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I.

Auch wenn man die Zeit nicht anhalten kann und immer wieder etwas Neues kommt, nimmt man vieles mit.
Solange ich zurückdenken kann, waren wir immer Fünf.
Es gab nichts, was wir nicht gemeinsam machten. Stunden, Tage und Jahre, mal mehr mal weniger, aber immer verbunden, wenn auch oft nur in Gedanken mit einem unsichtbaren Band.
Wir waren jung, die Welt gehörte uns und wir färbten sie uns in den Farben, die wir selbst ihr gaben, mal grellrot, oder sonnengelb hin und wieder mal darkblue oder schwarzgrau.
Jeder gab mal den Farbton vor und die anderen tauchten den Pinsel im Gleichstrich mit ein.
Damals, wie unbeschwert doch alles war, vieles so weit weg, nur wir waren uns nah.
Alles war echt und oft dachten wir, die Sonne schiene nur für uns um all die Farben noch strahlender erscheinen zu lassen.
Wenn ich an Peer denke, sehe ich sein Lachen vor mir. Er war so stark und beschützte Marie und mich vor jedem Feind.
Seine Pausenbrote teilte er immer großzügig, weil er wusste wie sehr ich sie mit Nutella be­strichen liebte und sie doch nie von Mutter bekam, weil Schokolade nicht gut für die Zähne war.
Peer war der Meister im Steinewerfen unten am Weiher. Wenn er gut drauf war, Marie ihn anfeuerte und ihm einen besonders abgerundeten und flachen Stein gesucht hatte, schaffte er es, dass der liebevoll ausgesuchte Stein 10x die Wasseroberfläche berührte und erst dann unseren Augen entschwand. Marie klatschte immer am lautesten Beifall wenn wir die klei­nen Ringe auf der Wasseroberfläche zählten, die dann langsam ineinander übergingen bevor sie ganz verschwammen.
Sogar Mike bewunderte ihn dafür.
Mike war immer der Stärkste und Mutigste von uns allen. Ich weiß noch, als Tom aus der 10.Klasse meine Schulhefte in die Pfütze schmiss.
Auch wenn Mike kein Raufbold war, hat er ihm mächtig Zunder gegeben und mir meine Welt wieder in sonnengelb gezaubert. Ich schenkte ihm meinen großen Katzengoldstein da­für, den er fortan wie einen Schatz hütete.
Wie dankbar waren Marie und ich, wenn Mike für uns auch die schwierigste Mathemati­kaufgabe löste und Chemieformeln entzauberte.
Auf Tom konnte ich mich immer verlassen. Wie oft haben Tom und ich uns von zu Hause abends fortgeschlichen und sind zu der alten Hütte am Bach geradelt um davor im Gras zu liegen und die Sterne am nachtblauen Himmel zu beobachten.
Tom erzählte so oft mit leuchtenden Augen von seinen Plänen. Als großer Schriftsteller wollte er sein erstes Buch uns allen widmen.
Tom war so klug und wenn er mich mit seinen braunen Augen über den dunklen Brillenrand anschaute, wusste ich, er würde mit seinen Erzählungen die Welt erobern.
Er konnte in Bildern erzählen und ich erlebte jedes Bild mit, in all seinen Farben und Schat­tierungen. Ich spürte wenn die Kälte das Blut zu Eis gefrieren ließ und die Glut des Feuers es wieder auftaute. Immer wieder faszinierte mich die Tiefe seiner Worte und die geballte Kraft
mit der sie beeindruckend widerhallten.
Marie war eine Schönheit mit schwarzem langem Haar und wunderschönen grünen Augen, die umrandet waren von einem dichten Wimpernkranz und die immer einen Hauch von Me­lancholie ausstrahlten.
Marie wirkte immer sehr zerbrechlich, so wie ein Kartenhaus, das jeden Moment einzubre­chen drohte. Sie war eine Träumerin und doch so willensstark, wie jemand nur sein kann, der von sich selbst überzeugt jedes Ziel erreicht.
Im Alter von 5 Jahren begann Marie schon zu malen. Sie malte das, was sie nur mit ihren eigenen Augen sah, manchmal in Rot und dann wieder in dunklen Grautönen.
