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Sternenlicht



„Nelly, Schlafenszeit!“ Vincent trat in das pink gestrichene Zimmer seiner Tochter.
Die Siebenjährige saß bereits im Bett, tief über ein dickes Buch gebeugt, bewegten sich ihre kleinen Lippen stumm, ganz so als würde sie konzentriert lesen.
Als Vincent näher trat, erkannte er das neue Astronomiebuch seines Ältesten „Mäuschen du weißt doch das du von Marcus Büchern bleiben sollst. Du willst doch auch nicht, dass er ungefragt eine deiner Puppen nimmt.“
Nelly sah auf, das Gesicht zur Grimmasse verzogen „Er hat gesagt ich darf es haben.“
„Wirklich?“ Er setzte sich zu ihr auf das kleine Bett, schielte auf die aufgeschlagene Seite des Buches und zog gleichzeitig seine Kleine zu sich auf den Schoss. „Dann geht es wohl in Ordnung. Hast du etwas Interessantes gefunden?«
Eifrig nickte sie und zeigte auf die Abbildung eines Sternenabschnittes, schwach umrandete eine dünne Linie die umliegenden Sterne und ließen den kleinen Löwen erkennen. „Da ist ein Kätzchen am Himmel. So eines, wie Tante Emma hat.“
Lachend schüttelte er den Kopf, sie ließ aber auch gar nichts aus um ihn daran zu erinnern, dass sie sich zu ihrem Geburtstag sehnlichst ein kleines Kätzchen wünschte. Wirklich raffiniert.
„Papa?“ Plötzlich wurde sie ernst, den Zeigefinger am Kinn blickte sie vom Buch zu ihm auf, als läge er ihr in diesem Augenblick die ganze Welt zu Füßen. Und bei Gott, wenn er es könnte, würde er es für sie tun. „Wer macht die Sterne?“
„So klein und schon so neugierig?« Lächelnd wünschte er sich die Phase, in jener sie den Erwachsenen Löcher, wie einen Schweizer Käse in den Bauch fragte, möge nie aufhören.
Ihr die Welt zu erklären gehörte zu den schönsten Aufgaben seiner Vaterschaft. Wehmütig dachte er daran, dass sie irgendwann genau wie Marcus aufhören, würde sich an ihn zuwenden. „Weißt du sie, kommen daher, wo alle herkommen, aus der Schmiede der Sterne.“
„Das Kätzchen auch?“
„Ja, es war sogar das erste Sternzeichen, welches der Schmied an den Himmel setzte.«
Ihre Augen wurden groß und rund „Weil er Kätzchen mag?“
Ein Lachen entwich seinen Lippen „Vielleicht. Aber das ist eine lange Geschichte und ich weiß nicht, ob du schon alt genug dafür bist. Als dein Opa sie mir erzählte, war ich schon viel älter als du.“
„Bitte! Bitte! Bitte!« Ihre kleinen Hände legten sich auf seine Wangen, während sie ihren besten Dackelblick auflegte.
„Na gut, wenn du glaubst, schon groß genug dafür zu sein, dann will ich sie dir erzählen.“ Vincent rutsche weiter auf das Bett, lehnte sich an den Bettkopf und begann zu erzählen „Damals, als die Sterne noch durcheinander am Himmel standen, Götter und magische Wesen die Welt bevölkerten und die Menschen an alte Mythen glaubten machte sich eine Dryade auf um den Sternenschmied Siron um einen großen Gefallen zu bitten.“


Tief durchatmend stand Anvanalei vor der unverzierten Holztüre der Schmiede. Aus dem Inneren drangen rhythmische Hammerschläge nach draußen und aus dem alles überragendem, rußverschmierten Schornstein schlängelte sich eine Rauchsäule hoch in den Himmel. Schon von Weitem empfing sie die Reisenden und leitete sie zielsicher zu Siron, wollten sie denn zu ihm. Der Schmied galt als unangenehmer und rauer Zeitgenosse, welcher Spaß daran fand Besucher zu verschrecken, gar mit lautem Gebrüll davon zutreiben.
