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1. Der Alten traut man nicht ...

Viel zu heiß neigte sich der Tag seinem Ende zu, und die Nacht versprach nicht wirklich Besserung. Mein Shirt klebte, wie eine zweite Haut am Rücken und zog jeden Schweißtropfen, welcher dort hinunter zulaufen wagte gierig auf. Seid Wochen plagte das Hoch Emma die Stadt mit einer Hitzeperiode. Selbst das robusteste Unkraut in den Mauerritzen welkte bereits matt und grau vor sich her. Und laut den Meteorologen blieb dies noch bis zur nächsten Woche so.  Erst dann, konnte mit Regen gerechnet werden.

Gemütlich schlenderte ich durch den Park. Meine Schicht im Miltons begann erst in zwanzig Minuten. Natürlich könnte ich mich beeilen und in fünf im Café sein, um noch gemütlich einen Eistee oder Kaffee vor Arbeitsbeginn zutrinken. Doch jede Bewegung außerhalb des Schneckentempos wirkte bei diesen Temperaturen wie nach einem Marathonlauf. Geschweige von meinem gierigen Shirt, welches nur darauf wartete sich in einen feuchten Alptraum zu verwandeln. Davon abgesehen, Kaffee trank ich auch während meiner Arbeitszeit. Und das mit Miltons Erlaubnis. Konnte es ein besseres Werbeschild geben, als Mitarbeiter die nach den eigenen Produkten lechzten? Dem alten Milton nach nicht.

Vereinzelt aalten sich Sonnenhungrige auf der Wiese, ließen sich von der Sonne bräunen, wie Brötchen im Ofen. Die meisten Menschen im Park bevorzugten jedoch die schattigeren Plätze unter den alten Kastanien, die mit ihren dichten Blätterdächern Schutz vor der Sonne boten. Ich war fast schon aus dem Park heraus, da entdeckte ich ihn. Abgelegen unter einer alten Kastanie thronte ein kleiner Zigeunerwagen auf eisenbeschlagenen Holzrädern, wie man sie aus alten Filmen kannten. Auf einem großen Aufsteller neben dem durch einen ausgefranzten Folkloreteppich verhangenen Eingang pries die „Alte Hanna“ ihre Dienste als Wahrsagerin an.

Ob ich es wagen sollte näher zu treten? Über mich selbst grinsend schüttelte ich den Kopf. Ich glaubte doch noch nicht einmal an diesen Unsinn. Für mich zählten Wahrsager und Medien zu den Abzockern. Wer alten trauernden Witwen oder betrogenen Ehemännern das Blaue vom Himmel log, damit sie sich besser fühlten gehörte eindeutig in diese Kategorie. Auch wenn meine Mitbewohnerin Alexa stets beteuerte ihre Konkurrentin Estelle mit einem Zigeunerfluch belegt zu haben. Dass der Kerl, um den sie buhlte nicht gerade die Leuchte war, erkannte Estelle wohl vor Alexa und überließ ihn ihr. Um dies heraus zu finden brauchte selbst ich keine hellseherischen Fähigkeiten.

Und dennoch. In meinem Inneren polterte und zerrte die Neugierde, gewillt sich nicht von der kleinen Stimme der Vernunft in meinem Kopf unterkriegen zu lassen. Zugegeben es interessierte mich schon, wie es darin aussah und was die Alte wohl zu mir sagen würde. Ob sie merkte, dass ich zu den Skeptikern gehörte?

 Ach was sollte schon geschehen? Das ich als Frosch heraus hüpfte? Oder hoffte, dass mir beim Verlassen mein Traummann vor die Füße fiel? Schön wäre es. Die Neugierde siegte und ich trat näher an den Wagen heran.

Der Teppich zog sich zur Seite, heraus späte Hanna. Das faltige Gesicht freundlich verzogen lächelte sie mir zahnlos entgegen, während sie sich bemühte das schneeweiße Haar anzuheben, damit dessen Spitzen nicht über den Boden schleiften. »Komm nur her, Schätzchen. Die alte Hanna hat etwas ganz Besonderes für dich.«

Ich überlegte nicht lange. Das Mystische, welches vom Wagen ausging und sich um diesen legte, wie der Schein einer Kerzenflamme zog mich genauso an wie die Motten. Bereit immer näher an die Flamme zu rücken, um sich im warmen Schein zu suhlen.

Lavendelduft, schwer und süß, lag im Wageninneren in der Luft und nahm mir für einen kurzen Augenblick den Atem. Nur zögerlich gab das fahle Licht, welches durch die unzähligen Ritzen der Holzplatten fiel, das Geheimnis des Inneren preis. Lange rote und schwarze Federn, heidnische Amulette , kleine Sträuße getrockneter Blumen und Zweige zierten die dunklen Wände. Sorgfältig aufgereiht in der Mitte des alten Tisches, das alles dominierende Möbelstück, standen eindutzend schmale Phiolen, gefüllt mit einer dunkel roten Flüssigkeit.

Alles in mir drängte bei dessen Anblick sie zu berühren. Das dünne Glas der ersten Phiole aus der vordersten Reihe schmiegte sich kühl an meine Haut. »Sivan,« las ich die unordentliche Schrift auf dem aufgeklebten Etikett.

»Gefällt dir was du siehst?« Lauernd trat die Alte näher.

»Ich wollte es nur…«

»Anschauen,« beendete Hanna meinen Satz

»Entschuldigung.« Ertappt stellte ich die Phiole zurück. Wieso konnte ich mich nicht einmal unter Kontrolle behalten? Diese verdammte Neugierde.

Lächelnd schüttelte sie ihr Haupt »Das wollt ihr alle. Sie euch immer nur anschauen.« Blind zog sie eine zweite Phiole aus der Menge. Mit der leicht zitternden Hand, einer alten, zerbrechlichen Frau reichte sie mir diese »Hier, nimm die. Ich glaube Elias passt sehr  viel besser zu dir. Sivan ist noch ein wenig zu ungestüm, er könnte es übertreiben.« Hanna kicherte »Weißt du Schätzchen, es ist nicht leicht mit ihnen, wenn du nicht aufpasst tanzen sie dir bald schon auf der Nase herum.«

»Wer?«

»Die Vampire, natürlich.«

»Aha,« ein Lachen entschlüpfte meinen Lippen. Wusste die Alte, was sie da von sich gab? Vampire, selten hörte ich etwas Dämlicheres. »Sie lesen viele Schauerromane?«

Ihr weißes Haar flog ihr energisch um den Kopf »Es gibt sie. Sie halten sich im Verborgenen vor den Mensch versteckt. Du wirst schon noch sehen, mein Schatz.«

Sachte rollte ich die Phiole mit dem zweifelhaften Inhalt in meiner Hand umher. Ich glaube gerne an Dinge, die sich nicht physikalisch erklären lassen, Vampire jedoch gingen zu weit. Diese Gestalten wurden erfunden, um Kindern Furch einzujagen und sie davor abzuhalten des Nachts hinaus zulaufen, um Unfug anzustellen. Und nicht, um eine erwachsene Frau, wie mich zu ärgern.

Der Blick der Alten wurde ernst. Ihre falten Hände schlossen sich um meine »Ja, du bist genau richtig!« Mit enormer Kraft, die ich nicht in den vertrockneten Händen erwartete, drückte sie feste zu.

Die Phiole zersplitterte, als bestände sie aus Papier. Tief schnitten die Scherben in mein Fleisch. Keuchend entriss ich dieser Irren meine brennende Hand. Die Überreste des Glases fielen leise klirrend zu Boden. Zu spät, das Blut oder was es auch immer darin war vermischte sich bereits mit meinem. »Was soll das? Sind Sie völlig verrückt geworden?!«

»Er hat sich mir schon lange genug entzogen,« kicherte Hanna. »Ich bekomme sie alle. Jeden Einzelnen, es wird Zeit, dass er seiner Bestrafung entgegen sieht.«

»Musste ich auch bestraft werden?« Die Alte war verrückt! Eindeutig! Nicht anders konnte ich mir ihr Geschwätz erklären. Die Schnitte in meiner Hand brannten, und ich überlegte wann meine letzte Impfung war. Himmel, das lag Ewigkeiten zurück. Davon abgesehen, was für Krankheiten in dem Blut enthalten sein konnten. Andererseits, konnte Blut in solch kleinen Flaschen lange flüssig bleiben? Musst es nicht nach solch langer Zeit an der Luft längst geronnen sein?

»Oh nein Schätzchen.« Aus einer Nische hinter ihr reichte Hanna mir ein rotes Seidentuch. »Du musst es als Ehre betrachten. Du bist nun die Gefährtin eines Vampirs. Nur wenige werden dafür ausgesucht. An dir alleine wird er nun seinen unstillbaren Durst löschen können und nur bei dir wird er Frieden finden können. Für ihn bist du Fluch und Segen zugleich.

»Als Ehre? Klar! Geht es noch gut?« Vorsichtig wickelte ich das Seidentuch um die Verletzung. Es brannte, als hielte ich meine Hand über offener Flamme. Was war da drin? Säure? Dieses Zeug schmerzte höllisch auf rohem Fleisch.

»Das wirst du noch. Bis zu deinem Tod bist du mit Elias verbunden, ob es dir gefällt oder nicht. Musst Hass, Wut und Angst ab heute gleichermaßen mit ihm teilen. Aber denk daran, lass dir nichts von ihm gefallen, er wird versuchen dich gefügig zu machen.«

»Alles Unsinn!« Die Enge des Wagens stürzte voll mit bösem Zauber auf mich ein, nahm mir mit einem mal die Luft zum Atmen. Es war ein Fehler diese Höhle des Bösen zu betreten. Ich musste raus, schleunigst. Ich zwängte mich an der Alten vorbei nach draußen, gab meinem Instinkt nach Flucht freiem Lauf bis ich weichen, ausgetrockneten Boden unter den Füßen spürte.

Die Sonne streichelte mein Gesicht im Versuch zu trösten, während die Enge des Wagens langsam ihre knorrigen Finger von mir löste. Was ritt mich da? Ich musste lernen endlich auf meinen Verstand zu hören und nicht jedem x-beliebigen Gefühl nachzugeben.

Tief seufzend drehte ich mich noch einmal nach dem Wagen um, um mich zu vergewissern, dass Hanna mir nicht folgte. Doch dort wo noch vor wenigen Augenblicken der Wagen stand, erstreckte sich nun nichts mehr außer ein karges Stück Wiese. Der Wagen war verschwunden, als habe er sich in Luft aufgelöst.

»Das ist unmöglich.« Dies hatte ich nicht geträumt. Ich neige zwar zu Tagträumereien, doch nicht in diesem Aussaß. Zudem, der Schmerz in meiner Hand war viel zu real, um es geträumt zu haben. Verwirrt starrte ich auf meine Verletzung. Das rote Seidentuch war noch da und schlängelte sich schützend über meine Haut.

Ich schüttelte mich, dieser Vorfall war mehr als Gespenstig. Und viel eher automatisch, als dass ich es wirklich wahrnahm trat ich meinen Weg zu Milton an. Dies alles ging nicht mit rechten Dingen zu. Auf meinen Weg ließ ich mir die Worte der Zigeunerin durch den Kopf gehen. Fluch und Segen zugleich. Vampire. Verbunden mit Elias. Dies alles war so abgedreht, ob die Alte wirklich daran glaubte? Vermutlich.

»Jezabellé.« Leise, wie das Zwitschern einer Amsel über den Baumkronen, drang mein Name zu mir hindurch.

Ich warf einen Blick über die Schulter. Ein Pärchen, eng umschlungen, spazierte die Straße entlang. Nur Augen für sich, schenkten sie ihrer Umgebung keinerlei Aufmerksamkeit.

»Jezabellé,« rau und fordernder flüsterte der Wind ein zweites Mal meinen Namen. Eine warme Brise streifte meine Haut, und ließ mich frösteln. War es alles am Ende doch geschehen? Band die Zigeunerin mich an ein Wesen, das es nicht geben durfte? Schaudernd drückte ich den Rücken durch. Unsinn, alles nur Unsinn!

2. Törtchen, Tee und Statuen

»Jez, Liebes willst du nicht ins Krankenhaus gehen? Zur Vorsoge?«

»Nein, es geht schon.« Ich verzog das Gesicht beim Anblick meiner dick verbundenen Hand. Noch immer standen mir Tränen in den Augen vom Jod, welches er reichlich auf dem Schnitt verteilte. Ich wusste es schon immer, im dem älterem schmalen Herrn steckt ein Sadist. Jetzt hatte ich sogar einen Beweis dafür.

»Bist du sicher?« Milton schüttelte den Kopf und ließ die restliche Mullrolle in seine Westentasche verschwinden.

»Ja, es ist doch auch nur ein ganz kleiner Schnitt!« Auch wenn er sich mehr als Loch in meiner Hand anfühlte, ins Krankenhaus wollte ich nicht. Die Gerüche dort bereiteten mir Magenschmerzen.

»Dann versprich mir wenigstens, dass du jemanden nachschauen lässt, sollte es zu brennen anfangen.« Mahnend hob er den Zeigefinger »Und ich mit jemanden einen Arzt und nicht Alexa. Die könnte nicht einmal einen Papagei von einem Spatz unterscheiden, wenn er ein Schild um den Hals hätte.«

Seufzend nickte ich. Was blieb mir auch anderes übrig mit diesem Sadisten im Nacken? Dennoch hatte er Recht was Alexa anging, Biologie war noch nie ihr Ding.

Die Zeit verstrich nur schleppend und während ich Törtchen und Kaffee verkaufte kam ich zu dem Schluss, rein vorsorglich gleich morgen einen Blutcheck beim Arzt machen zu lassen. Sicher war sicher.

Mit dem zwischenzeitlich drittem Kaffee lehnte ich am Tresen und summte den Gute-Laune-Song im Rado mit. Vor dem Laden begann es zu dämmern. Wirklich schade, dass auf der gegenüberliegenden Seite Häuser standen und mir den Blick auf den Sonnenuntergang verwehrten. Wann nahm ich mir das letzte Mal wirklich Zeit für dieses herrliche Farbenspiel am Himmel? Ich wusste es nicht, zu lange lag dies bereits zurück.

Klimpernd erklangen die Glöckchen über der Eingangstüre. Kundschaft.

Ein großer Schatten trat ins Café und mit ihm eine ruhige Aura, welche sich unnachgiebig, wie süßer klebriger Karamell, auf die Räumlichkeit und die Gäste ergoss.

Die scharfen, eckigen Züge und leicht katzenhaften, schräg stehenden schokoladenbraunen Augen erinnerten mich an die Skulptur eines gefallenen Engels in Rom, mit dem kleinen Unterschied, dass dieser gefallene Engel sein wallendes, braunes Haar locker nach hinten flocht. Schön und gefährlich zugleich. Letzteres unterstrich nicht nur die silberne Narbe, welche sich von seiner rechten Augenbraue über das Auge bis auf die Höhe der Mundwinkel zog. Wahrlich ein faszinierender Mann. Keiner dieser jungenhaften Schnösel, wie sie sonst hier herumhingen.

Selbstsicher, wie ein Löwe auf der Jagd näherte er sich dem Tresen und betrachtete die silbernen Kaffeebehälter und Torten in der Auslage.

Ungeniert betrachtete ich ihn. Wann bekam man schon mal solch ein Prachtstück zu sehen? In seiner schwarzen Motorradkluft und dem leichten Knick in der Nase, die sicherlich schon einmal gebrochen war, sah er nicht wie die üblichen Gäste des Hauses aus.

Prickelnd lief es meinen Körper hinunter, ganz so als wanderte ein vollständiger Armeisenstamm gezielt über mich hinweg.

»Jez, du hast schon wieder den Zucker leer gemacht!«Milton tauche neben mir auf und klapperte mit der leeren Zuckerdose.

Das Blut schoss mir in die Wangen. Wieso ausgerechnet jetzt? Konnte er mit seinem dämlichen Zucker nicht noch ein wenig warten?

»Irgendwann bekommst du mir noch einen Zuckerschock!« Er drückte mir die Dose in die Hand »Du kennst die Regel, wer sie leer macht…«

»Muss sie auch wieder füllen,« seufzend riss ich die Dose an mich. »Ich habe zu tun!« Ich wagte es nicht aufzuschauen und mich dem Blick des Fremden zu stellen. Was dachte er denn jetzt von mir? Sicher, dass ich ein Zuckerjunkee war und nur hier arbeitete, um direkt an der Quelle zu sitzen.

»Verschwinde schon, ich mach das! Wenn ich dir dies auch noch durchgehen lasse tanzt du mir bald ganz auf der Nase herum!«

Ich hasse dich, fauchte ich ihn stumm an und verschwand nach hinten. Als würde er mir nicht schon alles durchgehen lassen. Nicht umsonst besaß ich den Zweitschlüssel zum Café, um mich mit Kuchen und Cappuccino auch nachts einzudecken. Wütend riss ich die Würfelzuckerpackung aus dem Regal. Sie rutschte mir aus der Hand und die ganzen kleinen Würfel verteilten sich auf dem Boden. Mir war zum Schreien zu Mute! Warum um alles in der Welt ich? Erst die Sache mit der Zigeunerin und jetzt auch noch die totale Blamage vor dem heißesten Mann im Umkreis von zweihundert Kilometern! Das Leben war einfach ungerecht!

Ich ließ mir sehr viel Zeit mit dem Aufsammeln der Würfel. Mit etwas Glück war er verschwunden, wenn ich wieder nach vorne kam.

»Jez verdammt was treibst du dort hinten bloß? Vorne wartet Kundschaft!«

»Irgendwann drehe ich dir den Hals um,« murmelte ich während ich mich aufraffte um nach vorne zu gehen. Mein Wunsch wurde nicht erfüllt. Der Braunhaarige suchte immer noch aus.

»Du trödelst wieder!«

»Sklaventreiber!«, zischte ich Milo zu, als er um den Tresen verschwand.

»Nicht dein Tag,« sprach mein Kunde in einem sehr angenehmen tiefen Bass. Fest lag sein Blick ohne eine Regung erkennen zu lassen auf mir.

Ich sah auf die Auslage, um ihn nicht weiter anzustarren. Seufzend nickte ich »Überhaupt nicht! Also schon etwas ausgesucht?«

»Ich nehme nur einen Tee!«

Und dafür hatte er so ewig gebraucht? Der Idiot amüsierte sich ganz offensichtlich auch noch auf meine Kosten. »Ich fürchte der Zucker ist aus!« Die Dose stand noch immer hinten.

»Ich nehme den Hagebuttentee auch ohne Zucker.« Er schenkte mir ein Lächeln, das sogar Eiscreme zum Schmelzen brachte, und suchte sich den Tisch nahe dem Tresen aus.

Meine Knie erzitterten. Was für ein Lächeln. Sicherlich kannte er seine Wirkung auf Frauen genau und nutzte sie gerade schamlos aus. Sowas hinterhältiges.

»Hagebuttentee?« Wie widerlich, aber nagut, über Geschmäcker lässt sich nicht streiten.

Ich überließ es Milton ihm den Tee zu bringen und vertiefte mich stattdessen in die kleinen Luftbläschens des inzwischen kalten Kaffees, um nicht weiter aufzufallen. Es war unhöflich seine Gäste anzustarren, als wären sie Ausstellungsstücke eines Künstlers. Dabei könnte er glatt von einem geschaffen sein.

Das nächste Unglück nahte bereits im unschuldigen Gewand eines Kindes. Miltons Enkel Tom stürmte herein. Grinste über beide Apfelbacken und schmetterte mir die Worte, welche ich ihm heimlich dutzende Male vorgesagt hatte, um ihn zum Lachen zu bringen entgegen »Lakritz, Lakritz, die Mädchen haben nen Schlitz, die Jungen haben nen Pipimann, da ziehen die Mädchen gerne dran.«

Himmel, was stellte ich da da? Ich konnte ja nicht ahnen, dass er sich die Worte so gut einprägte.

»Raus du Satansbraten!« Schnell steckte ich ihm einen Schokoladenmuffin zu und schob ihn nach draußen, um noch mehr Unheil für diesen Tag von mir abzuwenden, während ich unauffällig nach Milton Ausschau hielt. Hörte er es? Ich war mir nicht ganz sicher. Ihm entging nichts im Café. Und schon gar nicht, was aus dem Mund seines achtjährigen Enkels kam.

»Man sollte dir und Alexa das Babysitten verbieten!« Mit hochrotem Kopf stolperte Milton an mir vorbei in Richtung Büro und vergniff sich das Donnerwetter für später.

»Oh Herr hab Gnade und lass mich tot umfallen!«

»Das wäre aber sehr schade!«

»Was,« überrascht wandte ich mich um. Den nicht ganz perfekten Adonis hatte ich schon fast verdrängt.

»Einfach tot umzufallen!« Verführerisch lächelte er. Mein Blick heftete sich auf seine Lippen, die geradezu dazu einluden von ihnen zu kosten.

»Ohne mir vorher noch einen Tee zu bringen!«

Glucksend lachte ich auf. »Ja wirklich schaden, wenn sie hier verdursten würden!« Beschämt wandte ich mich ab. Was hatte ich erwartet? Das er schwärmte, wie hübsch ich sei, und das es eine Verschwendung wäre die Welt zu verlassen ohne einmal mit ihm Ausgegangen zu sein? Zu dieser Sorte Frau, der jeder Mann auf den ersten Blick verfällt, gehöre ich nicht. Leider!

Es brauchte drei weitere Tassen Tee, eine Standpauke von Milton über das was ich Eric so beibrachte und zwei Stunden bis meine Schicht endete. Müde verabschiedete ich mich von meinem Boss und warf dem Teetrinker einen letzten anerkennenden Blick zu, bevor ich das Café verließ. Für heute rechte es.

3. DICH - gibt es nicht!

Kaum stieß ich die Türe auf sprang Fynos laut maunzend von seinem Platz auf der Garderobe auf. Der orange getigerte Kater hasste es alleine zu sein.

Tröstend nahm ich ihn auf den Arm und stieß die Türe mit dem Fuß zu. Das Wohnzimmer glich einem Schlachtfeld. Überall lagen pinke, gelbe oder grüne Federboas inmitten von Stöckelschuhen, auf denen ich nicht mal zu stehen wagte. Und mittendrin drei Tassen mit blutroten Lippenstiftabdrücken.

Regelmäßig hinterließen die Mädels um Alexa einen Saustall. Überall klebte rot und golden glitzernder Staub, doch da konnte ich noch drüber hinweg schauen. Genauso wie darüber, dass sie den Kühlschrank mal wieder plünderten und mir den Kaffee wegtranken. Doch wenn ich eins hasste, so war es die Benutzung meines Make-up´s.

Wie oft predigte ich ihnen schon die Hände von meinen Sachen zu lassen? Dutzende Male? Ach Unsinn, bestimmt hunderte Male. Gleich morgen, würde ich mir eine abschließbare Kartusche, um meinen Kajal vor diesen diebischen Elstern zu schützen, besorgen. Und um ganz sicher zu gehen würde ich diese Kartusche unter meinem Bett verstecken. 

Nach kurzem aufräumen und einer heißen Dusche sah alles schon nicht mehr so schlimm aus. Ich konnte sogar schon wieder über die alte Zigeunerin lachen und auch der Vorfall mit Eric erheiterte mich nun. Solch ein Lausebengel!

Ich genoss gerade den letzten Schluck Kaffee und durchzappte das Fernsehprogramm bis ich jäh vom schrillen Klingeln des Telefons unterbrochen wurde.

»Jez? Ich bin es, Milton. Hör mal, du musst noch was für mich erledigen! Einer unserer Gäste hat seinen Terminkalender liegen lassen. Ich will dass du ihn ihm vorbei bringst!«

Leise stöhnte ich »Kann das nicht bis morgen warten? Ich wollte gerade ins Bett.«

»Nein! Ich habe bereits bei Mister Kincaid angerufen!«

»Milton es ist halb eins!«

»Jez bitte! Du weißt ich hasse es vergessene Dinge aufbewahren zu müssen!«

»Wenn es denn unbedingt sein muss!« Ohne mich zu verabschieden knallte ich den Hörer auf. Mir war ganz und gar nicht danach noch einmal hinaus zu gehen. Doch was tat man nicht alles für den Job? So zog ich mir rasch meine Jeans und mein türkisfarbene T-Shirt mit den tanzenden Glücksbärchen über und machte mich auf den Weg.

 

***

 

Wenig später stand ich, mit dem in schwarzes Leder gebunden Terminkalender, vor einem riesigen Hochhaus in einem der besten Viertel der Stadt. Die Eingangshalle erstreckte sich in grauem Marmor zu einem hellen Tresen. Weder Pflanzen noch Statuen lockerten die Halle auf und ließen sie in schlichter Eleganz strahlen.

Meine Schritte hallten gespenstisch durch die leere Halle und verstummten, als ich vor dem Tresen stehen blieb. »Guten Abend,« höflich lächelte ich dem mit Pockennarben gezeichnetem Nachtwächter zu »Mister Kincaid hat seinen Terminkalender in Miltons Cake & Coffee vergessen. Er wartet bereits darauf, würden sie es ihm bitte geben?«

Er schüttelte den Kopf und deutete auf die silberne Fahrstuhltür »Dreizehnter Stock!« Ohne mich weiter zu beachten senkte er seinen Kopf wieder über die Klatschzeitung.

Verdammt. Ich wollte das gute Stück doch nur abgeben und verschwinden. In dieses Hochglanzgebäude fühlte ich mich mit meiner ausgewaschenen Jeans und dem kitschigem Shirt völlig fehl am Platz. Hier gehörte ich nicht hin.

Keine Fahrstuhlmusik, wie ich es aus den Kaufhäusern, erklang. Nur absolute Stille und meine eigenen Atemgeräusche begleiteten mich, während ich versuchte mich zu erinnern, welcher unserer Gäste so fein gekleidet gewesen war, dass er hier wohnen konnte. Er musste unheimlich viel Geld haben. Aber was suchte so Einer in Miltons Laden, wenn er die teuersten Restaurants der ganzen Stadt besuchen konnte? Ein leises Klingeln ertönte und die Türe zog sich surrend auf. Wow. Ich befand mich direkt im Appartement. Hell und elegant gestaltet. Das große knallrote Sofa lud mit den beigen Kissen zum verweilen ein und die Bücherwand ließ jedes Büchernarrenherz hoher schlagen. Doch trotz der Begeisterung durfte ich nicht vergessen weshalb ich hier war. Ich wusste nichts über den Bewohner, nicht einmal wie er aussah oder warum er darauf bestand seinen Kalender mitten in der Nacht gebracht zu bekommen.

»Mister Kincaid,« rief ich und trat in die Wohnung. Hinter mir schloss sich der Fahrstuhl leise. Es scheute mich davor weiter in die Privatsphäre dieses Menschen einzudringen als nötig. »Ich bringe Ihnen ihren Terminkalender,« rief ich noch einmal. »Ich lege ihn auf den Tisch und ich bin schon wieder weg!«

»Bleib doch noch!«

Ich zuckte zusammen. Hinter mir trat Mister Kincaid hervor. Verwegen lächelnd.

»Sie,« platze es aus mir heraus. Fassungslos starrte ich in genau jene Katzenaugen, die mich am Abend so fazinierten.

»Ja.« Er nahm mir den Kalender aus der Hand »Danke, dass du ihn mir noch gebracht hast.« Kincaid, mein nicht ganz so charmanter Hagebuttenteetrinker.

»Gut, dann geh ich jetzt wieder.« Ich konnte ihn nicht ansehen ohne zu spüren wie mein Herz bei seinem Anblick schneller schlug. Er sah aus, als wäre er zum vernaschen geboren. Beneidenswert lecker.

»Bitte bleib. Ich möchte mich mit etwas zum Trinken bei dir bedanken.«

Rasch winkte ich hab. Seine Gegenwart machte mich nervös. »Ich … ein anderes Mal vielleicht.«

»Ach komm schon!«

Mein Blick wanderte durch seine Wohnung. Sollte ich wirklich?

»Also einen Tee?« Er gab nicht auf.

»Kaffe,« rutschte es mir heraus. Also gut, dann würde ich eben einen Kaffee mit ihm trinken, doch danach würde ich gehen.

