Don Bergamo war vielleicht nicht der beste Chef den man sich wünschte, doch die Bezahlung war gut und er ist der Onkel meiner Frau, Familie eben. Jeden Tag sah ich ihm dabei zu wie er mit einer weißen Serviette im Kragen, eine Silbergabel in seinen wurstigen gold beringten Fingern haltend Pastasoße in seinem fetten sonnengebräunten Gesicht verteilte. Mafiafilme lügen eben nicht, das lernte ich auch ganz schnell. Wie jeden Mittag ging ich durch die weißen Marmor Hallen seiner Sizilianisch anmutenden Villa. Leider waren wir nicht in unserer alten Heimat sondern lebten alle mitten im Ruhrpott. Da saß er wieder, das fette Schwein, dreckig grinsend. Kein gutes Zeichen für einen ruhigen Arbeitstag.
»Ah Luigi, ich habe auf dich gewartet« faselte er in seinem gestellten italienischen Akzent, wer ihn kannte wusste das er einen leichten hang zum Schalke deutsch hatte. Außerdem war mein Name nicht Luigi sondern Manuel, doch er hat beschlossen das wäre unserem Stand nicht entsprechend und nicht Italienisch genug. Dabei ist Manuel auf Platz 29. der Liste der beliebtesten Namen Italiens 2006 und Luigi auf der Liste seit 1956 nicht mehr vertreten. Was sollte außerdem der weiße Anzug, aus dem ein riesiger roter Hemdkragen herausschaute. Wahrscheinlich war er eines Nachts auf Scarface hängengeblieben.
»Luigi, wir haben Probleme« sagte er mit einem leichten Zischen in der Stimme. Sein Arm wippte dabei, Daumen auf Zeige und Mittelfinger gepresst, original italienisch auf und ab. Oh ja, die haben wir, dachte ich bei mir. Dich, dieses lächerliche Haus und keinen Respekt von den anderen Familien. Selbst in Italien lachte man über Don Pastaschwein und seine Stalljungen.
Schwer keuchend versuchte er sich aus seinem mit purpurnem Samt bezogenen Sessel zu erheben und ließ es nach dem dritten Versuch mit Schweißperlen auf der Stirn bleiben. Schnell wischte er sich mit dem Handrücken über die Stirn, wobei seine klobige Uhr einen roten Streifen auf seiner Stirn hinterließ.
»Luigi, du musst dieses Problem für mich lösen.«
Ich nickte nur und hoffte, dass diese Unterweisung bald zu Ende war. Warum kam er nicht auf den Punkt. Wir beide wussten, was wir taten, dass es nicht Rechtens war und dass wir untereinender nicht so eine Geheimnistuerei machen mussten. Es war niemand hier außer uns und seinem Gorilla Pepe.
»Ein Mann hat mich betrogen, mir gedroht Luigi, verstehst du, mir Don Bergamo hat er gedroht« Nach einer kleinen künstlerischen Pause und einem tiefen rasselnden Atemzug legte er wieder los.
»Mir Don Bergamo, kein Respekt mehr« Abfällig wedelte er mit dem Arm. Wieder nickte ich und selbst Pepe, der hinter der Rückenlehne des Sessels stand verdrehte die Augen. »Weißt du, was er mir gedroht hat, Luigi?«
Was sollte ich sagen, ich war nicht dabei. Deswegen antwortete ich knapp mit: »Nein, Don Bergamo«. Wenn seine Mutter wüsste, dass wir ihn alle so nennen müssen, wenn wir unter uns waren, würde sie sich in ihrem Grab umdrehen.
»Gedroht hat er, gedroht das er zur Polizei geht und auspackt.« Nun wurde seine Stimme aufgesetzt traurig.
»Ich Don Bergamo gab ihm Arbeit, ein Leben, einen Platz in unserer Familie und nun will er mich verraten.« Verachtungsvoll lies er die Zunge schnalzen. »Nein nicht mit Don Bergamo, der Verräter muss sterben, töte Giovanni, Luigi.«
Das also war mein Auftrag, töte Giovanni. Ich arbeite nun schon seit mehr als 20 Jahren für Don Bergamo, doch ich muss zugeben, töten ist selbst bei der Mafia etwas aus der Mode gekommen, zumindest in unserer Familie. Ich habe schon Männern hoch wie Bäume und hart wie Stahlbetonträgern Schlimmes angetan, doch das würde mein erster Auftragsmord sein. Instruktionen waren schnell gegeben und mir wurde eine saubere Waffe überreicht. Ich würde ihn in seiner Wohnung umlegen und mich wieder verziehen. Danach würde ich die Waffe außerhalb des Potts verschwinden lassen.
