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Alle guten Dingen sind drei

Ein Prickeln zog sich durch meinen Körper und mit einem leichten Augenschlag bestätigte sich meine Vermutung, dass es die Sonnenstrahlen waren, die grell und erbarmungslos durch das Fenster schienen. 

Womit wir beim Thema waren: Es ist bereits mittags.

Und ich bin zu spät. 

Ein dunkles Grummeln durchbrach meine Gedanken. Im nächsten Moment klatschten etwa 2 Kilo Masse auf meinem Bauch.

„Baby, schon so früh wach?“

Statt einer Antwort pflückte ich die Masse von Arm von mir, was meinem Bettgesellen jedoch dazu veranlasste mit dem anderen hochzukommen und mich dann komplett mit ihm zu begraben. Sofort machte er sich daran eine Spur von Küssen an meinem Hals zu ziehen, doch ich zog ihn an seinem - nebenbei echt superweichem - Haar wieder nach oben und erntete dafür ein Grinsen.

„Ich muss los. Jetzt sofort.“, murmelte ich nur und stieß ihn an seiner Schulter zur Seite. Sein Grinsen verschwand und graue Augen musterten mich verdattert.

„Warum so eilig? Es ist erst morgens. Komm… eine Runde geht noch.“, versuchte er mich zu verführen und streckte eine Pranke nach mir aus, der ich jedoch geschickt auswich und demnach nackt vor dem Bett stand. Ich musste kurz grinsen bei dem Anblick, dass dieser muskulöse Kerl schmollend auf dem Bett liegend versuchte aus einem One-Night-Stand ein Night-and-Morning-Stand zu machen, doch ein Blick auf die Uhr brachte mich erschrocken dazu meine Kleidung auf dem Boden aufzusammeln und wie ein Eichhörnchen auf Speed mit meiner Tasche den Ausgang dieser fremden Wohnung zu finden. Ich brauchte echt fast 5 Minuten. Das war schon eher ein Loft, weil es mehrstöckig war. Mir fiel zwischendurch ein, dass ich mich gar nicht verabschiedet hatte, doch ich fand in dem Moment die Tür und warf den Gedanken schnell beiseite. 

Kurz davor wurde ich plötzlich zurückgezogen. Ich unterdrückte gerade so noch einen spitzen Schrei und im nächsten Moment spürte ich die Wand hinter meinem Rücken.

„Baby, so leicht lasse ich dich nicht gehen.“ Boah, echt jetzt?!

Ich verdrehte die Augen und sah nur einen Ausweg. 

Meine Tasche lasse ich nebensächlich auf die Kommode neben der Tür fallen, um mit beiden Händen den Braunhaarigen vor mir am Nacken zu mir runterzuziehen. Ich sah noch sein triumphierendes Grinsen bevor unsere Lippen sich trafen und ich mich ihm entgegen drängte. Ein zufriedenes Seufzen entwich ihm und ich nutzte den Moment, um mit der Zunge zu kommen. Seine Pranken fuhren gierig meine Kurven entlang, doch ich konzentrierte mich darauf ihn so heftig zu züngeln und ihn rückwärts von der Wand hinweg zu dirigieren. Okay, mit meinen 1,65 cm und seinem 1,90 Körper sah das bestimmt komisch aus, aber was soll´s. Denn im nächsten Moment schubste ich ihn kräftig nach hinten und er torkelte schon fast benommen rückwärts. Er war definitiv zu versunken in dem Zungenkuss gewesen.

Ich zwinkerte ihm keck zu ehe ich meine Tasche schnappte und durch die Tür verschwand.

Im Flur hallte noch sein Fluchen hinter mir, aber wenigstens lief er mir nicht hinterher. Naja wie auch. Er hatte nur Boxershorts an und diese Gegend schien eine wohlhabende zu sein, sodass er sich so einen Auftritt wohl nicht leisten konnte. Besser so für mich.

Auf dem Weg zur nächsten Straßenbahn, die mir eine ältere Dame zeigte, rief meine Mum mich an. Und anscheinend war das nicht der erste Anruf heute morgen. Sie war stinksauer, denn ich hatte das Essen verpasst. Brunchen mit ihrem neuen Lover.

Leider ließen die beiden sich sehr viel Zeit mit dem Essen und sie verdonnerte mich dazu wenigstens zum Nachtisch zu erscheinen. 

Ich stöhnte. 

Es war 2 Uhr mittags. 

Ich hatte noch einen Dröhnen im Kopf wahrscheinlich vom Alkohol letzter Nacht. 

 

5 ungelesene Nachrichten.

Eine von Jess, meiner besten Freundin, die ebenfalls heute morgen nicht bei sich aufwachte und mich zum Abendessen bei sich einlud. 

Das machte sie immer, wenn es Stress bei ihr zuhause gab und sie jemanden brauchte, der bei ihr war ohne sie bei jedem zweiten Wort anschreien zu wollen. 

Mein großer Bruder Ryan schrieb mir nur, dass er noch eine weitere Woche in Chicago bleiben wollte. Dort wohnte seine Freundin. Madison, Maylin, …? Irgendwie so.

Jedenfalls sollte ich jegliche Post von seiner Uni abfangen, was so gut wie heißt, dass er Mist gebaut hat es aber vor Mum geheim halten will. 

Die restlichen Nachrichten waren von nicht erwähnenswerten Personen. Damit meinte ich Kerle, die mich treffen wollten. Sagte ich doch: nicht erwähnenswert.

 

Müde ließ ich mich auf den Sitz in der Bahn fallen. Für einen Sonntag mittag war sie ziemlich voll stellte ich mich einem Blick in die Runde fest. Ich streckte mir ausgiebig die Beine und neigte meinen Kopf jeweils zur Seite bis ein leises Knacken ertönte und ich mich dann zufrieden nach hinten lehnte. Gedankenverloren verfolgte ich die vorbeisausende Gegend. Der Kerl von letzter Nacht - ja sorry ich weiß den Namen echt nicht mehr, noch nicht mal den ersten Buchstaben - hatte echt Geschmack. Die Gegend war echt schön vor allem diese schönen Vorgärten und altmodischen Toren. Ich stand halt auf das Altmodische.

Ein Klingeln unterbrach meine Gedanken. 

„Du altes Luder, wo steckst du?!“, fuhr mich Jess direkt an. Ich verdrehte lächelnd die Augen.

„In der Bahn. Zum Essen mit Mum´s neuen Lover.“, murmelte ich kurz angebunden.

Am anderen Ende der Leitung kam ein Kichern.

„Ich gebe ihm 3 Wochen.“

„Ich ihm dieses eine Essen.“, gab ich zurück und schmiedete schon gedanklich einen Plan.

Jess lachte auf und im Hintergrund hörte ich eine weitere Stimme.

„Soll ich lieber auflegen?“, fragte ich und spielte mit eins meiner braunen Locken.

„Nein, nein… Hey lass das, ich telefoniere! Letti, ich wollte nachfragen, weil du mir nicht auf die SMS geantwortet…“ „Ich werde da sein.“, unterbrach ich sie während ich mit meinem Daumen den Halteknopf drückte. 

„Oh okay“, kam es sichtlich erleichtert von ihr und kurz darauf quietschte sie erschrocken auf.

„Du… ich lege jetzt auf. Bin grade.. beschäftigt.“, eilte sie zu sagen. „Ja ja, bis später, Jess.“, antwortete ich lachend und legte auf. 

Ich drängelte mich mit der Menge hinaus in die Freiheit. Der Sommerwind wirbelte meine Haare auf und das weiße Kleid von gestern Nacht flatterte unten gefährlich, da es dort locker geschnitten war. Das erinnerte mich daran, dass der Club gestern eine ziemlich spontane Entscheidung gewesen war. Um es grob zusammenzufassen. Ich plus miese Laune plus eine von ihrem Freund verlassene Jess gleich Party im Diamonds. Und das Ganze hatten wir entschieden während ich auf einer Gartenparty von einer von Mum´s Freundinnen war. 

Denn normalerweise ging ich nie so… unschuldig aussehend feiern. Nein. Aber das hatte den Kerl von gestern Nacht auch wohl kaum gestört. 

 

Ein Blick auf meine Cartieruhr verriet mir, dass wir halb 3 hatten. Ich beeilte mich - ein Wunder - in die Bahn, das in Richtung Stadtmitte fuhr, einzusteigen und stieß dabei beinahe eine alte Dame um.

„Entschuldigung.“, murmelte ich ehrlich peinlich berührt und half ihr die Stufe aufzusteigen. Zuerst sah sie mich strafend an ehe sie die Schulter zuckte und lächelnd erwiderte: „Schon gut, Kleine. Hast es wohl ziemlich eilig, was?“ 

Wir setzten uns nebeneinander. Ich nickte ihr zur Bestätigung. „Ja.“ „Zu deinem Freund?“, fragte sie ungerührt weiter und ich hob etwas erstaunt die Augenbrauen.

„Nein, zum Essen mit meinem neuen Stiefvater.“, erwiderte ich und machte beim letzten Wort Gänsefüßchen. 

Sofort schaute mich die alte Dame mitleidig an, was mich schief grinsen lässt. Ich meine, ich saß hier in einem öffentlichen Verkehrsmittel und beklagte mich bei einer wildfremden Oma über mein verkorkstes Leben. 