Leise lachte er »Dein Blut ist bereits Koffein geschwängert, ein Tee ist wohl besser.« Bevor ich etwas erwidern konnte verschwand er in eine der dunklen Türen. Na schön, was konnte mir schon passieren? Außer, dass ich mich in eine weitere peinliche Lage versetzte?!

Aus der Küche, wie ich vermutete, klapperte es. Während ich wartete sah ich mir seine Bücherwand an. Goethe, Faust und sogar Kabale und Liebe von Schiller besaß er. Nicht diese kleinen Hochglanzhefte, sondern die Bände die aussahen, als wären sie selbst aus der Zeit ihrer Erzeuger. Einfach wunderbar. Vorsichtig strich ich über den braunen Einband von Kabel und Liebe. Ich las es in der Schule und war ganz begeistert davon gewesen. Leider gefiel mir das Ende nicht so gut wie der Rest. Happy-Ends gehörten damals nicht gerade zum guten Ton. Man braucht nur an Romeo und Julia oder an Othello denken. Alle enden mit dem Tod der Protagonisten.

Elias kam beladen mit zwei großen Tassen dampfenden Tees zurück. Fast geräuschlos stellte er sie ab, ließ sich auf die Couch nieder und klopfte einladend auf den Platz zu seiner Rechten. Unsere Blicke trafen sich, bevor seine schokoladenbraunen Augen über mein Glücksbärchi T-Shirt hinab wanderten.

Ich schluckte, unsicher wie ich mich verhalten sollte. Mich zu ihm setzen oder lieber auf den Sessel neben der Couch oder sollte ich gar ganz stehen bleiben? Die Situation begann mich zu überfordern.

Elias erhob sich, seine Augen verfärbten sich von Vollmilch- zu Bitterschokolade. Und Bitterschokolade kann ich ganz und gar nicht ausstehen. »Wie du willst. Erinnerst du dich an die Zigeunerin? Und wie sie dich verflucht hat?«

Vor meinem innerem Auge huschten die Bilder der zahnlosen Frau vorbei und wie die Phiole in meiner Hand zersplitterte. Ungläubig sah ich ihn an. Woher wusste er davon? Nicht einmal Milton kannte die Wahrheit, er glaubte ich sei gestolpert und in einen Scherbenhaufen gefallen. Hastig durchsuchte ich meine Erinnerung nach etwas das mir weiterhalf. Wie hatte Milton Kincaid gleich noch einmal genannt? Ias? Ilja? Nein, Elias. Ja, das war es. Elias Kincaid! Er hieß wie die Phiole. Mein Herz hämmerte gegen die Rippen. Ich musste hier schleunigst raus, weg von diesem vermeidlichen Vampir. Ich rannte zum Aufzug. Doch bevor ich dort ankam riss er mich herum. Von seinem stahlharten Körper an die Fahrstuhltür gefesselt presste sich das kühle Aluminium in meinem Rücken. »Bitte,« flehte ich.

Kalt und ganz und gar nicht weich strichen seine Lippen über mein Kinn. Ein eisiger Schauer erfasste mich, Panik raubte mir die Luft zum Atmen.

»Du riechst so fantastisch«, flüsterte er rau. Seine Nase blähte sich auf und inhalierte den Duft. »Nach Lilien und nach Sonne! Ich will dich!«

Kein einziger Muskel gehorchte mir noch, so blieb ich erstarrt zur Steinskulptur stehen.

Fordernd wanderten seine Lippen mein Kinn hinab, die nach vorne gefallenen Strähnen störten ihn nicht, bis er zur Kehle kam. Ruppig schob er das Haar zur Seite, machte Platz für seine spitzen Zähne. Kratzend strichen jene über meine Haut. Das war zu viel und ich schrie.

Elias hielt inne. Forschend blickte er auf. Seine Augen zu schmalen Schlitzen verzogen sprühten Funken. Fauchend stieß er sich ab.

Schluchzend gab ich meinen zitternden Knien nach und sank zu Boden. Das war ein einziger großer Alptraum, aus dem ich nicht aufwachte. Nicht fort und entrinnen konnte. Ich schlang meine Arme um die Beine und begann mich so klein wie möglich zu machen. Dabei ignorierte ich so gut ich konnte die Kälte, die von meinen Glieder besitz ergriff und sich wie ein Seidenschal über meine Haut legte.

Mit großen Schritten stampfte er durch den Raum, seine Lippen dabei stumm bewegend, als würde er sprechen.

Ich musste raus. Sofort, bevor Elias sich meiner wieder Gewahr wurde und seinem Vorhaben ein Ende setzte. Zitternd zog ich mich an der Türe hinauf. Unzählige male drückte ich auf die Knöpfe ohne darauf zu achten ob es hinunter oder hinauf gehen sollte. Ich wollte nur fort von diesem Irren. Doch nichts tat sich.

»Ich will hier raus!« Jammernd schlug ich gegen die verdammte Türe. Ich wollte Heim, einfach nur Heim zu Fynos und Alexa, um diesen Alptraum entkommen.

Kühl legten sich seine Hände auf meine Schultern.

Ich erstarrte.

»Setzt dich, dein Tee wird kalt!«

Mein Tee? Lauthals lachte ich auf. All die Angst und die Hysterie, welche ich durchlitt schwangen mit. Er wollte mich töten, doch vorher sollte ich mich mit ihm hinsetzen und gemütlich Tee trinken? Es wurde immer abgedrehter.

»Beruhige dich!« Elias zog mich vom Aufzug weg und navigierte mich zur Couch.

Aufgewühlt ließ ich es geschehen. Ich kam nicht hinaus, wenn er es nicht auch wollte. Wie ein Sack plumpste ich auf das weiche Leder.

Er blickte aufgebracht, verwirrt und zornig aus zusammengekniffenen Augen auf mich hinab »Ich habe sie gespürt! Deine Angst, ganz deutlich, als wäre sie meine Eigene!« Er schüttelte den Kopf »Ich wusste nicht wie stark dieser verdammt Fluch ist!«

Ich rutschte seitlich von ihm weg »Hast du deshalb?«

»Dir nicht weh getan? Ja,« antwortete er ehrlich »So macht es selbst mir keinen Spaß.«

Mein Verstand funktionierte nur bruchstückchenhaft. Doch ich begriff, nur die Angst bewahrte mich vor einem blutleeren Tod. Kein beruhigendes Gefühl. Ich ergriff meine Teetasse und nippte dran. Ein grässlicher, aber wohltuender Geschmack. Allmählich meldete sich selbst mein Gehirn wieder zurück, auch wenn es vom ganzen Adrenalin noch nicht wirklich sicher arbeitete »Ach, der große Vampir mag es nicht Angst zu haben?«

Knurrend fixierte er meine Halsschlagader.

»Okay, ist ja schon gut.« Auf meinem mentalen Notizbuch notierte ich mir in großen roten Buchstaben „Den Vampir nicht mehr ärgern“. Einen weiteren Versuch von ihm mich zu beißen wollte ich nicht provozieren. Ich stelle die Tasse zurück »Das ist alles so absurd! Es gibt keine Vampire!« Obwohl gerade einer vor mir stand weigerte ich mich noch immer an diesen Mythos zu glauben.

»Und was bin ich deiner Ansicht nach?« Mit ein wenig Abstand zu mir setzte er sich. »Ich bin kein Mensch, dass ist Fakt!«

Ich schüttelte den Kopf »Das kann ich nicht glauben!« Ich brauchte mehr Beweise, um ganz sicher zu sein. »Durch die Ich-beiße-dich-Aktion ist das ja wohl noch lange nicht bewiesen. Ich meine, dass kann wohl jeder.«

Elias knurrte in sich hinein und rutschte näher. Behutsam nahm er meine Rechte zwischen seine Hände. »Spürst du die Kälte?« Er fühlte sich kalt und glatt, wie ein polierter Bachkiesel, an. Langsam führte er meine Hand zu seinem Hals weiter. Dort wo der Puls schlagen sollte drückte er meine Finger in sein Fleisch. Nichts regte sich. Seine Haut lag glatt, bewegungslos da.

Dafür schlug mein Herz umso schneller.

Um mich auch noch von dem letzten Zweifel zu befreien verzog er seinen Mund zu einem offenen Lächeln. Gerade weiße Zähne versuchten mich von seinen spitzen Eckzähnen abzulenken und konnten dessen Existenz doch nicht verbergen.

Stechend lief es mein Rückgrat hinunter.

Elias ließ meine Hand frei und nahm wieder Abstand.

Okay. Jetzt glaubte ich ihm. Gleichzeitig schossen hunderte von Fragen durch meinen Kopf. Die Angst, nun wo er es nicht mehr darauf anlegte mich auf der Stelle zu verspeisen, legte sich langsam auf den Grund meines Magens. Jedoch noch nicht ganz bereit das Feld zu räumen und bei der kleinsten falschen Bewegung wie ein Krokodil aus dem Brackwasser zu schießen, um seine Beute zu reißen. Wieder nippte ich am Tee und verzog das Gesicht »Wieso Hagebuttentee?«

»Reines Genussmittel. Wie Zigaretten oder schnelle Autos!« Grinsend lehnte er sich zurück.

Tief atmend schloss ich für einen kurzen Moment die Augen. Ich musste nachdenken, und dies würde seine Zeit in Anspruch nehmen. »Es ist spät kann ich nach Hause gehen?«

»Du kannst tun was du willst!« Sein Gesicht zeigte keinerlei Regung.

Eine schwere Last fiel von mir ab, viel zu eilig sprang ich auf und dieses Mal öffnete sich die silberne Fahrstuhltüre. Bevor sie sich jedoch ganz hinter mir schloss hörte ich ihn »Ich werde dich noch bekommen!«

4. Träum schön ...

Voll und prall stand der Mond hoch am Nachthimmel. Sein fahler Schein tauchte die Stadt in silbernes Licht. Dicke Nebelschwaden schlichen durch die Gassen, in jede Ritze, jede Mauerspalte drückten sie sich, wie Wasser auf sandigen Boden.

Schnell und Geräuschlos, wie ein Raubtier auf Jagd bewegte er sich durch die verlassenen Straßen Roms. Der süße Geruch des Lebens klebte noch an den Gemäuern und wenn er genau hinhörte, konnte er dort hinter die Menschen flüstern und lachen hören.

Seine Schritte führten ihn zum alten Kolosseum. Es war spät, doch noch nicht spät genug für die Lusttempel und ihre Besucher. Nicht die körperliche Gier, die gestillt werden wollte, führte ihn hier her. Die Aussicht auf ein Opfer, das sich willig seiner tödlichen Umarmung hingab, war viel größer.

Im Schatten einer alten Kastanie stand sie. Seine Beute. Ihr Haar hing verfilzt über ihre Schultern, die gelbe Tunika trug Flecken und ihr Schoss strömte den Geruch nach den Ausdünstungen anderer Männer aus. Manchmal durfte er eben nicht wählerisch sein. Aufreizend wiegte sie ihre Hüften, warf das Haar zurück und lächelte ihm zu. »Wie wäre es?«, abschätzend glitt ihr Blick über ihn. »Für euch nur drei As!«

»So willig meine Schöne?« Seine Fingerspitzen strichen über die verschmierte Wange des Freudenmädchens, hinab zu ihrem Hals, dorthin wo der Fluss des Lebens besonders stark schlug.

Hungrig presste ihre Hüfte sich gegen ihn, versprach Freude und Genuss. Das üppige Fleisch zwischen ihm und dem Baum gefesselt, knetete er die schweren Brüste, die wie halb gefüllte Weinschläuche in seinen Händen lagen. Seine Zungenspitze leckte voller Vorfreude über ihre salzige und nach Schweiß schmeckende Haut.

»Du hast es aber eilige,« kicherte sie.

Seine Hand wanderte ihren Hals hinauf und legte sich schwer über ihre weichen Lippen. Das sie schrie und andere Dirnen auf sich aufmerksam machte fehlte ihm gerade noch. Und ehe das Weib begriff was geschah bohrten sich seine Zähne in das zarte Fleisch.

Ihr Körper bäumte sich auf und der Schrei unter seiner Hand erstickte schon bald.

 

Keuchend an das kühle Metall des Bettkopfes gelehnt presste ich das Kopfkissen gegen meinen Leib. Nur die roten Leuchtziffern der Nachttischuhr durchbrachen die Dunkelheit. Dieses winzige Licht genügte, um mich davon abzuhalten zurück zufallen, in dieses grausige Geflecht von Träumen, welches mich Nacht für Nacht umflocht, wie Dornenranken Dornröschens Schloss.

Seit ich Elias begegnete verbrachte ich keine ruhige Nacht mehr. Und das waren weiß Gott, bereits einige. Diese nächtlichen Qualen, welche er mir zeigte, mussten aufhören oder ich landete als nervliches Frack in einer Schaumstoffzelle.

Die Zimmertüre knallte auf. Schreiend, den Baseballschläger schwingend stürmte Alexa, wie eine Amazone bereit zum Kampf, herein. »Komm her, ich schlag dich kaputt.«

»Alexa,« kreischend tastete ich nach dem Schalter der kleinen Nachttischlampe. Mit ihrem Gebrüll konnte sie selbst dem Monster unter dem Bett einen Heiden Schrecken einjagen. »Was soll das?«

Alexa blinzelte, langsam sank der Schläger hinab »Ich dachte ein Einbrecher würde dich befummeln! So wie du geschrien hast, oh man, du hättest damit glatt die Toten aufwecken können.«

»Von einem Einbrecher befummelt?« Wer von uns Beiden war nun verrückter? Ich mit meinem Vampir oder sie mit ihrem eingebildeten fummelnden Einbrecher? »Ich glaub du schaust zu viele Erotik-Thriller.« Tief durchatmend schüttelte ich den Kopf, mein heftig hämmerndes Herz in der Brust ignorierend. Immerhin schaffte sie es den letzten schummrigen Rest des Albtraumes zu verscheuchen.

Auf Dauer jedoch konnte das so nicht weiter gehen und ich wusste auch schon ganz genau wer mir dabei helfen konnte. Doch ausgerechnet seine Hilfe wollte ich nicht, dabei waren es seine Erinnerungen, welche mich als Träume plagten. Es scheute mich ihm ein zweites Mal unvorbereitet entgegen zu treten, nach allem was er mir zeigte. Aber wie bereitete man sich auf so etwas vor? Vielleicht sollte ich mir als erstes morgen früh Weihwasser besorgen und einen möglichst spitzen Pflock.

»Wenigstens ersaufe ich mich nicht im Kaffee, weil es mich nach einem ganz bestimmten Mann gelüstet.« Provozierend schwang sie ihre Hüfte und schnalzte mit der Zunge »Und wage es jetzt ja nicht zu leugnen, dass dir ein Kerl mal wieder über die Leber gelaufen ist. Ich kenne dich jetzt lange genug um zu wissen, wie bescheuert du dich bei Liebeskummer benimmst.«

»Alexa!« Aufschreiend schleuderte ich das Kissen nach ihr. Liebeskummer? Eher ging die Welt mit Pauken und Trompeten spektakulär in die Luft! Liebeskummer, wegen eines Vampirs? Pha, Unsinn. »Ganz sicher nicht!«

»Ha! Wenn das stimmt, dann gehst du morgen Abend mit uns weg und reißt dir einen Kerl auf. Das ist die beste Medizin, hilft gegen alles! Selbst gegen geistige Verwirrung.« Bevor ich eine Antwort zustande brachte flog das Kissen zurück, direkt in mein Gesicht. Lachend schlug Alexa die Türe hinter sich zu, ein Nein akzeptierte sie erst gar nicht, für sie stand meine Abendplanung fest.

Seufzend ließ ich mich zurück fallen. Warum nicht, vielleicht hatte sie Recht und ich würde für ein paar Stunden mein blutsaugendes Problem vergessen.

5. Strahlene Ritter taugen nichts ...

Aufgedonnert in dunkler Jeans und einer Korsage ähnlichem weinroten Top, welches mit vielen schwarzen und silbernen Bändern zum spielen einlud schleifte mich Alexas Truppe ins „Poison“. Ein noch recht unbekannter und kleiner Club in der Stadt.

Alt, düster und geheimnisvoll umgab das alte Kellergewölbe, aus rauem grauem Stein, das Innere. Auf der Tanzfläche in der Mitte bewegten sich die Tänzer geschmeidig zum rhythmisch Beat der Musik, während sich neckende und lachende Paare auf den weichen Liegen zusammen fanden, welche die Fläche umsäumten.

»Auf einen berauschenden Abend!« Sophie hob ihr Bacadi-Glas »Und auf reiche Beute!«

»Könnt ihr den nur an das Eine denken?« Nicht alles änderte sich, wenn ein Mann sich dazu entschied besser eine Frau zu sein. Und Sofie glich einer hungrigen Schlange, die jeden Mann verschlang, der es auch nur wagte sie mit Blicken zu taxieren.

»Bist ja nur neidisch,« flötete die Schwarzhaarige zurück und warf ein fröhliches Lachen in die Runde »Also Mädels, lasst die Jagd beginnen. Mama hat Hunger auf was Großes!«

Oh Gott, wie peinlich. Allein dieser Ausruf erinnerte mich daran, warum ich lieber mit Alexa alleine ausging, anstatt gleich mit dem ganzen Haufen knall bunter und vor sich her glitzernden Transvestiten.

»Ach Küken!« Alexas lange Finger strichen langsam meinen Nacken entlang, hinunter zu den Wirbeln.

Unter dem wohligen Gefühl der Berührung zogen sich meine Schulterblätter zusammen. »Mit der Masche hast du mich als pubertärer Frischling schon nicht herumgekriegt.«

»Aber ich war ganz nah dran. Und jetzt genieße den Abend doch einfach, du weißt nie wann sich noch einmal die Gelegenheit dazu bietet.« Grinsend warf sie mir einen Kuss zu »Wehe du kommst heute Nacht allein nach Hause!« Damit dreht sie sich auf den mörderisch hohen Absätzen um und stolzierte auf die Tanzfläche.

»Wehe du kommst heute Abend alleine Heim,« äffte ich sie nach. Sie war es nicht die glaubte langsam verrückt zu werden.

Meine Freunde amüsierten sich also auf der Tanzfläche. Noch war mir nicht danach zu ihnen zu stoßen und so ließ ich meinen Blick lieber durch den Club schweifen. Sofie stand mit ihrer Beute, einem schlanken, groß gewachsenen, blonden Jüngling an der Bar und lachte pikiert über irgendeinen albernen Witz. Echt beneidenswert, sich so fallen und den ganzen Stress hinter sich zu lassen. Auch, wenn nur für wenige Stunden.

Drei Bacadi und ein uninteressantes Gespräch mit einem Möchtegern-Latino später kam ich endlich in Stimmung ebenfalls in die aufgeladene, knisternde Atmosphäre einzutauchen. Doch kaum drehte ich mich vom Tisch weg, sah ich mich vom Pech persönlich verfolgt. »Das gibt es doch nicht!«

Lässig an die Bar gelehnt öffnete er gerade einen weiteren Knopf seines dunkelgrünen Seidenhemdes, so als würde es ihm allmählich zu warm werden in seiner schwarzen Lederhose. Und als reichte dies noch nicht, musterte er mich mit seinen Schokoladenaugen ungeniert und ausgiebig, als wäre ich ein Törtchen in der Auslage. Ok, es reichte. Dieser Vampir musste lernen mich in Ruhe zu lassen und mir nicht nachzustellen.

Mit der Absicht ihm den Marsch zu blasen stampfte ich auf ihn zu. »Du! Kannst du nicht Mal da bleiben wo der Pfeffer wachst? Oder noch besser, gleich ganz in der Sonne verbrutzeln? Ich bin deine Fratze allmählich Leid.«

»Begrüßt man so seinen Ehemann?« Ohne auch nur eine Miene zu verziehen nippte er an seinem Scotch. 

»Ehemann? Du tickst wohl nicht mehr richtig! Ich kann mich nicht erinnern von dir jemals einen Antrag erhalten zu haben.«

Laut seufzend stieß er sich von der Bar ab und strich sich durch die offene Lockenpracht »Nicht nur ungehobelt, sondern auch ein Gedächtnis wie ein Sieb. Durch den Fluch der Alten sind wir lebenslänglich aneinander gebunden, wie Mann und Frau. Wusstest du das denn nicht?«

»Aber das verheiratet uns noch lange nicht.« Diskutierte ich gerade wirklich mit einem Vampir über meinen Familienstand? Unglaublich! Stöhnend fasste ich mir an den Kopf »Wieso kannst du nicht wie alle anderen Dahingegangenen sein und brav tot liegen bleiben?«

»Und mich von Würmern zerfressen lassen wo ich doch deine charmante Gesellschaft genießen kann?« Seine Mundwinkel zuckten »Wäre vielleicht eine Option.«

»Oh, du miese Fledermaus!« Jetzt gefiel ihm meine Gesellschaft nicht einmal. Zornig schlug ich meinen Zeigefinger gegen seine Brut. Und heulte sogleich auf. »Oh verdammt!« Meine Hand rasch schüttelnd erwürgte ich ihn in meinen Gedanken. Wer ahnte denn schon, dass seine Brust einer harten, stabilen Mauer glich? »Ich hab mir den Finger gebrochen!«

»Zeig her.« In Oberbefehlston, gewohnt keine Widerworte zu bekommen, fing er meine wedelnde Hand ein und unterzog den verletzten Finger einer eingehenden Betrachtung. »Nur ein wenig gerötet, dass wird schon wieder.« Sanft zog er meine Finger zu seinen Lippen und küsste die schmerzenden Stellen.

Erstaunt, wie viel weicher seine Lippen doch waren, im Gegensatz zu seiner Brust, ließ ich es geschehen.

»Dein Geheul ist viel schlimmer. Du musst lernen deine Gefühle für dich zu behalten, ständig lenkst du mich damit ab, ganz zu schweigen davon, dass du mich damit nächtlich erschlägst.« Und schon machte er alles wieder zunichte.

»Pha!« Trotzig entzog ich ihm meine Hand »Wenigstens halte ich dich nicht mit meiner blutigen Vergangenheit auf Trap.«

Sein Blick verfinsterte sich, die Vollmilchschokolade wurde zusehends verdrängt von bitterer, dunkler Schokolade. Meine inneren Alarmglocken bimmelten, als ginge es gerade Wegs ins Verhängnis.

»Du solltest nicht hier sein.«

»Ach, dass sagt der Richtige. Ich geh einmal in all den Wochen aus, um dich Fledermaus aus meinen Kopf zu bekommen und wen treffe ich hier? Spitzzahn persönlich! Was Machst du überhaupt hier? Stellst du mir etwa nach?«

»Jagen,« unterbrach er jäh meinen Redeschwall.

»Oh. Ich tippe mal darauf, dass das nicht gut für mich ist?« Sollte er auch nur einen Gedanken daran verschwenden seine miesen Beißerchen in meinen Hals versenken zu wollen, dann würde ich den ganzen Laden zusammen schreien.

Den Blick auf meinen Hals geheftet stieß er ein tiefes Brummen aus.

»Ich nehme an, dass ist ein Ja? Dann gehe ich wohl jetzt besser.«

»Es gibt Frauen, die sich liebend gerne von mir beißen lassen würden.«

Dies entlockte mir ein leises lachen. »Mann, du liest die falschen Bücher.«Niemand ließ sich gerne und dazu noch freiwillig beißen. Allein der Gedanke an den Schmerz veranlasste meine Muskeln dazu sich krampfhaft zusammen zuziehen und sich zu schütteln.

Unmenschlich schnell bewegte er sich vor und zog mich an seine Seite. »Schau dich um, keiner von ihnen ahnt etwas und doch werden sie heute Nacht die Meinen nähren und den Tod finden.«

»Hier sind noch mehr von deiner Sorte?« Suchend blickte ich mich um. Doch worauf achtete man, um einen der Gäste als Vampir zu entlarven? Es schien nichts ungewöhnlich zu sein und hätte er mir nicht gerade offenbart, dass einige dieser ausgelassen feiernden und lachenden Menschen heute Nacht durch einen Vampir starben, ich hätte es nicht geahnt.

Ein Gefühl von Taubheit ergriff meine Zehen. Unter diesen Menschen waren meine Freunde. Mit dieser Erkenntnis explodierte ein Vulkan in meinem Magen und schleuderte ätzendes Sodbrennen die Speiseröhre hinauf »Ich muss sie warnen.«

»Nein.« Seine Arme schlangen sich zu einem eisernen Käfig um meine Hüfte. »Das wirst du nicht!«

»Nein?!« Mit aller Kraft stemmte ich mich gegen ihn, weg von diesen hinreißend weichen Lippen und den dahinter verborgenem Grauen. Zuviel Nähe konnte gefährlich für mich werden, in zweierlei Hinsicht. »Soll ich seelenruhig zuschauen?« Unmöglich. Auch wenn für einen Untoten, wie ihn, Freundschaft oder Moral keine Bedeutung besaßen, konnte er nicht wirklich glauben ich würde dies stillschweigend akzeptieren.

»Dir bleibt nichts anderes übrig.«

»Und wenn ich Schreie?«

Elias ignorierte meine Gegenwehr mehr Abstand zwischen seine Zähne und mir zu bringen. Die Locken auf seinem grünen Seidenhemd wippten beim Kopfschüttelnd sachte hin und her. »Das wird dir auch nicht viel nutzen.«

»Sei dir Mal nicht so sicher.« Eine meiner Freundinnen würde darauf reagieren und alles andere würde sich zum Selbstläufer entwickeln. Triumphierend, ihm in dieser Sache überlegen zu sein hob ich das Kinn und sah ihm direkt in die dunklen Abgründe, welche er Sein nannte.

»Alles was wir tun hat einen Preis. Denk daran, wenn du schreist!«

»Einen Preis? Du willst verhandeln?« Wäre ich doch bloß daheim geblieben. Nun, musste ich nicht nur sehen, wie ich mich mit heiler Haut aus der Nummer zog, sondern auch noch die Anderen. Und das Ganze ohne dass sie etwas davon mitbekamen.

»Was bietest du mir an?«

»Naja, wenn du mir ein paar Tage Zeit lässt könnte ich Geld auftreiben.«

Laut lachend zwirbelte er eine lange Strähne meines offenen Haares um seinen Zeigefinger. »Jezabellé, glaubst du wirklich mich mit Geld bestechen zu können?«

Ok, der Schuss ging nach hinten los. Er besaß wohl mehr Geld auf seinem Konto, als ich jemals verdienen, ganz zu schweigen davon in meinem ganzen Leben ausgeben konnte. Diese Option fiel also weg. Im Inneren wusste ich was er wollte. Mein Blut. Und obwohl es hier um das Leben meiner Freunde ging verscheuchte ich diesen Gedanken vorerst in die hinterste Ecke meines Kopfes. Es musste noch etwas anderes geben das er als Preis akzeptierte. »Wie wäre es damit, dass ich aufhöre dir meine Gefühle aufzudrängen?«

Elias wiegte den Kopf, um den Vorschlag abzuwägen.

»Du musst mir nur sagen wie, und ich belästige dich wirklich nie wieder damit.« Hoffnung keimte in meiner Brust. Wenn er darauf einstieg, gab es für mich und meine Freunde einen nächsten Morgen im Schein der Sonne.

»Nein.« Ein Lächeln stahl sich auf seine vollen Lippen »Du weißt was ich wirklich begehre.« Für den Moment eines Herzschlages lang senkte sein Blick sich auf meine Halsschlagader.

»Nein!«

»Nicht einmal dafür, dass deine Freunde einen Tag länger leben dürfen?«

Verdammter Mist! Ich lief Elias geradewegs, wie die Maus der Katze, in die Falle.

»Elias.« Hochgewachsen und mit breiten Schultern trat ein junger Mann näher an den Vampir heran. Das blonde Haar im Stil der Zwanziger frisiert und gekleidet in einem maßgeschneiderten schwarzen Anzug wirkte er völlig fehl am Platz. Abschätzend glitt der Blick seiner hellblauen Augen über uns.

»Sivan?« Elias Stimme nahm die Kälte eines Gletschers an, sein Griff um eine Hüfte wurde fester.

»Ich denke, der Dame gefällt deine Gesellschaft nicht.« Breit grinsend blickte er mich an und bot mir seine Hand zum Verschwinden dar.

