Der Tag im Büro war wie immer stressig. Das Telefon läutete ununterbrochen, nervige Auftraggeber verlangten aus Unmöglichem das Mögliche zu machen und eine neue Präsentation verlangte nach Inspiration und Kreativität. Auf dem Weg nach Hause legte sie lieber einen Zahn noch mehr zu gepowert von der Musik, die sie nun brauchte, um sich den Alltag abzustreifen. Das Leben war zu kurz um innezuhalten und Ruhe war kein Adrenalin für den Kick zur nächsten Runde.
Ein heißes Bad würde Wunder wirken, vor allem weil sich damit wenigstens äußerlich die Zeit ein wenig zurückdrehen ließ. Ihre Wohnung war groß und fast ein wenig karg eingerichtet. Aber sie brauchte das, denn Enge konnte sie nicht ertragen. Vor allem, wenn sie das Gefühl hatte, dass die Wände auf sie zukamen und fast schon erdrückten. Schwarz und weiß hatte sie am liebsten um sich herum und gelackt. Den einzigen Farbtupfer, den sie sich gestattete, war das Rot der Anita Berber von Dix. Sie liebte dieses Bild alleine wegen dem Stolz, welchen es ausstrahlte. Und es hatte die roten Haare mit ihr gemein.
Im Bad betrachtete sie sich für einen kurzen Moment im Spiegel. Die paar kleinen Fältchen um die Augen würden durch ein neu aufgelegtes Make up auch nicht weiter auffallen, ansonsten konnte sie sich glücklich schätzen. Den Rest würde ein gekonntes Lächeln kaschieren, welches das Augenmerk vor allem auf die mitstrahlenden Augen lenkte. Sie wusste was sie schuldig war.
Gut war, dass der Spiegel einzig ihr allein das Geheimnis offenbarte, welches sie n ur mit sich selbst teilte. Denn sich konnte sie nicht täuschen, auch wenn es immer die gleichen Augen waren, die sich da entgegenstarrten und der gleiche verlangende Mund und die Falten immer am selben Platz.
Nur sie konnte beim Blick im Spiegel 2 Personen erkennen, die sich äußerlich wie eineiige Zwillinge glichen und dennoch so verschieden waren wie Feuer und Eis.
Es entsetzte sie noch nicht einmal, war es doch ihr eigenes Werk, in Anpassung an die Gegebenheiten.
Insgeheim amüsierte es sie eher, dass es noch nie jemand vermocht hatte, tiefer blickend, zu der Erkenntnis zu gelangen, dass sie unmöglich nur eine Person sein kann.
Kühl und unnahbar, dem entgegen so leidenschaftlich bis zur Explosion.
Mal arrogant und abweisend, um dann wieder liebend sich zu ergeben. Grenzen kannte sie keine und nur hin und wieder wusste sie selbst nicht, welche Person ihr da gerade entgegenblinzelte.
Aber auch das spielte weiter keine Rolle. Denn egal wer sie war, ist oder sein würde, alles war vergänglich und heute würde morgen auch schon wieder gestern sein.
Im warmen Wasser der Wanne entspannten sich ihre Glieder sofort. Der Perfektion geschuldet, benutzte sie als Badezusatz den Duft ihres Lieblingsparfums und rasierte jedes lästige Haar, dort wo sie wusste, dass zumindest sie es störte. Und jedem konnte sie es eh nicht rechtmachen. Diesen Gedanken hatte sie schon lange ausradiert. Wie immer wählte sie die Farbe Schwarz, wenigstens das hatten beide Personen gemeinsam, wobei es die Unterschiedlichkeit eher unterstrich.Das Kleid war eng anliegend und betonte ihren üppigen Busen, dem man die Jahre nicht ansah. Dazu nur einzig ein paar Halterlose und Pumps. Die Wimpern tuschte sie so lange bis ein Kranz ihre blauen Augen umrandete und legte auf die Lippen ein Rot, was ein wenig ihre anfängliche Unnahbarkeit unterstrich. Abends benutzte sie Gaultier, schwer aber dafür mit sinnlicher Eleganz gepaart. Auf Stil legte sie wert.
Dafür lehnte sie Stammkunden ab, genauso wie das andere Ich auch bei Forderungen auf die Flucht ging und zu laufen begann, bis der eigene Atem sie wieder einholte.
Da gab es einen vor längerer Zeit, der nur noch bei ihr kommen konnte und plötzlich sogar von Gefühlen sprach und küssen wollte. Sie sperrte seine Telefonnummer und löste sich aus der Umklammerung. Wenigstens konnte sie sich an sein Gesicht schon lange nicht mehr erinnern.
Als sie die Hotellounge betrat, spürte sie, dass mehrere Blicke sie bei jedem Schritt begleiteten. Es erfasste sie mit einer inneren Spannung, weil sie stets zu erraten versuchte, ob es an der Offensichtlichkeit lag, dass sie nie etwas unter dem Kleid trug, oder doch mehr an dem Kontrast des Schwarz und Rots. Doch tiefer als bis zur äußeren Schale blickte wohl niemand.