Ich weiß noch, mit 16 Jahren malte sie mich. Stundenlang saß ich ihr Modell und konnte es kaum erwarten ihr Werk zu betrachten. Ihr Gesicht glühte vor Stolz als sie es mir oben auf dem alten Speicher zeigte.
Ich glaube so wie sie mich gemalt hatte, hat nie wieder ein Mensch mich gesehen.
Es war ein Bild ohne Maske, das mein Innerstes nach außen kehrte. Es war ein Bild in Oran­getönen, die nach außen hin in ein tiefes Rot übergingen.
Marie konnte wie kein anderer in mich hineinschauen und wusste sich selbst doch immer wieder zu verbergen. Immer wieder schaffte sie es einem auch in traurigen Momenten ein Lächeln zu zaubern und damit auch das Dunkel zu erhellen.
Irgendwann verließ sie als Erste unsere kleine heile Welt.
Ihr Abschied war das letzte Mal, dass wir Fünf so zusammen waren. Unten am Weiher trafen wir uns am Abend vor ihrer Abfahrt. Es war ein stiller Abschied ohne viel Worte, wissend, dass die Zeit zwar nicht anhaltbar ist, aber dass eine neue kommen würde, irgendwann auch gemeinsam.
Für jeden von uns hatte Marie zum Abschied ein Bild gemalt, eingepackt in gelbes Papier mit Annemonen drauf, jedes verziert mit einem goldgelben Band. Untrennbar.
Mein Bild zeigt eine Orchidee.
Ich hatte ihr nie gesagt, wie sehr ich diese Blume liebe.


II.

Wir waren immer Fünf. Dort in dem kleinen Ort, dem wir schon so lange den Rücken ge­kehrt haben, weil alle Wege von dort aus nur wegführten, um Visionen zu Zielen werden zu lassen.
Fünf Menschen, die so viel mehr verband als sie trennte.
Auch wenn die Wege irgendwann zu einer Gabelung führten, gab es doch immer eine un­sichtbare Verbindung, die nur wir selbst zu spüren schienen.
Marie war eine von uns. Sie war eine Schönheit mit schwarzem langem Haar und wunder­schönen grünen Augen, die umrandet waren von einem dichten Wimpernkranz und die im­mer einen Hauch von Melancholie ausstrahlten.
Da, wo ich immer von einer inneren Unruhe getrieben, impulsiv einen Weg wählte, lenkte sie mit Ruhe und Sanftheit meine Schritte.
Marie wirkte zwar immer sehr zerbrechlich, so wie ein Kartenhaus, das jeden Moment einzu­brechen drohte. Sie war eine Träumerin und doch so willensstark, wie jemand nur sein kann,
der von sich selbst überzeugt jedes Ziel erreicht.
Mit Bedacht wählte sie jeden einzelnen ihrer Schritte aus, wägte jedes Für und Wider ab, um dann für sich selbst sicher und überzeugt den Weg zu gehen.
Auch Weggabelungen konnten ihr nie etwas anhaben. Dort, wo meine Schritte stockten und sich Unsicherheit breit machte, weil Kopf gegen Bauch ankämpfte, wusste Marie schon vor dem Weitergehen, welcher Weg genau zum Ziel führte, dessen Erreichung angestrebt und niemals aus den Augen verloren wurde.
Oft sehe ich Marie vor mir, mit ihrem Lachen, das jeden Raum erhellte und an dem keiner vorbeigehen konnte.
Ich sehe sie, wie sie schon mit ihren kleinen Händen im Kindesalter wahre Wunderwerke zauberte. Marie malte. Sie malte all das, was nur sie selbst mit ihren Augen sah. Mit jedem Werk gab sie ihre Stimmung preis, mal war die Welt warm eingefärbt in Rot und Gelb, dann auch mal Schwarz und Grau.
Maries Vision war es, die Welt mit ihren Bildern zu erhellen, das auszudrücken, was sie nicht in Worte fassen konnte um so ihr Innerstes nach außen zu kehren.
Es war ein langer Weg, den Marie aber unbeirrbar ging.
Wie oft wurde ihre Vision als Phantasterei belächelt und als unrealistisch abgetan.
Aber es war der Weg, der sich aus ihrem Ziel ergab.
Mal war er eben und glatt, dann auch mal wieder steil ansteigend und holprig.
