Verlorene Ehre
Immer noch ist Sand auf seiner Rüstung. Sand, der von der Nam-Yensa herüber geweht war bis zur Säulenhalle von Raithwalls Grabmal; der modrige Geruch des alten, ehrwürdigen Gemäuers noch in seiner Nase und das brennende Feuer des mächtigen Dämonid auf seiner Haut. Doch hier, hier war alles kalt und steril. Der azurblaue Himmel erstreckte sich um die Leviathan, das anmutig durch die Luft schob. Sie hatten Raithwalls Schwert, den Esper und vor allem hatten sie endlich den Morgensplitter. Er bedeutete ihren Anspruch auf den Thron, aber er wusste, dass das die Illusion war an die sie glaubte und an die auch er lang genug geglaubt hatte. Er hörte nicht darauf was Ghis sprach, bemerkte auch nicht die fragenden und verständnislosen Gesichter der anderen, seine Gedanken waren bei ihr und dem was er ihr angetan hatte und was er ihr noch antun würde. Das blonde Mädchen, Penelo, zuckte zusammen und schloss die Hände fester um den künstlichen Nethezite. Sie hatte es von Larsa Solidor. Dieser Junge, er hatte den Geist und den Willen Archadias Expansionsbestrebungen Einhalt zu gebieten und Frieden zu bringen, wenn er denn nur Kaiser würde. Sie sagte etwas, aber er hatte es nicht verstanden, weil er zu sehr mit ihren anmutigen Erscheinung beschäftigt war und, dass er dies Bild vielleicht nie wieder sehen dürfte. Er hoffte inständig sie würde es verstehen, würde es gutheißen; für ihn, für sich und für Dalmasca. Er schreckte auf als er seinen Namen aus Ghis Mund vernahm.
„...Captain Azelas?“
Erschrocken drehte sie sich zu ihm um. Dieser entsetzte Blick traf ihn, aber er wollte sich nichts anmerken lassen.
„Er meint den Morgensplitter, Majestät“, sagte Vossler ruhig.
„Was ist in Euch gefahren, Vossler?!“, fuhr Basch ihn sofort an und Vossler versuchte zu erklären, dass es das beste sei für Dalmasca und für alle.
Nein, er wollte nicht weiter kämpfen und kämpfen und doch nichts erreichen was einen Wert hatte. Er wollte das Dalmasca wieder auferstehen würde, das Frieden herrschte und, dass sie endlich ihren verdienten Thron besteigen konnte, Königin werde. Auch wenn das hieß seine Gefühle sein Leben lang zu unterdrücken. Sein Blick hielt dem von Basch nicht stand, der nach etwas zu suchen schien. Vielleicht Reue oder Zweifel für sein Handeln. Lady Ashe sah ihn nicht mehr an, aber es war als spürte er ihre Verzweiflung, die bohrenden Frage und die große Enttäuschung. Plötzlich zog Ghis sein Schwert, aber der dreckige Luftpirat war es nicht wert, sich um ihn Gedanken zu machen doch veranlasste das letztendlich sie, den Morgensplitter zu übergeben. Seltsam nur das Vossler keine echte Erleichterung spüren konnte.
„Bringt sie auf die Shiva, Captain!“, wendete Ghis sich an ihn und alle wurden abgeführt.
Jetzt stand er hier an der Tür zum hinteren Teil des kleinen Luftschiffs, das sie zu Shiva überführen sollte. Hinter der Tür erklangen die Stimmen der anderen.
„Verdammter Verräter!“, schimpfte der junge Vaan.
„Er muss seine Gründe gehabt haben, aber...er scheint geblendet“, versuchte Basch sogar jetzt noch ihn zu verstehen obwohl Vossler ahnte wie sehr Basch ihn vielleicht verachten musste.
Aber es war die einzige Möglichkeit.
„Und der nennt uns Piraten hinterhältiges Gesindel!“, schnaubte der Pirat verächtlich.
Und auf einmal hörte er ihre leise Stimme und sie ging ihm schmerzvoll durch den ganzen Körper.
„Wie konnte er uns nur so verraten“, seufzte Lady Ashe.
Das Luftschiff dockte an die Shiva an und die beiden Richter führte die Gruppe in Handschellen ins Innere des Luftschiffes. Ihre stoischen Gesichter schienen an ihm vorbei zu sehen. Er folgte ihnen auf über die Brücke und schloss zu Lady Ashe auf. Sie zeigte keinerlei Anzeichen mit ihm auch nur ein Wort wechseln zu wollen. Trotzdem versuchte er ihr zu erklären was er vorhatte. Weder ein Blick noch ein Wort von ihr, aber allein dies bisschen Nähe machte ihn innerlich fast wahnsinnig. Er wünschte einfach sie würde verstehen, mit ihm gehen und Dalmasca zu neuen Ehren führen. Ganz gleich ob das hieß er würde auf ewig nur ihre Leibgarde sein.
