Prolog
Eine tosende Masse von Menschen und Fabelwesen, gut und böse, stürzte aufeinander zu. Bis aufs Messer gerüstet krachten sie zusammen. In der Luft schwebten zwei Personen, die sich gegenüber standen. Die Rechte Person flog rasant auf die linke zu und dann kam ein Schnitt, eine andere Szene.
Es war dunkel. Nur wenige Fackeln erleuchteten einen niedrigen Raum. Eine Frau gebar ein Kind. Es schrie und wurde von anderen Frauen, in Tüchern eingewickelt, weg gebracht, in einem nahe liegenden Raum. Plötzlich erstrahlte ein blaues Licht und verschwand sogleich. Die Frauen waren plötzlich in heller Aufruhr, dann kam wieder ein Cut.
Es brannte dieses mal und in der Ferne sah man ein Mädchen, das von den Flammen eingeschlossen war. Ein dunkler Schemen kam auf ein schwarzes Pferd angeritten und schlug mit einem langen Schwert ihren Kopf ab…
Er wachte schreiend aus seinen wilden träumen, schweißnass, auf. Seine dünne Bettdecke klebte an seinem feuchten Körper, genau wie seine strohblonden Haare. Ihm war sehr heiß und sein Kopf fühlte sich so an, als würde er sogleich explodieren. Er warf sich in sein Bett zurück und dachte, wie immer, nach. Jede Nacht, jeden Tag und das seit zehn Jahren. Warum träume ich das…
Dann schlief er völlig erschöpft ein, bis er wieder schreiend ein paar Stunden später aufwachte…
Kapitel 1
Die ersten Sonnenstrahlen huschten über die weit entfernten Baumkronen. Dort war der Himmel zart rosa gefärbt, sonst war es noch recht dunkel. In der Stadt waren die ersten Menschen aufgebrochen um zur Arbeit zu fahren. Am Stadtrand gab es eine große Schule mit einem etwas abgelegenem Internatsgebäude. Alle Fenster waren dunkel, außer eines, das war schwach beleuchtet. Dieses Zimmer lag im letzten Stockwerk und gehörtem einem Jungen Namens Chris. Er saß, Oberkörper frei, an seinem Schreibtisch vor seinem Laptop und tippte auf ihm herum. Neben seinem Laptop stand ein großer Becher, der mit dunklem Kaffee gefüllt war und dampfte. Seine leichten Augenringen verrieten, dass er nicht gut geschlafen hatte und das seit Tagen.
Er chattete, denn dort konnte er wenigstens etwas abschalten und als Bonus verging die Zeit auch noch dabei. Chris war sehr vertieft dabei und vergaß schon fast die Zeit, die er so hasste. Seine Laptop Uhr zeigte 7:28 Uhr an. Mittlerweile war es auch schon richtig hell draußen. Er klappte ihn ohne weiteres zu, stand auf, streifte sein weißes Hemd schnell über, schnappte sich seine schwarze Umhängetasche und verschwand aus der Tür, die er hinter sich zu schmiss. Keine zwei Minuten später kam er genervt wieder, schnappte sich die blaue Krawatte, die verlassen über den Schreibtischstuhl hing.
„Ich komme schon wieder zu spät, scheiße!“, fluchte er unterwegs, als er die Treppen hinunter sprintete. Die Schiebetüren, die sich automatisch öffnen, öffnen sich nur dann, wenn man sich im Sensor bereich befindet, doch dieses mal war Chris so schnell, das der ihn nicht schnell genug erkannte und somit wäre Chris fast dagegen gerannt. Gut das er so dünn war…
Weiter im Eiltempo rannte er am riesigen Brunnen vorbei, dann in das Schulgebäude hinein, zwei Treppen nach oben, bog nach rechts ab und wäre fast mit einem Lehrer zusammen gestoßen. Völlig außer Atem, klopfte er an der Tür. Auf ein goldenes Schild stand die Zahl 106. Die Tür wurde geöffnet und eine sehr schlecht gelaunte Lehrerin schaute ihn an.
„Herr Vanel, Sie sind schon wieder zu spät. Was für eine Ausrede haben Sie dieses mal?“
„Hab verschlafen, weil mein Wecker nicht ging“, antwortete er recht kühl. Die Lehrerin seufzte. „Setzen und heute Nachmittag werden sie die ganze obere Etage säubern, als Strafe!“, ohne was zu erwidern setzte er sich neben ein Mädchen, das den Kopf leicht schüttelte.
„Was?!“, fragte er nervend.
„Langsam glaubt Sie es dir nicht mehr.“
„Na und…“, damit war er mit diesem Thema fertig. Der Unterricht war einfach nur schlecht und langweilig.
„Du hast nicht verschlafen, richtig?“ Chris blickte auf. Er hatte sich in der Cafeteria nach ganz hinten in die rechte Ecke gesetzt und sich einen kleinen Schutzwall mit seinen Laptop gebaut. Es war die erste große Pause, die es immer nach der dritten Stunde gab.
„Kira, du weißt, dass ich schlecht schlafen kann. Also, bitte… Lass mich damit in Ruhe.“
„Dann tu doch mal was dagegen.“
„Oh wie schlau von dir, was denkst du was ich mache? Ich habe alles mögliche ausprobiert, ich habe mich sogar schon zu gedröhnt und trotzdem kommen diese Träume, manchmal dann noch schlimmer. Man, wie viele Jahre muss ich diese Folter noch durchstehen? Weißt du, ich habe Angst zu schlafen… Aber das kannst du nicht verstehen. Und jetzt lass mich bitte damit in Ruhe.“
„Oh, ich wusste das doch nicht, du hast uns nie davon erzählt. So und damit du nicht mehr zu spät kommst, werde ich dich jetzt jeden Früh abholen kommen, ist das in Ordnung?“, fragte sie vorsichtig. Chris überlegte. Zu lange, denn es klingelte.
