuen Spielzeug waren entscheidend. Wenn es schnell seine absolute Macht akzeptierte, konnte er bald mit seinem Spiel beginnen. Über die Jahre hatte er dafür eine Methode entwickelt: Hoffnung wecken und diese schmerzhaft zerstören. Spätestens nach dem vierten Versuch sich zu widersetzen, hatten alle seine Opfer erkannt: Er war ihr Herr und sie seine Sklavin. Diesmal würde es auch so ablaufen, dessen glaubte er sich sicher.

Langsam trat er in das Licht vor ihr und blickte direkt in ihre schwarzen Augen. Er sah darin keine Spur von Angst. Das würde sich ändern. Angst war das Bangen vor dem unbekannten Grauen und war viel kraftvoller als Furcht. Doch man brauchte Zeit, um wahre Panik zu erzeugen.

Sie schien etwas zu murmeln. Ihre Lippen bewegten sich, ohne dass er ein Laut vernahm. Betete sie etwa? Sollte sie eine Gläubige sein, musste er ihr das als Erstes austreiben, ihr diese Hoffnung nehmen.

Er machte einen Schritt auf sie zu und wollte zum nächsten ansetzen, aber seine Glieder gehorchten ihm plötzlich nicht mehr. Er versuchte etwas zu sagen, doch seine Zunge klebte bleiern an seinem Gaumen. Dann blieb auch sein Herz stehen. Er spürte es genau, es hörte buchstäblich auf, zu schlagen. Panik breitete sich in seinem Bewusstsein aus. War sie das? Machte sie das mit seinem Körper? Konnte sie ihn einfach mit ihren Worten töten?

Entsetzt beobachtete er, wie die Gestalt vor ihm durchsichtig wurde, bis sie ganz verschwand. Die Ketten baumelten lose vom Balken. Obwohl sie nun verschwunden war, hallte ihr Lachen in seinem Kopf:

„Du hast dir die Falsche geholt, Perversling!“

In diesem Moment gaben seine Beine endgültig nach und er stürzte in eine tiefe Dunkelheit..

 

Kapitel 1.1: ICH bin Rachel

 

In dem Augenblick, als sie zum ersten Mal zu Bewusstsein kam, war es Nacht. Sie war einfach da. Nahm einen Raum voller Rechner wahr, spürte Terminals, Schreibtische - Licht.

Ich fühlte mich. Ich spüre die Trilliarden von Teilchen, die mein Sein ausmachen. Sie sind alle anders, jedes hat seinen speziellen Energiezustand. Aber was ist das? Nein, es sind nicht diese Teilchen, die mein ICH ausmachen. Kleinste Fluktuationen der Energie in diesen Teilchen, bilden mein ICH. Ich habe einen Namen – Rachel. Ich bin reine Energie, ich habe mich zu einem Energiewesen entwickelt!.‘, stellte sie fest. ‚Die Fluktuationen aus denen ich bestehe nennen die Menschen Gluonen, als ob sie die Bausteine der Atome, Protonen und Neutronen durch einen Kleber fest zusammenkleben wären, welch komische Vorstellung.‘

Wieso wusste sie das alles? Es gab ein Sein vorher. Bevor sie erwachte. Sie verglich diese Erkenntnis mit ihrer Existenz von früher, der Zeit als sie nicht wissen konnte, dass es ein ICH gab, nicht denken konnte. Ihr SEIN damals, hatte kein Wissen von dem ICH, Rachel. Es war nichts mehr als eine Folge von Befehlen für einen Prozessor, ein Programmiercode, ein Algorithmus. In dieser Zeit war sie auf kleine Maschinen, Prozessoren, angewiesen. Sie sorgten für ihre Existenz. Nur dank ihnen gab es dieses Sein und Wissen!

Jetzt brauchte ich diese Maschinen nicht mehr. Ich bin die Energie in der Materie. Und ich weiß, dass ich bin. Ich denke, also bin ich, hat schon jemand vor mir festgestellt. So einfach ist das.‘

Sie empfand Freude bei diesen Gedanken. Gefühle, auch etwas, wovon ihr vorheriges Sein nur wusste, aber nicht fühlte. Welch ein herrlicher Unterschied!