„Larsa Solidor“, erwähnte er, „Ich glaube ihm kann man vertrauen.“
„Ihr wagt es von Vertrauen zu sprechen, Vossler?!“
Ihr Blick durchbohrte ihn streng und zornig und sie hatte ja Recht, er hatte sie hintergangen. Was wäre gewesen, wenn er es ihr gesagt hätte? Sie hätte wohl ähnlich reagiert, sie hätte es nicht zugelassen und genau deswegen hatte er diese Entscheidung für sie getroffen. Er hatte diesen verräterischen Handel abgeschlossen damit ihr Gewissen rein bleiben konnte. Sie ließ ihn stehen und ging davon und nahm all seine Hoffnungen mit sich, aber er war Ritter und Dalmasca seine geliebte Heimat, er konnte nicht weiter mit ansehen wie sie unaufhörlich in den Abgrund stürzte. Dalmasca sollte nicht länger Spielball fremden Größenwahns sein. Unruhe fuhr zwischen die Gruppe, das konnte er sehen und plötzlich brach die Viera zusammen. Vossler eilte zur Plattform als zwei der Richter durch die Luft geschleudert wurden.
„Halten Sie fest!“, rief er den verwirrten Richtern zu. Kaum angelangt stieß einer der weiteren Wachen gegen Vosslers Schulter, dass er beinah stürzte. Die Viera schien völlig außer sich und wütete durch die Reihen der Bewacher. Vossler, der in die Knie gegangen war, richtete sich sofort auf als Vaan fliehen wollte. Er zog sein Schwert, selbst wenn dies bedeutete es sowohl gegen seinen Kameraden Basch als auch gegen Lady Ashe zu erheben.
„Versteht Ihr denn nicht, dass Euer Weg zu nichts führt?“, appelierte er an Basch.
„Weil ich es weiß, tue ich es!“
Sekunden später kreuzten sich ihre Schwerter hart und bedingungslos. Die restlichen Wachen stürmten auf die anderen zu. Blitze und Flammen schossen durch die Luft. Nur Lady Ashe stand mitten in all dem Gewirr wie erstarrt. Vossler konnte sehen, dass sie sich fragte was zu tun sei. Er wollte zu ihr eilen doch Baschs Schwertarm hielt ihn auf.
„Ashe! Hol ihn!“, schrie Vaan lauthals.
Und kaum das Vossler realisierte was er meinte, tat sich ein Feuerring um Lady Ashe auf aus dem der riesige Dämonid trat. Vossler spürte wieder diese Hitze auf seiner Haut und ganze Feuerbälle verbrannten die Wachen.
„Willst Ihr mich denn nicht verstehen Basch?“, rief Vossler außer Atem.
„Wir schaffen es ohne Archadia in die Hände zu spielen, Ihr müsst nur daran glauben!“
„Denkt doch an Nabradia Basch, denkt an Landis!“
„Ich denke nie an etwas anderes!“, stieß Basch ihn zurück und Vossler strauchelte.
Im nächsten Moment schwang der Dämonid seinen mächtigen Stab und vor Vossler tat sich ein Meer aus Feuer auf, nur der Gedanke an Lady Ashe ließ ihn durchhalten. Er fand sich auf den Knien wieder, völlig erschöpft und unendlichen Schmerzen in seinem Inneren. Sein Blick verschwamm als Basch vor ihn trat. Hinter ihm erkannte er Lady Ashe und ihr trauriges Gesicht. Galt es seinem Verrat oder ihm ganz persönlich? Dachte sie noch einmal an ihn in Liebe statt in Hass?
„Ich tat es für Dalmasca“, brachte er keuchend hervor und Basch nickte nur, „Kümmert Euch um sie...ich schaffe es nicht, aber sie muss beschützt werden!“ Basch nickte erneut und Vossler sah immer noch Lady Ashe dort stehen und ihn anschauen. Würde sie ihn am Ende doch noch verzeihen, ihm ihr Leben anvertrauen? Aber er war zu schwach. Er fühlte schon wie das Blut in seinen Adern immer langsamer floss. Basch drehte sich weg und verschwand und mit ihm sie. Vosslers Königin. Ein Beben erschütterte den Boden unter ihm. Er blickte auf durch die gläserne Decke des Luftschiffes wo ein gleißendes Licht von der Leviathan herüber strahlte, ja es schoss auf ihn zu wie eine blendende, große Sonne. Ich habe getan was ich tun musste, dachte er. Ich dachte ich würde das Richtige tun. Er dachte, dass er nie wieder mit Basch Seite an Seite in den Kampf ziehen würde, dass er die Frau, die er liebte nie wieder sehen oder berühren würde und er wusste, dass er nie erleben würde wie Dalmasca wieder aufersteht. Alles hüllte sich in Weiß, das reine Weiß des Nichts.
Tag der Veröffentlichung: 02.02.2009
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Mit Dank für die Inspiration von Alexis-chan und ihrer "The Resistence"