Elias Finger drückten tief in mein Fleisch und verströmten, dort wo Haut auf Haut lag, Kälte. Leise knurrend entzündete er einen ganzen Schwarm tödlicher Blicke auf seinen Kontrahenten. Die Beiden kannten sich. Für mich bedeutete dies nur eins. Sivan, der strahlender Ritter, gekommen um mich von der Bestie zu befreien, entpuppte sich eigens als blutrünstiges Monster.

»Für mich wäre es wohl eher ein schlechter Tausch. Ich meine Monster gegen Monster? Nein, danke, ich bleib lieber da wo ich bin.« Wieso sollte ich auch das mir bekannte Monster gegen ein völlig Unbekanntes tauschen wollen. Das wäre so, als würde ich einen Krapfen mit Pfirsichfüllung gegen einen mit Senffüllung tauschen.

Sivan riss die Augen auf. »Elias, du? Wie konntest du nur? Predigst ständig davon uns keine menschlichen Haustiere zu halten und dann das?« Vorwurfsvoll schüttelte sich der Blonde. Lächelte doch sogleich versöhnlich »Wenn du allerdings bereit bist zu teilen, habe ich nichts gesehen. Und ich verzeihe dir auch, dass du ohne mich auf Jagd bist.« Seine Zungenspitze schnellte hervor, in freudiger Erwartung leckte sie über seine Lippen.

»Elias!« Wieso sagte er nichts dazu? Die feinen Härchen auf meinen Armen erhoben sich alarmiert.

Auf Elias Zügen malte sich ein Lächeln ab.

»Wag dich!« Er wog doch nicht tatsächlich ab, diesen Sivan an mich heran zu lassen?

Das Lächeln wurde zu einem ausgewachsenen Grinsen, fröhlich, als wäre nichts, blickte er auf mich hinab. »Mach mir ein wirklich gutes Angebot, ein Besseres als Sivan.«

»Ein Besseres als dich bei deinen Artgenossen zu verpetzen?« Fast unmöglich. »Kannst du nicht einmal nett zu mir sein, anstatt ständig daran zu denken, wie du an mein Blut kommst?« Ich traute Elias alles zu. Sogar, dass er mich seinen Kumpanen zum Fraße vorwarf, bekam er nicht das was er wollte.

»Ich wäre sehr nett zu dir, sogar sehr,« raunte Sivan weich und trat näher.

Elias störte sich gar nicht mehr an dem Anderen, und zog so stattdessen die Schlinge um meinen Hals immer enger zu.

Mein Magen rotierter. »Netter als Elias?« Aus dem Mund eines Vampires, eines Raubtieres hörte sich dies alles andere als ehrlich an.

»Eine grandiose Nacht, mit einem finalem Ende. Bitte mich darum und die beste Nacht deines Lebens beginnt.« Gier, Lust und noch etwas Anders leuchtete in den blauen Augen auf.

Wo sahen meine Chancen wohl besser aus? An Elias gekettet oder an der Seite von Sivan, wie er sich durch die Menge der Tanzenden drängte?

»Es macht mir nichts aus, wenn du heute Nacht stirbst.« Weder Elias Miene noch seine harte, zu Stein gewordene Stimme zeigten eine Gefühlsregung.

Mit einem Schlag wurde es kalt um mich herum. Leere füllte meine Brust aus und eine entsetzliche Einsamkeit griff mit ihren knorrigen Fingern nach mir. Ganz so, als habe Elias mir mit seinen Worten etwas weg genommen, dass mich zuvor noch wärmte.

»So?« Zorn brodelte in mir auf. »Die Alte hatte vollkommen Recht. Du bist noch nicht genug gestraft! Du wirst niemals von mir trinken und ich wünsche dir aus ganzem Herzen, dass du die nächsten tausend Jahre lebst und dich darüber Schwarz ärgerst, was du versäumt hast!«

Sivan horchte auf, kaum in der Lage sein aufloderndes Interesse zu verbergen. »Die Alte? Doch nicht etwa die Zigeunerin?«

»Wenn ich wöllte, hätte ich es mir schon längst nehmen können.« Elias ignorierte den anderen Vampir. Eindringlich sah mir in die Augen und vermittelte mir mit seinem selbstgefälligen Blick, dass er alles tun und lassen konnte was ihm beliebte.

»Nein, dafür bist du nicht Manns genug. Du fügst anderen Schmerz und Leid zu, aber dies selbst zu ertragen bist du nicht in der Lage. Und genau deshalb bin ich dir in diesem einen Punkt überlegen.« Ob er es hören wollte oder nicht, spielte gar keine Rolle mehr. Niemand, weder ich noch der Vampir, konnten vor der Wahrheit ewig davon laufen. Zumal ich bezweifelte, dass sich unsere Wege alsbald wieder trennten.

Elias wirbelte herum.

Die abgerundete Kante des Bartresens presste sich in meinen Rücken. Ich saß fest, links und rechts von mir stützten seine Arme sich am Tresen ab. Und bei jedem meiner Atemzüge streiften unsere Körper sich zaghaft, wie zu einer schüchternen Liebkosung.

Seine Lippen strichen über mein Haar und wanderten langsam tiefer. »Du wirst mir immer unterlegen sein,« flüsterte er rau an meine Schläfe. Tief atmete er ein, zog den Geruch meiner Haut, meines Körpers in sich auf, wie ein Bluthund der seine Beute unerbittlich durch das Unterholz folgte.

Der würzige Duft von Anis und nasser Walderde, vermischt mit etwas Animalischem hüllte meine Sinne ein. Legte sich samtig auf meine Zunge und lud zur weiteren Verkostung ein. Schaudernd kämpfte ich gegen den Drang, die Augen einfach zu schließen und diesen, für mich bereits intimen Akt zu genießen. Während mein Bauchgefühl alle Vorsicht über Bord warf mahnte mich meine Vernunft nicht zu vergessen, dass Elias das Raubtier verkörperte, welches nur darauf wartet mich nieder zu werfen und seine Fänge in mein Fleisch zu stoßen. Genau diese Vorstellung brauchte ich, um einen halbwegs klaren Kopf zu behalten. »Du irrst.«

»Tatsächlich?« In seiner Stimme klang leise ein Lachen mit. »Beweis es mir!«

Woher kam diese plötzliche Wandlung? Beharrte er nicht ständig auf seine Meinung? Dieser Mann verwirrte mich mit seinen ständigen Launen. »Wie?«

»Sela-Asinis!« Der blonde Vampir verknüpfte das soeben Gehörte mit seinem Schatz an Wissen. »Bei Thor, Elias du hast einen Kelch!«

Aus den Gedanken gerissen blickte Elias auf. Seine Züge zu einer abscheulichen Fratze verzogen fletschte er seine Zähne und gab den Blick auf lange, spitze Eckzähne frei.

Ich schlug keuchend die Hände vor den Mund, dieser Anblick drehte mir den Magen um.

»Du hast deine eigene Quelle. Verdammt Elias, das ist das beste was uns passieren konnte.« Aufgeregt, wie ein Schuljunge vor seiner ersten Verabredung gestikulierte Sivan wild mit den Händen. »Verdammt Elias, ich muss sie haben. Lass uns gehen.«

»Du kannst sie nicht haben,« zischte Elias. Er baute sich zur vollen Größe auf während er mich hinter sich schob.

Sivan erstarrte, die Augen ungläubig aufgerissen »Du willst nicht teilen? Verdammt, bist du verrückt geworden? Wir teilen alles und noch vor einen Augenblick hattest du es auch vor.«

»Ich teile nicht. Mit niemanden!« Er hatte nur geblufft. In meiner Situation hörte sich dies einfach himmlisch an. Kein anderer Vampir der versuchen würde an meine Hauptschlagader zu knabbern. Tief durchatmend kämpfte ich gegen die Übelkeit in meinem Magen an.

»Ich bekomme immer was ich will!«

»Dieses Mal nicht!« Unter dem Seidenhemd spannte Elias sich an, bereit den Blonden anzugreifen.

Katzenhaft fauchte Sivan auf. Ihm gefiel ganz und gar nicht, dass Elias sich ihm in den Weg stellte.

Meine Stärke bestand noch nie darin ruhig zuzuschauen, wenn es rund ging. Und auch, wenn ich Elias auf den Mond wünschte, ich musste ihm helfen. Selbst, wenn er den Eindruck machte der Stärkste aller Vampire zu sein, wer wusste schon, ob Sivan ihn nicht doch an Stärke übertrumpfte? Und an diesen Sivan, wollte ich garantiert nicht geraten. Aber wie sollte ich einem Vampir bloß helfen?

»Jezabellé, verschwinde!« Elias ließ Sivan nicht aus den Augen.

»Du kannst mich nicht von ihr fernhalten.«

»Wenn du nicht auf der Stelle verschwindest, über leg ich es mir noch einmal.«

Ok, die Drohung saß. Er brauchte wohl keine Hilfe. Ich schlängelte mich an Elias vorbei. Hoffentlich in Sicherheit.Hinter mir ging etwas krachend in die Brüche. Grell ertönte der Schrei der Bardame zwischen dem Fauchen zweier kämpfender Löwen. Ich sah nicht zurück, sondern stürmte in die Menschenmaße, welche ausgelassen feierte. Nur weg von hier und diesen verrückten Vampiren. Doch kaum erreichte ich den hell erleuchteten Ausgang verweigerten mir meine Füße den Dienst. Wie angewurzelt blieb ich stehen.

Drei muskelbepackte Türsteher stürmten an mir vorbei in den dunkeln Schlund des Kellergewölbes hinab.

»Verdammt!« Elias kämpfte gerade dort unten für mich. Und auch, wenn er wollte, dass ich verschwand, so konnte ich ihn nicht zurück lassen. Ich würde ihm helfen, nur ein kleines bisschen. Sogleich rannte ich zurück in den Club. Dort wo Elias und Sivan kämpfen erblickte ich nur eine Menschentraube, die es mir unmöglich machte den Stand des Kampfes zu erkennen. Es gab nur eine Möglichkeit dies hier zu beenden. Ich schnappte mir eine der auf den Tischen ausgelegten Streichholzschachteln und setzte meinen Weg zur Damentoilette fort. Weiß und steril empfing mich jener Ort und entlockte mir ein Jubeln mit der kleinen eisernen Montur an der Decke. Nichts leerte einen Club schneller, wie eine ordentliche Dusche.

Eindutzend Rollen Toilettenpapier fanden sich in dem kleinen Waschbecken direkt vor mir wieder. Das sollte reichten, um die Sprinkleranlage zu aktivieren ohne gleich den ganzen Club in Brand zu setzen. Strafbar wollte ich mich, trotz Elias, nicht machen.

Es funktionierte perfekt. Die Flammen schlängelten sich in die Höhe, zischten und dampften. Nur wenige Augenblicke später klickte es über mir und die ersten dicken Wassertropfen trafen auf meine überhitzte Haut.

Im Club brach Tumult aus, laut schreiend und polternd suchten die Menschen das Weite. So schlug ich gleich zwei Fliegen mit einer Klappe. Ich versetzte Alexas Glitzertrupp in Panik um ihr ausgeklügeltes Make-up, das nun einfach ruiniert sein musste, und half sogleich Elias Sivan los zu werden. Hoffentlich hatte es funktioniert.

6. Von Dunkelheit umgeben ...

Zwei Tage, und noch immer keine Spur von Elias. Langsam machte ich mir Sorgen, dass Sivan ihn besiegt haben könnte.

An dem Abend im Poison funktionierte alles perfekt. Nachdem ich aus der Toilette trat wirkte der Club wie leer gefegt. Keine Vampire und keine Menschen tummelten sich mehr im Kellergewölbe. Wie ich erhofft hatte deprimierte das ruinierte Make-up meine Freundinnen so sehr, dass sie sogleich nach Hause fuhren. Dieser Punkt meines Planes war also aufgegangen, doch was Elias betraf, so blieb ich im ungewissen. Sogar dieses noble Hochhaus besuchte ich noch einmal, wurde jedoch sogleich vom Pockengesicht am Empfangstresen damit abgewimmelt, dass Elias nicht im Hause sei.

Und nun saß ich im Regen unter der alten Eiche, wo ich der Zigeunerin begegnete, dort wo sich mein Leben so radikal änderte und zerbrach mir den Kopf darüber, wie es jetzt weiter gehen sollte. Ganz zu schweigen davon, was ich tat begegnete mir Sivan ein zweites Mal.

»Kelch, Kelch, Kelch.«

Ich fuhr zusammen. Um mich herum herrschte Einsamkeit. Kein Wesen wandelte auf den Kieswegen oder auf dem feuchten Rasen im Park. »Ich werde noch verrückt.« Wie viel hielt mein Verstand noch aus bevor er beschloss sich zu verabschieden?

»Moi trésor!«, flüsterte eine weiche, melodische Frauenstimme.

Ich sprang auf »Wer ist da?« Ich war nicht mehr alleine. Hinter mir kicherte sie und streifte mit kalten Fingern meinen Nacken.

»Was soll das?« Ich fuhr herum. Nichts. Dort stand niemand.

»Oh mon coeur,« säuselte sie mit aufgesetztem französischem Akzent. Unglaublich rasch riss sie mich herum und blickte mir direkt aus kalten, grauen Augen in die Meinen. Die schwarzen Locken hoben sich kontrastreich von der hellen Haut ab und setzten die kirschrot angemalten Lippen viel zu deutlich in Szene.

»Geht´s noch,« fauchend riss ich mich los. So etwas konnte ich gar nicht leiden. »Was wollen Sie?« Instinktiv wich ich einen Schritt vor der zierlichen Frau zurück.

Theatralisch laut seufzte sie auf und verdrehte die Augen. »Ma petite, so naiv kannst selbst du nicht sein. Ich bin Julien, Elias schickt mich. Ich bringe dich zu ihm.«

»Ach ja? Sie können ihm ausrichten, dass wenn er etwas von mir will, er seinen Hintern gefälligst selbst her bewegen soll!« Für was hielt er mich? Für seinen Schoßhund, der sofort sprang sobald er rief? Das konnte er ganz schnell vergessen.

Schnalzend schüttelte sie ihr Haar »Du machst es uns beiden nicht gerade einfach.« Die roten Lippen verzogen sich zu einem falschen Lächeln. Ganz bewusst zeigte sie mir, was sie war.

»Aber es ist noch nicht Nacht.«

»Schau dich um, es dämmert bereits.« Lachend drehte sie sich um die eigene Achse. Sie hatte Recht! Unter den dunklen Wolken vergaß ich völlig die Zeit. »Komm jetzt!«

»Nein.« Einer meiner neuen Grundsätze lautete, gehe niemals mit einem Vampir fort. Und schon recht nicht, wenn du den Blutsauger nicht kennst.

»Du machst mich böse!« Die Vampirin stemmte ihre Hände in die Hüfte »Sehr, sehr böse.«

»Ach ja?«

»Ich glaube du verstehst nicht, ma petite. Du kommst mit mir. Ich lasse mir dich nicht entgehen.« Juliens strich sich die schwarze Bluse glatt »Geduld ist nicht meine Stärke.« Nicht einmal den Versuch unternehmend, es mich nicht merken zu lassen, blickte sie mich gierig, wie eine Verhungernde an.

Oh, dies bedeutete nichts Gutes. Sivans Augen glitzerten genauso, als er erkannte, dass ich Elias als Kelche übergeben wurde, was auch immer genau damit gemeint sein sollte. »Scheint sich ja schnell herum gesprochen zu haben.«

Ich hörte nur ihr schlangenhaftes zischen bevor ich hart mit dem Rücken auf den Boden aufschlug. Der Aufprall presste all den Sauerstoff aus meinen Lungen. Schwarze Punkte tanzten vor meinen den Augen auf und ab. Nach Luft japsend, wie ein Fisch auf dem Trockenen stemmte ich mich auf die Knie.

Sogleich setzte sie nach. Ruppig riss sie an meinem Haar. Mein Kopf flog zurück. Atemlos röchelnd, vom Schmerz betäubt blickte ich in ihr entstelltes Gesicht.

Fletschend präsentierten Julien ihre langen Eckzähne. »Ich trinke dich leer!« Das französische Flittchen ließ keinen Zweifel an ihren Worten.

Hämmernd suchten meine Gedanken einen Ausweg während mein ganzer Körper bereits hemmungslos nach Flucht schrie. Doch ich wusste auch, die Flucht zu Fuß durch den Park barg keinerlei Vorteile für mich. Schneller und stärker konnte sie mich mühelos einholen.

Lachend beugte sie sich hinunter, um ihre Zähne in mich zu stoßen und meinem Leben ein Ende zu setzten.

Adrenalin schoss durch mich hindurch. Erzitternd gab ich dem Instinkt nach, meinen Verstand los zu lassen, wollte ich leben.

Kalt strich ihr Atem über meine Wange.

Ich löste den letzten dünnen Faden zu meinem Denkvermögen und gab mich meinem inneren Verteidigungsbattalion hin. Für Julien unerwartet, schlug ich mit der Faust zu.

Keuchend ließ sie ab, die Nase hinter der Hand verborgen. Ihre großen, dunklen Augen blickten überrascht drein.

Augenblicklich nutzte ich meine Chance und kam auf die Beine. Unsinnig hin oder her, meine Füße flogen nur so über den nassen Rasen hinweg.

Hinter mir schrie Julien französische Schimpftiraden.

Ausrutschend und stolpernd rannte ich kopflos weiter durch den Park. Ich brauchte mich nicht umzudrehen, um zu wissen, dass die Vampirin mir an den Fersen hing, wie eine Klette am Fell eines Hundes. Auch so spürte ich ihren kalten Atem und die Blutgier im Nacken.

Ein Stoß in den Rücken und wir rollten in einem Knäuel aus Armen, Beinen und ihren spitzen Eckzähnen über den Boden. Sie nicht gewillt ihre Beute herzugeben. Und ich nicht gewillt aufzugeben. Auch ohne Elias, so redete ich mir ein, konnte ich überleben.

Stechend durchfuhr es meinen Oberarm. Dieses Miststück biss um sich, wie ein tollwütiger Hund.

Kreischend schlug ich in alle Himmelsrichtungenund erhaschte erst eine und dann immer mehr schwarze Locken, an denen ich mit all meiner aufgebrachten Kraft riss.

Fauchend verpasste sie mir einen Kinnhaken. Abermals verschwamm vor meinen Augen die Umgebung. Schreiend kämpfte ich dagegen an. Wenn ich jetzt die Besinnung verlor, starb ich hier draußen.

7. Stirb nicht für mich!

Etwas Großes prallte brüllend und ganz unerwartet gegen uns. Meine Eingeweide zogen sich wie unter dem Aufprall aus zwei Meter Höhe auf Beton zusammen. Völlig losgelöst von der blutrünstigen Vampirin blieb ich im Gras liegen, das schmerzende Gesicht den kühlen Regentropfen empor gehoben.

Mein erster Gedanke gehörte Elias. Weiß Gott wie er mich nur fand, genau im richtigen Moment.

Fauchend, knurrend und zischend verschwommen die Umrisse von Julien und einer anderen großen Gestalt im Dunkeln der Nacht. Dies war nicht Elias, der so heldenhaft zu meiner Rettung herbei eilte. Sondern jemand ganz anderes. Ich ignorierte den Stich in der Brust. Das ich überhaupt gerettet wurde grenzte schon an ein Wunder. Ich sollte Dankbar sein, egal wer mein Retter war.

Wackelig kam ich auf die Beine.

Die Kampfgeräusche entfernten sich. Ich wusste, ich sollte gehen, doch trotz aller Bedenken hielt ich inne und starrte in die Dunkelheit. Und lauschte.

Schließlich herrschte Stille. Keine Kampfgeräusche mehr, nur das Trommeln des Regens und der sich im Wind wiegenden Blätter der Baumkronen. Der Kampf Endete. Ob ich wohl nachschauen sollte, wer als glorreicher Sieger aus dem Kampf heraus kam? Ich schluckte den Klos in meinem Hals hinunter. Julien konnte immer noch im Park lauern und mir gefährlich werden. Oder aber mein Retter könnte vielleicht verletzt dort hinten liegen und auf meine Hilfe hoffen. Eine Hand wäscht nun mal die Andere.

»Julien wird weg sein,« ermutigte ich mich selber. »Sie glaubt bestimmt ich bin abgehauen.« Ich blickte über meine Schulter zurück. Mein langsam zurück kehrender Verstand riet mir auf jeden Fall einen Umweg zu nehmen. Sicher mochte Julien glauben ich würde den direkten Weg raus aus dem Park nehmen und wenn sie mich noch einmal überfallen wollte, dann sicher dort trüben. Nickend, mich selbst bestätigend, humpelte ich los, in jene Richtung, in welcher der Kampf vor wenigen Minuten endete.

Keine Spur mehr von dem Vampir. Nur ein massiger Berg, dessen Brust sich schwerfällig bei jedem Atemzug hob und senkte verkündete noch vom Kampf.

»Du hast mich gerettet,« flüsternd trat ich näher heran.

Leise knurrte die Gestalt.

Mit jedem Schritt den ich näher trat gab sich mir die Gestalt besser zu erkennen. »Ein Hund?« Vor mir lag ein riesiger Hund, größer noch als die Doggen auf dem Gehöft meiner Tante Magdalena. Ächzend kniete ich mich nieder. Jeder Muskel im Körper schmerzte.

Die hellen Augen des Tieres lagen wachsam auf mir während er weiterhin leise vor sich her knurrte.

»Das hast du toll gemacht mein Dicker.« Ehrlich beeindruckt tätschelte ich seinen Bauch.

Er fuhr zusammen und hob den Kopf um nach mir zu schnappen. Bereits zu sehr geschwächt besann er sich jedoch, sein massiger Kopf sank zurück ins Gras.

»Hab keine Angst. Ich tue dir doch nichts.« Mehr als jemals zuvor empfand ich für ein Wesen tiefe Dankbarkeit. Jetzt zu gehen und ihn verletzt liegen zu lassen brachte ich nicht über mich. Vorsichtig näherte ich mich seiner Schnauze und bot ihm meine Hand zum schnüffeln dar, fest davon überzeugt, dass er kein zweites Mal nach mir schnappen würde.

Röchelnd zog er den Geruch ein, um ihn sogleich in einem seichten Windstoß wieder auszuatmen.

»Du bist etwas ganz Besonderes.« Ganz langsam strich ich seine Schnauze entlang. Hindurch zwischen den Augen, über die Stirn hin zu den großen buschigen Ohren.

»Jezabellé,« wie aus weiter Ferne trug der Wind meinen Namen mit sich.

Und mit einem Mal brach all die Erschöpfung, wie ein Vorschlaghammer, über mich herein. Beschwerte meine Glieder, brannte in den Augen und lockte mich mit traumlosen Schlaf zu sich in die Dunkelheit. Dort, flüsterte es, konnte ich alles vergessen.

»Jezabellé!« Alles geschah so schnell. Ehe ich überhaupt seine Berührung registrieren konnte fand ich mich einige Meter von meinem tierischen Retter entfernt an Elias Brust gepresst.

»Wieso bist du hier?« Meine Knie zitterten, doch Elias auftauchen ließ meinen Magen freudig hüpfen. Seine Nähe versprach Schutz und Ruhe.

Freudlos lachte er auf »Du warst kaum zu überhören.«

»Nein, WIESO bist du her gekommen?« Er musste doch gemerkt haben wie meine Angst langsam nachließ. Also gab es keinen Grund für ihn her zu kommen.

Vorsichtig drückte er mich von sich, nur um sogleich seine großen, schmalen Hände um mein Gesicht zu legen. »Du gehörst zu mir, daran lässt sich nichts mehr ändern. Wenn du bedroht wirst, bedroht man auch mich. Leidest du Qualen, so leide ich mit dir. Glaubst du wirklich ich lasse zu, dass du stirbst?«

»Ich weiß nicht?! Nett warst du ja nicht gerade zu mir.«

»Das diskutieren wir morgen weiter. Du bist verletzt.« Seine Nasenflügel bebten. Ganz deutlich sah ich wie sein Unterkiefer sich anspannte. Mein Blut wirkte auf ihn. »Und erschöpft. Ich bringe dich ins Trockene.«

»Wir müssen ihn aber mitnehmen.« Ohne meine Deckung in Elias Armen aufzugeben drehte ich mich zu meinem neuen Freund »Er hat mir das Leben gerettet.«

»Nein, wir werden ihn hier lassen. Ich will mich nicht auch noch um einen toten Hund kümmern müssen.«

»Toten Hund«, schrie ich spitz auf.

»Sie ihn dir  an. Er ist schon halb Tod.«

»Elias, ohne ihn wäre ich jetzt tot und du könntest mein Blut vom Gras lecken. Ich kann ihn nicht zurück lassen.« Die Hände auf seine breite Brust gestützt stemmte ich mich gegen ihn. Erschöpfung hin oder her »Er muss mit. Ohne ihn gehe ich nicht.«

»Keine Diskussion!«  Nicht gerade behutsam hob er mich in die Höhe und ging.

»Elias! Das kannst du nicht machen! Lass mich runter! Sofort!«

Sein Griff saß fest um meine Glieder. All mein strampeln, all meine Versuche ihm eine zu verpassen schlugen fehl. Ein dicker, nach alter Grütze schmeckender Klos bildete sich in meinem Hals. Ich ließ ihn zurück! Wo er mir doch das Leben rettete. »Wieso verstehst du es nicht,« schluchzte ich an seine Brust. »Wie kann man nur so kaltherzig sein.« Auch wenn der Hund starb, so schuldete ich es ihm wenigstens ihn auf diesen Weg zu begleiten. »Ich wünschte du wärst weg geblieben.«

8. So Nah und doch so fern ...

»Du willst mich also anschweigen?« Elias strich den nassen Stoff der Fleecejacke von meinen Schultern. Klatschend fiel er auf das teure Parkett seiner Wohnung.

Die Lippen fest aufeinander gepresst starrte ich an ihm vorbei. Nein, im Moment hatte ich ihm wirklich nichts mehr zu sagen. Wieso auch? Er ging nicht auf meine Worte ein oder dreht sie mir im Mund um. Zumal er meine Bitte dem Hund doch noch zu helfen, wie zuvor, total ignorieren würde, so als habe ich sie gar nicht ausgesprochen.

»Jezabellé, heute Nacht.«

»Hätte ich drauf gehen können, wenn er nicht gewesen wäre.« Ergänzte ich seine Worte, auch wenn es nicht  jene waren, welche er benutzen wollte.

»Was hast du dort gemacht?« Elias überging mich. Stattdessen packte er den Saum meines durchnässten T-Shirts.

»Wo warst du in den letzten Tagen?«

»In der Zukunft musst du die Dunkelheit meiden. Sivan posaunt überall herum er habe einen Kelch gefunden. Das macht die Anderen neugierig.« Langsam schob er den Stoff höher.

»Tzt. Ich kann auch ganz gut ohne dich.«

»Beim nächsten Angriff wird dich kein Hund retten.«

»Nein, weil du ihn verrecken lässt.« Mein Magen zog sich zusammen. Obwohl ich den Hund nicht kannte schweißte das Erlebnis im Park mich so sehr mit ihm zusammen, dass der Gedanke seines Ablebens mir schmerzhaft in die Brust schnitt. Mit dem Gefühl gleich loszuheulen schluckte ich den Klos hinunter. »Ich habe zu viel von dir erwartet.« Wie zum Beispiel die Rettung eines mutigen Hundes. Er enttäuschte mich wirklich.

Elias verharrte in der Bewegung. Kalt, gar ausdruckslos blickte er mich an. »Du kannst dir im Bad die nassen Sachen ausziehen, im Schrank ist Verbandsmaterial.« Er ließ mich stehen und verschwand in eines der hinteren Zimmer.

Verletzte ich ihn etwa mit meinen Worten? Kopfschüttelnd suchte ich mir den Weg in das Bad. Wieso sollte es ihm anders gehen als mir? Er enttäuschte mich ebenfalls, zeigte mir gar mit seinem Verhalten was er doch im Grunde war, ein gefühlskaltes Wesen, ein Killer, der mir nur nicht die Kehle aufriss, weil er mich noch brauchte.

Sein Badezimmer, ein Raum so groß wie meine Küche, glänzte ohne jegliche Dekoration im hellen Grau. Die Badewanne herrlich und groß im Boden eingelassen wisperte von reinstem Badegenuss und auch die Toilette selber und das riesige Waschbecken strahlen Ruhe pur aus.