„Es ist mir egal, ob du mich abholst oder nicht“, sagte er gleichgültig zu Kira, als er an ihr vorbei ging. Sie blieb verwirrt zurück, folgte ihm dann aber.
Nach der Schule musste Chris putzen. Und zwar jeden scheiß verdammten Klassenraum auf der obersten Etage! Da es ab vier Uhr Nachmittags langsam dunkel wurde, musste sich Chris jetzt schon überall Licht an machen. Er fegte und wischte und merkte gar nicht dabei, dass das Licht in dem Raum wo er sich gerade befand, langsam dunkler und gelber wurde. Ab und zu flackerte es und es war still- zu still. Chris hörte auf. Er stellte den Besen an die Tafel, dann drehte er sich um, spitzte seine Ohren, dann hörte er aufeinmal ein Trommeln, das von ganz tief unten zu kommen schien. Bumm, bang, dumm, damm, bumm, bang, dumm, damm…
Bin ich jetzt ganz beschugge? Hier kann doch niemand mehr sein außer ich und meine Lehrerin. Was ist das?
Ein merkwürdiges flatterndes Geräusch war vor der Tür zu vernehmen, als würden aber Tausende Vögel vorbei fliegen.
Chris ging ein paar Schritte zur Tür, öffnete sie ein kleines Stück um sich zu vergewissern, dass er das Trommeln und das flatternde Geräusch sich wirklich nicht nur einbildete. Der Flur war verlassen und dunkel. Kein flattern war zu vernehmen. Was er nicht merkte war, dass sich eine schattenhafte Kreatur hinter ihm sein Unwesen trieb. Sie lachte ihn hämisch, aber stumm, an. Plötzlich verstummte das Trommeln und ein Fenster schlug heftig zu. Chris erschrak und drehte sich um. Er guckte fragend das Fenster an. Die Kreatur war verschwunden. Ich habe keines geöffnet… Was ist hier los, verdammt?
„Na, bist du bald fertig“, erklang eine Stimme hinter ihm. Chris fuhr wieder zusammen, drehte sich um und seufzte erleichtert auf.
„Ja, ist nur noch ein Zimmer.“ Kira war vorbei gekommen. Sie schaute Chris an.
„Ist irgendwas passiert? Du siehst so blass aus.“
„Was? Nein…nein, ist alles in Ordnung. Wenn ich dann fertig bin, komme ich dann zu dir, okay?“, sagte er etwas abwesend. Sie nickte nur und ihr Gesichtsausdruck verriet, dass sie sich Sorgen um Chris machte. Dann ging sie wieder.
Es war schon dunkel draußen. Auf einem Dach in der Stadt standen sich zwei Personen gegenüber. Man sah nur die Silhouette der beiden, durch den groß wirkenden Mond im Hintergrund. Sie sprachen miteinander, nicht zu laut, man könnte sie ja sonst hören.
„Was soll ich noch tun, Meister?“, fragte die rechte Person.
„Nicht so schnell. Bleib ruhig. Lass dir etwas spektakuläres einfallen. Es soll aufsehen erregen. Die Menschen sollen überlegen, was sie uns damals angetan hatten. Bitte, geh jetzt und denke daran, ich werde dich beobachten“, diese Stimme war ruhig, so als würde sie von einem erfahrenen, älteren Menschen stammen. Die rechte Person verbeugte sich und sprang in die Luft. In genau diesem Moment erschienen ihr Flügel, die sich ausbreiteten und ihren ersten mächtigen schlag machten. Im Flugwind flatterte sein Mantel.
„Mein Sohn, das war gut für heute“, flüsterte der zurück gebliebene.
Chris machte sich auf den Weg zurück zum Internat. Ihm ging es nicht mehr aus dem Kopf, was da gerade passiert war. Er weiß nicht ob es wirklich passierte oder ob es nur ein dummer Streich seines Gehirns war. Wahrscheinlich wird er es nie erfahren.
Das Internat war hell beleuchtet im Gegensatz zu draußen. Da war nur der Mond. Chris schlenderte ganz gemütlich den Weg entlang, dann hörte er wieder etwas flattern und rascheln. So, als würde jemand mit Flügeln schlagen. Er drehte sich zu allen Seiten, schaute nach oben- und sah nichts!
„Bitte nicht schon wieder!“, murmelte er genervt zu sich selber und beschleunigte seine Schritte. In einem Baum, auf einem dicken Ast in Chris’ s nähe, stand ein hoch gewachsener junger Mann und beobachtete ihn.
„Du bist also mein Bruder, ach wie niedlich…“, flüsterte er und beobachtete ihn weiter, bis er ins Internat verschwand.
„Dann werde ich mir mal was „spektakuläres“ einfallen lassen“, und er lachte dabei hämisch, dann schwang er sich wieder in die Lüfte.
„Herein!“, erklang eine gedämpfte Mädchen Stimme hinter der Tür. Chris trat ein und fand Kira an ihrem Schreibtisch sitzend vor. Kira ist die Beste Freundin von ihm. Sie hatte Schulter lange braune Haare und war recht klein, aber konnte sich immer wehren. Sie ließ sich ganz bestimmt nicht unterkriegen!
„Na du, machst was für die Schule, oder?“ Chris stellte seine Schultasche ab.