Mal lief Marie, nie außer Atem kommend, hin und wieder ging es mal ein wenig langsamer voran und ab und zu auch mal sehr stockend. Ein- oder zweimal ging sie auch einen Schritt zurück, um Anlauf für die nächste Wegstrecke zu nehmen.


III.
Manches vergisst man nie
Auch wenn man die Zeit nicht anhalten kann und immer wieder etwas Neues kommt, nimmt man vieles mit.
Solange ich zurückdenken kann, waren wir immer Fünf. Fünf Freunde, die verbunden waren um Stimmungen zu teilen, dabei jeder seinen Weg gehend um doch hin und wieder nach dem einen oder anderen zu schauen, stützend oder helfend oder auch um Freude zu teilen.
Viele Jahre lebten wir unsere Welt in bunten Farben, dort in dem kleinen Ort, der uns zwar manchmal ein wenig eingeengt seine Grenzen aufzeigte, den wir uns aber selbst unbeschwert mit Sonnenfarben erhellten.
Unsere Sonne schien nur für uns und ließ all die Farben noch ein wenig heller erleben.
Auch wenn wir alle diesem Ort schon lange den Rücken gekehrt haben, um unseren eigenen Weg als Ziel zu gehen, blieb dieses unsichtbare Band, welches nur wir Fünf spürten, doch immer existent.
Oft denke ich an Tom.
Tom mit dem ich so oft zu der alten Hütte am Bach geradelt bin um dort seinen Geschichten zu lauschen.
Geschichten, mit denen er Bilder malte und die er nur mir mit leuchtenden Augen erzählte und die ich mit all der Weichheit oder Härte in all den Schattierungen miterlebte.
Jedes seiner Worte hatte eine Tiefe, die mich immer wieder faszinierte, vorgetragen mit einer Stimme, die nur Tom zueigen war und die mich spüren lassen konnte, wenn die Kälte das Blut zu Eis gefrieren ließ und die Glut des Feuers es wieder auftaute.
Wenn ich an ihn denke, sehe ich sein Lachen vor mir und dieses Strahlen in seinen braunen Augen.
Seine Hände waren so sanft, wenn er mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht zauberte und dabei wie ein Hauch meine Wangen berührte.
Ich denke, zwischen Tom und mir war da ein ganz besonders Band. Unsichtbar aber doch untrennbar existent. Vielleicht weil wir wussten, dass zwischen uns niemals so etwas wie Falschheit, Gedankenlosigkeit oder Enttäuschung stehen würde.
Tom war schon ein besonderer Mensch, vor allem für mich, mit all seinen Facetten, die er nicht jedem zeigte. Für manchen erschien er sehr introvertiert weil er sich nicht jedem öffnen konnte und lieber sich aus der Distanz heraus näherte.
Für mich war Tom oftmals ein Träumer, der sich aber niemals in seinen Träumen verlor.
Er empfand alles nur viel intensiver, so wie es nicht jeder Mensch vermag. Trotzdem hatte er die Realität stets vor Augen und schaffte es beides miteinander zu verbinden.
Wenn ich an ihn denke, sehe ich seine Augen vor mir, die mich so oft intensiv über den Bril­lenrand anschauten, wenn wir dort unten vor der alten Hütte im Gras lagen und er mir seine Geschichten erzählte.
Mit der Zeit wuchsen Tom und ich zu einer getrennten Einheit zusammen. Jeder verfolgte nebeneinander seinen eigenen Weg ohne den anderen zu beeinflussen oder zu manipulieren,
nur begleitend und vieles freiwillig aus Wertschätzung teilend.
Vielleicht war es Tom, der mir viele Wege bereitet hat. Niemals ein NEIN zu akzeptieren war immer wichtig für ihn und für mich des Übernehmens wert.
Es gab nichts Wichtigeres für ihn, als über den Tellerrand zu schauen um die gewonnenen Erkenntnisse zu nutzen.
Daraus entstanden seine Geschichten um auch mir zu zeigen, wie man seine Gedanken mit Kreativität füllt und jedem Wort seinen ganz besonderen Wert beimisst.
Stillstand gab es nicht, denn im Fluss und in der Bewegung lag der Sinn des Ganzen.