Ich ließ mich auf den Toilettendecken fallen. Eine ganze Weile starrte ich die Wandkacheln an und grübelte darüber nach, was die Zigeunerin mir nur angetan hatte. Konnte ich vielleicht noch mit einen Vampir leben, so doch nicht mit einer ganzen Hand voll, welche mir liebend gerne die Fangzähne in die Kehle stießen um mich auszusaugen. Mein restliches Leben würde ich mich keine Nacht  mehr sicher fühlen können. Immer im Hinterkopf, hinter der nächsten Ecke könnte einer dieser Blutsauger mir auflauern.

Dies und meine immer noch nassen Klamotten ließen mich frösteln. Immer weiter schmiegte sich die Kälte an meinen Leib. Ich musste als Erstes einmal raus aus den Sachen, es sei denn ich wollte mir zusätzlich zu all meinen Problemen auch noch eine Erkältung anlachen. So schälte ich mich, bis auf meine Pants, aus sämtlichen, meinen Körper umspannenden Stoffen. Der Biss in meinem Oberarm sah gar nicht so schlimm aus, wie ich zunächst vermutete. Er blutete auch nicht mehr, nur noch ein fast schon sanftes brennen breitete sich von den zwei Löchern über meine Haut aus. Nichts, was nicht innerhalb weniger Stunden vergessen wäre, wäre dies nicht der Biss eines Vampirs. Mein erster Biss wohlgemerkt. Und wenn es nach mir ginge, auch der Einzige.

Hinter mir öffnete sich die Türe.

»Man klopft vorher an.«

»Dies ist mein Bad.« Elias stand ganz dicht hinter mir. Sein Atem strich sanft über meine Schulter. Seine Fingerspitzen, kalt und glatt, wie frische Bachkiesel, fuhren kaum die Haut berührend zwischen meinen Schultern entlang.

Unweigerlich zogen sich meine Schulterblätter unter dieser Berührung zusammen. Ich erzitterte.

Ganz langsam streichelte er weiter.

Diese Geste, so intim und zart, schickte dutzende leichte Elektroschocks meinen Rücken hinab. Für einen kurzen Moment vergaß ich meine Umgebung und genoss einfach nur seine Berührung.

Elias strich mein Haar über die Schultern nach vorne, legte meinen Nacken frei und liebkoste ihn mit seinem Atem.

Die elektrisierende Ruhe verpuffte augenblicklich. Ruckartig kehrte die Erinnerung an das Raubtier in ihm zurück. »Du hast alles kaputt gemacht.« Seufzend strich ich mein Haar zurück und wich einen Schritt nach vorne aus. Noch immer drehte ich mich ihm nicht zu, er sollte mich nicht auch noch halb nackt sehen.

Zischend fauchte er auf und das zuschnappen der Türe verkündete von seinem Verschwinden.

In meiner Brust breitete sich, wie schon einmal Leere und das unangenehme Gefühl von Einsamkeit aus. Und wahrlich, ich fühlte mich völlig alleine gelassen mit meinen Gedanken und Ängsten. Niemandem konnte ich mich wirklich anvertrauen.

Frierend strich ich über die winzigen Hügel der Gänsehaut auf meinen Unterarmen. Ich brauchte ein Handtuch. Nicht nur um mich zu wärmen, sondern auch um mich zu verhüllen, käme Elias noch einmal auf die Idee herein zu spazieren.

Kaum wendete ich mich suchend um fiel mir das schneeweiße Hemd auf dem Boden auf. Elias musste es für mich hier gelassen haben. Ich hob es auf und streifte mir das Stück Stoff über. Es reichte gerade bis zur Mitte meiner Oberschenkel und erfüllte seinen Zweck im Moment ausreichend.

Jetzt galt es eine letzte wichtige Erledigung für heute Nacht zu organisieren. Dies war ich ihm einfach schuldig. Leise schlüpfte ich aus dem Badezimmer. Neben der Couch im Wohnbereich befand sich ein Telefon. Ich sah es, als Elias mich herein trug.

Vom meinen Gastgeber fehlte jede Spur, nicht einmal ein Geräusch von ihm drang zu mir durch. Auch gut, so machte er es mir noch einfacher mein Vorhaben in die Tat umzusetzen, als ich zuvor glaubte.

Von der Auskunft ließ ich mich direkt mit der Tierrettungsstation der Stadt verbinden. Wenn ich nichts für ihn tun konnte, dann jene speziell dafür ausgebildeten Menschen. Ich erklärte ihnen im Park einen verletzten Hund gesehen zu haben. Sie versprachen mir sich sofort darum zu kümmern und mich über die hinterlassene Telefonnummer über den Stand der Dinge zu informieren. Erleichtert darüber nicht völlig untätig geblieben zu sein trat ich an das große Fenster im Wohnzimmer. Mit dem Blick über die hell erleuchte Skyline Londons senkte sich tiefe Ruhe auf mich nieder.

Ich fühlte mich, als würde ich mich immer weiter vom Licht entfernen und dem Abgrund gefährlich nahe sein. Doch das fürchtete mich nicht, ich glaubte durch die einkehrende Ruhe in meinem Inneren könne mich nichts mehr erschüttern. Selbst Elias Drang mich zu beißen. Genau darüber sollte ich endlich ganz in Ruhe mit ihm sprechen. Wie bisher konnte es nicht weitergehen. Also warum die Gelegenheit nicht nutzen? Noch fühlte ich mich im Stande dazu.

Badezimmer und Küche schloss ich von meiner Suche nach dem Vampir aus und auch im Wohnzimmer brauchte ich nicht suchen. Nach einer Weile fand ich ihn schließlich in seinem Schlafzimmer.

Nur die kleine Lampe neben dem riesigen Himmelbett aus dunklem Holz erleuchtet schwach den Raum und bot mir damit gerade genug Licht, um ihn dort zu erkennen. Regungslos, die Hände hinter dem Kopf verschränkt, lag Elias in der Mitte des schier riesigen Bettes und starrte die Decke an. 

»Wir müssen reden.« Ich schob die Türe ins Schloss und lehnte mich gegen das Holz.

 Stumm ohne auch nur einen Muskel zu rühren lag er da, wie aus Stein gemeißelt. Ganz so, als wollte er mich nicht wahrnehmen.

»So kann es nicht weiter gehen. Das Ding mit dem Beißen und Blutsaugen macht mich echt fertig.« Langsam trat ich näher.

Er hörte und ignorierte mich.

»Verdammt Elias, was soll ich denn tun? Du tauchst einfach in meinem Leben auf und wirfst alles auf den Kopf. Ich verstehe nicht einmal was gerade mit mir passiert, glaubst du wirklich ich verstehe da auf Anhieb das ganze Vampirding?«

Weiterhin starrte er an die Decke, als würde ich nicht existieren und versuchen mit ihm zu reden.

Seufzend strich ich mir über die Stirn. Ich fühlte mich mit der ganzen Vampirsache überfordert. Nur, wie sollte ich es dieser störrischen Fledermaus klar machen? »Für dich ist das kein großes Ding, aber für mich schon. Meine ganze Weltanschauung wurde durch diese blöde Zigeunerin über den Haufen geworfen. Dabei habe ich nie etwas Schlimmes verbrochen.« Die letzten Worte flüsterte ich während ich es riskierte und auf das moosgrün bezogene Bett nieder sank.

Wie nicht anders zu erwarten bekam ich auch darauf von ihm keine Antwort.

Dieses Arschloch. Da legte ich ihm mein ganzes Gefühlsleben dar und er hatte nichts Besseres zu tun, als die Decke anzustarren. Aber vielleicht brauchte er auch einfach einige Augenblicke um darüber nachzudenken. Doch warum sagte er dann nicht irgendetwas, egal was?

Ich wechselte ebenfalls in eine liegende Position. »Das macht mir alles furchtbare Angst.« Ihm den Rücken zugewandt studierte ich die Maserung der Türe im schwachen Licht. Wenn ich ihm nur genug Zeit gab, erwiderte er vielleicht etwas auf meine Worte. Das hoffte ich. Denn nicht zu wissen was er darüber dachte verunsicherte mich. Vielleicht hätte ich ihm doch lieber fern bleiben sollen. Die Couch sah gar nicht mal so unbequem aus.

»Glaubst du nur für dich ist es schwer,« fragte er flüsternd.

Erleichtert, dass er endlich den Mund aufmachte drehte ich mich ihm zu. Zwar starrte er immer noch die Decke an, aber wenigstens begann er nun zu reden.

»Frauen wie dich jage ich. Und ich töte sie.« Für einen kurzen Augenblick kehrte Stille ein bevor er leise weitersprach. »Doch seid du da bist kann ich an nichts anderes mehr denken, als dich zu halten und von dir zu kosten. Selbst die Jagd, dass trinken von anderen Menschen reizt mich nicht mehr. Deine Gefühle lassen mich all das spüren was ich vergessen zu haben glaubte.« Das Bett knarzte unter seinem Gewicht, als er sich zu mir drehte. Ernst und sehr nachdenklich blickte er drein.

»Und das magst du nicht?«

»Ich hasse es.«

Sein Geständnis brachte mich zum lächeln. Dies machte ihn menschlicher.

Elias streckte die Hand nach mir aus »Meine Selbstbeherrschung ist nicht grenzenlos. Sie bröckelt mit jedem Augenblick den du länger bei mir weilst.« Jede Frau mochte dies hören, solange es sich um körperliche Bedürfnisse handelte, doch er wollte etwas ganz anderes. »Wieso fürchtest du dich so davor?« Seine Hand sank herab in das weiche moosgrüne Laken noch bevor er mich berührte.

»Vor dem Schmerz.« Alleine bei dem Gedanken an all die spitzen Gegenständen, welche sich in meine Haut bohren könnten, lagen mir Steine im Magen und versetzten mich in einen Zustand völliger Unruhe. Aber noch etwas anderes spielte bei dieser Sache eine wichtige Rolle. »Du könntest es übertreiben.«

»Und dich töten?«

Ich nickte nur. Er offenbarte mir selbst vor einigen Minuten, dass er Frauen auf diese Art tötete, also warum nicht auch mich? Auf diese Weise könnte er sich von mir und dem Fluch entledigen und so weiter machen wie zuvor. Ganz ohne meine lästigen Gefühle oder seine bröckelnde Selbstbeherrschung.

»Du unterschätzt mich.« In einer einzigen geschmeidigen Bewegung setzte er sich auf. Die Handgelenke auf den angewinkelten Knien stützend musterte er den schmalen Silberring um seinen rechten Daumen. »Ich lebe durch dich. Wenn du mich verlässt, so muss ich dir in die Ewigkeit folgen. Der Fluch verbindet uns weit über unsere Vorstellungskraft hinaus.« Zwischen den dunklen, hervorgefallenen Locken sah er zu mir. Freudlos umspielte ein Lächeln seine Lippen »Jeder meiner Schritte auf dich zu treibt dich weiter von mir fort.« Elias wandte den Blick ab, er schluckte und sein Adamsapfel hüpfte auf. »Ich habe nie darüber nachgedacht was es bedeutet mit einer Sela-Asinis gestraft zu sein.«

»Tzt.« Ich setzte mich ebenfalls auf und lehnte gegen das dunkle Holz des Bettkopfes. Mit ihm zog ich auch nicht gerade das große Los meines Lebens.

»Siehst du,« seufzte er leise »das waren abermals zwei Schritte von mir fort. Dabei habe ich geglaubt stärker als alle vor mir zu sein.«

»Aber das bist du nicht?« Die Knie eng an meinen Körper gezogen stützte ich das Kinn auf ihnen ab. Er begann sich mir zu offenbaren, nichts in der Welt brachte mich dazu ihn dabei zu stören. Ich wollte wissen was er dachte. Vielleicht verstand ich ihn danach ein wenig besser.

»Nein. Du bist nicht der erste Kelche der mir begegnet. An den anderen Zweien konnte ich nichts Besonderes feststellen. Einfache Frauen, mit einfachem Blut. Aber du bist völlig anders. Damit machst du mich wahnsinnig. «

»Vielleicht lag es daran, dass es nicht deine Kelche waren.« Ich wusste nicht viel über diesen Fluch, verstand jedoch die Alte insofern, dass jeder Vampir nur einmal in den Besitz einer Sela-Asinis kam. Und so wie Elias sich gebärdete, als Sivan auf mich traf, verhielten sie sich wohl alle. »Das hat den dazugehörigen Vampiren bestimmt nicht gefallen.«

»Weißt du, Sivan ist mir nicht unähnlich. Vielleicht habe ich ihn auch zu dem gemacht was er heute ist. Doch inzwischen weiß ich es besser.« Elias drehte sich mir zu. Fest entschlossen suchte er meinen Blick »Ich habe mir die Asinis genommen und zugesehen wie ihre Gefährten fielen. Ich verdiene nicht minder ihr Schicksal dafür, doch bei allen Göttern, ich werde ihre Fehler nicht wiederholen.« 

Ein Windzug, verursacht durch eine viel zu schnelle Bewegung, als dass ich sie hätte vernehmen können strich über meine Haut. Elias kniete soweit vorgebeugt vor mir, dass sich unsere Nasenspitzen fast berührten.

Von seinen schokoladenbraunen Augen gefangen wisperte ich  »Du hast sie getötet?« Warum überraschte mich dies? Er war ein Killer, da machte ich mir nichts vor, auch wenn er gerade ziemlich harmlos, gar wie ein ganz gewöhnlicher Mann wirkte.

»Ich habe mehr Sünden begangen, als ein Mensch an Lebensjahren zählen kann.« Seine kalte Hand legte sich auf meine Wange nieder. Ganz vorsichtig, als habe er Angst mit seiner Berührung Kratzer zu hinterlassen, strichen seine Fingerkuppen über meine Haut. »Mein Leben besteht daraus zu sündigen. Das ist meine Natur. Selbst du wirst mich nicht davon abhalten können zu töten.«

Ich schluckte und dachte an all die Bilder aus seiner Erinnerung, welche er mir im Traum überließ. »Wozu dann mich?« Wenn man es aus diesem Blickwinkel betrachtete erschien es fast wie eine Belohnung für seine Taten. Und nicht wie eine Bestrafung für all die Sünden, welcher er sich auflastete.

Auch dieses Mal erreichte das Lächeln seine Augen nicht. »Du bist meine Seele. Mein Heil. Wenn ich bei dir bin kann ich alles vergessen und doch leide ich Qualen, weil ich weiß, dass ich dein Verderben bin.« Sanft strichen seine Finger zu meinem Kinn hinab. »Ich will dich bei mir wissen. Nacht und Tag, auch wenn ich weiß, dass du an meiner Seite auf so vieles in deinem Leben verzichten musst, was dich traurig machen wird. Nicht jetzt und auch nicht in den nächsten Jahren. Doch irgendwann. Und nichts davon, was du dir ersehnst, werde ich dir geben können.«

»Du hörst dich an, als wolltest du mir Gründe dafür nennen warum ich mich lieber von dir fern halten sollte.«

»Wir Vampire sind Egoisten, also warum sollte ich das tun?«

»Du bist hier die Sagengestalt, sag du es mir!«

»Ich bin ein Raubtier, egoistisch, gefährlich, tödlich. Selbst jetzt kann ich nur daran denken wie du schmeckst.« Er überwand den letzten Rest Abstand zwischen uns. Seine Nasenspitze fuhr langsam meinen Hals entlang während er tief Atem nahm.

Diese Berührung, die dem sanften Schlag eines Schmetterlingsflügels glich, jagte hunderte winziger Elektrostöße mein Rückgrat hinab. Konnte ein Tier, so gefährlich, wirklich so zärtlich sein? Oder wiegte er mich nur in Sicherheit, um aus dem Hinterhalt hervor zustoßen?

»Dies ist nur ein angenehmer Traum. In Wirklichkeit gibt es kein gemeinsames Leben für uns,« murmelte er gegen meinen Hals.

Gänsehaut überzog meinen Leib. Seine Worte widersprachen sich. »Es gibt kein Zurück mehr.«  Behutsam berührte ich seine Schulter, strich den glatten Seidenstoff hinauf bis zum Hemdkragen. »Unsere Leben sind nun miteinander verflochten. Ob es uns stört, spielte dabei seit Anfang an keine Rolle. Wir sind verflucht und nichts wird uns erlösen können.« Allmählich begann ich mich an diesen verrückten Umstand zu gewöhnen.

»Nicht einmal der Tod.« Seine Lippen senkten sich auf meine Haut nieder. »Ich werde nicht zusehen wie du ins Licht gehst und mich in der Dunkelheit zurück lässt.«

»Fürchtest du dich davor,« fragte ich leise. Das Elias vor irgendetwas Angst haben könnte erschien mir genauso verkehrt wie ein grüner Hund in einer Kamelherde.

Zur Antwort schlang er einen Arm um meine Mitte und drückte mich an sich während sein Gesicht in meiner Halsbeuge ruhte.

»Ich glaube es ist genauso als würde man in einen tiefen traumlosen Schlaf fallen. Nur mit dem Unterschied, dass man nicht mehr aufwacht. Wir hören einfach auf zu existieren.« Die Vorstellung an ein Leben nach dem Tod mochte ja vielleicht ganz nett sein, doch ich blieb da lieber realistisch, als mir etwas Derartiges einzureden. Natürlich fürchtete ich mich vor dem  Augenblick in dem ich aufhörte zu existieren, und mochte mir auch nicht ausmalen wie es sei zu sterben, ändern allerdings konnte ich daran auch nichts.

»Nein du irrst dich. Ich bin gestorben und ich habe gesehen was die Menschen danach erwartet.«

»Eine chemische Reaktion unseres Körpers, welche uns das Sterben leichter machen soll.«

Leise lachte Elias auf. »Du glaubst lieber der Wissenschaft, als einem toten Mann?«

»Untot,« korrigierte ich ihn. »Ich habe keine Ahnung wie man genau zum Vampir wird, aber so wirklich Tod erscheint ihr mir nicht. Vielleicht seid ihr ja nur für ein paar Sekunden Tod und träumt nur von einem Nachleben.«

»Hat deine Mutter dir nicht beigebracht, dass man mit Jemanden der es besser weiß nicht streitet?«

»Du sagst es. Also hör auf mit mir zu streiten.« Ich war im Recht, egal was er dazu noch sagen würde. Und darauf beharrte ich auch weiterhin.

Elias Körper bebte unter dem tiefen, kehligen Lachen das ihm entwich. Die Melancholie schien verflogen. »Du bist unglaublich.«

»Ich sage nur was ich denke.« Nachdenklich blickte ich auf die dunklen Wellen seines Haares, welche sich vor mir ergossen. Es gab viele Dinge, welche ich nicht verstand. Er gehörte dazu und dennoch gab ich mich nicht irgendwelchen wilden Spekulationen hin. »Und das du im Unrecht bist. Wenn ich es Recht überlege, bist du dies sogar ziemlich oft. «

Elias drückte sich soweit von mir ab, dass er mir ins Gesicht sehen konnte. Die Lachfältchen um seine Augen glätteten sich bereits wieder. »Du bist noch viel zu jung, um dies wirklich beurteilen zu können. Du musst noch sehr viel lernen.«

»Ich bin doch kein Kind mehr,« begehrte ich auf. »Und jetzt komm bloß nicht wieder mit der Sache ich sei dir ja so unterlegen. Du weißt genau wie ich, dass dies nicht stimmt. Oder glaubst du die Alte hätte ausgerechnet dich für mich ausgesucht, wenn es nicht so wäre?«

»Nein, dass bist du nicht.« Sein Blick glitt über mich hinweg. Dort wo der Stoff des geliehenen Hemdes meine Brüste bedeckte blieb er ruhen. »Du bist eine sehr schöne Frau. Und du hast mir gezeigt, dass du mir ebenbürtig sein kannst.« Seine Mundwinkel zuckten »Aber ruiniere das nächste Mal nicht mein bestes Hemd.«

»Sollte ich zulassen, dass dieser Sivan dich auseinander nimmt?« Meine Hand legte sich auf seine Wange, glatt und kühl schmiegte sich seine Haut an meine Finger. Mit etwas Druck brachte ich ihn dazu mich anzuschauen. »Du bist das Einzige was zwischen ihnen und mir steht.«

»Du hast es zu deinem eigenen Schutz getan,« stellte er nüchtern fest. »Das verstehe ich. Ich schützte mein Eigentum auch nur aus selbstsüchtigen Gründen.«

»Ich bin nicht dein Eigentum.« Wenn er das wirklich glaubte lief hier etwas völlig falsch. Mein Leben gehörte ganz alleine mir. Und ich war alles andere als bereit, mich jemanden auf einer solchen Weise hinzugeben. Zur Selbstständigkeit erzogen sträubte sich mein Verstand gegen diese Ansichtsweise.

»Du gehörst zu mir. Ich schütze alles was ich beanspruche.« Seine Finger strichen über meinen rechten Handrücken »Auch, wenn ich nicht immer bekomme was ich haben will.«

Seine Berührung kitzelte, ich zuckte und entwand ihm meine Hand, fest entschlossen mich von ihm jetzt nicht ablenken zu lassen.

»Wenn du es nur zulassen würdest. Ich könnte dir einen noch viel größeren Schutz vor anderen Vampiren zukommen lassen, als du dir auszumalenmagst.«

»Du willst mich erpressen?« Dutzende Bruchstücke des Angriffes im Park blitzten hinter meiner Stirn auf. »Hast du mich deshalb fast sterben lassen?« Angespannt drückte ich den Rücken durch. Einen zweiten Vampirangriff würde ich vermutlich nicht überleben. Doch er spielte mit dieser Möglichkeit, wie Andere mit Halma. Kalt schlängelte sich Frost an meiner Haut empor, um einem Speer voller Zweifel in meinen Magen zu stoßen.

»Das würde ich nicht zulassen.« Elias Hand an meiner Hüfte strich höher, legte sich auf die Mitte meines Rückens, als versuche er mich am zurückweichen zu hindern. »Wenn du stirbst, dann durch meine Hand.« Er schnellte hervor und presste seine Lippen auf meine.

Erschrocken keuchte ich auf und bog mein Haupt immer weiter nach hinten, um seinen Lippen, welche mich so dreist überrumpelten, zu entkommen. Diesen Kuss wollte ich nicht.

Elias kam mir nicht nach, seine Lippen blieben wo sie waren. Doch durch die Bewegung meines Hauptes strichen sie  über mein Kinn hinab bis zur kleinen Kuhle zwischen den Schlüsselbeinen.

Zu spät erkannte ich meinen Fehler. Ich bot dem Raubtier meine Kehle dar. 

Sein Körper spannte sich an, der Arm um meinen Oberkörper drückte unnachgiebig fester zu. Diesem Griff entkam keines seiner Opfer.

»Nicht!« Mein Inneres zog sich zusammen. Und obwohl noch kein Kratzer meine Haut verunstaltete vernahm ich das Stechen, welches seine Zähne unweigerlich hervorrufen würden.

Dunkel und rau stieß er ein unmenschliches Knurren aus.

Dieses Geräusch fuhr wie ein Stromschlag durch meinen Körper, entzündete ein kribbeln, welches von mir Besitz ergriff, und tausenden beißenden Ameisen glich. Meine Hände vergruben sich in sein Hemd, rissen und verkrampften sich daran.

Nichts hielt ihn mehr davon ab, einfach seine Reißzähne in meinen Hals zu stoßen und sich zu nehmen was er so begehrte.

 Jeder Atemzüge wog so schwer, als läge eine Marmorplatte, mein Grabstein, auf meiner Brust. Kalt schlängelte sich die Angst meinen Körper hinauf, ließ Glieder erzittern, umfasste mein Herz und drückte zu.

Elias Fingerkuppen gruben sich tiefer in mein Fleisch, gaben nicht nach während er mich fester an seinen harten, kalten Körper presste.

Es gab kein entrinnen. Der Biss unvermeidlich. Nur noch wenige Herzschläge und seine Reißzähne würden sich tief in meinen Hals schlagen, mir das Blut und das Leben aus den Adern saugen und das zarte Netz aus Vertrauen, welches wir begannen aufzubauen, zerstören. Wie konnte ich nur so dumm sein? Wie konnte ich nur glauben er würde dies nicht tun? Ich lief dem Raubtier in die Falle. Und dieses Mal stand mir niemand zur Seite.

Raunend zog er mich hinab, bettete meinen Körper unter den Fesseln seines eigenen in den weichen Kissen.

Gelähmt, wie das Lamm mit dem Wolf an der Kehle, ließ ich es geschehen, unfähig auch nur einen Muskel zu rühren.

Seine kalten Lippen strichen über meine Haut, stumm bewegten sie sich, als spräche er zu mir und doch entwich kein Ton seinen Stimmbändern.

»Elias,« flehend entschlüpfte mir sein Name, als könne dies die Rettung sein. Er konnte mich doch nicht wirklich beißen, spürte er den nicht meine Angst auch als die Seine? War er wirklich kälter, als ich glaubte?

Die Bewegung meiner Kehle, mochte sie auch noch so klein und unscheinbar sein reizte das Tier in ihm. Der letzte Funke Menschlichkeit verschwand, dass Raubtier in ihm übernahm seine Sinne und seinen Geist. Fauchend schlug er die Zähne in die Quelle seiner Gier.

Keuchend bäumte ich mich gegen ihn. In meiner Kehle entfachte sich ein Feuer, schmerzend, brennend zog es an mir, riss mich in seinen Strudel voller Leid, Schmerz und Abscheu.

Der Druck seiner Züge peitschte meine Angst, nahm mir die Luft zum Atmen und trieb mir salzige Perlen die Wange hinab. Es schmerzte so sehr.

 Ich verkrampfte mich, die Hände tief in den seidenen Stoff seines Hemdes vergraben, ohne die Möglichkeit mich zu rühren.

Elias trank mit großen, kräftigen Zügen, nicht gewahr was er gerade zerstörte.

Meine Umgebung begann sich zu drehen, langsam zu verschwimmen während die Schmerzen immer stärker wurden. Die Welt um mich herum begann zu verblassen, hörte auf zu existieren und der winzige Schein der Nachttischlampe in dieser kalten Dunkelheit erlosch.

9. Von der Nacht gefangen ...

»Autsch!« Stechend durchfuhr es meine Schläfen beim aufrecht setzten. Die Hand zuvor noch auf der Stirn wanderte nun zur Kehle hinab. Zielsicher fanden meine Fingerkuppen die Stelle, in jener Elias seine Zähne versenkte. Glatt, gar unberührt spannte sich die Haut über meine Kehle und doch schmerzte es beim hinüber streichen, als drücke man zwei brennende Zigaretten darauf aus. Dabei verstrichen inzwischen zwei volle Tage. Sollte der Schmerz da nicht schon längst der Vergangenheit angehören?

Kaum erwachte ich aus der Ohnmacht, welche mich gnädiger weise während dem Biss ereilte suchte ich das Weite. Und Elias? Dieser Mistkerl ließ mich, kaum bekam er seinen Willen, wie verwelktes Unkraut achtlos liegen. Feige verschwand er aus seiner Wohnung und wie er bei seiner Rückkehr sicher erwartete, war ich weg.

In jenem Moment fühlte ich mich wie ein elender One-Night-Stand, welcher er schleunigst loswerden wollte. Billig, benutzt und beschmutzt von einem Wesen, welches es eigentlich nicht geben dürfte. Und doch verband mich dieser grausame Fluch für alle Zeiten mit dem Vampir. Wäre ich doch nie auf diesem dämlichen Impuls der Neugierde gefolgt. Mein Leben wäre normal weiter verlaufen, stinklangweilig, aber normal.

Nun saß ich alleine in meiner Wohnung. Alexa verabschiedete sich am Vortag mit ihrer aktuellen Flamme in einen spontanen Liebesurlaub. Sie ließ mich nicht gerne so betrübt und kränkelnd alleine, doch der Urlaub war bereits bezahlt, das viele Geld einfach so in den Wind zu schmeißen behagte ihr ebenfalls nicht, so versicherte ich ihr mir ginge es schon wieder besser und sie solle doch fahren.

