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„Du kleines Miststück, du entkommst mir nicht.“
Seine Worte hämmerten gegen ihre Gehirnwände und verursachten einen körperlichen Schmerz, der als Echo in sämtlichen Regionen ihres Innersten widerhallte.
Nicht einmal seine Hände vermochten sich so tief in ihr Fleisch einzukerben, wie jeder einzelne Buchstabe zu Silben zusammengefügt, seine Lippen verließ.
Er hatte sich verändert, und manchmal wusste sie nicht einmal mehr, wer er überhaupt war.
Am Anfang gab es so etwas wie Gefühle und Vertrauen und sogar Respekt voreinander, aber das alles hatte schon längst der Nebel in sich verschlungen.

Im Morgengrauen stand sie auf. Am stärksten spürte sie im Kopf dieses unaufhaltsame Schlagen am, gleichkommend dem Schlag auf dem Ambos. Der Schmerz zog sich in Wellen durch ihren Körper und für einen Moment wünschte sie sich einfach nichts mehr zu spüren.
Ihre Augen brannten und das Blut floss in ihren Adern, unaufhaltsam gepumpt, weil die Natur es verlangte.
Der Geschmack auf der Zunge war schal und die dunklen Augenränder wirkten bizarr im Kontrast zu ihrer blassen Haut.
Irgendwo da drin hatte sich ein Geschwür festgesetzt, welches sein Gift bereits als Metastasen streute und sie wünschte sich an einen stillen Ort, wo sie es sich wenigsten hätte ausbrennen können um dann irgendwann nicht mehr denken zu müssen.

Aber sie lebte, weil es so sein musste, um zu funktionieren im gesamten System, welchem sie unterstellt war ohne jemals selbst ihre Einwilligung dazu gegeben zu haben.
Die Fäden der Marionette zogen andere und sie tanzte dazu im Takt, auch wenn der Rhythmus ihr nicht gefiel, weil die Töne zu dumpf, laut und damit zu hart erschienen.

Hätte man sie jemals gefragt, wäre sie gelaufen ohne sich umzudrehen, gleichkommend einer Flucht, um der ungewünschten Gegenwärtigkeit zu entfliehen, sich selbst zu entkommen, den eigenen Gedanken, der Hoffnung und der Begierde.
Rennen ohne Unterlass, den Blick gesenkt und egal wohin.
Sie hasste sich selbst für ihre Schwäche, wissend, dass sie diese sich nicht verzeihen konnte und somit in eigener Schuld stand.

Wäre da ein Wort des Vermissens gewesen, auch nur eine Hand, die sie hielt, sie hätte die Richtung gewechselt. Aber da war nichts, außer der Hoffnung und ein Wunsch, der niemals das Licht erblickte, weil Illusionen im Nebel verschwinden.
Es war ihre Pflicht zu leben in der Funktionalität und sie wäre nahezu gerannt, vor den Blicken davongelaufen, weil die das Feuer entfachten und sie innerlich
verbrannten.
Sie hätte ihre eigene Neutralität gesucht, die so viel sicherer erschien und doch so wenig bedeutete.
Weil, da war diese Stimme, die sie rief, immer und immer wieder und die sie berührte weil sie liebte und es zuließ, ohne Anspruch auf eine Gegengabe, was auch immer.
Begierde ließ sie leben aber bestimmte auch die Richtung des Weges, den man nicht verlassen konnte.
Und der Weg war kalt, so wie sie innerlich erfror und ihre Finger nichts mehr fühlten.
Jede Träne wurde zu Eis und brannte in den Augen, weil sie sie nicht zeigte und lieber nach innen drängte, um zu verbergen.
Und sie hätte fliehen müssen, wenn sie nur gekonnt hätte, denn so verlor sie sich selbst und die Distanz wurde immer größer und die Wunden tiefer.
Wunden, in denen sie selbst bohrte, um im Schmerz zu spüren, dass sie noch lebte.
Und sie hörte sich selbst schreien und übertönte damit die Stimme, die sie rief, um sie zu entsorgen, so wie alles, welches seinen Wert verloren hatte im Sinne der Bedeutung.
Nur ein einziges Mal wichtig sein, in aller Unwichtigkeit, um selbst zu erkennen, dass eigene Wertmäßigkeit so wahnsinnig relativ ist, wie so vieles andere auch.
Der Unrat war gewaltig und die Worte peitschten ihr ins Gesicht und brannten sich ein, um nie vergessen zu lassen, weil sie sich erinnern sollte, dass sie selbst ein Irrtum war. Eine einzige Lüge im Schweigen selbst und sie schwieg auch dazu, weil sie es nicht anders kannte, nicht anders durfte.
Aufbegehren war tödlich, und jedes Schweigen brachte Gnade im unbarmherzigen Spiel.
Jahrzehnte zurück in einem anderen Leben, blickte sie angstvoll zu ihm auf. Sie war selbst eine andere und wurde durch ihn zu dem gemacht, was sie heute lieber durch eigene Hand vernichtet hätte.
Er war ihr Todesurteil, immer und immer wieder.

Die Bestie im Schafspelz, die ihr zeigte, wie man funktioniert, Schlag für Schlag.
Und sie spürte seinen heißen Atem an ihrem Hals in so vielen Nächten und der Geruch nach Whisky und Weinbrand ließ sie erwachen, um es zu erleben, wie die Droge den Zwang verursachte.
Seine Hände waren grob und sein Blick aus blutunterlaufenden Augen war starr und gierig. Das Glas stand neben ihm, bereit für die nächste Dröhnung und sie hörte sein hämisches Lachen, wenn sie die Tränen nicht verbergen konnte.
Immer und immer wieder und es gab nichts was ihn aufhalten konnte. Der Gestank seines Atems wurde unerträglich, genau wie seine Hände und sein Grinsen und er machte weiter Stunde für Stunde.
Und sie sagte nichts, lernte zu schweigen. Nur ihr Blick flehte um Gnade oder was auch immer.
Das Ticken der Uhr schlug den Takt, unbarmherzig nicht schnell genug.
Nicht weinen Kleines, es ist gleich vorbei. Halte einfach nur still. Gleich fordert der Rausch seinen Tribut und der Schlaf bringt die Erlösung.
Der Schlaf ist gnädig und die Nacht ist auch so schwarz.

Heute ist da der Mond, den sie liebt, dann wenn er voll ist, weil es hell ist, noch bevor das Morgengrauen erscheint.
Zuweilen gab er Wärme, und sie fror oft in diesen Nächten, die ihr den Stolz nicht rauben konnten.
Was bleibt ist die Angst, die sie dennoch nicht zeigt.
Vielleicht wird sie irgendwann anfangen zu laufen, um sich selbst zu erhalten, dann wenn der Mond voll scheint und sie antreibt.
Sie wird sich nicht umdrehen und einfach nur rennen, egal wohin in die Neutralität.
Der Kaffee in der viel zu großen Tasse war kalt, erfroren so wie sie, weil nichts wärmte und dennoch der Nebel alles verschlang in einer Unwirklichkeit die fast schon einer Erlösung gleichkam.

Und dann ist es vollstreckt und die Dunkelheit ist gnädig.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 25.10.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Dämon der Nacht Schreie, die ungehört verhallen lautlose Angst in jeder Nacht ein Dejavu.

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