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Die Welt war seine Bühne, auf der er als einziger Protagonist unter eigener Regie und Inszenierung stand.
Er war schon seit langem ein Meister seines Fachs und jede neue Figur, die aus seiner Hand gebar, erschien perfekt durchdacht, nichts dem Zufall überlassend, bis ins kleinste Detail geplant.
Die Frauen als sein Publikum lagen ihm zu Füßen, feierten ihn frenetisch und so manch eine wischte sich eine Träne aus dem Gesicht, wenn sein Monolog der kunstvoll ausgewählten Worte begann.

Masken liebte er schon immer über alles, und er hob jedes seiner Werke auf, in dieser riesigen Truhe, die er aus eigener Hand geschaffen hatte und im Laufe der Jahre immer wieder liebevoll restaurierte.
Sie war aus edlem Kirschbaum mit Fingerspitzengefühl gezimmert und kunstvoll mit Ornamenten verziert, die selbst schon wieder ein Abbild seiner Masken darstellten.

Die Truhe war das einzige Möbelstück in diesem großen dunklen Raum, dessen Zutritt er nur sich selbst gewährte, weil es für ihn ein fast schon heiliges Terrain bildete, dem er durch fremdliche Beäugung nicht das Stigma der Entweihung aufdrücken wollte.
Denn nur hier war der Einlass zu seiner eigenen dramaturgischen Inszenierung, deren Regisseur und Protagonist er selbst einzig und zugleich war.

Jedes Drehbuch schrieb er selbst und machte sich gleichzeitig ans Werk als Requisiteur.
Mit dem Protagonisten übte er den Gang über die Bühne und die Stimmlage je nach Rolle.
Er feilte an jedem Wort und Lachen. Gestik und Mimik waren von immensem Wert und der Lebenslauf auswendig gelernt mußte passen zum gewählten Outfit als Kokon.
In einer Person vereinte er den Magier, der sein Publikum verzauberte und Luzifer, der jeden nach seiner Façon manipulierte.

Vor 30 Jahren, als er sein Kunstwerk begann, war er ihr begegnet, dieser Frau die das Spiel der Maskerade schon damals beherrschte.
Niemals gelang es ihm durch diesen Schleier der Undurchsichtigkeit zu dringen, so sehr er auch seine Finger verbog.
Damals begann er seine erste Maske leicht zu skizzieren in einer unaufdringlichen Form in sanften Farben, jedoch durchwebt mit dem dunklen Schwarz der Unnahbarkeit und dem Gelb des Stolzes.
Passend dazu übte er sich in einer neuen stimmlichen Frequenz, denn tief und dunkel gefiel ihm als Analogie.
Ganz zufrieden war er damals noch nicht mit dem Ergebnis, denn es schien immer wieder als durchschaue sie des Meisters Werk, aber dennoch war es so, je unnahbarer und stolzer er sich gab, desto mehr versuchte das Wesen auf der anderen Seite ihn zu packen und eilte ihm zuweilen sogar entgegen.
Auch wenn genau diese Wirkung ihn überraschte, wurde ihm die Maske dann doch schneller als erwartet langweilig und er zog sich zurück mit salbungsvollen Worten.

Das nächste Objekt seiner obskuren Begierde war eine brave Brünette, zwar etwas naiv und bieder, dafür aber nicht unvermögend, wenn auch nicht gerade auf den Verstand bezogen, was zumindest den entsprechenden Lohn für sein Werk versprach.
Hier verlangte seine Maske etwas mehr Feinschliff in der Oberflächengestaltung, was seinen Ehrgeiz anspornte um noch höhere Ziele zu erreichen.

Stolz und Unnahbarkeit wurden reduziert und wichen einer weltgewandten, dafür aber empathischen Seelenverwandtschaft, mit Händen, die zu halten vermochten in jeder dafür gemachten Situation.
Er mimte den Rosenbringer und Taschentuchreicher, wofür sie ihn hingebungsvoll anbetete.
Geduldig vollzog er den Liebesakt in zärtlichkeitsbringender Stellung soweit er etwas im stets abgedunkelten Schlafraum zu sehen vermochte.
Nur hin und wieder gestand er sich selbst seine fortwährenden Gedanken an die andere noch immer existente Frau seiner ersten Maskerade ein.

