Der Herbstwind zog kühl seine Bahnen durch die Ritzen und Löcher in den Kaninchenstall hinein. Eingehüllt in Stroh lagen die Kaninchen dicht aneinandergepresst in ihren Käfigen und versuchten der bitteren Kälte des Herbstes zu trotzen. Wer nicht schläfrig vor sich hinschlummerte, der putzte sich für den bevorstehenden Schönheitswettbewerb heraus, der in wenigen Tagen stattfand. Vorallem junge Kaninchen, ohne Makel und mit perfekten Fellfärbungen, wurden auserwählt, ihre Schönheit und somit die perfekte Züchtung eines jeden Zuchtvereins auf der Bundesweiten Veranstaltung zu präsentieren.
Als Krümel seitlich in den Käfig seines Freundes schaute, lag dieser desinteressiert auf der Seite, der Blick seines gesunden Auges geistesabwesend dahergleiten. Mit jedem Tag an dem das Wochenende und somit der Wettbewerb näher rückte, wurde Watson melancholischer und schweigsamer. Und seitdem der Fall um den Bürgermeister von Mümmelhausen Sparkle aufgeklärt und der Mörder gefasst worden war, hatte Watson kaum sein Fressen angerührt und nur die ganze Zeit über geschlafen.
Zwei Tagelang hatte Krümel den Dauerzustand seines Freundes schweigend zugesehen, bis er letztendlich den Entschluss fasste, dem ein Ende zu setzen.
„Hey Watson!“ Begann Krümel den Versuch seinen Freund aufzumuntern. „Was ist los mit dir?“
„Was soll denn schon los sein mit mir, Krümel?“ Brummte der Großchinchilla. „Mir geht’s gut!“
„Dann hingst du nicht wie ein Schluck Wasser vor dem Gatter.“
Watson seufzte und legte den Kopf schief auf das Stroh. „Ich bin alt und schwach!“
„Ach quatsch, Watson! Das bildest du dir nur ein!“ Winkte Krümel ab, da er nicht wusste, was er sonst als Antwort geben konnte, um seinem Freund aufzumuntern.
Watson atmete tief die kühle Herbstluft ein und prustete sie geräuschvoll aus seinen Lungen wieder aus. Gedankenverloren blickte er auf die vielen Käfige auf der gegenüberliegenden Wandseite und beobachtete die jungen Kaninchen, die sich säuberten und herausputzten, um am Wettbewerb zu gewinnen und ihrem Züchter alle Ehre zu machen. Er erinnerte sich an jene Zeit als junger Bock, als er die Preise für seine Eleganz und seine Schönheit gewonnen und somit seinem Züchter ein hohes Ansehen unter seinesgleichen beschert hatte. Doch diese Zeit lag lange vor seinem Unfall zurück.
Dann schloss er die Augen und wartete schweigend auf das Mittagessen, das er unangetastet liegen lassen würde. Krümel hingegen überlegte nach einem Plan, wie er seinen Freund aufmuntern konnte, als er jedoch zu dem Entschluss kam, dass seine Stimmung sich nach Ende des Wettbewerbes bessern würde, schloss er seine Augen und lauschte dem Heulen des Herbstwindes.
Nach dem Mittagessen wurden die jungen Kaninchen zum Auslaufen ins Freilaufgehege gebracht. Der Zaun des Freilaufgeheges umfasste eine Fläche von fünf Quadratmetern und erschloss sich an den seitlichen Eingang zum Stall. Von allen Seiten wurde das Gehege von undurchdringlichem Hasendraht gesichert, damit kein Raubtier hineindringen und den langohrigen Hopplern etwas antun konnte. Die Jungen freuten sich, endlich die vier engen Käfigwände zu verlassen und über die Wiesen zu tollen, als gäbe es nichts Wichtigeres auf der Welt. Und sofort war der Wettbewerb vergessen.
In der Mitte sammelten sich die jungen Kaninchen zu einem geschlossenem Kreis zusammen, der in quiekender Entzückung immer wieder auseinander lief, um dann in weiten Sprüngen wieder zusammenzufinden.
„Meine Mami sagte, dass der Zirkus in der Stadt wäre!“ Rief ein Junges entzückt.
„Dort gibt es bestimmt Elefanten und Löwen und Tiger…“ Ein weiteres Junges kam in den Kreis dazu, all die Tiere, die es genannt hatte, gab es nur in seinen Vorstellungen, denn gesehen hatte es noch keine davon.
„Und Clowns!“
„Ach, wie gerne, wäre ich nun im Zirkus!“
Schön war die Freiheit. Sie war wohltuend und verlieh das beflügelte Gefühl, als könnte man die Welt umarmen. Erfreut streckte sie den Kopf in die Höhe und beschnupperte das nasse Laub, das vom Wind getragen zu Boden glitt. Angenehm roch die frische Herbstbrise, die durch das weiche Fell, um die lauschenden Ohren und um das kräuselnde Näschen pfiff. Wieso hatte sie nicht schon vorher begriffen, was Freiheit bedeutete? Es war das kribbelnde Gefühl in der Magengegend, kurz bevor das Herz einen Sprung vor Glück machte und man so hohe Harken schlagen möchte, dass man die Spitzen der Tannen erreichte.