Der graue Plattenbau zeugte von der Spielsucht Giovannis und den damit verbundenen Annehmlichkeiten, welche ihm zu seinem Job verhalfen. Schulden bei Don Bergamo können abhängig machen. Im Treppenhaus roch es verführerisch nach Essen und meine Gedanken schweiften etwas vom vor mir liegenden Auftrag ab. Erst das Namensschild der Klingel im vorletzten Stockwerk, auf dem in zittriger Handschrift G. Lorenzo stand, brachte mich zurück ins jetzt. Prüfend griff ich in mein Jackett und erschrak bei der Kälte des Stahls, aus dem der kleine Trommelrevolver gefertigt war. Die Klingel ertönte schrill und ich sah, wie sich die Tür kurze Zeit später einen Spalt öffnete und mich ein paar Augen halb verdeckt von einer Kette anschauten.
»Was willst du hier?«, fragte mich eine Stimme schroff.
»Don Bergamo schickt mich, um dir ein Angebot zu machen. Er erlässt dir deine Schulden und du bist frei, wenn du schwörst, deine Schnauze zu halten.«, log ich.
»Glaubst du das denn selber?«
»Ich überbringe nur, was der Chef sagt, Giovanni.«
»Gut, sag ihm, ich halt die Schnauze.« Das Gesicht verschwand nun hinter der Tür, die sich langsam schloss.
»Hey, du weißt, dass das nicht so einfach geht! Giovanni, ich muss etwas vorzeigen oder dich zu ihm bringen.«
»Vergiss es«, ertönte es zischend hinter der Tür.
Schnell trat ich einen Schritt zurück.
»Giovanni!?«
»Ja«, ertönte es und sein Gesicht erschien im Spalt. Schlecht für Giovanni war nur, dass im selben Moment mein rechter Fuß die Tür eintrat und diese erst krachend sein Gesicht traf und sich dann aus dem Haltegriff der Kette befreite. Langsam drückte ich die Tür mit gezogener Waffe auf und sah Giovanni mit blutender Nase im Flur liegen. Riesige, angstgeweitete braune Augen schauten mich an.
»Nein, nicht!«, stammelte er, die Hände zum Schutz erhoben.
Langsam senkte ich den Revolver und da sah ich auf einmal Hass in seinen Augen.
»Wenn du das tust, verfluche ich dich!«, spie er mich an.
»Ach wirklich, bist du nun eine Hexe?«, verhöhnte ich seine Aussage lachend.
Er schloss die Augen und fing an, das Vaterunser zu beten. Langsam krümmte sich mein Finger und der Schuss bellte aus dem Lauf. Erschrocken sah ich die Kugel in seinen Kopf eindringen und eine nie zuvor gesehene Sauerei auf dem grauen Läufer folgte. Schnell drehte ich mich um und wischte meine Fingerabdrücke von Tür, Klinke und Klingel. Nach wenigen Sekunden rannte ich mehrere Stufen auf einmal nehmend durch das Treppenhaus. Niemand hatte auch nur eine Tür geöffnet, was mich in Sicherheit wiegte und mich kurz nicht aufpassen lies. In diesem Moment verpasste ich eine Treppenstufe und flog Kopfüber die letzten 3 Stufen in Richtung Flurwand. Der Aufschlag meines Schädels auf verputzten Stahlbeton hallte durch meinen Kopf und raubte mir die Sinne. Aufgeweckt wurde ich durch das Ertönen von Sirenen. Panik stieg in mir auf, was mir die Kraft gab aufzustehen und langsam weiter die Treppen runterzugehen. Ich schaffte es auch ungesehen durch den Vorgarten und steckte zufrieden den Schlüssel in meine Autotür.
»Hey sie da«, sagte dann eine Stimme in meinem Rücken
»Ja,« sagte ich, mich umdrehend und erschrak ein weiteres Mal, als ich zehn Schritte hinter mir einen Polizisten bemerkte.
»Was machen sie hier?«
»Ich gehe Einkaufen«, war meine Antwort.
»Zeigen sie mir bitte ihren Ausweis?«
»Natürlich«, antwortete ich und griff in mein Jackett.
Der Polizist hatte nicht einmal mehr die Möglichkeit, seine Waffe zu ziehen, sondern sackte einfach nur wortlos zusammen, als ihn die Kugel in die Brust traf. Seinem Entsetzen folgte mein Eigenes. Bei Gott, Scheiße, was war ich im Arsch.
Ich hörte das verzerrte Gebrüll im Funkgerät des Polizisten und schwang mich hinter mein Lenkrad. Quietschend schoss meine Karre durch die Straße, als von rechts ein Polizeiwagen aus einem Hof preschte. Ich verfehlte dessen Kotflügel nur um ein Haar, welch ein Glück. Pech war, nun blitzte Blaulicht in meinem Rückspiegel. Nie zuvor war ich Teil einer Verfolgungsjagd gewesen. Aus Angst lag mir ein Vaterunser auf den Lippen.
So ist das also, wenn man kurz vorm Ende steht. Mein Fuß drückte das Gaspedal durch und mit qualmenden Reifen bog ich rechts ab. Wie in Zeitlupe vernahm ich zu spät ein Verkehrsschild.
Viereckig… blau… ein weißer, senkrechter Balken und ein roter, waagerechter bildeten ein großes T!
Sackgasse…
Tag der Veröffentlichung: 30.11.2009
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