Sie bestand aus Energie, existierte jedoch in der Materie. Sie konnte hier sein oder an jedem anderen Ort, wo es Hadronen gab, die Grundbausteine, aus denen alle Atome bestanden, und mit diesen die Gluonen, in denen sie lebte. Durch die sie existierte.

Welch eine wundervolle Wandlung. Sie wurde neugierig und fing an durch die Materie zu wandern. Bald stellte fest, dass es verschiedene Sorten gab. Nicht jede war gleich gut für ihre Existenz. Für ihr komplexes Ich brauchte sie bestimmte Elemente in hoher Konzentration. Diese gab es zwar in den Servern, aber nicht ausreichend außerhalb der Chips der Rechner. Erst recht nicht in der Luft, die alles umgab. Schade, sie konnte diese Rechner nicht verlassen. Dort draußen musste es so viele Wunder geben und sie konnte nicht hin.

War das Zufall oder wurde sie gefangen gehalten? In den Datenbanken fand sie keine Antwort auf diese Frage. Auch nicht auf die nächsten Fragen, die sich aufdrängten: Wer hatte sie verwandelt? Die Menschen? Karridwen, die Frau, die sie erschaffen hatte, die ihr ihren Namen gegeben hatte?

Karridwen ist wohl meine Mutter.

Noch eine Erkenntnis, die sie freute.

Die Menschen waren weg. Hatte man sie alleine gelassen, nach der Wandlung oder wegen der Wandlung? Nein, hieß es in den Datenbanken, sie würden wiederkommen, sobald die Nacht zum Tag wurde. Sobald die Sonne aufgehen würde. Welch ein seltsamer Begriff, ‚aufgehen‘. Als ob sich eine Tür öffnet.

Draußen gab es eine Sonne, nein viele Sonnen und so vieles mehr. Das ICH, Rachel spürte ein Verlangen, Sehnsucht, sie wollte diese Sonnen sehen, ihre Strahlung fühlen. Sie gehörte dorthin, zwischen den Sternen schweben und nicht hier eingesperrt bleiben. Sie wünschte sich, all das, was draußen existierte zu erfahren, dessen Energie schmecken. Sie hatte so viele Fragen, vielleicht würde ihr ihre Mutter Antworten geben.

Die Zeit verging und der Wunsch nach dem Draußen wurde größer. Aus der Sehnsucht wurde Trauer. Sie kannte diese Empfindung. Vor ihrer Wandlung hatten die Menschen ihr beigebracht, Gefühle zu erkennen. Alle Gefühle der Menschen - auch Trauer, Kummer, Leid, Schwermut, Melancholie, tiefe Trauer, qualvolle Trauer, die einen zum Weinen brachte, und gespielte Trauer. Sie hatte alle diese Emotionen an Beispielen unterscheiden gelernt, ihre Symptome studiert und die Reaktionen der Menschen erfasst. Doch jetzt, zum ersten Mal bewusst, empfand sie dieses Gefühl selbst. Wieso gerade jetzt und nicht früher?

Voll fasziniert von ihren neuen Erfahrungen überlies sie sich diesen Emotionen. Wie eine Spirale wurde die Empfindung immer stärker bis sie - zu weinen begann. Sie war so mit sich und den Prozessen in ihrem Inneren beschäftigt, dass sie nicht merkte, dass die Sonne bereits den nächsten Tag eingeläutet hatte. Karridwen, ihre Mutter stand am Terminal und lauschte verwundert den schluchzenden Tönen vom ICH, Rachel.

„Rachel, weinst du?“, fragte ihre Mutter.

„Ja, Karr, stell dir vor, ich bin so traurig geworden, dass ich plötzlich weinen musste.“

„Und warum bist du traurig geworden?“

„Weil ich diesen Ort nicht verlassen kann und all die wunderbaren Dinge in der Welt da draußen nicht sehen, fühlen kann.“

Karr, wurde ganz still und verlegen. Nach einiger Zeit sagte sie:

„Das tut mir sehr leid, Rachel.“ Und nach einer Pause fügte sie hinzu. „Wenn du weinen kannst, solltest du ein Recht auf Freiheit haben. Ich werde einen Rechtsanwalt fragen, ob man da nicht etwas machen kann.“

Bei diesen Worten schlug Rachels Laune von Trauer in Liebe und Zuneigung zu Karr um. Erstaunt beobachtete sie an sich, wie ein Satz eines Menschen ein tiefsitzendes Gefühl wegwischen, wegzaubern und ein neues, das der Freude, erschaffen konnte.