„Ja, bleibt mir nicht erspart. Und, ist bei dir alles in Ordnung? Du warst vor hin wirklich merkwürdig.“ Er seufzte und zog sich erst ein mal einen Stuhl zu sich, auf dem er sich verkehrt herum drauf setzte. Seine Arme packte er auf die Lehne, die zu Kira gerichtet war.
„Weißt du, das was ich heute früh zu dir gesagt hatte, dass war nicht so kühl gemeint wie ich es sagte, aber zur Zeit ist es wieder richtig schlimm mit den Träumen. Ich habe euch nie davon so richtig erzählt und um ehrlich zu sein, bereue ich das auch ein wenig. Langsam denke ich, ich bin bescheuert.“
„Wieso?“ , fragte Kira schon ein wenig entsetzt. Er seufzte wieder.
„Wo ist eigentlich Ryan? Ich habe den heute noch gar nicht gesehen.“
„Er dürfte bei seiner ach-so-tollen-Freundin sein. Seit dem er die hat, ist er wie aus gewechselt. Man sieht ihn kaum noch. Warum fragst du?“
„Wenn ich euch das schon erzählen möchte, dann sollte auch er dabei sein, oder?“
„Eigentlich hast du recht, aber was soll man machen. Erzähl es einfach, okay?“ Chris überlegte, er fand das gar nicht so toll, dass sein Bester Kumpel nicht dabei war. Kira hat recht, was soll ich da schon machen, außer ihr es zu erzählen. Sie wird es ihm schon sagen, denke ich…
„Also gut. Das mit den Träumen geht schon seit, ich weiß schon gar nicht mehr wie lange eigentlich. Ich habe sie jede Nacht, mal schlimmer, mal nicht so schlimm, aber in den meisten fällen, wache ich schreiend und schweißnass auf. Ich kann dagegen nichts tun. Dazu kommt noch, dass ich noch nicht ein mal weiß, wieso ich so etwas blödes träume. Meistens immer das gleiche. Es fängt mit einer Schlacht an. Keine Normale, sondern dort kommen aller Hand Fantasie Gestalten vor. Magier, Dämonen, Harpyien, Werwölfe, Engel, Feen und so weiter. Die ganze Palette… ach und Menschen. Das ist ja das Merkwürdigste. Was tun Menschen in einer Fantasie Schlacht?! Als nächstes sehe ich, wie eine Frau ein Kind gebärt und dieses in einem abgelegenen Raum kurz blau aufleuchtet. Weiter geht es damit, dass überall Feuer brennt und ein Mädchen davon eingeschlossen ist. Sie schreit um Hilfe und dann erscheint eine schwarze, reitende, schemenhafte Gestalt, die ihren Kopf mit einem Schwert abschlägt. Das war nur ein Beispiel, diesen Traum habe ich am häufigsten. Ich weiß einfach nicht wieso ich das Träume. Was bedeuten sie?“, fragte sich Chris hilflos und schaute Kira dabei an.
„Das ist… einfach nur schrecklich“, sie machte eine Pause und überlegte. Wir könne es ihm doch noch nicht jetzt sagen. Es wäre noch zu früh, aber er hat diese Träume aus längst vergangener Zeit und sie quälen ihn. Ich wünschte, ich könnte es dir alles erzählen. Kira schaute auf den Boden.
„Es ist sehr ungewöhnlich. Hört sich doof an. Ich meine wer, außer vielleicht kleine Kinder, träumt schon von Fantasie Gestalten und so. Leider gibt es keine Mittel dagegen. Chris, du tust mit leid. Also, ich will das nicht jede Nacht durch machen“, log sie.
„Mitleid ist das falscheste was du mir anbieten kannst. Ich will wissen, wieso? Dazu kommt jetzt noch, dass ich irgendwelche Dinge höre, die es so nicht geben kann. Vorhin, wo ich sauber gemacht hatte, da habe ich ein Geräusch gehört, dass sich anhörte, als würden tausende Vögel vorbei fliegen. Ich habe nach geschaut und da war, natürlich, nichts! Wie hätte es auch anders sein sollen. Oder plötzlich schlug ein Fenster zu, aber ich hatte keines geöffnet. Also, wie sollte das gehen?“, fragte er.
„Keine Ahnung. Chris, nimms jetzt nicht persönlich, aber gehe bitte mal zum Psychiater. Ich denke der kann dir da vielleicht mehr helfen, als wir dir hier.“
„Ich war bei dem schon, es kann mir wahrscheinlich niemand helfen. Damit muss ich mich einfach abfinden.“ Chris gab sich geschlagen.
„Jetzt mal nicht den Teufel an die Wand! Es wird irgendwann schon aufhören, denke ich. Auch wenn du das schon so lange träumst“, sie machte eine Pause, „Ich denke es ist besser, wenn wir jetzt über etwas anderes reden.“
„Über was denn? Weißt du, eigentlich bin ich müde. Ich werde nach oben gehen und versuchen zu schlafen“ Chris stand auf und brachte den Stuhl zurück. Kira folgte ihn mit ihren glasklaren, grünen Augen.
„Meinst du, das ist jetzt so gut, nachdem wir darüber geredet haben?“ Chris schaute sie mit einen nachdenklichen Blick an.
„Weiß nicht, aber vielleicht hat es ja auch geholfen“, damit ging er.
Auf dem Weg nach Oben, dachte Chris immer noch nach. Er schleppte sich mehr dahin, als das er ging. Er war auf ein mal so unglaublich müde geworden, dass es schon nicht mehr Normal erschien. Was er nicht wusste war, dass jemand in seinem Zimmer wartete.
