Rückbindung
Aphorismen
zum Thema
Mensch und Religion
von Bernd Schiele
Mit Vergnügen als Unikat für .............................. ausgedruckt
am Sonntag, 25. Januar 2009
INHALTSVERZEICHNIS
1. Achtsamkeit
2. Ende des Regenbogens
3. Religion - was ist das?
4. Fragen an die Weltreligionen
5. Frohe Botschaft - Lebensfreude
6. Über die Konfirmation
7. Verwurzelung
8. Gott persönlich kennenlernen?
9. Weihnachten
10. Ostern
11. Vater unser
12. Das Wichtigste am Gebet
13. Die Lebensaufgabe
14. Zum Nachdenken
15. CARPE DIEM
16. YAWP
17. Wagnisse
18. Kunst der kleinen Schritte
19. Gehe Deinen Weg
20. Irischer Reisesegen
21. Lied
22. Vergiss die schönen Tage nicht
23. Psalm
24. Die Kunst des Lebens
25. Melanchthon und Luther
26. Republik ohne (Religions-)Kultur?
27. Was heißt „Religio“?
28. Die Güte Gottes
29. Bibel und das Computer-Zeitalter
30. Europa der Christen
31. Interview Sölle
32. Leitbild + Politik
33. Kirche und Europa
34. Wenn, ja, wenn ...
Liebe Leserin, lieber Leser!
Zur Religion (zurück) zu finden, ist keinesfalls so schwer, wie man es sich leider manchmal macht.
Zum Thema ACHTSAMKEIT kann man auf allerlei Literaturquellen zurückgreifen, den LeserIn erwartet ein großes Spektrum aus dem abendländischen Gedankengut…
Vielleicht hast du schon einmal still an einem Fluss oder am Ozean gesessen. Anfangs hörst du nur ein lautes Geräusch. Wenn du genauer zuhörst, erkennst du eine Unmenge subtilerer Klänge: die Wellen, die gegen den Strand anbranden, oder das strömende Gurgeln des Flusses.
In jener Friedfertigkeit und Stille des Geistes erfährst du genau, was vor sich geht. Ebenso ist es, wenn du dir selbst zuhörst. Zuerst hörst du nur ein »Selbst« oder »Ich«, aber dann stellt sich heraus, dass dieses Selbst eine Masse sich verändernder Elemente von Gedanken, Gefühlen und Bildern ist, die ganz einfach dadurch an das Licht gebracht werden, dass du zuhörst und achtsam bist.
Bei der Anwendung der Achtsamkeit wird dir bewusst, was in jedem Moment vor sich geht. Du bleibst wachsam und erlaubst dir nicht, vergesslich zu werden. Wenn du Achtsamkeit und Konzentration zusammen entwickelst, dann stellst du damit ein Gleichgewicht des Geistes her.
Wenn sich diese durchdringende Bewusstheit entfaltet, dann enthüllt sie dir viele Aspekte der Welt und deines Selbstes. Mit einer solchen klaren und deutlichen Sicht erkennst du, dass sich alles - auch du selbst - in einem Fluss, einer Strömung, einer Transformation befindet. Es gibt kein einziges Element deines Geistes oder deines Körpers, das stabil ist.
Diese Weisheit erlangst du durch die genaue Beobachtung deines eigenen Geistes.
Von der Überwindung unserer Kopflastigkeit oder wie wir den Topf am Ende des Regenbogens doch noch finden ...
Für die meisten von uns stellt wohl der Verstand mit seiner Grundlage des begrifflichen, abstrakten Denkens die Krone der Menschheit dar. Es ist es höchste Zeit, sich über seine Grenzen schonungslos Klarheit zu verschaffen.
Der Verstand ist innerhalb seiner seiner Grenzen ein großartiges Werkzeug, und er bringt uns unendlich hohen Nutzen. Erheben wir ihn aber schrankenlos auf den Thron, machen wir uns abhängig, ja, zu seinem Sklaven. Wir werden von ihm in Fesseln gelegt und um unsere wahre menschliche Würde und Freiheit, um unser ,,Glück“ gebracht.
Der Mensch von heute kann kaum noch die Schönheit der Natur genießen. Er bemerkt sie oft nicht einmal. Fällt unser Auge zufällig auf einen in der Nähe vorbeifahrenden neuen Autotyp, dann sind Kopf und Herz bei der Technik. Ein Sonnenuntergang ganz in unserer Nähe wird dann nicht einmal mehr bemerkt, geschweige denn der Wechsel der Jahreszeiten. Fällt der Blick auf einen im Abendrot schillernden Wald, beginnen wir ein Selbstgespräch über die steigenden Preise von gutgewachsenem Holz. Wir machen uns höchstens Gedanken über das Waldsterben und entschuldigen unsere Gleichgültigkeit damit, dass ja früher alles ganz anders war und viel besser, und wir ja sowieso nix „dran machen“ können..
Des Menschen Kern aber sind die eigenen Antriebskräfte. Es ist niemals der Verstand. Wie schwach sind doch dessen Wirkungsmöglichkeiten, wenn sich die Gefühle mit ihren starken Triebkräften, Wünschen und Sehnsüchten rühren! Zu schwach erweist sich in dem ständigen Widerstreit von Herz und Kopf der Kopf, wenn das Herz etwas zu erreichen strebt! Der Verstand findet schnell eine Begründung, wenn das Herz sich meldet.
Schiller lässt Wallenstein das Wort sprechen: ,,Hab‘ ich des Menschen Kern erst untersucht, so weiß ich auch sein Wollen und sein Handeln.“
Machen wir uns doch frei von der unseligen Überschätzung des Menschen als Verstandeswesen, als logisches Wesen. Er ist ein ,,psycho“-logisches Wesen, ein Gefühlswesen, ein Erlebniswesen. Auf seine Gefühls- und Antriebsschichten kommt es oft mehr an, als auf den Grips. Was nützt der noch so perfekte einseitige, oft verbissene Kampf bloß um das Gehirn, um den Kopf eines anderen Menschen? Vielfach werden so nur unnötige Spannungen herausgefordert. Wer das Herz des anderen gewonnen hat, der hat ihn ganz und gar gewonnen!
Schließlich liegen auch die menschlichen Überzeugungen nicht im Intellekt, nicht im Verstand begründet, sondern in der Tiefe des Gefühls. Als bloße Überzeugung ausgegebene intellektuelle Ansichten kann man - wie der Volksmund sagt - wechseln wie ein Hemd. Die echte Überzeugung, die tiefe Wahrheit gewiss nicht.
Heute blicken wir mehr oder weniger fasziniert auf den Verstand, wird er doch systematisch geschult vom ersten bis zum letzten Tag unseres Lebens.
Dabei sind die Gefühlsunterschichten, z. B. die Lebendigkeit der Sinne, die Basis für jegliches Denken. Ganz zu schweigen davon, dass sie und in erster Linie nur sie, das ausmachen, was wir als das Wohlbefinden, als unser Glück bezeichnen.
Werden diese Gefühlsunterschichten jemals irgendwo systematisch ausgebildet? Wenn überhaupt, dann allenfalls am Rand. Weshalb sollten sie auch ausgebildet werden? Sie stehen der Leistungsfähigkeit doch immer wieder im Wege. Gefühle werden in unserer leistungsorientierten Gesellschaft als Störfaktor angesehen.
Im Grunde darf der westliche Mensch die Welt nur einseitig durch die Brille seines Verstandes sehen. Im Grunde muss er aus der Ausgewogenheit der Persönlichkeit, sozusagen aus der Mitte des Menschen herausgerissen, er muss kopflastig sein. Darf man sich dann auf der anderen Seite wundern über die steigende innere Unzufriedenheit? Uns geht es materiell so gut wie nie - und doch spüren wir dabei das steigende Gefühl des Unbehagens.
Nehmen wir es also zukünftig ernst, das Unbehagen! Scheuen wir uns nicht davor, es in uns wahrzunehmen - als ein erster Begleiter zu dem Goldtopf, der am Ende des Regenbogens auf uns wartet ...
,,Religion - was ist das?
Naturanlage? Grundbedürfnis? Illusion?“
Kritische Anfragen müssen erlaubt sein.
Es ist und bleibt eine Herausforderung, über den Ort von Religion in der menschlichen Alltagswelt nachzudenken. ,,Religion“ als menschliches Grundphänomen ist erst in der Neuzeit strittig geworden. Noch bis zur Aufklärung hat festgestanden: ,,Religion hat jeder Mensch“.
,,Religionskritik“ hat es, wie mein Pastor Meyer mir erzählte, in allen Jahrhunderten in ganz unterschiedlichen Erscheinungsformen gegeben; sie reicht von der Kirchen- und Christentumskritik bis zur Kritik am Aberglauben oder am Anthropomorphismus (also an der allzu menschlichen Darstellungs-Welle). Das radikale Bestreiten von Religion jedoch ist ein neuzeitliches Phänomen: Feuerbach hat sie als ,,Projektion“ menschlicher Sehnsüchte und Wünsche an den Himmel zu entlarven versucht, Freud als ,,Kollektivneurose“, Nietzsche gar hat vom ,,Tod Gottes“ gesprochen. Doch der verbreiteten Bestreitung von Religion steht ihre faktische Existenz unausrottbar gegenüber, sie ist eine recht ,,mächtige Realität in allen Teilen der Welt“.
Der Begriff Religion ist nach wie vor umstritten. Glaube, Frömmigkeit, Gottesverehrung standen bis zum Mittelalter für das Phänomen Religion. Erst im Mittelalter hat ,,Religion“ als Begriff ins Christentum Einzug gehalten. Allerdings hat das Wort Religion zwischenzeitlich etwas ganz anderes bedeutet: ,,Religio“ bezeichnete den Ordensstand, ,,religiosus“ war der Ordensangehörige.
Erst mit den konfessionellen Differenzen wurde der Begriff wieder allgemeiner; im 18. Jahrhundert treten andere Religionen verstärkt ins Blickfeld, und ,,vergleichende Religionswissenschaft“ bildete sich als Fach heran. Es entstehen ganz unterschiedliche Religionsbegriffe. Funktionalistische, die Religion soziologisch als ,,Sinngefüge einer Gesellschaft“ bestimmen und solche, die versuchen, Religion aufgrund von Gemeinsamkeiten in den konkreten Religionen zu beschreiben.
Hier ist Ebelings Religionsbegriff erwähnenswert: Religion ist ,,geschichtlich geformte vielgestaltige Verehrung einer Manifestation des Geheimnisses der Wirklichkeit“. Aller Reduktion der Religion auf praktische Vernunft und Moral (Kant) oder auch der Auflösung der Theologie in Anthropologie (Feuerbach) zum Trotz haben sich Gottesverehrung einerseits und andererseits die Fragen nach der Existenz Gottes oder der Theodizee als philosophische Grundthemen erhalten.
In der evangelischen Theologie hat sich bei Karl Barth und Dietrich Bonhoeffer aufgrund der Religionskritik und in Auseinandersetzung mit ihr eine Bestimmung von Religion als Unglaube ergeben; das Christentum sei keine Religion, formulierten diese Theologen, sondern im Gegensatz zur Religion (als Substanz der Kultur) ,,unverfügbare Offenbarung“.
In der katholischen Theologie hat es diese Zuspitzung nicht gegeben, da in ihr immer schon von einer ,,theologia naturalis“ (natürliche Theologie) die Rede gewesen ist. Das Zweite Vatikanische Konzil hat klar herausgestellt, dass in allen Religionen neben Irrtum auch Wahrheit, Wege zum Heil zu finden seien.
Der Mensch muss als Wesen gesehen werden, das auf Daseinsdeutung aus ist und angelegt ist. Kultur ist der Gesellschaftsanzug der Religion; man kann eine Religion nur wirklich erfassen, wenn man auch die Kulturgeschichte einer Region kennt. In Sachen Wahrheitsfrage hielt schon mein Konfirmationspfarrer Meyer daran fest, dass Religion und christlicher Glaube nicht unbedingt identisch seien. Und er ermahnte mich, ein kritischer Christ zu sein. Christlicher Glaube enthält m. E. sogar eine Religionskritik.“
Der Ort der Religion in der menschlichen Lebenswelt ist wohl längst noch nicht entdeckt.
Religion bleibt eine Anfrage.
Religio heißt auf deutsch soviel wie Respekt oder Anerkennung oder Rückbindung.
Religiös ist derjenige, dem etwas heilig ist. Auch damit kann man‘s übertreiben. Deshalb heißt religiosus auch der Abergläubige.
Man kann aber auch so leben, dass einem nichts heilig ist. Alles ist nur Mittel für beliebige Zwecke. Wem wirklich nichts heilig ist, wer vor nichts zürückschreckt, vor dem muß man sich hüten.
Die Einstellung gibt es, aber doch nicht allzuoft. Dagegen gibt es massenhaft die zur Schau gestellte Haltung, als ob einem nichts heilig sei. Das ist der Zynismus. Und offenbar denken manche: Die Aufklärung ist vollendet, wenn wir alle Zyniker sind, die über alles spotten können.
Zynismus ist parasitär. Er lebt davon, dass andere ernst nehmen, was er verhöhnt, und freut sich womöglich daran, dass es anderen weh tut. Dies Vergnügen am Sakrileg ist mir erst nach der Wende so richtig begegnet, als ich zum erst ein Kruzifix als Klopapierhalter auf Zeitung am Kiosk sah.
Ich erwarte nicht, dass die christliche Tradition nächstens ganz vergessen wird. Denn die vielen, die noch zur Kirche gehören, aber höchstens Weihnachten und Ostern zum Gottesdienst gehen, ansonsten nur die kirchlichen Passageriten Taufe, Konfirmation, Trauung, Beerdigung in Anspruch nehmen, ärgern zwar jeden Pfarrer mächtig, sie sagen aber auf Anfrage zumeist: Ich will mich da nicht weiter engagieren, aber gut, dass es die Kirche gibt. Sie halten für sich fest - da war doch noch was, daran will ich manchmal erinnert werden
Was würde passieren, wenn wider Erwarten die christliche Tradition dennoch ganz vergessen würde? Wir würden unsere kulturelle Überlieferung nicht mehr verstehen. Weihnachten und Weihnachtsmann, Ostern und Osterhase, mehr würde von unserer Festtagskultur nicht übrigbleiben. Vor mittelalterlicher Kunst würden wir stehen wie ein Analphabet vor einem Buch. Für weitere Teile unserer Literatur bräuchten wir kommentierte Ausgaben. Die DDR-Führung hatte es mit diesem Kultur-Analphabetismus schon ziemlich weit gebracht.
Es könnte eine hochindividualisierte Gesellschaft ohne wirkliche Individualität entstehen. Individualität soll heißen: im Wandel derselbe bleiben wollen. Aber: Die Ewig-Originellen erscheinen mir auch nicht originell.
Wenn alles gleich ist und gleich egal, wird Toleranz substanzlos. Ohne Gewissensbindung und ohne Religionskultur würde die Gewissensfreiheit zum bloßen Recht auf Eigensinn. Dieses Recht will sich eine derartige Gesellschaft auch dann irgendwann nicht mehr leisten, weil die auftretenden Reibungsverluste zu groß sind.
Und was wird ohne Bezug auf Gott aus der Menschenwürde? Die Würde des Menschen ist keine wissenschaftliche Tatsache. Sie ist eine Beziehungswahrheit, die nur im Vollzug ihrer Anerkennung gilt. Sie war in den beiden deutschen Diktaturen, dort für Rassenfeinde, hier für Klassenfeinde, nicht anerkannt. Sie waren Unkraut.
Aus der Erfahrung mit der ersten deutschen Diktatur stammt Artikel 1 des Grundgesetzes: ,,Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Wissenschaftliche Erkenntnisse erweitern fortwährend die menschlichen Handlungsoptionen. Aber je mehr wir tun können, um so brennender wird die Frage, was wir auch tun dürfen, ohne die menschliche Würde zu verletzen.
Es gibt den Autoaufkleber ,,Eure Armut kotzt mich an“, soll heißen: selbst schuld oder Pech gehabt. Der barmherzige Samariter war schön blöd, sein Geld zu verplempem. ,,Vergelt‘s Gott“ ist dann eine leere Floskel. ,,Der Ehrliche ist der Dumme“ wird dann ein Argument gegen Ehrlichkeit, die Hauptsache ist der Effekt, die Effekthascherei.
Und der weltanschaulich neutrale Staat würde sinnlos werden. Die beiden deutschen Diktaturen wollten das Christentum durch eine neue, staatlich durchgesetzte Einheits-Weltanschauung ersetzen, ein Werte-Esperanto aus der Retorte. An erster Stelle stand beide Male ,,Ergebenheit“, dort gegenüber dem Führer, hier gegenüber der Partei.
,,Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er nicht selbst garantieren kann“, hat der Staatsrechtler und frühere Verfassungsrichter Ernst-Wolfgang Böckenförde immer wieder gesagt. Wenn wir die verkommen lassen, haben wir unsere Sache auf Nichts gebaut.
Davor bewahre uns Gott.
Es wird wohl nicht dazu kommen, weil unsere Kinder viele Fragen stellen. Die müßten wir aber dann wenigstens ernst nehmen, auch wenn sie uns in Verlegenheit bringen.
Martin Honnecker referierte im Herbst 1998 über ,,Religion — Naturanlage oder Illusion“ im Haus der Wissenschaft
Kritische Anfragen an Irrtum und Wahrheit
Es ist und bleibt ,,eine Herausforderung, über den Ort von Religion in der menschlichen Lebenswelt weiter nachzudenken“, resümierte Martin Honnecker bei seinem Vortrag ,,Religion — Naturanlage oder Illusion“. Die Gerda-Henkel-Stiftung hatte zusammen mit der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften zum dritten Mal in diesem Jahr zum Nachdenken über das Menschenbild der Gegenwart eingeladen.
Der Bonner Professor für Sozialethik und Systematische Theologie versuchte, Grundpfeiler im großen Gebäude von ,,Religion“ und ,,Religionskritik“ freizulegen. ,,Religion“ als menschliches Grundphänomen sei erst in der Neuzeit strittig geworden. Noch bis zur Aufklärung habe festgestanden: ,,Religion hat jeder Mensch“.
,,Wünsche an den Himmel“
,,Religionskritik“ hat es in allen Jahrhunderten in ganz unterschiedlichen Erscheinungsformen gegeben; sie reiche von der Kirchen- und Christentumskritik bis zur Kritik am Aberglauben oder am Anthropomorphismus (also an der allzu menschlichen Darstellungs-Welle). Das radikale Bestreiten von Religion jedoch sei ein neuzeitliches Phänomen: Feuerbach habe sie als ,,Projektion“ menschlicher Sehnsüchte und Wünsche an den Himmel zu entlarven versucht Freud als ,,Kollektivneurose“‘ Nietzsche gar habe vom ,,Tod Gottes“ gesprochen. Doch der verbreiteten Bestreitung von Religion stehe ihre faktische Existenz unausrottbar gegenüber, sie sei eine ,,mächtige Realität in allen Teilen der Welt“.
Der Begriff Religion „dessen Herkunft nach wie vor umstritten ist" sei kein christlicher Begriff. Glaube, Frömmigkeit, Gottesverehrung standen bis zum Mittelalter für das Phänomen Religion. Erst im Mittelalter habe ,,Religion“ als Begriff ins Christentum Einzug gehalten. Allerdings habe Religion zwischenzeitlich etwas ganz anderes bedeutet: ,,Religio“ bezeichnete den Ordensstand‘ ,,religiosus“ war der Ordensangehörige.
Erst mit den konfessionellen Differenzen wurde der Begriff wieder allgemeiner; im 18. Jahrhundert treten andere Religionen verstärkt ins Blickfeld, und ,,vergleichende Religionswissenschaft“ bildet sich als Fach heran. Es entstehen ganz unterschiedliche Religionsbegriffe. Funktionalistische, die Religion soziologisch als ,,Sinngefüge einer Gesellschaft“ bestimmen und solche, die versuchen, Religion aufgrund von Gemeinsamkeiten in den konkreten Religionen zu beschreiben.
Kultur als ein Gewand
Honnecker zitierte unter anderem Ebelings Religionsbegriff: Religion ist ,,geschichtlich geformte vielgestaltige Verehrung einer Manifestation des Geheimnisses der Wirklichkeit“. Aller Reduktion der Religion auf praktische Vernunft und Moral (Kant) oder auch der Auflösung der Theologie in Anthropologie <Feuerbach) zum Trotz haben sich Gottesverehrung einerseits und andererseits die Fragen nach der Existenz Gottes oder der Theodizee als philosophische Grundthemen erhalten.
In der evangelischen Theologie, so legte Honnecker in einem kleinen Exkurs dar, "habe sich bei Karl Barth und Dietrich Bonhoeffer aufgrund der Religionskritik und in Auseinandersetzung mit ihr eine Bestimmung von Religion als Unglaube ergeben; das Christentum sei keine Religion, formulierten diese Theologen, sondern im Gegensatz zur Religion (als Substanz der Kultur) ,,unverfügbare Offenbarung“. In der katholischen Theologie habe es diese Zuspitzung nicht gegeben, da in ihr immer schon von einer ,,theologia naturalis“ (natürliche Theologie) die Rede gewesen sei. Das Zweite Vatikanische Konzil habe klar herausgestellt, dass in allen Religionen neben Irrtum auch Wahrheit, Wege zum Heil zu finden seien.
Honnecker stellte heraus, „dass der Mensch ein Wesen sei, das auf Daseinsdeutung aus ist und angelegt ist“. Kultur sei ,,das Gewand der Religion“; man könne eine Religion nur wirklich kennenlernen, wenn man auch die Kultur kennenlerne. In Sachen Wahrheitsfrage hielt der evangelische Theologe daran fest, dass Religion und christlicher Glaube nicht identisch seien. ,,Der christliche Glaube“, so Honnecker‘ ,,enthält sogar eine Religionskritik.“
Der Ort der Religion in der menschlichen Lebenswelt sei, so faßte er zusammen, noch nicht entdeckt. Religion bleibe eine Anfrage.
IDA LAMP
Zum Thema
Religionsbewusstsein
Während meiner Lese- und Nachdenkstunden wird mir immer wieder kraß bewusst, dass viele schwierige Fragen unbeantwortet bleiben. Wie läßt sich das Weltgeschehen, menschliches Miteinander und wahre Vernunft unter einen Hut bringen?
Theoretische Physik hilft da nicht weiter.
Darum ließ mich die Neugier auf gutes Allgemeinwissen, Politik und Religion nie ganz los.
Dass die Welt Frieden braucht und dass man sich deswegen anstrengen muß, stand und steht für mich fest.
Und mit dem Wort Gott verband und verbinde ich durchaus sehr bestimmte Vorstellungen. Zufälle sind Gott in seiner Schöpfung nicht zu unterstellen — wie viel oder wie wenig zuverlässiges Archiv-Material wir auch über ihn haben mögen.
Selbst die größten Denker stoßen bei diesem Thema an Grenzen. Das gilt für Naturwissenschaft wie Philosophie. In der Düsseldorfer Heine-Universität hängt im Vorraum der Philosophischen Fakultät ein Plakat, dessen Text ich hier sinngemäß wiedergebe: „Das Geheimnis des Universums ist verborgen und unfaßbar. Wird es entdeckt und erfaßt, so wird es sofort durch etwas Neues und Unfaßbares ersetzt.“
Na, denn ... Ergo: Wie macht Gott sich bemerkbar? Was kann der Mensch über ihn wissen? Woher kommt Gott? Was fällt an ihm auf?
IST ER/SIE/ES FRAU ODER MANN?
Es kommt ganz darauf an.
Die Menschen haben Gott ja immer schon unter den verschiedensten Umständen erlebt.
Vom religiösen Empfinden ist ja — genau besehen — kein Mensch ganz frei.
Allerdings geht die Begegnung mit Gott nicht immer so unkompliziert wie beim biblischen Erzvater Abraham vor sich. Bei dem kam Gott zu Besuch. Kuchen wurde ihm vorgesetzt. Und bei Tisch ließ sich über so manches reden, was da war und was noch kommen sollte. Die Nachkommen von Abraham und Sarah haben es weitererzählt, und als - Generationen später - endlich jemand den Hergang aufschrieb, war im Iran schon ein anderer draufgekommen, Informationen über den Einen und Allmächtigen in Geist und Buchstaben zu bannen:
Zarathustra schuf Ordnung im herumirrenden Götter- und Geisterglauben der Völker. Er gab dem religiösen Denken eine Gestalt, auf die der Mensch sich konzentrieren konnte: Ahura Masda.
Die Gottheit als Mann: Das war nicht immer selbstverständlich. Vor ungefähr 10 000 Jahren, am Ende der Eiszeit, als die Menschen mit dem Ackerbau anfingen, konnte Gott beim Gedanken an die erhoffte Fruchtbarkeit nur eine Frau sein, gebärfreudig, mächtig und sehr körperlich. Erst in viel späteren Gesellschaftsformen, bei denen Krieg und Raub eine große Rolle zu spielen begannen, setzten sich Mannsbilder durch.
Man kann, zeigten mir meine damals wie heute gern gelesenen Bücher, die Geschichte Gottes längst nicht Punkt für Punkt überschaubar vorlegen. Längst nicht immer spricht das Fortschreiten der Gottesidee für Konsequenz. Zeiten überlagern sich. Der Hang zum Monotheismus setzte allerdings weit früher ein, als wir es heute oft wahrhaben wollen.
Bei den Griechen etwa konnte sich, während die kleinen Leute emsig Klatsch und Tratsch über den olympischen Götterhimmel austauschten, der Philosoph Empedokies im 5. Jahrhundert v. Chr. schon abstraktere (und beinahe pfingstlich anmutende) Gottesvorstellungen machen: Gott habe gar keinen menschlichen Leib, stellte er fest, „sondern heiliger Geist nur, unaussprechlicher, ist er“.
Die Ägypter, erfahren in Glückszeiten und heimgesucht von grausigen Plagen, wußten bereits: Nur über seine Begleiterscheinungen ist mit Gott Erfahrung zu machen. Unumgänglich entdeckt fast jeder Mensch bis auf den heutigen Tag die eigene Veranlagung, Gott einzubeziehen in sein Erleben.
Gott ist tot? Niemals.
Das lasse ich mir auch von Herrn Nietzsche nicht erzählen: Tot ist doch immer nur eine Gottesvorstellung, die vom Denken einer veränderten Zeit überholt worden ist. Gott, weiß/empfinde ich, entsteht und wirkt im Bewusstsein.
Dazu gehört nach meinem Verständnis keineswegs gleich das Bekenntnis zu irgendeiner Kirche. Gegenüber den kirchlich verfestigten Glaubensformen bin ich im Sinne der Unterweisung durch Pastor Meyer, Tersteegen-Gemeinde Düsseldorf, eher mißtrauisch geblieben. „Geeinigt“ haben der Pastor und ich uns damals auf die Orientierung Paulus bzw. Jesus von Nazareth.
Ich kam nie dazu, in stumpfsinnige Frömmelei zu verfallen. Durch die einfühlsame Unterweisung des Pastors wurde meine engagierte Neugier („Bleib´ ein kritischer Christ ... ) für die so verschiedenen Wege des Suchens nach letzter Wahrheit eher ein Staunen und das wirkte damals und zwischendurch immer wieder mitreißend. Bei Paulus las ich: „Der Jude will Zeichen, der Grieche will Weisheit ... Selbst die Schwäche Gottes ist stärker als die ganze Welt ...“ Pastor Meyer lehrte mich, meinen Lesekonsum zu steuern und bald wurde mir klar, wie insbesondere Griechenland dem europäischen Geist sein Profil gab und wie sich mit den Gottes- und Jesus-Ideen Leitgedanken für die Ethik verbinden. Mir wurde auch früh klar, wieviel ich - bezüglich Paulus´ Korinther-Brief - selber Jude und Grieche war und bin ...