„Gib ihm eine Chance.“, meinte sie plötzlich. Ich sah sie skeptisch an. Chance? Den Mut jemanden eine Chance zu geben habe ich längst tief in einer Kiste im Keller verstaut, das wahrscheinlich schon total verstaubt war. Mein letzter Versuch ging an meinen Vater, der mir aber deutlich gezeigt hat, dass es mein größter Fehler war. Den ich aber auch nie wieder begehen werde.

Ich zuckte zur Antwort nur die Schultern und schaute aus dem Fenster hinaus. Versuchte die aufkommenden Erinnerungen zu verdrängen, die ich jetzt überhaupt nicht brauchte. Ich hatte einen Plan zu folgen. Zum Glück sagte die Oma neben mir nichts mehr und ich war ihr dankbar dafür. 

Als meine Haltestelle kam, erhob ich mich und nickte meiner Sitznachbarin zu. Ich wandte mich dann ab, doch sie hielt plötzlich meinen Arm fest.

„Irgendwann wirst du das können.“, sagte sie aus heiterem Himmel aus und zum ersten Mal seit langem schaute ich blöd aus der Wäsche. Sie ließ meinen Arm los. Ich wollte nachhaken, was sie meinte, doch in dem Moment verließ der Letzte die Bahn und ich beeilte mich rauszukommen. Draußen sah ich noch über die Schulter wie die Dame mir aufmunternd zunickte, dann fuhr die Bahn weg. Okaaay.

Kopfschüttelnd lief ich die Straße entlang. Ich sollte mir keine Gedanken über wildfremde Omas machen. An der nächsten Ecke war das Lieblingsrestaurant meiner Mum. Dort aß sie immer zu ihren besonderen Anlässen wie zum Beispiel ein Meet & Greet zwischen der Tochter und dem neuen potenziellen Stiefvater.

Woher ich das weiß?

Weil das mittlerweile der Dritte ist.

In meiner Umhängetasche vibrierte es, doch ich war zu damit beschäftigt mein Opfer gedanklich fertig zu machen. Verbal natürlich, versteht sich. Ein Gesicht hatte ich ja noch nicht dazu.

„Ich gehöre zum Tisch mit dem Namen Clarks.“, sagte ich am Empfang. Die Dame nickte, als sie in die Liste schaute. Ein jungaussehender Kellner kam und geleitete mich zu einem runden Tisch am Fenster, wo mich meine Mum bereits entdeckte. Ihr Loser saß mit dem Rücken zu mir. Er hatte einen schwarzen Anzug an und breite Schultern. Ansonsten blonde zurückgegelte Haare. Wuäh.

„Ihr Tisch, Mylady.“, sagte der gutaussehende Kellner ehe er mit einer leichten Beugung nach vorne verschwand. Jedoch nicht ohne mir vorher zuzuzwinkern. 

Beide standen am Tisch auf und als ich mich neben meine Mum stellte, die mir einen kurzen Wangenkuss gab, sah ich ihn zum ersten Mal an. Da er jetzt stand, sah ich wie groß er ist. Noch etwas größer als mein gestriger "Freund". Sein Gesicht sah jedoch erschreckend jung aus. Markant, gutaussehend - leider - aber jung. Er hatte braune Augen und ein nettes Lächeln, was er mir gerade präsentierte. Aber ich wäre nicht ich, wenn sich dadurch irgendwas in mir rühren würde. Es ließ mich kalt.

„Ich bin Marcus.“, stellte er sich von allein vor, obwohl meine Mum gerade ansetzen wollte. Ich schüttelte widerwillig seine Hand. „Letti.“ „Eigentlich heißt sie Rosaletta. Aber sie hängt so an ihrem Spitznamen.“, beeilte sich meine Mum zu sagen. 

Mein Gegenüber lächelte noch mehr. „Einen schönen Namen hast du. Der ist selten.“ 

Schleimer. 

Ich zuckte mit den Schultern und setzte mich als Erste hin. Sofort griff ich zur Karte und bestellte mir erstmal einen Eistee und eine fette Portion Steak mit Pommes. Ich hatte immerhin das Frühstück verschlafen. 

Und zu meinem Masterplan brauchte ich Kalorien für mein Hirn. 

Währenddessen verfielen die beiden in ein Gespräch über irgendwelche Reisebüros. Komisch, aber ich hatte gerade zu großen Hunger, um den Zusammenhang zu verstehen. 

Ich strich eine Locke aus meinem Gesicht und sah meine Mum von der Seite an. Sie hatte ihre dunkelbraunen Locken hochgesteckt und trug ein rotes Etuikleid, was ihre kurvenreiche Figur betonte. Im Großen und Ganzen sahen wir uns beide sehr ähnlich. 

„Schatz, du wolltest dich doch noch entschuldigen, dass du zu spät bist.“, forderte mich meine Mum indirekt zur Entschuldigung auf. 

„Natürlich.“, ich setzte mein falsches Lächeln auf. „Wissen Sie, mein Freund Dean musste unbedingt sein Geschäft erledigen. Das hat einfach ewig gedauert.“ Ich seufzte theatralisch. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich wie meine Mum kurz in der Bewegung stockte, als sie ihr Weinglas an ihre Lippen führte.

Schleimi lächelte verständnisvoll. „Er hat wohl eine schwache Verdauung.“

Meine Mundwinkeln zuckten. „Naja eher war sein Dealer das Problem. Anstatt 2 Packungen hat dieser 2 Kilo von dem Sie wissen schon.. Stoff mitgebracht. Bis die sich geeinigt haben. Ich musste natürlich die gaaanze Zeit Schmiere stehen.“ Wieder ein theatralisches Seufzen meinerseits.

Meine Mum verschluckte sich am Wein und Schleimi hob verwirrend die Augenbrauen.

„Gras?“, fragte Schleimi nicht gerade geistreich.

„Ach was. Das ist was für Anfänger. Dean dealt bereits mit…“ „Rose, dein Essen kommt.“, kam es wutunterdrückt von meiner Mum.

Bei dem leckeren Duft knurrte mein Magen ganz aufgeregt und ich lehnte mich zufrieden zurück während mir das Essen serviert wird. 

Ich nahm einen Schluck von dem kühlen Eistee und sah Marcus an, der sich wieder meiner Mum gewidmet hat. Jedoch übersah ich nicht die neue Denkfalte auf seiner Stirn. Triumphierend machte ich mich über das Essen her. Es schmeckte köstlich. 

„Wir bestellen jetzt den Nachtisch.“, warf meine Mum plötzlich ein und sah dabei auf meinen leeren Teller.

„Magst du Krem Karamell oder einen Bananenschokokuchen?“, fragte Schleimi mich mit einem Lächeln, das gezwungen wirkte. Yey, er mochte mich nicht.

„Gibt´s denn nichts mit Alkohol?“, fragte ich mich gespielt aufgebracht. Plötzlich durchfuhr mich ein stechender Schmerz am Bein und zuckte ich reflexartig zusammen, bis ich erkannte, dass es meine Mum war, die gerade dabei war ihre manikürten Nägel wieder auf den Tisch zu legen. 

„Schon gut.“, wunk ich ab, als Schleimi zur Antwort ansetzte und rieb mit der anderen Hand meinen armen Oberschenkel. „Dann eben Krem Karamell.“

Mein Gegenüber schien zufrieden mit der Antwort zu sein und winkte den Kellner herüber. Es war derselbe, der mich zum Tisch geführt hat und plötzlich kam mir eine weitere glorreiche Idee. 

Während Marcus den Nachtisch und noch mehr Wein bestellte, lag der Blick des blonden Kellners unentwegt auf mir. Ich lächelte ihn an und klimperte verführerisch mit meinen Wimpern. Er lächelte zurück, bedankte sich und zog wieder ab. Sofort stand ich auf und fing ihn kurz vor der Bar ab. Ich achtete darauf, dass die beiden am Tisch einen guten Blick zu uns hatten. 

Ich legte dem Blondi eine Hand auf seinen Arm, der sich übrigens echt trainiert anfühlt. „Hey..“ 

Er lächelte mich schief an. „Kann ich dir irgendwie helfen?“ Das ließ mich breit grinsen.

„Oh ja. Also es sieht so aus. Du darfst jetzt nicht gucken, aber der da am Tisch mit mir will mein Stiefvater werden und das kann ich nicht zulassen, hilfst du mir bitte?“, säuselte ich unglücklich und strich leicht an seinem Arm.

 Der Typ dachte kurz nach, nickte jedoch. „Was muss ich machen?“ 

„Schreib einfach deine Nummer jetzt auf und gib sie mir.“ 

Er nickte und holte seinen Block raus. Wie praktisch, dass er Kellner war. Ich vergewisserte mich aus dem Augenwinkel, dass meine Mum und Schleimi immer noch rübersahen.

„Wie heißt du?“, fragte ich während ich ihm zusah wie er zwölf Ziffern drauf kritzelte.

Er hob kurz den Blick.

„Nick.“ Dann übergab er mir das Stück Papier. 

„Gehört mein Name auch zu deinem Plan?“, fragte er leicht belustigt, doch ich hörte das leise Kratzen an seinem Ego heraus. Ich grinste.

„Nein, den brauche ich, wenn ich dich anrufe. Ich bin übrigens Letti.“, erwiderte ich und zwinkerte ihm noch zu ehe ich mich wieder zum Tisch bewegte. 