Er saß alleine an der Bar und sie erkannte sofort, dass er sie schon erwartete. Er war einen Kopf größer als sie, mit graumeliertem Haar und ohne jeglichen Bauchansatz. Er entsprach der Sorte Mann, die zwar etwas gehemmt waren, aber nur am Anfang. Bei der Agentur hatte er genau gesagt was er wollte, wohl auch, weil niemand dabei sein Gesicht sah. Der Martini und der Smalltalk waren obligatorisch und sie genoss die Begierde in seinen Augen.
Auf dem Weg zum Fahrstuhl konnte sie spüren, dass er sie bereits in Gedanken auszog und zu seinem Recht kam, für das er bezahlte. Sie lächelte, als sie bemerkte, dass auf seinem Zimmer Sekt kühlstand und ein paar Kerzen bereits angezündet waren. Auf der Kommode neben dem Bett lag dezent verdeckt ein Bündel Geldscheine, welches ihr bereits schon gehörte. Wartend schaute er sie an als sie langsam die Träger ihres Kleides von den Schultern schob und an ihrem Körper runter gleiten ließ. Seine Geilheit konnte und wollte er nicht verbergen und vor allem nicht die Macht über sie, die er vertraglich nun hatte.
Sie mochte diese Scheinbarkeit des Spiels, dort jemandem zu gehören, dessen Besitz sie niemals sein würde. Fast zärtlich berührte er die Spitzen ihres Busens um dann weiter mit seinen Händen ihren Körper herabzugleiten. Langsam fast unmerklich öffnete sie die Knöpfe seines Hemdes und Hose um ihm und sich die Berührung der nackten Haut zu geben. Leise stöhnte er auf. Sie beherrschten beide dieses Spiel der unverfänglichen Lust.
Und keiner stellte sich die Frage, wer hier Macht über wen auch immer hatte, vor allem nicht, als er sie umdrehte und von hinten in sie eindrang, sich nur noch der Lust ergebend. Da war nicht einmal mehr ihr Keuchen und Stöhnen gespielt. Es kam ihr mehrmals, unter und über ihm, während er einfach nur spürte, dass sie sich gerne ihm auslieferte und sein Eindringen genoss.
Es war noch nicht einmal ein Geheimnis woran es lag, dass sie sich genauso geben konnte um für jeden zur einzigartigen Geliebten zu werden.
Denn jedes erste Mal war auch gleichzeitig das letzte Mal und die Fremdheit ließ den Rausch in aller Unbefangenheit zu. Danach hielt er sie noch zärtlich in den Armen und erzählte ein wenig von seinem aufreibenden Job und einer Frau, die ihn manchmal nicht verstand und die er dennoch über alles liebte. Verstehend drückte sie sich noch ein wenig enger an ihn und strich ihm sanft eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
Für einen kurzen Moment gefiel ihr dieses Gefühl gehalten zu werden und sich anlehnen zu können, begehrt zu werden und nicht stark sein zu müssen. Wichtig zu sein weil sie umgekehrt das Gleiche gab, wobei sich aus nichts Forderungen ableiten ließen.
Und damit wurde es Zeit zu gehen.
Ihr anderes Ich wartete schon in dem gleichen Körper und mit Augen, die sich selbst nicht belügen konnten.
Er würde nicht nach einem zweiten Mal fragen und morgen schon ihr Gesicht vergessen haben. Den Duft des schweren Parfums würde er sich gleich noch abwaschen und vielleicht noch ein rotes Haar auf seinem Kopfkissen finden. Und sie mußte sich irgendwann eingestehen, dass sie doch eine ganz andere ist, mit heimlichen Wünschen und Sehnsüchten und auf der Suche nach etwas, was weder das eine Ich noch das andere definieren kann.
Vielleicht könnte sie dann endlich ein Ich eliminieren um dem anderen eine Chance zu geben den richtigen Traum zu leben.
Im Auto fiel ihr auf, dass sie aus Versehen sein Feuerzeug eingesteckt hatte. Lächelnd öffnete sie das Fenster.
Tag der Veröffentlichung: 09.09.2009
Alle Rechte vorbehalten
Widmung:
Für den einen bin ich das seltsame Mädchen
DU aber nennst mich verrückt.
Unbegreifbar und nicht zu fassen sagen andere, deren Verständnislosigkeit mich nicht berührt.
Was ich letztenendlich wirklich bin,
offenbart sich nicht einmal mir selbst.
Und dabei genieße ich jede Sekunde,
in der die Steine sich in mir drehen.
Denn sie sind Deine Spur.
Und wenn sie aneinander reiben,
sprühen Funken, die mich verbrennen.
Letztenendes bin ich einfach nur verrückt mal 2,
denn die Normalen kommen mir seltsam vor.