Fynos brachte ich bei Milo unter. Bereitwillig nahm er den Kater auf und gab mir einige Tage frei. Liebend gerne hätte ich Fynos bei mir behalten, wäre er nur still gewesen. Doch der Kater ließ mich keinen Augenblick aus seinen wachsamen Augen, schlenderte mir überall hinter her und kuschelte sich bei jeder sich bietenden Gelegenheit an, als sei er liebeskrank. Sicher, er meinte es nur gut und wollte mich trösten, doch selbst dies strapazierte meinen Nerven so stark, dass ich fürchtete den sensiblen Kater anzuschreien und für eine sehr lange Zeit zu kränken. Dann lieber ein paar Tage ohne ihn. Eine große Portion frischer Forelle bei seiner Rückkehr und alles wären für ihn vergessen. Wieso konnte nicht alles so leicht sein?

Nachdenklich saß ich im schlapprigem Pyjama auf der Couch. Der Gedanke an Elias schmerzte in der Brust und schürte gleichzeitig den Wunsch ihm einen Silberdolch in das Herz zu stoßen.  Ich wollte ihn nie wieder sehen, seine dunkle Stimme hören oder das herausfordernde Funkeln in seinen schokoladenen Augen erhaschen. All das gehörte ab nun der Vergangenheit an! Mein Leben sollte dort weiter gehen, wo es stand bevor ich Elias begegnete. Aber wo sollte ich anfangen? Vielleicht mit einem Spaziergang an der frischen Luft? »Ja, genau.« Ein wenig Bewegung, viel Sauerstoff und Licht regten bekanntlich den Kreislauf an, genau was ich brauchte, um mir klar zu werden, wie ich mein altes Leben zurück bekam.

 

***

 

Eine dreiviertel Stunde später schlürfte ich in zerknitterter Jeans und schlampig zusammengebundenen Haaren durch den Park. Nichts deutete mehr auf den verhängnisvollen Tag vor einiger Zeit. Stattdessen trug der Wind leises Kinderlachen und Stimmengewirr über die grünen Flächen und vereinten sich mit dem Rauschen der Blätter zu einem angenehm freundlichen Hintergrundrauschen.

Diesen herrliche Atmosphäre jedoch genießen konnte ich nicht. Meine Gedanken schweiften bereits wieder ab in die Ferne, rissen mich fort von dieser Umgebung, welche mich ständig an Elias erinnerte. Sollte es an der Zeit sein dieser Stadt, in jener ich mein halbes Leben verbrachte den Rücken zukehren? Schon früher reizte mich der Gedanke fremde Länder zu entdecken und mich in alten, voller Erhabenheit und Eleganz strotzenden Städten nieder zulassen. Sicher konnte ich dem Fluch dadurch nicht entkommen, dafür jedoch Distanz zwischen mir und Elias bringen. Kaum kostete er mein Blut verlor er auch schon das Interesse an mir, wieso also sollte er mir hinter her reisen? Nur weil dieser blöde Fluch behauptete er könne nicht mehr ohne mich? Aber wenn ich es konnte, konnte er es sicher auch.

»Du kannst nicht entkommen,« In sich zusammengesunken saß eine Frau mittleren Alters auf einer Parkbank und blickte mir wehmütig entgegen.

»Was?« Überrascht und völlig aus den Gedanken gerissen schaute ich um mich. Redete sie wirklich mit mir?

Auf ihren Lippen zeichnete sich jenes Lächeln ab, welches man einem Trauernden schenkt, wollte man ihm Trost spenden. »Ich erkenne eine Sela-Asinis, wenn ich ihr begegne.«

»Sie wissen davon?« Langsam trat ich näher »Woher?« Es gab bei diesem Fluch nur drei, die davon wissen konnten. Die Zigeunerin, der Vampir und die Verfluchte. »Aber Sie sind weder ein Vampir noch die Zigeunerin.«

Einladend klopfte sie neben sich »Es gibt nicht viele, aber alle sind wir durch den Fluch Schwestern.«

Ich blickte um mich, keine Menschenseele ließ sich auf dem sauberen Kiesweg blickten, also konnte ich offen reden. »Sie sind verflucht?« Eine Leidensgenossin zu treffen erwartete ich nicht, schon gar nicht hier im Park. Wie ein nasser Sack plumpste ich auf die Bank, direkt neben sie.

Sie schüttelte den Kopf, eine dunkelblonde Strähne löste sich aus ihrem Dutt. »Nicht mehr,« flüsternd strich sie die störenden Haare zurück.

»Sie sind frei?« Hoffnung begann in meiner Brust zu keimen. Wenn diese Frau es schaffte, den Fluch und somit den Vampir los zu werden, dann konnte ich es auch. »Sie müssen mir unbedingt erzählen wie sie das geschafft haben.«

Abermals schenkte sie mir ein trauriges Lächeln »Ich habe ihn getötet.«

»OH!«

»Und es war der größte Fehler meines Lebens.« Sie schüttelte den Kopf und obwohl sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen erkannte jeder aufmerksame Betrachter, dass sie mit den Tränen rang »Aber mit uns Menschen ist es nun Mal so, wir erkennen erst was wir an dem Anderen haben, wenn er nicht mehr da ist.«

Ich schwieg. Einer trauernden Frau sollte man nicht ins Gesicht sagen, dass sie lieber froh sein solle den Vampir los zu sein, egal wie sehr es einem auf der Zunge brannte.

»Ich war so blind, voller Abscheu.« Angewidert starrte sie auf ihre von feinen blauen Äderchen durchzogene Handdrücken.

Meine Brust zog sich zusammen, tief atmete ich durch. »Das tut mir Leid für Sie. Wie lange ist das nun her?«

»Schon sehr lange.« Sie schluckte ihren Kummer herunter und blickte mir nun mehr neugierig, als betrübt entgegen. »Sie treiben einen in den Wahnsinn nicht wahr?«

»Das können Sie laut sagen.«

»Und dennoch, du solltest froh sein Teil von etwas so Wunderbarem zu sein. Seid Rafaels Tod bin ich nur noch zweimal einen von ihnen begegnet.«

»Wunderbarem?« Ok, irgendetwas schien hinter den blonden Fransen nicht wirklich ordnungsgemäß zu arbeiten. »Das ist der reinste Fluch! Ich würde am liebsten alles Rückgängig machen. Sollte mir diese Zigeunerin jemals wieder über den Weg laufen, ich verspreche Ihnen, dann wird es ihr Leid tun.«

»Du wirst ihr nicht mehr begegnen. Sie begegnet jeder Sela-Asinis nur ein einziges Mal im Leben. «

»Und die Vampire? Wissen die nicht wo sie zu finden ist?«

»Kindchen,« sie nahm meine Hand, tätschelnd strich sie über meine Fingerknöchel »Wenn die Vampire wüssten, wo die Alte zu finden ist gäbe es diesen Fluch schon lange nicht mehr. Sie bekommen sogar nicht einmal mit, dass ihnen Blut gestohlen wird.«

»Das verstehe ich nicht. Wieso Macht sie das? Haben wir ihr etwas getan?«

»Nein,« meine Hand noch immer tätschelnd blickte sie in die Ferne »Wir nicht. Aber die Vampire. Sie nahmen ihr vor Jahrhunderten das Liebste was eine Frau besitzen kann, ihr Kinder.«

»Und was hab ich damit zu tun? Ich bin der Alten im Park zum ersten Mal begegnet und glauben Sie mir, ich bin auch nicht hunderte von Jahre alt. Wieso also zieht sie mich in ihre persönliche Fehde gegen die Vampire hinein?«

»Sie gibt ihnen etwas, was sie genauso lieben können, wie sie ihre Töchter liebte. Sie fand es nur für gerecht, wenn die Vampire durchmachten, was sie durchmachte, als ihre Töchter verschwanden und man sie ausgesaugt vor fand. Manche von ihnen glauben unser Blut sei ein Aphrodisiakum, welches sie von uns abhängig macht, wusstest du das?«

Ich schüttelte den Kopf »Bisher nicht, aber ich habe schon so meine Erfahrung mit habgierigen Genossen gemacht.«

»Du musst gut auf dich Acht geben. Aber ganz besonders solltest du dich vor Sivan und Elias in Acht nehmen. Das sind die Schlimmsten. Es heißt sie wären wieder in der Stadt.«

Mir entglitten die Gesichtszüge »Verdammt.«

»Aus deiner Reaktion schließe ich du kennst sie?«

»Besser, als mir lieb ist.«

»Dann solltest du besser zu deinem Gefährten gehen, er kann dich vor ihnen beschützen.«

»Das glaube ich nicht.« Ich entzog ihr meine Hand. Auf solche Neuigkeiten hätte ich gerne verzichtet. Es reichte nicht, dass ich glaubte Sivan sei der Schlimmste von allen, nein nun gehörte Elias auch noch dazu. Verdammtes Pech!

»Verstehst du nun warum der Fluch für die Vampire schlimmer ist, als hätte Hanna sie getötet? Jeden Tag leiden sie Qualen durch uns. Sei es die Angst vor unserem Verlust, unsere Schmerzen oder unsere Gefühlen. Mit der Zeit legt jeder von ihnen diese menschliche Regung ab, aber durch die Asinis werden sie wieder damit konfrontiert, und damit kommen viele nicht zurecht.«

»Das ist ja alles schön und gut, aber musste sie ausgerechnet mich mit hineinziehen?« Ich sprang von der Bank auf »Mein Leben war gut so, wie es war!«

»Ich kann nicht sagen, wie sie die Frauen aussucht. Und es ist sicher auch nicht immer fair, aber du solltest das Beste daraus machen. Nur der Tod wird dich von ihm trennen können.«

»So ein Scheiß!« Ich wollte nicht weiter über den Sinn oder Unsinn dieses Fluches reden und auch nicht mit dieser Frau, die einem Vampir nachtrauerte. Das hier brachte zu nichts, ich wandte mich ab und ging.

»Du kannst nicht weglaufen!« Ihre letzten Worte schwebten drohend über mir während ich das Weite suchte.

»Und ob!« Erst nachdem der Park weit hinter mir lag erlaubte ich mir eine Verschnaufpause. Die Hände in die Hüfte gestemmt atmete ich tief durch. Wie konnte ich nur hier hinein geraten? Ein Albtraum, der nicht enden wollte.

10. Wahrheit oder Lüge?

Ich krallte mich an dem Whiskyglas fest. Schummriges Licht und leise Musik umschwirrte mich, wie eine Horde Motten, aufdringlich, neckend, lästig. Aber immerhin noch besser, als alleine in der Wohnung hocken zu bleiben. Ich musste unter Menschen, möglichst an einen Ort, wo kein Vampir einen Fuß hinein setzten würde. Und was wäre da besser geeignet, als die schmuddeligste Bar der ganzen Stadt? Jeder anständige Vampir, der Wert auf gesunde Nahrung und sauber Spender legte oder ein gehobenes Ambiente bevorzugte machte sicher einen großen Bogen, um diese Drecksschleuder.

Zugegeben, besonders wohl fühlte ich mich auch nicht, aber in eine andere Bar oder gar einen Club traute ich mich nicht. Bei meinem momentanen Glück lief ich dem erst besten Vampir dabei in die Arme.

»Noch´n´Drink?« Der bullige Barmann starrte mir in den Ausschnitt, während er langsam eines der großen Glaser polierte.

»Nein, ich … obwohl, noch Mal das Selbe!« Mit einem großen Schluck leerte ich das Glas. Heiß ran der Whisky meine Kehle hinab und blieb mit einem warmen Gefühl im Magen liegen.

»Na, was haben wir den hier?« Ein schmaler Schatten, kaum größer, als meine eins-fünfundsechzig, lehnte sich lasziv neben mir an der Theke an. Das braune Haar verwuschelt und verklebt, als käme er gerade aus dem Bett und habe vergessen zu duschen. »Der geht auf mich,« rief er dem Barmann zu bevor er mir ein Grinsen zuwarf, dass selbst einer Hyäne Konkurrenz machte.

»Danke aber ich trinke alleine.« Nirgends blieb man vor dem anderen und besonders dämlichen Geschlecht verschont.

Er überhörte den Einwand und redete drauf los. »Ich bin Gregor, aber du meine Süße, darfst mich Greg nennen.«

Theatralisch laut seufzte ich »Tut mir Leid Gregor, ich warte auf meinen Freund.« Eine kleine Notlüge, um die Schmalzfliege zu verscheuchen.

»Kein guter Freund, wenn er ein solch hübsches Mädchen wie dich warten lässt.« Gregor rückte näher, betont lässig zog er einen zehn Euroschein aus der Hosentasche und warf ihn auf den Tresen »Zwei Pink-Kiss.«

»Ich trinke nichts mit fremden Männern.« Unauffällig schielte ich zur Türe.

»Gut, dass wir uns nicht fremd sind.«

Da wurde doch der Hund in der Pfanne verrückt! Warum verstand er nicht, dass ich meine Ruhe wollte? »Bitte, ich habe keine Lust auf Gesellschaft.«

Gregors schmale Lippen verzogen sich zur Schnute. »Wieso gibst du mir nicht eine Chance?«

»Weil sie mit mir hier ist.« Dicht hinter mir erklang eine unangenehm vertraute Stimme. Ruhig bleiben, mahnte ich mich während alle Haare mir zu Berge standen und meine Haut aufflammte, als würde man gerade hunderte Zigaretten auf ihr ausdrücken.

»Wir können doch …« Gregor stockte und fixierte die Person hinter mir. Über seine Augen legte sich ein grauer Schleier bevor er stammelnd eine Entschuldigung hervor presste und geradewegs nach draußen stürmte.

Eine gute Idee, welcher ich nur zu gerne gefolgt wäre, hätte dies nicht eine erneute hässliche Konfrontation bedeutet. Hier drinnen, bei den Menschen fühlte ich mich sicher, denn bei so vielen Zeugen griff selbst sie nicht an. »Bist du mir gefolgt?«

Ihr Atem stich über die nackte Haut meiner Arme »Vielleicht?! Aber vielleicht bin ich auch nur auf der Suche nach einem consentante Opfer.« Ihr Akzent wirkte nun nicht mehr so aufdringlich, wie bei unserem ersten Aufeinandertreffen, aber immer noch falsch und aufgesetzt.

»In dieser schmuddeligen Bar? Ich dachte du hättest mehr klasse.« Ich sammelte all meinen Mut, wie Gänseblümchen von einer Wiese, und wandte mich um.

Ihre stark betonten grauen Augen blickten aufmerksam drein, als erwarte sie mich schreiend raus zerren zu müssen. »Oh, ma douce, lässt er dich an der langen Leine?«

»Julien was willst du? Als du mir das letzte Mal begegnetest wolltest du mich umbringen!« Mit gesenkter Stimme achtete ich darauf genug Abstand zu ihr und allzu neugierigen Bargästen zu halten.

Julien strich sich seufzend eine schwarze Haarsträhne zurück »Ich unterstehe Sivan, als seine Untergebene muss ich ihm folgen und seine Befehle ausführen.« Ihr Akzent verschwand fast völlig. »Entweder ich tue was er sagt oder er tötet mich. Dein Geruch, darauf war ich nicht vorbereitet, ja ich wollte dich, ganz alleine für mich.«

»Was für ein Pech. Und nun? Schickt er dich wieder? Oder willst du jetzt nachholen, was du nicht geschafft hast?«

Keck neigte sie ihr Haupt zur Seite. Das erste Mal zeigte sie ein ehrliches und freundliches Lächeln. »Er will sich selbst um dich kümmern.«

»Klasse, bist du deshalb gekommen?« Als hätte ich nicht schon genug Probleme. Anstatt eines zu lösen häufte ich immer mehr an. Kopfschüttelnd griff ich den neuen Whisky von der Theke und genehmigte mir einen großen Schluck der bernsteinfarbenen Flüssigkeit.

»Ich will dich.« Ihre Finger legten sich um das Glas, vorsichtig, gar schon zart entwand sie es meinen Fingern. »Für mich alleine.«  Jene Stelle, an welcher der Abdruck meiner Lippen heftete legte sie an ihren Mund. Ganz langsam, den Blick vom Ansatz meiner Brüste, über den Saum des Tops hin zu meinem Gesicht wandernd, trank sie.

»Da bist du nicht die Einzige.« Immer ging es um das gleiche bei den Blutsaugern, beißen und trinken. Oh, wie ich die Nase davon voll hatte. Wieso konnten nicht alle mit einem Schlag zur Sonne fahren?

»Ich will dich nicht auf dieselbe Art wie Sivan oder Elias.« Anzüglich grinste sie »Ich gleiche keinem Mann mit seinem plumpen Verlangen nach deinem Körper oder deinem Blut. Was ich will ist mehr.«

Sprachlos sah ich sie an. Julien wollte mehr, als nur mein Blut, dass verstand ich nicht »Wieso?« Was könnte sie mehr als dies von mir wollen, wenn es selbst Elias nicht nach mehr verlangte.

»Selbst die Ewigkeit ist verachtenswert, wenn man sie nicht mit jemandem teilen kann.« Kühle bleiche Finger streckten sich nach mir aus.

Ich wich zurück, wollte nicht von ihr berührt werden.

Enttäuschung flackerte in ihren Augen auf »Ich will dich freiwillig an meiner Seite wissen. Glaub mir ich bin nicht weniger verachtenswert als Elias.«

Schnaubend schüttelte es mich »Du wolltest mich töten, wieso also glaubst du ich würde dir trauen?«

»Weil ich das Einzige bin was dir bleibt, während dein strahlender Ritter dich geradewegs in die Hölle führt und betrügt. Gerade jetzt, in diesem Augenblick, kehrt er von der gemeinsamen Jagd mit Sivan zurück.«

»Nein!« Mir klappte die Kinnlade herunter. Elias und Sivan, gemeinsam auf Jagd? »Das kann nicht sein! Das würde er nicht tun!«

»Er ist nicht der strahlende Held für den du ihn hältst. Elias wird dich früher oder später an Sivan abtreten, dass tat er schon bevor du oder ich das Licht der Welt erblickten.«

»Aber ich bin seine Sela-Asinis.«

»Er kennt offensichtlich das Geheimnis nun, sonst wärst du nicht hier. Ganz alleine, in einer Bar mit dem schlimmsten Abschaum der Stadt. Das würde Elias nie zulassen, läge ihm noch etwas an dir.«

»Er braucht mich nicht mehr?« Meine Kehle schnürte sich zu. Es mir selbst zu sagen war etwas völlig anderes, als es aus dem Mund von Julien zu hören. Es untermauerte den Eindruck, dass er mich weg warf, weil ich für ihn uninteressant wurde. Was sollte ich auch anderes denken, nachdem er sich nach dem Blutkonsum nicht mehr meldete? Und wenn es so war, ich wollte doch eh von Elias nie wieder etwas sehen. Der Gedanke allerdings stach unangenehm in meinem Herzen. » Du willst mich in deine Falle locken!«

»Nein.« Bedauernd schüttelt sie den Kopf »Ich kann es dir beweisen. Hier, fahr zu dieser Adresse, in einer halben Stunde treffen wir uns dort und ich werde dir die Wahrheit über Elias zeigen.« Julien reichte mir ein kleines silbernes Visitenkärtchen bevor sie auf die Damentoilette verschwand.

11. Fesseln der Wahrheit

Tief durchatmend stand ich in der Eingangshalle des Nobelhochhauses in jenem Elias hauste. Ich traute Julien nicht, vielleicht mochte sie ja die Wahrheit sagen, vielleicht aber auch nicht. Mein Gespür riet mir eindringlichst ihr nicht zu glauben. Stattdessen fuhr ich geradewegs zu Elias. Ich wollte von ihm höchst persönlich hören wie es nun weiter ging. So wie bisher jedenfalls konnte ich nicht weiter machen. Es musste ein klärendes Wort zwischen uns her.

Pockengesicht sah von seiner Klatschzeitung auf, die Augen gerötet blickte er genervt drein.

»Ich will zu Elias Kincaid.«

»Geht nicht.«

»Und wieso? Rufen sie ihn an und sagen sie ihm Jezabellé will ihn auf der Stelle sprechen. Ich weiß dass er da ist, vor dem Gebäude parkt sein Wagen.«

»Mister Kincaid will nicht gestört werden.« Dieser Nachtwächter spielte mit meinen strapazierten Nerven Ping-Pong. »Er hat Frauenbesuch,« zwinkerte er mit einem schadensfrohen Zug um die rissigen Lippen.

»Er hat was!« Dieser Mistkerl! Kaum verschwand ich suchte er sich bereits die Nächste. »Rufen sie ihn gefälligst an, er soll seinen Arsch hier runter bewegen oder es wird ihm Leid tun!« So ließ ich mich nicht von ihm abservieren!

»Ich darf ihn nicht stören und jetzt verschwinden sie bevor ich die Polizei rufe!« Seine Hand griff zum Telefon.

Die Lippen fest aufeinander gedrückt drehte ich mich um. Durch die großen Glastüren grinste  mir Elias schwarzer Jaguar, wie in Götzenbild, höhnisch entgegen. Wenn Elias schon nicht Manns genug war, um sich mir zu stellen, dann sollte wenigstens sein blöd grinsender Wagen einen Denkzettel erhalten. Zielstrebig steuerte ich auf den teuren Jaguar zu »Du willst mich los werden,« zischte ich ihn an. »Nicht ohne Abschiedsgeschenk!« Schreiend trat ich in die Beifahrertüre. Erst einmal, zweimal und immer wieder bis eine hübsche Delle das Blech zierte.

Die Alarmanlage schrie unter der Misshandlung meiner Tritte erbärmlich auf, als bettle er um Gnade. Die ich ihm nicht gewehrte.

 »Du verdammter Bastard! Leichenfledderer, Groschenstricher!«  Ich bot den gesamten Schatz der Schimpfwörter auf, welche meine Mutter mir stets verbot in den Mund zu nehmen. Besaß Elias auch nur ein halb so gutes Gehör, wie ich glaubte, befand er sich bereits auf den Weg hinunter.

Schnaufend betrachtete ich die Beschädigung an der Fahrertüre. Genugtuung jedoch, so wie ich erhoffte hatte blieb aus. Meine Wut war noch lange nicht getilgt und nach der Beifahrertüre kam jetzt die Fahrertüre. Doch kaum setzte ich zum Tritt an wurde ich unsanft zurück gerissen.

»Bist du verrückt geworden?« Nur mit eng anliegender Boxershorts bekleidet stellte Elias sich schützend vor seinem Wagen und schrie mich an. Sein Blick sprühte vor Zorn Funken während er nicht einmal versuchte die verräterischen dunklen Flecken an Schulter und Halsbeuge zu verdecken.

Ein Eimer Eiswasser konnte nicht abkühlender sein. Es stimmte also, er vergnügte sich mit einer anderen Frau. Wenn dies stimmte, dann auch alles andere was Julien sagte? Ich musste es wissen »Warst du mit Sivan unterwegs?«

Seine Miene verschloss sich für jegliche Reaktion.

»Sag endlich die Wahrheit. Nur ein einziges Mal!«

Elias schwieg, den Blick abgewandt.

»Dies genügt mir als Antwort.« Julien hatte Recht. Schmerzhaft zog sich alles in mir zusammen, jeder Atemzug quoll schwer über meine Lippen. Die Wahrheit tat verdammt weh. Vor meinen Augen begannen seine Züge zu verschwimmen. Bevor ich mir jedoch die Blöße gab auch noch vor ihm zu weinen wandte ich mich zum gehen ab. Dies verlor allmählich alles seinen Sinn.

»Jezabellé!«

Schweigend setzte ich meinen Weg fort. Ich konnte nicht umdrehen, nicht mehr.

»Bleib stehen,« resigniert rief er mir nach »Bitte.« Für Elias handeln gab es keine Entschuldigung. »Komm mit hoch und wir reden.«

Meine Güte, der Mann besaß Nerven. Ich blieb stehen, ohne zurück zu blicken »Und dann? Willst du mir etwa die Frau vorstellen mit der du mich betrügst?«

»Sie ist nur Nahrung.«

»Und trotzdem vögelst du sie!« Ich konnte nicht mehr an mir halten. »Und was soll der Mist mit Sivan? Ganz zu schweigen davon, dass du einfach abgehauen bist!« Kitzelnd ran die erste Träne meine Wange hinab.

»Jezabellé, nicht hier auf der Straße!« Nickend deutete er auf ein älteres Paar, welches stehen blieb und neugierig zu uns hinüber blickte. Solch ein Drama bekamen die Alten nicht oft zu sehen.

»Ach, glaubst du ich komm mit hoch und veranstalte mit dir und deiner Schlampe ein gemütliches Kaffeekränzchen?« Sollte ruhig die ganze Stadt erfahren, was ich über Elias dachte und wie dreckig er mich behandelte.

Die Zuhörer tuschelten hinter vorgehaltener Hand, ohne jegliches Schamgefühl musterten sie Elias.

»Ich wollte es wieder gut machen!« Elias erhob die Stimme ebenfalls »Aber du bist so stur und unverschämt, dass du es gar nicht verdient hast! Geh ruhig, aber dann brauchst du auch nicht mehr wieder kommen!«

»Pha, unverschämt ist hier nur einer.« Abermals wandte ich mich zum gehen um, nicht ohne ihm eine Tatsache an den Kopf zu werfen, die ich zuvor noch nicht wirklich beschlossen hatte. »Keine Sorge, ich verlasse die Stadt, du wirst mich also nie wiedersehen.«

»Gute Reise!« Die Autotür knallte zu. Quietschend heulten die Wagenreifen auf bevor er laut tosend in die Nacht verschwand.

 

***

 

Gemächlich schlängelte sich der Fluss unter der Brücke hindurch. Meine Beine baumelten über der Brückenmauer und streckten sich der schier endlosen Leere entgegen. Die halb leere Schnapsflasche in der Hand wischte ich über meine vom weinen gereizten Augen. In zwei Stunden ging die Sonne auf, meine Sorgen jedoch nahm die Nacht nicht mit sich. Leider.

Der Schlussstrich zwischen mir und Elias wollte nicht aus meinen Gedanken verschwinden. So hätte es nicht enden sollen. »Pha, von wegen Gefährten für alle Ewigkeit.« Julien hatte völlig Recht, wenn ich auf die Ewigkeit sah, so schaute sie kalt und einsam zurück. Dort gab es nichts, worauf ich mich freuen könnte. Irgendwann würde niemand mehr von meiner Familie oder meinen Freunden übrig sein, und ich würde alleine zurück bleiben.

Aber mich Julien anschließen? Egal wie sehr der Bruch mit Elias schmerzte oder die Zukunft mir versuchte Angst einzujagen, eher würde ich springen. Ich konnte es wenn ich wollte. Ganz sicher. Ermutigt vom Alkohol zog ich die Beine über den Mauerrand zurück und stemmte mich in die Höhe. Unter mir gab es nichts als Dunkelheit und Stille. Ich trat näher an den Rand, betrunken vom Gefühl der Macht, welches mich durchflutete wie der Regen ein ausgetrocknetes Flussbett. Wenn ich wöllte, dann könnte ich springen. Heftig pochte das Herz in meiner Brust, pumpte Adrenalin durch meine Venen, um mich weiter in das Gefühl der Selbstkontrolle zu wiegen. Alles lag in meiner Hand, und nur in meiner. Ich brauchte Elias nicht, um mein Leben zu gestalten. Ich würde leben, lieben und irgendwann sterben. Ganz ohne ihn! Wie zwei majestätische Flügel streckte ich meine Arme weit von mir, den Kopf in den Nacken gelegt blickte ich in den verhangenen Himmel. Vereinzelt leuchteten die Sterne auf, um jeden ihrer Betrachter Mut und Zuversicht zuzusprechen.

»Tue es nicht! Bitte!«

Zusammenzuckend strauchelte ich zurück, die Schnapsflasche glitte mir aus der Hand und zersprang in hunderte winziger Glastränen auf der Mauer. Anklagend, wie ein Blutfleck, ergab sie die rötliche Flüssigkeit ihrem Schicksal.

Ungerührt stand Elias vor der Mauer, die Hände am rauen Stein abgestützt blickte er in die Ferne.