Auf meinem Weg bin ich danach vielen Menschen begegnet. Manche sind ein Stück mit mir gelaufen, andere haben ihn nur gekreuzt.
Es waren Menschen dabei, die mich tief berührt haben, andere wiederum haben mich nur gestreift.
Wir Fünf waren uns immer wertvoll und im Vertrauen verbunden, und Tom war einer von uns, für mich vielleicht der wichtigste und beste Freund von allen.
Heute schreibt Tom seine Geschichten für sehr viele Menschen und berührt sie genau wie mich damals.
Jedes einzelne Buch schickt er mir vorab oder liest es mir vor, genau wie damals, wenn wir gemeinsam im Gras lagen und der Himmel sich nur für uns in einem strahlenden Blau zeigte.
Er ist seiner Vision gefolgt und hat sie zu seinem Ziel werden lassen.
Ich weiß, dass er sehr glücklich ist und lässt mich auch heute noch daran teilhaben.
Es ist dieses untrennbare Band, welches uns Fünf auch weiterhin verbindet.


IV.
Manches vergisst man nie
Manches vergisst man nie. Erinnerungen zeugen davon, dass wir leben.
Auch wenn man die Zeit nicht anhalten kann und immer wieder Neues kommt, kann auch dieses wieder Erinnerung sein, die es wert ist, sie mitzunehmen.
Solange ich zurückdenken kann, waren wir immer Fünf.
Fünf Freunde, die es sich wert waren , durch ein unsichtbares Band verbunden zu sein, ohne daran zu reißen.
Unsere Wege liefen lange Zeit nebeneinander, bevor sie an einer Gabelung auseinanderdrif­teten um in verschiedenen Richtungen trotzdem miteinander verbunden zu sein.
Es war eine farbenfrohe Zeit, damals in dem kleinen Ort, in dem wir unsere gemeinsame Zeit verbrachten. Und wurden die Farben für den einen oder anderen mal etwas dunkler, war immer einer von uns da, der den Pinsel in eine besonders leuchtende Farbe tauchte, um alles wieder ein wenig strahlender erscheinen zu lassen.
Sogar im Streit leuchteten die Funken in einem Rot wie Blitze und erhellten jeden Raum.
Zu fünft waren wir unendlich stark und auch heute noch, wo wir längst in alle Himmelsrich­tungen verstreut sind, spürt jeder von uns noch etwas von dieser Kraft, die noch immer in uns ist.
Wenn ich an Mike denke, höre ich sein Lachen und sehe ihn vor mir, wie er mit zaghafter Hand über mein Gesicht streicht.
Mike hatte so wunderschöne braune Augen mit einem schwarzen Kranz drumherum und seine Stimme war so warm und weich, dass sie streicheln konnte.
Mike und mich verbindet das ganz Besondere. Denn er ist es, den ich meine erste große Lie­be nenne.
Mike, der von uns allen der Stärkste und Mutigste war, und Marie und mich immer beschütz­te vor allen Unwegsamkeiten in unserer kleinen Welt.
Seine Stärke war immer die Geduld und dort wo ich impulsiv aus dem Bauch heraus handeln wollte, bremste er mit Bedacht um mir die Ruhe für folgende Entscheidungen zu geben.
Trotzdem war er einer der wenigen, im nachhinein betrachtet, der all meine Fehler und Schwächen akzeptierte und nie darauf aus war mich ändern zu wollen.
Mike zeigte mir , dass es nicht wichtig ist, von jedem verstanden zu werden und man auch nicht jeden verstehen muss, wenn man Unverständnis mit Nachsicht begegnen kann.
Mike und mich verband so viel Vertrauen, jedes Geheimnis war unser Gemeinsames und verband uns noch mehr.
Wir gingen einen gemeinsamen Weg ohne dass einer den anderen darauf ziehen mußte.
Es war der Gleichschritt im Takt aus unseren eigenen ungezwungenen Empfindungen heraus.
Mike gab mir die Geborgenheit, die ich im Danach so oft vermißte, vielleicht suchte aber niemand zu geben vermochte.
Mit ein klein wenig Wehmut denke ich an unseren ersten zaghaften Kuss unten auf der Wiese vor dem kleinen Teich, wo wir uns nach der Schule immer trafen.