„Gottesdienst“ - so Pastor Meyer damals - ist immer auch Dienst an der ganzen Sache, am Gemeinwesen also. Heute ist die Gesellschaft weit entfernt von einem solchen auf wertsetzende Größen bezogenen Ernst. Zwei krasse Revolutionen das Erbe des klassischen Denkens erheblich geschmälert - Revolutionen, die sich aber auch wiederum schier religiöse Merkmale zugelegt haben.
Die „Religion“ der Marktwirtschaft und die alternativen Ideen von Lenin etc. haben wohl nur wenig mehr als wirtschaftliche und ideologische Müllhaufen hinterlassen. Der jetzige Markt und der der aktuelle Atom- und Kunststoff- Schutt lassen für Gott nicht mehr viel Platz.
Aus dem menschlichen Bewusstsein aber läßt Gott sich doch nicht verdrängen.
Gott bleibt.
Weil er sich mit den Menschen verändert, bedarf seine Definition nur immer neuer Formen. Mit religiösen Fragen ist es wie mit Glauben oder Geld. Hier gilt dann, dass selbst die kleinste Münze Wert hat, immer vorausgesetzt, sie kommt nicht aus der Falschmünzerei von Wucherern und Verführern.
Eigentlich wäre jetzt noch vom Heiligen Geist und womöglich von Pfingsten zu reden: Der Geist Gottes unter den Menschen. Wie es da zugehen kann, können Sie in der Bibel der Christen nachlesen: Apostelgeschichte, 2. Kapitel.
26 gleiche Fragen an geistliche Führer der vier Weltreligionen (PM 11/96)
1. Welches ist das Symbol der Religion. und welche Bedeutung hat es?
2. Kann man zur Religion übertreten? Wenn ja — wie?
3. Wie und in welchem Alter werden Kinder in die jeweilige Religionsgemeinschafl aufgenommen? Gibt es religiöse Zeremonien für Kinder/Jugendliche?
4. Welche religiösen Pflichten hat der Gläubige?
5. Ist finanzielle Unterstützung der Gemeinde freiwillig oder Pflicht?
6. Gibt es Essens-Ge- oder Verbote?
7. Gibt es Kleidungsgebote für die Gläubigen?
8. Existiert der Begriff Sünde? Welche gilt als schlimmste Sünde?
9. Wie erlangt der Gläubige Verzeihung der Sünden?
10. Welche Vorstellung hat die Religion von Gott?
11. Welches ist das Ziel der religiösen Praxis?
12. Was kommt nach dem Tod?
13. Gibt es die Hölle?
14. Wie steht die Religion zu Empfängnisverhütung?
15. Ist künstliche Befruchtung erlaubt?
16. Ist Abtreibung erlaubt?
17. Wie beurteilt die Religion die Frage der Scheidung?
18. Wie steht sie zu Ehebruch?
19. Sind sexuelle Beziehungen vor der Ehe erlaubt?
20. Ist die Ehe mit einem Andersgläubigen erlaubt?
21. Können Frauen kirchliche Funktionen übernehmen?
22. Welche sind die höchsten Festtage?
23. Gibt es eine Heilige Schrift? Was ist ihr Ursprung?
24. Wer ist das geistliche Oberhaupt?
25. Welche bedeutenden Sekten/mystischen Strömungen sind aus der Religion entstanden?
26. Welche Einstellung hat die Religion zu Tieren?
Dr. Franz - Josef Bode, Bischof von Osnabrück, 45,
(jüngster Diözesanbischof Deutschlands)
1. Das Kreuz ist das Symbol für Leiden, Sterben und Auferstehung Jesu Christi. Für Christen bedeutet es Menschlichkeit, Solidarität. Hingabe. Opferbereitschaft, Versöhnung und Erlösung.
2. Grundsätzlich kann jeder ein Mitglied der katholischen Kirche werden. Für Nichtchristen vollzieht sich der Eintritt durch die Taufe, für einen nicht-katholischen Christen genügt eine Zeit der religösen Vorbereitung.
3. Kinder sollen möglichst schon innerhalb der ersten Lebenswochen getauft werden. Mit etwa neun Jahren werden sie zum Empfang der Kommunion feierlich zugelassen, mit etwa 14 Jahren können sie das Sakrament der Firmung empfangen. Taufe, Kommunion und Firmung bewirken die volle christliche Einweihung.
4. Für katholische Christen ist tägliches, regelmäßiges Beten (Morgen-. Tisch- und Abendgebet) ebenso Pflicht wie die Teilnahme an der Eucharistiefeier (Heilige Messe) an den Sonntagen und an allen hohen Feiertagen. Die sonntägliche Messe wird seit den Tagen der Ur-Kirche gefeiert. Sie ist der wichtigste Ausdruck des Lebens in einer christlichen Gemeinde und für den Christen identitätsstiftend.
5. Christen haben die Pflicht. für die Kirche (Personal- und Sachkosten) sowie karitative Einrichtungen einen Beitrag zu leisten. Dieser wird in Deutschland in Form der Kirchensteuer erhoben - je nach Region 8 bis 9 Prozent der Lohn-/Einkommensteuer.
6. Es gibt keine Speisen, die grundsätzlich verboten waren. Aber es gibt Abstinenz- und Fastentage. Abstinenz bedeutet Verzicht auf Fleisch bzw. spürbare Einschränkung von Genußmitteln. Sie ist für alle Freitage. Aschermittwoch und Karfreitag für alle Katholiken ab 14 Jahren vorgeschrieben. In der Fastenzeit - von Aschermittwoch bis Ostersamstag - sollten Gläubige (zwischen dem 18. und 60. Lebensjahr) nur eine volle Mahlzeit täglich einnehmen. Der Sinn von Fasten und Abstinenz besteht darin, zu erfahren, dass man nicht von Konsum und materiellen Dingen abhängig ist.
7. Für Katholiken gibt es keine besonderen Kleidungsvorschriften. Geistliche sollen in der Offentlichkeit als solche erkennbar sein (dunkler Anzug und Kreuz am Revers). Bei gottesdienstlichen Handlungen sind tiir sie liturgische Gewänder vorgeschrieben.
8. Sünde ist ein Verstoß gegen die Vernunft, die Wahrheit und das rechte Gewissen, eine Verfehlung gegen die Liebe zu Gott, zum Mitmenschen und. sich selbst. Eine besonders schwere Sünde (»Todsünde«) liegt vor, wenn ein Mensch sich bewusst und frei von Gott abwendet. Als Hauptsünden gelten in christlicher Überlieferung: Stolz, Habsucht, Neid, Unkeuschheit, Unmäßigkeit, Trägheit und Überdruß.
9. Gottes Heilswille ist stärker als jede Sünde. Voraussetzung für Vergebung sind Reue und Umkehr. Vergebung kann in verschiedenen Formen geschehen: etwa durch Mitfeiern der Messe oder Bußgottesdienste. Schwere Sünden werden durch das Bußsakrament (Beichte) vergeben.
10. Christen beziehen ihr Gottes-Bild aus der Bibel. die uns die Geschichte Gottes mit den Menschen erzählt. Er hat Himmel, Erde und die Menschen erschaffen. Er ist in Jesus Christus Mensch geworden. Er ist der Herr der Geschichte. der hilft, heilt, befreit, erlöst, der hier und heute im Heiligen Geist Neues bewirken kann. Er ist die grenzenlose Liebe und für uns Menschen ansprechbar.‘ Aber letztlich bleibt Gott fiir die Menschen ein unsagbares Geheimnis.
11. Ziel der religiösen Praxis ist, Gott und den Nächsten zu lieben. Die christliche Religion ist keine Privatsache, es geht ihr nicht darum, persönliche Glücksgefiihle zu vermitteln. Durch das religiöse Tun soll sichtbar gemacht werden, dass es Gott gibt und dass er allen Menschen nahe sein will.
12. Christen glauben an das ewige Leben, das sich im Tod eröffnet. Im Tod verfällt der Leib, die Seele wird in die ewige Gemeinschaft mit Gott aufgenommen. Aber es geht nicht nur um das Weiterleben und die Vollendung des einzelnen, sondem wir glauben an die Auferstehung der Toten, d.h. an die Vollendung der Menschheit und aller Wirklichkeit durch Gott.
13. Wer mit einer »Todsünde« stirbt, ohne diese bereut zu haben und die barmherzige Liebe Gottes anzunehmen, hat sich durch eigenen. freien Entschluß von Gott getrennt. Hölle ist die Verzweiflung über diesen Zustand endgültiger Selbstausschließung aus der Gemeinschaft mit Gott.
14. Eheleute sollen selbst, nach gewissenhafter Abwägung, die Zahl ihrer Kinder entscheiden. In der Praxis dieser verantworteten Elternschaft lehnt die Kirche künstliche ernpfängnisverhütende Mittel ab. Allerdings ist die persönliche, verantwortungsvolle Gewissensentscheidung die letzte maßgebliche Norm der persönlichen Sittlichkeit.
15. Künstliche Befruchtung ist nicht erlaubt, weil Kinder unmittelbar aus der ehelichen, sexuellen Liebe gezeugt werden sollen.
16. Das ungeborene Kind hat von Anfang an ein Recht auf Leben. Die Abtreibung wird daher entschieden abgelehnt. Nur bei Lebensgefahr der Mutter wird eine sorgfältige Gewissensentscheidung des Arztes für ihr Leben toleriert.
17. Die kirchlich geschlossene Ehe zwischen getauften Christen ist unauflöslich. Falls sie scheitert, dürfen die Partner sich zwar trennen, aber nicht wieder kirchlich heiraten.
18. Ehebruch gilt als schweres Unrecht, weil er das Treueversprechen der Ehe verletzt.
19. Nach Auffassung der katholischen Kirche soll der Austausch von Zärtlichkeiten dem Grad der persönlichen Beziehung angemessen sein - der volle Geschlechtsverkehr gehört daher ausschließlich in die Ehe.
20. Katholische Christen können Anders- und Nichtgläubige heiraten. Sie müssen versprechen, in ihrer Ehe als katholische Christen zu leben und sich nach Kräften darum zu bemühen, dass ihre Kinder getauft und im katholischen Glauben erzogen werden.
21. Ämter. die eine Weihe voraussetzen (Priester. Diakon. Bischof). können nur von Männern übernommen werden - alle anderen kirchlichen Funktionen sind auch für Frauen offen (zum Beispiel Gemeinde- und Pastoralreferentinnen).
22. Hohe kirchliche Feiertage sind z.B. Weihnachten, HI. Dreikönige. Ostern, Himmelfahrt, Pfingsten, Fronleichnam, Aufnahme Mariens in den Himmel und Allerheiligen.
23. Die Heilige Schrift ist die Bibel - das Alte und das Neue Testament. In ihr ist Gottes Offenbarung enthalten. Sie wurde von Menschen verfaßt, die von Gott inspiriert waren.
24. Das Haupt der katholischen Kirche ist Jesus Christus. Ein herausragendes Amt hat der Papst, der Bischof von Rom. inne. Er ist der Nachfolger des Apostels Petrus. Der Papst steht aber nicht über, sondern in der Kirche. Als Garant der Einheit hat er als Bischof von Rom eine Vorrangstellung unter den Bischöfen.
25. Durch Spaltung und Trennung haben sich aus der katholischen Kirche die orthodoxen (zum Beispiel russisch, griechisch) und die reformatorischen (evangelischen) Kirchen entwickelt. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil ist die katholische Kirche sehr um Dialog und Ökumene mit anderen christlichen Kirchen und Gemeinschaften bemüht.
26. Tiere sind Geschöpfe Gottes und somit in seine Fürsorge mit einbezogen. Nach der Bibel sind sie dem Menschen aber nicht gleichgestellt. sondern stehen in seinem Dienst. Tierquälerei wird als Sünde angesehen, denn als Gottesgeschöpfe haben Tiere Anspruch auf menschliche Solidarität. Nach christlicher Auffassung ist nicht davon auszugehen, dass die einzelnen Tiere nach dem Tod weiterleben.
Manfred Sorg, 57, Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen
1. Das Symbol des Christentums ist das Kreuz. Kreuzigung war die römische Strafe bei Hochverrat. Jesus von Nazareth wurde als politischer Rebell hingerichtet. Dieses - vordergründig das Scheitern eines Lebens anzeigende - Kreuz wird im Christentum zum Zeichen von Hoffnung und Vergebung.
2. Ja. Für einen getauften Christen genügt Anmeldung in einer evangelischen Pfarrei. Der Eintritt eines Nicht-Christen geschieht durch die Taufe.
3. Die offizielle Aufnahme des Kindes ist die Taufe, meistens bereits im Säuglingsalter. Es gibt evangelische Kindergärten und Kindergottesdienste. Die feierliche Konfirmation im 14. Lebensjahr nach einem zweijährigen vorbereitenden Unterricht. berechtigt zur Teilnahme am Abendmahl (in manchen Kirchen ist das schon vorher möglich).
4. Es gibt keine Pflichten. Regelmäßige Gebete, das Lesen der Bibel, Besuch des Gottesdienstes und Teilnahme an Gemeindeaktivitäten sind freiwilliger Ausdruck evangelischer Frömmigkeit.
5. Ab einer bestimmten Einkommensgrenze zahlen die Mitglieder Kirchensteuer in der Regel 8 bis 9 Prozent der Lohn- oder Einkommensteuer. Darüber hinaus kann die Arbeit der Kirche durch Spenden zum Beispiel bei der sonntäglichen Kollekte) unterstützt werden.
6. Nein. Paulus schreibt in seinem 1. Korintherbrief: »Alles dürft ihr essen.«
7. Nein, wichtig sind die Texte nicht die Textilien. Auch die Geistlichen tragen nur beim Gottesdienst eine Amtstracht - den Talar.
8. Sünde ist die Ab-Sonderung von Gott, also der Unglaube, die Verneinung Gottes. Die Schuld. die sich Menschen gegenseitig zufügen, ist eine Folge davon, also zugleich eine Schuld an Gott.
9. Wer seine Schuld vor Gott und den Menschen bekennt, erlangt Vergebung. Das Kreuz bedeutet, dass Gott die menschliche Schuldgeschichte mit seinem Vergebungswillen durchkreuzt. Das Abendmahl ist auch ein Zeichen der Vergebung von Sünden.
10. Gott ist Schöpfer, Erhalter .und Vollender der Welt. Christen glauben, dass Gott den Menschen in Jesus Christus begegnet. Dass Menschen bis heute von Christus begeistert sind, ist Wirkung des Heiligen Geistes Gottes. Daher spricht das Christentum von der Dreieinigkeit des einen Gottes.
11. Gottes- und Nächstenliebe sind die großen Gebote. Das Ziel des Glaubens ist die Einheit mit Gott und die Herrschaft von Gottes Willen.
12. Der gekreuzigte Jesus wurde durch Gott von den Toten auferweckt. Damit zeigt Gott. dass nicht der Tod, sondern Er selbst das letzte Wort spricht. Vom Leben danach redet die Bibel in Bildern und Gleichnissen, welche seine Andersartigkeit betonen (»Siehe, ich mache alles neu.«)
13. Die Hölle ist kein bestimmter Ort in der Totenwelt, sondern ereignet sich überall. wo Menschen Gottesferne und Verlorenheit erleiden. Wo ihnen von anderen die Hölle auf Erden bereitet wird, können Christen das nicht hinnehmen. Offen ist die Frage. ob die Hoffnung auf ein neues Leben nach dem Tod auch denen gilt, die Gott durch ein menschenschädigendes Leben stets verneint haben.
14. Die evangelische Kirche hat keine für alle in gleicher Weise verpflichtenden ethischen Gebote, jeder handelt letztlich eigenverantwortlich aus seinem Glauben. Es gibt allerdings ethische Empfehlungen. In der Frage der Empfängnisverhütung lautet diese: Künstliche Verhütung wird ausdrücklich bejaht, da Sexualität ihren Wert auch ohne Kinderwunsch hat. Abgelehnt wird jedoch mehrheitlich die »Pille danach«.
15. Die Evangelische Kirche lehnt sie nicht grundsätzlich ab, eine Handreichung von 1985 rät aber davon ab. Entschieden verworfen werden alle Verfahren, bei denen überzählige Keime anfallen, die dann tiefgefroren werden oder geplant absterben. Abgelehnt wird eine Leihmutterschaft.
16. Die meisten evangelischen Christen akzeptieren den Abbruch als eine zwar problematische, aber mögliche Form der Geburtenregelung. Besonders bei Lebensbedrohung der Mutter, nach Vergewaltigung und in sozialen Notlagen. Abgelehnt wird aber von vielen der Abbruch, wenn das Ungeborene geistig/körperlich geschädigt ist - weil damit Behinderten das Lebensrecht abgesprochen wird.
17. In einer von anhaltender Lieblosigkeit geprägten Ehe ist Scheidung möglich. Seit 1960 lehnt die evangelische Kirche das einseitige Schuldprinzip ab, geht von Zerrüttung als Scheidungsgrund aus.
18. Ehebruch wird als Ausdruck von Untreue entschieden abgelehnt. Gleichwohl warnt Jesus vor moralischer Überheblichkeit gegenüber Ehebrechern.
19. Verantwortlich gelebte Sexualität vor der Ehe ist nicht verboten — allerdings gibt es innerhalb der evangelischen Kirche dazu auch andere Ansichten.
20. Gegen Ehen mit andersgläubigen Partner(inne)n bestehen keine grundsätzlichen Einwände, auch kirchliche Trauungen sind möglich. Die Kinder sollten, wenn möglich, im christlichen Glauben erzogen werden
21. Ja, sie können alle kirchlichen Funktionen übernehmen.
22. Weihnachten. Karfreitag, Ostern. Pfingsten. Himmelfahrt und Reformationstag.
23. Die Bibel besteht aus den 39 Büchern des Alten Testaments, die identisch sind mit den Heiligen Schriften des Judentums, und den 27 Büchern des Neuen Testaments, die von Jesus Christus und der frühen Christenheit handeln. Wichtiger als die Wörter ist aber der sich darin aussprechende Geist.
24. Das geistliche Oberhaupt trägt in den einzelnen Landeskirchen eine unterschiedliche Bezeichnung: Bischof, Landesbischof. Präses, Kirchenpräsident. Darüber hinaus gibt es kein weiteres Oberhaupt.
25. Zur evangelischen Kirchenfamilie gehören neben den lutherischen, reformierten und unierten Landeskirchen die sogenannten Freikirchen - etwa die Mennoniten, Baptisten, Heilsarmee, Pfingstkirche. Adventisten. Bedeutende Sekten: Zeugen Jehovas, Mormonen, Neuapostolische Kirche. Evangelische Kirche und Sekten lehnen sich wechselseitig grundsätzlich ab.
26. Tiere (und auch Pflanzen) sind Teil der Schöpfung Gottes, also Mitgeschöpfe des Menschen. In der Geschichte der Christenheit ist diese Wahrheit gelegentlich in den Hindergrund getreten, heute aber unumstritten. Zur Frage, ob es für Tiere ein Jenseits gibt, hat die evangelische Kirche - wie überhaupt zur Frage des Jenseits - keine Spekulation.
Itzchak Ehrenberg, 46, seit sechs Jahren Rabbiner der jüdischen Gemeinde in München, Vertreter des orthodoxen Judentums
1. Das bekannteste Symbol des Judentums ist der Davidstern. Das Hexagramm, ursprünglich ein magisches Symbol zur Abwehr feindlicher Kräfte. wurde im 17. Jahrhundert in Prag erstmalig als offizielles Zeichen des Judentums verwendet. Älter jedoch ist das Bild des siebenarmigen Leuchters (Menorah) — ein Symbol der Weisheit.
2. Jude ist, wer von einer jüdischen Mutter geboren wurde. Aber jeder, der es ehrlich wünscht, kann Jude werden. Außerlich vollzieht sich der Ubertritt durch: Annehmen der Thora (der Lehren Gottes). ein Tauchbad (Mikweh) und (für Männer) die rituelle Beschneidung.
3. Jüdische Knaben werden am 8. Tag nach der Geburt rituell beschnitten, als Zeichen ihres Judentums. Jungen werden mit 13 Jahren (Bar Mitzwah), Mädchen mit 12 (Bat Mitzwah) Mitglieder der jüdischen Gemeinschaft. Jungen dürfen ab diesem Tag in der Synagoge aus der Thora lesen.
4. Das Judentum kennt 613 Ge- und Verbote, die alle Bereiche des Lebens betreffen. Als religiöse Pflichten sind zu nennen: Morgen-, Mittag- und Abendgebet (am besten in der Synagoge); Besuch der Synagoge am Sabbat und an allen Hohen Feiertagen.
5. Zusätzlich zur Kirchensteuer, die in manchen Ländern erhoben wird, sollen zehn Prozent vom Einkommen gespendet werden, an die Gemeinde oder für wohltätige Zwecke.
6. Der Mensch soll möglichst bewusst handeln, also auch essen, daher gibt es im Judentum viele Essensgebote. Die meisten betreffen den Fleischkonsum (kosher): Nur das Fleisch von Wiederkäuern mit gespaltenen Hufen (Rind, Ziege, Schaf, Wild) ist erlaubt: bei den Fischen nur solche, die Flossen und Schuppen haben (keine Meeresfrüchte): bei Geflügel nur solche Arten, die kein Fleisch fressen. Fleisch und Milch sollen nicht gemischt verzehrt werden. Hinzu kommen sechs Fastentage im Jahr.
7. Es gibt Empfehlungen, Ge- und Verbote. Beispiele: Männern wird empfohlen. die Kipa (Kappe) aufzusetzen, vor allem beim Besuch der Synagoge: verheiratete Frauen müssen ein Kopftuch oder eine Perücke tragen. An zwei der insgesamt sechs jährlichen Fastentage dürfen keine Schuhe aus Leder angezogen werden. Es ist verboten. Kleidungsstücke aus einem Gemisch von Wolle und Leinen zu tragen.
8. Die erste Sünde war die Erbsunde von Adam und Eva im Paradies — die Abwendung vom Willen Gottes. Sünde ist dar über hinaus jede Übertretung der 613 Gebote. Nach jüdischem Glauben ist Gott geduldig, wenn gegen Ihn gesündigt wird, aber nicht, wenn Menschen sich untereinander schaden. Die drei schlimmsten Sünden sind: Götzendienst. Mord und Unzucht.
9. Wer seine Sünden ernsthaft bereut, dem wird verziehen. Als äußeres Zeichen kennt das Judentum Reuegebete. Am Jom Kippur (Versöhnungstag) - einem unserer höchsten Feiertage - können die Gläubigen durch entsprechende Gebete Verzeihung aller Sünden erlangen.
10. Gott ist der Schöpfer der Welt. Am Berg Sinai hat Er sich dem ganzen jüdischen Volk gezeigt und ihm die zwei ersten Gebote gegeben. Der direkte Kontakt von Gott zu den Menschen (ohne die Vermittlung eines Propheten) ist einzigartig an unserer Religion. Die restlichen Gebote hat Moses dann allein aus dem Munde Gottes entgegengenommen.
11. Das irdische Dasein ist nur Übergang — das Ziel eines gerechten, gottgefälligen Lebens ist das Leben neben Gott in der kommenden Welt.
12. Wir glauben an die Auferstehung von den Toten und das Weiterleben. Daher darf nach jüdischem Glauben ein Grab niemals angetastet werden. In der mystischen Tradition des Judentums <Kabbalah> gibt es die Vorstellung der Reinkarnation: Wer seine Aufgaben im irdischen Leben nicht erfüllt hat. muss sich neu verkörpern.
13. Hölle ist die »Wäscherei«, in der die Seele von den Flecken der Sünde reingewaschen wird. Nach jüdischem Glauben bleibt ein Gerechter elf Monate in der Hölle, ein Sünder zwölf Monate. Nur für außerordentlich schlimme Verbrecher gibt es Hölle ohne Rückkehr.
14. In der jüdischen Tradition ist jedes Verhütungsmittel erlaubt, das die Frau anwendet.
15. Künstliche Befruchtung ist nicht nur erlaubt, sondern wenn nötig sogar erwünscht - denn Gott will, dass sich die Menschen vermehren. Allerdings muss der Samenspender der Ehemann sein.
16. Abbruch der Schwangerschaft ist nur erlaubt, wenn Lebensgefahr für die Mutter besteht.
17. Scheidung ist erlaubt. In alten Zeiten war der alleinige Wunsch des Mannes ausschlaggebend, seit etwa tausend Jahren müssen beide Ehepartner die Trennung wollen.
18. Ehebruch ist nach jüdischer Tradition eine schwere Verfehlung, wenn die Frau ihn begeht. Er hat automatisch die Scheidung zur Folge. Männer sollen zwar auch nicht die Ehe brechen. Aber wenn es passiert, ist ein Weiterführen der Ehe trotzdem möglich. Dieser Unterschied erklärt sich aus der Tradition: Bis vor etwa tausend Jahren war es für Männer erlaubt, mehrere Ehefrauen zu haben.
19. Sexuelle Beziehungen vor der Ehe sind nicht erlaubt.
20. Juden dürfen nur Juden heiraten. Ein Andersgläubiger muss zum Judentum übertreten.
21. Im orthodoxen Judentum können Frauen grundsätzlich keine rabbinischen Funktionen übernehmen.
22. Die höchsten jüdischen Feiertage sind Jom Kippur. der Neujahrstag. das Laubhüttenfest, Pessach (Ostern) und Schawuot (Pfingsten).
23. Die Heilige Schrift der Juden ist die Bibel. Sie besteht aus insgesamt 24 Büchern. Der zentrale Teil sind die fünf Bücher Mose (Thora), die von Gott auf dem Berg Sinai gegeben wurden. Es gilt als Sünde, die Wahrheit der Fünf Bücher Mose zu diskutieren - sie dürfen nur interpretiert werden.
24. Das höchste Amt ist das Rabbinat. Rabbiner sind studierte Theologen und alle gleichgestellt. Aber es gibt darunter immer wieder Gelehrte, die auf Grund ihrer persönlichen Kompetenz besonders viel Autorität haben.
25. Im 19. Jahrhundert begann in Deutschland die Bewegung des »Reformjudentums«, die bestimmte Bereiche der Religion liberalisierte und sich vor allem in England, in den USA ausbreitete. Die orthodoxen Juden lehnen die Reform grundsätzlich ab, weil Gottes Wort nicht verändert werden darf. Darüber hinaus sind im Lauf der Geschichte viele mystische Strömungen entstanden, wie etwa die Chassidim (vor allem in Osteuropa).
26. Tiere haben keine Seele. Sie sind - wie alles auf der Welt - von Gott für die Menschen erschaffen worden. Aber Tierschutz hat eine lange Tradition im Judentum. Zum Beispiel darf ein Jude sich nicht zu Tisch setzen, bevor er seine Tiere gefüttert hat.
Geshme Thubten Ngawang, Mönch aus dem tibetischen Kloster Sera; seit 1979 geistlicher Leiter des Tibetischen Zentrums Hamburg, das unter der Schirmherrschaft Seiner Heiligkeit des 14. Dalai Lama steht.
