Ja, so war es Brauch bei uns!
Einmal im Jahr mimten wir den Weihnachtsmann für die Kinder in unserem Dorf. An jeder Tür ein freundliches HoHoHo, an jeder Tür verängstigte Kinder, die sich, den Oberschenkel des Vaters fest umklammert, die verheulten Augen rieben und nach etwas Eingewöhnungszeit dann doch noch ein... Advent Advent ein Lichtlein brennt über die Lippen bekamen.
Brauch war es auch, dass man sich einen Zettel von den Eltern geben ließ, auf demdie bösen Dinge standen, die die kleinen Biester so über das Jahr angestellt hatten. Scheiße, da gaukelte man den Kleinen auch noch dunkle Wahrsagerkünste vor, die hatten doch schon genug Schiss vor dem besoffenen Knecht Ruprecht. Dessen mit Kohle beschmiertes Gesicht und der mit einem Kissen geformte Buckel, eines Glöckners von Notre Dame würdig, rundeten das Gruselkabinett ab.
Natürlich gab es nach überstandener Mahnung durch den fetten Roten noch was Kleines zum Naschen und schon strahlte das Kindergesicht. Man selbst spürte schon das leichte Gribbeln im Hinterkopf, dass später am Abend den sogenannten Zuckerflash ankündigte.
Die Eltern waren glücklich und der letzte Brauch an jeder Tür war ein Schnaps oder ein Bier. Gingen wir einmal davon aus, dass unser Dorf ca. 800 Seelen beherbertgt. 36,75% davon im gebärfähigen Alter, 83,35% hatten Kinder. 67,19% von Denen, die Kinder hatten, glaubten an den Weihnachtsmann, geteilt durch zwei, denn die brauchte man zum Kindermachen.
Das machte 82,32421 Schnäpse p.K. (per Knecht Ruprecht).
Das war natürlich nur eine grobe Schätzung und sollte aus dramaturgischer Sicht nur schildern, wie “gut drauf” unser kleiner buckliger Freund mit der Rute war. Der Weihnachtsmann musste natürlich Schlitten fahren. Da es aber im Elfenwunderland keine Elfenwunderpolizisten gab, schiss der Weihnachtsmann drauf und stieg in seinen Audi 100 Quattro und ließ die Rentiere mal laut aufbrüllen. Der einzige mit roter Nase im Gespann war Knecht Ruprecht.
Es gab bisher wenige Türen, die mich verblüfften. Einmal zum Beispiel hatte ich die Geschenke in der Nachbarschaft verteilt und eines von diesen kleinen Kindern sagte doch glatt zu seiner Mutti : „Mama schau mal, der Weihnachtsmann hat die selben Schuhe an wie der Dieter”. Nun brauchte ich nicht mehr zu erwähnen, wie mein Vorname war!
Für alle, die es nicht mitbekamen, Dieter!
Abschließend fuhren wir zu einem der Aussiedlerhöfe, die zu unserem Dorf gehörten.
Diesen hoben wir uns immer bis zum Schluss auf, denn dort gab es ein bisschen Hausmacher Wurst. Der Herr des Hauses hatte natürlich zufällig heute, am Christfest Geburtstag . Er war der einzige, der auch noch im zarten Alter von 59 ein Geschenk von uns bekam.
Noch ein letztes Bier, etwas abgehangene Wurst und einen Knecht Ruprecht, der sich Erbrochenes aus dem falschen Bart wischte. Es schneite ohne Unterlass. Weiße Weihnacht und wir waren die Ersten, die in der Dunkelheit über die verlassene Landstraße donnerten.
Der Quattro biss sich in der Schneedecke fest und es störte mich wenig, dass Knecht Ruprecht mir gerade auf die Fußmatte spie.
Ich schaute ihn an und blickte ein paar Jahre zurück. Jeder fing mal klein an im Weihnachtsgeschäft.
Mein Blick ging auf die Straße zurück und ich erschrak weit mehr als die kleinen Kinder an den geschätzten 82,32421 Türen, an denen ich an diesen Abend um Einlass bat.
Ein Reh hüpfte vergnügt auf die Straße.
Ich realisierte noch, dass es ein ganz schön großes Reh war. Im Scheinwerferlicht sah es grau aus, nicht rot. Merkwürdig. Da krachte es auch schon und der erfasste Leib des armen Tieres rauschte in die Windschutzscheibe. Es hinterließ ein Spinnennetzmuster, auf das selbst Spiderman neidisch wäre.
Ich stand auf der Bremse und schickte ein Gebet Richtung Himmel. Noch bevor ich „Lieber Gott; bitte“ denken konnte, haute es die Karre schon in den nächsten Fichtenstamm.
Wie Sie sich denken können, war der Führerschein weg und bei der MPU kam diese Geschichte auch nicht so toll an.
Das einzige, was sich keiner erklären konnte, war der Umstand, dass ich in der Mitte Deutschlands ein Rentier angefahren hatte. Ein Rentier mit einer roten...
Nein, ein Scherz, jetzt veralbere ich Sie.
Doch, es war wirklich ein Rentier.
Tag der Veröffentlichung: 18.12.2011
Alle Rechte vorbehalten