So richtig wussten wir beide wohl nicht wie es ging und trotzdem spürte ich dort zum ersten mal wie es ist, wenn ein Prickeln im Bauch beginnt und dann durch den ganzen Körper zieht.
Wenn wir dort im Gras lagen und Wolkenbilder malten, konnte dieses Himmelblau, das sich in unseren Augen spiegelte, durch nichts getrübt werden.
Mit Mike konnte ich diese Innigkeit spüren, die jeden Augenblick zu etwas Besonderem wer­den ließ, wissend wie wertvoll und einzigartig man für den anderen ist.
Damals schienen unsere gemeinsamen Farben noch leuchtender und bunter, denn wir tauch­ten unsere Pinsel in gemeinsame Farbeimer.
Und wurde dem einen mal der Arm lahm, konnte er gewiss sein, dass der andere mit kräfti­gerem Strich aushalf.
Für Mike musste Mutter mir in vielen endlosen Stunden das Stricken beibringen, um ihn mit einem Schal in seiner Lieblingsfarbe Blau zu überraschen.
Ich weiß noch, wie mich dieses Ungetüm manches mal zur Weißglut trieb, wenn wieder eine Masche fiel und meine Finger zu ungeschickt sich verkrampften.
Aber das Strahlen von Mike entschädigte für alles.
Ich weiß noch, mit wie viel Geduld Mike Marie und mir die schwierigsten Matheaufgaben erklärte und die unverständlichsten Chemieformeln entzauberte.
Ein “das kann ich nicht” zählte nicht für ihn, vielmehr stärkte er mich auch an noch so un­liebsame Aufgaben heranzugehen, um wenn möglich auch noch über mich selbst hinaus­zuwachsen. Für ihn war der Glaube an einen selbst das Wichtigste und er schaffte es sogar
mich damit für meinen weiteren Weg zu stärken.
Mike und ich gingen ein langes Stück des Weges gemeinsam.
Es war ein sehr gerader und sonniger Weg, der sich ganz tief in meinen Erinnerungen ein­brannte und der vor allem von Vertrauen geprägt war.
Sogar wenn wir uns mal stritten, taten wir dies mit Respekt und dem Gefühl des Wertes für einander, immer wissend, welchen Platz wir im Leben des anderen einnahmen.
Auch heute noch, wenn ich von ihm höre, fällt mir als erstes sein wärmendes Lachen auf.
Und auch heute noch, spüre ich dieses Prickeln, wenn er mit leiser Stimme “hallo Kleines” sagt. Von niemand anderem kamen diese Worte danach so wertvoll gemeint rüber.
Damals als Mike mich vor den Größeren beschützte, schenkte ich ihm diesen Katzengold­stein, den er danach wie einen Schatz hütete.
Er trägt ihn auch heute noch bei sich, genau so wie er auch heute noch immer bei mir ist.
Denn gerade Mike hat mir gezeigt, wie wichtig es für einen selbst ist, ein Nein nicht zu akzeptieren, unbeirrt seinen Weg zu gehen und sich auch durch eine Niederlage nicht in die Knie zwingen zu lassen.
Und wenn ich Mike heute sehe, weiß ich genau, er ist der Freund von Damals geblieben und wärmt mich auch heute noch mit seinem strahlenden Lächeln.


V.
Mit ihm hörte sie die Sterne lachen.
Es gibt Dinge, für die es leichter ist Verständnis zu haben, als sie zu begreifen.
Und gewisse Dinge muss man auch gar nicht verstehen, sondern sollte sie einfach nur anneh­men ohne nach dem Warum zu fragen.
Wir waren immer Fünf.
Fünf Freunde, die einander verstanden ohne zu hinterfragen.
Wir lebten damals in einer Welt, die geprägt war von Wegen, die wir zwar allein gingen, aber mit dem Wissen, dass wir niemals allein waren.
Nichts war bedrängend und aufdringlich, eher lenkte die Freiwilligkeit jeden unserer Schritte mit dem Bewusstsein, dass dem Geben niemals ein Nehmen folgen würde.
Es war eine wärmende Zeit, die sogar den Schnee im Dezember auftauen ließ um so in den kalten Fingern nach einer Schneeballschlacht wieder das pulsierende Blut zu spüren.
Marie war immer eine von uns.