Erfreut lief sie im Freilaufgehege hin und her, die Jungen am gegenüberliegenden Gatter schauten ihr neugierig und liebäugelnd hinterher. Sie wusste, dass sie schön war, denn sie war auch der Liebling ihres Zuchtmeisters und Stolz darauf, am kommenden Wochenende am Schönheitswettbewerb teilzunehmen.
Das junge Kaninchen setzte sich am Rande des Gatters vor dem engmaschigen Drahtzaun zum Verschnaufen nieder. Ihr Herzchen raste in der Brust, hektisch sog sie die Luft ein, die sich brennend in ihren Lungen ausbreitete. Einen Moment sah sie in den Wald hinaus, der sich um den Stall und den Freilaufgehege bis zum angrenzenden Zoo hin erstreckte und sah einen Schatten neben einer Fichte stehen, während seine glühenden Augen sie neugierig beobachteten.
Watson lag noch immer auf der Seite, den Kopf auf den Vorderpfoten abgelegt und starrte gedankenverloren ins Nichts. Seit Stunden hatte er weder gesprochen, noch sich gerührt, einzig und allein das gelegentliche Stöhnen verriet, dass er noch am Leben war.
Krümel kannte seinen Freund schon seit zwei Jahren und noch nie hatte er ihn in diesem Dämmerzustand erlebt, indem ihm selbst das Fressen egal war und er nichts lieber tat, als den gesamten Tag zu verschlafen. Irgendetwas musste es geben, um Watson aus seinem tristlosen Dasein herauszureißen, ihn wieder ins Leben zurückzuwerfen, ihm zeigen, dass seine Person gebraucht war, dass Krümel ihn brauchte.
Gerade als Krümel darüber nachdachte, was er tun oder sagen konnte, um Watson aufzumuntern, da sein letzter Versuch bereits vergeben war, erklang ein lauter, schriller Schrei und zerriss die Stille im Kaninchenstall wie ein scharfes Beil Holz.
Der Großchinchilla und das Alaskakaninchen waren sofort am Gatter draußen im Freilaufgehege. Der Wind pfiff ihnen um die langen Ohren und Kälte zog durch ihre flauschigen Pelze, bis sie vor Kälte erzitterten. Der Lärm, den die weinenden und schreienden Kaninchen um sie herum verursachten, war ohrenbetäubend und unverständlich.
Watson ergriff als Erster das Wort: „Seid still.“ Brüllte er mit seiner krächzenden und lauten Bassstimme und sicherte sich somit die Aufmerksamkeit aller Kaninchen, die er als Freunde oder Nachbarn kannte. Erst als Ruhe eingekehrt war, fügte er rasch hinzu. „Was ist hier eigentlich passiert? Wieso macht ihr hier so einen Aufstand?“
„Sora ist verschwunden!“ Sprach ein besorgtes Mecklenburger Scheckenweibchen. „Meine arme Tochter ist verschwunden, Watson, wie vom Erdboden verschluckt!“ Ihre dunklen Augen bohrten sich in Watsons Brust.
Die Erinnerung an das reinrassige Weibchen vor ihm schmerzte in ihm auf, als er ihr vor Jahren das erste Mal begegnet war und ihre Schönheit ihm die Sprache verschlug. Der Großchinchilla japste nach Atem, bevor er sich durch den fragenden Blick seines Kumpels Krümel niedergestreckt, zusammenriss und das schöne Kaninchen anschaute. „Wie meinst du das, einfach verschwunden?“
Das Scheckenweibchen trat näher zu Watson heran, ihre Nase stieß fast an die von Watson. „Das sagte ich doch bereits! Wie vom Erdboden verschluckt! Sie war hier nach draußen gegangen, so wie jeden Nachmittag und tollte mit den anderen Jungen auf der Wiese und im nächsten Augenblick war sie nicht mehr da!“
Krümel dachte angestrengt nach. Alles hatte eine logische Erklärung, selbst ein solch kleines Geschöpf, wie ein Kaninchenkind konnte nicht einfach verschwinden. „Jemand muss gesehen haben, wie Sora verschwand!“
„Eben nicht!“ Das Mecklenburger Scheckenkaninchen schrie Krümel förmlich an. „Sie wurde entführt. Meine arme Tochter wurde entführt!“
Das Klagen der Frauen erfüllte den Kaninchenstall mit Trauer und Herzensschwere, deshalb verließen Krümel und Watson ihre Unterkünfte und trafen sich im Freilaufgehege ein, wo sie beide den undurchdringlichen Drahtzaun gründlich auf Spuren des Eindringens untersuchten.