„Letti?“, hörte ich ihn hinter mir fragen. Ich warf ihm einen Blick über die Schulter.

„Kommt von Rosaletta.“, antwortete ich laut. Ich drehte mich wieder um und sah am Blick meiner Mum, dass sie es gehört haben muss, oder die Show hatte sie auch so zum Dampfen gebracht.

Lächelnd setzte ich mich hin und legte dabei demonstrativ den Zettel mit der Nummer neben meinem Glas, sodass Schleimi einen perfekten Blick darauf hatte.

„Hast du nicht einen Freund?“, fragte dieser auch direkt. Und vor allem verwirrt.

„Ja doch, Dean. Aber man sollte immer neue Kontakte knüpfen. Besonders als Frau kann es in der Gesellschaft wie heute niemals schaden. Das wurde mir immer so beigebracht. Stimmt´s Mum?“

Und da stieg auch die erste Dampfwolke aus ihr heraus.

 

 

 

Den Nachtisch verputzte ich genau so schnell wie jemand der wochenlang nichts gegessen hatte. Schleimi hatte mir nur noch einen letzten verwirrten Blick zugeworfen und jetzt versuchte er sich nun wohl nur auf meine Mutter zu konzentrieren. 

Mir war es recht so. Mein Bedarf an der Rolle der ungezogenen Schlampentochter war gedeckt. Ich seufzte leise gegen den Teelöffel ehe die warme Himbeersauce auf meine Zunge floss und einen süßen Geschmack hinterließ. 

Es war mittlerweile kurz nach 5 Uhr. Ich beobachtete die beiden. Meine Mum war gerade am Erzählen und lächelte dabei schüchtern den Tisch an während Schleimi ihre Hände, die auf dem Tisch lagen, streichelten. Er hing förmlich an ihren Lippen und ich könnte wetten, er hatte gerade ganz andere Gedanken im Kopf als ihren Worten zu folgen. 

„Ich bin mal für kleine Mädchen.“, murmelte ich möglichst nebenbei und stand leise auf. Als ich nach einpaar Schritten einen Blick über die Schulter warf, bot sich mir immer noch das gleiche Bild an. 

Ich drehte mich schnell nach vorne. Ein unterdrückendes Gefühl stieg in mir auf, das mich die Stirn verziehen ließ. Ich fühlte mich wie im falschen Film. Deplatziert. Verloren.

Angst stieg in mir auf. Ich wusste, dass das nächste, was kommen würde mich einbilden lässt alles sei irreal. Nicht richtig. Doch ich durfte dies nicht zulassen. 

Ich bog von den Toiletten weg hin zum Ausgang. Dort traf ich Nick, den ich darum bat, mich bei meiner Mum zu entschuldigen, dass es mir plötzlich nicht gut ging. Nick sah mich besorgt an und fragte, ob er mir ein Taxi rufen sollte, doch ich lehnte ab und versicherte ihm, dass alles halb so schlimm sei. Damit ließ ich ihn stehen.

Meine Hände verschwanden in den eingeschnitten Taschen vom Sommerkleid und wurden zu Fäusten. Der Empfangsdame warf ich ein steifes Lächeln bevor mich dann der frische Abendwind draußen empfang.  

Wie eine Gefangene, die lange nicht mehr an die Oberfläche kam, zog ich gierig die Luft um mich auf. Dann steuerte ich in die Richtung in die der Wind wehte. Es war mir egal wohin, hauptsache laufen. Die Himmelsfarbe war nur noch ein dämmerndes Orange, das dann in ein dunkles Violette verlief. 

Ich fühlte nichts. Mein Kopf war leer. Mein Körper bewegte sich nur. Auch mein Herz fühlte nichts.

Den Blick hielt ich stur geradeaus, achtete gar nicht auf die vorbeilaufenden Passanten. 

Ich lief geradewegs in einen Park rein, der durch die Dämmerung und hohen Bäume wie ein Wald wirkte. Meine Schritte eilten über das Gras, ignorierten den Gehweg, der sich hier durchzog. Irgendwann zog ich meine hohen Sandalen aus und lief barfuß weiter. Das kühle Gefühl unter den Füßen wandelte sich in ein Freiheitsgefühl um und meine Mundwinkeln zuckten. Es war außer mir kaum einer hier, was wohl daran lag, dass ich auf der Wiese lief und immer weiter weg vom Gehweg. Ich hörte Wasser rauschen und blieb schließlich vor einem Teich stehen, wo in der Mitte eine Wasserfontäne war.

Es gab zwei Bänke, ein paar Enten und ansonsten nur Bäume. Hoch lebe die Natur.

Kurz vor dem Wasser stoppten meine Beine. Wie ein nasser Sack ließ ich mich aufs Gras fallen. Auch wenn das Gras im Sommer trocken war und ich hatte ein weißes Kleid an, störte mich das in dem Moment recht wenig. Ich schloss meine Augen. Verkniff sie, weil Bilder erschienen, die verborgen gehörten. „Nein.“, wisperte ich erschöpft und öffnete sie wieder. Ich strich meine wirren Locken aus dem Gesicht und setzte mich auf. Ohne zu zögern zog ich meine Umhängetasche aus und legte es auf das Gras neben meinen Schuhen. Ich vergewisserte mich, dass niemand außer den Bäumen mir zusah ehe ich mir mein Kleid überzog und kopfüber in schwarzer Unterwäsche ins Wasser sprang.

Das Wasser war erschreckend klar, aber vor allem kalt. Aber genau das war es, was ich brauchte. Der Druck in den Ohren verstärkte sich, als ich immer tiefer tauchte. Irgendwann ging mir die Luft aus und ich schwamm ruckartig nach oben. An der Oberfläche holte ich tief Luft und schwamm auf dem Rücken weiter. Ich konnte sogar entspannt lächeln während ich durch das Wasser glitt. 

Irgendwann hatte ich kein Zeitgefühl mehr. Doch meine Gliedmaßen fühlten sich langsam taub an und so drehte ich mich um, schwamm an Land. 

Zufrieden legte ich mich zurück aufs Gras. 

„Es gibt in der Stadt auch ein kostenloses Freibad.“, durchbrach plötzlich eine raue, tiefe Stimme die Stille. Ruckartig drehte ich mich zur Quelle um und entdeckte eine dunkle Gestalt auf der Bank ein paar Meter weiter. Dunkle Kleidung, breite Schultern, große Statur. Eindeutig ein Mann. Seine dunklen fast schwarz wirkenden Haaren hingen ihm im Gesicht und ich sah nur sein Seitenprofil. Er sah mich nicht an, sondern aufs Wasser. 

Dann fiel mir ein, dass ich ihn anstarrte und ich riss genervt den Blick weg. 

„Zu viele Menschen.“, entgegnete ich nur und fragte mich wie ich den verscheuchen kann. Ich linste unauffällig rüber. Der wirkte schon fast unheimlich. 

Okay, mir als Verrückte, die in einem Parkteich plantschen geht, stand es wohl kaum zu über andere zu urteilen, die auf einer Bank saßen wie es auch normale Menschen tun. 

Ich schmunzelte bei dem Gedanken während mein Blick weiterhin auf ihm lag. Plötzlich sah ich wie seine Mundwinkel zuckten. Es war nur für einen Wimpernschlag zu sehen, aber ich sah es.

„Machst du sowas öfters?“, fragte er mich plötzlich, doch starrte weiterhin geradeaus.

„Nein, aber werde ich noch nachholen.“, warf ich zurück. Ich setzte mich auf und zog meine Knie an. Meine Arme legte ich drüber und bettete meinen Kopf darauf.  

„Wolltest du dich umbringen?“

Mit offenen Mund starrte ich ihn an. „Was?! Spinnst du?!“, fuhr ich ihn wütend an. „Wie kommst du auf so einen Scheiß?“

Eine Pause folgte, in dem niemand etwas sagte und ich ihn nur mit meinem Blick zu erdolchen versuchte. Ich meine klar, ich habe da meine Probleme und kam oft mit meinem Leben nicht klar, aber Selbstmord war nie eine Option für mich. Den Gefallen wollte ich niemanden tun.

„Du siehst nicht wie jemand aus, der in der einsamen Abendstunde im Ententeich schwimmen geht. Deine Sachen deuten auch darauf an und ich nehme an sowie du redest, dass du keine psychische Störungen hast. Zumindest keine ernsthaften.“

Was fehlt dem Penner eigentlich ein?! Hockt hier rum und urteilt einfach über mich. So unverschämt hatte keiner bisher mit mir geredet. 

„Und du bist? Etwa die Teichpolizei?“, schnaubte ich.

Ein leises Lachen folgte und ich wollte ihm nur noch einen Ast an den Kopf werfen.

 

 

Ich war so damit beschäftigt ihn gedanklich auseinander zu nehmen, dass ich gar nicht mitbekam wie er plötzlich aufstand und ans Wasser trat.

Er wollte doch nicht etwa…?

Meine Kinnlade fiel herunter, als er sich das schwarze Sweatshirt über den Kopf zog. Ich wusste nicht, ob ich mein Mundwerk nicht zubekam, weil mich sein offensichtliches Vorhaben schockte oder wegen dem Muskelspiel, das sich mir hier bot. 