Sie war eine Schönheit mit schwarzem langem Haar und wunderschönen grünen Augen, die umrandet waren von einem dichten Wimpernkranz und die immer einen Hauch von Melan­cholie ausstrahlten.
Wenn diese Augen einen anschauten, spürte man Fragen darin. Fragen, die sie aber nie stell­te, vor allem nicht nach dem Warum.
Marie war immer die Besonnenere von uns beiden, aber auch dort wo ich impulsiv und nur nach Gefühl handelte, gab sie mir die Gewissheit der Akzeptanz.
Auch wenn sie in meinen Augen immer eine Träumerin war, sah ich doch wie sie überzeugt ihren Weg ging, Visionen folgend sie zu ihrem Ziel machte.
Sie verließ damals als erste unseren kleinen Ort, in dem wir Fünf gemeinsam unsere herr­lichste Zeit verbrachten.
Keiner von uns zeigte wie schwer der Abschied fiel, wussten wir doch, dass jede Zeit nur
geliehen und trotzdem bei uns bleiben wird.
Ihr Bild mit den Orchideen, welches sie mir zum Abschied schenkte, hütete ich wie einen Schatz.
Marie malte so eindringlich und in ihren Bildern spiegelten sich Geschichten wieder. Ge­schichten, die mit Worten nicht besser hätten ausgedrückt werden können.
Als ich damals das Bild sah, das sie von mir gemalt hatte, wusste ich, dass sie mich wirklich sah, so wie kein anderer es danach fertig brachte.
Es war ein Bild ohne Maske, das mein Innerstes nach außen kehrte. Es war ein Bild in Oran­getönen, die nach außen hin in ein tiefes Rot übergingen und sogar noch von einer inneren Zerrissenheit getragen wurden.
Lange Zeit hörte ich nichts von ihr. Ich glaube, es war eine Zeit, in der sie sich von uns ent­fernte, vielleicht weil sie ihren eigenen Weg folgen musste, den wir nicht wirklich verstan­den..
Irgendwann traf sie ihn, wo hatte sie nie erzählt.
Er war von Anfang an ein Fremder, dessen Mauern wohl nur Marie durchdrang.
Ich glaube Paul hieß er und malte genau wie Marie.
Seine Bilder waren von seltsamer Schönheit in wilden Farben mit sehr viel Schwarz, kraft­voll aber wirr auf die Leinwand gebannt.
Alles was er tat erschien irgendwie seltsam, aber Marie verstand ihn, vielleicht weil sie sich die Mühe gab und ihn so annahm, wie er war.
Ich gebe zu, wir taten es nie.
Wichtig war, dass Marie in der Zeit mit ihm sehr glücklich war oder schien.
Sie sprach nie viel darüber.
Nur einmal, als sie anrief, spürte ich, dass die beiden sehr viel verband. Sie war sein Halt und sein Anker hier. Bei ihm war sie stark und er nahm es an, ohne zu hinterfragen und sie zeigte es niemandem, nicht einmal ihm.
Sie sah so viel in ihm, und gab vor allem Liebe ohne zu nehmen.
Ich hab mich oft gefragt, was sie wohl in ihm sah. Das Kind oder doch eher den Mann?
Eine Antwort konnte noch nicht einmal Marie mir geben, und es war vielleicht auch gar nicht wichtig.
Irgendwann sagte Marie mir mal, dass sie mit ihm die Sterne lachen hören konnte.
Da wusste ich, dass sie glücklich war.
Er war wohl sehr oft auch verzweifelt und wusste nicht wohin. Er suchte nach einem Sinn, den er in aller Sinnlosigkeit nie fand.
Es war im Dezember, an einem grauen eisigen Tag als er ging.
Er war zwar das einzig Wichtige für Marie, aber auch damals verstand sie ihn und fragte nicht nach dem Warum.
Nur ihre Augen schauten hin und wieder ein wenig traurig und man konnte Fragen darin erkennen, deren Antworten aber niemals wichtig gewesen wären.
Erst lange Zeit danach begann Marie wieder zu malen. Die Farben waren viel kräftiger aber auch leuchtender als früher, nur hinzu kam hin und wieder ein Schwarz auf dem man gelbe Sterne lachen sehen konnte.


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Tag der Veröffentlichung: 15.10.2008

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