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Das Leben ist schön, vor allem wenn man sich akzeptiert, so wie man ist und es vermag selbst aus den Steinen, die man in den Weg gelegt bekommt, noch etwas Schönes zu bauen.

Regen prasselte gegen die Fensterscheibe. In weiter Ferne war schon das näher kommende Grollen des Donners zu hören und irgendwo erhellten Lichtblitze das Dunkel der Nacht.
Vor Gewittern hatte sie früher immer Respekt und verkroch sich liebend gern, schon zu Beginn des Spektakels, unter der Bettdecke.
Barfuß ging sie in die Küche, um sich noch einen Kaffe zu holen. Mit der Tasse kauerte sie sich dann müde auf dem Boden neben dem Kamin.
Die Luft war erfüllt von einer drückenden Schwüle und ihr Kopf schmerzte ein wenig.
Am Fenster bewegten sich gespenstisch die Gardinen, durch den leichten Wind, der auch die Wolken am Himmel mit sich zog. Geschafft legte sie den Kopf auf die Knie, um sich einfach dieser Stille hinzugeben und sie in sich hineinzusaugen.

Der Kaffee war heiß und stark und beruhigte trotzdem ein wenig das Pochen in den Schläfen. Gierig zog sie immer wieder an ihrer Zigarette und schaute den Rauchwolken hinterher.
Sie liebte ihr Leben so wie es jetzt war.

Früher war immer Ben da, der sie beschützend in den Arm nahm, wenn sie sich mit ihrer Angst vor dem Donnern am liebsten unter der Bettdecke verkrochen hatte.
Nur irgendwann hatte er sie mit seinen starken Armen erdrückt. Da wusste sie bereits, dass sie nur alleine ihre Angst besiegen konnte und den Unrat selbst wegräumen musste.
Er ging dann, weil er nicht verstand und er immer noch das Kind in ihr sah, welches er an die Hand nehmen musste, um sie vor den lauernden Gefahren zu beschützen.
Auch wenn sie manches selbst nicht sah, war sie schon längst neben ihm den Kinderschuhen entwachsen und entfloh dann seiner schützenden Macht.

Auf dem Tisch standen noch die Blumen von Tom. Tom, der sie zum Lachen brachte, der so weit weg und ihr trotzdem immer nah war.
Er wusste, dass sie Sonnenblumen, in ihrem intensiven Gelb so liebte, und seine Leichtigkeit mit der er sie so mitreißen konnte.
Tom wusste so gut ihre Sehnsucht zu schüren, und hatte sie doch vor allem gelehrt, das Leben so zu nehmen wie es kam, mit all seinen Widrigkeiten aus denen man dann trotzdem auch immer etwas Gutes ziehen konnte.
Mit ihm baute sie aus den ersten Steinen am Wegrand eine Treppe, die nach oben führte in eine Welt, zu der kein anderer Zutritt hatte und sie fühlte sich dort geborgen, weil er auch dort war, ohne ihr die Luft zu nehmen.

Das Gewitter kam immer näher, und der Donner unterbrach die Stille im Raum.
Trotzdem war es kein Ort, der ihr Angst einjagen konnte. Sie fühlte sich sicher und geborgen, denn sie war nicht allein. Da war kein Platz mehr für dieses Gefühl, was früher so oft in ihr weilte. Heute war sie sich selbst genug.
Vielleicht lag es daran, dass sie sich selbst gelöst hatte, von all diesen selbst auferlegten Konventionen, die doch gleichzeitig Fesseln bedeuteten, welche ihr die Luft zum Atmen nahmen.
Ja, sie liebte ihr Leben so wie es jetzt war, mit all diesen Facetten, die es für sie bereithielt.
Da gab es keinen Platz mehr für diese Lüge der ewigen Liebe, mit all den Erwartungen und Forderungen, die jeder Freiwilligkeit entbehrten.
Trotzdem war sie erfüllt von diesen Gefühlen, die sie Menschen entgegenbringen konnte. Jedem auf eine einzigartige Weise, freiwillig und nichts erwartend und fordernd.
Mit großer Zärtlichkeit dachte sie an Stefan, der schon so lange ihr Freund und Mentor war. Stefan, der es verstand sie auf eine einzigartige Weise zu führen, trotzdem aber immer darauf achtete, dass sie ihren eigenen Weg nie verließ.
Vielleicht war er der Einzige, der sie wirklich verstand und nie versucht hatte, sie zu verändern, trotz all ihrer Schwächen.
Vor allem war er der Erste, der sie lehrte auch über den Tellerrand zu schauen und konsequent den eigenen Weg zu gehen.
Es war ein unsichtbares Band, welches sie verband, nicht eines, was gegenseitig festhielt, sondern eines, was nur sie beide spürten, egal wo immer sie waren.
Mit ihm war alles so leicht, vor allem weil er sie gestärkt hatte, sich selbst so zu akzeptieren mit allen Stärken und Schwächen. So konnte sie endlich auch das Gefühl der Wärme genießen, das er ihr gab auch wenn sie noch so weit voneinander entfernt waren.
Oben auf dem Schrank lag noch der letzte Brief von Mike.
Mike, mit dem sie in vielen Stunden den Rausch der Leidenschaft erlebt hatte, mit all der Hingabe, die sie aufbringen konnte. Stunden, die einem Tanz glichen, ganz sanft und ruhig begannen und sich dann zum Höhepunkt in einem Feuer entluden.
Da war auch nach seinem letzten Brief kein Platz für Traurigkeit, nein, ganz im Gegenteil, sie hatte von Anfang an gewusst, dass er irgendwann im Nichts verschwinden würde.
Trotzdem würden diese Stunden niemals aus ihrem Leben verschwinden, denn sie waren in all ihrer Intensität gelebt, ohne nach dem Morgen zu fragen.

Und deshalb war ihr Leben jetzt und heute schön, so wie sie es jetzt lebte, leben konnte, weil sie endlich sich selbst liebte und akzeptierte, trotz allem oder eher wegen allem Vergangenem.
Vor allem aber war es schön, weil sie selbst spürte, dass die Gefühle in ihr selbst lebten, eigenhändig genährt und unabhängig von Forderungen.
Besser war es nie.
Und immer noch prasselte der Regen gegen die Fensterscheibe.
Aber der Raum war von einer angenehmen Stille erfüllt.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 22.11.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Bis bald, sagte ich zu Dir und weiß dabei, dass es keine Rolle spielt, wie endlos dehnbar das Bald ist. Alleine Deine Existenz berührt von Innen nach Außen. Bis bald, sagtest Du zu mir und weißt, dass Zeit eine unwesentliche Variable in dieser Gleichung ist. Bis bald...

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