Die feinen Haaren auf Anvanaleis Armen erhoben sich in die Höhe. Würde er sie genauso fürchterlich empfangen oder sie davon jagen? Sie hoffte nicht. Den schwarzen Samtbeutel an die Brust gedrückt tasteten ihre Finger nach den Edelsteinen darin. Die harten Konturen hoben sich deutlich ab und beruhigten sie ein wenig. Sie suchte diesen Ort aus einem ganz besonderem Grund auf, und wenn er wirklich so einsam war, wie sich erzählt wurde, würde er ihre Bitte verstehen. Denn sie tat es nicht für sich, sondern ihren Liebsten. Danach würde Fineas sie noch mehr lieben, ganz sicher, er musste einfach.
Zaghaft trat sie näher und schlug dreimal kräftig gegen das massive Holz der Türe.
Als sich nach einigen Augenblicken nichts tat, begann sie sich zu fragen, ob er sie überhaupt in diesem ganzen Lärm hören konnte.
Gerade als sie abermals die Hand hob, um noch einmal anzuklopfen, schnalzte das Türschloss zurück und die Türe wurde aufgerissen.
Hünenhaft füllte der rußbefleckte Schmied den Eingang aus. Der Geruch von Schweiß und alter Asche legte sich samtig auf ihre Zunge und benebelte schmerzhaft ihre Sinne.
Die Stirn krausgezogen sah er sie unter buschigen Augenbrauen hervor grimmig an. „Weib, was willst du,“ donnerte seine Stimme, als könne er sie allein durch den Klang in Luft auflösen.
„Ich komme mit einer Bitte zu…“ Weiter kam sie nicht. Siron zog sich brummend zurück und knallte die Türe ins Schloss.
Verdutzt blickte Anvanalei die unter dem Schlag noch immer zitternde Türe an. Was bildete sich dieser ungehobelte Birkenkäfer ein? Sie machte sie auf den beschwerlichen und weiten Weg auf diese Ebene um ihn zu sprechen und er hörte sie nicht einmal an! Unverschämt, sogar die Waldtrolle besaßen mehr benehmen, als diese stinkende Kreatur.
Doch so schnell wurde er sie nicht los, und auch wenn sie seinen Zorn damit herauf beschwor, lag ihr so viel an ihrem Anliegen, dass sie es abermals versuchen musste. Heim zu gehen, ohne nicht alles versucht zu haben, kam ihr nicht in den Sinn.
So klopfte sie abermals. Wie zuvor musste sie einige Sekunden lang warten bis Siron die Türe zur Schmiede öffnete.
Sein Blick sprach Bände und feuerte Dutzende kleiner Blitze auf die Dryade nieder, und eher sie das Wort an ihn richten konnte, verschwand er auch schon wieder hinter der Türe.
„Mistkäfer!“ Sein Verhalten konnte sie nicht akzeptieren. Sie wollte Fineas Edelsteine am Himmel haben und sie würde nicht eher gehen bevor Siron ihr diesen Gefallen tat.
Zum dritten Mal klopfte sie an der Türe. Wie die beiden Male zuvor öffnete er, wie unter einem Zwang.
Anvanalei nutzte ihre Chance und redete drauf los, ehe die Türe überhaupt ganz geöffnet wurde „Ich kann die nächsten zweihundert Jahre warten und jeden Tag, jede Stunde an diese Türe klopfen bis du mich endlich anhörst!“
Eine dicke Ader an seinem Hals pochte unter der rußverschmierten Haut auf, sie strapazierte seine Nerven. „Was willst du,“ schneidend, als wäre seine Stimme ein scharfes Messer, welches über ihre Haut fuhr, schleuderte er ihr seine Worte entgegen.
Zufrieden lächelte Anvanalei, ihr Ziel ein wenig näher. „Ich will, dass du sie zu Sternen machst.“ Mutig streckte sie ihm den Beutel mit den Edelsteinen entgegen.
