Zusammen saßen sie da, der kleine Tisch zeugte von einer geselligen und ruhigen Runde. Kleine filigrane Espressotassen aus schneeweißem Porzellan und zwei Zigaretten, die qualmend in dem kleinen braunen handgetöpferten Aschenbecher lagen, ließen zumindest darauf schließen.
»Was sagst du zu meinem Angebot« fragte der Grauhaarige Mann der um die 60 Jahre alt sein musste den weitaus jüngeren vor sich.
»Du solltest Wissen das ich darüber erst nachdenken muss« grinste der jüngere den älteren an. »Jetzt mein Leben entscheiden, das geht nicht, nicht so zwischen Tür und Angel« ergänzte er seine bedenken.
»Und du solltest Wissen das ich nun eine Entscheidung brauche« gab auch der alte zu bedenken.
Ben der jüngere griff nach seiner Zigarette, nervös führte er sie zum Mund. Er hoffte dass man das leichte Zittern in seinen Händen nicht erkennen konnte. Schwäche wollte er beim besten Willen nicht zeigen, nicht gegenüber seinem Vater.
»Nun, was willst du hören Vater« warf er ihm wieder eine Frage entgegen.
»Ben es geht hier um alles oder nichts«
Nachdenklich stützte Ben seinen Kopf auf die Hand und zog nochmals an der Zigarette.
»Es tut mir leid, ich kann diesen Schritt nicht gehen« mit diesen Worten drückte er die Zigarette aus und erhob er sich aus dem Stuhl. »Es tut mir leid« er schaute in das Enttäuschte Gesicht seines Vaters und wandte sich ab.
»Du weißt was das heißt Ben« sagte der alte, diesmal mit einem etwas schärferen Ton.
»Ja Vater, das weiß ich… « entgegnete Ben mit einem traurigen Gesichtsausdruck »…das weiß ich«
Das waren die letzten Worte die er mit seinem Vater gewechselt hatte.
Langsam trottete er die Straße hinab als der erste Wassertropfen auf seine Brille fiel. Nur einen Wimpernschlag später brach der Himmel über ihm zusammen und ergoss sich, nicht zu seiner Freude, über ihm. Hilfe suchend blickte er die Baufällige Straßenzeile entlang und der einzige Strohhalm an der er sich scheinbar klammern konnte war eine flackernde rote Leuchtreklame eines Ausländischen Bieres. Da er innerhalb weniger Sekunden sowieso nass war, beeilte er sich nicht die Glastür mit dem 24 Stunden Geöffnet Schild zu erreichen. Nass tropfend öffnete er die Tür und eine kleine Glocke ließ den Barbesitzer, der wohl in einem Raum hinter der Theke war, in den Schankraum treten.
»Tag der Herr, regnet wohl« war seine nicht gerade aufbauende Begrüßung. Außer zwei Gestalten, die wie er schon jetzt sehen konnte den morgen über schon durstig gewesen waren, saß niemand an der Theke oder an den kleinen Tischen in den Sitznischen.
»Hallo, sieht wohl so aus« gab er zurück und wählte eben einen dieser kleinen Tische die an der rechten Wandseite gegenüber der Theke waren. Eine diffuse Lampe direkt über dem Tisch erhellte diesen recht wenig und er blickte nach einer Getränkekarte, vergeblich wie es schien. Der Barbesitzer der es wohl sonst nur gewöhnt war das Leute an der Theke bestellten, kam mit einem leicht verächtlichen Blick an seinen Tisch. Es war ein großer, kräftiger Mann Mitte 50 mit kurz geschorenem Haar. Er wirkte sehr militärisch, als wäre er gerade einem dieser alten Kriegsfilme mit John Wayne entsprungen.
»Na was darf es sein« fragte er eher gelangweilt und Ben bemerkte das fleckige Spültuch das er sich wirklich in die Unterhose gesteckt hatte und welches an seiner Leiste über der Hose herab hing.
»Flaschenbier bitte, das von der Leuchtreklame« Ben deutete nach draußen.
»Gewiss doch der Herr« entgegnete der Mann abfällig. Anscheinend hatte er den Blick von Ben deuten können. Nachdem sich der Mann abgewendet hatte und wieder hinter der speckigen Theke verschwand fiel Bens Blick auf die Holzwand neben sich. Bilder die wohl aus alten tagen des Barbesitzers zu sein schienen hingen dort. Autogramme von Baseballspielern und Wimpel von deren Mannschaften schmückten die Wand, meist eingerahmt, andere nur mit Reiszwecken befestigt. Es schien als seien die Bilderrahmen aus dem speckigen Holz der Theke geschnitzt. An der Decke über dem Gang zwischen Theke und Sitznischen, drehte sich leicht schwankend ein Ventilator. Er schien jeden Moment von der Decke zu reißen, so schaukelte er sich auf. Es sah aus als würde er versuchen aus dieser schäbigen Kneipe zu fliehen und dann mit dem nächsten Gast der das Lokal verlies durch die Tür zu entschwinden. Mit einem lauten Klang von Glas auf Holz wurde Ben aus den Gedanken gerissen.
»Zwei Dollar« waren die knappen Worte die Ben entgegen geschleudert wurden. Ben kramte schnell in seiner Tasche und zog ein Bündel ein Dollar Noten und ein paar Münzen heraus.
»Hier, bitte« sagte Ben, aber der alte drehte Wortlos ab und widmete sich den beiden Thekensäufern die wohl mehr Geld versprachen. Er nippte kurz und bemerkte wieder einmal das was er eigentlich schon wusste. Er mochte eigentlich kein Bier aber es erschien ihm hier wirklich als die beste Wahl.
Sehnsüchtig schaute er aus dem Fenster und wägte ab wann er diesen unschönen Ort wieder verlassen könnte. Draußen schien sich das Wetter wieder zu beruhigen. Gerne hätte er jetzt sein Buch ausgepackt und weiter gelesen, aber irgendetwas hinderte ihn daran. Wahrscheinlich animierte ihn die Umgebung in diesem Moment nicht zu lesen. Es war eben kein kleines Bistro bei Sonnenschein. Nein es war eine schmierige Rotlicht Kneipe in der nähe des Bahnhofs. Diese Kaschemme war einfach keinem Buch würdig, stellte er fest. Hastig trank er einen großen Schluck aus der kalten, beschlagenen Flasche. Er hasste diesen Ort schon jetzt, obwohl er erst wenige Augenblicke hier verweilte. Es war als ob das Wetter sein innerliches flehen nach Erlösung erhört hätte und dem Blau des Himmels wieder Vorrang gewährte. Mit dem ersten Sonnenstrahl stellte er die erst halb geleerte Flasche vor sich ab und verlies wortlos die Kneipe. Wieder auf der Straße stehend sog er die vom Regen gesäuberte Stadtluft tief in seine Lungen und tauschte den rauchigen Gestank der Bar in seiner Nase mit dem Duft frisch gefallenen Regens. Beim nächsten Regen würde er lieber eben jenen wählen anstatt einem Ort den Vorzug zu geben den er hasste.
Texte: Alle Rechte beim Autor BookRix User:Asnah83
Tag der Veröffentlichung: 20.10.2008
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