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Für wen

 

 

 

Für wen?

 

Hat „Gott“ noch irgendeinen Nutzen - und gibt es „ihn“ überhaupt? So, wie das Thema heute oft dargestellt wird, wird die Frage von vielen Menschen zwei Mal mit „nein“ beantwortet. Auch wenn im Thema „Gott“ ein, auch ganz aktuell sehr wichtiger, Kern fortbesteht. Deshalb dieser Text. Als ganz pragmatische Anregung für Menschen, die mit „Gott“ und „Religion“ wenig oder nichts (mehr) anfangen können. Gegen freundliche Vorschläge, die zu einer gehobenen Lebensqualität und einem besseren Miteinander in unserer Gesellschaft führen können, dürfte eigentlich niemand etwas einzuwenden haben (?).

 

Für wen nicht?

 

Philosophen, Theologen und verwandte Berufe haben das Thema „Gott“ in der Vergangenheit anscheinend so behandelt und dargestellt, dass eine große Zahl von Menschen heute nichts mehr damit anzufangen weiß. Wäre es anders, würde es aus meiner Sicht keine Notwendigkeit geben, einen Text wie diesen zu schreiben. Die „Gottesgegner“ wiederum haben in meinen Augen einen ganz entscheidenden Fehler begangen: sie sind einem unbrauchbaren und längst nicht mehr zeitgemäßen Gottesbild auf den Leim gegangen, was zu „wissenschaftlich“ gespreizten Abhandlungen führte, die ähnlich relevant sind wie der mathematische Beweis, dass es keinen Osterhasen oder Weihnachtsmann gibt.

 

Ehrlich und bewusst „gläubige“ Menschen will ich mit diesem Text nicht ansprechen: wenn ihnen ihr Glaube, so wie sie ihn leben, hilft, ihr Leben zu meistern und in guten Beziehungen zu ihrer Umgebung zu leben, bin ich der Letzte, der dagegen etwas einzuwenden hat.

Warum?

Warum schreibe ich das nicht?

 

Vielleicht ist es sinnvoll, zuerst anzumerken, was nicht meine Intension beim Verfassen dieses Textes ist: ich will niemanden in irgendeiner Weise von irgend etwas überzeugen. Ich möchte dem Leser auch keine bestimmte Religion oder Kirche näherbringen. Meine einzige Intension, diesen Text endlich nach vielen Jahren aufzuschreiben, ist ein von mir beobachteter Notstand. Den halte ich für bedauerlich wenn nicht bedenklich und da ich über das Thema „Wozu Gott?“ bereits seit vielen Jahren nachdenke (und dies vor einem durchaus informierten Hintergrund), mache ich mich jetzt endlich daran, für diejenigen, die etwas ratlos sind, meine Überlegungen als Vorschlag aufzuschreiben, wie ohne Frömmelei, ohne Bigotterie oder pietistischen Überschwang mit diesem eigentlich zentralen Begriff unserer Kultur umgegangen werden könnte. Und das ohne intellektuelle Verrenkungen und ohne moralisch erhobenen Zeigefinger. Eher im Sinn einer „Gebrauchsanleitung“, die jedem Leser überlässt, wie er das Thema dann für sich selbst handhaben möchte.

 

 

 

Warum schreibe ich das?

 

In Schleswig Holstein wird zur Zeit (2015) heftig darüber diskutiert, ob in die Landesverfassung eine Verantwortung „vor Gott“ einbezogen werden soll. Ich verfolge die Diskussion sehr interessiert, zeigt sie doch, dass viele durchaus engagierte Kommentatoren und eifrige (wenn nicht eifernde) Leserbriefschreiber ebenso gut darüber diskutieren könnten, ob die Landesverfassung „vor dem großen Spagettimonster“ Bestand haben sollte. Ergo: es herrscht über die Vorstellungen, was man denn von „Gott“ halten könnte, eine babylonische Sprachverwirrung ähnlich der über den Begriff „Liebe“. Die Liebe wurde in zig-tausend Schlagern und Kitschromanen todgesungen und -geschrieben, obwohl sie ursprünglich als Geisteshaltung gemeint ist, die etwas mit Achtsamkeit, Bewusstheit und Zuwendung zu tun hat, die der Mensch (durchaus auch zum eigenen Nutzen und zur Hebung der Lebensqualität) seiner Umwelt, seinen Tätigkeiten und den Mitmenschen gegenüber walten lassen soll. Nicht unähnlich den Empfehlungen der ZEN-Philosophie (woher wohl auch einige Ideen des Neuen Testaments abgeleitet sind). Für eine hormonelle Aufwallung, die die Sinne eher beeinträchtigt als fördert, steht der Urgedanke der Liebe jedenfalls nicht. Für „Gott“ wiederum war nach Selbstverständnis und allgemein anerkannter Tradition „die Kirche“ zuständig. Das hatte manchmal fast noch schlimmere Folgen, als die Deutung von „Liebe“ Helene Fischer und ihren Kollegen zu überlassen:

 

Selbst der Reformator Luther machte sich um die allgemeine Verwirrung in Sachen „Gott“ ganz prominent verdient, indem er die Deutung des Begriffs zur allgemeinen Interpretation freigab. Was daraufhin folgte, veranschaulicht sehr eindrucksvoll, warum Moses in grauer Vorzeit vom Berg Sinai neben den anderen (mehr oder weniger bekannten) Geboten auch das Gebot Nummer zwei „Du sollst dir kein Bild machen...“ mitbrachte: Besonders im evangelisch-protestantischen Teil der Christenheit inflationierten durch die luthersche Freigabe recht schnell mehr oder weniger kreative Vorstellungen davon, wie dieser Gott denn beschaffen sei. Jeder Pastor durfte sich an diesem Spiel beteiligen. Das führte, mit Begeisterung ausgeführt, zu ungezählten mehr oder weniger originellen Hervorbringungen unter dem Motto “...ich denke mir das mal so....“. Als besonders beliebt stellte sich die Variante „Lieber Gott“ heraus. Mit der Versicherung „Der tut doch niemandem was zuleide“ wurde den sonntäglichen Zuhörern ein gutmütiger Dummkopf nahegebracht, der zwar vielleicht irgendwann mal alles erschaffen hat, aber jetzt seelenruhig zusieht, wie der Mensch dieses „alles“ auch wieder nach Lust, Laune und Mutwillen in die Tonne tritt. „Gott ist die Liebe!“ und „Der Vater“! Einem Vater, der so agiert, würde jedes Sozialamt umgehend die Erziehungsberchtigung aberkennen. Aber dieser Wohlfühlgott verkaufte sich eine Zeit lang ganz gut und angesichts einer immer schneller schwindenden Zahl von Kirchenschäfchen schien die Idee recht brauchbar. Dass allerdings immer weniger Menschen an die Allmacht eines solchen Depps glauben mochten, war die Kehrseite dieser Populismus-Medaille. Dass das Gebot, sich „kein Bild“ zu machen, beinhalten könnte, eben wirklich und in jedem metaphorischen Sinne „kein Bild“ zu entwerfen, also auch nicht das irgend einer Person, schon gar nicht einer Person, die diese oder jene Eigenschaften hat, dies oder jenes denkt oder sagt oder wie

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Tag der Veröffentlichung: 23.04.2015
ISBN: 978-3-7368-9124-1

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