Aber auch die Brave vermochte ihn nicht zu halten, denn seine Maskentruhe verlangte nach weiterer Füllung und er selbst nach neuer Herausforderung.
Am besten gefiel er sich selbst in der Maske des gewieften Machos, der Frauenherzen höher schlagen ließ und diese damit zur willigen Beute machte.
Größte Mühe gab er sich beim immer feiner werdenden Schliff und achtete aufs kleinste wohlgefeilte Detail.
Als Macho übte er ganz verwegen und lässig die Zigarette im rechten Mundwinkel zu halten und mit Stärke zu trumpfen.
Bei der Mütterlichen versuchte er sich als Kind in ihre Instinkte zu wühlen um brav dann am Abend eine warme Mahlzeit zu genießen.

Ritterlich gefiel er sich besonders gut in der Maske des D’ Artangnon, dessen Rüstung niemals rostete und der charmant für Rosen die letzten Cents hergab.
Er mimte den Poeten gleichsam wie den rationalen Banker oder abgedrehten Rocker.
Er übte sich im Gesang und Zahlengefüge und schrieb wenn es sein mußte seitenlange Gedichte und gewöhnte sich, wenn es sein mußte sogar das Rauchen zeitweilig ab.

Das Fundament einer jeden Maskerade war er selbst, vor langer Zeit aus unlösbarem Beton gegossen ohne jegliche Spurrillen. Denn selbst kleinste Unebenheiten bearbeitete er mit Sandpapier und fegte den Feinstaub beiseite.

Das aufgesetzte Gerüst feinster Bauart konnte sich architektonisch sehen lassen,
denn mit der Zeit wurde er ein wahrer Meister seines Fachs und jede neue Herausforderung brachte ihn ein Stück dem Olymp näher.

Im Grunde genommen machte er jeder Frau eine neue Maske zum Geschenk und bedachte sie noch zusätzlich mit seiner Dankbarkeit, weil er nur durch sie zu dem werden konnte, der er heute war.
So gab man sich gegenseitig in der Symbiose was der andere brauchte. Und nie war er sich einer Schuldigkeit bewusst, weil er nur Gutes tat, der anderen Seite zum Geschenk.
Und danach verschwand jede Maske in dieser riesigen Kirschbaumtruhe mit den kunstvollen
Ornamenten.

Manchmal in der Nacht, wenn er nicht schlafen konnte, ging er in diesen großen dunklen Raum und schwelgte, mit den Masken in der Hand, in Erinnerungen.
An jede Begehrte konnte er sich noch genau erinnern und wünschte sich, ihr würde es genauso gehen. Er wusste von allen noch den Namen und konnte sich an ihre Düfte erinnern. Nur die meisten Gesichter verschwanden in der Unkenntlichkeit.


Sein eigenes Frösteln in diesem Raum verstand er nicht wirklich, ebenso wenig wie die Übelkeit, die in seiner Einsamkeit hochkroch.
Es war ja auch nur immer für einen kurzen Moment, denn er arbeitete bereits fieberhaft an einer neuen Maskenvariante.
Der Gedanke daran entlockte ihm ein diabolisches Grinsen.

Impressum

Tag der Veröffentlichung: 07.03.2009

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Glaubst Du, Du würdest mich wirklich finden in diesem Gewirr aus Buchstaben in dem ich mich schon längst freiwillig verloren habe? Glaubst Du, ich würde die Wirklichkeit verkennen, die ich selbst nie in Frage gestellt habe um mich darin zu platzieren, weil ich mir treu bleiben muss? Glaubst Du, ich könnte nicht die Gleichung bilden aus der Summe mit den Unbekannten, die Du mir an die Hand gegeben hast, deren Lösung für mich ganz einfach aus der Vergangenheit zu ziehen war? Glaubst Du, ich würde das Spiel der Maske nicht auch beherrschen, und lachen über den Narren, den ich selbst mime, weil alles andere mein Geheimnis ist, welches Du nicht errätst? Glaubst Du, Du kannst morgen noch in den Spiegel schauen, weil Du nicht den Glauben an Dich selbst verloren hast, und die Werte Deines Ichs auf festem Fundament stehen, weil Du weißt woran ich glauben möchte und nicht mehr weiß was ich glauben soll. Komm sag mir, was glaubst Du?

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