„Nichts!“ Fluchte der Großchinchilla, als er zu Krümel ans andere Ende des Geheges trat. „Absolut nichts! Kein Loch, keine Erdaufschüttung, kein Ausweg aus diesem Stall und dennoch ist Sora verschwunden!“
Krümel schwieg, als er seinen Freund so aufdringlich anschaute, als versuche er, durch ihn hindurch zu sehen, um das Geheimnis aufzuspüren, das in Watson innewohnte. „Was verbindet dich und die Mutter des verschwundenen Kaninchens?“
„Genauso wenig, wie das Ergebnis dieser sinnlosen Suche nach dem Schlupfloch indem das Junge hindurchschlüpfen konnte: Nichts!“
„Aber sie hat dich direkt angesprochen und angefleht, so als würde sie dich kennen, so als könntest nur du ihr helfen, ihre Tochter zu finden!“
Watson schüttelte den Kopf. „Das bildest du dir nur ein, Krümel! Außerdem gibt es jetzt Wichtigeres zu tun, als die Beziehungen früherer Zeiten durchzudiskutieren!“
„Beziehungen?“ Stellte Krümel fest und grinste. „Also lief da mal was!“
Der Großchinchilla errötete leicht um die Nasenspitze und hüstelte, als er hinaus in den Wald stierte, der sich an den Zoo und an die anderen Zuchtställe anschloss. „Lass uns in den Wald gehen und dort nach Sora suchen.“
Der Alaska zog die flache Stirn in Falten. „Wieso willst du das tun? Es ist doch eindeutig, dass Sora hier aus diesem Stall nicht hinaus konnte!“
„Aber hier drinnen ist sie dennoch nicht!“
„Wo sollen wir anfangen nach ihr zu suchen?“
Watson kräuselte das Näschen. „Vielleicht befragen wir zuerst die Tiere in der nahen Umgebung!“
„Die da wären?“
„Dachse, Füchse…“
„Du willst dich DENEN nähern?“ Krümel spuckte fast diese Worte aus, so unfassbar töricht klangen sie in seinen langen Ohren. „Das ist ja purer Selbstmord!“
„Hast du eine bessere Idee?“ Wollte Watson wissen.
Auch Krümel sah hinaus in den Wald und ließ seinen Blick über den unebenen Boden wandern, auf der Suche nach irgendwelchen Spuren, die Soras Entführer oder gar die Richtung verriet, die sie eingeschlagen hätte. „Was liegen da drüben für seltsame Steine unter dem Fuße des Baumes?“ Er hoppelte zum Rande des Zaunes, dort, wo er am Höchsten war und grub eine Kaule in den erdigen Boden. Dann schlüpfte er hindurch, gefolgt von Watson, der ihm bis zu den Steinen nachlief, die sich unter dem Baum angehäuft hatten.
„Das sind keine Steine, Krümel. Das sind Nüsse!“ Stellte Watson fest und schaute hinauf zur Baumspitze. „Da müssen Eichhörnchen wohnen!“
„Vielleicht sollten wir die als Erste befragen, ob sie irgendetwas von Soras Verschwinden mitbekommen haben!“
Watson schnaubte. „Na dann viel Glück!“ Er grinste verschwörerisch.
„Warum das denn?“
„Eichhörnchen vergessen alles nach ungefähr drei Minuten!“
Krümel starrte ihn ungläubig an. „Das ist wohl ein Scherz!“
„Was glaubst du denn, warum sie andauernd ihre Nüsse suchen, die sie noch wenige Minuten zuvor vergraben haben?“
„Das glaube ich jetzt nicht!“
„Ist aber wahr. Du wirst es gleich sehen!“
Als Watson den Eichkater rief, der sich gemeinsam mit seiner Familie, hoch oben in den Ästen des Baumes niedergelassen und sich dort ein Nest gebaut hatte, kletterte dieser flink und leichtfüßig den Stamm hinab, bis er in der Mitte inne hielt und den Rest hinunter auf den Boden sprang, wobei er seinen puscheligen Schwanz als Steuerruder benutzte. Der Eichkater richtete sich auf, als er sich auf seine Hinterläufer stellte und die beiden Kaninchen nacheinander verwirrt anschaute. „Wer seid ihr?“
„Vergiss nicht!“ Ermahnte Watson. „Nur drei Minuten!“ Und zählte in Gedanken hundertachtzig Sekunden auf.
Krümel verdrehte die Augen. „Ich bin Kommissar Langohr und das ist mein Partner Kommissar Watson! Wir beide arbeiten gerade an einem Fall, wobei Sie uns eventuell helfen können!“
Der Eichkater kräuselte das spitze Näschen, wobei sich seine langen Barthärchen hin und her bewegten. „Kann schon sein. Wir können hier oben von den Bäumen die Umgebung überblicken, mit Sicherheit habe ich etwas gesehen, das Ihnen weiterhilft.“
„Okay, bevor wir zu unseren Hauptfragen kommen, nur einpaar Formalitäten: Wie heißen Sie?“
„Mein Name ist Puschel.“
„Wo wohnen Sie?“
„Auf den oberen Ästen des Baumes in einem Kobel!“ Antwortete der Eichkater wahrheitsgemäß.
„Hundertfünfzig!“ Sprach Watson laut aus, während das Eichhörnchen verwirrt zu ihm aufschaute und Krümel ihm einen warnenden Blick zuwarf.
„Wo befanden Sie sich heute den gesamten Tag?“
Puschel grübelte intensiv nach und zuckte danach mit den Schultern. „Keine Ahnung. Wahrscheinlich in meinem Kobel und habe geschlafen oder war draußen und habe Nüsse für den bevorstehenden Winter gesammelt.“
„Haben Sie auf Ihren Streifzügen seltsame Beobachtungen gemacht?“ Wollte Krümel von dem Eichhörnchen wissen und sah zu, wie dieser verneinend den Kopf schüttelte.