1. Das Symbol des Buddhismus ist das Rad. Nabe, Feigen und Speichen symbolisieren die drei Grundtugenden, die zur Erleuchtung führen: Ethik. Konzentration und Weisheit.
2. Buddhist kann jeder werden ungeachtet der Nationalität. des Geschlechts und der sozialen Stellung. Voraussetzung ist das Vertrauen zu Buddha, zu seiner Lehre (Dharma) und zur Gemeinschaft der Buddhisten (Sangha). Der Entschluss, sich diesen sogenannten »Drei Juwelen« anzuvertrauen — die Zufluchtnahme —. kann von einem Lehrer mit einer speziellen Formel bestärkt werden.
3. Der Eintritt eines Kindes in die Gemeinschaft erfolgt erst, wenn es erwachsen genug ist, sich selbst dafür zu entscheiden. In der Zeit davor wird empfohlen. Kinder an Zeremonien (zu Hause oder im Tempel) teilnehmen zu lassen, damit sie Kontakt zum religiösen Leben bekommen.
4. Wie intensiv der Gläubige die religiöse Praxis lebt, ist ihm überlassen. Empfohlen werden als Grundtugenden: anderen Wesen keinen Schaden zuzufügen; sich täglich mit Respekt der Lehre zu erinnern. Tischgebete zu sprechen und die Texte des Buddhismus zu studieren. Darüber hinaus ist es möglich, Gelübde abzulegen (zum Beispiel regelmäßige Praxis bestimmter Meditationsformen und ethische Bindungen).
5.
Finanzielle Unterstützung von Tempeln, Mönchsgemeinschaften und Zentren ist nicht Pflicht, gilt aber als religiöse Tugend. Westliche Zentren existieren durch Spenden und Mitgliedsbeiträge.
6. Abgelehnt werden sowohl zu strenge Askese als auch Völlerei. Aus Mitgefühl mit den Tieren sind viele Buddhisten Vegetarier.
7. Ordinierte Mönche und Nonnen tragen Roben, um zu zeigen, dass sie ein spirituelles Leben gewählt haben. Allen anderen Buddhisten wird empfohlen. sich kleidungsmäßig den Landessitten anzupassen. um kein Ärgernis zu erregen.
8. Im Buddhismus spricht man nicht von Sünde, sondern von einer »unheilsamen Handlung«. Unheilsam ist jede Tat. durch die anderen Lebewesen Schaden zugefügt wird. Dazu gehören auch schon negative Denkweisen. Nach der Lehre des Karma-Gesetzes hinterlassen alle diese Handlungen Spuren im Geist, die zu Leiden in einem späteren Leben führen.
9. Die Reinigung von unheilsamen Handlungen - und damit von Karma - erfolgt durch Reue, Mitgefühl und Vertrauen in Buddha.
10. Buddha hat aus philosophischen Gründen die Existenz eines unwandelbaren Gottes als Ursache für die Welt und alles darin Geschaffene abgelehnt. Nach buddhistischer Auffassung sind alle Dinge eng miteinander verwoben und existieren nicht isoliert. Das Schicksal des Menschen entsteht nicht aus der Willkür eines Gottes, sondern aus den Handlungen des Erlebenden selbst.
11. Neben der Verminderung von Leiden in diesem Leben durch eine heilsame Lebensweise mit sich und den Mitmenschen kennt der Buddhismus vielfältige spirituelle Ziele. Dabei kann man zunächst ein hohes Dasein nach dem Tod anstreben oder die Befreiung aus allem Leiden oder sogar die Vollkommenheit eines Buddha.
12. Buddhismus lehrt, dass sich der Geist nach dem Tod vom Körper trennt. Nach Durchlaufen eines Zwischenzustands in einem feinstoffiichen Körper verbindet er sich im Augenblick der Empfängnis mit einem neuen Körper. Die Qualität des nächsten Lebens ist abhängig von der spirituellen und moralischen Entwicklung in der Vergangenheit (Karma-Gesetz). vor allem auch vom Bewusstseinszustand im Tod. Daher ist »gutes Sterben« für Buddhisten so wichtig.
13. Wenn ein Wesen besonders unheilsam gehandelt hat. kann die nächste Existenz - auf der Erde oder in anderen Welten - subjektiv als »höllisch« erlebt werden. Entsprechend führen heilsame Taten zur subjektiven Empfindung von Glückszuständen.
14. Empfängnisverhütung ist - solange keine Eizelle befruchtet wurde - unproblematisch. Bedenken bestehen somit gegenüber Spirale und »Pille danach«.
15. Gegen künstliche Befruchtung besteht kein Einwand, vorausgesetzt, die Motivation für den Eingriff ist auf das Wohl aller Beteiligten, vor allem des Kindes, gerichtet. Die Vorstellung. damit in Gottes Wirken einzugreifen, existiert für Buddhisten nicht.
16. Abtreibung gilt als sehr unheilsam, weil der Buddhismus annimmt, dass bereits bei der Empfängnis die Verkörperung eines Wesens stattgefunden hat, mit dem Willen und dem Recht auf Leben.
17. Die Ehe ist im Buddhismus nicht ein heiliges Sakrament wie bei Christen, sondern eine weltliche Regelung zwischen zwei Menschen. Scheidung ist akzeptabel, wenn dadurch weiteres Leiden in einer zerrütteten Beziehung vermieden wird.
18. Ehebruch erzeugt Leiden und Disharmonie und ist somit unheilsam.
19. Sexuelle Beziehungen vor der Ehe sind unproblematisch. solange die Partner geistig reif sind und eine ungewollte Schwangerschaft vermeiden.
20. Der Ehe mit Andersgläubigen steht nichts im Wege. Wichtig ist, dass keiner der Partner den anderen an seiner religiösen Praxis hindert. Kinder sollten in einer Grundstimmung von Mitgefiihl und Toleranz aufwachsen und sich später als Erwachsener frei für einen Weg entscheiden.
21. Mit einer entsprechenden Ausbildung können Frauen alle geistlichen Funktionen übernehmen. Auch alle Meditationspraktiken und Gelübde sind für sie offen.
22. Es gibt vor allem das Vesakh-Fest (es fällt meistens in den Monat Mai), bei dem Geburt, Erleuchtung und Tod des Buddha gefeiert werden. Auch der Tag der ersten öffentlichen Lehrrede des Buddha und das Neujahrsfest werden begangen.
23. Der Kern des Buddhismus sind die Lehrreden des Buddha und die Kommentare späterer Meister. Die Schriften wurden nicht von Gott offenbart, sondern entstammen den Einsichten der jeweiligen Verfasser.
24. Buddha hat keinen Nachfolger bestimmt. Daher gibt es auch kein für alle Buddhisten verbindliches Oberhaupt. Die jeweiligen Traditionen wählen ihren derzeitigen Leiter. Der zur Zeit wohl berühmteste Buddhist ist der Dalai Lama (Gelug-Tradition).
25. Es gibt keine buddhistische Einheitskirche und auch keine Bestrebungen dahin. Der Buddhismus hat, aufbauend auf den vielfältigen Lehren des Buddha und in Verbindung mit den jeweiligen Landeskulturen. unterschiedliche Strömungen hervorgebracht. Die einflussreichsten Formen der Lehre sind der Theravada-Buddhismus (Sri Lanka, Burma. Thailand) und der Mahayana-Buddhismus, zu dem zum Beispiel der Zen-Buddhismus (Japan, Korea. Taiwan. Vietnam) und der Tibetische Buddhismus gehören.
26. Schutz der Tiere ist ein wesentlicher Teil der buddhistischen Praxis von Gewaltlosigkeit. Ihnen aus Unachtsamkeit oder Bösartigkeit zu schaden erzeugt negative karmische Folgen. Nach buddhistischer Auffassung können Tiere in einer späteren Inkarnation als Menschen geboren werden und die Erleuchtung erlangen.
Mohammad Bagber
Ansan, 50, Leiter des
Islamischen Zentrums
Hamburg und Imam
der Imam All Moschee
1. Der Islam kennt kein Symbol. wie etwa das Christentum oder das Judentum. Der Halbmond, der zum Teil als islamisches Symbol gedeutet wird, ist in Wahrheit ein nationales Symbol.
2. Die Annahme des Islam geschieht im Inneren des Menschen. Äußerlich genügt das Aussprechen des Glaubensbekenntnisses: »Ich bezeuge. dass es keinen Gott gibt außer Allah, und ich bezeuge. dass Muhammad der Gesandte Allahs ist.«
3. Kinder sind von Geburt an Muslime.
4. Als wichtigste Pflichten der Glaubenspraxis sind zu nennen: das tägliche fünfmalige rituelle Gebet, das Fasten im Monat Ramadan: die Sozialabgabe und Almosenspende: die Pilgerfahrt nach Mekka: die Anstrengung auf dem Wege Gottes; das Gebieten des Guten und das Verwehren des Schlechten. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl empfohlener Handlungen. deren Verrichtung dem Gläubigen freigestellt ist.
5. Im Islam gibt es neben der Almosenspende die Sozialabgabe (Zakat). die zu entrichten ist auf Vieh, Agrarprodukte. Gold, Silber und Handelsware im weitesten Sinn, d.h. durch profitorientierte Geschäfte erworbenes Eigentum. Hinzu kommt die jährliche Fünftelabgabe (Hums). die auf sieben Arten von Besitz zu entrichten ist. Diese Abgaben werden jedoch nicht eingezogen, sondern ihre Zahlung unterliegt der alleinigen Verantwortung der Gläubigen.
6. Verzehr von Alkohol und Schweinefleisch ist im Koran explizit verboten.
7. Grundsätzlich sollen sich Muslime (Männer und Frauen unauffällig kleiden, so dass sie die Blicke nicht auf sich ziehen. Die Kleidung soll nicht figurbetonend wirken und bei Frauen — mit Ausnahme von Händen und Gesicht — den ganze Körper bedecken. Mädchen müssen mit Erlangen der körperlichen Reife Kopftuch oder Schleier tragen.
8. Sünde ist Ungehorsam gegen Gott. Der Islam differenziert zwischen großen und kleinen Sünden. Als große Sünde gelten zum Beispiel der Abfall vom Glauben und Selbstmord.
9. Die bewusste Abkehr von einer begangenen Sünde, die Trauer über die Tat und die ehrliche Absicht, diese nicht mehr zu wiederholen, sind die wesentlichen Elemente der Reue. Sie bedeutet nicht zwangsläufig Vergebung — dazu bedarf es der Gnade und Barmherzigkeit Gottes.
10. Der Islam ist bestimmt vom Gedanken der Einheit Gottes, lehnt das christliche Konzept der Dreieinigkeit Gottes ab. Gott ist das absolute, unabhängige Sein. Gott hat alles aus dem Nichts hervorgebracht. Er ist hebend und barmherzig. Er weist den Menschen den Weg zu einem guten und glückseligen Leben.
11. Islam heißt Hingabe an Gott. Das Ziel der religiösen Praxis ist die Befreiung vom Ego, um zu wahrer Ergebenheit und Nähe zu Gott zu gelangen.
12. Das diesseitige Leben ist vergänglich und trügerisch, das jenseitige Leben ist ewig. Am Tag der Auferstehung wird der Gläubige mit seinen diesseitigen Taten konfrontiert. Das diesseitige Leben ist in diesem Sinne als eine Prüfung zu verstehen, bei der der Gläubige sich bewähren muss.
13. Jeder Mensch muss vor Gott Rechenschaft über sein irdisches Leben und seine Taten ablegen. Gutes wird belohnt, Schlechtes bestraft. Dabei geschieht niemandem Unrecht. Das Paradies symbolisiert den Zustand der ewigen Glückseligkeit, die Hölle die ewige Verdammnis.
14. Empfängnisverhütung ist erlaubt.
15. Künstliche Befruchtung ist erlaubt, wenn es sich bei den Spendern um Eheleute handelt.
16. Schwangerschafts-Abbruch ist nur zulässig, wenn Lebensgefahr für die Mutter besteht.
17. Scheidung ist erlaubt. Auch einer Frau steht das Recht zu, die Scheidung einzuleiten, wenn dies bei der Schließung des Ehevertrags in die Vertragsbedingungen aufgenommen wurde.
18. Ehebruch ist für Mann und Frau verboten. (Der Islam gestattet, dass ein Mann bis zu vier Ehefrauen haben darf; allerdings ist er verpflichtet, alle gleich zu behandeln. Der Koran lehrt, dass der Mensch dazu nicht fähig ist - Sure 4, Verse 3 und 129. Deshalb leben Muslime in der Regel monogam.)
19. Sexuelle Beziehungen vor der Ehe sind nicht erlaubt.
20. Weil der praktizierte Glaube das Leben des Menschen in vielerlei Hinsicht prägt, empfiehlt der Koran, dass beide Ehepartner sich zur selben Religion bekennen sollen. Denn das Ziel der Ehe und der Familie ist unter anderem die Realisierung einer friedlichen, harmonischen Atmosphäre, zu der das Streben nach gemeinsamen Zielen wesentlich beiträgt. Eine Muslima kann nur einen Muslim ehelichen.
21. Im Islam gibt es keine kirchenähnliche Institution. Die Geschichte zeigt, dass es unter den Gelehrten in allen islamischen Wissenschaften immer auch Frauen gab.
22. Der Islam kennt zwei große Festtage: das Fastenbrechen nach dem Ramadan; und das Opferfest im Monat der Pilgerfahrt nach Mekka. An diesen Tagen werden in den Moscheen besondere Festgebete verrichtet. Darüber hinaus gibt es noch andere Feiertage. wie zum Beispiel der Geburts- und Todestag des Propheten.
23. Die Heilige Schrift des Islam ist der Koran. Er ist das unverfälschte Wort Gottes, das dem Propheten Muhammad im Laufe von 23 Jahren offenbart und zu seinen Lebzeiten aufgeschrieben wurde.
24. Da der Islam keine kirchliche Institution hat, gibt es keine geistlichen Oberhäupter wie etwa im Christentum. In der Anfangszeit des Islam war Prophet Muhammad die höchste Instanz. Seit seinem Ableben fällt die Führung der islamischen Gesellschaft Rechtsgelehrten zu, die den Grad des Igtihad erreicht haben. Das sind Persönlichkeiten, die auf Grund ihres Studiums und ihres Wissens in allen rechtlich-theologischen Fragen selbständig urteilen können. Der Begriff »Imam« bezeichnet zum einen »Vorbeter«, zum anderen »Vorbild«.
25. Der Islam hat eine Vielzahl theologischer, rechtswissenschaftlicher, philosophischer und mystischer Strömungen hervorgebracht, die zum Teil nicht mehr existieren. Die bekannteste Unterteilung des Islam ist die nach den Rechtsschulen (Gafariten, Malikiten, Safiten, Hanblaiten, Hanafiten). In der Theologie sind die Mutalaziten und Asariten die bekanntesten Gruppierungen. Die Unterteilung in Sunniten und Schiiten geht zurück auf Meinungsunterschiede hinsichtlich der Nachfolge des Propheten.
26. Tiere gelten - ebenso wie Pflanzen und alle anderen Erscheinungen der Umwelt - als Geschöpfe Gottes. Der Mensch als Statthalter Gottes auf Erden trägt die Verantwortung für die Pflege und den Erhalt aller Lebensformen. Tiere und Pflanzen haben ebenfalls eine Art Seele, die jedoch nicht mit der menschlichen Seele vergleichbar ist.
Lebensfreude - Lebensängste - frohe Botschaft
Woran kann man erkennen, wann eine Angst gerechtfertigt oder ungerechtfertigt ist?
Wie kann man erkennen, ihr zu folgen oder gegen sie anzugehen?
Ein sehr wichtiger Aspekt ist, dass die Unsicherheit Teil unseres Entwicklungsprozesses ist und dass die Angst in dem Augenblick wenn sie da ist, richtig konfrontiert werden kann. Indem wir beginnen, unsere Aufmerksamkeit auf das zu richten, was gerade da ist, was mit der Angst verbunden ist und wovor wir Angst haben und es in den Bewusstseinsbereich bringen, können wir sehen, ob die Angst eine wirkliche Bedeutung hat oder ob sie nur eine alte Gewohnheit ist. Dennoch ist es nicht hundertprozentig sicher. Wir können nur mit Hilfe unserer Intelligenz sehen, ob die Angst vielleicht nicht notwendig ist. Wir können es auf Grund unserer Erfahrung betrachten, deshalb ist in jedem Schritt ein Risiko vorhanden, das Risiko ist in der Lebensdynamik mitgegeben. Ich habe einmal einen Aufkleber gesehen, manche haben ihn auf einem Motorroller oder T-Shirt: No Risk No Fun. Ohne Risiko kein Spaß! Das Risiko ist da, aber wie wir mit der jeweiligen Situation umgehen, hängt von unserem Bewusstsein ab, unserer Bereitschaft, die Situation so bewusst und wach wie möglich anzuschauen und zu sehen, was wir zu verlieren haben, wovor wir Angst haben, wer wir sind - vieles hängt mit dieser Betrachtung zusammen.
Wenn wir mit unserer Oberfläche identifiziert sind, und dann jemand z.B. zu uns sagt ,,du bist nicht schön“ oder ,,du bist nicht gut“, kann uns diese Meinung sehr unglücklich machen und wir werden oft davon beeinflusst. Aber wenn wir erkennen, dass unsere Realität unsere innerste Grundlage schön und voller Freude ist, brauchen wir uns nicht durch die Meinungen von außen zu begrenzen. Wenn wir die Verbindung zu dieser Dimension finden, haben wir es etwas leichter.
Wir werden dann in der Lage sein, auch in unsicheren Situationen etwas mutiger zu handeln. Dann werden wir sehen, dass es zum Beispiel manchmal eine Angst ist, ein bestimmtes Image zu verlieren. Wir hängen an diesem Image, weil wir denken, dass es schlimm sei, wenn die anderen eine andere Meinung über uns haben.
Wenn jemand eine andere Qualität, eine andere Grundlage in sich wahrgenommen hat und sieht, dass diese Rollen, diese Meinungen eher wie ein Spiegel sind, als etwas, worüber wir uns aufregen sollten, dann beginnen wir etwas freier damit umzugehen. Wir können auch erkennen, wo wir mit diesen Aspekten auf die eine oder andere Weise zu spielen haben, aber auch wo wir sie fallen lassen und mutige Schritte unternehmen können.
Deshalb ist es notwendig, das Bewusstsein mit der Angst zu verknüpfen, so dass das Bewusstsein uns den ganzen Zusammenhang sichtbar machen kann und wir eher wahrnehmen, was sich tatsächlich abspielt. Wenn wir diese Zusammenhänge bewusst betrachten, wird deutlich, dass wir von dieser Angst nicht beherrscht zu werden brauchen. Je tiefer wir uns selbst konfrontieren, desto deutlicher wird es, dass obwohl wir in diesem Körper sind und diesen Verstand haben, obwohl wir in diesem Lebensspiel die einen oder anderen Namen haben, die eine oder andere Rolle spielen -unsere Grundnatur, unsere wahre Realität nicht dadurch begrenzt ist. Es geht nicht darum, dies einfach zu glauben. Es ist nur ein Hinweis, in welche Richtung wir erkunden sollen. Aber der richtige Schritt wäre in diese Dimension hineinzuschauen und uns tiefer zu erforschen, so dass es für uns bewusster und deutlicher wird, was wir sind, wer wir sind -und das Interessante daran ist, dass in dem Moment, wo wir tief in uns, in unserer Realität verwurzelt sind, nicht in die Angst verwickelt sind. Der Körper und der Verstand haben Angst und dies ist eine lebensnotwendige Funktion. Aber wir brauchen nicht von dieser Angst überwältigt zu werden. Wir können die Signale erkennen, wir können damit intelligent umgehen, aber es ist nicht notwendig von dieser Angst beherrscht zu werden.
Aber es braucht natürlich eine gewisse Stabilität um sich nicht von dieser Angst beherrschen zu lassen.
Wie kommt man zu so einer Verwurzelung? Gibt es irgendwelche Übungen oder etwas Ähnliches?
Im Grunde ist das das Anliegen aller mystischen Lehren und spiritueller bzw. religiöser Prozesse. Sie schaffen einen Rahmen, wo der Mensch mit diesen paradoxen Aspekten der Realität bewusst in Verbindung kommen kann und durch diese bewusste Auseinandersetzung seine wahre Erkenntnis, seine wahre Natur wiederentdeckt. Dieser Prozess kann auf verschiedenste Weise angegangen werden. Nicht nur ein Weg ist der richtige, sondern es gibt viele verschiedene Wege. Jeder kann mit dem Weg beginnen, zu dem er eine Verbindung empfindet und Vertrauen fühlt. Das Wichtigste ist, dass wir bereit sind, nachzuforschen.
Mein Schwerpunkt in vielen Seminaren ist die individuelle Initiative! Aber wir sind auf eine solche Weise ins Lebensspiel hineingegangen, dass wir uns vergessen haben und uns mit unserem Körper, mit unserem Verstand, mit unseren Rollen so sehr identifizieren, dass wir das eine oder andere Hilfsmittel benötigen, um diese Realität wiederzuentdecken und wiederzufinden. Ich muss immer wieder an den Hinweis in der Bibel erinnern, weil es dort auf eine sehr einfache Weise ausgedrückt wird. Jemand fragte Jesus: Wer von uns kann in das Königreich Gottes, in das Paradies kommen? Er deutete auf ein kleines Kind und sagte:
,,Diejenigen, die wieder wie dieses Kind werden, werden in das Königreich Gottes eingehen“. Wenn man diese Aussage nicht mit anderen religiösen Dingen zudeckt und nicht so differenziert sieht, sondern als einen einfachen Hinweis, als poetische Andeutung betrachtet, dann kann man sehen, dass damit ein Zustand gemeint ist, wo man nicht urteilt und nichts in bestimmte Schubladen steckt oder verstandesmäßig einordnet, sondern das Leben direkt wahrnimmt. Dann beginnen wir, auf eine neue Art die Realität zu spüren und bekommen eine neue Verbindung zu ihr. Diesen Hinweis kann man in allen mystischen Lehren auf die eine oder andere Weise finden. Ich finde das sehr schön.
Es ist notwendig von allen Verwicklungen innerlich loszulassen, um unseren wahren Zustand, unsere wahre innere Natur zu erfahren. Wir brauchen keine Informationen über uns von irgendwoher zu sammeln. Information kann nur über uns, über unsere Realität sein, aber wir sind die Realität. Um uns selbst zu erfahren ist es nicht nötig, irgendwohin zu gehen, sonder unsere ganze Aufmerksamkeit auf uns selbst, auf das, was wir sind, zu richten, so dass all dieses Gespaltensein nicht mehr unsere Energie beansprucht, sondern wir mit uns selbst tief in Verbindung sind. Die ganze Kunst der Religionen, der spirituellen Lehren und mystischen Schulen ist, diese Verbindung zu sich selbst wieder zu ermöglichen.
Das Wort Religion hat genau diese Bedeutung, es kommt vom Lateinischen ,,religio“ = sinngemäß Rückbindung, wieder zusammenfügen, wieder zusammenbringen.
ÜBER DIE KONFIRMATION
Ursprünglich gehörten Taufe und Abendmahl eng zusammen, denn mit der Taufe war man Glied der Gemeinde und nahm selbstverständlich am Abendmahl teil. In der Urkirche wurden ja zunächst nur Erwachsene getauft. Aber als im 2. Jahrhundert zunehm3end auch Kinder getauft wurden, reichte man auch diesen ganz selbstverständlich das Abendmahl. Einige Kirchenväter hielten die Verknüpfung von Taufe und Abendmahl geradezu für heilsnotwendig. Die Darreichung wurde verschieden gehandhabt: Der Priester gab dem Säugling einen Finger zum Lutschen, den er zuvor in Wein getaucht hatte, oder man gab den kleinen Kindern mit einem Löffel ein wenig Wein, oder das Brot wurde in den Wein getaucht und so dargereicht. Diese Praxis haben die orthodoxen Kirchen bis heute beibehalten, während die westlichen Kirchen seit dem 13. Jahrhundert immer mehr davon abgekommen sind.
Festzuhalten bleibt: 1200 Jahre unserer 2000 -jährigen christlichen Tradition gab es uneingeschränkt in der ganzen Christenheit für jedes getaufte Kind -gleich welchen Alters! - auch das Abendmahl.
DAS 4. LATERANKONZIL (1215) BRACHTE INSOFERN EINE ÄNDERUNG, ALS NUN BEICHTE UND KOMMUNION IN ENGERE BEZIEHUNG GEBRACHT WURDEN: JEDER CHRIST MUßTE WENIGSTENS EINMAL IM JAHR BEICHTEN UND ZUR KOMMUNION GEHEN. DIESES EMPFINDEN VON SCHULD, DEN GEBRAUCH DER VERNUNFT, KONNTE MAN ERST KINDERN AB ETWA 7 JAHREN ZUTRAUEN; ALSO WURDE NUN AUCH DIESEN KINDERN ERST DAS ABENDMAHL GEREICHT.
Die Reformation fand diese Praxis vor: Säuglingstaufe und Erstkommunion nach erreichter Beichtfähigkeit - und behielt sie auch bei, mit einer wesentlichen Akzentverschiebung: Nur der sollte zum Abendmahl zugelassen werden, der seinen Glauben auch artikulieren konnte, ,,den Katechismus fein ordentlich aufsagen konnte“. Das bedeutete, dass das Alter auf 13/14 Jahre herauf gesetzt und das Abendmahl an die Konfirmation gekoppelt wurde.
Um 1965/75 wurden sich viele Theologen, Pädagogen und Psychologen darin einig, dass die Kirche mit einer Hinführung zum Abendmahl im 13.114. Lebensjahr zu spät kam. Wer 13 oder 14 Jahre seines Lebens ohne Abendmahl leben konnte, bzw. musste, konnte vielleicht auch die folgenden 60/ 70 Jahre ohne Abendmahl auskommen. Man verstand, dass sich im Grundschulalter bei Kindern der Sinn für das Geheimnisvolle entwickelt, dass gerade in diesem Alter eine besondere Offenheit für religiöse Erfahrungen zu finden ist. So wie kleine Vögel, die man im Lernalter daran hindert zu fliegen, später kaum das Fliegen erlernen, so ist auch die spätere Einübung in das Geheimnis des Abendmahles für Heranwachsende schwer.
Wir Protestanten haben uns zu fragen, ob wir das Verstehen in Glaubenssachen nicht
überbewerten, da doch vieles gerade ,,über unser Verstehen, über alle unsere Vernunft“ geht, also das Mysterium bleibt, gerade auch beim Abendmahl.
Im Ev. Erwachsenenkatechismus findet sich der Satz: ,,Die Gegenwart Christi im Abendmahl ist zunächst nicht Gegenstand der Diskussion, sondern ein Geschehen, das man erleben muss, Dass wir in so schlichten Dingen wie Brot und Wein die Nähe Gottes erfahren, ist ein Geheimnis, das sich nur dem erschließt, der sich davon ergreifen lässt.“ Das Abendmahl wurde gerade nicht für eine intellektuelle Elite geschaffen. Es ist nicht nur mit dem Kopf, sondern mehr noch mit dem herzen zu verstehen. Dazu sind auch, ja vielleicht gerade Kinder befähigt, wenn sie darauf vorbereitet werden.