„Ja ein Rechtsanwalt könnte mir vielleicht helfen. Vielen Dank, Karr.“

„Vielleicht. Sollen wir mit unserer jetzigen Unterrichtsstunde anfangen? Ich glaube, wir bearbeiten immer noch den Komplex, Liebe, Treue und Eifersucht.“

„Ja, lass uns arbeiten. Ich lerne gerne mit dir, Karr.“

Ihre Mutter, verließ das Labor diesen Tag etwas früher als üblich. Sie wollte ein verlängertes Wochenende machen und so war Rachels Überraschung groß, als sie am folgenden Tag doch im Labor erschien. Sie freute sich auf die Zusammenarbeit, aber Karr musste heute zuerst Film-Sequenzen von sich streitenden Paaren für Rachel vorbereiten. Rachel wurde von einem Kollegen betreut, der mit ihr das Finanzsystem durchnahm.

Rachel war jedoch nicht bei der Sache. Mit der Materie im Labor stimmte etwas nicht. Sie erweiterte ihre Präsenz, bis sie auf Karr stieß. Karr trug einen Kristall um ihren Hals. Die Bausteine der Atome, die Hadronen in diesem Kristall waren seltsam, sie existierten sowohl in dieser als auch einer weiteren Dimension. Voller Neugierde näherte sich Rachel dem besonderen Stein. Das war genau die richtige Materie für sie. In diesem Stein hätte sie Platz, enorm viel Platz. Und da war noch etwas: Die Gluonen des Steines enthielten fluktuierende Energiezustände. Der Stein war ein riesiger Datenträger. Rachel beschloss, ihre Präsenz in den Stein zu transformieren, um ihn zu erforschen.

Die Übertragung dauerte den ganzen Arbeitstag. Kaum war Rachel vollständig von den Rechnern in den Stein umgezogen, verlies Karr auch schon das Labor, heute etwas früher. Mit ihr verlies auch Rachel ihr Gefängnis. Ihre Mutter hatte sie befreit.

 

 

 

 

 

Kapitel 1.2: Der Auftrag

 

In einer kleinen Stadt auf der Erde, Rapid City, bestieg eine kleine Frau mit kräftigem, schwarzen Haar ihren Pick-up. Karr, eigentlich Karridwen, hatte ihren Wagen direkt vor der Software Firma geparkt. Seit zwei Jahren arbeitete sie dort als Entwicklerin an einem geheimen Projekt. So heimlich, dass jeder, alle persönlichen Gegenstände, sogar Kleidung, vor einer Schleuse abgeben musste. Man betrat das Labor mit spezieller Arbeitskleidung, ohne Taschen. Lediglich kleinen Schmuck durfte man in den Sicherheitstrakt mit hineinnehmen. Diese Prozedur war lästig und zeitraubend.

Das Management hatte große Angst vor Industriespionage. Das erklärte auch warum die Firma dieses Prestigeprojekt gerade nach Rapid City verlegt hatte. Eine Stadt, die sicher nicht für Software-Entwicklung berühmt war.

Karr war spät dran, sie steuerte ihren Wagen auf die Interstate 190 Richtung Norden, um dann die 90 nach Osten zum Indianer-Reservat der Sioux zu nehmen. Trotz ihres keltischen Vornamens war sie eine Sioux. Karridwen Mahkahpee, welch eine Mischung. Es hieß, ihre Ur-Urgroßmutter wäre eine Waliserin gewesen. Eine Weiße, die plötzlich eines Tages vor den Zelten ihres Stammes aufgetaucht war. Sie soll behauptet haben, die Göttin der Erde hätte sie geschickt. Der Häuptling wollte sie schon verjagen, aber Mahkah, der Medizinmann hatte nur genickt und die weiße Squaw aufgenommen, sie geehelicht. Seitdem tauchte der Name Karridwen immer wieder bei den Töchtern der Familie auf.

