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Band 1 der packenden Arkanien-Saga!


Leseprobe



Prolog


Bereits seit Stunden schossen die Schreie, Rufe und Klagen wie Pfeile durch den riesigen Saal und hallten an den Marmorwänden wider. In der Kuppel, die sich hoch oben über dem steinernen Rund wölbte, tanzten hunderte Lichter auf und ab und versuchten, auch den letzten düsteren Winkel mit ihren warmen Strahlen zu erhellen. Von Wärme und Harmonie war unten im Saal jedoch nichts zu spüren, denn dort herrschte eine Stimmung, die vergiftet war von Misstrauen und Zweifel.
Der gegenseitigen Anschuldigungen und Klagen überdrüssig, schüttelte der mächtige Kämpfer in der Mitte des Saales seine feuerrote Mähne und wandte sich ab. Sein Körper bebte vor Zorn, während sein Blick über die Tausende und Abertausende Anwesenden glitt. Schließlich ließ er die Augen auf einer zarten Gestalt am anderen Ende des Saales ruhen, die auf einem steinernen Thron saß und ausdruckslos ins Leere starrte, als ginge sie das Streiten um sie herum nichts an.
Verwundert hob er eine Augenbraue, bahnte sich mit majestätischen Schritten einen Weg durch die heftig diskutierenden Geschöpfe, die unwillkürlich zurückwichen, sobald sie seine Nähe spürten, und schob sich an ihre Seite.
Vorsichtig neigte er den Kopf zu ihr. „Wächterin, ist alles in Ordnung?“, fragte er besorgt, doch die Gestalt schien ihn gar nicht zu bemerken. Wie versteinert schaute sie ins Nichts.
„Wächterin, hörst du mich? Antworte mir!“, beschwor sie der Kämpfer und legte seine Tatze auf die Lehne ihres Throns. Als sie noch immer keine Reaktion zeigte, stieg Panik in ihm auf.
Doch gerade als er Hilfe holen wollte, schien sie zu erwachen. „Er kommt“, flüsterte sie.
Die Stimmen verstummten mit einem Mal und unzählige Augenpaare richteten sich auf das elfenhafte Wesen. „Er kommt“, wiederholte es und seine smaragdgrünen Augen leuchteten auf. „Er hat sich bereits auf den Weg gemacht.“
Zunächst blieb alles still, dann brach der Tumult los.


Kapitel 13



Die Queen Anne’s Revenge gewann schnell an Fahrt. Wie ein scharfes Messer durchschnitt sie die Wellen, die dumpf an den Schiffsrumpf schlugen. Bald waren Maynards Boote nur noch als kleine Flecken am Horizont zu sehen.
An Deck herrschte inzwischen reges Treiben. Benny beobachtete staunend, wie die Piraten hoch oben an Schiffsmast und Rahen ihrer Arbeit nachgingen, ohne bei dem Geschaukel das Gleichgewicht zu verlieren. Der Teil der Piraten, der nicht mit dem Segeln des Schiffes beschäftigt war, warf die Leichen über Bord. Andere beförderten die verletzten Angehörigen von Maynards Mannschaft auf das Hauptdeck. Die Verwundeten wurden unter einem Hagel von Tritten, Schlägen und Beschimpfungen zusammengetrieben. Diejenigen, die nicht mehr selbst gehen konnten, zerrten die Piraten grob an Armen und Beinen hinter sich her.
Blackbeard stand wie ein Feldherr auf dem Hauptdeck und ließ zufrieden den Blick über die Gefangenen vor ihm schweifen. Einen Fuß hatte er auf einem kleinen Fass aufgestützt, während er die Klinge seines Säbels gegen seinen Stiefelschaft schnalzen ließ. In der anderen Hand hielt er einen Becher, aus dem er immer wieder große Schlucke trank und dabei kräftig rülpste. Neben ihm schritt ein zweiter Mann auf und ab, der gerade erst an Deck gekommen sein musste. Während des Kampfes oder des hitzigen Wortwechsels zwischen Blackbeard und Maynard hatte Benny ihn jedenfalls nicht gesehen.