Schnaufend schüttelte Siron den Kopf „Nein.“
„Nein? Wieso nicht?“
„Da könnte ja jeder kommen! Weißt du überhaupt was es bedeutet einen Stern herzustellen? Das ist sehr viel harte Arbeit. Meine Sterne sind die schönsten Lichter auf allen Ebenen, ich ruiniere meinen Ruf nicht mit billigen Nachahmungen.“
„Das sind keine Nachahmungen. Er hat sie ganz alleine für mich gemacht!“ Eine Frechheit von ihm zu behaupten er hätte ihn nachahmen wollen. Ganz im Gegenteil, er wollte damit nur das Licht der Sterne einfangen und sie damit erfreuen.
„Ein Mann?“ Schallend lachte er auf „Wieso kommt dein Mann nicht selber, wenn er seine Klunker am Himmel haben will? Traut er sich nicht?“
„Fineas ist nicht mein Mann. Aber er wird es, wenn erst einmal die Steine als Sterne erleuchten!“
Sirons Blick wurde milder „Hat er das gesagt?“
Ihre Wangen erröteten „Nein, aber ich weiß es einfach! Er sagt er liebt mich.“
„Bist du ihm ebenfalls in dieser farblosen Hülle erschienen oder in deiner Wahren?“ Witternd streckte er die Nase in ihre Richtung und zog lautstark die Luft mit ihrem Geruch in sich auf „Weiß er, dass dein Haar die Farbe von Laubwäldern hat und Vögel darin niesten? Dass deine Haut gefärbt wie Buchenholz dich wie eine lebende Schnitzerei aussehen lässt? Dass du kein Mensch bist?“
Anvanalei wich seinem Blick aus. Er hatte Recht. Fineas kannte nur ihre menschliche Hülle, welche sie sich überstreifte, um ihn zu sehen. Doch ihr Herz sagte ihr, er würde sie auch dann noch lieben, wenn er ihre wahre Gestalt zu Gesicht bekommen sollte. Erst recht, wenn er erfuhr, was sie für ihn getan hatte. Ihre Gefühle konnten sie nicht trügen. „Es wird nichts daran ändern,“ nuschelte sie eher für ihre Ohren bestimmt, als für Sirons.
„Du bist nicht für Menschen gemacht. Geh zurück zu deinem Baum, such dir einen Satyr und vergiss ihn.“ Siron drehte ihr bereits wieder den Rücken zu, um sie stehen zu lassen.
„Siron, Bitte,“ ehe sie sich bewusst wurde was sie tat legte sich ihre Hand auf seinen von dicken Sehnen durchzogenen Arm „Ich weiß, dass er mich genauso liebt, wie ich ihn. Und genau deshalb möchte ich ihm ein ganz besonders Geschenk machen.“
Zischend, als habe sie Wasser ins Feuer gegeben schüttelte er ihre Hand ab. Die Augen zusammengekniffen und den Mund zu einem dünnen Strich verzogen trat er einen Schritt zur Seite und eröffnete ihr den Weg ins Innere der Schmiede.
„Danke.“ Rasch schlüpfte sie an dem Riesen vorbei in den Innenraum des Gebäudes. Die Wände dunkel gestrichen und stark nach altem Feuer riechend luden nicht zum Verweilen ein. Ein riesiger runder Tisch, umspannt von vier Stühlen erhob sich einsam in dem sonst leeren Raum. Siron legte ganz offensichtlich keinen Wert auf ein gemütliches Zuhause oder gar auf Gäste, welche sich bei ihm wohlfühlen könnten. Kein Wunder, dass ihn niemand wirklich mochte.