Die Hose folgte und der Kerl sprang eiskalt in Boxershorts kopfüber ins Wasser. Meine Haltung löste sich und ich wäre fast aus Reflex mit reingesprungen, wenn mein Verstand mich nicht aufgehalten hätte. 

Ich sollte gehen, redete ich mir ein. Mein Blick fiel auf meine Pradatasche, die hier auf dem Gras lag und mir fielen seine Worte von vorhin ein. Ja, von außen gesehen bin ich mit Luxusgütern geschmückt und mein Verhalten glich nichts anderem als einer verzogenen Göre. Aber genau das ist es, was mich am Leben hält.

Das Wasser lenkte meine Aufmerksamkeit wieder auf sich. Die Wasserfontäne war längst aus und die Wasseroberfläche war glatt. Eine gespenstische Stille umgab den Ort. 

Wie lange war er jetzt schon im Wasser? Er ist bis jetzt noch nicht einmal aufgetaucht! Ich runzelte die Stirn. Was, wenn es ein Scherz war? Ich fuhr mir durch die Haare und stieß genervt die Luft aus. Meine Hand löste sich von meiner Tasche und ich verfluchte noch meine Menschlichkeit bevor ich ins Wasser sprang. 

Da es mittlerweile spät war, konnte ich trotz klarem Wasser kaum etwas erkennen. Ich tauchte immer tiefer. Und vor allem schneller, weil ich Panik bekam. Ich konnte nicht zulassen, dass hier jemand in meiner Gegenwart starb. Nicht schon wieder. 

Mit aller Kraft ruderte ich mit meinen Armen in die Tiefe, doch trotzdem verschwand nicht das drängende Gefühl schneller schwimmen zu müssen. 

Wie aus dem Nichts entdeckte ich einen dunklen Riss, der sich von allen anderen abhob und ich schwamm gezielt darauf zu. Kurz bevor ich es genau erkennen konnte, wurde ich plötzlich an beiden Armen gepackt und hochgezogen. 

Der Druck an meinen Ohren verringerte sich und ich wusste ohne zu sehen, dass er es war. Wir kamen an die Oberfläche und durch meine verschwommene Sicht sah ich erstmal gar nichts. Ich biss mir fest auf die Lippen, als ich feststellen musste, dass es nicht nur wegen dem Wasser war, sondern auch wegen meinen Tränen.

„Hat aber lange gedauert.“, sprach wieder dieselbe tiefe Stimme, doch sie klang belustigt. Auch sein Atem ging viel schneller. Ich löste meine Arme aus seinem Griff und wischte mir über die Augen. Ich musste schlucken, als ich im nächsten Moment in das tiefste Blau blickte, was auf mich herabblickte. Der Kerl sah teuflisch gut aus und er hätte mir in jedem anderen Augenblick die Sprache verschlagen, doch in dem Moment prasselten plötzlich die unterdrückten Gefühle auf mich ein und dann passierte alles schnell. Meine Hand verselbstständigte sich und ein Klatschen durchbrach die Stille. 

„Arschloch“, murmelte ich und ich verfluchte in dem Moment meine Stimme, die schwach und gebrochen klang. Ich drehte mich ganz von ihm weg und schwamm auf meine Sachen zu. 

Eigentlich hätte ich sogar erwartet, dass er mir etwas nachrief oder überhaupt irgendetwas tat, denn immerhin habe ich eben eine saftige Ohrfeige verpasst. Aber als ich wieder angezogen fast die Straße erreichte, war ich irgendwie doch erleichtert, dass er es nicht tat. Ich wischte mir noch einmal unter die Augen, darauf geachtet, dass ich nicht wie ein Panda aussah ehe ich mich wieder unter die Menschen mischte. 

Wenn ich vorhin nichts gefühlt habe, so tat ich jetzt das Gegenteil. Wut vermischte sich mit Trauer, Verwirrung mit Verbissenheit und vor allem Scham. Denn ich schämte mich dafür auch nur eine Sekunde Angst um ihn zu haben. Es war die gleiche Angst, die mein Leben vor zwei Jahren veränderte. 

Ich nahm ein Taxi zu mir nach Hause. Unser Haus lag etwas abseits von der Stadt. Mein Vater hatte es ausgesucht, damals lebten wir noch in Chicago, aber ihm wurde ein Job hier in New York angeboten und tja, wie soll es auch anders sein, sind wir ihm hierher gefolgt damit er uns Monate später verließ. 

Obwohl ich die Villa, auf die ich zusteuere, seid zwei Jahren mein Zuhause nannte, fühlte es sich immer noch an, als wären wir erst gestern eingezogen.

Mein Handy vibrierte, - ich habe es so gut wie immer auf lautlos, denn die Male, wo ich tatsächlich abhob waren eindeutig die Minderheit - als ich mich von dem mittlerweile schmutzigen Kleid und meiner Unterwäsche befreite. Ich schmiss sie auf den Wäschekorb neben der Badezimmertür und trat ans Waschbecken. Leichte Augenringe umgaben graublaue Augen und sie wären deutlicher zu sehen, hätte ich nicht so eine gebräunte Haut. Meine braunen Locken sahen auch schon mal besser aus und so begab ich mich unter die Dusche. Lauwarmes Wasser prasselten auf meinem Gesicht, zogen das restliche Make-up in die Tiefe während ich meine Augen schloss. 

Die Szene im Park tauchte vor mir auf und ich kniff meine Augen zusammen, doch bekam es nicht mehr aus dem Kopf. 

Zwei Jahre. 24 Monate und knappe 700 Tage, in denen ich nie meine wahren Gefühle zeigte, nie. Und jetzt schafften es gleich zwei wildfremde Typen. Ich wusste auch nicht, warum ich bei dem Anblick meiner Mutter mit ihrem Frischfleischlover geflüchtet bin. Es hatte sich alles so falsch angefühlt. 

Und die Show, die ich abgab, war alles Routine. Es grenzte schon an Wunder, dass meine Mutter mich trotzdem in ihre Beziehung mit ihren Lover mit reinzog. Manchmal fragte ich mich wirklich, ob sie versuchte wieder eine Familie aufzubauen oder einfach einen Mann an ihrer Seite brauchte. 

Aber was spielte es auch für eine Rolle, wenn es keiner von ihnen schaffte sie länger als ein Monat glücklich zu machen und ihr stattdessen das Herz zu brechen. 

Menschen kamen und gingen. Wenn ich eins über mein Leben sagen konnte, dann das. Darum ließ ich auch niemanden an mich ran, daran würde ich kaputt gehen, nicht, dass ich es eh schon war. Natürlich hatte ich so etwas wie Freunde. Da war einmal Jess, die ich seit der 5. Klasse kannte, und Ben. Er hatte mir einmal das Leben gerettet und die Tatsache, dass er eine wirklich treue Seele war, gab mir das Gefühl ihn in mein Leben lassen zu können. 

Aber anders als die meisten, war in meiner Definition von „Freunde“ nur gemeinsamer Zeitvertreib inbegriffen. Keine Gespräche über die Vergangenheit oder intimer Detailaustausch. 

„Wolltest du dich umbringen?“

Ich riss meine Augen auf und meine Hände ballten sich zu Fäusten. Diese direkte Frage war falsch. Falsch, weil ich mich wirklich nicht umbringen wollte.

Aber vor allem war sie falsch, weil er mich das hätte nicht fragen dürfen. Es ging ihn verdammt nochmal nichts an. Er hatte nicht das Recht irgendwas von mir in Frage zu stellen, wenn es allein meine Sache war, wie ich mit mir umging. 

Aber vor allem würden Menschen wie er es nicht verstehen. Das kalte Wasser half mir meine Gefühle zu betäuben. Doch anstatt das in Erwägung zu ziehen, zog der Kerl gleich Selbstmord heran. Wütend ließ ich die Szene in meinem Kopf durchgehen, wo ich tatsächlich auf ihn reinfiel. 

Ja, das Arschloch war einfach nur primitiv.

 

Ein Kerl zuviel

 

 

„So you say

It's not okay to be gay

Well I think you're just evil

You're just some racist

who can't tie my laces

Your point of view is medieval

Fuck you, fuck you

Fuck you very, very mu-u-u-u-uuuch

Cause we hate what you do

And we hate your whole crew

So please don't stay in touuuuuch!!!“

 

Ich zwinkerte dem Typen zu, der mich offensichtlich beim Singen zugehört hat, wobei er sich lieber auf den Verkehr konzentrieren sollte. Immerhin waren wir hier in New York und der morgige Verkehr glich einem Karnevalumzug. Und doch war ich ein Teil davon, irgendwie musste ich ja zur Schule kommen. 

Seitdem gestern das Lied im Radio beim Essen bei Jess lief und wir es dann den Rest des Abends gesungen haben, hatte ich einen Ohrwurm davon. Ich dachte dabei an niemand bestimmtes, es war aber nicht so, dass da niemand wäre, dem ich es widmen würde. Da wären hm… lass mich grübeln und überlegen… die ganzen Leute auf meiner Highschool?  

Jess hingegen widmete es wohl all ihren Exfreunden.

Der Typ im Auto, das neben meinem stand, grinste und kurz darauf ließ er das Fenster am Beifahrersitz runterfahren. 