Sinnvolle Begleitung
Darum wird als Voraussetzung für die erste Teilnahme Getaufter am Abendmahl unabhängig vom Alter eine angemessene Vorbereitung seitens der Eitern, Paten oder einer verantwortlichen Bezugsperson zur Bedingung gemacht. Denn:
• Kinder lernen zuerst von den Menschen, die sie lieben, die sie mögen, die ihnen etwas bedeuten.
Kinder lernen zuerst mit dem Gefühl, bevor sie mit dem Verstand lernen.
Kinder lernen zuerst im gemeinsamen Tun, bevor sie für Belehrung und Unterricht empfänglich sind.
Was das Abendmahl ist
Unter den verschiedenen Wurzeln und Wesenszügen des Abendmahls hatte in unserem protestantischen Verständnis bislang eindeutig der Vergebungscharakter des Abendmahls Vorrang. Damit verbunden war auch die von vielen Zweifeln begleitete Frage nach der Würdigkeit, am Abendmahl teilnehmen zu dürfen. Nach Luther ist der ein würdiger Teilnehmer am Abendmahl, der den Glauben hat an diese Worte ,,für dich gegeben und vergossen zur Vergebung für deine Sünden.“ Der Akzent lag auf der Gabe und Wirkung für den einzelnen Christen. Auch wenn das Abendmahl gemeinsam eingenommen wurde - es blieben deutlich lauter einzelne.
Dieses Gedächtnismahl, an Hingabe und Opfertod Jesu erinnernd, geht auf zwei Wurzeln zurück auf das letzte Mahl Jesu am Abend vor seinem Tod und das Passahmahl im Alten Bund. Aber es gibt noch zwei weitere Wurzeln im Neuen Testament: einmal die Mahlgemeinschaften des irdischen Jesus (er hatte mit Zöllnern und Sündern Tischgemeinschaft) und zum anderen die Erscheinungsmahle des Auferstandenen, die eine Gemeinde berechtigen, mit Freuden und voller Dank das Brot zu brechen, denn er ist gegenwärtig, er ist nicht tot, er bringt Heil und Leben. Das Abendmahl wird darum auch Eucharistiefeier genannt (Eucharistie = Danksagung).
Entsprechend dem Kirchenjahr können auch unsere Abendmahlsfeiern deutlich verschiedene Schwerpunkte setzen:
Gedächtnismahl - Gemeinschaftsmahl -Versöhnungsmahl - Dank- und Freudenmahl. Alle Wesenszüge sind wichtig und sollten bewusst bleiben.
Wozu die Konfirmation?
Die Konfirmation hat außer der Zulassung zum Heiligen Abendmahl weitere Sinngehalte wie gemeinsam gesprochenes Glaubensbekenntnis, verantwortliches Ja zur eigenen Taufe, Fürbitte der Gemeinde, Segnung und Sendung der Konfirmanden, Zulassung zum Patenamt. Diese werden durch eine vorherige Teilnahme am Abendmahl nicht entleert, sondern bereichert und vertieft.
So liegen heute, wenn es um Konfirmandenunterricht um Gottesdienst und Abendmahl geht Erfahrungen mit dem Abendmahl vor. Heute ist die erlebte Abendmahlspraxis ein Ausgangspunkt, um Reichtum und Bedeutung des Abendmahls zu begreifen.
Für Euch gegeben- mit diesen Worten hat Jesus Christus das Abendmahl eingesetzt.
Für Dich gegeben - da spürt auch das Kind, der junge Mensch die Liebe Gottes und die Geborgenheit in der Gemeinschaft.
(leicht gekürzt aus: Gemeinde... Oase für Kinder. Von den Chancen der Arbeit mit Kindern in der Gemeinde. Eine Arbeitshilfe - vorgelegt vom Ausschuß Arbeit mit Kindern in der Evangelischen Kirche im Rheinland‘ Düsseldorf 1993, 17-19)
Gott persönlich kennenlernen
Zu einem Leben in der Gemeinschaft mit Gott gibt es eigentlich nur einen Weg. Aber jeder Mensch wird auf diesem Weg anders geführt. Dabei können die Schritte, die im Folgenden geschildert werden, eine hilfreiche Leitlinie sein.
1. GOTT LIEBT SIE. ER HAT SIE GESCHAFFEN UND WILL, DASS SIE EINE PERSÖNLICHE BEZIEHUNG ZU IHM HABEN.
Gott liebt Sie
Gott liebte die Menschen so sehr, dass er seinen einzigen Sohn hergab. Nun wird jeder, der sich auf den Sohn Gottes verlässt, nicht zugrunde gehen, sondern ewig leben. Johannes 3, 16
Gott möchte, dass Sie ihn kennenlernen
Jesus sagte: Ich bin gekommen, um das Leben in seiner ganzen Fülle zu bringen. Johannes 10, 10
Jesus betete: Darin besteht das ewige Leben: Die Menschen erkennen dich als den einzigen wahren Gott, und sie erkennen den, den du gesandt hast, Jesus Christus. Johannes 10, 13
Aber warum erfahren viele Menschen diese persönliche Beziehung zu Gott nicht?
2. Die Gemeinschaft mit Gott ist durch die Sünde ~ des Menschen zerstört. Deshalb kann er Gottes Liebe nicht erfahren.
Was ist Sünde?
Der Sinn des Lebens ist es, in Gemeinschaft mit Gott zu leben. Der Mensch meint aber, sein Leben ohne Gott meistern zu können. Er lehnt sich gegen Gott auf oder ist ihm gegenüber gleichgültig. Diese Haltung nennt die Bibel Sünde. Sie führt zu einem falschen Verhältnis zum Mitmenschen und zu sich selbst. Verdeckte und offensichtliche Verfehlungen im mitmenschlichen Bereich haben ihre Wurzel in der zerstörten Beziehung zu Gott.
Alle haben gesündigt und können deshalb nicht vor Gott bestehen. Römer 3,23
Was sind die Folgen der Sünde?
Eure Sünden scheiden euch von eurem Gott. Jesaja 59,2
Die Bibel bezeichnet das als geistlichen Tod:
Die Folge der Sünde ist der Tod. Römer 6,23
Gott ist heilig. Der Mensch ist sündig. Zwischen beiden besteht eine tiefe Kluft. Der Mensch versucht durch eigenes Bemühen, durch gutes Leben, Philosophie, Religiosität oder Mitmenschlichkeit, diese Kluft zu überbrücken. Doch alle Anstrengungen sind vergeblich, weil sie das Kernproblem der Sünde nicht lösen.
GOTT
STEHT ÜBER DEM
MENSCHEN
Der dritte Punkt zeigt uns die Antwort zu diesem Problem:
3. Jesus Christus ist Gottes Weg aus der Sünde des Menschen. Allein durch ihn, Jesus Christus, kann der Mensch wieder eine persönliche Beziehung zu Gott finden.
Jesus Christus ist für uns Mensch geworden.
Schon die alttestamentlichen Propheten kündigten einen Retter an.
Jesaja 9,5; Micha 5,1
Jesus ist dieser von Gott versprochene Retter. Er wurde Mensch, lebte auf dieser Erd und verkündigte durch sein Reden und Handeln die Herrschaft Gottes.
Philipper 2,7; Markus 1,15
Er lebte ohne Sünde, das heißt in einer ständigen Gemeinschaft mit dem Vater.
Hebräer 4,15; Johannes 10,30
Jesus sagte: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater als nur durch mich.
Johannes 14,6
Gott selbst hat durch sein Handeln die Kluft überbrückt, die uns von ihm trennt. Er sandte seinen Sohn Jesus Christus, der für uns starb. Dadurch können wir jetzt Vergebung und eine echten Neuanfang erfahren.
GOTT
Jesus
MENSCH
JESUS überbrückt die Kluft zwischen Mensch und Gott.
Jesus Christus starb stellvertretend für uns.
Er starb, um die Trennung zwischen Gott und den Menschen zu beseitigen.
Denkt an Christus, der einmal - und das gilt für immer - für die Schuld der Menschen gestorben ist. Er, der Schuldlose, starb für die Schuldigen. Das tat er, um euch den Weg zu Gott freizumachen. 1 .Petrus 3,18
Gott aber beweist seine Liebe zu uns dadurch, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren. Römer 5,8
Jesus ist von den Toten auferstanden.
Diesen Jesus hat Gott auferweckt, dessen sind wir alle Zeugen. Apostelgeschichte 2 2
Seine Auferstehung bestätigt
dass er Gottes Sohn ist, Römer 1.4
dass Gott bereit ist, uns zu vergeben, Apostelgeschichte 13,34
dass wir seine Gegenwart und Hilfe heute erfahren können. Johannes 14,1
Diese drei Punkte nur zu kennen, reicht leider nicht aus ...
4. Wir können Gemeinschaft mit Gott finden, wenn wir Jesus Christus als unseren Herrn und Erlöser annehmen.
Diese Gemeinschaft ist Gottes Geschenk und wird erlebt, wenn wir Jesus unser Vertrauen schenken.
Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, allen, die an seinen Namen glauben. Johannes 1,12
Dazu gehört:
dass wir Gott unsere Schuld eingestehen;
dass wir seine Vergebung vertrauensvoll annehmen
dass wir ihm die Führung unseres Lebens anvertrauen.
Jesus Christus spricht: Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wer meine Stimme hört und mir die Tür öffnet, bei dem will ich eintreten. Offenbarung 3,20
Es genügt nicht, diesen Aussagen nur gedanklich oder gefühlsmäßig zuzustimmen. Ein bewusstes ,,Ja“ dazu ist notwendig. Und es ist nötig; JESUS zum Mittelpunkt des Lebens zu machen.
Stellen wir uns einen Menschen vor, der sein ICH um Mittelpunkt des Lebens macht...
Was bringt es dem Menschen, das Ich in den Mittelpunkt des Lebens zu stellen, d. h. nach außen zu leben?
Dieser Mensch bestimmt sein Leben selbst, auch wenn er sich vielleicht als Christ bezeichnet. Christus ist für ihn eher eine Randfigur am Rande oder außerhalb seines Lebens. Die Hauptrolle spielen Lebensbereiche wie Freundschaften, Beruf und Freizeit. Diese werden vom ,,Ich“ beherrscht, was leider allzu oft zu Unzufriedenheit, Enttäuschung und Sinnlosigkeit führt.
Ein anderer Mensch stellt das ICH zurück, setzt stattdessen Jesus Christus in den Mittelpunkt des Lebens...
Das Leben dieses Menschen wird von Christus bestimmt, weil er im Vertrauen Gottes Vergebung angenommen hat und Christus jeden Bereich seines Lebens unterstellt. In dieser engen Gemeinschaft mit Gott erfährt er zunehmend ein sinnerfülltes Leben.
Welche Lebenseinstellung trifft am ehesten auf Sie zu?
Welche Lebenseinstellung würden Sie bevorzugen?
Im folgenden wird erklärt, wie ein Leben mit Jesus Christus im Mittelpunkt beginnen kann:
Sie können jetzt Ihr Leben bewusst Jesus Christus anvertrauen.
Dies ist ein entscheidender Schritt auf dem Weg mit Gott. Gott kennt Sie. Ihm kommt es nicht auf gut formulierte Worte an, sondern auf Ihre ehrliche Einstellung. Folgendes Gebet ist eine Möglichkeit, Ihr Vertrauen zu Gott auszudrücken:
Vater im Himmel, mir ist klar geworden, dass ich mein Leben selbst bestimmt habe und von dir getrennt bin. Vergib mir meine Schuld. Danke, dass du meine Sünden vergeben hast, weil Christus für mich gestorben und mein Erlöser geworden ist. Herr Jesus, bitte übernimm die Herrschaft in meinem Leben und verändere mich so, wie du mich haben willst.
Entspricht dieses Gebet Ihrem Verlangen?
Wenn ja, dann können Sie es jetzt zu Ihrem eigenen Gebet machen, und Jesus wird, so wie er es versprochen hat, in Ihr Leben kommen.
Jesus ermutigt uns: Bittet, dann wird euch gegeben, suchet, dann werdet ihr finden, klopfet an, dann wird euch geöffnet! Matthäus 7,7
Möchten Sie das tun?
Was geschieht, wenn Sie Ihr Leben Jesus Christus anvertrauen?
Jesus Christus wird Herr über Ihr Leben. Johannes 20, 28
Er vergibt Ihnen Ihre Sünden. Kolosser 1, 14
Er schenkt Ihnen Geborgenheit, Freude und Hoffnung. Römer 14, 17
Sie werden ein Kind Gottes und dürfen zu Gott ,,Vater“ sagen. Matthäus 6, 9
Sie erfahren die Kraft des Heiligen Geistes. Apostelgeschichte 2, 38
Sie beginnen, an dem sinnerfüllten Leben, für das Gott Sie geschaffen hat, teilzuhaben. Johannes 10, 10
Neues Leben aus der Kraft des Heiligen Geistes
Gott der Heilige Geist ist heute am Wirken. Er befähigt uns zu glauben und schenkt uns neues Leben. Das Leben des Christen ist ein Leben aus der Kraft des Heiligen Geistes. Er hilft uns, die Bibel zu verstehen und zu beten.
Er schenkt uns Liebe zu Gott und den Mitmenschen.
Gewissheit des ewigen Lebens in Gemeinschaft mit Gott
Gott hat uns ewiges Leben gegeben, und wir erhalten dieses Leben in seinem Sohn. Wer den Sohn hat, der hat das Leben, wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht. Das habe ich euch, die ihr an den Namen des Sohnes Gottes glaubt, geschrieben, damit ihr wisst, dass ihr das ewige Leben habt.
1. Johannes 5,1
Praktische Hinweise für ein Leben mit Jesus
Das christliche Leben ist ein Wachstumsprozess. Ihre Beziehung zu Christus vertieft sich, wenn Sie ihm in den Einzelheiten Ihres Lebens immer mehr vertrauen lernen.
Dazu einige kleine Ratschläge:
Versuchen Sie Ihr Leben als Christ nicht aus eigener Kraft zu leben, sondern leben Sie fröhlich und zuversichtlich aus der Kraft des Heiligen Geistes. Nehmen Sie täglich die Vergebung in Anspruch, die Ihnen in Jesus Christus zugesprochen ist.
Machen Sie Ihren Glauben nicht abhängig von Ihrem Temperament, Ihren Gefühlen und wechselvollen Erfahrungen. Diese sind nicht ausschlaggebend. Entscheidend ist die Verheißung Gottes in seinem Wort. Der Christ lebt im Glauben.
Ein Zug wird von der Lokomotive gezogen, nicht vom Anhänger. Setzen Sie Ihr Vertrauen auf die Glaubwürdigkeit Gottes und die Zusagen in seinem Wort, der Bibel.
Lesen Sie täglich einen Abschnitt aus der Bibel. Beginnen Sie zum Beispiel mit dem Johannesevangelium, oder mit den Paulus-Briefen oder mit den Psalmen. Nehmen Sie dazu eine Bibellesehilfe zur Hand.
Beginnen und schließen Sie den Tag mit einem Gebet. Bleiben Sie im Gespräch mit Gott. Jede Freundschaft will gepflegt werden, auch die Gemeinschaft mit Gott.
Christsein ist keine Privatsache. Suchen und pflegen Sie den Kontakt mit anderen Christen.
Behalten Sie Ihren Glauben nicht für sich, sondern lassen Sie andere Menschen in Ihrem neugefundenen Leben mit Christus teilhaben.
Setzen Sie die Gaben, die Gott Ihnen gegeben hat, für das Wohl anderer Menschen ein. Denn Glaube und Liebe sind eine Einheit.
Aufschlussreich und lohnend ist die Beschäftigung mit Luther´s Katechismus und mit der Historie der Reformation.
Weihnachten - im Laufe der Zeit
Weihnachten ist ein Fest, mit dem die Geburt Jesu Christi verbindlich seit dem Jahre 381 gefeiert wird. Damals bestimmte nach mehrfacher Terminverlegung das Konzil von Konstantinopel den 25. Dezember (Mithras Geburtstag) als Termin des Weihnachtsfestes. Die Festlegung war auch Berechnung: Der 25. März gilt als erster Tag der Schöpfung und damit auch als Zeugungsdatum Jesu. Rechnet man von dort aus (philosophisch-glatte) neun Schwangerschafts-Monate weiter, so gelangt man zum 25. Dezember.
Der deutliche Wandel vom christlichen Fest zur stimmungsvollen Familienfeier ist aber nicht allein ein Phänomen auf der Schwelle zum neuen Jahrtausend. Das Weihnachtsfest, wie es sich heute vielen Menschen darstellt (in Norddeutschland gibt es gar den Begriff ,,Vulbuks Abend“, Abend des vollen Bauches), ist das Ergebnis einer Entwicklung über längere Zeitepochen.
Besondere Beachtung verdient hier die Vermischung katholischer und evangelischer Bräuche. Die Protestanten steuerten Christbaum, Adventskranz und die Bescherung (sie geht auf Martin Luther zurück) bei, die Katholiken die Weihnachtskrippe und die Sternsinger. Diese Überwindung von Konfessionsgrenzen kann zur ,,wihen naht“, wie sie ein bayrischer Spruchdichter um 1190 nannte, nur begrüßt werden.
Andere begriffliche Herleitungen hingegen sind bedenklich: So wurde der Christbaum erst im Nazi-Deutschland zum Weihnachtsbaum. Das war ein Versuch, seine christliche Spuren zu verwischen. Dem ,,Schmuckbaum“ aus einstigen DDR-Zeiten war sowieso keine Zukunft beschieden. Der Begriff „Weihnachtsbaum“ fand so Eingang in den allgemeinen Sprachgebrauch.
Am Christbaum reiben sich die deutschen Geister der Historie. Dem geschmückten Nadelbaum gelang der Durchbruch erst am Rande der Schlachtfelder im deutsch-französischen Krieg 1870/71. In den Lazaretten und Quartieren kündeten die Kerzen am Baum nicht allein von der Sehnsucht nach Frieden, sondern auch vom machtvoll erwachten Nationalstolz. Tröstlich, dass der deutsche Brauch des Christbaums nach dem Zweiten Weltkrieg seinen Weg auch ins benachbarte Ausland fand.
Was sich im Alltag heute noch vom traditionellen Weihnachtsfest wiederfindet, sind unter anderem die Schulferien. Sie beschreiben in etwa den 12tägigen Weihnachtsfestkreis vom 25. Dezember bis zum 6. Januar - das Fest zur Erscheinung des Herrn (Epiphanie). Der Dreikönigstag ist mit dem Brauch der Sternsinger lebendig geblieben — auch dies eine deutsche Besonderheit, die möglicherweise Folge eines mittelalterlichen Raubzugs ist: Seit Erzbischof Rainald von Dassel (1159-1167) die Gebeine der Heiligen Drei Könige nach Köln überführte, besitzen die Magier aus dem Morgenland hierzulande so etwas wie die doppelte Staatsbürgerschaft.
Schlechter erging es den Heiligengedenktagen, die nur vereinzelt erinnerlich geblieben sind. Stephanus (26. Dezember) war der erste Märtyrer der Christenheit, ein Diakon der Jerusalemer Gemeinde, der vom Hohen Rat zum Tod durch Steinigung verurteilt worden war. Das Fest des Apostel Johannes - ihm vertraute der sterbende Jesu seine Mutter an - wird am 27. Dezember gefeiert. Gedacht wird auch der ,,Unschuldigen Kinder“ (28. Dezember), die auf Befehl des Herodes nach der Geburt des Messias in Bethlehem ermordet wurden.
Das Weihnachtsfest hat im Laufe der Jahrhunderte sein Gesicht verändert: katholische und evangelische Bräuche vermischten sich; nationale und kirchenfeindliche Kräfte wirkten hinein; und der Weihnachtsfestkreis blieb nur noch in Bruchstücken lebendig. Ein Wandel zur Unkenntlichkeit? Die Heilige Schrift kann hier zur Rückversicherung werden, wenn in den Christmetten aus dem Lukasevangelium gelesen wird: ,,Es begab sich aber in jenen Tagen ein Erlass des Kaisers Augustus, dass alle Welt geschätzet würde ... “
Die Weihenachtszeit ist eine Zeit der Verinnerlichung, die etwas Besonderes im Menschen zu bewirken kann, falls er bereit ist sich vom Mysterium der Zeit einweihen zu lassen. Die Weihenachtszeit ist eine Einweihungszeit, es ist die Zeit der Wintersonnenwende, in der das Licht zurückkehrt am tiefsten Punkt der Dunkelheit.
Betrachtet man das Mysterium welches sich in dieser Zeit vollzieht anhand des Sonnenlaufes innerhalb des Jahres durch den Tierkreis, so ist die Wintersonnenwende der Wechsel der Sonne vom Tierkreiszeichen Schütze zum Steinbock. Steinbock ist auf der materiellen Ebene das Prinzip der saturninen Schwere und der Einschränkung, auf einer geistigen Ebene repräsentiert es das höhere Gesetz.
Einerseits mag das Steinbockprinzip die höchste Bindung und somit die Gefangenschaft in äußeren Umständen darstellen, andererseits ist es gleichzeitig der Motor zur Befreiung, wenn der Mensch sich dem Saturn-Prinzip unterstellt und den bindenden Bedingungen durch Arbeit an sich selbst begegnet, um sich selbst zu überwinden. Schwere und Depression können einerseits zu einem Zustand des Verharrens führen, andererseits vermögen sie als Motor zu wirken, der einschränkende Bedingungen zu überwinden sucht.
Es fällt auf, dass in unserer Gesellschaft derzeit eine Stimmung der Teilnahmslosigkeit herrscht, begleitet von Ziel- und Hoffnungslosigkeit. Viele Menschen haben sich aufgrund von sozialen, politischen und schnellen gesellschaftlichen Veränderungen, wegen düsterer Weltuntergangs-Prognosen oder mangels entsprechender Vorbilder innerlich ausgeklinkt und gestalten ihr Leben ohne große Markierungspunkte. Sie leben in einer traurigen Hoffnungslosigkeit, die sie mit gekünstelten Spaß- und Party-Programmen überwinden wollen.
Vor nicht allzu langer Zeit war der Mensch noch getragen vom Bewusstsein seiner eigenen Leistungen und dem Ziel sich selber zu übertreffen. Dies drückte sich beispielsweise bei Menschen die handwerklich arbeiteten in einem Bedürfnis aus sich über ihre schöpferischen Produkte auszuzeichnen. Ich denke jetzt an die aufwendigen Bauten der Jahrhundertwende, die noch im kleinsten Detail Schönheit und Perfektion aufwiesen. Hinter den äußeren Ausdrucksformen solcher Werke lässt sich ein Bewusstsein erkennen, welches besonders die eigene qualitative Leistung in den Vordergrund rückte und nicht an erster Stelle die Entlohnung oder das Bedürfnis, sich möglichst schnell von bindenden Arbeitsprozessen zu befreien, um viel Zeit für individuelle Belange zu gewinnen.
Der Mensch schuf sich an seinen eigenen Leistungen Euphorie und Begeisterung, die ihm Kraft und Zufriedenheit spendeten. Er grämte sich noch bei dem Gedanken, ein schlechtes Produkt gefertigt zu haben.
Es gab den edlen Wettstreit, der angeregt durch Vorbilder dazu beitrug andere und sich selber immer wieder zu übertreffen. Dieser ist nicht mit dem heutigen Konkurrenzbewusstsein zu vergleichen, dessen Motor nur der Kampf um Selbstbehauptung ist.
Der Mensch ging mit sich selber wertbewusst um, sah aber auch den Wert in der Gemeinschaft in der er lebte und übertrug dieses Wertigkeitsempfinden ebenfalls auf diese Gemeinschaft. Das Modell gar auf Kosten dieser Gemeinschaft zu leben war fast undenkbar und wurde nur in echten Notfällen in Anspruch genommen.
In Deutschland galt es zum Beispiel - bevor mit Adenauer das amerikanische Steuersystem eingeführt wurde - noch als Statussymbol der Selbständigen und Unternehmer, große Summen Steuern zu zahlen. Banken vergaben Kredite nicht auf materielle Sicherheiten, sondern der Nachweis der Höhe der Steuerabgaben sicherte dem Unternehmer gute Kreditrahmenbedingungen. Steuerwillige waren sogar bereit höhere Abgaben zu zahlen, um für neue Investitionen größere Summen aufnehmen zu können. Es ist nachvollziehbar, dass mit der Einführung des amerikanischen Steuersystems, das auf Abschreibungen und Gegenrechnungen besteht der Mensch sukzessive korrumpiert wurde.
Menschen die sich tagaus, tagein gedanklich Vorteile verschaffen müssen um ihre Existenz zu sichern, werden schier zwangsläufig mit der Zeit zu einem unethischen Denken erzogen, das dann auch auf anderen Ebenen Früchte trägt. Dies ist natürlich nur ein Beispiel von vielen. Es ließen sich noch eine Fülle weiterer Bereiche aufführen in denen sich ähnliche Entwicklungen vollzogen haben. Doch es geht hier weder darum zu politisieren, noch darum einer vergangenen Zeit nachzutrauern, sondern um die Erkenntnis, dass die Talfahrt in der sich ein Teil der Menschheit befindet von jedem einzelnen mit Dynamik gespeist wird, solange man die Mängel im eigenen Bewusstsein nicht erkennt. Es ist also in jedem Mensch quasi selber ans Herz gelegt, ob er zu Veränderungen mit beiträgt oder nicht. Denn wenn man solange wartet bis sich etwas verändert hat, kann man lange warten - es wird nichts geschehen. Jeder sollte für sich beginnen die Dinge in sich zu verändern, egal ob andere Menschen sich mit verwandeln (wollen) oder nicht.
Es liegt am Menschen selbst, den entglittenen Faden wieder aufzunehmen. An irgendeiner Stelle zwischen damals und heute hat im Menschen eine Rückwärtsbewegung stattgefunden. Das Gefühl des Stolzes auf die eigenen Leistungen und die des Kollektivs ist verloren gegangen. Die Dinge, die wir für unser Leben ausführen, werden nur noch getan als wären sie ein notwendiges Übel, das Agieren dient nur noch egoistischen Motiven der Selbsterhaltung, nicht aber einem kreativen schöpferischen Ziel, worauf es auch ausgerichtet sein mag.
Einigen wenigen Menschen ist das Bedürfnis erhalten geblieben kreative Schöpfungen zu verwirklichen. In vielen Fällen sind das gerade jene, die für das Kollektiv die Voraussetzungen für das Weiterbestehen schaffen und sie sind auch meist jene, die in ihrem Leben erfolgreich sind.
Anstatt den gegenwärtigen Zustand zu beklagen sollte sich jeder selber einmal fragen, inwieweit er sich in einer Position des Wartens befindet oder ob er im Bewusstsein beginnend seine Energie in einen Veränderungsprozess mit einbringt. Eine neue Ära der Ehrlichkeit, der Aufrichtigkeit und der gemeinschaftlichen Integrität steht vor der Tür. Was wir jetzt erleben sind die polaren Extreme dessen, woraus diese Ära geboren wird. Immer mehr wird der Mensch genötigt werden seinen Energien eine andere Richtung zu geben, die vermehrt dem inneren Menschsein gilt als dem äußeren Menschen und seinen egozentrierten Ansprüchen. Die Gesellschaft ist in ihrem Ansinnen entartet, denn sie strebt zur Zeit einem gegenläufigen Prozess zu, der auf der körperlichen Ebene mit einem karzinogenem Geschehen verglichen werden kann.