»Musst du dich so anschleichen?!« Dieser Idiot, was fiel ihm ein mich so zu erschrecken? Wollte er, dass ich versehentlich über den Rand stolperte? Noch wollte ich nicht sterben und wenn, dann sollte es mein eigener Wille sein und nicht ein blöder Zufall. »Was machst du überhaupt hier? Habe ich dir eben nicht deutlich genug zu verstehen gegeben, dass ich dich nicht mehr sehen will?«

Sein Adamsapfel hüpfte auf. »Wenn du springst werde ich auf die Sonne warten.«

»Willst du mich erpressen? Außerdem wer sagt, dass ich springen wollte,« schnappte ich.

Elias sah auf, trotz der Dunkelheit konnte ich das Aufleuchten in seinen Augen erkennen. »Ich habe dich gespürt. Deutlicher als alle anderen Male. Du willst unserem Bündnis entfliehen, mehr noch als je zuvor. Wenn ich die Augen schließe sehe ich dich vor mir, und wenn ich versuche meinen Gedanken in die Ferne zu zwingen, kehren sie doch immer wieder zu dir zurück. Jezabellé, du bist ein Teil von mir, ich kann dich nicht aufgeben. Nein, ich will dich nicht aufgeben!«

»Tzt, du hast eine tolle Art alles zu versauen.« Seufzend blickte ich auf die Schnapfspfütze zu meinen Füßen. Scheiße, gerade jetzt konnte ich einen kräftigen Schluck gebrauchen.

»Weiß du noch, als ich sagte ich sei dein Verderben während du mein Licht seist?«

Ich nickte, wie könnte ich diese Nacht vergessen?

»Ich kann nicht in die Dunkelheit zurück, dazu bin ich zu egoistisch. Ich will mich in deinem Licht suhlen, daran ergötzen und mich darin für alle Zeit einhüllen, als sei es die Vergebung für meine Sünden. Aber das kann ich nicht, wenn du vor mir fliehst.«

»Du Machst mir Vorwürfe?« War ich hier die Böse oder er? »Alles drehst du so hin wie du es willst, so geht das einfach nicht. Du kannst dich nicht in mein Leben drängen nur weil du glaubst ich müsse die Ewigkeit an deiner Seite verbringen damit du deinen Seelenfrieden hast!« Schnaufend verschränkte ich die Arme vor der Brust. Wieso redete ich überhaupt noch mit ihm? Jedes Wort aus seinem Mund riss ein kleines Stück meiner Wut mit sich und machte der dahinter verborgenen Verzweiflung Platz. Dieses Gefühl, welches mir das Herz zuschnürte wollte ich nicht, es musste verschwinden! »Ich brauche was zum trinken.« Nicht gerade elegant und durch den Alkohol etwas wackelig auf den Beinen sprang ich von der Mauer auf den Gehweg.

»Du hast genug getrunken.«

»Misch du dich da Mal nicht ein!« Mit der Absicht ihn fortzustoßen legten sich meine Hände auf seine Brust.

Unbewegt, wie die Statue eines gefallenen Engels, stand er vor mir, nicht gewillt Widerstand zu leisten. Meine Arme versagten mir den Dienst, sie wollten Elias einfach nicht davon stoßen, stattdessen blieben sie ruhige auf seiner marmorharten Brust ruhen.

»Wenn du gehst werde ich dir folgen. Überall hin,« flüsterte Elias rau. Auch ohne sein Gesicht zu sehen spürte ich die Anspannung seines Körpers bei jenen Worten. Er meinte es Ernst, nie würde er mich gehen lassen.

Pochend durchfuhr es meine Schläfen, seine Worte schnitten in mein Fleisch, wie ein Messer in Butter und hinterließen einen neuen schmerzhaften Sprung in meinem Inneren. »Wenn ich gehe dann ohne dich.« Meine Hände sanken hinab »Ich kann dir nicht vertrauen, nicht mehr.«

»Ich werde es zurück erlangen.« Optimismus schwang in seiner Stimme mit.

»Elias du hattest deine Chance.« Traurig schüttelte ich den Kopf. Vielleicht war es doch ganz gut Elias noch ein letztes Mal zu sehen und die Sache ein für alle mal zu bereinigen. »Ich werde jetzt gehen. Und du wirst mir nicht folgen.« Zum letzten Mal glitt mein Blick über seine maskuline Silhouette bevor ich mich abwand.

»Nein!« Elias schrie wie ein getretener Hund auf.

Und um mich herum, wurde es schwarz.

12. Verzeih mir!

Langsam, begleitet von sanften Gitarrenklängen, die sich zu einem traurigen Stück zusammenfügten, tauchte ich aus der Dunkelheit meiner Bewusstlosigkeit zurück an die Oberfläche. Stechend fuhr es jedoch, noch ehe ich es schaffte die Augen zu öffnen durch meine Stirn hindurch. Aufstöhnend krümmte ich mich und rollte aus der Rückenlage auf die Seite, von der die Gitarrenklänge herkamen.

»Jazébelle? Bist du wach?« Die Musik verstummte.

Mein Magen zog sich protestierend zusammen und ich presste die Augen feste zu, um der Versuchung ihn anzublicken zu widerstehen. Dass Letzte an das ich mich erinnerte war der Streit mit ihm, bevor alles um mich herum aufhörte zu existieren.

»Ich weiß, dass du wach bist, dein Herzschlag verrät es mir,« flüsterte er. Kühl strichen seine Finger über meine Schläfe, schoben das hervor gefallene Haar zurück und verdrängten mit ein wenig Druck für einen Buchteil von Sekunden die Schmerzen.

»Wieso hast du das getan?« Nur sehr leise und brüchig kamen die Worte über meine Lippen. Er schlug mich nieder, daran besaß ich keine Zweifel. Und wenn er auch glaubte, dass würde ihm etwas bringen, so scheuchte er mich nur noch weiter fort von ihm.

»Es ging nicht anders, ich musste es tun.« Er löste seine Fingerspitzen von mir und gab mich den Schmerzen wieder preis.

Tief zog ich den Sauerstoff in die Lungen. Ich lag auf einem weichen, warmen Untergrund, sein Bett, wie ich vermutete, und zog die über mir ausgebreitet Decke bis zum Kinn hinauf. Vorsichtig öffnete ich die Augen und wurde vom warmen Schein der kleinen Nachttischlampe seines Schlafzimmers begrüßt. Elias saß neben mir, auf dem Schoss eine alte Konzertgitarre, blickte er auf die Seiten hinab anstatt auf mich.

»Ich würde eher alle Sterne am Nachthimmel löschen, als dich gehen zu lassen.« In seiner Stimme lag Entschlossenheit und etwas Endgültiges. Für ihn gab es kein zurück, keinen anderen Weg mehr, als den Meinen. »Und auch wenn du es nicht willst,« er neigte den Kopf und sah zwischen hervor gefallenen Locken auf mich hinab, »so gehöre ich doch zu dir.«

»Und wenn ich dich nicht will?« Zum Henker noch mal, was war an meinen Worten so unmissverständlich? »Mich niederzuschlagen, sobald ich dir den Rücken zukehre, ist keine Lösung. Wieso kannst du das nicht verstehen?« Ganz vorsichtig, um den Schmerz in meinem Kopf nicht noch mehr Nahrung zugeben setzte ich mich auf.

Elias seufzte und legte die Gitarre zur Seite.»Was habe ich getan, dass du mich so betrafen tust?«

»Was du getan hast? Das fragst du noch? Du hast mich enttäusch, verletzt, gebissen und verraten und jetzt sag mir nicht, dass das nicht Grund genug ist, um dich auf den Scheiterhaufen brennen zu lassen,« fuhr ich auf.

 Der silberne Ring an seinem Daumen blitze im Licht auf, während er sich durch die offenen Locken strich und seine Finger darin verhakte.

»Jedes halbwegs vernünftige Wesen würde dich dafür hassen.«

Gequält blickte er auf und suchte in meinem Gesicht nach Anzeichen dafür.

»Also wieso lässt du mich nicht einfach gehen?« Ich versuchte Elias zu hassen für alles was er mir antat, doch in meinem Inneren sträubte sich mein Herz dagegen, es kämpfte tapfer gegen die Wut und den Schmerz die mich auszufüllen versuchten.

»Verzeih mir.« Elias, änderte seine Taktik und rückte näher »Gib mir die Chance dir zu zeigen, was du mir bedeutest, lass mich dein Herz zu erobern.«

Stumm blickte ich in seine Augen, die verzweifelt versuchten mich zu überzeugen. Konnte ich ihm diese zweite Chance geben, nach allem was vorgefallen war? Ich haderte mit mir, fortzugehen wäre um so viel einfacher, als zu bleiben.

»Wenn du es nicht wenigstens versuchst, wirst du nie herausfinden wie es hätte sein können.«

»Und wenn du wieder alles zerstörst?« Ich zweifelte daran, dass er sich je verändern würde, dafür war er nicht nur bereits zulange auf der Erde, sondern auch viel zu sehr der Mann, der bisher alles bekam, wonach ihm verlangte.

»Was verlangst du?«

»Dass du mich gehen lässt.« Willigte ich gerade ein Es noch einmal mit ihm zu versuchen? Verdammt noch mal, ich ließ mich einfach zu leicht überreden.

Elias dunkle Miene hellte sich auf, seine Lippen zierte ein Lächeln, dass seine Augen zum Strahlen brachte. Er bekam, wieder einmal, was er wollte. »Was immer du willst.«

»Hoffentlich.« Ob er mich wirklich würde gehen lassen, verbockte er es? Ich war mir nicht sicher, immerhin setzte er alles Erdenkliche daran mich zuhalten, doch daran wollte ich jetzt nicht denken. Immerhin wäre das Schwarzmalerei und zu der neigte ich in letzter Zeit viel zu oft.

Langsam neigte er sich vor »Das ist kein Versprechen, sondern ein Abkommen. Und als solches muss dies besiegelt werden.«

Instinktiv zog sich alles in mir zusammen, er wollte es doch nicht etwa mit Blut besiegeln?

»Nur ein Kuss,« flüsterte er, als habe er meine Gedanken vernommen.

Erleichtert atmete ich auf, mit einem Kuss konnte ich leben, auch wenn mir gerade der Sinn eher nach einem Aspirin, als einem Kuss stand.

Behutsam beugte er sich vor, hauchte seinen Atem auf meine Lippen und verunzierte damit meine Arme mit Gänsehaut.

Die letzten Millimeter kam ich ihm entgegen, um diesen Kuss schleunigst hinter mich zu bringen. Und obwohl sich seine Lippen weich und sanft an meine schmiegten, blieb das elektrisierende Prickeln, das bei einem Kuss dazugehören sollte, aus. Ich empfand es gar als Erlösung, als er sich wieder von mir löste.

Sein Blick, undurchdringlich und nichtssagend, ließ mich erahnen, dass es ihn enttäuschte nicht mehr Gegeninitiative von mir zu erhalten. Aber was erwartete er denn von mir? Dass ich ihm in die Arme fiel und während seines Kusses dahin schmolz? Nein, dafür musste die Fledermaus schon mehr bieten, wie zum Beispiel mein grenzenloses Vertrauen zurückgewinnen. Wir mussten dafür von vorne beginnen und dabei wäre ein Aspirin ein wirklich sehr guter Anfang.

13. Mein Beileid zu deinem Tod!

Mein Leben schien wieder halbwegs zur Normalität zurückzufinden. Elias akzeptierte meinen Wunsch auf etwas Abstand zwischen uns, Julien sah ich nicht wieder, Alexa kehrte aus ihrem Liebesurlaub zurück und ich arbeitete wieder im Milton´s.

»Los, los, los! Was ist mit deinem Neuen nun?« Alexa lehnte hinter dem Tresen an der Arbeitsplatte. Milton sah dies nicht gerne, gab aber irgendwann auf sie darüber zu belehren, dass die Kundschaft hinter der Theke nichts verloren hatte.

»Was soll mit ihm sein?« Vorsichtig, um nichts zu verschütten, füllte ich ein silbernes Kännchen mit neuer Sahne auf und ignorierte Alexas fordernden Blick. Sie verlangte seit ihrer Heimkehr am Morgen ständig neue Informationen über mein Liebesleben. Es ist mit ihr, als habe sie ein eingebautes Radar für vor ihr verheimlichte Liebesangelegenheiten, dem es nicht zu entkommen galt.

»Jez,« schnaufend trat sie auf. »Wieso muss ich dir alles aus der Nase ziehen? Habe ich dir nicht heute Morgen auch alles über Stefan erzählt?«

»Du hast mir ja auch keine andere Wahl gelassen. Wirfst mich früh morgens aus dem Bett und haust mir die Praktiken deines Lovers um die Ohren. Anstatt damit anzufangen, wie erholt du bist oder was du erlebt hast.«

»Früh morgens? Komm Jez, es war elf Uhr. Aber du warst ja noch nie ein Frühaufsteher. Und jetzt mecker nicht so herum, sondern gib mir handfeste Fakten. Und ganz nebenbei habe ich dir erzählt was ich erlebt habe!«

»Fakten? Oh Alexa du nervst!«

»Fakten, Fakten, Fakten, Süße. Nichts anders zählt im Leben.« Sie beugte sich vor und angelte nach einem Erdnusskeks aus der Auslage »Der geht aufs Haus.«

»Hey,« ich fuhr auf. Zähflüssig ergoss sich die Sahne über meine Hand und tropfte behäbig auf die Arbeitsplatte nieder. »Jetzt hast du es geschafft. Ich hab die Sahne verschüttet« Wären keine Gäste im Café gewesen, meine Busenfreundin hätte das Kännchen glatt an den Kopf bekommen. So malte ich mir ihr erschrockenes Gesicht, bekleckert mit Sahne nur vor. »Soll gut für die Haut sein,« murmelte ich grinsend und angelte nach einem Tuch um die Sauerei zu entfernen.

»Was?«

»Hör auf den Laden leer zu fressen,« brummte ich »Ich vergeh mich auch nicht ständig an den Törtchen.«

»Aber am Kaffee.« Milton reichte einen leeren Teller über den Tresen »Aber macht euch keine Sorgen, ich habe mich damit abgefunden, von euch in den Ruin getrieben zu werden.« Ehe er auf seine Worte eine Antwort ernten konnte, verschwand er auch schon wieder zwischen den Gästen.

»Ihr bringt mich noch ins Irrenhaus, allesamt.«

»Stell dich nicht so an, wirst schon nicht dran sterben.« Alexa stibitzte sich einen weiteren Keks. »Und nun? Wann wirst du ihn wiedersehen?«

Ich gab es auf. Alexa ignorierte stur, dass ich nicht über meine Beziehung zu Elias reden wollte, wenn man es denn so nennen konnte. »Wie wäre es mit jetzt?«

Selbst im Licht der Laternen konnte ich durch die Glasfront Elias Gestalt, die braunen Locken und die für ihn typische schwarze Motorradjacke erkennen. Doch was trieb er dort? Er hantierte mit irgendetwas herum und deutete immer wieder auf dem Boden.

»Alexa, wenn du dich auch nur einen Zentimeter von der Stelle rührst war es das mit Gratiskeksen für den Rest deines Lebens.« Ich umrundete den Tresen auf den Weg zur Türe.

»Nur, wenn ich ihn gleich kennenlernen darf,« rief sie  mir nach.

»Nicht in diesem Leben,« flüchtig zeigte ich ihr den Vogel, bevor ich das Café verließ.

»Jezabellé,« Elias sah auf, die Lippen zu einem verschmitzten Grinsen verzogen. »Du solltest doch nicht raus kommen. Ich wollte dich überraschen.«

Das große dunkle und ziemlich zottelige Bündel zu seinen Füßen erhob sich und fixierte mich mit hellbraun dreinblickenden Augen.  Die Rute des Tieres schlug aus, wie eine Wünschelrute, stieß sie auf Energie, Wasser oder auch immer gerade damit gesucht wurde.

»Das gibt es doch nicht.« Er war es, der Hund der mich vor Julien rettete. »Ich dachte ich sehe dich nie wieder.« Ich sank auf die Knie, die Hand vorsichtig nach ihm ausgesteckt ohne ihn dabei gleich zu berühren.

Seine feuchte Schnauze drückte sich in meine Handfläche und sogleich folgte die lange raue Zunge, die er mit immer heftiger wedelndem Schwanz, über meine Haut wandern ließ. Er erinnerte sich

»Mein Gott Elias, wo hast du ihn nur gefunden?«

»In einem Tierheim.«

»Was hast du dort gemacht?« Ohne aufzuschauen, kraulte ich meinen zotteligen Freund hinter den Ohren, während er versuchte seine Zunge immer höher über meinen Arm gleiten zu lassen.

»Ich dachte es würde dir gefallen ihn bei dir zu haben.«

»Bei mir?« Ich wurde hellhörig »In meiner kleinen Wohnung? Bei meinem Kater?«

Elias Adamsapfel hüpfte auf. »Da gibt es noch etwas, worüber ich mir dir sprechen muss.« Mit der freien Hand fuhr er sich durchs offene Haar, während sein Blick die Straße entlang glitt.

»Es hat etwas mit Sivan zu tun, nicht wahr?« Mit einem schwachen Lächeln strich ich dem Hund über den Kopf und erhob mich wieder. Langsam begann ich zu verstehen, dass Elias den Hund nicht völlig ohne Hintergedanken aus dem Tierheim holte.

»Du willst nicht bei mir einziehen, dich meinem Lebensrhythmus anpassen,« schnaufend warf er einen abwertenden Blick ins Innere des Miltons. Ihm passte es nicht, dass ich darauf bestand mein Leben vorerst auch tagsüber stattfinden zu lassen. »Deshalb muss ich einen anderen Weg finden für deine Sicherheit zu sorgen.«

»Ach Elias,« ich seufzte. »Ich weiß du machst dir Sorgen, aber bei Tageslicht laufen nun mal keine Vampire herum, sicherer kann ich eigentlich nicht sein.« Es sei denn, sie benutzten auf einmal hochwirksamen Ultra Sunblocker.

Er schüttelte sich »Es gibt selbst am Tag Möglichkeiten für einen Vampir dich zu entführen.«

»Zum Beispiel?«

»Nein, die werde ich dir nicht offenbaren.«

»Hast du sie denn schon einmal benutzt?« Ganz von selbst fand meine Hand den Weg auf den Kopf des Hundes zurück. Bei der Größe würde selbst der bestgebauteste Dieb einen Sicherheitsabstand zu mir einhalten.

»Ja,« er überwand mit einem großen Schritt die Distanz zwischen uns. Eindringlich schaute er mir in die Augen »Hör auf das was ich dir sage. Nur einmal.«

»Und wo soll ich hin mit dem Hund? Du weißt, wie klein meine Wohnung ist.«

»Jezabellé,« kühl fuhren seine Fingerspitzen mein Kinn entlang. »Es ist nur vorübergehend, bis ich Sivan zur Vernunft gebracht habe. Danach kann er bei mir bleiben, solange bis du bereit bist bei mir einzuziehen.«

»Na gut,« ich musste mir eingestehen, dass ich mich mit dem Hund wirklich ein wenig sicherer fühlte. Zudem mochte ich ihn, er war mein Lebensretter, wie könnte ich ihn nun abweisen? »Aber wo das geklärt ist, was hat Sivan getan?« Elias ließ sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen, es sei denn, es betraf mich oder meine Entscheidung abzuhauen, sollte es nicht funktionieren.

Die Türe des Cafés schwang auf und zwei Frauen traten heraus. Elias zog mich ein Stück zur Seite und schwieg, bis alle eventuellen Zuhörer außer Reichweite verschwanden.

»Er hat mir etwas geschickt.«

»Und was ist daran so schlimm?«

»Hier,« aus der Innentasche seiner Jacke zog er einen Umschlag und reichte ihn mir.

Es verging ein kurzer Moment, bis ich die Karte herausgezogen bekam. Mein Inneres zog sich unsanft zusammen. Auf der schlichten grauen Karte schlang sich Efeu um eine einzelne weiße Lilie und in verschlungener, hellgrauer Schrift stand dort „Aufrichtiges Beileid“ geschrieben. Sollte ich die Karte wirklich öffnen? Sivans Absichten waren für mich damit völlig klar. Dennoch, ich musste wissen, was innen stand. So überwand ich mich und öffnete die Beileidskarte und las »Kämpfe, Lebe, Liebe bis zum letzten Atemzug, denn der Tod wird der Sieger sein. Sivan.«

»Damit wirft er eine sehr lange und gute Freundschaft weg,« grollte Elias.

»Bereust du es?« Mein Magen flaute auf, eisig legte diese Drohung ihre Krallen um mich. Ich wusste das Sivan hinter mir her war, doch diese schriftliche Drohung saß.

»Nein,« seine Arme schlangen sich um meine Mitte und zogen mich an seine Brust. Kühl strich sein Atem meine Schläfe entlang, als er sprach »Es gibt viele Dinge, die ich bereue, aber du gehörst nicht dazu.«

Widerstandslos lehnte ich mich an ihn. Seine körperliche Nähe wirkte beruhigend und schützend, wie ein Schild das alles Böse von mir fernhielt. »Das meine ich nicht.«

»Sondern?«

»Du warst einmal genau wie Sivan.« Genau wie sein angeblich bester Freund eiferte er in früheren Jahren den Sela-Asinis anderer Vampire hinterher und ich zweifelte nicht mehr daran, dass unter den Vampiren auch der ein oder andere seiner Freunde war.

»Ja.« Elias lehnte sich ein Stück zurück und sah mich an. In seinem Blick las ich Schmerz und Sorge, etwas das er für gewöhnlich für sich behielt. »Seid ich dich kenne bereue ich viele meiner Taten, denn seid dein Licht mich gestreift hat weiß ich, was wahrhaftiges Leid und Liebe sind.«

Abermals schwang die Türe auf. Alexa steckte ihren Kopf heraus, ein Grinsen, das einer Hyäne alle Ehre machte, lag auf ihren Zügen. »Jez, ich will euch ja wirklich nicht stören, aber wollt ihr wirklich den ganzen Abend da draußen in der Kälte stehen bleiben? Ihr könnt auch rein kommen, Milton sagt, dass sogar der Hund mit rein darf und ich will deinen Freund endlich kennenlernen.«

Ich seufzte »Ist ja gut wir kommen jetzt.«

»Prima,« freudig klatschte Alexa in die Hände und ließ die Türe wieder zufallen. Sie konnte es kaum erwarten Elias kennenzulernen.

»Bist du sicher, dass du jetzt nicht alleine mit deinen Freunden sein willst?«

»Ja, wenn du mir einen Gefallen tust.«

Argwöhnisch trat er einen Schritt zurück. Sofort erbebte mein Körper aufgrund der auf mich einschlagenden Kälte. Schlug Elias Nähe die frostigen Krallen der Drohung zuvor noch zurück, packten sie nun wieder fester zu. Frierend fuhr ich mir über die Arme.

»Ich möchte, dass du dich bei Ihnen entschuldigst.«

»Sie werden mir nie verzeihen,« seine Miene verhärtete sich.

»Das brauchen sie nicht. Entschuldige dich einfach bei ihnen, mehr verlange ich nicht.«

Er schluckte »Wenn du das wirklich willst, werde ich es versuchen.«

14. Heute im Programm: Dracula

Seufzend sank ich tiefer in den weichen Kinosessel und lauschte dem Gemisch gemurmelter Wortfetzen und leiser Rockmusik aus den Deckenboxen. In zehn Minuten begann der Film, Dracula, ein Klassiker. Zu dieser frühen Uhrzeit sogar mit fünfzig Prozent ermäßigtem Eintritt und dennoch herrschte fast leerende gähne.

»Wirst sehen, ehe dein Lover etwas mitbekommt sind wir wieder da.« Alexa stopfte sich eine Handvoll Popcorn in den Mund.

»Und Moony wird dich bestimmt nicht verraten.« Sie konnte es nicht lassen den neuen Namen für den zotteligen Hund ständig zu verniedlichen. Na gut, Moon lud geradewegs dazu ein, allerdings gehört er nicht zu der Sorte Hund, welche man Herzen und nach Belieben knuddeln kann, es sei denn man legt keinen Wert auf die Vollständigkeit seiner Finger.

»Du hast ja recht.« Seid Sivans netter Karte ließ Elias mich keine Sekunde mehr aus den Augen, selbst am Tag, wenn er schlief oder vor sich her döste, hätte er mich gerne ununterbrochen an seiner Seite. Ginge es nach ihm, wäre ich mit Handschellen an ihn oder das Bett gefesselt, nur damit er sicher gehen konnte meinen Aufenthaltsort zu kennen oder bestimmen zu können. Nur während meiner Schicht im Miltons ließ er mir meinen Freiraum. Genau diesen unbeobachteten Moment nutze ich nun schamlos aus, um mit Alexa die sechzehn Uhr Vorstellung zu besuchen. Und ich? Ich schämte mich nicht einmal, denn dieser Kinobesuch fühlte sich wie ein Stück der Freiheit an, welche die Vampire mir versuchten immer mehr zunehmen.

»Hab ich immer«, murmelte sie zwischen zwei Bissen.

»Wenn du so weiter machst, ist das Popcorn leer, ehe der Film anfängt.« Ich angelte nach dem Eimer.

»Dann gibt es eben Neues,« rasch, ehe ich ihn überhaupt berühren konnte, hob sie den Eimer in die Höhe, weit fort von meinen kurzen Armen, als befürchte sie ich könnte ihr etwas wegessen.

»Du bist verfressen!«

»Ich bin noch klein, ich brauch die Nährstoffe.«

»Riesenbaby,« prustend lehnte ich mich zurück. »Kein Wunder, dass der Kühlschrank immer leer ist.«

»Pff,« schnalzend stieß sie ihren Ellenbogen in meine Seite »Du frisst genauso wie ein Scheunenfresser.«

»Das stimmt nicht!«

»Ach ja? Und wieso haben wir dann eines von diesen supertollen und platzsparenden Dingern?«

»Das Laufband?«

»Ja, das Laufband und jetzt überleg mal haarscharf, wann du mich das letzte Mal darauf gesehen hast?«

»Gut ich gebe es zu. Das Laufband ist meine Anschaffung, aber schaden würde es dir auch nicht.« In einem Wahn, viel zu viel durch meinen Job zu essen besorgte ich mir dieses Fitnessgerät. Es konnte ja nicht schaden sich hin und wieder sportlich zu betätigten. Bei dem Gedanken jedoch blieb es bisher.

»Fräulein?«

»Mhm?«

»Halt die Klappe, der Film fängt an.« Genau genommen war es die Eisvorschau, die auf dem Schirm ab flimmerte, während die Lampen langsam erloschen.

Knallend schlug die schwere Metalltüre zu und störte Shia LaBeouf in der Vorschau seines neusten Film. Zwar nur einen Augenblick, aber es genügte, um mich abzulenken. Auch wenn die meisten Sitze im Saal leer blieben, einer kam immer zu spät. Kopfschüttelnd machte ich es mir im Sessel bequem und konzentrierte mich wieder auf die Leinwand.

Bis dieser Zuspätkommer ausgerechnet in unsere Reihe einbog. Und zu allem Überfluss trug er auch noch einen dicken Kapuzenmantel, jener, dessen Gesicht im Schatten verbarg.

Meine Schultern zogen sich zusammen. Draußen herrschten mindestens fünfundzwanzig Grad, kein vernünftig denkender Mensch würde da in diesen scheußlichen Mantel einen Hitzeschlag riskieren. Dies bedeutete nur eines. Alle Glocken meines mentalen Alarms läuteten auf. Ein verdammter Vampir!

»Alexa?« Ich rutschte in meinem Sessel näher zu ihr heran und flüsterte »Komm, wir setzen uns um.«

»Wieso?« Sie schielte an mir vorbei, auf die Gestalt. »Hier sitzen wir doch gut.«

»Ja, aber ich glaub von hinten sieht man besser. Drei Reihen nur, komm schon.«

»Nein, glaub mir das sind die besten Plätze,« sie grinste »Und der Kerl da wird schon nicht beißen.« Alexa beendete unser Gespräch, indem sie sich eine erneute Hand Popcorn in den Mund schob und auf die Leinwand deutete. In roten, zerlaufenen Lettern malte sich der Filmtitel auf der Leinwand ab. Dracula. Wie passend.

Angespannt verharrte ich. Neben einem Blutsauger, solange nicht mein eigener, wollte ich keinen Horrorfilm schauen. Doch da Alexa nicht von ihrem Platz weichen würde ehe der Abspann lief musste eine Lösung her.