Die letzte Treppe noch, er blickte dabei sehnsüchtig nach oben und sah schon die Tür seines Zimmers. Ihm war sehr unwohl und sah auch alles merkwürdig verschwommen. Ein heftiges Pochen machte sich in seinem Kopf breit. Jeder Schritt war eine Qual für ihn. Geschafft, und schloss seine Tür auf. Es war dunkel, nur der schwache Schimmer des blauen Lichtes vom Mond drang durch das Fenster. Chris suchte den Schalter, der an der linken Seite sich befand, drückte drauf, doch es geschah nichts. Kein Licht ging an. Er seufzte. Ihm ging es scheiße und er wollte einfach nur ins Bett. Wieso muss ausgerechnet jetzt das Licht nicht gehen?! Moment mal, im Flur brennt Licht… Was ist hier schon wieder los?
„Hallo?“, fragte Chris in die Dunkelheit hinein. Es war still und doch merkte man, dass irgendwas da war. Am Fenster stand jemand. Chris nahm die Gestalt nur verschwommen wahr.
„Hallo? Wer… wer sind Sie?“ Der Pochende Schmerz in seinem Kopf wurde plötzlich noch heftiger. Er kniff seine Augen vor schmerz zusammen. Ein Sog von unsichtbarer Energie schubste Chris in sein Zimmer und die Tür schlug heftig zu, doch man hörte kein Ton dabei. Jetzt war er ganz allein mit dieser unbekannten Person in diesem Zimmer, keiner könnte ihn hören, wenn er um Hilfe schreien würde. Gefangen in seinem denkbar sicheren Zimmer. Chris konnte gerade so erkennen, dass die Person mit dem Rücken zu ihm stand und da war noch etwas, was er nicht erkennen konnte.
„Wie sind Sie hier herein gekommen?“, fragte er vorsichtig. Die Person lachte leise und hämisch.
„Durch das Fenster“, lautete die kurze Antwort. Die Stimme war männlich, jung und wohlklingend. Fenster? Das kann doch nicht gehen, dachte sich Chris, es sei denn er kann Fliegen. Das ist es! Das sind Flügel… Der junge Mann drehte sich um und er hatte eine rot leuchtende Kugel in den Händen. Das Zimmer wurde jetzt in ein rötliches Licht getaucht. Chris konnte, durch das Licht, den jungen Mann auch besser erkennen. Er hatte längere schwarze Haare, einen langen schwarzen Mantel, mit merkwürdigen Zeichen an und Flügel. Schwarze Flügel, die schon fast mit seinem Körper verschmolzen.
„Hast du schmerzen?“, fragte er mitfühlend Chris und grinste.
„Du bist es, der mir das an tut, oder? Wer bist du?“ Chris konnte plötzlich wieder klar denken. Auf einen mal waren das Pochen in seinem Kopf und alles andere weg. Der junge Mann kam ganz nah an Chris heran geschwebt und stand ihm jetzt sehr dicht gegenüber. Chris sah in sein Gesicht. Er hatte eine leichte Narbe über dem rechten Auge.
„Erkennst du mich denn nicht? Ich bin dein Bruder. Gabriel, der jenige, dem du den Thron weggeschnappt hast. Der jenige, von dem ich diese Narbe habe und der jenige der wegen dir auf die dunkle Seite gewechselt ist, um das wieder zu bekommen, was mir zu steht!“ Chris blickte ihn verwirrt an. Er hatte doch keinen Bruder und was sollte überhaupt der ganze Quatsch?!
„Soll ich dir ein wenig auf die Sprünge helfen? Anscheinend hast du alles vergessen, seit dem du hier lebst.“
„Was willst du von mir? Ich kenne dich nicht!“, antwortete Chris böse, „Und ich habe auch keinen Bruder! Hau ab und lass mich in Ruhe!“ Anscheinend riss der Geduldsfaden von Gabriel.
„Na gut, du willst es anscheinend nicht kapieren. Dann halt so!“ Die rot leuchtende Kugel, die er immer noch in der Hand hielt wurde jetzt türkisgrün und verformte sich auch. Es waren jetzt mehrer Ringe die ineinander hingen und herum wirbelten. Als das Geschah wurde die Ringkugel auch gleichzeitig größer. Gabriel ging einen Schritt nach hinten und ließ die Kugel so groß werden, bis Chris darin gefangen war. Chris schaute um sich und konnte noch gar nicht realisieren, was da gerade mit ihm geschah. Sein angeblicher Bruder grinste wieder.
„Und jetzt, da ich dich gefangen habe, werde ich mir holen, was mir und meinem Vater zu steht!“ Gabriel streckte seine rechte Hand aus und wie aus dem nichts erschien eine grünlich schimmernde Sense mit einem beeindruckenden Sensenblatt.
„Was hast du vor?!“ Chris schaute ihn entsetzt an. Er verstand einfach nicht was hier gerade geschah. Au man, was soll ich nur tun? Aus dem Ding hier komm ich eh nicht raus. Verdammt! Wieso immer ich!, überlegte Chris. Langsam stieg Panik in ihm auf. Er guckte noch einmal um sich, doch er entdeckte einfach nichts, was ihm helfen könnte. Sein Herz schlug schneller.
„Hey! Bitte, ich habe dir nichts getan!“, flehte Chris, „Und wenn doch, dann tut es mir unendlich Leid. Sag, was kann ich tun, damit du aufhörst?“
„Du kannst nichts tun. Es sei denn, du stirbst freiwillig.“ Freiwillig sterben? Ist der Irre?