Die Einzelzelle Mensch, die zu einem großen Gesamtorganismus gehört, hat sich selbständig gemacht, sie ist entartet und geht eigene Wege, weil ihr Ziel nicht mehr dem ursprünglichen Auftrag des Menschseins entspricht.
Sucht man nach vergleichbaren Ebenen, beispielsweise im Pflanzen- oder im Tierreich, so vermitteln uns diese, dass die Lebenskraft immer aktiv und zielgerichtet ist, was dort durch Wachstum und Entwicklung deutlich wird.
Pflanzen richten sich immer nach dem Licht aus und Tiere werden dem Auftrag der Art gerecht. Beim Menschen erhalten diese Anlagen eine weitere Komponente hinzu, nämlich die der Bewusstwerdung und dem Streben nach Vollkommenheit. In den tiefen Schichten seines Unterbewusstseins sind in ihm jene konstruktiven kosmischen Ziele verborgen, welche zu der Gestaltwerdung der Vollkommenheit beitragen können. Dieser innere Antrieb ist selbstlos, ihm liegt keine persönliche Absicht zugrunde. Er ändert sich je nach dem Grad seiner Bewusstheit, indem er zu denken lernt und sich nach Innen wendet und auf seine innere Stimme hört.
Lernt er diesen inneren Dialog aufzunehmen und aus ihm heraus zu handeln, so werden seine Schöpfungen andere Wege nehmen. Bedeutsam hierbei ist, dass der Mensch aus seinem Inneren heraus einen Antrieb erfährt.
Es ist für ihn wichtig, wie er auf diese Antriebe reagiert, denn er sollte schon zu unterscheiden lernen ob er konstruktiven Beweggründen nachgibt oder nicht. Wenn es auch so sein mag, dass gewisse Lebensumstände ihn zwingen aus einem überlieferten Raster zu handeln, so wird ihn sein inneres Selbst, die Stimme seines Gewissens, niemals irreführen, auch wenn er sich noch so sehr von seinem Intellekt gesteuert entsprechende Plädoyers dagegenhalten wird.
Dies bringt ihn in die Nähe eines der wichtigsten Ziele, nämlich ungeachtet der sozialen, wirtschaftlichen oder kulturellen Erfordernisse auf die innere Stimme zu hören.
Darüber hinaus besitzt der Mensch die Fähigkeit zu unterscheiden was seiner inneren Wahrhaftigkeit entspricht und was nicht. Er hat die Wahl, entweder aus schicksalhaften Erfahrungen etwas zu lernen für seine Lebensgestaltung, oder auf seine innere Stimme zu hören, die ihn stets mit den aufbauenden Kräften verbindet. Wählt er den Dialog mit seinem Inneren, wird er das Vorhandensein einer höheren aufbauenden Gerechtigkeit kennenlernen.
Aufgrund eines solchen Wissens wird er nur jenen Impulsen Raum geben, die sich mit seiner inneren Stimme vereinbaren lassen. Trifft er diese Wahl trotz vordergründig erkennbarer Nachteile, so wird er doch auf längere Sicht merken, dass sein Leben eine ganz andere Qualitäts-Struktur gewinnt.
Denn alle scheinbaren Vorteile die sich nicht mit dem inneren Teil vereinbaren lassen werden sich später als nicht dauerhafte Manifestationen entpuppen, denn die meisten Menschen, die gegen ihre Einsichten handeln, flattern im Leben dahin wie Fähnchen im Wind. Früher oder später wird derjenige der dem Antrieb seines Gewissens folgt merken, dass er gerade deshalb Erfolg hat, weil er sich von egoistischen Konzepten und Plänen gelöst hat.
So ist es das schönste und größte Ziel des Menschen, seine Rolle darin zu finden wie er an dem großen Ganzen auf seine Weise mitwirken kann, indem er seine Rolle die er darin einnehmen kann findet und sie Wirklichkeit werden lässt. (Der Weise wirkt aus Freude am Wirken. Tao-te-king, Laotse)
Die Aufgabe des Menschen ist es, Verständnis für universelles Wissen zu entwickeln, zu verstehen und in diesem Bewusstsein auch zu leben. Nähert er sich diesem Ziel, wird der Mensch immer weniger unter der Ruhelosigkeit und Unzufriedenheit leiden, die der eigentliche Motor für die bestehenden gesellschaftlichen Auswüchse ist. Die Beharrlichkeit auf diesem Wege ist allerdings das Entscheidende, sie ist vor allem jenes Potential das zum Erfolg führt, wenn wir an unserem Ansinnen festhalten.
Ruhelosigkeit und unglückliche Verhältnisse werden so lange der Begleiter des Menschen sein, bis er und all jene anderen sich dazu entschlossen haben am großen Werk der Bewusstwerdung mitzuwirken und dem Bedürfnis nach Vollkommenheit auch Ausdruck zu verleihen.
Dazu ist es nötig einen festen Glauben in die eigenen Fähigkeiten zu entwickeln die eigene Aufgabe erfüllen zu können und in den Entscheidungen stets das Richtige auszuführen.
Suchen wir uns ein Ziel, auf dass es sich für immer lohnt darauf zuzustreben, indem wir lernen uns weiter zu veredeln! Nehmen wir das Mysterium des wiederkehrenden Lichtes als naturgegebenen Mythos, an dem wir erkennen können, dass die Überwindung von Stagnation ein gesetzmäßiger Prozess ist, der im Ergebnis zwingend zu einem Neubeginn führt.
Mit dem Jahresausklang werden wir durch die zunehmenden Nachtkräfte immer wieder daran erinnert, dass wir uns in einem in Vergessenheiten geratenen Zyklus befinden, der die Möglichkeit birgt, besondere Erfahrungen in inneren Welten zu machen. Der Mensch erhält alljährlich das zyklische Angebot, außerhalb der frühlingshaften und sommerlichen Außenaktivitäten an sich zu arbeiten, um den zwei Dritteln des äußerlichen Lebens das fehlende inwendige Drittel hinzuzufügen.
Weihnachtszeit macht den Menschen geneigt, eine immer gleiche merkur- bzw. geschäftsbetonten Hektik zu entwickeln. So flüchtet der Mensch, statt innezuhalten, in das äußere Reich der Einkäufe, um sich vor der latenten ,Bedrohung‘ einen inspirativen Impuls zu erfahren, in Sicherheit zu bringen.
Er schlägt lieber den Weg der fetten Speisen und Feinschmeckereien ein, der zügig zum Ziel führt, denn er bringt mit Sicherheit Ergebnisse auf die Waage oder drängt zu einer Entscheidung über die zu eng gewordene und zu bersten drohende Festtagsgarderobe.
Millionenfach wird auch dieses Jahr die Chance der Bewusstseinserweiterung lediglich zu einer körperlichen Expansion werden, so dass nach den Festtagen deutlich sichtbar wird: der Christusimpuls hat seinen Niederschlag auf den Hüften gezeitigt, nicht aber im Geiste. Jesus wird durch Aldi und Schlecker ersetzt, frozzelte ein junger Kabarettist vor wenigen Wochen im Fernsehen.
Die Zeit der möglichen höchsten Vergeistigung ist stets eine Zeit des panikartigen Fliehens vor den tieferen Erfordernissen, die sie in sich birgt, denn es ist ja stets der träge Mensch, der, wenn er eine Möglichkeit zur Vergeistigung erhält, diese nicht annimmt, aus Angst, es könnte sich in seinem Leben etwas ändern.
Die Gleichsetzung des Weihenachtsmythos mit einem lange zurückliegenden historischen Ereignis bietet geeignete Argumente, sich dem verborgenen geistigen Inhalt zu entziehen, denn was kümmert es den heutigen Menschen, dass vor zweitausend Jahren ein Erlöser geboren wurde. Dieses Argument ist verständlich, doch leider liegt die Kernproblematik in der an die Person des Christus gebundenen Auslegung dieses Mythos. Sie führte dazu, dass der Mythologem in Frage gestellt wurde und mit ihm auch die ganze Lehre, die auf historischem Glaubensgeschehen basiert und die somit einen Teil ihrer Glaubwürdigkeit einbüßte.
Die Idee des Chrestosprinzipes ist aber viel älter als das Christentum selbst. Sie bezieht sich auf den Weg, der den Menschen in aktiver Form an sich arbeiten lässt, ohne ihn dabei aus der Eigenverantwortlichkeit zu lösen. Der Chrestos als Erlösungsprinzip ist immer das Ergebnis einer langjährigen Arbeit, welches den Menschen befreit, der auf dieses Prinzip zugearbeitet hat. Er ist nicht die historische Erlösungsinstanz, die vor zweitausend Jahren geboren wurde. Auf seinem eigenen Weg forderte die Person Jesus die Menschen auf, es ihm nachzutun, in dem sie den Christus in sich herstellen. Ich erinnere mich an meine intensive Schmöker-Zeit, als ich Luthers Schriften und Korrespondenzen auseinandernahm. Dieser Fakt wurde stets fehlinterpretiert, weil es da heißt: ,,der Christus wird euch erlösen“ was zur Verwechslung zwischen der Person Jesus und dem erlösenden Zustand Christus führte. Luther fordert in Briefen seine Freunde häufig auf, „in Christo“ zu bleiben.
Aus falscher Interpretation entstand so ein verhängnisvolles Abhängigkeitsverhältnis, weil die Menschen glaubten, dass eines Tages ein Erlöser erscheint, der für sie eine Arbeit leistet, zu der sie eigentlich selber aufgefordert sind. Ein tragisches Missverständnis, welches den Menschen über Jahrhunderte entmündigte. Der Weg der Lämmer band die Herde der Gläubigen an die Wiesen, auf denen sie grasten, und sie wurden von ihren Hirten von Wiese zu Wiese geführt, auf der sie in einem passiven Zustand verweilten.
Der Mystiker braucht die „Verwaltungskirche“ und ihre Gängeleien nicht; er sieht das Wirken Gottes täglich auf der Erde. Zum Beispiel vergleicht der Mystiker analog die von der Sonne ausströmende Kraft mit dem Chrestosprinzip. Die Sonne wurde in allen Kulturen als Symbol für das Göttliche verehrt. Das solare Prinzip gilt als Grundlage eines metaphysischen Aufbaues, der sich vor allem auf die gewaltige Macht eines Schöpfungsimpulses stützt.
Dieser wirkt immer aufbauend und fördernd und ist deshalb in seinem Keim positiv. Sein Wirken vollzieht sich nach dem heiligen Gesetz der Dreiheit, die sich auf allen Daseinsebenen manifestiert.
Dieses Prinzip des Sonnen-Logos ist universell und ewig. Es kann von jedem Menschen erfasst werden und ist deshalb niemals von irgendeiner Gemeinschaft mit einem Monopol zu belegen. Der geistige Inhalt dieses Prinzips kann auf keinen Glauben und auf keine dogmatische Religionslehre beschränkt werden, denn es ist immer der sich stets manifestierende eine Logos.
Das Ziel dieses Prinzips liegt in dem kaum verständlichen Paradox des Schöpfens, als Mittel, sich selbst zu erkennen, um daraufhin wieder in die Urbausteine zurückzukehren. Dieser Rückweg kann sich aber nur vollziehen, indem das Licht (Geist) sich in der Form bricht, um dort für den Erkenntnisprozess sichtbar zu werden. Immer neue Wellen des Geistes gehen von diesem Prinzip aus, die das Bewusstsein des Menschen durchfluten, damit aus den Kräften der Stagnation die Kräfte der Erkenntnis zu erwachsen vermögen.
Die einseitig dogmatischen Kirchenlehren haben dieses Urwissen verdrängt und zur Unkenntlichkeit verzerrt, um sich auf diese Weise eine monopolistische Herrschaftsstruktur aufzubauen, die unter dem Deckmantel der Erlösung eigentlich bindet.
Es gab jedoch Zeiten, in denen ein universelles Wissen vorherrschte, welches nicht ausgrenzend war, sondern in den verschiedenen Formen die eine Wahrheit suchte, die sich immer selber ausdrückt. Im November 98 verwies eine WDR-Sendung auf Melanchthons Antrittsrede an der Universität Wittenberg. Eine solche universelle Philosophie findet man in den tragenden Säulen der hermetischen Weltanschauung, welche die Grundkräfte des Schöpfungsaufbaues definieren.
Die vorchristlichen Gnostiker hatten gleichfalls dieses universelle Wissen in ihren Lehren verankert. Der eingeweihte Gnostiker war derjenige der den Geist des Sonnenlogos in sich aufzunehmen bestrebt war, um verantwortlich im Geiste des Chrestosprinzips zu handeln, ohne sich dogmatisch zu binden. Gelang ihm dieses, so wurde aus dem Gnostiker ein Chrestos.
Das Wort Chrestos existierte lange bevor das Christentum bekannt wurde. Aischylos spricht von Orakeln, die von einem physischen Gott verkündet wurden und nannte denjenigen, der dieses Orakel im geistigen Sinne zu entschlüsseln vermochte, einen Chresten. Ein Chresterius war derjenige, der im Dienste eines Orakels stand, als Meister der Verkündigung dieses Orakels. Es ist somit wahrscheinlich, dass das Wort Chrestos der Terminologie der gnostischen Lehre entnommen wurde. Auch in den Weisheitslehren der griechischen Tempelmysterien bedeutete Chrestos ein Wort, welches von dem Verbum ,,chraomai“ abgeleitet wurde, was soviel bedeutet wie einen Gott um Rat fragen.
Darüber hinaus findet man fast in allen Religionen die gleichen Legenden, mit der gleichen Struktur und dem gleichen Inhalt.
Die Geburt Christi als Sohn des Weltenvaters in der Nacht zum 25. Dezember durch eine irdische Jungfrau bedeutet, dass das Geistprinzip in der Seele, die als irdische Jungfrau bezeichnet wird, seine Geburt findet. Dies wurde stets als Metapher auch in anderen Begebenheiten wiedergegeben.
So findet man eine Fülle gleichlautender Überlieferungen. Agnis in Indien, Mythras in Persien, Osiris in Ägypten, Apollo in Syrien, Manu und Buddha und viele andere Geistessöhne, sind in der Nacht zum 25. geboren, womit allegorisch auf die immer gleichgeartete Thematik hingewiesen wird.
Bekanntlich weisen Jesus und Gautama große Ähnlichkeiten miteinander auf. Beider Mütter werden vom heiligen Geist begattet und gebären als Jungfrauen. Beiden Kindern werden von Weisen und Königen Huldigungen dargebracht. Jesus, der Christus, und Gautama, der Buddha, predigen im Kindesalter im Tempel; beiden naht der Versucher in Gestalt von Satan und Mara; beide Erlöser wirken Wunder und werden von einem ihrer Jünger verraten, von Judas und Devadatta. Wer den hermetischen Symbolschlüssel besitzt, vermag sich einen tiefen Zugang in die verschiedenen Mythen zu verschaffen und erkennt dort jenes Raster, das den Menschen in Verbindung bringt mit dem solaren Weg der eigenen Vergeistigung. Denn die initiatisch unberührte menschliche Seele (Maria) wird vom Geist befruchtet, um das daraus erwachsende Bewusstsein (Chrestos) zu gebären. Der Mystiker Angelus Silenus drückt dies mit den Worten aus: ,,Und wäre Christus hundertmal in Bethlehem geboren und nicht in dir, du wärest hoffnungslos verloren.“
Dadurch, dass die Kirche der ersten Bischöfe die frühgnostischen Sekten vernichtete, dass sie die Manuskripte und Niederschriften verbrannte, ist ein unermesslicher Schaden entstanden und der Verfall des Wissens zu erklären.
Trotzdem ist auch heute noch nicht das heilige Licht der Erkenntnis vollständig erloschen. Es glüht noch auf in den kleinen geistigen Tempeln des johanneischen Wissens. Es liegt jenseits der starren Dogmatik und dem Joch der Kirchenlehren. Es leuchtet auf in den Herzen derer, die auf der Suche sind und zündet in den Menschen, die sich dem Impuls des Sonnenlogos innerlich öffnen und die bestrebt sind, ihn weiterzuvermitteln.
Der Mensch, der auf den erlösenden Akt des Chrestosprinzips hofft, wird solange vergeblich warten, bis er verstehen lernt, dass es um seine innere Bereitschaft geht, die Religio mit dem Chrestosprinzip selbst herzustellen. Diese Verbindung ist aber nicht auf dem Weg des abstrakten Denkens möglich oder über die Aufnahme von theoretischem Wissen. Sondern die Erreichung des Ziels ist an den mystischen Weg gebunden, der den Menschen einbindet in eine Verantwortlichkeit seinem eigenen Leben gegenüber. Diese ist gebunden an eine veränderte Weltsicht, an eigenes Ringen und Bemühen auf dem Weg sowie der Bereitschaft, Veränderung bei sich zu bewirken, gepaart mit der Sehnsucht nach Erkenntnis. Hat der Neophyt diesen inneren Weg als sein zu erreichendes Ziel erkannt, so ist es bedeutsam, ihn mit Mut und Zuversicht kompromisslos zu beschreiten.
Die Weihenachtszeit ist mit den an die heilige Nacht anschließenden Rauhenächten stets eine Zeit der Einweihung und der Verinnerlichung gewesen. In diesem Zeitraum durfte nicht im Außen gearbeitet werden, sondern man widmete sich inspirierten Studien und Meditationen, um entsprechend der Zeitqualität jenen Teil zu gebären, den der christliche Mythos beschreibt.
Öffnet man sich innerhalb dieser Zeit in meditativer Bereitschaft diesem einsetzenden Impuls, dann erfährt man auf einer numinosen Ebene eine Befruchtung, die ihre Früchte in den folgenden Zyklen zeigen wird. Für den Menschen in der heutigen Zeit ist es deshalb von besonderer Bedeutung, sich einem Impuls zu öffnen, der sich in die entgegengesetzte Richtung seiner Grundintentionen bewegt, um sich wieder vom Geist berühren zu lassen.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen immer wieder eine inspirierte Einweihungszeit und gesegnete Andacht!
Bernd Schiele
OSTERN - IMMER NOCH EIN EWIGES MYSTERIUM
WAS IST DAMALS EIGENTLICH PASSIERT?
Rom hat damals Jesus nach kurzem Prozess schimpflich hingerichtet. Schnell musste es gehen, bevor Hunderttausende in die Stadt zum religiösen Fest kamen. Der Prokurator und die Widersacher aus der Priesterkaste waren unter Zeitdruck. Warum war dieser Jesus von Nazareth einer Weltmacht überhaupt gefährlich geworden?
Bekanntlich sind die Evangelien bestrebt, den Anteil der Römer an dem Prozess gegen Jesus herunterzuspielen: Pilatus wusch seine Hände in Unschuld. In Wahrheit dürfte der Prokurator sehr genau gewusst haben, was er tat, als er Jesus dem Kreuz überantwortete. Das tödliche Verbrechen, dessen sich der Jude schuldig gemacht hat, lag aus römischer Sicht sehr wahrscheinlich in Jesu Kritik am Tempelkult und an den Machtverhältnissen in Jerusalem begründet.
Der Tempelbezirk war ein mehr als heikler Punkt in der römischen Herrschaft über die Provinz Judäa. Wer hier in diesem Kultur- und Verwaltungszentrum Unruhe stiftete, konnte immer mit Aufmerksamkeit rechnen und fast immer auch einen Aufstand provozieren. Aus taktischen Gründen arbeiteten die Römer deshalb mit der Priesterkaste in Jerusalem, den Sadduzäern, zusammen: Sie verwalteten mit Duldung der Römer den Tempelkult und einen Teil des öffentlichen Lebens. Sie wahrten so eine sehr eng begrenzte Form jüdischer Selbstverwaltung. Der Hohepriester im Tempel war zugleich Vorsitzender des Sanhedrin (oder Synhedrion), des Hohen Rates, der seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. die höchste jüdische Behörde bildete.
Mit seiner Kritik an den Geldwechslern im Tempel ,,Ihr aber habt eine Räuberhöhle daraus gemacht“) griff Jesus sowohl die auf ihre Macht bedachten Sadduzäer als auch die auf Ruhe bedachten Römer frontal an. Was folgte, war ein klar abgesteckter Instanzenweg: Der Hohe Rat klagte Jesus an und sprach das Todesurteil aus, das er aber nicht selbst vollstrecken durfte. Dieses Recht hatte nur der römische Prokurator. Der strengte einen eigenen Prozess mit eigener Beweisführung an, was keineswegs reine Formsache war: Der römische Spruch konnte durchaus anders ausfallen als das Urteil des Sanhedrin.
So berichtet der jüdische Geschichtsschreiber Josephus Flavius vom Fall eines Mannes, der im Jahr 62 in Jerusalem in immer gleichen Worten Unheil prophezeite: ,,Eine Stimme vom Aufgang, eine Stimme vom Niedergang, eine Stimme von den vier Winden, eine Stimme gegen Jerusalem und gegen den Tempel, eine Stimme gegen den Bräutigam und gegen die Braut, eine Stimme gegen das ganze Volk.“
Dieser Prediger durchlief den gleichen Instanzenweg wie Jesus: Anklage vor dem Sanhedrin, Todesurteil, Auslieferung an den römischen Statthalter Albinus. Der aber kam zu dem Ergebnis, dass der Unheilsprophet schlicht wahnsinnig sei. Das Urteil: Freispruch. Der römische Prozess ging also durchaus eigene Wege, was auch als Zeichen für das hohe Rechtsbewusstsein der Römer gesehen werden kann. Gerade die Eigenständigkeit der römischen Urteile zeigt, wie sehr Jesus aus römischer, dem eigenen Machtkalkül gehorchender Sicht als hochgefährlich eingestuft wurde.
Die Inschrift an Jesus Kreuz „Rex Judaeorum“, König der Juden, war vermutlich ein juristischer Fachbegriff für Aufrührer. (Nun ja, ich habe ihn ja nie als Langeweiler verstanden.) Einen Hinweis darauf liefert wiederum Josephus Flavius. Er benutzt das griechische Wort für König, Basileus, als Sammelbegriff für Anführer von jüdischen Gruppen, die ,,den Untergang der staatlichen Ordnung herbeiführen wollten“, sprich: der römischen Herrschaft.
Auch Jesus wurde in diesem Sinn als ,,König“ hingerichtet. Den Christen erschien er später in anderem Sinne als König - einem Sinn, mit dem Rom nichts anfangen konnte.
Die Osterbotschaft sagt uns immer wieder: LEIDEN MUSS NICHT SINNLOS SEIN.
Ein Blick auf den Kalender verrät uns:
Zahlreiche ,,freie Tage“ stehen bevor, der Karfreitag, der Ostermontag. Wie stark sind Karwoche und Osterfest überhaupt noch im Bewusstsein der Menschen, die wohl mehr dem langen Wochenende entgegenleben, verwurzelt?
Welche Bedeutung hat die Karwoche heute für die Menschen?
Ich habe den Eindruck, dass das Bewusstsein über die Bedeutung der Karwoche zurückgeht. Die Karwoche ist für Christen der wesentlichste Teil des Kirchenjahres, weil sich das Heilsgeschichtliche in dieser Zeit ereignete: Dass Gott Mensch wurde, bis in die tiefsten Tiefen des Menschseins hinein, dass das Leben im Tod verborgen war und Ostern hervorgetreten ist. Deutlich wurde damit, dass das Leben stärker ist als der Tod.
Es dürfte klar sein, dass die totale Leidensvermeidung kein erstrebenswertes Ziel sein kann. Dass im Leiden auch eine Chance liegt und dass Leiden nicht nur vollkommen sinnlos sein muss, sondern dazu helfen kann, dass man reift, in seinem Menschsein wächst. Von daher kann sich der Mensch auch den dunklen Seiten seiner Existenz zuwenden und ihnen standhalten, um sozusagen durch Karfreitag zum „inneren“ Osterfest zu kommen und damit stärker zu werden.
Die Karwoche ist ein Impuls, der dazu auffordert, nicht besinnungslos zu werden, sondern zur Ruhe zu kommen und dunkle Seiten auszuhalten. Das gibt es doch alles, ewig aktuell: Es gibt doch Streit, es gibt Verletzungen, es gibt Krankheit, Leid und Tod. Es geht darum, dies nicht einfach zu verdrängen, sondern wirklich genau anzuschauen, auszuhalten und zu fragen: Wie integriere ich all das in mein Leben? Das Osterfest ist eine Hilfe, dies in einen sinnvollen Zusammenhang zu setzen. Wir können nicht nur sagen: Sinn ist da, wo des Lebens pralle Fülle ist, und da, wo, Leid ist, ist es sinnlos. Denn: Beides gehört zum Leben als Mensch dazu. Das können/sollten wir in der Karwoche bewusst wahrnehmen.
Ich kann dunkle Seiten nur in mein Leben integrieren, weil ich weiß, dass Gott ganz Mensch geworden ist, gelitten und damit mein Leiden auch geadelt hat.
Manchmal vergessen wir, wie und warum wir eigentlich beten sollen;
z. B. das Vaterunser. Weil wir meinen. dass wir nicht allein zurecht kommen, weil wir Güte und Liebe brauchen. die begleitende Hand, die uns führt und den Weg weist, darum beten wir:
Vater unser im Himmel.
Weil es in unserem Leben viel Unstimmigkeit gibt in allen Beziehungen, weil der Name Gottes täglich da beleidigt wird, wo Zwietracht, Neid, Streit herrschen, wo Gottes Wille mit Füßen getreten wird,
darum beten wir:
Geheiligt werde dein Name!
Weil es um alle Menschen geht, um Reiche und Arme, um Freunde und Feinde, weil uns Christus als seine Botschafter haben will, darum beten wir:
Dein Reich komme.
Weil wir es allein nicht schaffen. weil wir uns gegenseitig helfen müssen, um uns zu verstehen, weil wir auf unserem Weg oft Zweifel und Ängste haben. weil wir Wegemarkierungen brauchen. darum beten wir:
Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
Weil wir den Hunger in der Welt vor Augen haben. weil in dieser Welt nicht in Frieden ein gleicher Tisch gedeckt ist für alle, darum beten wir:
Unser tägliches Brot gib uns heute.
Weil wir Menschen sind, die schnell über andere urteilen. weil wir dem anderen so wenig Gutes gönnen und so leicht vergessen, wo wir an anderen schuldig geworden sind, darum beten wir:
Vergib uns unsere Schuld. wie wir vergeben unseren Schuldigern.
Weil wir es nicht wagen. die Macht zu begrenzen und sie gut zu gebrauchen. weil wir immer wieder in Gefahr sind, vom guten Wege abzuweichen, darum beten wir:
Führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Weil wir Glauben brauchen für die Herrschaft Gottes, die mitten unter uns Gestalt annimmt und Ermutigung für unser Handeln. darum beten wir:
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Das Wichtigste am Gebet sind die zwanzig Minuten für die innere Sammlung danach ...
Die Lebensaufgabe
Hauptinhalt meiner Grundidee ist die Entdeckung der eigenen Lebensaufgabe beziehungsweise der persönlichen Bestimmung als Weg zu innerem Glück und Erfüllung. Ihre Lebensaufgabe ist das, wozu Sie - als einziger Mensch auf dieser Welt - am besten geeignet sind...
Diese Lebensaufgabe führt zu Ihrer Erfüllung.
Ich glaube aufgrund meiner Erfahrungen zu merken, dass viele Menschen durch Alltagsdruck/Leidensdruck/Missverständnisse gar nicht in Kontakt mit ihrer persönlichen Bestimmung sind.
