Als sie zum Fenster hinaus schaute war es schon wieder Herbst, der mit gelbbrauner Farbgebung stürmisch aber dennoch mit letzter Sonnenkraft ins Land zog.
Die Stille im Haus war fast unerträglich und nur das monotone Ticken der Uhr zeugte von dem Fortgang der Zeit im immerwährenden Rhythmus.
Auf dem Boden kauernd zog sie die Füße noch ein wenig enger an ihren erhitzten Körper und zog an der Zigarette, an der sie sich festhielt, weil es sonst nichts anderes gab.
Einfach nur gleichmäßig weiteratmen, befahl sie sich mehr oder weniger selbst, um der inneren Unruhe selbst Herr zu werden.
Im Kopf spielte sie dabei mit sich selbst eine Partie Schach, gab den Figuren dabei Gesichter und Namen, um die Züge besser zu verstehen und planen zu können.
Sie wusste selbst wie sinnlos das war, denn schon der letzte Zug davon lag nicht in ihrer Hand, genauso wenig wie es der nächste sein würde.
Der Kaffee tat gut, so wie er langsam ihre Kehle runterrann, stark und heiß so wie sie ihn in aller Schwärze mochte.
So konnte sie das Leben in sich spüren, weil ihr Herz heftig pumpte und das Blut lavamäßig durch ihre Adern kroch.
Zärtlich schaute sie dem schwarzen König in die Augen und hoffte eine Regung darin erkennen zu können oder wenigstens ein Gefühl.
Aber da war nur dieser stolze Blick, stechend und distanziert.
Und da war sie wieder, diese Übelkeit, die sich in ihr breit machte und in jeden Winkel ihres Körpers kroch.
Draußen gab wenigstens die Sichel des Mondes ein wenig Licht in die Dunkelheit aber in diesem Zimmer nahm sogar die Kälte jegliche Helligkeit.
Durch den heulenden Sturm, der am Haus vorbeizog, wurde das Pferd zum Wolf, der mit glühenden Augen um ihre Beine strich.
Sein Fell war warm und weich und sie wusste dass er strategisch in die Flanke gesetzt alles in der Hand hatte.
Auch als er furchteinflößend die Zähne fletschte strich sie ihm nur sanft zur eigenen Beruhigung über den samtigen Rücken.
Dabei dachte sie an die Eulen, die nach Athen trugen, all den ganzen Schein, der so nie war , weil auch sie nicht den Traum von der Wirklichkeit unterscheiden konnten, da der Übergang fließend war und sie ihn zu diesem machte.
Ihr Bett im Zimmer war zerwühlt und zeugte mal wieder von einer der unzählig schlaflosen Nächte, wo der dumpfe Schlag der Gedanken im Kopf sie wach hielt.
Dabei kamen ihr die Galeeren in den Sinn, und die gegnerischen Läufer mutierten zu den Sklavenantreibern, die im monotonen Takt die Trommel schlugen.
Leise zählte sie mit und kam immer nur bis Zwei und wünschte sich, sie könnte die Zeit endlos ausdehnen bis zum nächsten Schlag.
Ob der König dort in der ungesicherten Ecke des Brettes wohl ihre geheimsten Gedanken erahnte?
Sie hatte ihm nie etwas gesagt und hoffte doch gleichzeitig, er würde diese Geschichte schreiben.
Eine Geschichte, welche als Blut durch seine Adern fließt und er jedes Wort unausgesprochen bereits von ihren Lippen abgelesen hat und ein Abbild seiner selbst ist.
Und wenn sie liest, würde sie sich darin erkennen, weil er den stummen Dialog als Monolog geschrieben hat.
Er würde davon schreiben, dass sie noch selbst in sich suchte und zweifelte und die Schatten vom Licht kannte und so vieles ihr Geheimnis war.
Er würde nichts auslassen und sie dankte es ihm mit ihrem Gefühl.
Sie wünschte er wäre jetzt hier und sie könnte ihm etwas geben, um selbst für einen kurzen Moment gehalten zu werden in all dieser Melancholie und Tristesse des Augenblicks.
Und draußen heulte immer noch der Sturm oder war es der Wolf?
Der Regen prasselte gegen die Scheiben und die Sklaven ruderten im monotonen Takt:
Eins Zwei Bumm, Eins Zwei Bumm, Eins Zwei Bumm…
Tag der Veröffentlichung: 24.11.2009
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Nichts schmeckt süßer und gleichzeitig bitterer als die Melancholie.
Süß der Moment des Glücks,
bitter das Wissen,
jeder gelebte Tag
sind 24 Stunden weniger im Leben,
mit Sehnsucht gelebt.