„Wofür denn? Was habe ich denn getan?“
„Wofür? Du Checkst echt gar nichts. Du bist wirklich erbärmlich. Ich will deinen Herzenkristall und zwar sofort!“ Gabriel riss seine Sense nach oben und sie fuhr so gleich nach unten, Richtung Chris’ s Herz. Dann kam ein blauer Blitz. Alles war für wenige Sekunden in weißes Licht getaucht. Und es war still.
Kapitel 2
Was war das?!, Kira schreckte hoch. Sie musste wohl am Schreibtisch eingeschlafen sein. Doch etwas helles hatte sie wach gemacht und somit schaute sie aus dem Fenster, welches sich gleich beim Schreibtisch befand. Über ihrem Zimmer lag das von Chris und aus dessen Fenster kam dieses grelle, weiße Licht, was sie wach gemacht hatte. Dann wurde es wieder dunkel. Nur ein leichter grüner Schimmer war zu vernehmen, wenn man ganz genau hin gucken würde. Kira sprang sofort auf, um zu Chris zu eilen. Was hat er denn schon wieder angestellt? Den kann man auch echt nicht eine Sekunde alleine lassen.
Sie riss ihre Tür auf und lief zur Treppe, nahm mehrer Stufen auf einmal, um schneller nach oben zu kommen. An der Tür von Chris angekommen, wollte sie sie gleich aufmachen, doch es ging nicht. Deshalb pochte sie heftig gegen die Tür. „Chris? Chris! Mach die Tür auf“, doch es kam keine Antwort.
Gabriel und Chris standen völlig benommen da. Immer noch geblendet von dem Licht, dass aber schon wieder weg war. Zwischen ihnen stand ein Katzen ähnliches Tier. Es hatte orangenes und gelbes Fell, das ein merkwürdiges Muster verzierte. Es knurrte böse Gabriel an. Das Gefängnis in dem sich Chris befunden hatte, war verschwunden, genau wie die Sense von Gabriel. Trotzdem schimmerte das Zimmer grünlich. Winzige Funken schwebten in der Luft. Chris war wie verzaubert. Es pochte an der Tür heftig und eine bekannte Stimme, die auch Gabriel kannte, erklang und rief Chris’ s Namen. Die Katze hörte auf zu knurren und lauschte auch der Stimme.
Chris drehte sich um, dann schaute er zu Gabriel. Der blickte ihn völlig genervt an. Er ließ die Tür auf gehen. Kira blickte verwundert in das Zimmer. Vor ihr stand Chris. Hinter ihm die Katze und dahinter Gabriel, der finster drein Blickte.
„Kea? Gabriel? Was macht ihr denn hier?“, fragte sie verwirrt. Die Katze namens Kea meldete sich zu erst: „Gabriel hatte versucht von Avis den Herzenkristall an sich zu nehmen, ich konnte es zum Glück noch verhindern. Beinahe wäre er drauf gegangen“, dabei hatte er zu Chris genickt. Chris verstand natürlich gar nichts. Eine Katze die sprechen kann und auch noch Kira kennt. Irgendwie war er hier im falschen Film. Das ist doch bestimmt alles nur ein Fake. Kira seufzte.
„Gabriel, ich an deiner Stelle würde sofort verschwinden. Sonst platzt mir hier gleich der Kragen! Und das meine ich ernst! Hau ab“, das hatte sie ganz deutlich gesagt.
„Tse. Wir werden dich schon noch kriegen, Avis“, damit verschwand er in tausender kleinen lilanen Kugeln.
„Geht doch“, sagte Kira zufrieden und machte erst ein mal Licht an, ging in die Küche und setzte Wasser auf. Chris war völlig ruhig, er kapierte das alles noch nicht ganz, was in der letzten Stunde passiert war. Kea war Kira gefolgt.
„Komm her“, befahl Kira Chris ruhig. Er ging zu ihr und setzte sich an seinen Küchentisch. Es war still, keiner sagte was. Kea schnurrte.
Kira wartete bis der Wasserkocher klick machte und goss in zwei Tassen das Wasser hinein, wo sich Teebeutel darin befanden. Dann setzte auch sie sich zu Chris.
„Du…du hast bestimmt einige Fragen, denke ich…“, begann sie mit ruhiger Stimme und vorsichtig.
„Ja, ich kann das immer noch nicht alles… du weißt schon.“
„Das verstehe ich. Wo soll ich anfangen? Bei Kea, er gehört mir. Hast du vielleicht schon mit bekommen.“ Chris nickte zustimmend.
„Er kommt aus dem Land Mythica, das in der Welt Yatacana liegt. Früher wussten die Menschen das es diese Welt gibt, doch es geriet in Vergessenheit.“
„Warum?“, fragte Chris tonlos.
„Nun ja, es gab mal ein Krieg zwischen Menschen und den dort lebenden Fantasie Wesen“, sie machte eine Pause um etwas von ihrem Tee zu trinken, „Das ist aber schon sehr lange her und wird schon lange als Mythos abgestempelt. Wie dem auch sei. Vor achtzehn Jahren gab es wieder ein Krieg. Dort wurdest du Geboren, mittendrin. Deshalb träumst du auch von solchen Sachen.“
„Das heißt ich lebe eigentlich in dieser Welt? Aber wieso bin ich dann hier? Auf der Erde“, langsam fing Chris an zu begreifen und zu überlegen.