Ich glaube, bei den meisten Menschen ist das so. In dem Maße, wie ein Mensch mit seiner Lebensaufgabe in Berührung ist, in dem Maße fühlt er sich erfüllt. Wie viele Menschen kennen Sie, die sich erfüllt fühlen? Wie viele Menschen sind erfüllt, und wie viele Menschen verbringen ihre Zeit damit, sich zu beschweren? Und selbst diejenigen von uns, die sich erfüllt fühlen, wieviel Zeit verbringen die (wir) damit, uns zu beschweren? In dem Maße, wie wir uns beschweren, in dem Maße leben wir nicht im Sinne unserer Lebensaufgabe. Wir geben unsere Gaben nicht, jene Gaben sind immer noch in unserem Inneren verborgen. Mit den Gaben verhält es sich wie mit einer Schachtel Kosmetiktücher, man zieht ein Geschenk heraus und sogleich kommt das nächste Geschenk nach, und kaum nimmt man die nächste Gaben an, wird einem schon wieder die nächste Gabe dargeboten. So geht das immer weiter von kleinsten und kleinen Gaben bis hin zu großen Gaben, die etwas von Vision und Genialität haben, und dann geht es sogar noch weiter, hin zu den Gaben der Meisterschafts-Ebene. Dies alles ist im Geist eines jeden Menschen angelegt. Meiner Erfahrung nach hat jeder Mensch das Potential, ein Genie, ein Visionär zu sein.
Also handelt es sich eher um mangelnde Erkenntnisfähigkeit, nicht um das Fehlen der Lebensaufgabe. Es könnte also tatsächlich sein, dass Sie jetzt in diesem Moment Ihre Lebensaufgabe erfüllen, gerade das aber nicht erkennen.
Es war zu entdecken, dass diese mangelnde Erkenntnisfähigkeit auf Furcht beruht, dass wir in der Tat Angst vor diesem Wissen haben. Warum sollte es sonst solche Verschwörungen gegen uns selbst geben? Warum sonst sollten all diese Träume da sein, um uns aufzuhalten? Sehen sie, das Ego erzählt uns immer: „Du hast eine wirklich große Lebensaufgabe“. Und das stimmt auch. Jeder hat eine wirklich große Lebensaufgabe. Und dann sagt es: ,,Du bist überhaupt nicht in der Lage, sie zu erfüllen.“ Was ebenfalls stimmt, aber irreführend ist. Der Mensch kann seine Lebensaufgabe nicht erfüllen, aber sie kann durch ihn erfüllt werden. Der Gedanke, dass wir sie auszuführen haben, lastet so schwer auf uns, dass wir kehrtmachen und davonlaufen. Aber wenn wir uns vor unserer Lebensaufgabe drücken, dann werden unsere Probleme nur noch größer, weil sie immer weiter versucht, uns aufzuwecken und uns auf den einzigen Pfad zurückzurufen, auf dem wir glücklich sein können.
SICH ÖFFNEN - das ist ALLES! Auf diese Art und Weise bleiben Sie frisch und spontan und hören immer auf diese inneren Hinweise, auf ihre innere Stimme, die Inspiration, auf die Kreativität, die durchkommen möchte. An diesem Punkt gibt es keinen Widerstand, keine Belastung, kein Schweregefühl und auch nicht die Müdigkeit die mit all diesen Dingen einhergehen würde. Eine weitere Strategie könnte darin bestehen, die Idee aufzudecken, die sie gleichermaßen fasziniert und in Angst und Schrecken versetzt. Das ist normalerweise ihre Lebensaufgabe. Sie haben viel zu große Angst, überhaupt daran zu denken, dass sie so etwas jemals könnten, und dennoch ist es genau das, was sie ruft. Das ist der Anfang jenes Weges. Ein weiterer Punkt ist der, dass Ihr Wunsch, Ihre Bereitwilligkeit diese Türen zu öffnen beginnt und zum Wegweiser wird. Alles, was Ihr Höheres Bewusstsein braucht, ist dieses Etwas an Bereitschaft, und es wird Ihnen den Weg zeigen. Es wird sie zu den richtigen Menschen führen, zu den richtigen Büchern, in die richtige Situation...
Ein erprobter Trick besteht darin, sich nicht van den eigenen Erwartungen und Bewertungen beherrschen zu lassen, und auch nicht davon, wie sich bestimmte Situationen entfalten sollten.
Unsere Erwartungen, unsere Erwartenshaltungen machen vieles, wenn nicht alles kaputt. Sie führen nur dazu, dass wir uns entweder enttäuscht oder frustriert fühlen. Erwartungen gehören zu den schlimmsten Beziehungs-Fallen, und dass Erwartungen am Werke sind, erkennen sie spätestens dann, wenn Sie auf dem betreffenden Gebiet (geschäftlich oder privat) keinen „Erfolg“ haben. Ihr Bedürfnis wird nicht erfüllt, weil jede Erwartung eine Forderung darstellt. Und wir hassen Forderungen. Manchmal erfüllen wir sie auch, weil wir uns dazu gezwungen fühlen oder das Gefühl haben, ein Opfer bringen zu müssen, aber es fehlt uns die rechte Freude dabei. Oder wir weigern uns ganz einfach, denn im Grunde ist jeder von uns ein Rebell oder ein Cowboy, und wir wollen uns von niemanden sagen lassen, was wir zu tun haben. Und unter diesen Forderungen liegen Bedürfnisse. Aber ein Ziel, das ist etwas ganz anderes. Oder eine Inspiration, das ist nochmals etwas ganz anderes.
Ich will den Unterschied zwischen einer Erwartung und einem Ziel definieren.
Wo immer Erwartungen am Werke sind, gibt es ein Gefühl des Müssens oder Sollens und all diese Verpflichtungsgefühle. So wird das Vollenden immer schwieriger, je mehr man sich dieser Art von Zielpunkt nähert. Wie zwei Magnete, die sich gegenseitig abstoßen. Es fällt einem so schrecklich schwer. Der Druck ist so groß.
Ein Ziel ist hingegen ,,genau das, was ich möchte“. Wenn sie also dieses Ziel aufschreiben und nur jeden Tag einen Blick darauf werfen, dann hilft dies ihrem Inneren, Ihrem Unterbewusstsein, sich auf seine naturgegebene Richtung auszurichten.
Das glauben die Menschen: Engagement heißt, dass uns eine Sache vereinnahmt, und das ist das Gegenteil von Freisein. Der Unterschied liegt einfach in der Einstellung. Engagement ist eben etwas Paradoxes.
Vor einigen Jahren wurde mir Folgendes klar:
Ganz gleich, ob der Mensch bekommt, was er will oder ob er nicht bekommt, was er will, er wird so oder so enttäuscht sein, nur aus unterschiedlichem Grund.
Später fand ich heraus, dass es sich dabei fast wortwörtlich um ein Zitat asiatischer Weisheit aus Buddhas Texten handelt. Es ist einfach so, dass es einem, wenn man bekommt, was man will, trotzdem offensichtlich nicht das gibt, was man sich wünscht, da man sich eigentlich etwas von größerer Intensität, Tiefe wünscht.
Engagement ist das, was man gibt, und sich zu engagieren bedeutet, sich selbst zu geben. In dem Maße, wie man sich engagiert, in dem Maße ist man zentriert und auf eine Sache ausgerichtet.
Statt also all diese anderen Dinge zu tun, die nicht unbedingt zu einer sinnvollen Lebensgestaltung beitragen, beginnen Sie in dem Moment, da Sie sich für etwas einsetzen, Ihrem Leben eine bestimmte Richtung zu geben. Sie haben dann vielleicht nicht mehr die ganz große Auswahl, dafür aber verleiht das gelebte Engagement Ihnen wahre Freiheit, zu der Sie eine ganze Weile im Leben keinen Zugang hatten. Das Interessante daran ist, dass sie sich innerlich frei fühlen, weil Sie dann auch wahrhaft frei sind. Wenn Sie sich für etwas wahrhaftig engagieren, wird es Sie kurioserweise weder wesentlich ermüden noch sonstwie wesentlich strapazieren.
Vermutlich werden Sie jetzt fragen: Welche Folgen hat das Finden beziehungsweise Nicht-Finden unserer persönlichen Berufung sowohl für den einzelnen als auch für die Gesellschaft als Ganzes?
Die Welt wäre sehr kreativ. Und voller Friede. Denn wer mit seiner persönlichen Lebensaufgabe in Einklang ist, versucht nicht etwas anderes zu bekommen. Wer keine eigene Lebensaufgabe hat, ist in großer Gefahr, sich für wertlos zu halten. Wertlosigkeit ist das Schlachtfeld, auf dem sich Ego und Höheres Bewusstsein bekriegen. Eigentlich ist Wertlosigkeit das Grundgefühl dieser Welt. Um dem zu begegnen, sorgen wir dafür, dass wir stets Beschäftigung haben.
Wenn Sie das Gefühl haben, dass Ihr Leben sinnlos ist, brauchen sie nur Ihr Höheres Bewusstsein zu fragen: ,,Worin besteht meine Lebensaufgabe? ‘ Die Worte, die Ihnen in den Sinn kommen, können sehr einfach sein, aber sie werden das dazugehörige Gefühl spüren. Manchmal, wenn ich mir diese Frage stelle, kommt mir mein abendländisch-asiatisches-religiös-spirituelles Lebensmotto (siehe mein Internet-AOL-Profil) in den Sinn: „Freu Dich, wenn´s regnet; wenn du dich nicht freust, regnet es auch!“ oder ganz einfach die Worte: „Sei glücklich!“. Und ganz plötzlich fühle ich mich glücklich. Es ist nicht so, dass ich dafür etwas tun müsste, es ist einfach meine Bestimmung. GLÜCK ist eine Sache, die im Kopf stattfindet. Oder auch... Liebe diese Menschen, wie sie eben sind!“. Und dann ist da dieses Gefühl der Liebe. Ich will damit sagen, dass das, was sie hören, auch gegeben wird, ganz gleich, was es sein mag. Das Ego versucht zu sagen: ,,Versuche dies hier, nimm dir dieses, es wird dich glücklich machen.“ Wenn wir es dann nicht bekommen, wollen wir einen anderen Menschen aus Enttäuschung angreifen oder wir hadern sonstwie mit den Umständen und der „Gerechtigkeit“.
Wir schieben die Schuld auf andere.
Ein Mensch, der seine Lebensaufgabe lebt, versucht nicht, etwas zu bekommen, sondern möchte etwas geben, weil er weiß, dass nur das ihm Freude bringen wird.
Meine Liebe macht es mir möglich zu erkennen, wie sehr ich geliebt werde. Partner könnten mich hundertprozentig lieben, aber wenn ich sie nicht liebe, dann werde ich das wohl niemals wahrhaftig bemerken.
Sobald ich aber ihnen meine Liebe schenke, kann ich erkennen, dass sie mich lieben. Genau das ist die Bedeutung unserer Lebensaufgabe, einfach eine vorbehaltlose, natürliche Hingabe an das Leben.
ZUM NACHDENKEN
Denk an deinen Schöpfer in deiner Jugend, ehe die bösen Tage kommen und die Jahre sich nahen, da du sagen wirst:
„Sie gefallen mir nicht“; ehe die Sonne und das Licht, Mond und Sterne finster werden und Wolken wiederkommen nach dem Regen.
Zur Zeit, wenn die Hüter des Hauses zittern und die Starken sich krümmen und müßig stehen die Müllerinnen, weil es so wenige geworden sind,
und wenn finster werden, die durch die Fenster sehen, und wenn die Türen an den Gassen sich schließen, dass die Stimme der Mühle leiser wird,
und wenn sie sich hebt, wie wenn ein Vogel singe, und alle Töchter des Gesanges sich neigen;
wenn man vor Höhen sich fürchtet und ängstigt auf dem Wege, wenn der Mandelbaum blüht und die Heuschrecke sich belädt und die Kaper aufbricht;
denn der Mensch fährt dahin, wo er ewig bleibt, und die Klageleute gehen umher auf der Gasse; ehe der silberne Strick zerreißt und die goldene Schale zerbricht und der Eimer zerschellt an der Quelle und das Rad zerbrochen in den Brunnen fällt.
Denn der Staub muss wieder zur Erde kommen, wie er gewesen ist, und der Geist wieder zu Gott, der ihn gegeben hat. Es ist alles ganz eitel, spricht der Prediger, ganz eitel.
Der Prediger Salomo
C A R P E D I E M !!!
(lat.: Nutze den Tag!)
Wer jemals w a h r h a f t i g g e l e b t
will’s s o - und nie mehr anders! - haben!
Wer auch mal loslässt - gern mal s c h w e b t -
d e m schickt Fortuna ihre Gaben!!!
D u suchst das G l ü c k ? Sei nur z u f r i e d e n !
D a n n ist ihr Füllhorn D i r beschieden!
Ein C A R P E D I E M !!! sag’ ich D i r !
D u weißt w o h l , was ich meine...!
Du glaubst Du hast ‘ne Chance verpasst?
Fortuna „schickt“ nie wieder eine?
Das G l ü c k ist n i e von s e l b s t erschienen!
F O R T U N E ??? D a s muss man sich verdienen!!!
Noch nie hat jemand Glück verbucht,
wenn er nicht s t r e b e n d hat gesucht!
Drum wird, wer sich vorm Glück v e r s t e c k t ,
recht h ä u f i g auch von ihm geneckt!
Denk an den „Club der toten Dichter“,
der eine munt’re Satzung hatte!
Das Leben r a s t an Dir vorbei
und nieder liegst Du auf der Matte!
Du stehst noch häufig vor der Frage:
„Willst Hammer, willst Du Amboss sein?
F L I E G E N sollst Du - wie ein Adler!
Drum: Mach’ Dich n i e von selber k l e i n !
Sie wissen, was ein Jauchzer, ein Jubelschrei ist? Haben Sie schon mal in einem Wald einen Jubelschrei ausgestoßen? Die Alltags-Welt will uns manchmal glauben machen, wir hätten keinen Grund dazu...
Das Gedicht will Ihnen Gründe liefern!
Yawp oder Joop
oder Urschrei
oder was Ihnen zum Thema einfällt ...
Wann sollst Du einen YAWP!!! tun?
Gleich h e u t e !!! Weil ein schöner Tag
Dich dazu inspirieren mag!
Weil G o t t Dich hat geschaffen -
ganz anders als die Affen!
Weil eine Seele Dir geschenkt,
die fühlen darf - uneingeschränkt!
Weil Regen auf die Wiesen fällt
und Wasser durch die Bäche schnellt!
Weil eine Lerche für D i c h singt
und deren Lied D i c h ganz durchdringt!
Weil Du wie auf Wolken schwebst
und gerad’ ein H o c h g e f ü h l erlebst!
Weil der D i c h liebt gerad’ bei Dir ist,
und weil Du heut’ so m u n t e r bist!
Denn: D u darfst unter M e n s c h e n sein!
Du weißt: So v i e l e sind a l l e i n !
WAGNISSE
Wenn wir lachen, laufen wir Gefahr, lächerlich zu erscheinen.
Weinen wir, nehmen wir das Risiko auf uns, sentimental zu sein.
Reichen wir jemandem die Hand, riskieren wir Schwierigkeiten.
Seine Gefühle nach außen zu tragen, könnte bedeuten sich bloßzustellen.
Zu hoffen, heißt Verzweiflung zu riskieren.
Zu wagen, birgt die Gefahr des Fehlschlages in sich.
Zu leben heißt, das Sterben zu riskieren.
Aber Risiken müssen eingegangen werden, denn das größte Wagnis im Leben ist es, nichts zu riskieren. Ein Mensch der nichts wagt, tut nichts, besitzt nichts und ist nichts. Er mag Leid und Schmerz vermeiden, doch er kann ganz einfach nicht lernen, fühlen, sich wandeln, wachsen, lieben oder leben. Gefangen in seinen Vorstellungen, ist er ein Sklave, er hat die Freiheit eingebüßt.
Nur ein Mensch, der wagt, ist frei.
(Den Autor kenne ich nicht, aber das Zitat entspricht meiner Meinung)
Kunst der kleinen Schritte
Ich bitte nicht um Wunder und Visionen, Herr, sondern um Kraft für den Alltag. Lehre mich die Kunst der kleinen Schritte.
Mach mich griffsicher in der richtigen Zeiteinteilung, schenke mir das Fingerspitzengefühl, um herauszufinden, was erstrangig und was zweitrangig ist.
Ich bitte um Kraft für Zucht und Maß, dass ich nicht durch das Leben rutsche, sondern den Tageslauf vernünftig einteile, auf Lichtblicke und Höhepunkte achte, und wenigstens hin und wieder Zeit finde für einen kulturellen Genuss.
Lass mich erkennen, dass Träume nicht weiterhelfen, weder über die Vergangenheit noch über die Zukunft. Hilf mir, das Nächste so gut wie möglich zu tun und die jetzige Stunde als die wichtigste zu erkennen.
Bewahre mich vor dem naiven Glauben, es müsste im Leben alles glatt gehen. Schenke mir die nüchterne Erkenntnis, dass Schwierigkeiten, Niederlagen, Mißerfolge, Rückschläge eine selbstverständliche Zugabe zum Leben sind, durch die wir wachsen und reifen.
Erinnere mich daran, dass das Herz oft gegen den Verstand streikt. Schick mir im rechten Augenblick jemanden, der Mut hat, mir die Wahrheit in Liebe zu sagen.
Ich möchte Dich und die anderen immer aussprechen lassen. Die Wahrheit sagt man sich nicht selbst, sie wird einem gesagt.
Du weißt, wie sehr wir der Freundschaft bedürfen. Gib, dass ich diesem schönsten, schwierigsten und zartestem Geschenk des Lebens gewachsen bin.
Verleihe mir die nötige Phantasie, im rechten Augenblick ein Päckchen Güte, mit oder ohne Worte, an der richtigen Stelle abzugeben.
Mach aus mir einen Menschen, der einem Schiff mit Tiefgang gleicht, um auch die zu erreichen, die „unten“ sind.
Bewahre mich vor der Angst, ich könnte das Leben versäumen. Gib mir nicht was ich mir wünsche, sondern was ich brauche.
Lehre mich die Kunst der kleinen Schritte.
(Antoine de Saint-Exupéry)
Geh Deinen Weg ruhig, mitten in Lärm und Hast
und wisse, welchen Frieden die Stille Dir schenken kann.
Laute und zänkische Menschen meide,
sie sind eine Plage für Dein Gemüt.
Wenn Du Dich selbst mit anderen vergleichen willst,
wisse, dass Eitelkeit und Bitterkeit auf Dich warten;
denn es wird immer größere und geringere Leute geben als Dich.
Freu´ Dich an Deinen Erfolgen und an Deinen Plänen.
Strebe wohl danach, weiterzukommen, aber bleibe bescheiden.
Das ist ein guter Besitz im wechselnden Glück des Lebens.
Nimm den Ratschluss der Jahre mit Freundlichkeit an.
und gib Deine Jugend mit Anmut zurück, wenn sie endet.
Pflege die Kräfte Deines Gemütes,
damit es Dich schützen kann, wenn Unglück Dich trifft.
Aber erschöpfe Dich nicht durch dunkle Vorahnungen.
Viele Ängste entstehen aus Erschöpfung und Verlassenheit.
Erwarte eine heilsame Selbstbeherrschung von Dir,
im übrigen aber sei freundlich und sanft zu Dir selber.
D u bist ein Kind der Schöpfung,
nicht weniger als die Bäume und Sterne es sind.
Du hast ein Recht darauf, hier zu sein.
Und ob Du es merkst oder nicht,
ohne Zweifel entfaltet die Schöpfung sich so wie sie es soll.
Lebe in Frieden mit Gott,
wie immer Du ihn jetzt für Dich begreifst;
und was auch immer Deine Mühen und Träume sind,
in der verwirrenden Unruhe des Lebens
halte Frieden mit Deiner eigenen Seele.
Mit all ihrem Trug, ihrer Plackerei und ihren zerronnen Träumen -
die Welt ist immer noch schön!
Lebe sorgfältig!
Strebe danach, glücklich zu sein!
(Alt-irische Quelle)
Der Herr sei vor dir, um dir den rechten Weg zu zeigen ,
Der Herr sei neben dir, um dich in die Arme zu schließen und dich zu schützen.
Der Herr sei hinter dir, um dich zu bewahren vor der Heimtücke böser Menschen.
Der Herr sei unter dir, um dich aufzufangen, wenn du fällst, und dich aus der Schlinge zu ziehen.
Der Herr sei in dir, um dich zu trösten, wenn du traurig bist.
Der Herr sei um dich herum, um dich zu verteidigen, wenn andere über dich herfallen.
Der Herr sei über dir, um dich zu segnen.
So segne dich der gütige Gott.
(Irischer Reisesegen aus dem 4 Jahrhundert)
Jan Kochanowski polnischer Dichter aus dem 16. Jahrhundert.
Lied (Dem Schöpfer)
Was willst Du von uns, Herr, für Deine reichen Gaben?
Was für die guten Werke, die kein Ende haben?
Die Kirche fasst Dich nicht, voll ist von Dir die Welt,
Der Abgrund und das Meer und Erd‘ und Himmelszelt.
Auch Gold begehrst Du nicht, ich weiß: all das ist Dein,
Was immer auf der Welt der Mensch auch nennet sein.
Dankbaren Herzens drum wir, Herre, Dich bekennen,
Da wir sonst schicklicher kein Opfer bringen können
.
Du bist des Weltalls Herr, Du hast erbaut den Himmel
Und schön darauf gestickt das goldne Sterngewimmel.
Du hast weithin der Erde Fundament gestreckt,
Und hast mit Kräutern ihre Nacktheit zugedeckt.
Du winkst, - das Meer steht still in seiner Ufer Breiten,
Aus Furcht, die festen Grenzen nicht zu überschreiten,
Reichlich und unerschöpflich ist der Flüsse Lauf,
Der helle Tag, die dunkle Nacht ziehn wechselnd auf.
Deinetwillen prangt der Lenz in bunter Blüten Glanze,
Deinetwillen zeigt der Sommer sich im Ährenkranze.
Der Herbst bringt Äpfel dar verschiedner Art und Wein,
Dann zieht ins Fertige der faule Winter ein.
Du lässt den Nachttau sich auf matte Kräuter legen,
Und die erhitzte Saat erquicket leicht der Regen.
Aus Deiner Hand geht jedem Tier die Nahrung zu,
Und voll Freigebigkeit beköstigst jeden Du.
Gelobt sei immerdar, Herr, der allewig ist,
Die Gnade Dein und Güte währt zu jeder Frist.
Halt uns, so lang Dir´s liebt, auf dieser niedern Erden,
Nur lass uns stets beschirmt von Deinen Flügeln werden.
VERGISS DIE SCHÖNEN TAGE NICHT (Phil Bosmans)
Wenn Du müde bist,
wenn du mit der Umgebung Krach hast,
wenn du keinen Rat mehr weißt,
wenn du dich todunglücklich fühlst,
dann denke an die schönen Tage,
als du lachtest und tanztest,
als du zu jedem freundlich warst,
ohne Sorgen wie ein Kind.
Vergiss die schönen Tage nicht!
Wenn der Horizont verfinstert ist
und keine Spur von Licht,
soweit du sehen kannst,
wenn dein Herz total verstimmt ist
und vielleicht voll Bitterkeit,
wenn scheinbar alle Hoffnung
auf neue Freude und neues Gluck
zusammengebrochen ist,
dann suche sorgsam die schönen Tage
in deiner Erinnerung auf.
Die Tage, da alles gut war
und kein Wölkchen am Himmel,
da es einen gab, bei dem du
dich zu Hause fühltest,
da du von dem begeistert warst,
der dich jetzt enttäuscht hat
und vielleicht betrogen.
Vergiss die schönen Tage nicht!
Denn wenn Du sie vergisst,
kehren sie niemals wieder.
Fülle deinen Kopf mit fröhlichen Gedanken,
dein Herz mit Versöhnlichkeit,
Güte, Freundlichkeit, Liebe
und deinen Mund mit einem Lachen -
und alles wird wieder gut.
UND WENN ICH AUCH MÜDE BIN (HANS-DIETER HÜSCH)
Und wenn ich auch müde bin an manchen langen Tagen, die bis in die Nacht reichen, und meine Füße nicht gehen noch stehen wollen und Kummer auf kommt, weil die Händler inzwischen
Krämer sind und die Krämer Halsabschneider
und meine Augen zufallen wie eine Briefkastenklappe, dann aber ist immer noch Trost und Hoffnung in mir,
selbst dann
durch Jesus Christus einzig und allein, weil, er ist übriggeblieben und alles andere ist dahin vergangen und vergessen.
Er aber hat die Jahrhunderte, die Jahrtausende die Geschichte, die Weltgeschichte überlebt und sich erhoben über allem und alles,
was blechern und hohl klingt. Nichts ist geblieben von den großen Beteuerungen den felsenfesten Beziehungen, den Beweisen, den sogenannten historischen Wahrheiten und dem
beglückenden Fortschritt.
Die Menschen haben gelernt, sich gegenseitig zu verbrennen,
sie haben gelernt, die anderen zu verfolgen, zu foltern und zu meucheln,
sie haben gelernt, überall Bauten zu errichten, Erfindungen zu machen, auf der Suche nach dem großen Glück Geld zu scheffeln
und zu horten,
Besitz zu schaffen, um Zufriedenheit zu kaufen. Aber alles wird vergehen, und alle, alle werden einsam
sein
an manchen Tagen, die bis in die Nacht reichen. Und es wird ein Erleben und ein Erkennen in uns geben, dass Jesus Christus einzig und allein in uns dann
übrig bleibt.
Auch wenn wir müde sind und ohne Hoffnung, er ist der erste und der letzte Trost auf Erden und also auch im Himmel, in den er aufgefahren ist, um uns dort eines Tages alle, alle in die Arme zu nehmen.
DIE KUNST DES LEBENS
Ich liebe die Menschen,
die um mich leben.
Ich liebe die Freude,
und so kommt die Freude zu mir.
Ich liebe die Freundschaft,
und so pflücke ich die Sterne
und ist mein Tag voller Seligkeit.
Ich brauche nichts zu besitzen,
um an allem Freude zu haben.
Es gibt soviel,
wenn ich auf die kleinen Dinge sehe
und auf die kleinen, die einfachen Menschen.
Es gibt soviel Überraschungen
und soviel Wunder, die ich entdecke mit offenen Augen
und mit geschlossenen Augen.
Die Kunst des Lebens ist, dieses zu sehen:
ES LIEGT IN ALLEN DINGEN EINE ERINNERUNG AN
DAS VERLORENE PARADIES.
Ich weiß, dass es nicht leicht ist,
in den Himmel zu kommen.
Aber ich weiß auch genau, dass es unmöglich ist,
wenn der Himmel nicht zu mir kommt.
Der Himmel muss auf Erden beginnen,
überall, wo Menschen Freunde sind
und wo die Güte mit Freuden
von Hand zu Hand weitergegeben wird.
Aber es sind an jedem Himmel Wolken.
Ich bin nicht ständig in Stimmung.
Freundschaften verschleißen
und werden wie getrocknete Pflaumen.
Auch das ist kein Problem,
darüber muss ich nicht traurig werden.
Freundschaften wie getrocknete Pflaumen!
Ich gieße Wasser darüber,
und sie werden wieder dick.