Der Mann trug eine prächtige weiße Lockenperücke mit einem Dreispitz und einen viel zu engen, himmelblauen Samtgehrock mit protzigen Goldverzierungen. Seine dicklichen Beine steckten in schwarzen Kniebundhosen und strahlend weißen Strümpfen. An den Füßen blitzten schwarze Lackschuhe mit großen goldenen Schnallen, die aussahen, als wären sie gerade blankpoliert worden. Vor seine Nase hielt der Mann ein weißes Spitzentaschentuch und verdrehte immer wieder stöhnend die Augen.
„Bonnet, wenn Ihr nicht sofort stehen bleibt, werfe ich Euch in den Ozean!“, fuhr ihn Blackbeard an.
Bonnet stieß einen spitzen Schrei aus, blieb sofort wie angewurzelt stehen und klimperte dümmlich mit den Augenlidern.
„So eine Witzfigur“, murmelte Benny vor sich hin und reckte sich, um die lächerliche Gestalt genauer zu betrachten, als ihn plötzlich jemand am Arm packte. Er zuckte zusammen.
„Steh’ hier nich’ so rum, das fällt doch auf!“ Es war Will. Er zog Benny mit sich und ging auf eine Horde von Piraten zu, die mitten auf dem Hauptdeck herumlungerte und die Gefangenen erwartungsvoll beobachtete. Lena und Finn standen bereits mitten in der Meute und sahen sich verstohlen um.
Da ertönte erneut Blackbeards Stimme. „Verluste?“
Niemand antwortete ihm.
Der Kopf des Kapitäns lief vor Wut rot an und er schrie: „JONES! Wo steckt der vermaledeite Quartermeister? JONES! Schwing deinen fetten Hintern hierher!“
Benny drängte sich zwischen den Piraten weiter nach vorne, um besser sehen zu können. Will stieß leise Flüche aus, doch als auch Finn und Lena ihm folgten, ging er ihnen zähneknirschend hinterher.
„Aus ’m Weg! Aus ’m Weg!“, keuchte jemand atemlos hinter ihnen. Die Piraten sprangen beiseite und machten einem riesigen Kerl Platz, der eilig auf seinen baumstammdicken Beinen herangewalzt kam. Ein bunter Papagei flatterte über ihm, nahm aber sofort auf seiner breiten Schulter Platz, als der Dicke schnaufend vor Blackbeard zum Stehen kam.
„Ja, Käpt’n, hier bin ich!“, meldete er sich abgekämpft zur Stelle und wischte sich dabei mit der Hand den Schweiß von der Stirn, die eine riesige, wulstige Narbe entstellte.
„Verluste, Jones?“, knurrte Blackbeard und nahm wieder einen tiefen Schluck aus seinem Becher.
„Aus uns’ren Reih’n sin’ siebenun’sechzig Mann gefall’n, leider hat’s auch uns’ren Schiffszimmermann erwischt, den gut’n alt’n Sargnagel-Sam, Gott hab’ ihn selig. Von den Mariners hab’n wir dreiun’achtzig Tote von Bord gefegt. Un’ Gefang’ne hab’n wir hier neunzehn sitz’n.“
Blackbeard gab dem Fass unter seinem Fuß einen Tritt. Es kippte um und rollte auf Bonnet zu, der laut quiekend beiseite sprang. Blackbeard spuckte aus und begann, vor den Gefangenen auf- und abzugehen. Dabei sah er jeden einzelnen der Männer an, als wollte er ihn mit seinen Blicken durchbohren.
