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Erinnerungen und ein angebrannter Joint


Er liegt auf dem Rücken. Die Augen hält er fest geschlossen. Er liegt auf etwas weichem, das spürt er. Doch gewohnt ist er es nicht. Nie lag er sonst auf etwas Weichem. Nie hat er diese Wärme verspürt, wie er sie jetzt gerade wahrnimmt.
Er bewegt leicht seinen Kopf und meint so etwas wie Gras unter ihm zu fühlen. Grashalme, die an seinem Ohr kitzeln. Er fühlt sich gut, so gut wie sonst nie. Mit Schrecken denkt er an sein Elternhaus. Denkt an die Schläge, an die Gemeinheiten. Er war geduldet, jedoch nicht angenommen. Er wurde beherbergt, jedoch nicht aufgenommen. Für eine Zeitlang, bis sie ihn dann endlich los wären.
Müde dreht er sich auf die Seite. Blinzend will er die Augen öffnen, doch das gleissende Licht schmerzt ihn in seinen Augen, weshalb er den Versuch sofort wieder aufgibt. Mit seinen Händen befühlt er die Unterlage, auf der er liegt. Feine Grashalme streifen seine Handinnenfläche. Der Geruch eines sauberen Waldes strömt in seine Nasenlöcher. So einen Wald kennt er. In einem eben solchen hatte er sich so einige Mal versteckt. Vor seinem Ziehvater, vor seiner Vergangenheit, vor seinem Leben. Dort war es ihm immer gut ergangen und das Böse blieb dort fern.
Er wird neugierig, ob er sich genau dort befindet. Wider blinzelt er mit den Augen, das Licht sticht wieder unangenehm in seine Augen, doch dieses Mal setzt er seinen Willen durch. Er öffnet die Augen und kann nur staunen. Schnell erhebt er sich und sieht sich seine Umgebung an. Er befindet sich auf einer Waldlichtung. Dichtes, saftiges Gras wuchert auf dem Boden. Die Bäume stehen relativ weit auseinander. Ein Zeichen, dass der Wald gesund ist und nicht von Menschen errichtet wurde. Ein Grün wie er es noch nie gesehen hat, ziert jedes Blatt. Der Wind lässt die dünneren Äste leicht wippen. In der Nähe hört er ein Rauschen, ein Plätschern. Langsam geht er über die Lichtung, hinein in den luftigen Wald. Keine Nadel sticht in seine Fusssohlen. Nicht normal für einen Waldboden, aber er wollte nicht rumnörgeln. Er war oft genug barfuss im Wald unterwegs gewesen und sich dabei die eine oder andere Schramme zugezogen. Doch der Boden hier, der war wie aus Watte. Eine wahre Freude, hier zu wandeln. Nach einigen Sekunden…Minuten… oder waren es Stunden?...kommt er an einen kleinen Fluss. Er kniet nieder und merkt, dass er keine Kleider anhat. Mit dem Gesicht über der Wasseroberfläche will er sein Spiegelbild betrachten, doch das Gewässer ist so klar, dass er ohne weiteres bis auf den Grund sehen kann. So ein klares Wasser hatte er in einem Wald oder überhaupt in der Natur noch nie gesehen. Langsam streckt er eine Hand in das kühle Nass. Wie flüssige Seide umfasste die Flüssigkeit seine Haut. Streichelte sie, liebkoste sie. Ein berauschendes Gefühl. Ohne weitere Zeit zu vergeuden, lässt er sich seitlich in das Nass gleiten. Die Kühle die ihn umfängt löst etwas von ihm ab. Den Schmerz, die Wut, den Zorn, den Hass auf die Welt, aus der er kommt. Nichts als Friede und Gelassenheit bleiben zurück. Er denkt sich, dass es immer so weitergehen sollte. Genau in diesem Moment erstarkt die Strömung des Flusses. Erst kaum merklich, doch dann wird aus der sanften Strömung ein wahrer Wildbach. Reisst ihn vom sicheren Ufer weg. Spült ihn weg, von der so perfekten Welt, in der er sich hatte wohlfühlen dürfen. Weg von allem Frieden. Sein Gesicht taucht immer wieder unter Wasser. Er meint zu ertrinken. Er schliesst die Augen und gibt sich seinem Schicksal hin.
Ein Pochen, laut und energisch. Fordernd und keinen Wiederspruch duldend. Der Junge schlägt die Augen auf. Um ihn herum die gewohnte Umgebung. Karge Wände und die nötigsten Möbel. In der Hand noch den abgebrannten Joint. Das Pochen ist sein Ziehvater…und die perfekte Welt nur ein Traum. Ein Utopia.
Nur eins ist geblieben: Die Erkenntnis sich seinem Schicksal zu ergeben.

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Tag der Veröffentlichung: 02.01.2013

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