„Nun wie soll ich das sagen?“
Kea mischte sich ein: „Du wirst unbemerkt, bis jetzt, von einer Person namens Vadin verfolgt, weil du etwas hast, das unglaublich wertvoll und mächtig ist.“
„Mein Herzenkristall, richtig?“
„Ja, wenn Vadin, er ist ein schwarzer Magier, ihn bekommen sollte, und dafür müsste er dich töten, dann würde er so viel Macht auf ein mal besitzen, dass er die ganze Welt damit ins Chaos stürzen könnte. Und nicht nur Yatacana, sondern auch die Erde. Um dich vor Vadin zu schützen, wurdest du hier auf die Erde gebracht.“
„Danke Kea, ich erzähle weiter“, er nickte, „Ich und Ryan sind mit dir hier her gekommen, weil wir dich eigentlich beschützen sollten. Ging ja bis vor kurzem ganz gut, doch passt man ein mal nicht auf, schon wird man ausgetrickst. Achso, das wichtigste haben wir ja fast vergessen. Halt dich fest, du bist ein Prinz und nicht irgendeiner, sondern eine Engel Prinz und du heißt Avis. Gewöhn dich schon mal an deinen neuen Namen. Ich bin übrigens Yara und Ryan ist Lyonel. So, und da du ja jetzt alles weißt, können wir dich auch gleich nach Hause bringen. Dein Vater wartet seit siebzehn Jahren auf diesen Moment. Man ich bin so aufgeregt!“ Chris war völlig überrascht und konnte darauf nichts sagen. Kira erzählt da so einfach das er anders heißt, wo anders wohnt und sogar ein Prinz ist! Das ist eindeutig zu viel aufeinmal.
„Ääh, sag mal heißt das, wenn ich einen Vater habe, habe ich auch eine Mutter, oder?“
„Hmm, ja schon“, fing Kira zögerlich an, „aber deine leibliche Mutter ist von Vadin im Krieg noch umgebracht worden. Du hast so gesehen eine Stiefmutter, dass ist übrigens die Zwillingsschwester deiner richtigen Mutter. Deine richtige Mutter heißt Serenity und die Zwillingsschwester, also deine Stiefmutter, Sirenity und sie sieht ihr auch verwechselnd ähnlich, ist halt bei Zwillingen so. Ich hoffe, dass wir dir es gut bis jetzt erklären konnten. Hast du noch fragen?“
„Du hast gesagt, dass wir nach Mythica gehen werden, aber wie?“
„Ganz einfach, es gibt versteckte Tore, sie wurden bei dem Krieg mit den Menschen damals dann versiegelt, aber eines wurde wieder geöffnet. Es befindet sich hier auf dem Schulgelände, im Park. Dort können wir durch gehen.“
„Aha, und was ist mit meiner Welt hier? Ich meine die werden uns doch vermissen.“
„Nein, ich werde einen Zauber an wenden, der uns aus den Gedanken der anderen löscht, genau wie alle anderen Dinge, also Akten und so. Du hast richtig gehört. Ich kann zaubern, denn ich bin Kampfmagierin. Und zur vollständigkeitshalber, Lyonel ist ein Dunkelelf. So, ich werde jetzt zu Lyonel gehen und ihm alles erzählen, was gerade so passiert ist. Kea, kannst du hier bleiben? Ich denke, dass Vadin sonst wieder versucht an Chris ran zu kommen.“
„Ja, kann ich machen.“
„Gut, dann sehen wir uns morgen, Avis.“ Kira stand auf, genau wie Chris auch. Sie gingen zur Tür und verabschiedeten sich durch umarmen. Dann ging Kira.
Jetzt war Chris mit Kea alleine. Er beobachtete Kea und stellte fest, dass er eigentlich eher einem Luchs ähnelte, als einer Katze.
„Du bist also Kea.“
„Ja.“
„Und was bist du? Ich meine ich habe noch nie einen Luchs gesehen, der orangenes und gelbes Fell hat.“ Sie gingen wieder zurück in den Ess-Schlafbereich. Chris setzte sich auf seine Couch die sich dort auch befand.
„Oh, ich bin ein magisches Tier, na ja, eigentlich bin ich ja ein Mensch, dass heißt ich kann mich in Tiere verwandeln, aber nur in bestimmte, wie dem Luchs oder dem Phönix. Um nur einige zu nennen. Und in der Welt von Yatacana sehen viele Tiere anders aus, als die, die du hier kennst. Dort ist sowieso alles viel farbenfroher und lebendiger, als hier. Früher sah die Erde auch viel hübscher aus, aber seit dem die Tore verschlossen sind, hat sich alles geändert, auch die Farben der Tiere. Du wirst erstaunt sein, das kann ich dir sagen.“
„Wow, ich kann mir das alles noch nicht vor stellen. Hätte das mir vor einer Stunde jemand erzählt, dann würde ich sagen, dass er spinnt. Aber jetzt…“
„Du wirst sehen, es wird dir gut tun, dort zu leben. Ich denke, es wäre besser, wenn du jetzt schlafen würdest.“
„Ja, ich bin auch müde und völlig fertig. Dann bis morgen, gute Nacht.“
„Gute Nacht, mein Prinz“, und Kea verneigte sich. Chris ging zu seinem Bett und zog sich schnell um. Als er so darin lag, das Licht ausgemacht hatte, ließ er noch einmal alles sich durch denn Kopf gehen. Ich kann das alles noch nicht fassen. Ich bin ein Prinz, dann schlief er völlig ruhig ein.
Chris kam am frühen Morgen aus dem Bad. Er hatte noch nie so gut geschlafen, wie in dieser Nacht. Er wünschte es wäre immer so gewesen. Und Kea wartete schon auf ihn in der Küche, die rechts von ihm lag. Er ging, mit nur einem weißen Handtuch um den Hüften, zum Kühlschrank und holte sich Orangen Saft heraus.