„Hast ne gute Stimme, Süße.“, rief er mir durch den Lärm hindurch zu. Ich ließ meinen Blick an ihm heruntergleiten. Er sah eigentlich gar nicht mal so schlecht aus. Braune Haare mit einem David Beckham-Schnitt, breite Schultern und das Muskelshirt preiste ihn genug an.

Da ich immer mit offenen Fenstern Auto fuhr, brauchte ich mich nur etwas rüberzulehnen.

„Ich bin vieles, aber bestimmt nicht süß.“ Und damit fuhr ich weiter.

 

 

Ich kam zu spät an, was vor allem daran lag, weil meine Mutter gestern nicht nach Hause kam und ich heute morgen das ganze Haus nach ihr abgesucht habe, als sie immer noch nicht an ihr Handy ging. Irgendwann kam dann doch eine SMS mit dem Inhalt, dass sie bei Schleimi - ’tschuldige Marcus - schlief. Ich seufzte. Sie war sauer auf mich und das war ihre Art es zu zeigen. 

Ich öffnete gerade den Eingang zum Schulflur.

„Du Ho! Ich muss dir was erzählen!“ Und damit wurde direkt von einem Rotschopf abgefangen, die mich in Richtung der Toiletten zog. Wenigstens lag mein Schließfach auf demselben Weg. Ich seufzte und ignorierte die Blicke, die auf uns beziehungsweise mir lagen. 

Es war normal, immerhin war das die Highschool. Jeder wurde kategorisiert: Freak, Streber, Unscheinbar, Normalo, Beliebt, Schulqueen, Sunnyboy, DER Quarterback,…

Und dank mir gab es noch eine: Mich.

„Was gibt`s?“ Ich lehnte mich am Waschbecken und ließ meine Ledertasche neben mir fallen während Jess an den Klos vorbei auf und ab tigerte. Ihre gewellten schulterlangen Haaren, die von den Flechtzöpfen kamen, die sie immer vor dem Schlafengehen machte, wehten rechts und links an mir vorbei, sodass ich fast Augenkrebs bekam bei dem Versuch ihr zu folgen.

„Vanessa hat mir erzählt, dass sie Claire mit George erwischt hat, ist das zu fassen?!“, platzte es schließlich aus ihr heraus. Sie sah mich mit funkelnden Augen an und fuchtelte dabei wild mit ihren Händen, dass der Inhalt ihrer Tasche fast ihre Stimme übertönte. 

„George wie…?“, hakte ich verwirrt nach, denn der Name sagte mir gerade überhaupt nichts. 

Anders als Claire. Sie war sozusagen die Schulqueen, zumindest hält sie sich für eine. 

Jess schnaubte, wahrscheinlich enttäuscht schon von meine mangelnden Kenntnisse über unsere Mitmenschen. 

„DER George, der quasi mit Fiona verheiratet ist.“, klärte meine Freundin mich auf.

„Also hat er sie betrogen.“, kommt es ganz schlau von mir.

„Ja! Wenn das rauskommt.. Fiona wird sie fertig machen. Beste Freundinnen hin oder her.“ Nun trat Jess ans Waschbecken und kontrollierte ihr Make-up.

Jetzt klingelte es bei mir. Also: Schulschlampe Claire hatte ihr Gefolge sprich Abigail, Lissy und Fiona. Eigentlich ist Claire hinter Kyle Lurphis, unserem berüchtigten Quarterback, her, aber anscheinend hatte sie wohl die Ausfahrt genommen.

„Und was hast du jetzt vor?“ Ich sah es in ihren Augen ohne dass sie es aussprechen musste, doch sie musste ja nicht wissen, dass ich SO gut kannte. 

„Ich werde die Bombe platzen lassen. Das wird der Untergang von Claire Cooper sein, darauf verwette ich meine neue Pradatasche.“ Jess grinste mich triumphiert an und ich erwiderte es. Nur aus einem anderen Grund. Sobald es Jess gab, war alles andere egal. Sie kam immer mit solchen banalen Dingen zu mir, aber genau das war das, was mich überhaupt an diesem sogenannten Highschoolleben band. Ich wäre wohl sonst ein Außenseiter gewesen und das nicht wegen meinem Aussehen oder Verhalten, nein, sondern weil ich mich einfach von selbst nicht integrieren würde als was auch immer. Durch Jess WURDE ich automatisch integriert. 

„Hat sie auch verdient.“, ich legte ihr einen Arm um die Schulter. „Und jetzt sollten wir der Mathematik einen Besuch abstatten.“ Es folgte ein Stöhnen ihrerseits und Lachen meinerseits.

 

 

 

„Jess, könntest du es vielleicht sagen, was der Satz des Pythagoras ist?“ Unser Lehrer hätte es nicht besser treffen können meine Freundin dranzunehmen, die gerade dabei ist unter ihrem Tisch zu texten. Sie schaute auf, sah unseren Lehrer an, der sie ebenfalls abwartend ansah. 

„Einen Satz, der von einem Typ namens Pythagoras kam oder wie?“, stellte Jess die Gegenfrage, die schräg vor mir saß.

„Exakt, Miss Foster. Also?“ „Naja, Sie müssen sich schon etwas genauer ausdrücken. Solange Pythagoras nicht stumm war, hatte er in seinem Leben bestimmt einige Sätze von sich gegeben, oder nicht?“ Jess redete ganz ungerührt während durch die Klasse leichtes Gelächter durchging. Jeder kannte Jess, es war nichts Neues. 

„Sie sollten lieber darauf achten, was Sie von sich geben, denn das spiegelt sich in Ihrer Abschlussnote wieder.“, erwiderte unser Lehrer kopfschüttelnd und nahm jemand anderen dran. So ging das so weiter. Er gab etwas von sich und stellte dann eine Frage, woraufhin er irgendjemanden drannahm.

Ich hörte selbst nur noch mit halben Ohr zu während ich eine Nachricht von einem gewissen Tevon auf meinem Smartphone las. 

 

Hey, du fragst dich bestimmt, wer ich bin. Tja, dein neuer Stiefbruder trifft es wohl am besten. Mein Dad hat mich gezwungen mich mit dir anzufreunden. Hast du heute Zeit für einen Drink?

Tevon

 

„Auch das noch.“, fluchte ich und knallte wütend mein Handy auf dem Tisch. Der junge Schleimi hatte auch noch einen Sohn. Wahrscheinlich versuchte er es jetzt damit, dass ich mich mit seinem Sohn anfreunde und er so besser an mich herankam. Damit er dann in aller Ruhe und Gemütlichkeit mein Stiefdaddy werden kann. Ich kriege noch die Krise..

„Entschuldigung, Miss Clarks. Wollten Sie uns etwas mitteilen?“, riss mich die Stimme meines Mathelehrers ins Hier und Jetzt zurück.

„Nein.“, murmelte ich nur. „Kann ich zu den Toiletten? Mir ist etwas schlecht.“ 

Mein Lehrer nickte nur seufzend und ich lächelte ihn halbwegs dankbar an. Ein Raunen ging wieder durch die Klasse. Beim Durchqueren der Tische schnappte ich irgendwo das Wort „schwanger“ auf und fast hätte ich aufgelacht, wenn ich nicht gerade so wütend wäre.

Ich warf Jess einen Blick zu, damit sie verstand, dass nichts sei. Sie verstand es sofort und widmete sich daraufhin wieder Vanessa zu, mit der sie sich gerade unterhielt. 

Tatsächlich lief ich zu den Toiletten, obwohl ich am liebsten zu mir nach Hause gehen wollte oder wo auch immer meine Mutter gerade war, um sie einfach kräftig durchzuschütteln, dass sie geradewegs in ihr nächstes Unglück stürzte.

Erschöpft stützte ich meine Hände am Waschbecken und blickte in den Spiegel. Ich sah besser aus als mein wirklicher jetziger Zustand, und eigentlich war das gut, dennoch machte es mir ein wenig Angst. Selbst mein Aussehen entsprach nicht mal mehr meinen inneren Zustand, geschweige mein Verhalten. 

Ich band meine Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen, was eine Weile dauerte, weil mein Haar so dick und daher schwer zu bändigen war. Einen Augenblick überlegte ich bevor ich auf die Nachricht ging und seine Nummer wählte. 

„Hallo?“, ertönte eine männliche Stimme durch mein Telefon.

„Ich bin’s Rosaletta Clarks.“ Das war das erste Mal seit langem, dass ich meinen Namen vollständig aussprach. Aber ich befürchte, dass „Letti“ bei ihm geklingelt hätte.

„Ach hey, hast wohl meine Nachricht bekommen.“ Ich hörte das Grinsen seinerseits raus. Seine Stimme klang eigentlich sympathisch, aber egal ich war gerade schlecht gelaunt.

„Ja, hör zu. Ich bin nicht dabei bei dieser Wir-werden-alle-eine-glückliche-Familie-Sache, also brauchst du dir erst gar nicht die Mühe zu machen…“ „Warte, warte.“, unterbrach er mich plötzlich. „Habe ich jemals so etwas in der Richtung gesagt?“

Ich stutzte etwas und lehnte mich an die Wand. 

„Du sagtest, dein Dad würde wollen, dass wir uns anfreunden. Und du wolltest mit mir einen trinken gehen.“, wiederholte ich seine Worte in der Nachricht. 

„Richtig. Heißt, aber nicht, dass ich nach seiner Nase tanzen werde. Ich bin nicht scharf auf irgendeine neue Familie.“ Plötzlich klang seine Stimme distanziert. Ich war mir nicht mehr sicher, was ich von ihm halten soll.