„Mach doch die Augen auf!“ Mit zwei riesigen Schritten stand er vor ihr, die großen Pranken auf ihren Schultern, schüttelte er sie. „Du läufst in dein Unglück. Die Menschen sind nicht gut für uns. Sie töten alles was sie nicht kennen, was sie fürchten. Wenn dieser Mann erfährt, was du bist, wird er deinen Baum fällen und dich töten! Willst du das? Willst du wirklich sterben für einen Menschen?“
„Das würde Fineas nie tun!“ Ihr Liebster besaß mehr Sanftmut als ein Rehkitz, nie erhob er seine Stimme oder verlor ein böses Wort, wie könnte er ihm da unterstellen so bösartig zu sein und ein Lebewesen zu zerstören. „Du kennst ihn nicht.“
„Kenne ich einen Menschen, kenn ich sie alle. Sie sind nicht gut für uns, und wenn du so weiter machst, läufst du direkt ins Verderben.“
Anvanalei schnaubte „Als ob sich je ein Mensch auf diese Ebene verirren würde.“ Siron erzählte nur Unsinn. Selbst für ein magisches Wesen, wie sie, stellte sich der Weg zu ihm als sehr steinig und schwer zu erklimmen dar und sie schaffte es nur durch die Magie, welche durch ihre Adern floss, die klebrigen Schwingungen beim Hinübertreten von der Menschenwelt zu dieser abzuschütteln. Ein Mensch würde nicht einmal den Übergang schaffen, geschweige ihn überhaupt ohne magische Hilfe finden.
Der Stuhl neben ihr flog, gefolgt von einem wütendem Aufschrei, durch den Raum, schlug krachend gegen die Wand und zerbarst in Hunderte Splitter, welche wie Wasserspritzer durch den Raum wirbelten.
Erschrocken stolperte Anvanalei zurück, bis die Kante des Tisches sich hart in ihre Hüfte presste.
Siron ballte die Hände zu Fäusten, den Körper wie zum Sprung angespannt starrte er sie aus zusammen gekniffenen, hass versprühenden Augen an. „Du weißt nicht, was du sagst! Nun geh, dein Wunsch von einem Menschen geliebt zu werden ist schwachsinnig, du solltest dir dies aus dem Kopf schlagen!“ Für ihn bestand kein weiterer Bedarf mit Anvanalei zu reden, so verschwand er durch eine unscheinbare Türe in den Schmiederaum.
Sie blieb alleine zurück, die Edelsteine ihres Liebsten eng an sich gepresst. Sie war nicht naiv und auch nicht verblendet. Fineas liebte sie und bei jedem Treffen, bei welchen er ihr dies sagte, schenkte er ihr einen dieser wundervollen Edelsteine mit den Worten, dass er diese Sterne nur für sie angefertigt habe. Bei jedem Wort, das über seine Lippen kam, leuchteten seine Augen und ließen keinen Zweifel an seine Aufrichtigkeit. Aber wie sollte Siron dies auch schon verstehen? Ungeliebt und einsam konnte er nicht ertragen, dass es anderen besser erging. „Ich werde nicht gehen,“ flüsternd stieß sie sich vom Tisch ab. Ihre Liebe gab ihr den Mut Siron zu folgen, sie wollte Fineas etwas genauso Schönes zurückgeben wie die Edelsteine, etwas das ihm ihre Liebe symbolisierte.


Rauch kroch in dicken Schwaden über den Boden, zog sich den grauen Stein der Wände hinauf. Feuer knisterte leise in zweien der kugelförmigen Öfen und drückte mit seiner Wärme allem Lebendem, egal ob Maus oder Dryade die Lungen zusammen.
Vorsichtig setzte Anvanalei einen Fuß vor dem Anderem vorwärts. Schweißperlen bildeten sich unter ihrem dicken Zopf und rannen in langen Bahnen ihren Nacken hinunter, sodass sie sich wünschte, das Kleid ablegen zu können.
„Siron?“ Verlassen erstreckte sich die Schmiede vor ihr. Von ihrem Schmied fehlte jede Spur, dabei vergingen nur wenige Augenblicke, bevor sie ihm folgte. Es musste eine weitere Türe geben, in welche er verschwand und wenn er sich wirklich in den Kopf setzte, sie nicht mehr zu sprechen, so schaffte er es sicherlich ihr weiterhin aus dem Weg zu gehen. Irgendwann jedoch würde er in seine Schmiede zurück müssen und dann würde sie noch immer da sein.