„Nicht das ich wüsste!“
„Hundertzwanzig!“ Rief Watson und erntete dabei einen strafenden Blick von seinem Kumpel.
„Waren da keine fremden und gefährliche Tiere, die sich dem Kaninchenstall näherten?“
„Lassen Sie mich mal überlegen!“ Puschel legte eine Kralle ans Kinn und reckte den Kopf nach oben, als suche er in den Wolken nach der Antwort. „Ich würde sagen, nein, aber das kann ich nicht mit Sicherheit bestätigen!“
Watsons Blick, der auf Krümels traf, verhieß ihm: Hab ich es dir nicht gesagt?
„Neunzig!“
„Ist Ihnen das hübsche Kaninchenmädchen aufgefallen, das unten im Freilaufgehege mit den anderen gespielt hat?“
„Das Kaninchenmädchen?“ Puschel atmete tief ein und wieder aus. „Nein. Ich habe keine Ahnung. Was ist denn geschehen?“
„Ein Junges ist spurlos aus dem Freilaufgehege verschwunden und wir haben keinerlei Vermutungen wo es sich zurzeit aufhalten könnte!“
„Sechzig!“
„Aus welchem Freilaufgehege?“ Wollte Puschel wissen und legte den Kopf schief, als er Kommissar Langohr fragend anblickte.
„Das, das da unter Ihrem Baum steht!“ Antwortete Krümel, während ihn eine Ahnung von dessen beschlich, was ihm Watson eben mitzuteilen versucht hatte. Die Befragung würde sich als ergebnislos und zeitverschwendet herausstellen.
„Unter meinem Baum steht ein Freilaufgehege? Was soll denn dort frei herumlaufen?“
„Kaninchen!“
„Dreißig!“
Krümel atmete prustend aus. Es war sinnlos Puschel weiterhin Fragen zu stellen und dennoch klammerte er sich an diesem winzigen Anhaltspunkt fest, das ihm weiterhelfen konnte, Sora zu finden. „Erinnern Sie sich vielleicht an irgendeine Besonderheit? Vielleicht an ein Tier, das Sie bisher noch nie hier gesehen haben?“
„Eigentlich erinnere ich mich nicht. Nein!“
„Zehn!“
„Haben Sie nichts Ungewöhnliches beobachtet? Ein schönes Kaninchen, das alleine hinaus in den Wald gelaufen war?“ Krümel versuchte es erneut, doch allmählich verlor er die Geduld und die Hoffnung, dass der Eichkater auch nur den Hauch einer Ahnung von Überhaupt etwas hatte.
„Fünf!“
„Nein. Ich habe keine Ahnung.“ Sagte Puschel und kratzte sich am Hinterkopf. „Es ist, als wäre mein Gedächtnis wie ausgelöscht!“
Watson verlor fast den Anschluss weiterzuzählen, als er lachend aufkeuchte. „Vier!“
„Können Sie sich überhaupt an irgendetwas erinnern?“
„Drei!“
Das Eichhörnchen hob eine Nuss vom Boden auf und sah sie sich von allen Seiten an, als hätte es noch nie in seinem Leben zuvor etwas Derartiges gesehen. „Weiß ich nicht!“
„Zwei!“
„Wissen Sie überhaupt, wie diese Nüsse auf den Boden gekommen sind, die Sie in den Krallen halten?“
Puschel schüttelte den Kopf. „Solche Nüsse habe ich noch nie zuvor gesehen. Ich kann mich nicht daran erinnern, die hierher gelegt oder von meinem Kobel aus fallen gelassen zu haben!“
„Eins!“
Der Eichkater schaute verwirrt zu Krümel auf, als wäre er ein eigenartiges Wesen, das er noch nie zuvor gesehen hatte. „Wer sind Sie? Und was machen Sie hier?“ Fragte dieser, während Watson Krümel anlächelte.
„Hab ich dir doch gesagt!“
Nichts! Absolut keinen Hinweis war im kleinen Waldstück auf das Verschwinden der schönen Sora zu finden. Es gab weder Anhaltspunkte, noch irgendwelche Zeichen, keine Fußspuren, kein Blut, keine Haare, rein gar nichts. Es war schier Hoffnungslos und mit hängenden Köpfen kehrten sie in den Kaninchenstall zurück. Als die traurige Nachricht verbreitet wurde, dass die beiden Kommissaren nach Ende ihrer Befragungen genauso schlau, wie am Anfang waren, wandte sich die Mutter des verschwundenen Mädchens enttäuscht von ihnen ab und auch Watson drehte sich im Käfig enttäuscht von sich selbst zur Seite, so dass Krümel die Trauer nicht ablesen konnte, die in seinem gesunden Auge lag.
Missmutig lauschte Krümel dem aufgeregten Schnattern der Kaninchen, die sich in seinen schwarzen Stehohren wie eine Horde Gänse anhörten, die sich nicht besser zu beschäftigen wussten, als Spekulationen und Vermutungen über Soras Verschwinden anzustellen. Bald darauf wurden die Kaninchen es Leid über Sora und ihre arme, sich sorgende Mutter die Mäuler fusselig zu tratschen und sprachen über den Schönheitswettbewerb, der an diesem Wochenende stattfinden sollte.