„Na schön, dann treffen wir uns heute. Kannst du mich von der Schule abholen? Ich habe um 3 aus.“ 

„Ja, sims mir die Adresse. Bis später.“ Und damit legte er auf. Komischer Kerl.

 

 

Nach dem Unterricht verabschiedete ich mich von Jess, die noch zum Cheerleadertraining geen wollte. Anscheinend hatte Vanessa sie darüber überredet. Ich wünschte ihr Hals und Beinbruch und dabei dachte ich an Claire, die zufällig Cheerleadercaptain war und dies konnte und bedeutete nur Ärger. 

Aber Jess wäre nicht Jess, wenn es sie jucken würde. Und wenn Claire ihr auch nur irgendetwas antun würde, würde ich über Leichen gehen. 

Ich prüfte mein Makeup im Spiegel, das in meinem Schließfach hing. Seufzend schloss ich es und nahm meine Tasche. Es war bereits Pause weswegen sich die Fluren füllten.

Wieder fiel mir eine wirre Locke vors Gesicht und ich pustete genervt die Luft dagegen, sodass es hochflog, aber verdammt nochmal nicht zur Seite.  

"Rosaletta!", vernahm ich aufeinmal eine Stimme, die ich nicht direkt zuordnen konnte.

Ich drehte mich um und sah wie der große und kräftige Kerl zu mir schritt, bewaffnet mit einem schiefen Lächeln.

"Kyle.", stellte ich trocken fest. Ich war ehrlich etwas verblüfft. Was will er bloß von mir? Wir hatten bis jetzt ehrlich gesagt nie viel miteinander zu tun. Er war der Ärger in Person.

Sein karamellbraunes Haar war noch nass, wahrscheinlich kam er gerade vom Training. Er trug ein weißes T-shirt und eine verwaschene Jeans, welches locker auf seinen Hüften saß und seinen V-Körper betonte. Seine Tasche hielt er über die Schulter. Er blieb ein Meter vor mir stehen.

"Hey." Sein Lächeln weitete sich und er ließ seinen Blick ungeniert an mir heruntergleiten.

"Ich wollte dich nur fragen, ob du auf meine Party am Freitag kommst?"

Bitte? Der Kerl schmiss so gut wie immer nach einem Spiel eine Party und jetzt interessierte ihn meine Anwesenheit?
"Sollte ich?", entgegnete ich stattdessen und verschränkte die Arme vor die Brust. Zu spät fiel mir auf, dass ich heute ein enges weißes Tanktop trug, wodurch man einen perfekten Blick auf meine hochgepressten Brüste hatte, und wie auf Kommando sank Kyles Blick. 

Schnell löste ich meine Haltung und verschränkte meine Arme stattdessen vor meinem Bauch.

"Ja." Seine Stimme klang seltsam belegt und er räusperte sich. "Du warst noch nie auf einen meiner Partys, stimmt's?"

Doch einmal, aber ganz kurz und man konnte es nicht wirklich mitfeiern nennen, denn ich war eher mehr damit beschäftigt eine betrunkene Jess rauszuschleppen.

"Nein.", antwortete ich stattdessen und vernahm aus dem Augenwinkel wie manche zu uns rübersahen. 

"Hör zu, ich muss jetzt..."
"Rosaletta.", unterbrach Kyle mich und fasste mich leicht am Arm, was mich fast zucken lässt. 

"Ich weiß, wir beide hatten bisher nicht so miteinander zu tun gehabt, aber das lässt sich doch ändern, oder? Ich würde dich nämlich gerne kennen lernen. Wirklich." Er strich leicht an meinem Arm und ich zog die Augenbrauen hoch. 

"Es gibt hier noch genug Mädels, die du noch kennen lernen solltest. Fang lieber nicht mit mir an." Ich wollte mich bei den Worten schon umdrehen, als er mich am Arm festhielt und - bei Gott - ich hätte ihm fast aus Reflex eine reingehauen. 

Seine olivgrünen Augen sahen mich ernst an, als die nächsten Worte seinen Lippen verließen. "Genau deswegen. Weil du bist wie du bist. Du bist nicht wie die anderen. Aber genau das lässt dich aus der Menge herausstechen."

Ich strich seine Hand weg und sah ihn mit verkniffenen Augen hindurch an. "Wow, weil ich nicht wie die anderen bin. Kyle, selbst für dich ist das die schlechteste Anmache überhaupt."

"Nicht, wenn es ernst gemeint ist.", erwiderte er ruhig. Ich setzte bereits zur nächsten Antwort an, als ich kurz inne hielt. Hatte der Quarterback etwa ne Wette verloren? Und nun soll er sich an die berüchtigte Rosaletta ranmachen, die sonst niemanden von den Kerlen aus der Schule an sich ließ. Grandios.

Ich überlegte.

"Was willst du, Kyle?"

"Ein Date. Nur du und ich. Keine Spielchen." Seine Augen funkelten und plötzlich musste ich an Jess denken. Sie würde wollen, dass ich zusage. Aber genau wegen dem Spiel. Date, dass ich nicht lache.

"Keine Wette.", fügte ich hinzu und seine Mundwinkel zuckten.

"Nein.", bestätigte er es ohne mit der Wimper zu zucken. Er war gut.

"Heute Abend." Ich würde mich überraschen lassen. Vielleicht war es aber auch das, was ich gerade brauchte.

Er lächelte zufrieden. "Ich hole dich um Acht ab."

 

 

 

Draußen auf dem Parkplatz suchte ich nach Schleimi Junior, doch die stechende Sonne erschwerte meine Suche und ich Held habe heute meine Sonnenbrille zuhause gelassen.

Ich lief etwas herum, sodass ich sicher ging, dass jeder mich hier auf dem Platz sah.

"Rosaletta." Er sprach meinen Namen gedehnt aus und - welch Wunder - Marcus in Juniorversion kam auf mich zu. Er ist jedoch breiter gebaut und auch etwas kleiner, dennoch überragte er mich um einen ganzen Kopf. Das dunkelgraue T-shirt und die verwaschene Jeans waren jedoch ein Kontrast zu dem Kleidungsstil seines Vaters. 

Er hat genau wie sein Vater blonde Haar und braune Augen, aber seine Gesichtszüge sind nicht schmal wie die seines Herren.

"Tevon." Ich deutete ein Lächeln an, was den Kerl vor mir aber nicht davon abhielt mich weiterhin finster zu mustern. Er schien wirklich nicht der zu sein, für den ich ihn am Anfang hielt.

"Steig ein.", murmelte er nur und steuerte auf einen schwarzen Sportwagen. Ich biss mir auf die Zunge. Jetzt war nicht der Zeitpunkt die bissige Letti zu sein. Das würde mir bei dem hier nicht weiterhelfen.

Während der ganzen Autofahrt redete er kein Wort und ich ließ es sein ihn zu fragen wohin wir überhaupt fuhren, stattdessen überlegte ich was ich mit ihm anfangen könnte.

 Plötzlich blieben wir stehen. Die Straße erschien ruhig und es wimmelte nur von Einfamilienhäuser. Meine Vermutung bestätigte sich, als Tevon das kleine Tor mit einem Code öffnete und ich folgte ihm schweigend ins Haus.

Innen erkannte ich eine sterile Einrichtung, das fast so kalt wirkte wie mein Zimmer. Es ist etwas fraglich, warum ein Vater und ein Sohn in einem Einfamilienhaus wohnten, doch der breite Rücken, der sich vor mir unentwegt bewegte verleitete mich zu ganz anderen Gedanken.

Im Wohnzimmer blieb er stehen und ohne weiteres nahm er zwei Bierflaschen aus dem Minikühlschrank.

"So.", fing er schließlich nach dem ersten Schluck an und auch ich genehmigte mir einen.

"Machen wir es kurz. Du und ich wollen das Gleiche und zwar kein neues Stiefelternteil."
"Ganz recht.", erwiderte ich überflüssigerweise und lehnte mich gegen den Sofarücken.

 "Das Problem ist: Mein Vater ist sehr zäh. Es ist nicht einfach ihn von etwas abzubringen."
Ach wirklich? Den Eindruck hatte Schleimi nicht hinterlassen, da musste ich mich wohl getäuscht haben.

"Was schlägst du vor?", fragte ich geradeaus und sah zu wie sich seine kräftigen Augenbrauen senkten, was ihn noch finsterer aussehen ließ. Immer mehr war ich mir nun sicher, dass die SMS von ihm mit purer Ironie verfasst wurde. Der Kerl erschien mir etwas unberechenbar.

"Wir schlafen miteinander."

 

 

Ich konnte es nicht verhindern, dass mein Mund offen blieb, so sprachlos war ich. Vor allem weil ich noch nicht ganz verstand.

Aufeinmal zuckten Tevons Mundwinkel und er legte seine Flasche auf dem Tisch neben ihm ab.

"Mein Vater muss uns erwischen. Wir spielen das verliebte und unzertrennliche Paar und das war's mit ihnen. Mein Vater ist vieles, aber er würde mir nie eine ernsthafte Beziehung kaputt machen wollen." Darauf sah mich Tevon abwartend an und ich nippte grübelnd an meinem Bier. 

"Wann?", fragte ich nur und ein zufriedenes Lächeln belegte Tevons Lippen.

