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Die Dunkelheit kam plötzlich aus dem Nichts. Sie hatte die Jahre nicht gezählt, die seitdem vergangen sind, doch es wird nie lange genug gewesen sein, um es zu vergessen.
Ebenso wenig ist es noch nicht so lange her, dass sie sich einreden könnte, es sei niemals geschehen.

Immer wieder kamen nachts die Träume, die sie dämonisch verfolgten. Wenn sie die Augen schloss wünschte sie sich manchmal, dass der Nebel sich wenigstens über diese Bilder, legen würde, um Distanz zu schaffen.
Bilder, auf denen er ihr mit einer debilen Luziferfratze entgegen grinste, als wolle er sagen: “Du entkommst mir nicht.”

Er kam jede Nacht, immer und immer wieder, drang dabei durch verschlossene Türen und dickste Mauern, ohne dass sie es verhindern konnte.
Und es gab kein Entrinnen für sie, seit damals, als sie den Dolch zur Hand nahm und mitten ins Herz traf.

Worte peinigten sie, aus tausend Stimmen genau die eine heraus erkennend. Jedes Wort einzeln für sich so harmlos und doch aneinander gereiht schlagend wie Peitschenhiebe, die eindrangen und die Haut in Fetzen rissen.
Im Schutz der Dunkelheit war es ihre Sühne für all die Schuld, die nicht schwerer lastete wie jegliches andere auch.
Der Traum kam immer wieder, unbarmherzig und ohne Gnade.
In Ketten gebunden stand sie vor dem höheren Gericht und sollte sich zu ihren Sünden bekennen. Und schon tat sich der Boden auf und sie konnte das Höllenfeuer erkennen, das bereits auf sie wartete.
Sie sah die anderen armen Kreaturen, die nach ihr riefen und die Hände ausstreckten, um sie dorthin zu holen, wo man für Sünden büßt.
Ein Schauern erfasste ihren Körper und gleichzeitig legte sich der eiserne Ring um ihren Hals.

Dort unten in der Glut, wo die Untoten ihr Dasein fristeten wartete er bereits auf sie, um ihr zu sagen, dass sie ihn niemals loswerden würde für alle Zeit im Danach.
“Mein Wille wird immer der Deinige sein und keine Gnade vor Recht”, flüsterte er ihr ins Ohr von Angesicht zu Angesicht und sie fror in der Hitze der Nacht.
Der Dolch steckte noch in seinem Herzen und die Kreaturen um sie herum zeigten auf das Blut, welches noch an ihrer Hand klebte.
Seine Worte hämmerten gegen ihre Gehirnwände und verursachten einen körperlichen Schmerz, der als Echo in sämtlichen Regionen ihres Innersten widerhallte.

Irgendwann am Anfang in einem anderen Leben gab es so etwas wie Gefühle, Vertrauen und sogar Respekt voreinander, aber dann hatte irgendwann der Nebel all das in sich verschlungen und nichts übrig gelassen., was man der Bedeutungsbehaftung anheim geben konnte.

Da war es wieder dieses dämonische Wesen, das mit sanfter und leiser Stimme lockte, um dann zum Untier mutierend, sein wahres Gesicht zeigte.

Die Bestie im Schafspelz, die ihr einhämmerte, wie man funktioniert, Schlag für Schlag.
Und sie spürte auch hier wieder seinen heißen Atem an ihrem Hals, wie in so vielen Nächten zuvor, und der Geruch nach Whisky und Weinbrand ließ sie aufblicken, um es mit eigenen Augen zu erkennen, wie die Droge den Zwang verursacht.
Seine Hände waren grob und sein Blick aus blutunterlaufenen Augen war starr und gierig. Das Glas stand neben ihm, bereit für die nächste Dröhnung und sie hörte sein hämisches Lachen, weil sie die Tränen nicht verbergen konnte.
Damals wie heute, immer und immer wieder und es gab nichts was ihn aufhalten konnte.
Der Gestank seines Atems wurde unerträglich, genau wie seine Hände und sein Grinsen und er machte weiter, Stunde für Stunde.
Sie sagte nichts, weil sie schon damals lernte zu schweigen. Nur ihr Blick flehte um Gnade oder was auch immer.
Das Ticken der Uhr schlug den Takt, unbarmherzig nicht schnell genug.
Nicht weinen Kleines, es ist gleich vorbei. Halte einfach nur still. Gleich fordert der Rausch seinen Tribut und der Schlaf bringt die Erlösung.

