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Nervös fahre ich mir durchs Haar als ich das kleine Cafe am Ende der Straße betrete. Gelenkt werden meine Schritte durch die Gedanken, die seit Wochen, oder waren es schon Monate, durch meinen Kopf fliegen.
Zumindest wird es schon langsam wieder wärmer draußen, im Gegensatz zu meinem Innersten, wo seitdem zu Eis gefrorene Steine ein Zuhause haben.

Ich erkenne sie von weitem und hätte kein Foto gebraucht um die eigenen Schritte in ihre Richtung zu lenken. Ihr blondes Haar leuchtet von weitem und es gereicht nur der Fokus auf diese Farbe gesetzt. Nein, ich komme mir nicht klein vor, trotzdem straffe ich die Schultern, nur um mir selbst den Vorschub zu geben, dem Unausweichlichen zu folgen, was mir im gleichen Moment fast wie eine Farce vorkommt.

Sie wird die Sonnenbrille auflassen, weil sie Distanz braucht. Es wird keine Nähe geben, schon gar nicht zwischen Fruchtkuchen, Eclairs und dem Duft zwischen frisch gemahlenem Bohnenkaffee.
Ich weiß, dass sie mich klein sieht, in ihrer Größe mit diesem grellen Rot auf den Lippen, welche gerade von einem spöttischen Grinsen umspielt werden, während sie versucht schon jetzt meine Gedanken zu erraten, um sich einen Vorsprung zu verschaffen.

Ich trage Schwarz, so wie immer. Rot sind nur meine Haare. Auch wenn sie vielleicht zu erkennen glaubt, dass mein Lächeln nur simuliert ist, werde ich ihr damit kein Klischee bedienen.
Es geht hier nicht um sie und auch nicht um mich. Es geht auch nicht um Gefühle, und ich bin heute böse genug, in diesen Wunden zu rühren, die auch sie zweifelsohne hat. Ich hab lange genug nur zugeschaut und für meinen Geschmack ist die Luft schon jetzt schal und miefig genug, als dass es länger zum Aushalten gereichen würde.


Bilder fliegen vorbei und ich sehe mich selbst als Regisseurin eines Melodrams, in dem zumindest im Schlussakt nun endlich die zwei Protagonistinnen, gekleidet fast wie zufällig im Einheitsschwarz, ihren Auftritt haben. Ein Duell im Morgengrau im verschlingenden Nebel, wo das Publikum als Sekundanten schon frenetisch seinem Applaus frönt.

Der heiße Kaffee schmeckt bitter und ich spüre meine eigenen Nackenhaare, die sich frösteln empor stellen. Sie ist kalt, kälter als ich in jeder Zeit davor vermutete.
Irgendwie aus dem Nichts beginnt ein Film vor meinen Augen zu laufen, der aus dem Ruder läuft. Dessen Drehbuch ich selbst nie so geschrieben habe und sie ist die Protagonistin, die alleine die Fäden der Regie zieht. Wirklichkeit und Film vermischen sich zu einer Groteske und ich bin der Narr mit dem Messer in der Hand.

Und immer wieder die gleichen Bilder:
Das Bett vibriert unter ihrem Akt der Kopulation, genauso wie jede Faser meines angespannten Körpers und mein Gesicht gefriert zu einer teuflischen Maske bei dem Anblick der sich narzisstisch Liebenden. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass die Szene mir nicht gefällt, wo sein Körper sich schon längst zu einer mit ihr verschmolzenen Eismasse erhebt und gleichzeitig sein Gesicht zu einer undefinierbaren Fratze erstarrt.
Und jetzt sitzen wir hier in unserem Drama gefangen und ich verspüre den Wunsch mich der Opazität hinzugeben, wo doch mein Ziel ein ganz anderes ist.

Sie denkt ich leide. So, als würde das eine Rolle spielen.
Für mich spielt es keine Rolle mehr.
Er war nur Teil einer Reihe von schlaflosen Nächten. Von Nächten, die irgendwann aufhörten, Spaß zu machen. Die man irgendwann ad acta legt und wieder vergisst.
Sie und auch Er zahlen lediglich den Preis. Meinen Preis. Den Preis dafür, dass ich für eine sehr lange Zeit nicht geschlafen habe. Der Blick in ihre Augen, hinter diesen getönten Brillengläsern und das Zittern ihrer Hände ist heute mein Triumph, den ich mir nicht entgehen lasse.

Ich stelle mir vor, wie sie ihren kalten Sex an allen Orten dieser ganzen Unmöglichkeit frenetisch gefeiert haben, schnell und gnadenlos, wie auch die Bilder unsigniert vor meinen Augen ablaufen.
Mir wird heiß und das Messer in meiner Jacke verleiht fast liebevoll die eisige Kälte.
Ich hasse mich selbst für jegliches Gefühl und mein Hass verschafft mir die wohlbringende Übelkeit für jedes Tun danach.
Schach spielen wäre jetzt nicht schlecht, der Kampf der Königinnen auf dem schwarz weißen Feld ohne jegliche Sentimentalität.
Ein Remis wäre unfair und das Schachmatt war schon längst aus seiner Hände Gnade gesetzt. Gewinnen oder Verlieren, das war nicht mehr die ausschlaggebende Frage. Hier und jetzt zählte nur eins für mich: Hartes Metall auf weicher Haut.

Ich liebe dieses Spiel, bei dem man den nächsten Zug genau überlegen muss. Ein Spiel, welches nicht ohne Strategie zu gewinnen ist..
Ich glaube nicht, dass sie es verstehen würde. Sie sieht mich nicht als Spielerin auf ihrem Niveau, sondern nur als Liebende, die sie nicht ist. Es ist nur dieser kleine Unterschied zwischen uns. Der Unterschied zwischen Gewinnen und Verlieren.

Verloren haben wir alle, nur für mich spielt es keine Rolle mehr.
Ich schenke ihr wenigstens doch den Moment des Genusses, als sie die Sonnenbrille langsam abnimmt. Die blauen, kalten Augen hat sie sich für den Schluss aufgehoben.

Der Verlust hat manchmal einen schalen Beigeschmack.
Mit dem Gedanken lächle ich sie an und sehe als letztes nur noch blaue Augen, die zu Eis erstarren.
Blau war noch nie nach meinem Geschmack.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 19.09.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Ich denke, im nächsten Leben bin ich noch ein wenig verrückter, nehme die Dinge weniger ernst und riskiere mehr. Ich werde den Augenblick noch intensiver genießen und vielleicht noch mehr Fehler machen, wissend, dass es nichts zu bereuen gibt.

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