"In einer Stunde kommt er nach Hause. Er ist Unternehmer und arbeitet die zweite Schichte montags zuhause.", klärte er mich auf und zog dann seine Jacke aus, die er einfach in den Flur warf.
"Na dann." Ich warf meine Schuhe gleich daneben und lief die Treppe rückwärts hoch. "Machen wir es glaubwürdig."
Und zum ersten Mal heute erschien ein Grinsen auf seinem Gesicht und ließ ihn wirklich nicht schlecht aussehen. Wenn wir gerade nicht in dieser verwegenen und absurden Situation wären, dann wäre er wirklich ein perfekter One-Night-Stand. Gutaussehend, unberechenbar und vor allem distanziert. Und das Letzte fehlte so gut wie immer bei meinen letzten Bekanntschaften. 

Der schon halbnackte Kerl folgte mir auf Schritt und Tritt während ich beim Rückwärtslaufen mein Top überzog und dies wie die anderen Kleidungsstücke auf dem Boden folgte. 

"Nach rechts.", dirrigierte er mich während sein Blick an meinen Brüsten hängen blieb. Ich hatte nur noch meinen Jeansrock und BH an. Plötzlich stieß ich mit dem Rücken an die Tür und ehe ich mich versah stand Tevon dicht vor mir. Auch er hatte nur noch eine Jeans an. 

Seine Hand glitt an mir vorbei und mit einem Klick ging die Tür hinter mir auf. Fast wäre ich nach hinten gefallen, wenn sein Arm mich nicht daran gehindert hätte. 

"Die eine Stunde ist lange nicht vorbei.", murmelte Tevon und ich fragte mich, ob ich mir die Spur von Enttäuschung in seiner Stimme nur einbildete.

Ich sah zu seinem Gesicht hoch, das ziemlich dicht vor mir war. Einen Moment suchte ich nach Gründen, es nicht zu tun, aber so viele ich auch fand, keines war gut genug für mich.

Ich ging auf meine Zehenspitzen und drängte mich ihm so entgegen. Sein heißer Atem beschleunigte sich, strich mir über die Lippen.

"Was ist schon glaubwürdiger als es gleich wirklich zu tun?", murmelte ich gegen seine vollen Lippen. Eine Sekunde später verstärkte sich der Griff seines Arms um mich und er schob mich rückwärts ins Zimmer.

Die Tür fiel ins Schloss während wir beide uns nur in die Augen sahen. 

Keine drei Schritte weiter spürte ich auch schon das Bettgestell an meiner Kniekehle und Tevon stieß mich nicht sanft aufs Bett. Er beugte sich vor und seine Hand fasste an dem Reisverschluss von meinem Jeansrock, das er in kurzerhand aufriss und an meinen Beinen lang runterzerrte. Ich stütze mich an beiden Ellenbogen ab und betrachtete ihn dabei wie er sich selbst die Hose auszog. Seine Mimik ließ nicht viel von dem verraten, was er dachte, aber ich konnte es ihm ansehen, dass ihn das hier genauso viel Lust bereitete wie mir. 

Zu sehr war der Kerl von gestern nicht gut genug.

Zu sehr brauchte ich es.

In seiner ganzen Gestalt stand Tevon am Bettrand und sah mich nur an. Und das obwohl ich ihn seine Lust mit einem Blick nach unten deutlich ansah. Das letzte, was ich brauchte, ist, dass er jetzt darüber nachdachte. Ich drückte meinen Rücken ganz durch und befreite mich aus dem BH, den ich zur Seite schmiss. Dann erwiderte ich wieder seinen Blick und leckte mir langsam über die Lippen. Langsam spreizte ich meine Beine und mit jeder Sekunde beschleunigte sich unsere beiden Atem. 

Ich stöhnte fast auf, als er endlich auf meine provozierende Einladung einging und mich direkt mit sich begrub. Seine Lippen stürzten hungrig auf meine während ich überall seine Hände spürte. Schließlich fanden diese meinen Hintern. Er drückte mich an sich während seine Pranken meinen Arsch kneteten. 

Mich störte es wenig, denn er küsste gut. Gut genug, dass ich mehr wollte und mich wie eine Ertrinkene an ihn klammerte. Zu lange hatte ich nicht jemanden, der mich so gut fühlen ließ.

Plötzlich spürte ich seine Hand in meinem Hösschen. Ich keuchte erschrocken auf, als er begann mich zu fingern und hielt mich an seinen Schultern fest. Stöhnend ließ ich meinen Kopf nach hinten fallen während er begann meine Halsbeuge zu küssen. Hungrig bog ich mich ihm entgegen, denn ich wollte mehr. Viel mehr.

"Fuck.", murmelte er mit dem Kopf zwischen meinen Brüsten. "Du fühlst dich verdammt geil an."
Meine Antwort wurde mit meinem eigenen Stöhnen erstickt, als er meinen Lustpunkt traf. 

"Mehr", keuchte ich. "Mehr, Tevon."

Plötzlich verschwand seine Hand aus mir. Ich wollte schon protestieren, als er mit einer Hand meine Hände über meinem Kopf festhielt und mit einem Ruck in mich hineinstieß.

Wir stöhnten beide gleichzeitig auf. Ich schlang meine Beine um ihn während er anfing mich mit harten Stößen ins Jenseits zu befördern.

"Ja, JA!", schrie ich und spürte nebenbei wie das Bett sich in unserem Rhythmus mitbewegte. Es knarzte, unsere verschwitzte Haut klatschten aneinander und lautes Keuchen erfüllten das Zimmer. Doch plötzlich kam noch ein Laut dazu.

"Verdammt, Tevon, schließ doch die Tür ab!", ertönte aufeinmal eine bekannte Männerstimme vom anderen Ende des Zimmers.

Sofort hielt Tevon inne. "Fuck.", fluchte er und ich stöhnte genervt auf, obwohl wir beide wussten, dass wir es so haben wollten. 
Wieder fiel die Tür ins Schloss und ich hörte seinen Vater noch im Flur fluchen. Mein Gott, er hatte seinen Sohn inflagranti erwischt, es gibt schlimmeres..

Tevons Gesicht tauchte schließlich dicht vor meinem auf.  

"Ich.." Er sah mich unschlüssig an und ich las die Frage bereits ab. Als Antwort schmiegte ich mich wieder an ihn und küsste seinen Hals. Er verstand sofort und bewegte sich wieder in mir. Natürlich fühlte ich, dass sein Schwanz etwas weicher geworden ist. Doch seine Stöße werden nun schneller, kräftiger genauso wie unser Atem bis er schließlich kam und ich mit ihm. 

"Scheiße ja.", murmelte er an meiner Halsbeuge und meine Mundwinkel zuckten verräterisch. Tevon zog sich aus mir heraus und fiel wie ein nasser Sack neben mir. Im nächsten Moment verfiel ich in einen Lachkrampf. 

 Ich lachte bis mein Bauch anfing weh zu tun und ich mit Mühe mein Bauch festhielt. Tevon drehte sich zu mir um und betrachtete mich von der Seite.

"Worüber lachst du?", fragte er ehrlich interessiert. Seine Augen sahen mich leicht amüsiert an.

"Na das hier." Ich machte kichernd eine ausschweifende Bewegung mit der Hand. "Die ganze Situation hier."
Neben mir ließ sich Tevon auf den Rücken fallen und sah hoch an die Decke.

"Du hast Recht. Schon schräg, was?" Er blickte mich an und zum ersten Mal sah ich ein Grinsen auf seinem Gesicht. Es ließ ihn jünger wirken und vor allem nicht mehr so ernst und finster wie vorhin. 

"Also dann, Schatz. Let´s start the show." Ich erhob mich vom Bett und sammelte meine Unterwäsche auf. Den BH zog ich an, mein Hösschen war jedoch feucht und ich verzog das Gesicht bei dem Gedanken im kurzen Jeansrock ohne Slip rumzulaufen.

Auch Tevon erhob sich und trat an mir vorbei an seinem Schrank. Er warf mir ein weißes Hemd zu bevor er sich selbst in neue Klamotten steckte. 

"Zieh das an, das bedeckt deinen Hintern.", war das letzte, was er sagte bevor er mit Sexhaaren das Zimmer verließ.

Schmunzelnd zog ich mir das Hemd über bevor ich ihm nach unten folgte.

 

 

Ich hörte bereits auf der Mitte der Treppe das Toben und Fluchen seines Vaters. Tevon zwinkert mir noch verschwörerisch zu bevor er durch den Türrahmen verschwand.  

Sein Vater stand mit dem Rücken zur Tür und fuhr sich gerade durch seine blonde Frisur, das im Gegensatz zu gestern nicht mehr top gestylt auf seinem Platz saß. 

"Tevon, ich verlange nicht viel von dir, aber unter den wenigen Bedingungen dieses Hauses fallen auf jeden Fall nicht irgendwelche Flittchen hierher zu bringen!" 

Bei den Worten drehte er sich zu um, doch da Tevons breite Schultern mich halb verdeckten, konnte ich nicht in Schleimis Gesicht ausmachen. Schnell änderte ich dies, indem ich neben Tevon trat, der in dem Moment seufzend die Arme auf der Kücheninsel abstützte.

"Sie ist kein Flittchen, sondern meine Freundin.", erwiderte Tevon ruhig.