„Schiffszimmermann? Schmied? Segelmacher? Arzt?“, feuerte er ihnen entgegen. Als niemand antwortete, brüllte Blackbeard so laut los, dass die Adern an seinem Hals anschwollen und sich wie fette Würmer unter seiner Haut abzeichneten. „Ich habe euch eine Frage gestellt! Antwortet gefälligst oder soll ich eure Zungen herausschneiden und in der Pfanne braten?“
Die Männer zogen erschrocken die Köpfe ein, einige zitterten vor Angst. Schließlich meldete sich ein schmächtiger, etwa sechzehn- oder siebzehnjähriger Junge schüchtern zu Wort: „Mein Onkel zu Hause in Kent war Zimmermann, Sir.“
„Dein Onkel?“ Blackbeard zog die Augenbraue hoch und musterte ihn prüfend. „Das genügt. Ab jetzt bist du Zimmermann hier auf der Annie.“ Dann wandte er sich wieder den übrigen Gefangenen zu. „Einfache Matrosen unter euch?“ Einige Hände schnellten in die Höhe.
„Gut, gut“, fuhr Blackbeard fort. „Ihr habt die Wahl: Entweder wir hängen euch kopfüber auf und spielen mit euch lebende Zielscheibe oder ihr schließt euch uns an. Möchte jemand nicht zu meiner Mannschaft gehören?“
Keiner meldete sich.
„Nein? Gut, dann seid ihr hiermit Piraten. Licht wird um acht gelöscht, jeder kriegt den gleichen Anteil an der Prise und wer im Kampf seinen Posten verlässt, wird ausgepeitscht. Alles verstanden? Dann herzlich willkommen an Bord!“
Bonnet, der das Aufnahmeritual verzückt beobachtet hatte, klatschte begeistert in die Hände. „Ach, dieses Piratenleben ist ja so romantisch!“, flötete er.
Blackbeard verdrehte die Augen. „Dass Ihr es romantisch findet, wundert mich nicht. Ihr sitzt ja nur immer nachts auf Deck und schmachtet den Mond an. Im Kampf und bei rauem Seegang verzieht Ihr Euch zähneklappernd und heulend wie ein Weib in Eure Kabine. Ein sauberer Küstenschiffer und Pirat seid Ihr, Major Stede Bonnet“, sagte Blackbeard gehässig und die umstehenden Piraten grölten vor Lachen.
Bonnet hob trotzig das Kinn, drehte Blackbeard beleidigt den Rücken zu und blickte voller Selbstmitleid aufs Meer hinaus.
Blackbeard hielt währenddessen seinen Becher zur Seite, ohne die Gefangenen aus den Augen zu lassen. Ein Mann stürzte sofort herbei und schenkte ihm aus einem Krug nach. Blackbeard nahm erneut einen langen Schluck, rülpste und wischte sich die verschütteten Tröpfchen aus dem Bart.


„Und nun zu euch, ihr Matrosenschinder“, schleuderte er dann zwei Offizieren entgegen, deren Uniformen ihren höheren Rang verrieten.
Die beiden Männer wurden blass und starrten Blackbeard angsterfüllt an, während sich ihre ehemaligen Untergebenen so schnell wie möglich aufrappelten und sich zu ihrer neuen Mannschaft gesellten. Die beiden Offiziere blieben alleine zurück, umringt von den Piraten, die sie hasserfüllt belauerten.
„Wir veranstalten jetzt zusammen eine kleine Party“, säuselte Blackbeard mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Dann wandte er sich wieder an seine Männer: „Worauf habt ihr Lust?“ Von allen Seiten stürmten laute Rufe auf ihn ein.
„Hängt sie!“
„Lasst sie uns kielhol’n!“
„Ohr’n abschneid’n!“
„Gegrillte Zeh’n!“
„Auspeitsch’n!“
„Schöne Vorschläge, meine Lieben!“, unterbrach Blackbeard das Geschrei. „Ich glaube, heute entscheide ich mich für …“ Er ließ seinen ausgestreckten Zeigefinger zwischen den Offizieren hin- und herschweifen und murmelte dabei leise einen Abzählreim. „Warte, warte eine Weile, bald kommt Blackbeard auch zu dir, streicht dich mit dem Hackebeile, und macht Fischfilet aus … DIR! Schön!“, grölte er. „Kielholen für den einen, und aus den Zehen von dem anderen Kerlchen machen wir heute Gegrilltes. Wie findet ihr das? Ist das nicht fein?“
Die Piratenmannschaft klatschte begeistert Beifall und schrie: „Nieder mit den Matrosenschindern! Dreht ihnen den Kragen um!“
Panisch flehten die beiden Offiziere die Piraten an, sie zu verschonen, doch sie wurden nur grob und unter wüsten Beschimpfungen zurückgestoßen. Blackbeard sonnte sich im Applaus und nahm wieder einen tiefen Schluck aus seinem Becher.