Krümel legte einfach den Kopf auf die überkreuzten Vorderpfoten und hörte dösend den Gesprächen der Nachbarn zu.
„Ich bin gespannt, welcher Zuchtverein dieses Jahr bei der Kaninchenshow gewinnt.“ Sprach ein altes Weibchen, dessen krächzende Stimme in Krümels empfindlichem Gehör schmerzte. „Letztes Jahr gewann der alte Giftzwerg von Baummüller mit seinen hinterhältigen Russen.“
„Die Russen sind doch überhaupt nicht schön, die können es doch nicht mit unseren Rassen aufnehmen!“ Wandte eine männliche Stimme mit ein. „Ich habe gehört, wie unser Zuchtherr nach dem Wettbewerb letztes Jahr über den Baummüller geschimpft hatte, dass die Jury von ihm mit Geld bestochen wurde, damit er und sein Zuchtverein gewinnen würden.“
„Das habe ich auch gehört! Wie sollen denn auch die abscheulichen Russen und ihre Mafiagang gewinnen, wenn in unserem Stall solche Rassen mitmachen, wie die Alaska oder die Schecken? Die können doch nur verlieren!“
Ein klagendes Geheul durchschnitt das Gespräch der beiden Kaninchen. Sari, Soras Mutter schluchzte bitterlich auf. „Meine Tochter sollte auch an diesem Wettbewerb teilnehmen und nun wird sie nicht mehr in den Genuss kommen, ihre Schönheit allen Besuchern zu preisen!“
Watson und Krümel hoben zeitgleich ihre Köpfe, beide sahen sich prüfend an, beide ahnten, dass der andere dasselbe dachte und beide wussten, was zu tun war.
„Glaubst du wirklich, dass der Züchter Baummüller etwas mit Soras Verschwinden zu tun hat?“ Fragte Watson, während er über Wurzel und Kieselsteine hinwegsprang und seinem Kameraden folgte, der schnurstracks den schmalen Trampelpfad entlanghoppelte, der sie von ihren Stallungen und Gehegen hinweg führte.
„Überleg doch mal, Watson!“ Krümel blieb am Rande einer Baumwurzel stehen, die umringt von zusammengeknülltem Papier und leeren Getränkedosen war und wandte sich zu seinem Freund. „Der Zaun war einwandfrei und in Ordnung und selbst die Erde war nirgends um den Draht herum aufgeschüttet, so dass wir annehmen konnten, sie hätte sich ein Loch hinaus gegraben. Die einzige Möglichkeit wäre, dass ein Mensch das Dach des Freilaufgeheges geöffnet und Sora herausgenommen hätte.“
„Vermutlich!“ Brummte Watson.
„Hast du eine andere Idee?“
„Russen!“ Brummte der Großchinchilla abermals. „Sie sind hinterhältig und gemein und wenn du dich mit ihnen anlegst, Krümel, hetzen sie ihre Mafiakollegen auf dich.“
„Und wie sollen die es angestellt haben? Jeglicher Versuch in das Gehege zu kommen, hätten wir doch längst bemerkt!“
Stumm beäugte Watson das riesige Schild über der Eingangstür des Zuchthauses Baummüller für kleine Normalhaarrassen, der überwiegend Russen und Holländer züchtete. Watson hatte ihn zwar vor der Russenmafia gewarnt, doch Krümel zeigte keinerlei Furcht vor ihnen, sondern Neugier und eine gewisse Art von Hoffnung, Hoffnung, dass er irgendeine Spur, die ihn direkt zu Sora führen, finden konnte.
Die Tür des Stalles war nur angelehnt, der krummbuckelige Baummüller arbeitete im Garten und scharrte das Laub mit einem Rächen zu einem Haufen zusammen, den der Wind gleich darauf in alle Richtungen zerstreute. Geschwind huschten die beiden Kaninchen durch den engen Türspalt, den der miesepetrige Züchter offen gelassen hatte und schlichen sich durch den schmalen Gang, der zu beiden Seiten bis unter die Decke mit Käfigen aufgetürmt war.
„Was wollt ihr hier?“ Die brummige Stimme ließ Watson und Krümel zusammenzucken, als hätte jemand die beiden Kaninchen mit Eiswasser übergossen.
Vorsichtig blickte sich Watson um, als wolle er verhindern, entdeckt zu werden, dabei war er längst von einem Russen gesehen worden. „Wer spricht da?“
„Ich!“ Erklang erneut die dunkle Stimme mit dem starken russischen Akzent. „Meine Name ist Vladimir Smirnow. Anführer der Smirnowmafia. Und das ist mein Gebiet, in dem ihr euch befindet!“ Ein brockiges Kaninchen saß am Rande des Gatters in einem der mittleren Käfige, Speck quoll durch die Maschen des Drahtes, den riesigen Schädel hatte es an das Holz gelehnt, als wäre sein massiger Hals nicht stark genug, um ihn aufrecht zu halten.