Ihre Schritte führten sie zu einem stiergroßen Ambos. Verteilt auf der glatten eisernen Oberfläche lagen sechs hübsche rote und blaue Steine. Jeder Stein besaß die gleiche Größe, gleiche Kantenlänge und gleich Form, als wollte man ihre eigentliche Gestalt dadurch verbergen. Doch wieso sollte man dies wollen? So verunstaltet mit Kanten und Ecken gefielen sie ihr nicht. Rund mit weichen Formen sollten sie sein, so wie ihre Edelsteine, und nicht so verschandelt.
Das erste Mal seit ihrem Aufbruch zur Schmiede zog sie das rote Seidenband des Säckchens auf. Ganz vorsichtig, als habe sie Angst einen der kostbaren Steine zu verlieren schüttetet sie diese neben Sirons aus.
Zum Vorscheinen kamen sieben fingernagelgroße, ovale klare Edelsteine. Kühl schmiegte sich der Größte an ihre Fingerkuppe, als sie ihn liebevoll streichelte. Diesen schenkte Fineas ihr zuletzt, bevor sie sich entschloss seine Edelsteine an den nächtlichen Himmel zu bringen. Dort hin, wo sie hingehörten und jeder sie sehen konnte.
„Du sollst verschwinden!“ Der Schmied trat durch dieselbe Türe aus jener sie eben eintrat. Die Miene missbilligend verzogen stampfte er zum Ambos.
„Ich habe sehr viel Zeit dich darum zu bitten sie zu Sternen zu machen!“
Brummend baute er sich neben sie auf „Er ist nicht unsterblich. Fünfzig Jahre und er wird zu Staub zerfallen.“ Prüfend richtete sich sein Blick auf Anvanaleis ordentlich aufgebahrte Edelsteine. Im gleichen Augenblick, in jener er sie erblickte, warf er den Kopf in den Nacken und erfüllte mit seinem Lachen die Schmiede.
„Wieso lachst du? Sie sind viel schöner als deine hässlichen Dinger!“ Damit fegte sie seine bunten Steine mit einer Handbewegung vom Ambos.
Abrupt verstummte sein Lachen und tauchte die gesamte Schmiede in Stille, welche nur von dem leisen Klirren der aufschlagenden Steiner unterbrochen wurde.
Kalt, als sähe sie in einen zugefrorenen See, starrte er sie an. Nur die zuckende Ader an seinem Hals verriet das schlagende Herz in der erstarrten Gestalt.
„Du solltest nicht über mich lachen. Ich komme mit einer Bitte zu dir und das Einzige was du imstande bist zurück zugeben ist Spott und Hass. Es wundert mich das du so etwas Schönes wie die Sterne

zustande bringst.“ Wut stieg in ihr auf. Wieso konnte er ihr nicht einfach ihren Wunsch erfüllen? Danach würde sie gehen und ihn in seiner verschrobenen Welt alleine lassen.
Mit dem Leben kehrte das Feuer in seine Augen zurück. Seinen Zorn in die Schmiede schreiend packte er den schweren Schmiedehammer.
„Siron nicht!“ Voller Angst er würde ihre Steine zerstören warf sie sich vor den Ambos, eher sollte er sie mit dem Schlag treffen als Fineas Sterne.
Durch die tägliche Arbeit geübt mit einem Arm den Hammer zu schwingen stieß er sie mit der freien Hand zur Seite.
Anvanalei stürzte zu Boden.
Schluchzend heulte sie auf während der Hammer erbarmungslos auf den Ambos schlug.
Hunderter Edelsteinsplitter ergossen sich wie Tränen über Anvanalei und Siron. Das Herz in ihrer Brust zog sich verzweifelt zusammen, jeder ihrer Atemzüge schmerzte, als würden die Splitter sich tief in ihr Fleisch hinein bohren. Siron zerstörte die Zeichen der Liebe zwischen ihr und Fineas, als wären die Steine lästige Käfer, nicht wert angesehen zu werden.