Benny verfolgte die Ereignisse mit wachsendem Entsetzen und fragte Will mit gedämpfter Stimme: „Kannst du mir sagen, was das zu bedeuten hat? Was heißt ,gegrillte Zehen‘?“
„Und kielholen?“, ergänzte Finn.
Wills Gesicht nahm einen versteinerten Ausdruck an. „Se werd’n dem arm’n Teuf’ln da brenn’nde Lunt’n zwisch’n de Zeh’n steck’n, sodass ’s Fleisch bis auf die Knoch’n durchgrillt. Der and’re kriegt ’n Seil um’n Bauch und wird unterm Kiel durchgezog’n. Wenn er dabei nich’ absäuft, verblutet er danach. Am Bauch von uns’rer Annie sitz’n nämlich ganz scharfe Muscheln, die einem die Haut vom Körper raspeln. Das is’ kielhol’n.“
Lena wurde aschfahl im Gesicht. „Das können die doch nicht machen! Das ist grausam! Dabei sehe ich nicht zu!“
„Lena …“, setzte Finn an und wollte seiner Freundin beschwichtigend die Hand auf die Schulter legen, doch Lena war außer sich und ließ sich nicht beruhigen.
Gerade band Bonehead-Bob dem Offizier, den Blackbeard für das Kielholen bestimmt hatte, ein dickes Seil um den Bauch. Der Offizier setzte sich dabei schreiend zur Wehr, sodass ihn drei weitere Männer festhalten mussten.
Da wurde es Lena zu viel. „Nein, das ist ja nicht auszuhalten“, heulte sie auf und preschte nach vorne.
„Nich’! Bleib hier!“, zischte Will ihr hinterher, doch es war bereits zu spät.
Wie eine Furie stürmte Lena auf Blackbeard zu und schrie ihn aus voller Kehle an: „STOPP! Sofort aufhören! Das ist Folter! “
Im ersten Moment riss Blackbeard erstaunt die Augen auf. Er musterte Lena von oben bis unten und runzelte dann die Stirn. „Wen haben wir denn da? Kenne ich dich?“
„Sie werden mich gleich kennenlernen! Ich bin schon lange Menschenrechtsaktivistin, und was Sie hier vorhaben, verstößt gegen alle Regeln der Menschlichkeit!“
Blackbeards Augen verengten sich zu Schlitzen, seine Lippen wurden schmal und sein Gesicht nahm eine dunkelrote Farbe an. Dann explodierte er. Er knallte seinen Becher zu Boden, packte Lena am Hals und zog sie dicht zu sich heran. „Niemand wagt es, dem großen Blackbeard ins Handwerk zu pfuschen, du Wurm“, fauchte er. „Wenn ich mit dir fertig bin, wird dich deine eigene Mutter nicht mehr erkennen, da kannst du dir sicher sein!“
Ohne zu überlegen jagte Benny nach vorne. „Lass Len… Lennard los!“
Finn kam sofort hinterher gerannt und hüpfte zittrig von einem Bein aufs andere, ohne genau zu wissen, was er eigentlich tun sollte.
Blackbeard ließ Lena zu Boden fallen, drehte sich dann ganz langsam zu Benny um und richtete seine stechenden schwarzen Augen auf ihn. Sein Blick brannte förmlich auf Bennys Haut. „Und du bist …?“, fragte Blackbeard eiskalt.
Benny blieb die Luft weg. „Benny … Benny Blu … Sir!“, krächzte er.