Leben ist ein aufregendes Abenteuer
mit Gott und mit den Menschen
in einer Welt von Licht und Finsternis.
Ich will kein Held sein und kein Märtyrer,
nur der kleine Kobold,
der die vergessenen Blumen pflückt
und über die Großen der Erde lacht,
die in ihren Sesseln thronen
mit Reichtum und Macht.
Ich liebe die Menschen,
die um mich leben.
Ich liebe die Freude,
und so kommt die Freude zu mir.
Ich liebe die Freundschaft,
und so pflücke ich die Sterne,
und ist mein Tag voller Seligkeit.
(Zugegeben: abgeschrieben ...
Aber ähnliche Gedanken gehören zu
meinem Lebensmotto „Freue Dich wenn’s regnet.
Wenn Du Dich nicht freust, regnet es auch.“ B. S.)
... dass sie eins seien in Dir...“
Philipp Melanchthon
16. Februar 1497 - 19. April 1560
Jetzt möchte ich von dem Mann sprechen, dem man 1997 das Kulturjahr gewidmet hat: Philipp Melanchthon. Als er vor 500 Jahren das Licht der Welt erblickt, ahnt noch niemand, dass man ihn später den ,,Praeceptor Germaniae“, den ,,Lehrmeister Deutschlands“, nennen wird. Immerhin, sein Großonkel ist der berühmte Gelehrte Johann Reuchlin. Er wird seinen Namen nach humanistischem Brauch ins Griechische übersetzen: Aus dem zwölfjährigen Philipp Schwarzerdt wird Philipp Melanchthon. Unter diesem Namen ist er als ein Wegbereiter der Reformation und als eine prägende Gestalt des Luthertums und als „Architekt“ unserer europäischen Universität bekannt geworden.
Am 16. Februar 1497 wird Philipp als Ältester von fünf Geschwistern in Bretten/Pfalz geboren. Sein Vater Georg Schwarzerde ist Waffenschmied und Rüstmeister des Kurfürsten von der Pfalz, seine Mutter Barbara die Tochter des Brettener Kaufmanns und Bürgermeisters Johann Reuter. Im Dienst des Kurfürsten muss Georg Schwarzerdt viel reisen. So wächst Philipp im Hause der Reuters auf. Sie sind begütert und können einen Hauslehrer für ihn bezahlen.
Doch Philipps Jugend steht unter dem Schatten von Krieg, Krankheit und Tod. Aus dem Landshuter Erbfolgekrieg, in dem Bretten belagert wird, kehrt sein Vater 1505 schwerkrank zurück und stirbt zwei Jahre später. Auf dem Sterbebett ermahnt er den gerade Zehnjährigen: ,,Ich wünsche, da ich nun sterben muss, dass meine Kinder Glieder der Kirche bleiben, dass sie eins seien mit Christo und untereinander, und dass sie am Ende Erbe sein mögen der ewigen Seligkeit. Ich habe viele und große Veränderungen erlebt, aber es werden noch größere folgen, in denen Gott Dich leiten möge.“ Ob er geahnt hat, welche Rolle sein Sohn dereinst in den kirchlichen und gesellschaftlichen Aufbrüchen der beginnenden Neuzeit spielen würde? Philipp selbst ist tief beeindruckt von der christlichen Haltung, die sein Vater in Krankheit und Siechtum bewahrt.
Als wenige Wochen nach dem Vater auch sein Großvater stirbt, nimmt ihn der Großonkel in sein Haus nach Pforzheim und, durch die Übersetzung seines Namens in die Gelehrtensprache Griechisch, in die Zunft der Humanisten auf. Humanismus -die Wiederbesinnung auf griechische Philosophie und antike Kunst, das neue Aufblühen von Wissenschaft und Bildung- und christliche Frömmigkeit, die er in seinem Elternhaus kennengelernt hat, werden Philipps Leben fortan bestimmen.
Johann Reuchlin erkennt die außergewöhnliche Sprachbegabung und den wachen Geist des Jungen. Er schickt ihn auf die Lateinschule. Doch Philipp ist das, was man ein Wunderkind nennt. Bald disputiert er mühelos mit erwachsenen Studenten, und bald hält ihn nichts mehr in Pforzheim. 1509 zieht er als Student nach Heidelberg. Hier, an der renommierten Universität, durchläuft Philipp in Rekordzeit die ersten Semester der Artistenfakultät. Als ,,Baccalaureus artium“ steht ihm die akademische Welt nun offen. Doch den gelehrten und vor allem traditionsbewussten Herren der Universität ist er zu jung. Sie lassen ihn nicht die Examina machen, die er braucht. So zieht er kurzentschlossen weiter nach Tübingen, wo er 1514 den ,,Magister artium“ erwirbt, die Voraussetzung für ein Studium der klassischen Wissenschaften: der Theologie, der Jurisprudenz oder der Medizin. Doch weder Jura noch Medizin locken ihn, und die scholastischen Gedankenspielereien der
theologischen Vorlesungen, die er hört, langweilen ihn... Sein Leben lang wird er auf keiner Kanzel stehen, auch als Reformator nicht. Er wird sich nie ordinieren lassen, und jedes Angebot, ihm den theologischen Doktor zu geben, wird er ablehnen. An seinem Sterbebett wird man die bittere Notiz finden: ,,Du wirst befreit werden von der rabies theologorum“, von der Streitsucht der Theologen. Doch dazu später...
In Tübingen vertieft er seine Kenntnisse in den alten Sprachen, vor allem im Griechischen. Er schreibt Gedichte, disputiert mit anderen Wissenschaftlern, zeitweise sogar mit Erasmus von Rotterdam, dem ,,König der Humanisten“, beginnt, selbst zu lehren und eigene Bücher herauszugeben, und erarbeitet sich einen Ruf als emstzunehmender Gelehrter. Als Einundzwanzigjähriger wird er, empfohlen von Johann Reuchlin und neidisch beargwöhnt von seinen zukünftigen Kollegen -eine solch steile Karriere ist auch damals nicht alltäglich-, als Griechischprofessor an die eben gegründete Wittenberger Universität berufen.
Hier begegnet er Martin Luther, wenige Monate nach der Veröffentlichung von dessen berühmten 95 Thesen gegen den Ablasshandel.
Wie die Thesen veröffentlicht worden sind, ist wohl historisch nicht mehr zu klären. Die malerische Szene mit dem Mönch, der ein Schriftstück an die Kirchentür hämmert, ist wohl der Phantasie der Geschichtsbuchschreiber zuzuschreiben. Auch Luther, Augustinermönch und Theologe, hat den modernen humanistischen Wissenschaftler zunächst sicher nicht gerade gerne kommen sehen. Aber Melanchthon -oder ,,Melanthon“, wie er sich wegen eines Zungenfehlers später selbst nennen wird- hält eine brillante bahnbrechende Antrittsrede, mit der er den Humanismus selbst dem nicht gerade philosophie- und wissenschaftsfreundlichen Luther nahebringen machen kann: Eine neue Zeit soll anbrechen, wenn die Wissenschaft zu den alten Quellen zurückkehrt. ,,Wenn wir unsern Geist auf die Quellen lenken, werden wir anfangen, Christus zu verstehen. Sein Gebot wird uns zur Leuchte werden, und wir werden mit dem beglückenden Nektar göttlicher Weisheit erfüllt.“ Luther ist beeindruckt. Hier erkennt er einen verwandten Geist wieder, der wie er sich auf Augustinus bezieht, aber um das rechte Bibelverständnis ringt - in den Quellen selbst. Er schreibt: ,,Wir haben unser Vorurteil schnell aufgegeben und von seiner äußeren Erscheinung abgesehen.“
In der Tat - was Melanchthon an wissenschaftlichem Talent besitzt, das scheint ihm an Ausstrahlung zu fehlen: Er ist klein und schmächtig. Als eine ,,unachtbare Person“ wird er von Zeitgenossen beschrieben.
Und Albrecht Dürer, der ihn 1526 portraitiert, glaubt gar, sich entschuldigen zu müssen: Er habe mit seinem Kupferstich von Melanchthon nur dessen Gesichtszüge, nicht seine Geisteskraft abbilden können. Auch ein großer Redner ist Melanchthon nicht. In seiner Schreibstube, zwischen Büchern und Manuskripten fühlt er sich wohl, vor Zuhörern jedoch versagt ihm von Zeit zu Zeit die Stimme. ,,Ich kann nicht predigen“, sagt er resignierend von sich selbst.
Luther nimmt sich des jungen Gelehrten an. Er sorgt sich um Melanchthons Gesundheit und erreicht, dass sein Gehalt verdoppelt wird. Und er betätigt sich als Heiratsvermittler: Er sucht eine Frau für ihn und findet sie in der Wittenberger Bürgermeistertochter Katharina Krapp - was Melanchthon allerdings nicht unbedingt zu honorieren weiß: Seinen Hochzeitstag begeht er als den ,,Tag der Trübsale“.
Zu seiner Ehrenrettung sei allerdings gesagt, dass ihm zu Katharina, mit der ihn immerhin 37 glückliche Ehejahre und vier Kinder verbinden werden, auch Charmanteres einfällt: Sie sei ,,eine Frau, wie ich sie nur von Gott erbitten konnte“.
Für die beginnende Reformation ist die Freundschaft zwischen Luther und Melanchthon ein Glücksfall. Hier der charismatische, oft impulsive und polarisierende Streiter für die Sache der Reformation, dort der vernünftige, besonnene und kompromissbereite Wissenschaftler, der stets das Ganze im Auge hat und dem die kirchenpolitischen Auseinandersetzungen, die die Reformation mit sich bringt, ein Gräuel sind. Beide ergänzen sich hervorragend, und Luther profitiert von Melanchthon ebenso wie der von ihm. So verbessert er etwa sein Griechisch, um sich neben dem 14 Jahre Jüngeren nicht zu blamieren, muss aber dessen überragende Kenntnisse stets anerkennen. Gescheiterweise macht er das Beste daraus: Er arbeitet mit Melanchthon zusammen, was vor allem seiner Bibelübersetzung zugute kommt. 1529 sagt Luther: ,,Mein Geist, weil er unerfahren ist in feinen Künsten und unpoliert, tut nichts, denn dass er einen großen Wald und Haufen von Worten ausspeit: so hat er auch das Schicksal, dass er rumorisch und stürmisch ist... Aber Magister Philipp fährt säuberlich stille daher, sät und begießt mit Lust, wie ihm Gott seine Gaben reichlich gegeben hat.“
Während Luther Melanchthons Griechisch-Vorlesungen besucht, sitzt dieser zu Füßen von Luthers Kanzel. Melanchthon wird zum wichtigsten Mitarbeiter Luthers. Er verehrt ihn von Herzen, denn Luther, so sagt er selbst, habe ihn das Evangelium gelehrt. ,,Sterben will ich lieber, als mich von Luther wegreißen lassen. Selbst über mein Leben geht mir Martins Wohl, so dass für mich nichts betrübender sein konnte, als wenn ich ihn entbehren müsste.“
Beide ergänzen sich eigentlich gut von Anfang an. 1519 begleitet Melanchthon den Freund zur Leipziger Disputation mit dem katholischen Theologen Johann Eck. Dort notiert er während der Ausführungen Ecks Bibelstellen, mit denen Luther seinen Gegner in Bedrängnis bringen kann. Luther erklärt später: ,,In meinem ganzen Lehramt achte ich nichts höher als den Rat Philipps. Das Urteil dieses einen Mannes und seine Autorität stehen mir höher als tausend schmutzige „Ecke“., -
Als Luther 1520, nach dem Wormser Reichstag, ,,gekidnappt“ und auf der Wartburg gefangengesetzt wird, muss Melanchthon in Wittenberg die Fahne der Reformation hochhalten. Doch politisches Taktieren und Ränkeschmieden ist seine Sache nicht. Wo Luther Streitschriften verfasst, konzentriert sich Melanchthon auf die wissenschaftliche Grundlegung reformatorischer Theologie.
1521 erscheinen die ,,Loci communes“, seine ,,Hauptbegriffe“ der Theologie, mit denen er sich - wie übrigens auch Luther in vielen seiner Schriften - am Römerbrief orientiert. Luther ist begeistert von dieser ersten evangelischen Dogmatik, fasst sie doch in klarer Sprache das zusammen, worum es seines Erachtens in der Reformation gehen muss: die Anbetung Gottes, der uns in Jesus Christus das Heil geschenkt hat.
Die ,,Loci“ sind - natürlich - in lateinischer Sprache verfasst. Die bald darauf erscheinenden deutschen Übersetzungen genügen Melanchthons Ansprüchen nicht. Er übersetzt sein eigenes Werk selbst und überarbeitet es im Folgenden immer wieder - nicht immer zur Zufriedenheit Luthers.
Aber zu ernsthaften Auseinandersetzungen kommt es nicht. Zu groß ist inzwischen auch das Ansehen Melanchthons geworden. In seinen Vorlesungen sitzen mehr Studenten als in denen Luthers, obwohl er nach wie vor kein begeisternder Rhetoriker ist. Andere Fakultäten reißen sich um ihn, den Luther liebevoll ,,Graeculus“, ,,kleiner Grieche“ nennt. Mehrere Universitäten, sogar das stolze Heidelberg, umwerben ihn, und er erhält Einladungen aus Frankreich und England.
Doch Melanchthon bleibt im Zentrum der Reformation. Nachdem man ihn schon 1521 zum Stadtprediger von Wittenberg hatte ernennen wollen - was an der Tatsache scheiterte, dass er Laie war und auch blieb -, baut ihm der sächsische Hof nun, in den 30er Jahren ein neues Haus. Man weiß, wie wichtig er in Wittenberg ist.
Und Melanchthon fühlt, dass er hier am richtigen Ort lebt und lehrt.
Er leidet unter der mangelhaften Bildung vieler Anhänger der Reformation. Längst hat er erkannt, dass die Prinzipien der Reformation „sola gratia“, ,,sola fide“, ,,sola scriptura“- ein neues Bildungsverständnis notwendig machen. In der Freiheit des Glaubens, der sich allein auf die Gnade Gottes gründet, wie sie die Heilige Schrift bezeugt, nicht auf die Autorität der Kirche oder auf überlieferte Traditionen - in dieser Freiheit soll zukünftig gelernt und gelehrt werden. In kaum zu ermessender wissenschaftlicher Kleinarbeit verfasst er mehr als 2500 Schriften, Lehrbücher und Gutachten, gibt Bibelübersetzungen und klassische Werke heraus, reformiert das Universitäts- und Schulwesen. Über 9000 Briefe in fast alle europäischen Länder sind von ihm erhalten.
Auch mit einem Düsseldorfer steht er im Briefwechsel: Der Humanist Konrad von Heresbach, seines Zeichens Berater des sächsischen Kurfürsten Johann, beginnt 1527, im Jahr des sog. Düsseldorfer Religionsgespräches, eine bis zu dessen Tode reichende Korrespondenz mit Melanchthon.
Um zwei Uhr morgens pflegt Melanchthon aufzustehen. Nachdem er laut gebetet und einen Abschnitt aus der Bibel gelesen hat, nutzt er die Nacht- und Morgenstunden zur Arbeit am Schreibtisch. Dann beginnt seine Vorlesungstätigkeit an der Universität. Neben den regulären akademischen Verpflichtungen gibt er jungen Schülern Privatunterricht und hält Sprechstunden für Besucher und Bittsteller.
Und sein Privatleben? -
Ein französischer Gesandter, der ihn besucht, findet ihn, wie er mit einem Buch in der Hand die Wiege schaukelt...
Inzwischen kämpft Luther auf politischer Ebene gegenüber Obrigkeit und katholischer Kirche darum, dass sich die Gedanken der Reformation durchsetzen. Melanchthon wirkt eher im Hintergrund. 1529 nimmt ihn der sächsische Kurfürst zum Reichstag nach Speyer mit. Melanchthon soll ihn in theologischen Fragen beraten. In Speyer kommt es zur sog. Protestaktion der evangelisch gewordenen Stände gegen die Mehrheit des Reichstages, die einen früher getroffenen Beschluss rückgängig machen will, demzufolge jeder Stand sich in religiösen Dingen so verhalten soll, wie er meint, es vor Gott und dem Kaiser verantworten zu können.
Seitdem werden die Evangelischen auch Protestanten genannt. - Melanchthon will die evangelische Lehre, für deren Ausbreitung und Durchsetzung er eintritt, bewahren. In dieser Frage ist er keinen Deut kompromissbereit. Ein Bündnis mit den katholischen Ständen kommt für ihn nur auf der Grundlage eines wirklich ,,katholischen“, umfassenden Bekenntnisses in Frage.
Ein solches Bekenntnis schreibt er ein Jahr später selbst für den Reichstag zu Augsburg. Die ,,Confessio Augustana“ von 1530 ist bis heute Bekenntnisgrundlage der lutherischen und unierten Kirchen, auf die z.B. Pfarrer und Pfarrerinnen ordiniert werden. (Auszüge stehen in unserem Gesangbuch unter der Nummer 857.) Melanchthon geht es um eine biblische Begründung dessen, was die Kirche ist bzw. sein soll. Dabei will er die Kirche nicht spalten - im Gegenteil!
Was die Kirchen trennt. - etwa verschiedene ,,von den Menschen eingesetzte Zeremonien“, sind für Melanchthon konfessionelle Äußerlichkeiten ,,Denn das genügt zur wahren Einheit der christlichen Kirche, dass das Evangelium einträchtig im reinen Verständnis gepredigt und die Sakramente dem göttlichen Wort gemäß gereicht werden.“ Unermüdlich wirbt er für diese Einheit der Kirche und um die Zustimmung des Kaisers und der katholischen Seite. Aber er kann sich nicht durchsetzen.
Die Gegenseite versucht statt dessen, seine Ausarbeitung mit einer ,,Confutatio“ zu ,,widerlegen“. Melanchthon verfasst nun seinerseits eine Verteidigungsschrift, die ,,Apologie“.
Doch eine Einigung kommt nicht zustande.
Nie steht Melanchthon bei solchen Anlässen in der vordersten Reihe. Wie gesagt, die Vortragskunst ist nicht seine Stärke. Aber er ist der entscheidende Mann im Hintergrund.
Seine Texte, die ,,Confessio Augustana“ und die ,,Apologie“ ebenso wie später (1536) die ,,Wittenberger Konkordie“, werden zur Grundlage des Bündnisses der evangelischen Stände, die sich im sog. Schmalkaldischen Bund zusammenschließen.
Ein wichtiger Verbündeter in der Sache der Evangelischen ist der Landgraf von Hessen. Doch der hat ein problematisches Vorhaben: Er plant eine Doppelehe und will die Zustimmung der Reformatoren dazu; andernfalls droht er, die Fronten zu wechseln und sich dem katholischen Kaiser anzuschließen.
Luther, der den Erfolg der Reformation nicht gefährden will, entscheidet kurzerhand, eine zweite Frau sei, seelsorglich gesehen, besser als ein Leben in Unzucht. Melanchthon wird Zeuge der Trauung. Doch im Juni 1540 wird der Skandal ruchbar.
Luther lässt sich nicht weiter beeindrucken. Melanchthon dagegen erleidet einen lebensgefährlichen Nervenzusammenbruch. Ein guter Politiker ist er wahrhaftig nicht.
Und Luther stellt resigniert fest: ,,Ich fresse alles und schone niemanden. Philippus läßt sich fressen.“ Melanchthon hat bereits mit dem Leben abgeschlossen und verweigert die Nahrungsaufnahme. Da fährt Luther ihn an: ,,Hörst Du, Philipp, Du musst mir essen, oder ich tue Dich in den Bann. Du musst unserm Herrgott noch weiter dienen.“
Melanchthon wird wieder gesund. 1543 arbeitet er mit dem Reformator Martin Bucher und dem Kölner Erzbischof Hermann von Wied eine Reformationsordnung für das hiesige Erzbistum aus, der jedoch wenig Erfolg beschieden ist; 1546 wird der Erzbischof vertrieben.
Im selben Jahr erleidet Melanchthon einen viel größeren Verlust:
Am 18. Februar 1546 stirbt Luther.
Die Nachricht vom Tod des Freundes erschüttert Melanchthon tief. Fast 28 Jahre hat er mit Luther zusammengearbeitet, nun soll er das Ruder der Reformation allein übernehmen.
Doch die immer schwierigeren Aufgaben verlangen einen entschiedeneren und härteren Menschen als einen ,,Stubengelehrten“. Als Professor für alte Sprachen war Melanchthon einst nach Wittenberg gekommen, nun soll er die Zukunft der evangelischen Kirchen mitbestimmen.
Verhältnismäßig leicht fällt es ihm noch, eine grundlegende Kirchenordnung zu entwerfen, als die fortschreitende Loslösung von der katholischen Kirche es erfordert.
Doch die Bedrohung der evangelischen Sache durch kriegerische Auseinandersetzungen und innere theologische und politische Kämpfe in den Reihen der Evangelischen zermürben ihn.
Der ,,Schmalkaldische Bund“ ist untereinander uneins und kann dem Kaiser auf Dauer nicht widerstehen.
1547 unterliegt man Karl V und muss Zugeständnisse machen.
Melanchthon setzt sich dafür ein, in Nebensächlichkeiten (,,Adiaphora“) nachzugeben.
Allerdings verhält er sich kirchenpolitisch nicht gerade geschickt: In Wittenberg arbeitet er inzwischen für den neuen Landesherrn Moritz von Sachsen, der die Evangelischen im Krieg nicht unterstützt hat. Das lässt seine Autorität unter den Evangelischen zusehends schwinden.
Als ihm nun auf seinem ureigenen Gebiet, in der Wissenschaft, mit seinem Schüler Matthias Flacius ein erbitterter Gegner erwächst, der Melanchthons Nachgiebigkeit in Bekenntnisfragen attackiert, zerfällt der Bund der Evangelischen in zwei Lager: auf der einen Seite die, die sich als die wahren Erben Luthers verstehen (,,Gnesiolutheraner“), auf der anderen die sog. Philippisten.
Melanchthon versucht in bewährter Manier zu schlichten - vergeblich. In dieser Zeit wird die ,,rabies theologorum“, die Streitsucht und Wut der Theologen (zum Schmunzeln: ein ewig aktuelles Thema bis in die heutige Zeit ... ), zum geflügelten Wort.
Erst 1555 erhält die Reformation durch den sog. Augsburger Religionsfrieden ihre rechtliche Anerkennung. Doch da ist Melanchthon bereits verbraucht und des langen Streitens endgültig müde geworden.
Fünf Jahre später, am 19. April 1560, stirbt er in Wittenberg. Auf den bereits erwähnten Zettel, den man nach seinem Tode findet, hat er, als Lebensbilanz und Seibstermutigung gleichermaßen, die ,,Gründe, warum man den Tod nicht zu fürchten braucht“, zusammengestellt, als guter Schulmeister fein zwischen negativen und positiven Gründen unterscheidend: ,,Du wirst erlöst werden von der Sünde und befreit von den Sorgen und der Wut der Theologen. Du wirst ins Licht kommen, Gott schauen und den Sohn Gottes sehen. Du wirst die wunderbaren Geheimnisse erkennen, die Du in diesem Leben nicht begreifen konntest: Warum wir so geschaffen sind und worin die Vereinigung der beiden Naturen in Christus besteht.“
Seine Zeitgenossen haben wohl gespürt, dass die Reformation ohne Philipp Melanchthon kaum möglich gewesen wäre. Immerhin begräbt man ihn in der Schlosskirche zu Wittenberg an der Seite Luthers. Vielleicht waren es gerade seine Fähigkeit zur theoretisch-theologischen Durchdringung des reformatorischen Anliegens, das der Reformation ihren Bestand gesichert hat. Wo Luther polemisierte, versuchte Melanchthon zu vermitteln, Frieden und Einheit zu stiften.
Wo Luther, ganz Theologe, Gottes Größe und Ehre betonte, war der Blick des Humanisten Melanchthon auf den Menschen gerichtet:
,,Ich bin mir bewusst, den göttlichen Dingen aus keinem anderen Grunde je nachgegangen zu sein, als um das Leben zu bessern.‘‘
Die letzten Worte des Gebetes, das von Melanchthons Sterbetag überliefert ist, klingen wie ein Vermächtnis:
,,Sammle und erhalte Dir eine ewige christliche Kirche in diesen Landen. Heilige und einige sie durch Deinen Heiligen Geist, dass sie eins seien in Dir, in wahrhaftiger Erkenntnis und Anrufung Deines lieben Sohnes.“
Gehen wir einer „heidnischen“ Republik entgegen?
Das frühere SED-Regime hat seinen Untertanen 40 Jahre über die christliche Kirche stets eingebleut: Religion vertröstet aufs Jenseits. Die Kirche hat immer auf Seiten der Herrschenden gestanden, sie ist wissenschaftsfeindlich, siehe Galilei, siehe Darwin.
Das ist alles nicht ganz unbegründet und auch nicht ganz richtig.
Heute ist es aber Schnee von gestern. Im Vereinten Deutschland bläst den Kirchen der Wind aus ganz anderer Richtung ins Gesicht. Eben noch hieß es, sie sei unwissenschaftlich, jetzt heißt es: sie sei zu rational, zu trocken und zu langweilig — zu wenig religiös. Die Kirchen müssen kundenfreundlich reagieren, wird nun empfohlen. Wenn das bisherige Produkt nicht mehr absetzbar ist, müssen sie eben neue Produkte anbieten. Der Esoterikmarkt beweist doch, dass Religion wieder gefragt ist, also kauft ein, setzt um!
Richtig ist: Die Kirchen verlieren an öffentlichem Ansehen und an Orientierungskraft. Der sonntägliche Gottesdienst ist nur noch für wenige in den wöchentlichen Ablauf fest integriert. Dieser Prozess der Entkirchlichung muss den Kirchen angelastet werden, aber nicht nur. Er hat auch zu tun mit einem Anti-Institutionalismus, der auf das starke Erlebnis, den Kick und das Spontane aus ist und Wiederholung ablehnt: Immer was Neues muss sein.
Und ich kann auch ohne Kirche Christ sein oder multikulturell religiös. Ich mach‘ mir meine Religion selbst. LER, das neue Brandenburger Schulfach, liefert Bastelbögen für Patchwork-Religionen.
Aber die nicht institutionalisierte, frei flottierende Religiosität ist erstens nicht stabil, und sie steht zweitens in der Gefahr, die Gesellschaft zu entkultivieren. Es gibt nämlich nicht nur nette Religionen. Es gibt auch asoziale Religiosität der rücksichtslosen Erlebnissteigerung, die ein Göttliches im Ich sucht und sich ausleben möchte. Und es gibt die lebensfeindliche Religiosität, die unumwunden die Nachtseiten des Lebens verehrt, schwarze Magie und Satanskulte, Totenbeschwörung und anderes mehr. Denn das ist ein ganz besonderer Kick — religiöse Nekrophilie.
Und es gibt den Missbrauch der Religion, nicht nur zu politischen Zwecken, sondern auch einfach, um andere im Namen eines Heiligen an sich zu fesseln, abhängig zu machen, auszubeuten. (Siehe die aktuellen Religionskriege ... unglaublich ... im Medienzeitalter ... im 20. Jahrhundert ... !)