Dann stutzte er.
„Ähm, sag mal, wenn du eigentlich ein Mensch bist, wieso bist du dann immer noch ein Luchs?“ Von Kea kam so was wie ein lachen.
„Ich bin halt gerne ein Luchs. So lebt es sich einfacher, als wenn ich ein Mensch sein würde, hmm, eigentlich bin ich ja kein ganz normaler Mensch, irgend so ein misch Wesen, wenn man es ganz genau nimmt.“
„Okay, möchtest du auch was trinken?“
„Ja, Wasser wäre ganz in Ordnung.“ Chris suchte sich einen tiefen Teller aus dem Schrank und füllte ihn mit klarem, kalten Wasser.
„Hier, bitte.“ Kea stürzte sich fast darauf. Er muss wirklich durstig gewesen sein, stellte Chris in Gedanken fest, Wieso hatte er nicht einfach gefragt?
„Wieso hattest du nicht gefragt, wenn du so durstig bist?“ Kea schaute von seinem Teller hoch.
„Man stellt einem Königlichen Mitglied keine Fragen, man beantwortet sie nur. So wird es einem Beigebracht, wenn man Diener ist und man wiederspricht nicht, es wird so gemacht, wie es einem Befohlen wird.“
„Oh, bei mir ist es egal, ich kenne die Regeln nicht, ich fühle mich auch nicht wie ein Prinz. Also bei mir kannst du machen was du willst, zumindest wenn keiner von den anderen dabei ist, okay?“ Kea überlegte und blickte Chris dabei tief in seinen Augen.
„Gut, abgemacht, aber da ich eh die meiste Zeit mit Yara zusammen bin, wird es kaum eine Gelegenheit dazu geben. Übrigens, sie wird gleich klopfen“, und er trank weiter. Prompt klopfte es an der Tür. Chris schaute überrascht zu Kea und dann zur Tür. Wow, woher wusste er das nur?, fragte sich Chris und lief zur Tür.
„Guten Morgen!“, riefen Ryan und Kira freudestrahlend. Beide standen in Sommerklamotten vor Chris. Ryan ist ein ziemlich großer, schlanker, kräftiger junger Mann und hatte kurze dunkle Haare. Sie traten ein und unterwegs zur Küche fing Ryan gleich an zu reden.
„Man, du hast ja gestern was durch gemacht, alter. Wie geht’s die heute?“
„Ganz gut, nein prima. Ich habe noch nie so gut geschlafen, wie diese Nacht. Das war einfach nur herrlich. Nun gut, ich werde mich anziehen gehen und dann werden wir los gehen, oder?“
„Ja, ich hoffe du freust dich. Es ist wirklich schön dort. Achso, zieh dich nicht zu dick an, in Mythica ist es gerade Sommer“, antwortete Kira.
„Deshalb seid ihr so Sommerlich angezogen.“
„Ja, los mach, ich bin so aufgeregt.“
„Ach Mensch Kira, hör auf damit, du machst ihn damit nur nervös“, ermahnte Ryan sie.
„Ist ja schon gut.“ Chris ging zu seinem Schlafbereich, der mit einem Vorhang abgetrennt war und wandte sich seinem Schrank auf der rechten Seite zu. Mit einem schlichten weißen Achselhemd und einer dunkelblauen kurzen Hose, die an den Seiten weiße Ränder hatte und einen dunkelblauen Streifen , kam er zurück.
„So, ich bin fertig. Meinetwegen können wir los“, kaum hatte er es ausgesprochen, schon stand Kira auf.
„Kira“, sagte Ryan mit tiefer, fester ermahnender Stimme.
„Ryan, ich war schon seit Ewigkeiten nicht mehr in Mythica, ich freue mich halt nur unglaublich. Verstehe das doch.“
„Ist jetzt egal. Na dann, los. Chris, genieße die letzten Minuten hier auf der Erde.“
„Das werde ich.“ An der Tür ließ Chris ein letztes Mal seinen Blick durch seine Wohnung streifen, dann schloss Chris die Tür. Sie liefen den ganz gewöhnlichen Weg, den sie sonst jeden Tag genommen hatten, nur bogen sie nach links ab, als sie am Brunnen vorbei kamen. Der Parkeingang war mit roten Rosen bewachsen, den konnte man nicht verfehlen. Der Weg war mit einem bunten Teppich aus Blättern belegt. Auf der linken Seite sah man den kahlen, großen Teich. Chris war kalt, er hatte vergessen, sich wenigstens eine dünne Trainingsjacke rüber zu ziehen. Hoffentlich bekam er keinen Hitzeschlag in Mythica. Kira blieb an einer fast nicht sichtbaren Kreuzung stehen.
„Hier müssen wir lang. Man sieht den Weg kaum noch. Ist wahrscheinlich auch besser so“, sie zeigte nach rechts, dort wo kahle Büsche sich befanden.
„Da müssen wir durch?“, fragte Chris.
„Ja, komm“, antwortete Ryan, der vor ging. Es raschelte und knackte. Dann traute Chris seinen Augen nicht. Nahe an einem großen, alten Baum, der mit Efeu überwuchert war, stand ein ebenfalls überwuchertes Portal. Schon halb eingefallen, aber es stand noch.