„Es war nur Glas.“ Seine Stimme drang von weit entfernt zu ihr durch, genauso wie das dumpfe Schlagen des Hammers, als er wieder auf seinem Platz gestellt wurde. „Es ist wertlos, genauso wie die Liebe dieses Menschen!“ Das Letzte was sie von ihm hörte waren die sich entfernenden Schritte und das zuschlagen der Türe.
Zurück blieb nur ihr Leises weinen.

Stunden vergingen, bevor sich der Schleier von ihren kreisenden Gedanken erhob und sie zurück in die Realität führte. Die Augen vom Weinen gereizt setzte sie sich auf, die letzten Tränen auf ihren Wangen verwischte sie langsam mit dem Saum ihres Ärmels. Trotz der Hitze in der Schmiede schlängelte sich Kälte ihren Körper entlang und hinterließ nichts als Leere. Es war ein Fehler hier her zukommen, so sehr sie sich auch wünschte Fineas Edelsteine mit den Sternen um die Wette leuchten zu sehen. Nun lagen sie zerstört in der Schmiede. Siron machte ihr damit sehr deutlich, dass sie niemals am Himmel leuchten würden.
Stechend durchfuhr es sie, sie musste jetzt stark sein. Ein Zurück gab es nicht, hoffentlich verstand Fineas, warum sie seine Edelsteine so leichtfertig aufs Spiel gesetzt hatte. Wer liebte, konnte verzeihen. Doch bevor sie diesen schrecklichen Ort verlassen würde, musste sie die Splitter aufsammeln. Sie kam mit den Edelsteinen und würde auch wieder mit ihnen gehen, zersplittert oder nicht.
Es dauerte eine Ewigkeit die Splitter aufzulesen, immer wieder hielt sie inne um vereinzelte Tränen aufzufangen oder ihre aufgeschnittenen Fingerkuppen zu beruhigen. Erst als die Nacht über die Schmiede hereinbrach, glaubte sie die meisten Splitter gefunden und aufgesammelt zu haben.
Nun konnte sie gehen, zurück zu Fineas und ihrem Wald. Dazu jedoch musste sie zuerst in den Vorraum zurück. Aber was machte sie sich darüber noch Sorgen? Siron würde ihr nach allem sicher nicht begegnen, er hielt nichts von ihr und ihrer Liebe.
Leise schlüpfte sie durch die Türe in den Vorraum zurück, wie erhofft ließ Siron sich nicht blicken. Ob er es überhaupt bemerkte, wenn sie weg war? Ach, was interessierte sie es noch, was diese Laus dachte? Ihn aus ihren Gedanken drängend öffnete sie die Türe, die hinaus in den angrenzenden Wald führte. Die kühle Nachtluft empfing sie, legte ihre seidigen Arme um ihren Körper und liebkoste ihre geschundenen Augen.
„Wie wichtig kannst du ihm sein, wenn er dir etwas schenkt, das die Menschen achtlos wegwerfen?“ Siron tauchte hinter ihr auf. Sie spürte die Wärme, welche er ausstrahlte, während der Nachtwind sie aufforderte, ihm zu folgen.
„Ich weiß, dass sie aus Glas sind,“ antwortet sie mit brüchiger Stimme „Fineas ist kein reicher Mann, aber er hat sie alleine für mich gemacht. Für mich waren sie genauso kostbar wie deine Sterne für dich.“ Er beichtete ihr bereits beim aller ersten Stein, dass sie nur aus Glas seien, doch, wenn er sah, wie sehr sie sich darüber freute nahmen sie für ihn die Gestalt von wertvollen Edelsteinen an. Ihre Liebe machte sie zu diesen.