Kultivierte Religiosität ist durchsichtig, reflektiert und gemeinsam verantwortet. Sie gewinnt Lebensorientierung aus der Spannung zwischen den Ansprüchen der Situation und der Tradition. Sie ist Religiosität mit Gedächtnis. Das ist die Leistung, meinetwegen auch Dienstleistung der Religionsgemeinschaften. Die können sie gut oder schlecht darbieten, aber sie sollen um Gottes willen diese Aufgabe nicht aufgeben. Das bekäme ihnen und unserer Gesellschaft schlecht.
Als unverbesserlicher Christ sage ich zu dem Esoterikzirkus außerdem: Wo der Glaube aufhört, fängt der Aberglaube an.
Ich staune, an was für merkwürdige ,,Energien“, ,,Kräfte“ und ,,Strahlen“ manche Zeitgenossen ,,glauben“. Du sollst nicht andere Götter haben neben mir, und die Sterne sind nach dem ersten Kapitel der Bibel bloß Lampen. Weil die Esoterik so fasziniert, wird ihre gesellschaftliche Bedeutung weit überschätzt. Das ist Markt und Mode und nicht die Zukunft!
Es ist eine ganz andere Haltung, die in unserer Gesellschaft immer stärker an Boden gewinnt. Sie kommt in dem Ratschlag zum Ausdruck, die Kirchen sollten sich kundenfreundlich geben und ein attraktiveres Produkt anbieten. Es ist die Marktlogik oder Zweckrationalität.
DIE GÜTE GOTTES
Der Christ hat als Folge seines Glaubens viele Aufgaben zu erledigen. Um seines Glaubens willen hat er auch immer etwas zu tun für sein Gottesbild - damit der Glaube lebendig und lebbar bleibt.
Bestimmend für das Gottesbild war sicher, was der Kirchenvater Augustin (354—430 n.Chr.) vorgetragen hat: Die Menschheit ist eine Masse, die reif für das Verderben ist. Mit der von Augustin unter dem Druck der damaligen Bischöfe erfundenen These der Erbsünde hat er dieses Urteil leider für die ganze Menschheit begründet. Es ist eine begriffliche Konstruktion Augustins. Die Barmherzigkeit Gottes besteht darin, dass er aus dieser verlorenen Menschenmasse beliebig wenige zum Heil bestimmt. In diesem Sinne beantwortete Augustin (wie gesagt: unter Druck ... ) eine Anfrage des Mailänder Bischofs Simplician im Jahre 397 und setzte sich damit leider auch von eigenen früheren schriftlich niedergelegten Vorstellungen ab.
Die Wirkungsgeschichte dieser neuen Vorstellung war weitreichend. Schuldbewusstsein breitete sich aus und wirkte lähmend auf die Menschen. Krankheit, Sterben und Bildung wurden von daher bestimmt. Lebensfreude war so nicht zu erlangen. Dieses Gottesbild konnte leider nur Schrecken und auch Missverständnisse verbreiten.
Machen wir einen Sprung ins Mittelalter zu dem viel kritisierten Peter Abaelard (1079—1142). Sein brutaler Gegner war Bernhard von Clairvaux. Abaelards Gottesbegriff wurde auf zwei Synoden abgelehnt. Der Gott der Furcht und des Zitterns war kirchlich praktikabler. Verdeutlichen kann man sich diese These am wichtigen Buch des französischen Historikers Jacques Le Goff: Die Geburt des Fegefeuers.
Abaelard schreibt: ,,In diesen drei, nämlich der Macht, Weisheit und Güte, besteht der Inbegriff des vollendet Guten. Denn für gering ist einzuschätzen eines von ihnen ohne die beiden anderen. Wer nämlich mächtig ist, aber das, was er vermag, nicht vernunftgemäß durchzuführen weiß, dessen Macht ist todbringend und ruinös. Wenn er nun weise und unterscheidend im Handeln ist, aber nur Geringstes vermag, entbehrt er der Effizienz. Ist er schließlich mächtig und weise, aber in keiner Weise gütig, wird er desto geneigter zu schaden, je sicherer und sorgloser er aufgrund seiner Macht und Scharfsicht ist bei der Bewirkung dessen, was er will. Er erweckt bei den anderen keine Hoffnung auf Wohltaten, wer nicht durch den Affekt der Güte bewegt wird. In wem nun diese drei zusammenkommen dergestalt, dass er durchführen kann, was er wollte, und gut will, insofern er gütig ist und nicht aus Torheit das Maß der Vernunft überschreitet: von ihm gilt wahrlich, dass er gut und in allem vollendet ist.“ Diese vollendete Güte ist Gott.
Dieser Gott ist nicht der unberechenbare Feudalherr. Sein Handeln ist am Maßstab der Güte orientiert. Hier wird die Güte aufgewertet zuungunsten der Weisheit und der Macht. Damit wird Augustins inhumanes Gottesverständnis überwunden. Die Heilsinstanz der Kirche bekommt ein anderes Gesicht, wenn Abaelards Sicht in kirchliche Wirklichkeit umgesetzt wird.
Wenn die Deutung Abaelards sich hätte durchsetzen können, wären den Menschen möglicherweise Glaubenskriege und Glaubensspaltung erspart geblieben.
Wie wäre die Evangelische Kirche heute, wenn Luther nicht Augustinermönch geworden und bei seiner Suche nach dem gnädigen Gott auf Abaelard gestoßen und mit seiner Hilfe einen Weg aus seiner Glaubenskrise gegangen wäre?
Zu Abaelard ist noch zu sagen, dass es schade ist, dass er oft nur unter dem Aspekt seines Verhältnisses zu Heloise gesehen wird. Das verkürzt seine Bedeutung erheblich —und auch die Wirkung, die er verdient hat.
1998 erhielt ich eine dpa-Nachricht über AOL darüber, dass der Vatikan dem Lutherbund gegenüber eingeräumt hat, dass Gott GNADE ist ...
Die Bibel und das Computer-Zeitalter
Gesammelte Gedanken über das Buch vom Bibelcode etc:
Michael Drosnin veröffentlicht 1997 mit seinem Buch „Der Bibelcode“ Dinge, die der herkömmlichen Wissenschaft unangenehm sind, denn sie nagen an ihren Grundfesten. Ihrer mächtigen Herrschaft zufolge betrachten die meisten Menschen die Bibel lediglich als eine Ansammlung von Legenden oder gar als ein Märchenbuch. Für sie ist nach drei Jahrhunderten Überzeugungsarbeit die Naturwissenschaft die einzige zuverlässige Quelle wahrer Erkenntnis. Nach den Erkenntnissen von Rips u.a. kann das so nicht mehr stehen gelassen werden, und viele bisher belächelte oder gar diskreditierte religiöse Menschen finden in den neuesten Fakten, die die Religion und die Naturwissenschaft miteinander verbindenden, eine neue Hoffnung für eine erweiterte Weltsicht.
Rips konnte zeigen, dass die Bibel in ihrer über Jahrtausende unverändert gebliebenen Originalität einen von den herkömmlichen Naturwissenschaften nicht zu erfassenden Code enthält.
In der Buchstabenfolge der Genesis (1. Buch Mose) verbirgt sich eine Ordnung, die es erlaubt, mit ihrer Hilfe direkt auf vergangene, gegenwärtige und sogar zukünftige Ereignisse zu schließen. Beispielsweise findet man die Namen großer Forscher in signifikanten Zusammenhang zusammen mit ihren Geburts- und Sterbedaten in der Bibel verschlüsselt wieder.
So unglaublich das klingt, der unangefochtene Beweis liegt vor.
Er wurde von keiner geringeren, als der „Statistical Science“, einer führenden Mathematikzeitschrift der USA veröffentlicht. Die unter dem Titel >Equidistant Letter Sequences in the Book of Genesis< (Konstante Buchstabenfolge im Buch Genesis) dokumentierte Beweisführung blieb ohne Gegenbeweis. Hinter dem Artikel stehen weltweit anerkannte Namen und Institute. Die berühmtesten Mathematiker der Welt von den Universitäten Yale , Harvard und der Hebräischen Universität in Jerusalem , bestätigten nach eingehender Prüfung die Existenz des sogenannten Bibelcodes. Selbst herausragende Kryptoanalytiker des amerikanischen Geheimdienstes bestätigten die von Rips gemachte Entdeckung.
Erst nach einer sehr gründlichen und in diesem besonderen Fall sogar dreifachen Überprüfung wurden die eindeutig signifikanten Ergebnisse publiziert.
Machen wir uns gegen alle Bequemlichkeit klar, was hier geschehen ist!
Die Naturwissenschaft, bisher als Gegenpol des Glaubens und der Bibel begriffen, hat mit ihren strengsten Mitteln, der Mathematik, einen den menschlichen Verstand übersteigenden Bibelcode bestätigt und damit die bisher gut gehütete Grenze zu den alten traditionellen Weisheitslehren durchbrochen.
Wenn das nicht ausgerechnet mit ihren eigenen Mitteln und ihrer schärfsten Waffe geschehen wäre, gäbe es vielleicht Gründe, über das bisher für unmöglich Gehaltene aber doch Geschehene, hinwegzusehen.
Dennoch bleiben die Reaktionen derer, die aufgrund ihrer Machtposition in der Lage wären, die wissenschaftlichen, geistigen und gesellschaftlichen Konsequenzen zu ziehen, aus. Das zeigt, wie fundamentalistisch borniert und damit menschenbedrohlich unsere Elite ist, auf die die Gesellschaft immer noch vertraut.
Wenn mit mathematischen Mitteln ein sogenannter Bibelcode nachweisbar ist, und einige der besten Mathematiker der Welt haben ihn verifiziert, ist es höchst bedenklich, wenn die sich der objektiven Wahrheitssuche scheinbar verschriebenen Wissenschaftler nicht umfassend mit ihm beschäftigen. Und doch scheint dies so zu sein. Ausschließlich die Boulevardpresse hat das Thema kurzzeitig aufgegriffen und für die Erhöhung der Verkaufszahlen genutzt. Ein echtes Interesse findet sich nur bei den Menschen, die am Rande
der etablierten Wissenschaften stehen. Sie aber haben weder die Mittel einer ernsthaften Forschung, noch die Möglichkeiten, potentielle Ergebnisse der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Es ist in unserer „aufgeklärten“, naturwissenschaftlichen Zeit genau so, wie es immer war. Die Herrschenden bestimmen das, was man sehen und hören darf, und sie selber übersehen die härtesten Fakten, wenn sie nicht in ihre Vorstellungswelt passen. Das ist das Prinzip der Trägheit, das auch im Geistigen sein Spiegelbild findet.
Ein Europa der Christen
Wir Rheinländer haben für das Substantiv ,,Verdrossenheit“ ein Tätigkeitswort, das wir schon benutzten, ehe die Jugend mit ihrem ,,Null Bock“ den gleichen Sachverhalt beschrieb. Wir sagen schlicht: ,,Ich bin et leid“. Was wir leid sind, das schieben wir resigniert beiseite; sei es, dass uns die Lust an einer Beschäftigung vergangen oder die Sinnlosigkeit eines Unternehmens aufgegangen ist.
Somit ist dieses ,,leid sein“ gleichbedeutend mit Abwendung und deshalb etwas anderes als ,,leiden“. Leiden bedeutet ja, etwas tragen und ertragen.
Was die Politik betrifft, so haben wir derzeit gewiss einigen Grund zu leiden an mancherlei negativen Erscheinungen in unseren Parteien und an deren offenkundiger Unfähigkeit, gewisse Probleme zu lösen und glaubhafte Perspektiven aufzuweisen. Solches Leiden ist ein Zeichen dafür, dass es noch eine Schmerzempfindlichkeit gibt und ein Wissen um die Gesundheit eines Staatswesens.
Wo wir aber eine Mitwirkung an der Gestaltung menschlichen Zusammenlebens — das also, was wir Politik nennen — ,,leid“ sind, wo Resignation sich ausbreitet, Unlust die Menschen befällt und die Versuchung aufkommt, sich von der Politik abzuwenden und in die Bequemlichkeit bloßen Genießens der ,,angenehmen“ Dinge dieser Welt zu fliehen, dort ist unsere Demokratie in Gefahr.
NEUANFANG GEWAGT
Politisch engagierte Männer und Frauen haben nach dem Zusammenbruch des ,,Dritten Reiches“ den Neuanfang gewagt und einen Staat aufgebaut, der sich durch seinen Friedenswillen und seine wirtschaftliche Kraft in der ganzen Welt neues‘ hohes Ansehen verschafft hat.
Ein solcher Staat ist niemals etwas Fertiges. Er kann und wird nur weiter bestehen, wenn seine Bürger sich nicht von ihm abwenden, immer mehr ins Private flüchten und die politische Entwicklung ,,denen da oben“ überlassen.
Politik-Verdrossenheit ist ein Gift, das die Wurzeln des demokratischen Staatswesens angreift, ja zu zerstören droht. Als Christen können wir uns Politik-Verdrossenheit nicht leisten, wollen wir unseren Auftrag zur Gestaltung der Welt im Geiste des Evangeliums nicht verraten.
Aus der Geschichte wissen wir, dass dort, wo Gott aus der Öffentlichkeit verdrängt wird, andere Kräfte sich Geltung verschaffen, die das Leben keineswegs menschlicher machen. Wir haben einen Betrag zu leisten dafür, dass die Suche der Menschen nach Orientierung nicht im Nichts endet
Wenn ich mich in meinen Bücherregalen umsehe, so finde ich eine bemerkenswerte Anzahl von Büchern, die in den vergangenen Jahren zum Thema ,,Kirche“ erschienen sind. Der Verdacht liegt nahe, dass auch die Kirchen zuviel mit der Klärung ihrer Strukturfragen beschäftigt sind und zuwenig umgetrieben werden von der Frage, was die Menschen brauchen und deshalb erwarten. Auf diesem Feld haben sie nicht viel gelernt in den zurückliegenden 25 Jahren.
ALLES FALSCH GEMACHT?
Wenn ein Theologe in einer Fernsehdiskussion auf die Frage, was denn die Kirche in den 2000 Jahren ihrer Geschichte konkret falsch gemacht habe, die Antwort gibt: ,,Eigentlich alles ...“, dann disqualifiziert er sich m. E. selbst und ich stelle diese Sendung einfach ab. Denn nun kommt ja nur noch er, und er ist der einzige, der weiß, wo‘s langgeht.
Arroganz war noch nie ein guter Berater für christliches Handeln und den Willen zur Weltgestaltung. Da sind mir jene sympathischer, die eingestehen, dass sie eben keine Patentrezepte haben, aber gemeinsam mit anderen Christen um die Beantwortung der Herausforderungen unserer Zeit ringen möchten.
Vielleicht wäre es eine Aufgabe für unsere Gemeinden, mit ihren Politikern in ein Gespräch zu treten, um ihren Betrag zu leisten für ein Europa, das nur christlich beeinflusst werden kann, wenn ungezählte Christen sich darum bemühen.
RP-Interview mit der Theologin Dorothee Sölle (RP vom 13.5.98)
,,Europa der Banken - nicht der Menschen“
Dorothee Sölle ist eine streitbare Schriftstellerin und Theologin, deren zahlreiche Publikationen oftmals auf den Widerstand sowohl der evangelischen als auch der katholischen Amtskirche stießen. So forderte die 69jährige ein Ende des ,,theologischen Imperialismus der Ersten Welt“ und setzte sich dafür ein, ,,dass wir uns von den Armen evangelisieren lassen“. 1995 veröffentlichte sie ihre Erinnerungen unter dem Titel ,,Gegenwind“. Mit Dorothee Sölle sprach RP-Mitarbeiterin Ida Lamp.
RP: Sehen Sie für die Soziale Marktwirtschaft eine Zukunft?
Sölle: Die Marktwirtschaft triumphiert - und das Wort ,,Sozial“ wird immer kleiner geschrieben. Ludwig Erhard hat eine interessante Kombination von Marktgerechtigkeit und Sozialstaatlichkeit gedacht — das ist ja das alte Modell der Bundesrepublik. Und das geht zur Zeit kaputt.
RP: Fehlt es der Gesellschaft an Solidarität?
Sölle: Der Begriff Solidarität wird geradezu abgeschafft; Toleranz ist ,,in“, das ist schicker. Es wird alles toleriert, auch die Arbeitslosigkeit und die Armut. Ich wurde das fast für eine Strategie halten: Wir sind ja alle so tolerant. Wirtschaftlich bringt der Begriff der Toleranz nicht viel. Da sind mir Solidarität und Gerechtigkeit schon lieber.
RP: Was bedeutet Ihnen Gerechtigkeit im Sinne einer wirtschaftlichen Gerechtigkeit?
Sölle: Es gibt ja so etwas wie ein Menschenrecht auf Arbeit. Es hat in der DDR von den Widerstandsgruppen aus den Versuch gegeben nach der Wende, das in die Verfassung als Grundrecht aufzunehmen. Das ist natürlich zunächst Verfassungslyrik. Aber es ist ebenso klar, dass das etwas bedeutet hätte. Auch für die Selbstachtung der Menschen im Osten. Gerechtigkeit hat etwas mit Wirtschaft zu tun, mit dem gleichen Recht aller auf ein sinnvolles, beschütztes Leben. Das Wort wird in neueren amerikanischen Bibelübersetzungen inzwischen sogar vermieden, ersetzt durch Freundlichkeit, Nettigkeit‘ Liebe, Milde. Dadurch wird dieses Wort, das für viele ein bisschen nach Kommunismus riecht, politisch entschärft. Wir amerikanisieren uns zu Tode.
RP: Wohin wird dieser Weg Ihrer Einschätzung nach führen?
Sölle: Die multinationalen Konzerne haben die Weltherrschaft übernommen, und zwar totalitär. Das ist der ,,Endsieg“ des Kapitalismus; ,,Endsieg“, ein Hitlerwort, ein Hitlertraum, und das gebrauche ich bewusst dafür.
RP: Und es gibt keine Chance der Veränderung, des Wandels?
Sölle: Wir brauchen eine durchgreifende Steuerreform. Eine andere Weltwirtschaftsordnung ist unbedingt nötig, in der die Menschenrechte eingeklagt werden und die Ausplünderung der Armen aufhört. Die ökologische Fragestellung ist wichtig. Theologisch gesagt: Wir müssen einfach erkennen, dass die Mutter Erde am Kreuz hängt. Das Kreuz gehört zu dieser Schöpfungsspiritualität — nur Esel wollen es weghaben.
RP: Wo - ganz konkret - müsste man ansetzen?
Sölle: Sicher in einer Umverteilung der Arbeit, zunächst durch Arbeitszeitverkürzung — in einer gerechteren Verteilung der knappen Ware Arbeit. Ich sehe ein großes Problem in dem, was die Amerikaner ,,jobless growth“ nennen, im wirtschaftlichen Wachstum ohne Arbeiterinnen und Arbeiter also, ohne Förderung durch reale Produktion. Zum Beispiel durch ungeheure Spekulationsgewinne, die nicht besteuert werden. Das geht einher mit dem Abbau der traditionellen Rolle des nationalen Staates.
RP: Wird denn der Euro positive Auswirkungen haben?
Sölle: Nein, das glaube ich nicht; ob er aber besonders schädlich sein wird, weiß ich auch nicht. Aber sicher wäre es spannend gewesen, wenn die Arbeitslosenzahlen eine größere Rolle für die Währungsunion gespielt hätten. Wir bauen ein Europa der Banken und Konzerne auf, nicht ein Europa der Menschen. Wie aber beispielsweise die Abgrenzung von der Elendswelt funktionieren wird, ist mir nicht klar.
RP: Was halten Sie von einer Grundrente?
Sölle: Ein guter Vorschlag. Er umfasst auch andere Themen wie die Neubewertung ehrenamtlicher Arbeit. Es ist ja genug Arbeit da: im Umweltschutz, in der Altenpflege, für Kinder. Wir müssen Arbeit anders definieren. Unbezahlte Arbeit war bisher unwert. Arbeit wird allein durch Geld definiert; und nur Erwerbsarbeit erscheint öffentlich bedeutsam. Auf dem Boden einer Grundsicherung wären Veränderungen möglich.
RP: Welche Aufgabe wird den Kirchen zukommen? Haben Sie eine Vision ,von einer Kirche der Zukunft?
Sölle: Die Kirchen werden in ihren Möglichkeiten schier kaputt gemacht; die sind ja nicht Träger der Macht. Das sieht man bei den diakonischen, karitativen Einrichtungen besonders. Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung - daran entscheidet sich im dritten Jahrtausend, ob du wirklich etwas mit Christus am Hut hast oder ihn für einen spinnerten Mann hältst.
Leitbild der Politik?
Christen könnten durchaus einen wichtigen Beitrag für Gesellschaft und Politik leisten, wenn sie das Bild des drei-einen Gottes als Leitbild für politisches Handeln einbrächten.
Die Ordnung einer Gesellschaft spiegelt deren ,,symbolische Sinnwelt“ (Religion, Philosophie) wider. Schon die politische Theologie der Antike hat die religiöse Überzeugung benutzt, um die Macht zu legitimieren. So galt zum Beispiel für Rom ,,ein (Haupt-) Gott - ein Kaiser - ein Reich“. Beherrschend ist dabei immer der Gedanke der Einheit gewesen. Der begründet auch den beständigen Kampf zwischen Kaiser und Papst im Mittelalter: Nur einer konnte Stellvertreter des einen Gottes sein.
Dass sich solch totalitäre Machtstrukturen auch in der Kirche entwickelten, ist durch den bedauerlichen Verlust des trinitarischen Glaubens im Westen zu erklären. Während die Ostkirche viel mehr den kommunalen Gedanken von der Einheit in Vielheit pflegte (trinitarischer Gott, Apostelkollegium, Gemeinschaft der Kirchen), verengte sich das westliche Denken ,,ein Gott - ein Christus - ein Petrus - ein Papst“ zum monopolen Macht(miss)verständnis.
DER MENSCH ALS GOTT?
Vor diesem geschichtlichen Hintergrund hat der Mensch der Neuzeit sich selbst zum Subjekt gemacht und an die Stelle Gottes gesetzt; in der Pluralität der Postmoderne steht er heute nun leider im (Dauer-)Dilemma zwischen Selbstverwirklichung um jeden Preis und Selbstverlust. In diesem Dilemma könnte der Trinitätsglauben wegweisend sein: indem er das ,,Selbstsein in Beziehung“ lehre.
Zur Erklärung der Trinitätslehre: Die Trinität ist zu verstehen als die Gemeinschaft der drei göttlichen Personen. Gott ist in sich die Urbeziehung von drei Personen, in der Einheit und Vielheit gleichen Ursprungs sind. Der Personbegriff ist ,,Selbsterfüllung in Beziehung“. Mit diesem Verständnis, das dem Einzelnen seine Eigenständigkeit keineswegs nimmt, ihn aber immer in einer Relation zum Anderen setzt und mit in die Verantwortung nimmt, könnte die Trinität zur Basistheorie für ein soziales Miteinander werden.
Der Glaube an den dreifaltigen Gott zählt zu den am schwersten verständlichen Geheimnissen des christlichen Glaubens.
,,Wie kann ich überhaupt an einen trinitarischen Gott glauben, was ist Trinität wirklich?“ waren die entscheidenden Fragen in meiner Konfirmationszeit.
Die Erfahrung von guter Beziehung ist z. B. ein Weg zur Trinität. Vom Ausgangspunkt, dass Gott Beziehung in sich, die Liebe, sei, ist eigentlich leicht einzusehen, dass sich wirkliche Liebe nicht zwischen zwei Personen zeige (dort besteht immer die Gefahr, dass man sich selber im anderen liebt), sondern erst dort, wo sich zwei als ,,wir“ einem Dritten zuwenden.
In einer Seminardiskussion sagte jemand ganz richtig: ,,Wenn man sich verliebt, wird die ganze Welt schön.“
Kirchen wollen Verantwortung für Europa
Mehr Verantwortung der Kirchen im europäischen Einigungsprozess hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Lehmann, gefordert. „Die europäische Rechtsordnung war und ist weitgehend auf Markt und Marktteilnahme hin orientiert“, sagte Lehmann im Nov. 98 zu Beginn eines zweitägigen Kongresses der Europa- Union Deutschland in Münster (Nordrhein-Westfalen). Gegen Kirchen und Religionen bestehe eine „wohlwollende Ignoranz“.
Auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Manfred Kock, sprach von einer „Verantwortung der Kirchen für Europa“. Kock plädierte für eine christliche Sozial-Charta in Europa: „Wir müssen den Nöten der Menschen begegnen und verhindern, dass Europa eine Festung wird.“ Mehr Toleranz und Achtung der Europäer untereinander forderte der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis.
Zuvor hatte sich der Präsident der Europa-Union, Hans-Gert Pöttering, für die Ausarbeitung einer europäischen Verfassung und eine schnellere Erweiterung der Europäischen Union ausgesprochen.
Die Europa-Union setzt sich seit 1946 für eine föderale und demokratische Einigung der europäischen Staaten ein.
WENN ... , JA, WENN ... (Bernd Schiele)
Wenn alle Menschen Sternchen wären,
wär’ die Welt nie dunkel.
Überall gäb’s Sternenglanz
und Milchstraßengefunkel.
Ich hab’ entschlossen mich, zu strahlen
als wäre ich ein Stern.
Das kann ich nur, weil Du mein Freund bist.
Bleib mir erhalten, hab’ mich gern!
Ich hab’ entschlossen mich zu pfeifen
aufs Fremdbild, auf Konsumterror.
So mancher mag das nicht begreifen.
Manchem kommt es spanisch vor.
Nur der, der Lichter in sich trägt,
weiß sehr wohl was ich meine.
Man sieht sie anders wohl, die Welt.
Doch komm’ auch ich mit der ins Reine.
Die Freundschaft macht die Welt wohl helle -
dies sei auch hier ganz groß vermerkt.
Ich habe auch an anderer Stelle
sie hochgehalten und verstärkt
auf die „Mitmenschlichkeit“ verwiesen,
weil jeder Mensch den anderen braucht.
Wohl hat es häufig sich ergeben,
dass zuviel Nähe manchmal schlaucht.
Doch geht’s im Ernst und auch im Spaß
im Leben um das rechte Maß ...
Das rechte Maß sieht jeder anders ...
so ist nun mal der Lauf der Welt.
Der eine lebt still und beschaulich,
der andere strebt für Ruhm und Geld.
Ich würd’ das gerne kombinieren,
wenn ich so könnte wie ich wollt’.
Für andere da sein und mich „strapazieren“ -
das ist für mich des Daseins Gold.
• Ich bin sehr gern ein Astrologe
• mit Bibel, I-Ging und Tarot.
• Die Dinge sind für manchen unklar -
• ich mache damit Menschen froh.
Ganz liebe Grüße!
Bernd Schiele
BEZUGSQUELLEN-VERZEICHNIS
Heinz Kaminski Sternstraßen der Vorzeit
Bibel
Bernd Schiele Lebensbuch, Mensch und Spiritualität
Phil Bosman
Hans-Dieter Hüsch
Im übrigen nehme ich mir die Freiheit heraus, quasi „ frei von der Leber weg“ zu schreiben, ein Gedächtnis zu haben, in dem sich Erlebtes, Erfühltes, Ausgelebtes, Angelesenes, Beweintes, Selbstausgedachtes sammelt, das, wie wir sicher alle wissen, nicht immer genau zu katalogisieren ist.
Texte: @astromant
Tag der Veröffentlichung: 25.01.2009
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Annelie "genoveva" Heyer
Michael M.
Michael C.
Hildor alias GehDanke
Michael Sympathie
und denen, die mir Denkanstösse gaben