„Wir suchen nach einem Mädchen!“ Watsons Antwort war klar und dennoch zitterte seine Stimme, als er mit dem imposanten Russen sprach.
Krümel verhielt sich ruhig, da er vorher keinerlei Scheu vor dem Ruf der Russen hatte, so zitterten seine Beine nun vor den eindrucksvollen Tieren.
„He, he, he!“ Lachte Vladimir auf. „Davon haben wir hier jede Menge im Stall. Meine vielen Töchter und Nichten sind allesamt bezaubernde Wesen. Mir ist schon klar, warum solche zwei Banditen, wie ihr es seid in meinem Revier auftaucht, um nach Balzpartnerinnen zu suchen!“
„Ich glaube, du verstehst uns falsch!“ Wagte Krümel zu sprechen, wobei Vladimir ihn in seinen feuerroten Augen fasste. „Wir suchen nach einem verschwundenen Kaninchen namens Sora. Sie ist heute Mittag spurlos aus dem Freilaufgehege verschwunden und wir haben keinerlei Spuren, wo sie sich aufhalten könnte!“
„Und da denkt ihr direkt an uns… an die Russenmafia!“ Vladimir funkelte sie kalt an, in seiner Stimme lag kein Lachen mehr. „Ja, ja, ja, immer, wenn irgendetwas schlimmes passiert, dann waren es die Russen. Wie ich euch mittelgroße Normalhaarkaninchen und eure blöden Vorurteile hasse!“ Der Mafiaboss wandte sich von den beiden Kommissaren ab. „Und nun geht, bevor euch der Baummüller zu Frikadelle verarbeitet.“
Enttäuscht ließ Watson den Kopf hängen und auch Krümel hatte wenigstens gehofft, irgendeinen Hinweis über Soras Verbleib zu erfahren. Als Watson bereits aus der Stallung verschwunden war, blieb Krümel auf der Schwelle stehen, als ihn eine helle Stimme zurückhielt.
„Wartet!“ Sprach das Russenweibchen, das in den unteren Käfigen in Krümels Augenhöhe verweilte. Ihre rosafarbene Iris in den perlmuttweißen Augen faszinierte den Alaska, die so spitzfindig und wild in ihrem wohlgeformten Kopf saßen, umgeben von getupften Fell. „Mein Name ist Svetlana Lupesco, ich bin eine Nichte des Vladimirs. Erst vor einpaar Tagen bekam ich mit, wie der Zuchtmeister über das Verschwinden von Kaninchen in den anderen Zuchtställen gesprochen hatte.“
„Du denkst…es…es steckt ein System dahinter?“ Stotterte Krümel, als er in Svetlanas perfektes Gesicht sah.
Doch Svetlana zuckte unbekümmert mit den Schultern. „Was weiß ich? Ich versuche nur, euch weiterzuhelfen!“
„Sora, das verschwundene Mädchen hätte am Wochenende am Wettbewerb teilnehmen sollen. Will vielleicht jemand den Wettbewerb manipulieren, indem er die schönsten Kaninchen aus den verschiedenen Zuchtvereinen stiehlt?“ Wollte Krümel wissen und wandte seinen Blick absichtlich von der schönen Russin ab.
„Kann sein!“ Murmelte sie, als ihr Onkel Vladimir von den oberen Käfigreihen zornig anfunkelte. „Und nun geht, ich habe euch mehr gesagt, als ich hätte dürfen!“
Krümel nickte. „Vielen Dank, Svetlana.“ Und wandte sich zum Gehen, als Svetlanas honigsüße Stimme und ihr schwerer Akzent, den er bei Vladimir so schrecklich gefunden hatte, und nun seine Ohren wie säuselndes Flüstern umschmeichelte, zurückhielt.
„Ich hoffe.“ Sprach die Russin. „Das wir uns bald wieder sehen.“ Dann blinzelte sie mit den Augenlider und ließ sich aufs weiche Stroh fallen.
Krümel nickte erneut und errötete, als er hinausging.
„Die verdammten Russen!“ Fluchte Watson, als sie den Pfad zurück zu ihren Stallungen beschritten und außer Hörweite waren. „Ich kann diese Mafiosis aufs Mark nicht leiden. Diese Vodkaschlürfenden Banditen wissen doch Haargenau was Sache ist!“
„Ja und wenn nicht?“ Krümel dachte an Svetlana und an ihre schönen Augen. Sie konnte doch nicht schlecht sein, auch wenn ihr Onkel der Anführer der Mafia war.
„Ach was!“ Winkte der Großchinchilla ab. „Natürlich hängen die in dieser Sache mit drin. Weißt du denn nicht mehr, dass ihr Züchter die Jury letztes Jahr bestochen hat, dass seine hässlichen Kaninchen gewinnen? Ich wette mit dir, der schreckt auch nicht davor zurück, seine Konkurrenten zu entführen!“
„Aber was hätte der denn davon?“
„Lass mich mal scharf nachdenken?“ Watson strotzte vor Sarkasmus. „Gewinnen vielleicht!“
„Und auch wenn es so wäre, denkst du die Russen wüssten etwas davon?“
„Spinnst du?“ Wandte Watson erbost ein. „Hast du denn nicht ihre hässlichen Fratzen gesehen und ihre seltsamen Augen? Kein Wesen auf dieser Welt hat solche falschen Augen! Hinter ihnen liegt das Tor zur Hölle, in ihnen ist nichts anderes außer reiner Boshaftigkeit!“
Krümel schnaubte. „Jetzt übertreibst du aber!“ An der Wurzel, an der sie noch vor wenigen Minuten Rast gemacht hatten, blieb das Alaskakaninchen abermals stehen, während Watson angewidert den Kopf schüttelte, als sein Blick auf den Müllberg fiel, der sich unter dem Baum zu einem Häufchen zusammentürmte.