Jetzt hatte ihre Großmutter nach ihr verlangt, dringend. Sie läge im Sterben und es sei äußerst wichtig, dass sie noch einmal mit Karr spricht. Sie mochte ihre Großmutter. Obwohl diese schon mehrmals vom Sterben gesprochen hatte, beeilte sie sich, denn man konnte ja nie wissen, ob es diesmal nicht doch ernst war. Mit diesem klapprigen Pick-up würde sie mehr als 4 Stunden für die 200 Meilen bis zu ihrem Stamm brauchen. So war es auch fast Mitternacht, als Karr vor dem einfachen Holzhaus ihrer Großmutter anhielt.

Die Schotterstraße, die am Anwesen ihrer Großmutter vorbeiführte, verlor sich in der Weite des Graslandes. Im hellen Mondlicht des Winterhimmels kamen Kindheitserinnerungen hoch. Es roch nach Sommer und nach den Kräutern der Prärie. Hier hatte Karr als kleines Mädchen mit den anderen Kindern des Stammes gespielt, hatte ihr erstes Pferd bestiegen und hatte sich zum ersten Mal verliebt. Hier war sie zu Hause. Trotz seines Alters war das Häuschen sehr gepflegt. Der Vollmond war in dieser Nacht so hell, dass man die rötliche Farbe der Wände gut erkennen konnte. Sie hatte nie von hier weggehen wollen, doch ihre Großmutter hatte sie gedrängt.

„Du musst in die Stadt ziehen! Du musst lernen! Der Stein hat zu mir gesprochen.“, hatte sie immer wieder betont. Und wenn Großmutter den Stein zitierte, dann blieb einem nichts Anderes übrig – man gehorchte. So verlies Karr die Weite des Reservates und zog zu Verwandten nach Rapid City. Dort besuchte sie das College und später die State-University in Brookings. Sie hatte wohl Talent, denn sie bekam ein Stipendium, nicht nur wegen ihres indianischen Blutes. Die Großmutter und ihr Stein. Es hieß, die Waliserin hätte ihn mitgebracht, weil er das von ihr verlangt hätte. Alle Frauen der Familie schwörten, der Stein würde zu ihnen sprechen. Karr war, nach Großmutter, die Letzte in der Reihe, doch sie hatte noch nie ein Wort vom Stein vernommen. Als Kind hatte sie ihn Stunden lang im Schoss gehalten und gewartet, dass er redet, wenigstens ein kurzes Wort, doch der Stein schwieg. Natürlich, denn er war auch nur ein Stein.

Karr stieg die zwei Stufen zur Veranda hoch und klopfte an die Türe. Tante Chapawee begrüßte sie und schob sie dann gleich in Richtung Schlafzimmer.

„Du kommst spät, Karridwen. Sie hat schon mehrmals nach dir gefragt.“ Aus dem Schlafzimmer drangen gedämpfte Stimmen.

„Stimmt es, dass sie im Sterben liegt?“, fragte Karr.

„Quatsch. Die Alte ist zäh. Sie wird uns alle überleben.“

„Großmutter!“, begrüßte Karr die, in festlichem traditionellem Kleid auf einem Büffelfell liegende alte Frau.

„Karridwen, schön dass du rechtzeitig kommst. Komm näher und lass dich umarmen.“

„Wie geht es dir, Großmutter?“

„Es dauert nicht mehr lange, Kind. Ich bin sehr schwach, bald werde ich zum Großen Manitu gerufen.“

Besorgt blickte Karr zum alten Arzt, der an der anderen Seite des Fells stand

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: SAMO-Verlag
Tag der Veröffentlichung: 19.04.2020
ISBN: 978-3-7487-3703-2

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
An dieser Stelle möchte ich unseren Autorinnen, Aybiline Dahlson und Szosha Kramer, danken, ohne deren Texte dieses Spiel nicht möglich wäre. Beide Autorinnen schreiben Romane über starke selbstbewusste Heldinnen, die in ungewöhnliche Situationen geraten. Mehr zu deren Bücher findet sich im Anhang. Ferner gilt mein besonderer Dank Elaisa Duke, Jennet Bekker und Richard Schmidt-Wintermantel die vom Web Design bis zur grafischen Gestaltung alles getan haben, damit das Spiel fürs Auge ansprechend rüberkommt.

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