„Gib sie mir.“
„Nein.“ Kopfschüttelnd umfasste sie den Beutel fester. „Du hast sie zerstört.“
„Ich will dir ihre Reste zu den Sternen setzten.“
Überrascht wendet sie sich um „Wieso willst du dies auf einmal tun?“
„Ich tue es für dich und nicht für diesen Menschen. Dir liegt so viel an den Steinen, dass ich dir damit eine Freude bereiten will, weiß ich doch, dass noch schlimme Zeiten durch diesen Menschen auf dich zukommen werden.“ Siron nahm ihr das Säckchen ab „Eine Bedingung jedoch habe ich. Ich will, dass du dich ihm in deiner wahren Gestalt zeigst. Liebt er dich wirklich so sehr, wie er sagt, wird er darüber hinweg schauen können, wenn er es jedoch nicht kann, wirst du zu mir zurückkommen und mir davon berichten.“
Dies hörte sich vernünftig an. Sie wollte nicht zu Siron zurück, genauso sicher wie dies war sie sich Fineas Liebe zu ihr. So konnte sie wohl getrost, und ohne Sorge diese Vereinbarung eingehen, um die Edelsteine ihres Liebsten an den Himmel zu bringen. "Gut, ich werde mich ihm zeigen, aber erhoff dir nicht mich an diesem Ort je wieder zusehen."

Zurück in ihrem Heimatwald saß Anvanalei ruhig auf der großen Lichtung, dem Treffpunkt der zwei Liebenden, im hohen Gras und wartete darauf, dass ihr Liebster endlich auftauchte.
Heute würde er erfahren, wie sie wirklich aussah und was sie für ihn getan hatte. Würde er sich so sehr darüber freuen, wie sie hoffte? Der Gedanke an sein Lachen wärmte ihr Herz, es würde schon alles gut gehen.
„Kätzchen?“ Die Stimme des jungen Mannes halte über die Lichtung.
Freudig erhob sie sich, um ihm entgegen zu laufen „Fineas!“
„Nicht so stürmisch,“ lachend fing er sie auf, drehte sich mit ihr im Kreis, während seine Lippen sich auf ihre pressten und ihr jegliche Luft zum Atmen raubte.
„Ich bin so glücklich das Du hier bist,“ schwer atmend presste sie sich an ihn, wie konnte sie nur für einen kurzen Augenblick glauben er würde sie nicht mehr lieben, wenn er erst die Wahrheit erfuhr? „Ich habe eine Überraschung für dich, aber leider siehst du sie erst in der Nacht.“
„Kätzchen was hast du angestellt?“ Seine Arme legten sich um sie, hielten sie fest an sich gepresst, als fürchte er sie könne ihm entschlüpfen und davon laufen.
„Weißt du noch, wie du über die Schmiede der Sterne gesprochen hast? Ich habe sie gefunen. Siron wird deine Edelsteine zu Sternen machen!“ Gespannt wie er darauf reagieren würde betrachtete sie sein Mienenspiel.
Überraschung und Freude spiegelte sich in seinem Gesicht wieder, aber auch ein kleiner Funke von Sorge klomm auf. „Kätzchen, das ist doch nur eine alte Legende.“
Lachend schüttelte sie den Kopf „Nein, es gibt sie wirklich. Und ich war da. Ich wollte dir eine Freude machen, dir zeigen, dass ich dich genauso liebe wie du mich. Du schenkst mir ständig so hübsche Glasperlen und ich wollte, dass du etwas genauso Wundervolles zurück bekommst.“
Seufzend drückte er einen Kuss auf ihre Stirn „Aber ich weiß doch, dass du mich liebst.“
„Wirklich?“
„Natürlich!“
„Das ist sehr schön.“ Anvanalei löste sich von Fineas und trat einige Schritte von ihm zurück „Ich musste Siron etwas als Gegenleistung versprechen.“ Ihr Magen hüpfte, wie ein junges Füchslein, in wenigen Augenblicken würde er ihre wahre Gestalt erblicken.
„Vana, was redest du da denn bloß schon wieder?“ Noch immer zweifelnd betrachtete er sie.
„Nein, Fineas ich bin nicht das, was du zu glauben scheinst. Meine Liebe aber zu dir ist echt und es ändert für mich nichts daran.“ Sie schloss die Augen und konzentrierte sich.