Vielleicht konnte ich Elias anrufen und um Hilfe bitten? Nein, mein Handy lag bei Milton, was sollte ich damit auch schon in einem Film? Geistig trat ich mir in den Hintern und notierte mir auf meinem Gedächtniszettel „IN ZUKUNFT KINO MIT HANDY“.

»Wieso so angespannt mein Kätzchen?« Kalte Finger packten meine Hand und verhakten sich mit den meinen. Sein Daumen strich glatt wie ein Kiesel über meine warme Haut. Fröstelnd zogen sich meine Schulterblätter zusammen. Ja, ein Vampir. Und kein Unbekannter. Diese Stimme erkannte ich überall.

»Was willst du?«

»Muss ich das wirklich noch einmal vor dir erläutern?« Kehlig erfüllte sein Lachen den Saal und brachte ihm ein Zischen aus den hinteren Reihen ein. »Ich dachte meine Absichten wären klar genug.« »Sivan, du solltest dich nicht mit Elias anlegen.«

»Und wieso?« Er schob seine Kapuze vom Kopf und präsentierte eine perfekt sitzende Frisur. »Apropo, Elias. Wie hast du es geschafft, die alte Schlange abzuhängen?« Es gefiel mir nicht, wie er über Elias sprach, im Moment jedoch konnte ich keine Rücksicht auf dessen Ruf nehmen.

»Das geht dich nichts an. Aber nur, damit du es weißt, er wird mich hier gleich abholen.«

»Dann werden wir wohl früher gehen müssen, Liebling.«

»Du willst mich entführen,« zischte ich. »Das kannst du nicht machen.« Verblüffung spiegelte sich auf seinem Gesicht wieder »Wieso sollte ich nicht? Der Alte ist nicht mal in der Nähe.«

»Hat dir schon einmal jemand gesagt, dass du nicht mehr alle Tassen im Schrank hast?«

»Ja.«

»Und? Hat es was gebracht?«

Er nickte »Ich hab sie getötet. Ihr Weiber habt die lästige Angewohnheit einem Mann ständig seine Schwächen vorwerfen zu müssen. Auf Dauer hält das niemand aus.« Damit outete er sich einmal mehr als totaler Psychopath.

»Las mich sofort los,« ich versuchte ihm meine Hand zu entziehen. Vergeblich.

»Wieso so zimperlich?«

Mit der freien Hand steuerte ich so unauffällig wie möglich auf Alexa zu. Sie musste doch mitbekommen, was hier lief.

»Ich sag es nicht noch einmal!« Ich berührte die weiche, warme Haut ihres Unterarmes.

»Sonst was?« In seinen Augen leuchtete es. Er liebte dieses Spiel und tat alles daran, es auch zu gewinnen.

»Hau ich dir eins auf die Schnauze, dass du durchs ganze Kino fliegst!« Alexa beugte über den Sitz zu ihm rüber. Die Lippen zu einem schmalen Strich verzogen fixierte sie den Störenfried, wie eine Wespe auf dem Bienenstich. In solchen Situationen konnte sie es sich nicht verkneifen, den Mann heraushängen zu lassen, welcher sie einst hätte werden sollte.

Sivan knurrte. Provokant zog er meine Hand zu seinen Lippen, den Blick nicht von Alexa abgewandt, um ihr zu zeigen, dass ihre Worte ihn nicht im Geringsten einschüchterten.

»Freundchen,« erhobenen Zeigefingers nahm ihre Stimme eine Oktave zu. »Ich wiederhole mich nicht!« Im Hintergrund wurde das Gemurmel der anderen Besucher lauter.

Kühl schmiegten sich Sivans Lippen an meinen Handrücken. Und ganz sanft, als wolle er die Haut nicht verletzen küsste er sie. Kribbelnd durchfuhr mich ein Stromschlag, ich rechnete damit jeden Moment seine Reizzähne in meiner Hand wiederzufinden.

»Wir gehen.« Ich sprang auf und schluckte den Schmerzenslaut, welcher meine Kehle hinauf stieg herunter. Sivan hielt noch immer meine Hand an Ort und Stelle, so als habe ich mich nie bewegt. Ich fühlte mich wie die Fliege, welche am klebrigen Fänger hingen blieb. Alexa setzte zum Protest an. »Bitte,« ich wollte nur noch raus aus dieser Hölle. Wenn Alexa etwas geschah, konnte ich mir dies nicht verzeihen.

Gereizt erhob sie sich, der Popcorneimer schlug dumpf auf den Boden auf und verteilte seinen klebrigen Inhalt, wie Sterne am Nachthimmel. »Hast noch einmal Schwein gehabt,« giftete sie Sivan an und warf einem erbosten Zuschauer, welcher sich über den Lärm beschwerte einen weiteren tödlichen Blick zu.

Ich spürte sein Lächeln auf meiner Haut und die Spitzen seiner Zähne, wie sie fast schon liebevoll darüber strichen.

»Ich krieg dich schon noch.« Mit lautem amüsiertem Lachen entließ er mich. Diese Runde gewann er zwar nicht, dennoch ging der Punkt vollends an ihn.

15. Spielen verboten!

Alexa ließ mich nicht gerne alleine losziehen, doch letztendlich blieb ihr nichts anderes übrig, als mich bei Elias abzusetzen, Moon bei Milton abzuholen und nach Hause zu fahren. Natürlich nicht ohne mir das Versprechen abzunehmen ihr später alles zu erklären. Zu diesem Zeitpunkt jedoch konnte ich mir nun wirklich keine Gedanken darüber machen, welche Lüge ich ihr auftischte, geschweige davon ihr lieber die Wahrheit zu sagen. Sie ließ mich vor Elias Apartment aus dem Auto steigen und ehe die Türe zurück ins Schloss fiel durchquerte ich bereits die gläserne Türe und die Empfangshalle.

»Mister Kincaid.«

»Poke, halt die Fresse,« ich eilte an Pokengesicht vorbei, seine Worte interessierten nicht. Zumal er meistens nur sinnlose Informationen von sich gab. Ich wollte nur noch eines. Zu Elias, auch wenn dies bedeutete, dass ich eingestehen musste seine Regeln nicht zu befolgen. Im Moment das kleinere Übel, wie ich fand.

Als sich die Fahrstuhltüre öffnete, präsentierte sich mir seine Wohnung nicht wie üblich in Tageslicht getaucht schlummernd. Stattdessen schmiegten sich lichtdicht die Jalousien die großen Fenster hinab und sperrten das Tageslicht aus. Elias war also wach.

»Elias!« Ich trat in die Wohnung, sogleich zogen sich die Türen des Fahrstuhles surrend hinter mir zu. Ich rechnete damit, dass er auf mich los gestürzt kam, um mich für meine Dummheit über das Knie zu legen, doch nichts geschah. »Wo bist du?« Meine Tasche landete auf der Couch, während ich tief durchatmete und lauschte. Nichts, nicht das leiseste Geräusch. Ignorierte er mich? »Ach komm schon, ich hab heut keine Lust auf deine dämlichen Spielchen.«

Immer noch nichts. Entweder war er wirklich nicht da oder ließ mich zappeln. »Na super, der eine will mich Fressen und der andere Ignorierte mich. Langsam hab ich die Schnauze von euch dämlichen Vampiren gestrichen voll.« Ich löste das Gummi meines Zopfes und fuhr mir durch die offene Mähne. »Bratet doch alle in der Sonne!« Und um meinen Worten Nachdruck zu verleihen, griff ich nach dem Schalter der Jalousien, rechts neben dem großen Fenster.

»Das würde ich sein lassen«, flötete es.

Erschrocken fuhr ich zusammen und blickte in das fremde, kaffeebraune Gesicht, welches von dicken, hüftlangen Rastalocken eingerahmt wurde. Meine Hand lag immer noch auf dem Schalter.

»Wer sind Sie?«

»Jemand den du nicht verärgern willst,« grinste er zwischen wulstigen Lippen und zeigte dabei tiefe Grübchen und spitze Eckzähne.

»Sagt wer?«Rasch platzierte ich mich mit dem Rücken vor dem Lichtschalter, um mir wenigstens einen kleinen Vorteil gegenüber dem Fremden zu verschaffen. Und während der Chrom sich sanft an meine Finger schmiegte drückte ich zu, nur ganz kurz, um ihm zu zeigen, dass er besser nicht mit mir spielte, doch es genügte, um die Jalousien einen fingerbreiten Spalt in die Höhe zu ziehen.

Zischen fuhr der Kerl zurück und betrachtete die schmalen Sonnenstreifen, welche sich über mich hinweg ins Zimmer drängten.

»Ich werde sie öffnen«, warnte ich ihn. Wenn es nötig war, ihn in Asche zu verwandeln, nun dann würde ich es tun.

»Ganz schön selbstmordgefährdet!« Er strich sich eine dicke Strähne über die Schulter zurück.

»Also?«

In einem Tempera tiefer als Elias lachte er auf und entblößte erneut seine spitzen Eckzähne. »Ich mag Frauen, die wissen, was sie wollen.« Zwinkernd zog er sich bei seinen Worten das schwarze T-Shirt aus der zerrissenen Jeans.

»Und ich hasse es keine Antworten zu bekommen.« Nur eine kurze Bewegung und schon schoben sich die Jalousien einen Spalt weiter auf.

»Du willst also meinen Namen? Dann verdien ihn dir.« Langsam schob er sein Hemd in die Höhe und entblößte einen schmalen Streifen schwarzer Locken auf einem flachen Bauch. Himmel, was für ein schlechter Scherz.

»Wieso kürzen wir nicht ab und ich kehr dich gleich raus? Oder ist dir saugen lieber?«

»Goldlöckchen,« gurrte er »wenn du spielen willst, nur zu. Wir werden sehen, wer schneller ist.«

Noch ehe ich eine Bewegung von ihm registrierte, drückte ich den Schalter völlig durch, klappernd und protestierend hoben sich die Metallblenden in die Höhe. Im gleichen Augenblick packte er zu und schleuderte mich zu Boden. Alles in der Umgebung begann sich zu drehen, mein Kopf schmerzte, während meine Hüfte pochte, als wollten die Knochen nach außen brechen, als ich schließlich vor dem Bücherregal zum Erliegen kam.

»Schätzchen,« seine verschlissenen Schuhe nahmen mein Blickfeld ein. Kopfschüttelnd stand er über mich gebeugt »du solltest doch die Finger von diesen Jalousien lassen.«

»Sonst was?«

»Sonst-« Weiter kam er nicht. Ein Leises klacken, wie von einem Schloss und ein zweites paar Schuhe, weit aus gepflegter, brachten ihn zum Schweigen.

»Sonst was?« Kalt, gepaart mit einem zornigen Unterton wiederholte Elias meine Frage.»Antworte Nero und ich sehe von deinen überlebensnotwendigen Organen ab.« Er drückte dem Vampir den silbernen Lauf seiner Handfeuerwaffe gegen die Schläfe.

»Willst du mich erschießen?« Neros Grinsen verblasste.

»Ganz recht, ich werde dir dein beschissenes Hirn aus dem Schädel schießen!«

»Nein, dass brauch ich noch.«Fröhlich zwinkerte er mir zu »Das wächst nicht nach.«

Dieser plötzliche Stimmungswechsel stimmte mich misstrauisch. Irgendetwas stimmte hier nicht und sicherlich waren die Vampire sich darüber im Klaren. Was mich betraf, so tappte ich einmal mehr im Dunklen.

»Geh von ihr fort.« Mit dem Finger am Abzug senkte Elias die Waffe. Er traute Neros Worten nur bedingt und wappnete sich für den Fall, dass der Vampir es sich noch anders überlegen würde.

»Reg dich ab. Wir haben doch nur ein wenig miteinander gespielt.« Lässig, als sei nie etwas passiert schlenderte Nero, der Sonne ausweichend zum Schalter der Jalousien und ließ die Metallettern wieder vollständig ausfahren.

Erleichtert nicht als Zwischenimbiss zu enden setzte ich mich auf. Mein Hinterkopf schmerzte und pochte vor sich her, mein Magen tanzte Rumba und all meine Muskeln jaulten unter der Bewegung. Ich hasse Vampire!

»Du hast dich Rumgetrieben,« tadelnd blickte Elias zu mir hinab. Die Augen zusammengekniffen und den Mund zu einem dünnen Strich verzogen, konnte ich nur schwer verkennen, dass es in ihm brodelte, wie Lava im kurz vor dem Ausbruch stehendem Vesuv.

»Wieso fragst du nicht erst, ob alles in Ordnung ist«, fuhr ich ihn fauchend an. Die letzten Ereignisse begannen langsam ihren Tribut von mir zu fordern.

»Du hast heute gar keine Schicht gehabt. Und vergangenem Morgen auch nicht.«

»Woher willst du das wissen?«

»Ich war im Miltons.«

»Du spionierst mir nach?« Noch ein wenig wackelig auf den Beinen erhob ich mich, um wenigstens in fast gleicher Augenhöhe mit ihm zu streiten. Ich hasste es mich ihm unterlegen zu fühlen.

»Das muss ich ja anscheinend, wenn du mich so belügst!« Erst jetzt sicherte Elias seine Waffe und verstaute sie ihm Halfter unter seiner Lederjacke. »Du hättest wenigstens Moon mitnehmen können!«

»Lass meinen Hund daraus! Wenn du dich nicht wie eine verdammte Glucke aufführen würdest, bräuchte ich dich auch nicht anlügen!« Diese verdammte Nachtratte schaffte es doch immer wieder meinen Zorn herauf zu beschwören. »Ich habe nicht gebeten in all euren Fledermausmist hineingezogen zu werden!« Ich brauchte etwas zu trinken, und zwar Starkes. Doch seit meiner kleinen Unterhaltung mit der Mauer verbannte Elias selbst Wein rigoros aus meiner Gesellschaft. Ich könnte Schreien. Seit seinem Auftauchen begann meine Welt immer eingeschränkter zu werden. Das einzig Starke, welches er mir in seiner Umgebung gestattete war Kaffee. Und genau so eine große starke Tasse konnte ich nun gebrauchen.

»Fledermaus?« Nero gluckste vor sich her.

»Halt die Schnauze,« Elias wandte sich ihm zu, die Lippen drohend gefletscht zeigte er dem Vampir seine Fangzähne.

Mein Stichwort. »Idioten,« ich ließ die Männer stehen und stampfte in die Küche. Sollten sie sich doch gegenseitig zerfleischen, dann wäre zumindest ein Problem gelöst. Ich riss die Schranktüre über dem extravaganten, und meiner Meinung nach völlig überflüssigen, silbernen Kaffeeautomaten, welcher wie ein riesiger Klotz die Küchenzeile dominierte, auf. Zwischen all den Tee-Dosen und Beuteln musste die goldene Packung mit dem Kaffee stehen.

Die Lederkombi knirschte bei seinen Schritten leise auf, und verstummte erst, nachdem er die Türe hinter sich schloss. Die Arme vor der Brust verschränkt lehnte Elias gegen die einzige Fluchtmöglichkeit und studierte mein Tun.

»Wo ist sie?« Zwischen all den Packungen blieb mein Schatz aus gemahlenen Bohnen bisher unauffindbar. Dabei brauchte ich ihn jetzt so nötig, wie nach einer durchzechten Nacht im Poison.

»Ich habe ihn weggeworfen.«

»Du hast was?!«

»Ich mag es nicht, wenn dein Blut damit geschwängert ist.« Noch immer zeigte er keine Regung. Gar seine Mimik blieb ausdruckslos und starr, kein Zeichen mehr von Wut tauchte auf seinen Zügen auf. Ein schlechtes Zeichen.

»Das ist mein Blut, damit kann ich machen was ich will«, schrie ich Elias an. »Wieso glaubt ihr eigentlich alle das Recht zu haben darüber bestimmen zu dürfen?«

»Jezabellé.«

»Nein, halt die Klappe! Mein Tag war schon beschissen genug und dann schmeißt du auch noch meinen Kaffee weg! Weißt du, was du bist?« Ich redete mich in rage »Ein beschissener Leichenfledderer. Ja genau und wärst du nicht so verdammt egoistisch, hättest du mich springen lassen.«

»Es reicht,« Elias schnellte hervor, packte zu und drückte mich gegen die Küchenzeile. »Nenn mich, wie du willst, aber sag so etwas nie wieder,« knurrend schüttelte er den Kopf. »Hörst du? Nie wieder.«

»Aber.«

»Nichts aber. Jezabellé, sieh mich an,« sanft legten seine Finger sich unter mein Kinn und zwangen mich zu ihm auf zuschauen. »Ich weiß es ist nicht leicht. Das wird es vermutlich nie sein. Du wirst mich in der Zukunft sehr wahrscheinlich ein halbes dutzend Mal in die Sonne zum Braten schubsen wollen. Eigentlich kann ich es dir auch gar nicht verdenken,« seine Mundwinkel zuckten. »Aber du darfst nicht aufhören zu kämpfen. Niemals. Denn wenn du jemals kapitulierst, war alles umsonst.«

»Ich weiß nicht ob ich noch länger durchhalte,« entwich es mir wimmernd. Und es stimmte. Meine Kräfte neigten sich zum Ende hin. Nicht nur, dass ich selbst am Tag vor Sirvan nicht mehr sicher sein konnte, jetzt lauerten sie mir auch schon bei Elias auf. Konnte ich denn nirgends mehr von ihnen verschont bleiben?

»Das glaubst du nur.«

»Nein, es ist so,« ich sank gegen den Küchentresen. »Überall lauern sie. Ich kann nirgendwo mehr hin, ohne deinesgleichen zu begegnen. Nicht einmal mehr hier bei dir kann ich ihnen aus den Weg gehen.«

»Das verstehe ich, aber.«

»Du verstehst gar nichts.« Ich ließ den Blickkontakt abreißen und starrte stattdessen mit verschwommenem Blick auf meine Schuhspitzen. Wie erklärte ich dem Jäger, was die Beute empfand, wo er dies doch nie nachempfinden können würde. Die kalte Angst, die ihre knochigen Finger aussteckte. Die Wut, so unbeholfen zu sein, um an etwas anderes als an Flucht zu denken. Die Verzweiflung, nicht entkommen zu können und zu verlieren, was man liebte. Wie zum Teufel sollte er also verstehen?

»Vielleicht,« Elias zog mich in seine Arme, schmiegte sich eng an, während seine Hand in mein Haar fuhr und sich dort zwischen den Strähnen vergrub. »Du darfst jetzt nicht aufgeben. Wir werden Sivan zur Vernunft bringen und besseren Zeiten entgegensehen. Ich werde nicht zulassen, dass dir irgendjemand noch einmal weh tut. Das verspreche ich dir.«

»Er wird dich töten.«

»Du hast ja wirklich viel Vertrauen in meine Fähigkeiten,« flüsternd fuhren seine Lippen meine Schläfe entlang. »Ich werde nicht sterben,« behutsam hauchte er einen Kuss auf meine Stirn. »Solange wir zusammen sind.«

Ich brachte nur ein schwaches Nicken zustande. Es stimmte leider. Solange ich mich an Elias hielt, ganz besonders in seiner Nähe, konnte mir Sivan nicht zu nahe kommen. Doch wich ich nur einen Schritt zu weit von ihm fort, geriet ich in den Strudel aus Gier und Neid, indem Sivan gefangen war. Damit gab er mir einen genauen Radius vor indem ich mich gefahrlos bewegen konnte. Und er setzte alles daran diesen Radius stets zu verkleinern, bis mir schließlich kein Ausweg mehr blieb.

»Er hat mir im Kino aufgelauert,« brach es aus mir heraus. »Er wird nichts unversucht lassen, um uns zu trennen.« Kalt fuhr es durch meine Glieder, als mir etwas klar wurde. Wenn er nicht an mich heran kam, musste er mich zu sich locken. »Er wird Alexa gegen mich benutzen, nicht wahr?«

»Nicht, wenn wir es verhindern.« Sukzessiv löste er sich von mir. »Ich will das du bei mir einziehst.«

»Elias, darüber haben wir schon gesprochen.« Einerseits wünschte ich mir die Sicherheit durch den Einzug bei ihm und gleichzeitig fürchtete ich mich vor der Aufgabe meiner Freiheit. Ich brauchte meinen Freiraum, um mich wohl zu fühlen. Angefangen von einem eigenen Bett bis hin zu der Entscheidung mein Blut in eine einzige koffeinhaltige Lösung zu verwandeln. Ganz zu schweigen davon, dass ich immer noch nicht genau wusste wie ich nun zu Elias stand. »Das geht mir alles viel zu schnell.«

16. Falsche Kaiser lügen nicht ...

Eine viertel Stunde später schob Elias mich zurück in den Wohnraum. Nero lümmelte auf der Couch,  gähnend setzte er sich auf, streckte die Arme zum dehnen in die Höhe und schnaufte. »Ihr hättet besser eine Nummer in der Küche geschoben, als dieses Geschnulze.«

»Wie bitte?«

»Kleines, schau mal in den Spiegel. Selbst ein Mönch könnte nicht unbefriedigter aussehen, als du.«

»Halt die Klappe,« Elias zog mich zur Seite. »Musste es wirklich sein, dass du sie so beunruhigst? Die Ereignisse regen sie bereits zu genüge auf.«

»Ach, stell dich nicht so an, ich hab sie nicht angerührt.« Nero streckte die Beine von sich, während er sich die vorgefallenen Rastazöpfe über die Schulter zurück strich. »Wir haben uns nur ein wenig miteinander bekannt gemacht. Kommt nicht oft vor, dass ich eine Asinis vorgestellt bekomme. Und dann auch noch ausgerechnet deine!«

»Lass sie einfach in Ruhe,« Elias Hand legte sich in meinen Rücken. Tröstend strich sie auf und ab. Eine kleine Geste, die beruhigend wirkte und signalisierte keine Angst haben zu müssen. Sobald dieser falsche Kaiser auch nur die Zähne in meine Richtung fletschte, würde Elias ihn töten. »Baby, Nero kennst du ja schon.«

»Leider,« entwich es mir. Meine bisherigen Bekanntschaften mit den Individuen dieser Rasse ordnete ich nicht gerade der Kategorie „Freundlich“ zu.

»Hey, sei mal nicht so nachtragend, immerhin wolltest DU mich einäschern und nicht anders herum.«

»Ist so eine Angewohnheit,« murmelte ich zwischen den Männern umher blickend. »Und was macht er hier?«

»Du wolltest, dass ich mich entschuldige, erinnerst du dich? Nun, das habe ich getan und Nero ist bereit mir gegen Sivan zur Seite zu stehen.«

»Wo ist der Haken?«

Neros Grinsen entblößte eine Reihe perlweißer Zähne und ich fragte mich ob dies nur am Kontrast zu seinem dunklen Äußeren herrührte oder ob er sie bleichte. »Kein Haken. Zumindest nicht im herkömmlichen Sinne.«

»Er wollte dich kennenlernen.«

»Mich kennenlernen? Und dem hast du einfach so zugestimmt? Dir ist nicht einmal in den Sinn gekommen, mich vorher zu fragen, ob das okay ist?« Kopfschüttelnd trat ich von ihm fort. »Manchmal glaube ich ihr habt euch alle das Hirn mit Weihwasser weggespült.« Ich mochte mir gar nicht erst ausmalen was hätte geschehen können, wenn Nero es wirklich drauf angelegte hätte mir zu schaden. Schaudernd stellte ich mir mein Blut als Lache auf dem Boden vor. Und Nero, wie er auf allen vieren das Blut vom Parket leckte. »Ihr seid echt eklig.«

»Die Kleine ist perfekt für dich,« lachte Nero. »Gib ihr eine Waffe und es wird heiß hier drinnen.«

»Dein Hirn gibt bestimmt einen netten Kontrast an der Wand ab.« Ich konnte nicht anders, als sein anzügliches Grinsen mit einer Drohung zu kommentieren.  Gut, er stand Elias in Attraktivität in nichts nach, doch hieß das nicht gleich, dass ich mich freudestrahlend auf ihn warf sobald er mich ansah, als sei ich sein Nachtisch. Was in Anbetracht seiner Reißzähne eine ganz neue Bedeutung gewann.

»Siehst du, sie ist heiß! Wie oft hat sie schon versucht dich zu pfählen?«

»Mehr als einmal,« verschmitzt schenkte Elias mir ein Lächeln. »Und es tat jedes mal höllisch weh.«

»Das stimmt überhaupt nicht.« Bisher blieb ich mit jeglichen spitzen Gegenständen von Elias Herz fort. Doch was nicht war konnte ja noch werden, wenn er nicht langsam aufhörte sich über mich lustig zu machen.

Elias nahm im Sessel, links von Nero, platz. Auf die Armlehne klopfend deutete er mir sich zu ihm zu setzen.

 Ich schüttelte schwach den Kopf. Vorerst wollte ich genau dort stehen bleiben, wo ich mich gerade befand, und die Arme noch etwas fester um mich schlingen.

»Also hat Elias versucht an deiner Gefährtin zu knabbern,« fragte ich. Das Durcheinander in meinem Kopf musst endlich aufgeräumt werden.

»Er hat keine,« erklärte Elias.

»Aber du hast doch gesagt, dass du dich bei ihm entschuldigt hast.«

»Es war mein Bruder,« Nero setzte sich ein wenig aufrechter »Attila hat zwar seine Entschuldigung angenommen. Aber helfen wird er ihm nicht. Kleines versteh mich jetzt nicht falsch, es ist nicht so das er ein herzloser Bastard ist, doch nach allem was Elias ihm zugemutet hat ist er der Ansicht, dass dein Gefährte es selbst ausbaden muss. Immerhin ist er selbst schuld daran.«

»Wieso bist du dann hier?« Neros Worte leuchteten ein. Wieso sollte man auch dem potenziellen Mörder der Gefährtin helfen dessen eigene zu schützen? Gleiches Recht für alle.

»Nicht wegen Elias.« Nero erhob sich unter Elias wachsamen Blick. »Meinetwegen kann er in der Hölle schmoren. Ich bin hier, um dir zu helfen.«

»Okay, das verstehe ich nicht. Wieso solltest du mir gegen Sivan helfen wollen? Ich meine, sei mir nicht böse, aber nach allem was ich über eure Spezies weiß habt ihr nicht gerade einen Hang zur Selbstlosigkeit.«

»Hat sie mich gerade einen Egoist genannt,« fragte er an Elias gewandt. Dabei legte er eine Miene der Entrüstung auf, die das amüsierte Funkeln in den Augen Lügen strafte.

»Wenn du es so auffassen willst – Ja.«

»Das ist ja echt super,« Neros schlanke Hände schoben sich in die Taschen seiner Hose. Mit leicht angezogenen Schultern zog er eine Schnute. »Da will ich mal nett sein und werde direkt als Egoist beschimpft. Und das Feldermaus hab ich auch noch nicht vergessen!«

»Du hast mich angegriffen!«

»Ach von wegen angegriffen, wir haben doch nur ein wenig miteinander gespielt. Nenn es Grenzen austesten.«

»Elias gibt es eine Fernbedienung für die Jalousien?«

»Was habt ihr Menschen nur mit der Sonne? Der Mond ist doch viel schöner!«

Seufzend deutete Elias Nero wieder Platz zu nehmen. Während des kleinen Geplänkels hielt er sich zurück ohne dabei Partei zu ergreifen. Dabei sollte er mich Nero gegenüber in Schutz nehmen. Ich meine immerhin gehörten wir zusammen. Und wenn die Sache mit Sivan erst einmal überstanden war sahen wir einer großen Anzahl von Jahrzehnten entgegen in denen wir uns gegenseitig in den Wahnsinn trieben. War es da wirklich zu viel verlangt mir jetzt ein wenig Rückendeckung gegen dieser schwarzen Motte zu geben?

»Der Mond bräunt nicht,« schoss ich zurück.

»Und zerstäubt dich nicht.«

»Mein Gott, was ist denn daran schon so schlimm ein wenig als Staub in der Gegend herum zu schweben und zu glitzern?«

»Zu glitzern,« kopfschüttelnd vermied Elias mich oder Nero anzuschauen und seine Amüsiertheit in Form von zuckender Mundwinkel Preis zu geben.