„Benny Blu also. Benny Blu, ich habe eine Frage an dich.“ Beiläufig setzte er Benny seinen Säbel auf die Brust und begann langsam und bedächtig Kreise zu malen. Benny spürte das Kratzen der scharfen Klinge durch das Leinenhemd auf seiner Haut. „Hat dir hier irgendjemand gesagt, dass du dich einmischen sollst? Na?“
Benny brachte keinen Ton heraus.
„Was? Ich kann dich nicht verstehen!“, schrie Blackbeard und hielt sich die linke Hand ans Ohr. „Seltsam. Jetzt bist du auf einmal stumm und gerade war dir doch noch so nach Plaudern zumute.“
Lena hatte sich inzwischen aufgerappelt. Blackbeard bemerkte sie im Augenwinkel, schnellte herum und richtete den Säbel auf sie. „Ihr beide scheint euch ja sehr gut zu verstehen. Was haltet ihr davon, wenn wir euch zusammenbinden und dann zu einem kleinen Paket verschnürt über die Planke gehen lassen? Mal sehen, wie lange ihr schwimmt.“ Ein begeistertes Raunen ging durch die Mannschaft.
„Nein! Bitte nicht!“, entfuhr es Finn entsetzt.
Blackbeard legte den Kopf erstaunt zur Seite. „Nanu? Hier kommt auch noch der dritte Freund. Ihr werdet ja immer mehr: Aber irgendwie kommt ihr alle mir überhaupt nicht bekannt vor. Jones?“
Der dicke Pirat mit dem Papagei auf der Schulter wieselte eilfertig herbei. „Ja, Sir?“
„Jones, was genau machen eigentlich diese drei Leichtmatrosen bei uns an Bord?“
„Keine Ahnung, Sir. Noch nie geseh’n:“
„Ich kenne diese Knaben auch nicht“, drängte sich Bonnet auf, während er sich mit seinem parfümierten Taschentuch die Schweißperlen aus seinem feisten Gesicht wischte.
Blackbeard fuhr sich über die Zöpfe in seinem Bart. „So, so. Dann gehören sie also zu Maynards Männern. Interessant, interessant. Wie Mariner seht ihr zwar nicht aus, aber ich denke, ihr solltet für euer freches Verhalten büßen. Wie wäre es, wenn ich euch unserem Bonehead-Bob für ein Viertelstündchen überließe? Ihm fällt bestimmt etwas Schönes für euch ein.“
Der tätowierte Glatzkopf grinste über das ganze Gesicht und wetzte entzückt zwei Messer aneinander. Finn zog erschrocken die Luft ein.
„Käpt’n, wenn ich was vorschlag’n darf …“, meldete sich Will schüchtern zu Wort und trat vor.
„Was willst du, Koch?“, knurrte Blackbeard. „Bring mich nicht zur Weißglut! Warum glaubt heute jeder, mir dreinreden zu müssen? Ich glaube, es wird mal wieder Zeit, einem von euch die Kehle durchzuschneiden, damit ihr nicht vergesst, wer ich bin.“
Will erstarrte und begann am ganzen Körper zu zittern.
„Na dann sprich schon, Koch!“, forderte Blackbeard ihn gereizt auf.
„Ich wollt’ nur anmerk’n, dass dieser Len… Lennard an Bord bei Maynard eb’nso Smutje war wie ich hier. Er hat’s mir g’rad erzählt, als ich die drei gefang’n genomm’n hab’.“
Blackbeard brach in lautes Gelächter aus. „Du hast sie gefangen genommen? Das soll doch wohl ein Witz sein, so eine jämmerliche Kombüsenschabe wie du.“ Auch die Piraten lachten. Doch Blackbeard beruhigte sich schnell wieder und wandte sich barsch an Lena: „Und du bist also auch Smutje?“ Lena nickte eifrig.