„Diese verdammten Menschen!“ Schrie er wütend. „Haben die denn keine Entsorgungsmöglichkeiten für ihren Dreck? Müssen die alles mit ihrem Abfall beschmutzen?“
Als Krümel sich den Müll genauer anschaute und das bunte Papier mit seinen Vorderpfoten entfaltete, das zusammengeknüllt vor ihm lag, kam ihm ein neuer Gedanke. Ein rotes Zirkuszelt ragte auf dem Faltblatt in die Höhe, vor dem Zelt tummelten sich riesige Elefanten, so wie Eleonore es einer war und ein Dompteur mit einer Peitsche. „Watson!“ Rief das Alaskakaninchen aus. „Lust auf eine kostenlose Tiershow?“
Schon von Weitem war das riesige rot – weiß gestreifte Zelt zu sehen, dessen Wimpel im Wind wie ein Willkommenssymbol hin und her schwankte und die Menschen von Nah und Fern anlockte. Die Jahrmarktsmusik ertönte aus allen Ecken, es roch nach gebrannten Mandeln und gerösteten Nüssen, nach gesalzenem Popcorn und süßer Limonade. Kunterbunte Luftballons, die an Kinderhandgelenken festgebunden waren, damit sie nicht davonflogen, drängten sich dicht beieinander am Eingang, um in das Innere, des Zylinderförmigen Zeltes zu gelangen, um dort vom Helium geleitet zur Decke stiegen.
„Was genau tun wir hier, Krümel?“ Sein Kamerad hatte es ihm auf dem Weg zum Zirkus bisher schon unzählige Male erzählt und dennoch konnte er sich nicht genau vorstellen, dass sie nur rein zum Vergnügen den ungestüm bemalten Fratzen der Clowns Beifall klatschen sollten.
„Die Nüsse auf dem Boden des Baumes, in dem das Eichhörnchen wohnte, kamen sie dir nicht seltsam vor?“
„Sie sahen aus, wie Nüsse eben aussehen!“
Krümel huschte durch die vielen Beine der Besucher hindurch, bis er schließlich hinter einem beleuchteten Stand, von dem ein köstlicher Duft hinwegströmte, stehen blieb. „Eben nicht.“ Antwortete das Alaskakaninchen und schielte hinauf zum Schild, auf dem gebrannte Mandeln und Nüsse angeboten wurden. „Der Eichkater Puschel hatte diese Nüsse bisher nicht gesehen, sie kamen ihm nicht bekannt vor…“
„Wobei du ihm aber auch nicht bekannt vorgekommen bist, obwohl du dich ihm drei Minuten zuvor vorgestellt hattest!“
„Stimmt wiederum! Aber ich könnte mir kaum vorstellen, dass das Eichhörnchen dazu in der Lage war, sich die Nüsse zu rösten!“
Allmählich dämmerte es Watson, wo Krümel hinauswollte. „Du denkst…“
Krümel nickte. „Sehen wir uns die Show an!“
Kein Mucks und kein Husten waren zu hören, als die brüllenden Löwen in die Manege eintraten, umringt von hohen Zäunen und dicken Eisenstäbe. Der Dompteur versuchte seine wilde Schar mit der Peitsche zu zähmen, gelang ihm nur mit Mühe, sie zu ihren einstudierten Plätzen zu zwingen und wie dressierte Schoßhunde ihre Kunststücke zu vollführen.
Angewidert betrachtete Krümel dieses entwürdigende Spektakel. Unwillkürlich schoss ihm das Bild von Simba in den Kopf, der sich faul auf dem Baumstamm geräkelt und müde gegähnt hatte. Den Willen von Löwen konnte man nicht brechen, denn sie waren stolz und stark oder zumindest waren sie das, bis die Menschen kamen und ihnen das alles genommen hatten.
Zusammen mit Watson hatte er sich unter den Sitzbänken der mittleren Reihe versteckt, um von dort aus die Zirkusshow beobachten zu können. Mit Schrecken hatten sie festgestellt, dass es diesen dummen Menschen gefiel, wenn Elefanten mit Mühe versuchten mit allen Vier Beinen auf einem gebrechlichen Stuhl zu stehen und dabei mit dem Rüssel einen quietschgelben Ball balancierten, oder imposante Löwen wie Hunde auf zwei Hinterbeinen standen und auf Kommando nacheinander Männchen machten.