»Aber was rede ich überhaupt mit dir! Du würdest mir vermutlich noch als Staub vorwerfen ich sei zu Empfindlich für deine Spielerei.«

»Nein, Küken, als Staub würde ich jeden Tag bei dir aufschlagen und deine Wohnung verdrecken!« Lachend fiel er auf die Couch zurück. »Du weißt schon, so als richtig dicke graue Schicht auf dem Regal.«

»Ist das nicht bedenklich? Wir kennen uns kaum und trotzdem trau ich dir das absolut zu.« Die Spannung in meinen Schultern, die ihnen zuvor noch inne wohnte, machte sich allmählich davon. Es ist schon merkwürdig, wie ein wenig belangloses Scharmützel die Situation entspannte. Und war ich zuvor nicht Neros Meinung miteinander zu spielen, so taten wir es dennoch. Testeten wie weit wir miteinander gehen durften und wie viel der andere vertrug. Schmunzelnd gesellte ich mich auf die Sessellehne zu Elias. Wie ständen wir zwei jetzt zueinander wären wir diesem Muster auch bei unserem Kennenlernen gefolgt?

»Ich würde sagen das spricht eindeutig für mich.«

»Bilde dir bloß nichts ein,« Elias Arm schlang sich um meine Taille. Seine Hand auf meiner Hüfte signalisierte deutlich zu wem ich gehörte und erinnerte Nero daran das sich Elias Grenzen an anderer Stelle befanden als die Meinen.

»Ach komm schon. Ich hab sie bisher nicht gefressen, obwohl sie mich in den erwähnten Staub verwandelnd wollte.«

»Das werde ich dir anrechnen, wenn du sie wieder einmal anfasst.«

»Nein, ich brauch meinen Kopf noch,« Nero klopfte sich mit den Fingerknöcheln gegen den Schädel, wie bei einer Melone, wollte man den hohlen Klang überprüfen. »Ohne lässt es sich so schlecht denken.«

»Denkst du überhaupt,« rutschte es mir raus. Sogleich spürte ich den Druck von Elias Hand auf meiner Hüfte. Er ergriff weder Partei für mich, noch wies er Nero in den letzten fünf Minuten in die Schranken und dennoch schien ihm die Wende nicht sonderlich zu gefallen. Versteh einer die Fledermäuse.

»Immer öfters,« er schenkte mir ein breites Lächeln »du animierst meine grauen Zellen.«

»Oh Bitte,« Elias Locken wippten bei der schüttelnden Bewegung seines Kopfes hin und her. Einzelne Strähnen strichen über meinen nackten Arm und zauberten ein angenehmes Prickeln auf die Haut. Unweigerlich rutschte mein Blick zu Neros Rastazöpfen und ich fragte mich, wie diese sich wohl auf der Haut anfühlten.

»Keine Angst, ich werde sie dir nicht wegnehmen. Was soll ich auch schon mit so einem Biest,« Nero drückte sich die Kissen im Rücken zurecht. »Ich sage, eines Tages wirst du aufwachen und dich fragen was so verkohlt riecht während sie dich ganz langsam Stück für Stück röstet.«

»Nein, er rückt die Fernbedienung für die Jalosien nicht raus,« ich rückte eine wenig näher an Elias. Es stimmte, ich wünschte  mir bisher mehr als nur einmal ihn in die Sonne zu schubsen, doch es wirklich über mich bringen seine Leben zu beenden würde ich vermutlich nicht.

»Zu gutem Recht,« Elias nahm die gewohnt achtsame Haltung wieder ein und wechselte das Thema. »Du bist also hier um meiner Gefährtin zu helfen.«

Auch Nero setzte wieder eine geschäftige Miene auf. »Ja. Wenn ich ihr helfe ziehe ich gleich zwei Asinis-Mörder aus dem Verkehr. Dich, weil du nun deine eigene Frau hast und Sivan, der endlich vernichtet wird.«

Die Anspannung in Elias Körper stieg. Jahrzehnte, wenn nicht sogar Jahrhundertelang gehörte Sivan zu seinen besten Freunden. Vielleicht zählte er ihn sogar zur Familie und nun musste er über dessen Vernichtung sprechen. »Es gibt noch eine andere Lösung außer seinen Tod.«

Meine Hand fand auf seine, unsere Finger verhakten sich. Ich mochte mir nicht ausmalen was er gerade empfand. Und auch, wenn ich ihm die Entscheidung nicht abnehmen konnte, so sandte ich all meinen Trost in seine Richtung. Stets fand er sich an meiner Seite ein brauchte ich ihn, nun gab ich ihm etwas davon zurück.

»Ich könnte ihn dazu bringen die Jagd endlich aufzugeben.«

»Elias, hörtest du mit der Jagd auf, als Saint dich darum bat? Dein Bruder?«

Elias Körper erstarrte zu Stein. Die Erwähnung seines Bruders und die unausgesprochenen Konsequenzen aus dieser Bitte ergriffen Besitz von ihm.

»Du kennst Sivan besser als jeder andere. Er ist süchtig nach dem Blut der Asinis und er wird nicht eher ruhen bis er dir deine Frau entrissen hat. Für ihn stellt Jezabellé einen besonderen Reiz dar. Niemand konnte dich bisher bezwingen und vielleicht glaubt er die alten Zeiten wieder herstellen zu können in denen ihr beiden ruhelos und mordend durch die Länder gezogen seid, wenn er sie tötet.«

»Ich kann ihn nicht vernichten,« flüsternd drückte er sich an meine Seite. »Er und Saint,«

»Nein! Nicht er und Saint. Jezabellé und Saint. Das ist deine Familie. Willst du wirklich das selbe Schicksal erleiden wie dein Bruder?« Nero sprang auf, das Gesicht zur Fratze verzogen knurrte er Elias an. »Du kannst es vielleicht nicht, aber ich. Egal was du sagst oder tust ich werde ihn vernichten. Für die Asini und ihre Gefährten, für Saint und für Jezabelle!« Drohend schüttelte er die Faust »Und wenn du nicht bereit bist mich zu unterstützen werde ich deine Frau mitnehmen und in Sicherheit bringen. Aber dann garantiere ich dir, wirst du sie nie wiedersehen!«

»Sie gehört mir,« fauchend preschte er auf »Du nimmst sie mir nicht weg.«

Überrascht über diese Auffuhr rutschte ich von der Lehne und schlug mit dem Hintern auf dem Boden auf.

»Ich werde tun was nötig ist!« Wie zwei Hunde die um einen Knochen stritten standen sie sich gegenüber. »Und wenn es bedeutet euch zu trennen.«

»Nein, ich bleibe bei Elias.« Eines weiteren blauen Fleckes gewahr rappelte ich mich auf und stellte mich hinter Elias. Auch wenn ich Nero glaubte, dass er mich nur schützen wolle, so kannte ich ihn bisher nur flüchtig. Elias wusste ich einzuschätzen, zumal ich mir bei ihm sicher war, dass er mir nicht noch einmal weh tun würde. Zumindest nicht absichtlich. Doch wie stand es mit Nero? Wer sagte mir, dass wenn ich Elias verriet und ihm den Rücken zukehrte er mich nicht wie das Lamm zur Schlachtbank führte, nur um die anderen Vampire zu rächen, dessen Asinis Elias sich aneignete.

»Du hast kein Mitspracherecht,« fuhr Nero mich an. Gleichzeitig streckte er mir seine Hand entgegen. Ich bräuchte sie nur ergreifen und er würde mich fort von allem bringen.

»Aber ich,« Elias trat vor mich. Schützend verbarg sein breiter Rücken meine Gestalt. »Du musst mich schon töten, um an sie ran zu kommen.«

»Gilt das auch für Sivan?«

»Verschwinde! Wir brauchen deine Hilfe nicht.«

»Jezabellé,« Neros Gesicht lag im Verborgenen, doch ich spürte, dass er mich geradewegs durch Elias Rücken anstarrte. »Soll ich gehen?«

»Ja,« sprach ich ohne zu zögern.

»Bist du sicher?«

»Ich weiß wir könnten deine Hilfe gebrauchen. Aber nicht für jeden Preis.« Ich schmiegte mich an Elias Rücken und umschlang ihn mit den Armen, nur um meine Finger auf seinem Bauch ineinander zu verschlingen. »Also ja. Ich bin mir sicher.« Natürlich wünschte ich mir Sivan aus dem Weg, am besten sogar Tod, doch zum ersten Mal kam mir in den Sinn, dass Sivan mehr für Elias war, als ein einfacher Artgenosse. Und ich fragte mich, was es mit ihm, mit uns machen würde, würde er nicht vollständig hinter Sivans Vernichtung stehen.

»Wie du willst. Wenn du es dir anders überlegst findest du mich im Hotel Sherry.« Neros Abgang wäre viel dramatischer gewesen hätte er eine Türe hinter sich zuschmeißen können, doch so surrte nur der Aufzug leise, während sich die Türe hinter ihm schloss. Und ich mit Elias zurück blieb.

17. Der Preis unseres Handelns ...

»Weißt du was du gerade getan hast?« Noch immer standen wir umschlungen an Ort und Stelle. Und auch Elias Anspannung wich nicht aus dessen Muskeln. Das Geschehene bedrückte ihn aus vielerlei Hinsicht.

»Mir einen besonderen Freund gemacht,« scherzte ich nicht gewillt Elias schon los zu lassen. Neros Worte darüber Sivan zu vernichten und mich ihm fort zunehmen lasteten schwer auf seinen Schultern. Auch ohne Worte spürte ich den Kummer, der ihn erfasste.

»Nein,« seine Hände legten sich auf meine und drückten leicht zu. »Du hast hinter mir gestanden, als ich es am wenigsten erwartete. Dabei solltest du Sivans Tod verlangen oder mich für meine vergangenen Sünden verurteilen.«

»Hast du so wenig Vertrauen in mich?«

»Nein. Aber es ist viel in den letzten Wochen geschehen. Einiges wofür ich dein Vertrauen nicht verdiene. Du hättest allen Grund mit Nero zu gehen. Er gehört einem großen Clan an, der dich schützen könnte.«

»Ich will seinen Schutz nicht, sondern deinen.« Meine Stirn lehnte zwischen den Schulterblättern an seinem Rücken. »Es stimmt, wir hatten nicht gerade den besten Start. Aber wir haben ein Abkommen, erinnerst du dich?« Ich tat es. Und nahm es auch sehr ernst. »Wir versuchen das Beste daraus zu machen. Und dazu gehört nicht davon zu laufen, wenn wir uns gegenseitig brauchen. So schwach bin ich nicht. Und du bist es auch nicht.«

»Du glaubst an mich,« stellte er fest und begann sich in meiner Umarmung umzudrehen, so dass wir uns gegenüber standen. Nachdenklich blickte er mich an. »Das ist,«

»Erstaunlich?«

Elias nickte stumm.

»Nun eigentlich nicht. Trotz diverser Ausrutscher hast du mir stets versichert, dass du für mich da bist und was ich dir bedeute. Ob ich es nun hören wollte oder nicht.« Meine Hände lösten sich von seinem Rücken. »Du hast nie aufgegeben. Und das tue ich auch nicht. Elias, wir haben die Ewigkeit noch vor uns. Sicherlich wird es noch viele Gründe geben, um uns zu streiten und zu hassen und doch gehören wir zusammen. Und ich weiß, dass egal was passiert, wir immer wieder kämpfen müssen. Sei es nun um uns durchzusetzen oder um uns zu schützen. Und das tue ich. Ich kämpfe, für das was wir haben und noch haben werden.«

»Das ist dir ernst, nicht wahr?« Seine Hände ruhten mit sanftem Druck auf meinen Schultern

»Sehr. Und warst du es nicht, der mir erklärte das Weglaufen nicht funktioniert?«

Elias Lächelte. »Das tut es nie.« Seine Hände wanderten zum Nacken hinauf, suchten sich ihren Weg durch die dicken Haarsträhnen zu meinen Wangen. Kühl schmiegte sich Haut an Haut. »Irgendwann wird es uns einholen. Und wir müssen uns unseren Problemen stellen.«

Mir entging nicht die Andeutung zwischen seinen Worten. Ich konnte weglaufen, mich verstecken und so tun, als gäbe es meine Probleme nicht, trotzdem fanden sie mich irgendwann. Wenn auch nur in Form der Angst. Doch während ich mich darauf vorbereitete gegen diese Probleme vorzugehen haderte Elias noch. »Aber du bist derzeit nicht richtig bereit dafür.« Ich trat einen Schritt zurück, entzog mich Elias liebkosender Hände und blickte ihm eindringlich entgegen. »Mir ist klar, das ich das was du mit Sivan hast nie ersetzen kann. Er ist schon lange dein Freund und vielleicht auch mehr, ich weiß es nicht. Aber ich gehöre jetzt dazu und dein zögern,« kopfschüttelnd seufzte ich auf der Suche nach den richtigen Worten.

»Macht dir Angst,« er kam nicht nach und sah mir auch nicht in die Augen.

Ich nickte.

»Schon einmal vermied ich es zu wählen. Und es endete katastrophal,« mit abwesenden Blick schien er weit entfernt von mir. »Ich habe schon lange nicht mehr darüber nachgedacht, ich weiß welchen Fehler ich damit beginn nicht zu wählen. Und obwohl ich versuche es besser zu machen, als damals scheint es sich alles zu wiederholen.«

»Saint?« Rücklings entfernte ich mich von ihm bis ich an den Sessel stieß. Wortlos ließ ich mich darauf sinken und lauschte.

»Das was ich mit meinem Bruder hatte oder was ich mit dir habe ist etwas völlig anderes als mit Sivan. Jede Beziehung ist in ihrer Hinsicht sehr intim und wichtig für mich. Und inzwischen weiß ich, dass einige Bindungen enger sind als andere. Aber ich habe dir schon einmal gesagt, dass ich egoistisch bin. Wieso sollte ich nur eines wollen, wo ich beide haben könnte.«

Sein Gesicht ließ mich nicht erraten ob er gerade an eine Menage a trois mit Sivan dachte oder daran mich ihm auszuleihen, doch instinktiv wusste ich, seine Gedanken würden mir nicht gefallen. »Weil du definitiv eines verlieren wirst.« Es war nicht fair, doch ich musste seine Gedanken unterbrechen. Auch, wenn er sie vielleicht nicht ernsthaft in Betracht zog. »Du hast bereits Saint verloren und wenn du weiterhin so an Sivan festhältst wirst du auch mich verlieren. Du solltest dich vielleicht langsam mit dem Gedanken anfreunden mit Sivan zu brechen.«

»Und eine jahrhundertalte Freundschaft beenden?«

»Du musst es tun, willst du ihn nicht töten. Sonst wird er immer zwischen uns stehen und Unsicherheit uns beherrschen, darüber ob er es sich nicht doch eines Tages anders überlegt.«

Minutenlang hüllte Elias sich in Schweigen. Vermied Blicke oder eine Bewegung in meine Richtung. Aus Erfahrung wusste ich, er dachte angestrengt über meine Worte nach. Schließlich ergriff ich das Wort, um die Stille zu vertreiben.

»Elias, du kannst mich nicht überall beschützen. Ich habe mein eigenes Leben, treffe selber meine Entscheidungen und ich mache Fehler. Wir alle machen Fehler, aber es ist nie zu spät sie zu bereuen und das Richtige zu tun.«

»Und das wäre?« Als er aufblickte gewährte er mir einen kurzen Blick hinter die Fassade. Schmerz trübte seine Augen und ließ seine braunen Pupillen mit silbrigen Fäden wirbeln.

»Komm her,« ich stand auf und ging mit ausgestreckter Hand auf ihn zu. Elias ergriff sie, ohne Wiederstand ließ er sich an mich ziehen. »Das,« ich streckte mich auf Zehenspitzen und drückte ihm behutsam einen Kuss aufs Kinn. »Oder das,« ich küsste mich langsam die scharfe Linie seines Kiefers entlang bis ich zu seinem Ohr gelangte. »Es gibt viele Gründe. Die meisten werden aus der Vergebung geboren, manche aus Egoismus und hin und wieder auch aus Zuneigung,« hauchte ich ihm zu. »Aber alle sind sie auf ihre Art und Weise richtig.«

Stützend legten sich seine Arme um meinen Leib, pressten ihn an sich, als sei ich die Rettung vor seinem Ertrinken.

»Du und Sivan, ihr habt so viel Leid all denen bereitet die euch etwas bedeuteten. Nun ist es an der Zeit damit aufzuhören. Du findest Vergebung und all das worauf du so lange verzichten musstest, willst du das wirklich alles aufgeben?«

»Verzeihst auch du mir,« sein Atem blies mir zart in den Nacken.

»Vor allem ich. Aber dazu musst du bereit sein deinem Leben eine feste Richtung zu geben.« Fröstelnd drückte ich mich enger an ihn. Sein Körper strahlte keine Wärme aus, trank er nicht kurz zuvor, dennoch schien er das Zittern meiner Glieder zu verscheuchen, welches sein Atem auslöste.

»So lange du an mich glaubst, werde ich dies tun. Aber es ist nicht leicht.«

»Mach dir keine Sorgen. Ich leuchte dir, wenn du dich in der Dunkelheit verirrst. Und wenn du dich gar nicht anschickst mir zu folgen, dann befördere ich dich mit einem Fußtritt in die Sonne,« lächelte ich voller Optimismus. Wir schafften das. Ganz sicher.

»Du bist wirklich mein Fluch,« flüsterte er rau und drückte mich noch enger an sich. Das Gesicht an meinem Hals verborgen spürte ich seine Lippen auf der Haut.

Er würde doch nicht wieder! Ich versteifte in der Erwartung des Schmerzes, nicht in der Lage mich zu rühren, während sich mein Hals anfühlte, als bestände er aus grobkörnigem Schmiergelpapier.

»Baby, entspann dich,« flüsterte er »Und vertrau mir.«

Das einzige was er mit meinem Hals tat, blieb ihn zu küssen.

 

***

»Du musst was essen,« Elias trat ins Bad, direkt hinter mich und betrachtete das Spiegelbild seines Werks.

»Echt Elias, ich dachte dieser Scheiß hört mit dem Alter auf,« behutsam strich ich über den großen roten Fleck am Hals. Wer hätte geglaubt, dass ein Vampir, mehrere Jahrhunderte alt, sich zu diesem Blödsinn hinreißen ließ. Und mich damit völlig überrumpelte.

»Nein, ich fürchte mit dem Alter wird es immer schlimmer,« neckend beugte er sich nach vorne und leckte über den Knutschfleck. »Und mir fallen immer ausgefallenere Stellen dafür ein.«

»Du hast so hoch oben zugeschlagen, dass bekomm ich höchstens mit den Haaren oder einem Schal noch versteckt.«

»Wieso willst du es verstecken?«

»Weil es peinlich ist! Ich bin doch kein liebeskranker Teeny mehr,« so gut wie möglich versuchte ich den Fleck hinter meinen Haaren zu verstecken. Doch er saß nicht nur ziemlich weit oben am Hals, sondern auch vorne. Seufzend drehte ich mich, eingekeilt zwischen dem Emaile des Waschbeckens und Elias zu ihm. »Außerdem sieht es alles andere als schön aus.«

»Du trägst meine Male also nicht mit stolz,« seine Miene verzog sich als sei er wütend, wären da nicht die zuckenden Mundwinkel und das Glitzern in seinen Augen gewesen. »Dann werde ich mir mehr Mühe geben müssen.«

»Elias,« ich streichelte über seinen Arm. »Du weißt schon, was du damit bezweckst?«

»Unsere Beziehung festigen,« absichtlich ließ er seinen Atem über meine Wange streichen. Sofort reagierte mein verräterischer Körper mit einem angenehmen kribbeln im Magen.

»Das meine ich nicht. Und das weißt du sehr genau.« Ich erkannte ein Ablenkungsmanöver. Selbst wenn es auf angenehmste Weise verpackt wurde. »Wir können nicht länger warten. Ich weiß, dass das dir Sorgen bereitet. Aber sieh uns doch an, willst du ewig so weitermachen?«

»Jezabellé, du machst aus mir einen Feigling,« hauchte er. »Wenn es um dich geht kann ich nicht vernünftig denken. Es ist, als übernehme meine vampirische Seite die Kontrolle. Diese egoistische, berechnende Seite an mir die nichts hergeben will.«

»Wieso?« Vielleicht sollte ich versuchen genau diese Seite anzusprechen, um ihm klar zu machen, dass das mit Sivan nicht gut gehen konnte.

»Er ist seid Saint, dass einzige was ich annähernd als Familie betrachte. Er ist mein Jagdgenosse, mein Begleiter in der Finsternis. Wir standen stets auf der gleichen Seite und das über vierhundert Jahre schon.«

»Elias sieh mich an,« sanft umfasste ich seine Wangen und zwang ihn mich anzuschauen. Die Zeit für ein klares Statement war gekommen. »ICH bin deine Familie. ICH bin es die dich durch die Nacht begleitet und dir mit dem Licht den Weg leuchtet. Und ICH bin es auch mit der du die Ewigkeit verbringen wirst, dass ist viel mehr als nur vierhundert Jahre. «

»Aber du wirst mich irgendwann verlassen wollen.«

»Denk nach Elias. Wenn ich dich eines Tages verlasse wirst du nichts unversucht lassen mich zurück zu holen. Trotz deines Versprechens mich gehen zu lassen. Ich weiß es und du auch. Dazu bist du einfach ein viel zu selbstsüchtiger Mann.«

Er wollte den Kopf schütteln, doch ich hielt ihn auf und brachte ihn dazu mich weiterhin mit seinen unergründlich dunklen Augen anzuschauen.

»Erinner dich an den Geschmack meines Blutes. Den flatternden Puls unter der duftenden Haut. Ich weiß, dass du es tust. Dich nach mehr sehnst, sehr viel mehr.« Meine Hände rutschten sein Gesicht hinab zu seinem Hals. Die kühle Haut schmiegte sich glatt an meine Handinnenflächen. Ich genoss es ihn zu berühren ohne dabei Ablenkung zu erfahren. »Willst du mich mit Sivan teilen? Soll er mich schmecken, fühlen, riechen?«

Sein Adamsapfel hüpfte, den Blick auf meine Lippen geheftet.

»So wie du es tust?«

»Du machst mich wahnsinnig,« knurrend entriss er sich meinen Händen und wandte mir den Rücken zu. »So einfach, wie du es dir vorstellst ist es nicht. Ich kann nicht einfach zu ihm gehen und ihm den Kopf abschlagen. Nicht nach allem, was wir erlebt haben.«

»Aber mich soll er töten?«

Elias stürmte hinaus. Hinter sich knallte er die Türe ins Schloss und ließ den Rahmen erzittern.

Seufzend warf ich einen Blick über meine Schulter in den Spiegel. Mein Leben entwickelte sich zur reinsten Skurrilität. Soweit dies als Gefährtin eines Vampirs noch ging.

Dennoch und obwohl Elias darüber nicht sprechen mochte musste eine Lösung her. Schleunigst. Bevor Sivan sich an meine Freunde heran machte oder es ihm gelang mich am helligen Tag von der Straße zu entführen. Vielleicht sollte ich doch noch einmal mit Nero sprechen. Alleine allerdings nicht. Ich traute ihm zu, mich einfach nicht mehr gehen zu lassen in der Absicht mich Elias fort zunehmen. Wer hätte geglaubt, dass Vampire sich untereinander wie Kindergartenkinder benahmen?

 

18. Wenn Ären enden ...

Ich angelte im vorbeigehen meine Tasche von der Couch und steuerte auf den Aufzug zu. Es war nicht so, dass ich das Weite suchte, doch musste noch so viel erledigt werden bevor ich die Ruhe fand mich hinzu setzen. Außerdem brauchte ich einen ordentlichen Schuss Koffein. Nachdem Elias meinen Stoff in den Abfalleimer verfrachtete musste ich mir meine Droge außer Haus besorgen.

»Wo willst du hin?«

»Ich muss Moon von Alexa abholen und mir überlegen, wie ich ihr erkläre wieso sie in nächster Zeit niemanden die Türe öffnen sollte.« Absichtlich vermied ich es mich zu ihm umzuwenden während ich den Rufknopf für den Fahrstuhl betätigte.

»Du gehst nicht, schon gar nicht alleine. Warte noch zwei Stunden bis zum Einbruch der Dunkelheit, dann werde ich dich begleiten.«

»Ich weiß nicht ob das eine so gute Idee ist.«

»Wieso musst du es mir so schwer machen?« Seine Stimme nach stand er nicht unweit hinter mir.

»Schon vergessen, ich bin dein höchst eigener Fluch. Wo bliebe denn der Spaß, wenn du alles auf dem Silbertablett serviert bekommst?«

»Hör auf mich. Nur ein einziges mal.« Er griff an meine Hüfte und drehte mich zu sich herum. »Lass mich jetzt nicht alleine. Nicht nach deinen Worten.«

»Das er mich töten soll?« An die kühlen Türen des Gefährts gelehnt betrachtete ich ihn. Wie so oft lag nichts außer einer störrischen Miene auf seinem Gesicht.

»Nein, dass du meine Familie bist.« Zögerlich strich sein Zeigefinger meine Kinnlinie nach. »Ich weiß, du hast Recht mit allem was du sagst, aber gestatte einem alten Mann, wie mir ein wenig Sturheit.«

»Und Uneinsichtigkeit, Arroganz, Selbstverliebtheit,«

»Das ist das gleiche, Baby,« lächelte er.

»Ist doch egal. Du weißt worauf ich hinaus will.« Wenn er immer noch nicht einsah, dass ihm keine andere Wahl blieb gehörte er zu den hoffnungslosesten Fällen meines sozialen Einzugsgebietes.

»Also bleibst du?« Seine Hand schloss sich um den Trageriemen meiner Tasche. Und als habe ich gar keine andere Wahl zog er mich dran langsam tiefer in den Raum zurück.

»Aber nur bis es dunkel wird. Und du Kaffee kommen lässt.«

»Und eine Pizza. Du musst endlich etwas essen.«

 

 

***

 

»Alexa, ich muss mit dir sprechen. Es ist wichtig.« Fynos schnurrte auf meinem Schoss, während Moon der neben mir auf der kleinen Couch lag den gesamten Platz einnahm, sich weigerte Elias platz zu machen. So saß der Vampir neben mir auf der Lehne. Er ließ es sich nicht nehmen mich zu Alexa zu begleiten und mir beizustehen in dem Versuch ihr die Lage ohne möglichst zu vieler Informationen zu erklären.

»Du ziehst aus, stimmt´s?!« Mit wild gestikulierenden Händen marschierte sie zwischen Couchtisch und Fernseher auf und ab. Ihre rot geschminkten Lippen glitzerten im Schein der matten Beleuchtung und zogen meinen Blick magisch an. »Mein Gott, Jez, wie soll ich den die Miete aufbringen, wenn du ausziehst. Weißt du überhaupt wie schwer es war hier rein zu bekommen. Die Wohnung ist so perfekt, unsere offene Küche, das große Bad, sowas finde ich doch nie wieder.«

»Alexa, ich zieh nicht aus.« Zumindest noch nicht und bis derweilen gab ich die Wohnung auch nicht auf. Mochte ich auch noch so viel Zeit bei Elias verbringen. Für mich gehörte diese Wohnung zu dem Stückchen Freiheit, welche die Vampire versuchten zu nehmen.

»Ganz bestimmt nicht?« Sie hielt inne, beide Augenbrauen, wenn man die Reste so bezeichnen wollte, fragend erhoben. »Bist du dir ganz sicher? Ich meine ganz, ganz sicher?« Ihr Blick schweifte zu Elias ab.

»Ganz sicher. Ich lass dich doch nicht hängen.«

»Gott sei Dank, ich hätte fast einen Herzinfarkt bekommen,« theatralisch legte sich ihre Hand aufs Herz, während sie begann laut japsend Luft zu holen. Eines musste ich ihr lassen, Schauspielen konnte sie. »Aber weshalb willst du dann mit mir reden? Wenn nicht über deinen Auszug?« Musternd fixierte sie mich, bevor sie die Hände in die Höhe warf und kreischte »Du bist SCHWANGER!«

»Dazu muss man erst miteinander schlafen,« stellte Elias nüchtern und im sachlichsten Ton, den ich je hörte, fest.

 

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Impressum

Texte: Askare
Bildmaterialien: Askare
Tag der Veröffentlichung: 15.01.2010

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