Ihre Gestalt begann zu flimmern, die dunkle Farbe der Erde zog sich genauso ihre Haut hinauf, als wäre sie eine der kräftigen lebenserhaltenen Wurzeln ihrs Baumes. Das hüftlange Haar ergoss sich über ihren Rücken bis zum Boden, Blätter und zierliche Knospen flochten sich in ihr grasgrünes Haar.
Fineas riss die Augen weit auf, über seine Lippen rutschte ihm ein „Unmöglich,“ während sein restlicher Körper völlig bewegungslos blieb.
Ein kleiner brauner Spatz landete auf einer der Strähnen und begann sofort ein winziges Ästchen aus ihren Haaren zu ziehen. Nun war sie das, was sie wirklich war, eine Dryade.
Hoffnungsvoll suchte sie seinen Blick und seine immer wieder beteuerte Liebe ihr gegenüber.
Doch er starrte sie nur an, den Mund weit offen.
„Fineas?« Ihr Herz in der Brust zog sich zusammen. Wieso reagierte er nicht? „Ich bin es, dein Kätzchen.“
„Nein,“ er stolperte zurück, Furcht erfüllte seinen Blick.
„Aber Fineas,« sie trat auf ihn zu. Nur weil sie nicht die Gestalt besaß, wie die Frauen aus dem Dorf, konnte er doch ihre Liebe nicht vergessen.
„Bleib stehen!« Abwehrend hob er seine Hände, das Gesicht abscheulich verzogen.
Anvanalei schluckte schwer „Ich bin immer noch die Frau, jener du deine Liebe geschworen, die du geküsst, die du umarmt hast.“
„Du Monster,“ sein Schrei fuhr ihr ins Mark, seine Körpersprache, seine Mimik, sogar seine Augen sprachen von Abneigung.
„Fineas,“ flehend streckte sie die Hände nach ihm aus. Er musste sie doch erkennen.
Der junge Mann erwachte aus seiner Erstarrung, erst langsam und dann immer schneller trat er rückwärts fort von ihr.
„Ich liebe dich doch.“ Siron durfte nicht recht behalten.
„Monster!“ Warf er ihr ein letztes Mal entgegen, bevor er sich umwandte und so schnell seine Füße ihn trugen davon rannte.
Erschrocken zog sich ihr Herz zusammen „Fineas!“ Der Schmerz in ihrer Brust schien schier unendlich und zwang sie schluchzend zu Boden. Sirons Wahrheit hämmerte auf sie ein, wie sein Hammer auf ihre Edelsteine.


„In dieser Zeit ordnete Siron die Sterne zu Bildern an, welche jede Nacht so hell leuchten, wie sie nur können, um Anvanalei zu trösten.“ An dieser Stelle beendete Vincent seine Geschichte.
Nelly betrachtete aufmerksam den Ausschnitt der Sternenkarte „Ist Vana immer noch traurig?“
„Ich weiß es nicht mein Schatz. Vielleicht hat sie einen neuen Mann gefunden und ist jetzt glücklich mit ihm.“
Auf Nellys Zügen zeichnete sich ein Lächeln ab „Aber sie hat doch Siron und das Kätzchen.“
„Wenn du das sagst. Aber weißt du, was wir aus ihrer Geschichte lernen?“
Nelly schüttelte gähnend den Kopf.
„Dass wir alle Lebewesen so lieben sollen, wie sie sind.“ Lächelnd strich er ihr das Haar aus der Stirn „Aber darüber reden wir später noch einmal, denn nun ist Schlafenszeit.“
„Mama erzählt mir aber immer noch eine Geschichte.“
Seufzend schob Vincent die Kleine auf ihr Bett zurück „Ich habe dir doch gerade eine erzählt.“
„Bitte, Bitte, Bitte! Nur noch eine Sternengeschichte!“

Impressum

Texte: Das Copyrhigt für Text und Cover liegen bei mir.
Tag der Veröffentlichung: 01.12.2010

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