Will drängte sich vor sie, um sie aus Blackbeards Blickfeld zu nehmen, und redete scheu auf den Kapitän ein: „Sir, ich möcht’ vorschlag’n, dass mir dieser Lennard in der Kombüse hilft, Sir. ’S befind’n sich ja knapp dreihundert Mann an Bord und die kann ’n Smutje allein gar nich’ versorg’n.“
Blackbeard legte kurz die Stirn in Falten und meinte dann: „Na, dann soll das Bürschchen eben kochen. Ich hoffe für euch beide, dass das Essen dann endlich besser schmeckt. Sonst gibt’s nächste Woche Smutjeeintopf.“
„Arrr!“, grollte Bonehead-Bob enttäuscht. „Und was is’ mit den and’ren beid’n?“
Blackbeard gähnte gelangweilt und tat, als könne er sich gar nicht mehr an Benny und Finn erinnern. „Ach ja. Und was habt ihr beide in Maynards Mannschaft gemacht?“
„Ähm … wir … ähm … wir haben …“, stammelte Benny.
„Die war’n Maynards Gefang’ne“, kam ihm Will zu Hilfe. „Die sin’ Pirat’n wie wir. Maynard wollt’ se zum Gouverneur bring’n und hinricht’n lass’n.“
„Piraten? Ihr?“ Blackbeard rümpfte angewidert die Nase.
„Ja, wir sind Piraten, Wir kreuzen … äh … kreuz’n schon Jahrzehnte in all’n Weltmeer’n und ham schon viele hundert Schiffe überfall’n. In jed’m Haf’n wartet auch ’ne and’re Braut auf uns“, sprudelte es aus Finn heraus.
„Ich glaube den Knaben kein Wort“, mischte sich nun Bonnet wieder ein.
Unter den Piraten schwoll ein lautes Gemurmel an und Blackbeards Miene verfinsterte sich.
„Wollt ihr wirklich auf ein’n hör’n“, beeilte sich Will zu sagen, „der nach Süd’n segelt, wenn er nach Nord’n will?“
Die Mannschaft prustete los und auch Blackbeard konnte sich ein höhnisches Grinsen nicht verkneifen.
„Ja, Koch, da hast du recht. Auf solche Stümper“, er musterte Bonnet von oben herab, „sollte man nicht hören!“
Bonnet schnaubte erbost und plusterte sich auf, was ihn noch alberner erscheinen ließ.
„Trotzdem!“ Blackbeards Stimme war nun so scharf wie ein Peitschenhieb. „Solche Milchgesichter wie ihr sind doch keine Piraten!“
Benny schluckte und machte sich auf das Schlimmste gefasst.
„Vielleicht seid ihr unter der Flagge eines solchen Nichtskönners gesegelt, wie Bonnet einer ist“, mutmaßte der Kapitän boshaft.
Bonnet zuckte gekränkt zusammen und führte sein weißes Spitzentaschentuch zu den Lippen.
„Wer Pirat sein will, muss sich erst seine Sporen verdienen“, fuhr Blackbeard mit donnernder Stimme fort. „Ich lasse euch diese Gnade zuteil werden und gebe euch Gelegenheit dazu. Ich nehme euch in meine Mannschaft auf. Ihr könnt hier vorerst Matrosendienste tun. Ihr habt Glück, dass ich heute so gut gelaunt bin“, sagte er gnädig und wandte den Freunden den Rücken zu. Doch dann drehte er sich nochmal blitzartig um und zischte ihnen zu: „Aber erlaubt ihr euch auch nur den kleinsten Fehler, ziehe ich euch das Fell über die Ohren.“
Benny, Finn und Lena sahen sich entgeistert an, während Blackbeard die Augen zusammenkniff. „Auf was wartet ihr noch? LOS! An die Arbeit! Sofort!“ Dann setzte er ein teuflisches Grinsen auf. „Ich werde mich einstweilen unseren Gästen von der Royal Navy widmen.“ Er legte den Kopf einmal kurz nach rechts und nach links, dass es knackte und krachte, und ging dann auf die Gefangenen zu.
„Kommt! Schnell weg hier!“, flüsterte Will, packte die drei Freunde und zog sie mit sich fort.

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Tag der Veröffentlichung: 24.01.2011

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