„Dumme Menschen!“ Fauchte Watson, als die Menschen nach Beendigung der Tiershow Beifall klatschten und eine kurze Unterbrechung, in denen buntbemalte Clowns Faxen machten, um ebendiese Menschen zum Lachen zu bringen, dafür genutzt wurde, die Elefanten in ihre Gehegen zu bringen und die Eisenwände abbauten, hinter denen die Löwen und Elefanten ihre traurigen Kunststücke vollführt hatten. „Erst erfreuen sie sich über die Erniedrigung der Tiere und lachen dann auch noch über diese Warmduscher von Clowns. Wer findet diese buntbemalten Affen denn überhaupt witzig?“
Krümel hatte seinem Kameraden kaum zugehört, denn nachdem die Clowns das Publikum solange abgelenkt hatten, bis die Mitarbeiter des Zirkus brauchten, um die Eisenwände abzubauen, waren sie verschwunden und ein weiterer buntbemalter Freak trat auf die Manege. Er trug vier kleine Hocker übereinander gestapelt in seinen Händen, über die Schulter hatte er einen Hula Hup Reifen geschwungen, den er ablegte, als er die Hocker in ungleichmäßigen Abständen aufgestellt hatte. Dann lief der Clown mit seinem aufgepinselten Grinsen zurück hinter den roten Vorhang und kam kurz darauf mit einer Plastikbox zurück.
Watson hielt den Atem an. „Er wird doch nicht…“ Doch weiter sprach er nicht, denn der Anblick der verängstigten Kaninchen, die brav den fordernden Anweisungen der buntbemalten Visage folgten, machte ihn wütend und fassungslos zugleich. „Dieser Abschaum!“ Keuchte er, als er sah, wie die jungen Kaninchen sich in einer Reihe aufstellten, um hintereinander über die Hocker zu springen, um sich dann anschließend durch den viel zu hoch gehaltenen Hula Hup Reif zu quälen.
Angst lag in den weit aufgerissenen Augen der jungen Kaninchen, doch noch alle zuvor an der warmen Brust der Mutter gelegen hatten und nun von Hunderten Menschen angegafft und von einem buntbemalten Menschen angetrieben wurden, wider ihren Willen Kunststücke zu vollführen.
„Barbarisch!“ Der Großchinchilla keuchte abermals und schluckte seinen Zorn in einem Anflug von jäher Wut zusammen mit seiner Ehrfurcht für die Menschen hinab. Als Letzte sprang ein junges Scheckenweibchen über die Hocker. Es hatte Mühe mit seinen kurzen Beinchen soviel Schwung in die Sprünge hineinzubekommen, dass es mit seiner Hinterpfote an der Kante hängen blieb und vornüber auf den staubigen Boden fiel.
„Sora!“ Schrieen Krümel und sein Kamerad wie im Chor, doch der Name ging im tosenden Beifall der Menschen unter, als der Clown die zitternden Kaninchen zurück in die Plastikbox pferchte und hinaus aus dem Zelt trug.
Die beiden Kaninchen hatten genug von dieser Show, die den Menschen zur puren Belustigung und Unterhaltung diente und sprangen über die Stufen und Füße hinab, bis sie die Manege erreichten und schnurstracks durch den roten Vorhang verschwanden, durch den der Clown mit den Jungen verschwunden war.
Hinter dem Vorhang erstreckte sich eine weite Wiese aus zertrampeltem Gras und vertrocknetem Heu, die sich unter den Füßen der Elefanten und Zebras, die hinter den Umzäunungen ihrer jähen Gefangenschaft fristeten, zu einem ungleichmäßigen Teppich verbanden. Der Clown hatte die jungen Kaninchen achtlos in einem Käfig gesteckt, das dicht an dem der Löwen und Tiger grenzte, die begierig und hungrig auf und ab gingen und nur darauf warteten, sie als Hauptspeise verdrücken zu können, während die Kaninchen sich in die hinterste Ecke zusammenkauerten, ängstlich vor den wilden Raubtieren zitternd.
„Wir haben sie gefunden!“ Meinte Watson erleichtert, während Krümel seinen Freund schräg angrinste.
„Du könntest die Lorbeeren alle alleine einheimsen und somit bei Soras Mutter Sara landen!“
Watson schnaubte nur, während der Alaska sich dranmachte, die Kaninchenjungen aus ihrer Gefangenschaft zu befreien.
Ein jubelndes Geplärre brach im Kaninchenstall aus, als die beiden Kommissare gemeinsam mit der verschwundenen Sora auftauchten. Soras Mutter Sara fiel Watson um den Hals und küsste ihm zum Dank auf die Wange und auch Sora dankte ihren Rettern für ihre Hilfe.
Als der Alaska und der Großchinchilla zurück in ihren Käfigen waren und sich erschöpft zur Seite rollten, hörten die Jubelrufe und die Glückwünsche nicht auf zu einem störenden Einklang anzuschwellen.
„Na, Watson?“ Krümels Stimme ließen die Ohren des Großchinchillas zucken. „Fühlst du dich noch immer alt und schwach?“
Watson grinste, doch es erstarb beim Anblick des schönen Scheckenweibchens, dessen Tochter er zurückgebracht hatte.
Texte: Gewinner beim Wettbewerb: "Sherlock Holmes Day!"
Tag der Veröffentlichung: 07.07.2010
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Widmung:
Ich widme diese Tierkrimi Reihe meinem neugierigen, kleinen Langohr!