Der Blick seines Vaters wanderte in dem Moment zu mir und ich konnte buchstäblich sagen, dass sein Gesicht in sich zusammen fiel. Wehmütig legte ich meine Hand aufs Herz und schluckte hörbar.

"Ein Flittchen..?", brachte ich mit gespielt wackliger Stimme hervor. Dann krallte ich meine andere Hand in Tevons Arm. "Bitte Schatz, sag mir, dass das hier dein Onkel oder was auch immer ist, nur nicht dein.. Vater" Wieder ein hörbares Schlucken.

 

"Du..", konnte Schleimi nur hervorbringen und stützte sich an der Küchentheke hinter ihm ab. Ihm stand der Schock ins Gesicht geschrieben.

Tevon blickte zwischen uns hin und her. Er spielte den Verwirrten und das ziemlich gut.

"Kennst du meinen Vater etwa?", fragte er schließlich und sah mich mit verkniffenen Augen an.

"Oh Gott" Theatralisch schlug ich mir die Hände vors Gesicht. "Das.. kann nicht sein. Das ist ein Desaster. Baby, er.." Ich sah verbittert zu Schleimi rüber dann wieder zu Tevon. "Er ist mit meiner Mutter zusammen, Tevon."

"Du bist mit Lettis Mum zusammen?? Scheiße man, sie ist meine Freundin!", brachte Tevon wuterstickt hervor. Sein Vater jedoch sah jetzt stirnrunzelnd zu mir.

"Hast du nicht gesagt, du bist mit irgendeinem David.. oder so zusammen?", fragte Schleimi mich jetzt plötzlich und ich versuchte mich an dem Bullshit, das ich gestern von mir gegeben habe zu erinnern. Stimmt, da war was...

Tevon sah mich mit leicht hochgezogenen Augenbrauen an und ich ließ meine Hand sinken. Ich reckte das Kinn hoch und seufzte lächelnd. 

"Das habe ich wegen meiner Mum gesagt. Sie traut mir keine ernhafte Beziehung zu demnach mache ich es ihr nur recht und erzähle ihr von meinen unzähligen Freunden, die es in Wahrheit gar nicht gibt. Es gibt nur Tevon für mich." 

Bevor ich fertig geredet habe, lag schon der Arm von Tevon um meine Taille und wir sahen uns lächelnd an. Gott, der Kerl verstand mich blind. 

Schleimi stand immernoch am Küchentresen gelehnt und holte tief Luft. "Tevon, kann ich einen Moment mal mit dir alleine reden?"

 

 

 

Vor lauter Ungeduld fing ich an meine Nägel zu betrachten. Sie sind vor zwei Tagen notbedürftig in violett von mir lackiert worden. Gedanklich setzte ich eine Maniküre auf meiner To-do-Liste. 

Ich sah mich im Wohnzimmer um, in dem ich vorhin schon war. Nur habe ich es vorhin nicht wirklich beachtet. Neugierig trat ich an das Regal neben dem TV und sah von einem Bild zum anderen. Auf den meisten ist Tevon zu sehen. Als kleines Kind sah er wirklich süß aus vor allem mit einem wirklich fröhlichen Lachen, von dem nun anscheinend kaum noch was übrig war. Es gibt zwei etwas ältere Bilder wo Tevon neben seinem Vater stand, anscheinend vor einem Fußballspiel geschossen. Von seiner Mutter keine Spur. 

Gerade wollte ich mich wegdrehen als mein Blick an einem Bild hängen blieb. Auf dem ersten Blick ist darauf eine Fußballmannschaft aufgestellt zu sehen. Doch es ist eine Person, die mir besonders in Auge fiel. Es ist das gleiche Blau in das ich gestern geblickt habe und auch wenn das Bild offensichtlich ein paar Jahre her ist, da es die Jugendmannschaft mit Tevon darstellte, es ist derselbe Kerl. Nur jünger. 

"Arschloch", war das Einzige, was mir dazu einfiel und gesagt werden musste. Ich beendete nun endgültig meine Entdeckungstour, weil mir aufeinmal die Lust auf alles verging und lief in Richtung Küche, als mir Tevon entgegen lief. 

Er nickte zur Treppe und ich sah das Zucken seiner Mundwinkel. 

Kurz schielte ich noch in die Küche, doch von seinem Vater keine Spur ehe ich Tevon nach oben folgte.

Ungeduldig schloss ich die Tür von seinem Zimmer hinter mir und blickte Tevon abwartend an, der sich mit einem zufriedenen Grinsen aufs Bett fallen ließ. 

"Der Plan könnte nicht besser funktionieren. Ich habe ihm erzählt, dass das mit uns zwar erst einige Wochen läuft, jedoch dass du mir gut tust und nun ja.. die übliche Gefühlsduselei." Seine Arme verschränkte er und platzierte seinen Kopf darauf während er zur Decke hochblickte.

"Und wie werden wir genau weitermachen?", frage ich, obwohl ich es mir schon selbst denken konnte.

"Naja du lässt dich so oft wie möglich hier zeigen. Am besten mit so wenig wie möglich an." Er besaß die Frechheit mir dabei zuzuzwinkern, was ich nur mit hochgezogenen Augenbrauen kommentierte. "Und vergiss nicht die ganzen Familiendinner. Oh das wird ein Spaß."

 Ich lachte leise und stieß mich von der Tür ab, um in Richtung Bett zu gehen. Vor Tevon blieb ich stehen und verschränkte die Arme vor meinen Brüsten. 

"Gut, machen wir das so. Zwei mal die Woche holst du mich von der Schule ab und wir ziehen die ähnliche Show wie vorhin ab. Dazu sollen es auch ernstere Verabredungen geben." Ich blickte lächelnd auf ihn herab, was er erwiderte. "Es reicht schon, wenn wir vor ihm gemeinsam rausgehen und sagen wir gehen ins Kino, was wir natürlich in Wahrheit nicht tun werden."
Tevon nickte zur Antwort nur stumm und ich bekam das Gefühl, dass er mich mehr betrachtete als ansah. 

"Der Rest entwickelt sich schon selbst. Ich rede mit meiner Mum und du mit Schl- ich meine Marcus." Hups nochmal gutgegangen.

Ich atmete zufrieden aus und wandte mich schon zum Gehen, als ein Druck auf meine Kniekehlen mich zum Sturz brachte. Tevons Arme fingen mich auf bevor ich unkontrolliert aufs Bett fiel und bevor ich etwas sagen konnte, lag ich auf dem Rücken und er über mir.

Ich begegnete das belustigende Funken in seinen braunen Augen, was mir ganz und gar nicht gefiel. Denn ich sollte ihn nicht so amüsieren. Wo war der finstere Tevon vom ersten Augenblick hin? Oder bei unserem Telefonat?
"Ich finde.." Sein Blick glitt an mir herunter. "..wir sollten das wiederholen. Diesmal ungestört."

Instinktiv will ich sofort den Kopf schütteln, aber leider konnte ich Tevon nicht wie anderen behandeln. Meine übliche Abfuhr sollte ich diesmal zurückhalten. Er hatte für mich eine andere Funktion als einem One-Night-Stand. Verdammt, wieso habe ich bloß mit ihm geschlafen?!
 Seufzend legte ich eine Hand gegen seine Brust. "Tut mir leid, aber heute habe ich schon leider Pläne."
Ich schaute zum Wecker neben dem Bett. Es war bereits kurz vor 7. In dem Moment fiel mir ein, dass Kyle mich um 8 abholen wollte. 

"Ein Date?", hakte Tevon monoton nach und sah mich nun mit nachdenklicher Miene an. "

"Nein", antwortete ich sofort.

Ich datete nie.

"Du weißt, während unserem Theater darfst du dich nicht mit keinem anderen sehen lassen.", fügte er unnötigerweise hinzu und ich fühlte wie sein Gewicht auf mir abnahm. 

"Das musst du mir nicht sagen", erwiderte ich leicht gereizt und schob ihn an seinen breiten Schultern zur Seite. Ich schnappte mir meine restlichen Sachen und ging zur Tür. An der Schwelle blieb ich jedoch unüblicherweise stehen und drehte mich zögernd zu ihm um. 

"Willst du mich nicht zur Tür begleiten?", fragte ich als Anspielung auf seinen Vater. 

Tevon nickte nur und begleitete mich nach draußen. Auf dem Weg verabschiedete ich mich von Schleimi, der gerade vor dem Fernseher saß. 

"Mach's gut, Letti. Schön dich so gut mit meiner Familie zu wissen.", waren seine Worte während er mich sogar umarmte, doch mir entging der gequälter Ausdruck in seinen Augen nicht.

"Danke, und es tut mir leid, dass wir dich damit überrumpelt haben. Ich bin mir sicher, wir sehen uns bald."

"Sicher."

Dann lotste mich Tevon mit einem Arm an meiner Taille nach draußen.

"Ich fahre dich", sagte er beim Rausgehen. Ich zuckte nur mit den Schultern, denn ich sah keinen Grund, um zu widersprechen.  

 

 

 

 

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 13.02.2015

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
An all diejenigen, die den einen Menschen treffen, der alles in unserem Leben umwirft und doch selbst alles für uns ist. _____________________________________________________________________ "He knows. Dirty secrets that I keep. Does he knows it's killing me? He knows. He knows. He knows."

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