Doch es gab keine Erlösung, zumindest nicht für sie.
Nur irgendwann wachte sie auf und hielt den Dolch in der Hand.
In der Hand, die vom Hass geführt, den letzten Ausweg suchte. Hass, der übermächtig wurde und bereits ihr Blut vergiftet hatte.
Es war so einfach und es tat nicht weh, denn er schlief durch den Rausch in einer anderen Welt. Wenigstens diese Gnade gewährte sie ihm und so war sie die Einzige, die vor Schmerzen schrie.


Irdisch würde sie es als Notwehr sehen, wofür sie aus ihrer Sicht und ihrem Leid Mitgefühl für sich erflehte, aber da gab es ein höheres Gericht, dessen Vorsitz er selbst hatte.
Als Richter sprach er unbarmherzig sein Urteil und schickte sie in eine Welt, in der die Wirklichkeit und der Traum eins waren und niemand wusste, an welcher Stelle alles miteinander verschwamm.
Keiner konnte mehr sagen, wo das eine endete und das andere begann.
Als Gnadenstoß fickte er ihr die Erinnerungen aus dem Hirn und schenkte ihr als Henkersmahlzeit noch sein letztes hämisches Grinsen, um sie im Zustand der seelischen Divergenz zurückzulassen.

“Ich komme wieder, Kleines. Immer wenn es dunkel wird.”
Dann verschwand er und sie begann den Sonnenuntergang zu hassen, wie auch sich selbst, für diese eigene Schwäche, die er ihr immer wieder im Traum vor Augen führte.
Und sie hörte sich selbst schreien und übertönte damit die Stimme, die sie rief, um sie zu entsorgen, so wie alles, welches seinen Wert verloren hatte im Sinne der Bedeutung.

Im Morgengrauen stand sie nach jeder dieser Nächte auf, um dann am stärksten im Kopf dieses stetige Pochen zu spüren, als ob ein Hammer auf den Ambos schlägt.
Die schwarzen langen Haare hingen ihr wirr ins Gesicht und vereinigten sich mit den salzigen Perlen, die ihr wie Blut miefig riechend aus jeder Hautpore tropften.
Ihre Augen brannten und das Blut floss in ihren Adern, unaufhaltsam gepumpt, weil die Natur es verlangte.
Der Geschmack auf der Zunge war schal und die dunklen Augenränder wirkten bizarr im Kontrast zu ihrer blassen Haut.
Der Schmerz zog sich in Wellen durch ihren Körper und für einen Moment wünschte sie sich einfach nichts mehr zu spüren und nicht mehr denken zu müssen.
Ewige Dunkelheit als Erlösung aus diesem Traum war der einzige Wunsch, der noch in ihr keimte.
Doch in der Ferne hörte sie nur ein hämisches Lachen und spürte das zärtliche Streicheln einer Dolchspitze auf ihrer Haut.

Dazu ertönte eine letzte Melodie, um schaurig schön einer seltsamen Melancholie Zeugnis zu tragen.
Aber auch sie verstummte immer leiser werdend, schon von der Tonlosigkeit in ihrer Tragweite geweiht.
Zuerst wichen die weichen Töne den dumpfen, dann wurde es noch einmal wenigstens aufmüpfig schrill, um dann in der Null-Linie zu enden.
Herzstillstand, da war nichts mehr zu machen.
Sie verstarb um 0:00 Uhr an den Tönen des Liedes vom traurigen Sonntag.


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Impressum

Tag der Veröffentlichung: 30.11.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Wenn die Wirklichkeit mit dem Traum verschwimmt, weiß niemand, wo das eine endet und das andere beginnt. (it`s just a dream within a dream)

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