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Marie erwachte im Morgengrauen. Ihr Kopf schmerzte ein wenig, so wie sonst nach einer dieser unzählig durchwachten Nächte. Dieses Pochen in den Schläfen immer im gleichmäßigen Rhythmus glich den Hammerschlägen auf den Galeeren früherer Zeiten, niemals aus dem Takt kommend, Schlag für Schlag. Bilder gepeinigter Sklaven, ängstlich schauend und doch parierend, kamen immer wieder vor ihren Augen auf. Irgendwann fielen sie kraftlos in sich zusammen, fast wie eine Erlösung. Und dennoch der nächste Schlag folgte immer wieder ohne Unterlass. Es gab nichts, was die Schlagfolge ändern konnte, und die Dumpfheit des Tones gab ihr Übriges.

Es war noch diesig draußen, zudem tauchten die orangefarbenen Vorhänge den Raum in eine erhabene Dunkelheit, wo sonst eher die Helligkeit in Korrelation zu ihrer Stimmungslage stand.
Er schlief noch neben ihr, und an der Taktfolge seines Atems konnte sie erkennen, dass nichts seinen Schlaf beunruhigte.
Zärtlich nur mit den Fingerspitzen berührend strich sie über sein Gesicht.
War die Ruhe auffangbar, übertragbar, vielleicht leihbar für einen kurzen Moment?
Ohne sich vorher ausweisen zu müssen, Eigentumsverhältnisse außer acht lassend und so ganz ohne Garantieerklärung mit Brief und Siegel.
Ruhe tat gut, vor allem dann wenn sie von außen nach innen drang und dort Besitz ergriff.
Wann hatte sie es zuletzt gespürt?
Vielleicht jetzt gerade in diesem Moment, wo sie seinem Atem lauschte und ihn berührte.
Oder war es doch schon so viel länger her? Warum dann dieses ewige Hämmern?

Vielleicht waren es immer wieder diese Gedanken, die sie vereinnahmten und gegen die sie sich nicht wehren konnte. Auch nicht im Hier und Jetzt.
Vielleicht lag es aber eher daran, dass sie zu oft Distanz in der Nähe gespürt hat und nur immer gelaufen ist, um dem entgegen zu kommen der lieber flieht. Klar war es ihr nie, und die Gedanken stolperten weiter im Laufen.
Stolz erhob sich die Galeere den Ungestümen der Meeresbrandung entgegen.
Warum nur wirkte die Galionsfigur so einsam da vorne an der Front?

Leise stand Marie auf. Sie brauchte einen Kaffee, um das Hämmern zu ummanteln.
Die Zigarette war zum Festhalten da, in der Hand, die in der Nacht noch seinen festen Griff gespürt hat.
In der Küche war es hell und freundlich, nur draußen hörte sie das Prasseln der Flut, die wie bei der Galeere gegen das Bug prallte.
Immer wieder im wiederkehrenden Rhythmus setzte sie an um sich der harten Oberfläche geschlagen zu geben.
Ihr war wieder nach malen, und doch war alles so weit weg. Und dennoch wollte sie diese Rastlosigkeit verlieren, nicht nur für ihn, vielmehr alleine für sich selbst, einfach weil die Zeit es so brachte.
Lange Zeit, vielleicht zu lange, gehörte diese innere Anspannung zu ihrem Lebenselixier.
Sie trieb an, gegen all die Wellen, die so in aller Maßlosigkeit sich an ihr brachen, vielleicht auch weil sie gegen den Strom schwamm um sich selbst zu erproben.

Sie steuerte selbst ihre eigene Galeere im Fahrwind der Angst und ihrer Bekämpfung, dem Hohn zum Trotz und selbst den Takt schlagend.
Wie oft malte sie selbst damals aus eigener Hand immer wieder das Höllenfeuer, kräftezehrend aber lodernd mit aller Macht. In ihr selbst führte dieses Feuer so wahre Steppentänze, dass sie selbst manchmal meinte innerlich zu verbrennen.
Aber auch dies war ein Antrieb, sich der Glut zu stellen.
Und Schlag für Schlag ertönte immer wieder der dumpfe Ton, immer im Takt des Schrittes.
Marie schaute raus um festzustellen, dass der Regen langsam nachließ.
Es würde jetzt wärmer draußen werden. Kein Stillstand.
Er hielt sie nicht an und hielt sie damit fest. Damit gab er ihr alles was ihm möglich war.
Die Wärme seiner Hand, wie viel vermochte sie auszulösen um ihm all das zu geben was an Bedeutung gewann.

Sie liebte diese Hand in all ihrer Intensivität, die sie alleine nur ihm vorbehielt. Weil sie sie auch spürte über jede Distanz, sie einfach spüren wollte, weil er da war, auch wenn nicht zugegen.
Langsam ließ das Hämmern in ihr nach.
Er würde gleich aufwachen und sie anschauen ohne Fragen zu stellen. Sie wusste, dass er die Antworten lesen konnte in jedem Augen-Blick der ihnen zusammen gehörte.

Und er würde es tun so wie sie es auch zuließ. Es würden keine Fragen offen bleiben, nicht heute und nicht morgen.
Oder sie würde keine Fragen mehr stellen, weil sie die Antworten schon längst erkannt oder sich selbst gegeben hat.
Stille, warum auch immer.
Er war da und die Galeere fuhr gelassen auf dem unruhigen Meer.

Sie würde ihn malen als Präriewolf stolz vor dem Feuer stehend, der für sie den Silbermond stiehlt.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 12.10.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Flucht Da war dieses seltsame Mädchen. Und Du weißt so viel mehr als ich. Alles ist so, wie es ist Egal, ob ich hier bin oder Du da bist . Und alles was ist oder auch nicht erlangt an Bedeutung.

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