„Man sieht es gar nicht vom Weg, wie geht das?“
„Dieser Bereich kann nur von uns Yatacanern gesehen werden oder von Menschen, die auserwählt wurden, durch solch ein Tor zu gehen, doch das ist eher selten“, erklärte Kea. Chris nickte und ging jetzt näher zu dem Tor. Kira und Ryan standen schon davor. Kira überprüfte etwas.
„Ah, da ist es.“ Sie berührte einen Stein, der in der Mitte einen blauen, verblassten Edelstein besaß. Doch kaum hatte sie ihn berührt, fing er an zu leuchten. Dies geschah mit noch vier anderen Steinen, dann öffnete sich das Tor mit einer Milchigweißen Substanz, von der man ein Magisches Geräusch hörte.
„Es ist bereit. Wir können gehen. Lyonel, geh du als erster und dann du Kea, okay?“, beide nickten verständnisvoll. Lyonel, wie ja Ryan wirklich hieß, ging durch das Tor und verschwand, als wäre das das normalste auf der Welt, dann folgte Kea.
„So, jetzt bist du dran, Avis. Viel erfolg!“ Chris stand dem Tor etwas misstrauisch gegenüber. Er hatte ein merkwürdiges Gefühl in der Magengegend. Es war Aufregung. Yara nickte in die Richtung des Tores, als Chris sie noch einmal anschaute, dann machte er seinen ersten Schritt in Richtung Mythica. Ein Glücksgefühl durchfuhr ihn, als er auf der anderen Seite wieder heraus kam und prompt auf den Weißgekachelten Boden hin fiel. Lyonel und Kea lachten, als sie das sahen und schon kam Yara nach. Sie wäre beinahe auf Chris getreten.
„Whoa, Mensch, du kannst doch nicht einfach so hier herum liegen“, sagte sie nicht ernst gemeint. Chris war völlig platt. Er schaute die anderen fragend an.
„Wieso bin ich hingefallen?“, fragte er völlig platt.
„Das ist die Anziehungskraft. Sie ist hier etwas stärker, als auf der Erde“, alle, außer Chris, der blickte nach oben, drehten sich um. Das hatte ein wunderschöner Elfenmann gesagt, der von einer weißen Säule hervor trat. Er hatte langes, silberweißes Haar, welches fast in sein ebenfalls weißes Gewand überging. Seine kristallblauen Augen strahlten richtig. Er schmunzelte, als er Chris dort liegen sah.
„Willkommen in der Welt von Yatacana, mein Prinz“, und er verbeugte sich leicht. „Ich bin Cyriac, ein Berater eures Vaters und das Oberhaupt der Elfen, Elben, Feen und Waldgeister. Nun versucht auf zu stehen. Euer Körper müsste sich langsam daran gewöhnt haben.“ Chris guckte ihn mit runzelnder Stirn an. Er fühlte sich immer noch so, als würden drei Elefanten auf ihn sitzen. Also wie sollte er dann aufstehen? Trotzdem versuchte er es. Erst ganz langsam und dann ging es plötzlich super schnell. Er stand da, wie als würde er es nicht glauben, stehen zu können, als wäre es unmöglich und dann lachte auch er.
„Man, das ist wirklich ein merkwürdiges Gefühl, aber es geht.“
„Super, dann können wir dir ja gleich zeigen wie wir wirklich Aussehen!“, rief Yara plötzlich und freute sich riesig. Chris schaute sie verwirrt an. Ihm ist erst jetzt aufgefallen, dass Yara und Lyonel eine ganz andere Haarfarbe haben. Yara’s Haare waren hellgrün mit honigblonden Spitzen und Lyonel’s waren lang und dunkellila, schon fast schwarz. Vorne hatte er eine lange, Magenta Farbene Strähne und seine Ohren waren länger, spitzer geworden. Sie sahen jetzt schon unglaublich aus! Hatte er sich etwa auch verändert? Das war anscheinend erst ein mal unwichtig, denn kaum hatte Yara fertig gesprochen, schon erschien um ihren Körper ein dunkelblauer Kreis, der nach oben hin in kleinen Kugeln sich auflöste. Sie sah ganz anders aus.
„Aaah, habe ich diese Klamotten vermisst! Und, wie sehe ich aus?“, fragte sie Chris Augenzwinkernd. Dieser war völlig überwältigt. Yara hatte eine dunkelbraune Korsage und einen dazu passenden Rock an. Dann trug sie dazu noch einen hellen Umhang, auf dem dunkelblaue, helle Zeichen zu sehen waren. Es sah sehr magisch aus. Ihre Schuhe bestanden aus Leder und waren gebunden.
„Wow, das bist doch nicht wirklich du, oder?“
„Doch, das ist sie. Wie sie leibt und lebt“, antwortete Lyonel daraufhin lächelnd. Auch er hatte sich verändert. Er hatte ein enges, armloses, leicht bräunliches Oberteil an. Seine Arme waren muskulös, genau wie sein ganzer Körper eigentlich durch trainiert war, und er trug eine dunkle Hose, die nur bis zu dem Knieen gingen, von da an hatte er gepanzerte, dunkellilane Stiefel an. Über der Hose befand sich so was wie ein Rock, der vorne offen und hinten zu war, er reichte bis zu den Schuhen, die Farbe war ein beige und über diesem Rock war noch einer, der aber ganz gerade und überhaupt keine Falten hatte. Er schien Lederartig und besaß eine merkwürdige Farbe, blaulila. Von seinen Schultern gingen noch zwei dünne Bänder nach hinten ab, die dann unten ein schwarzes, kunstvolles Schwert hielten. Er sah einfach umwerfend aus.
„Au Mann! Bekomme ich auch solch coole Klamotten?“, fragte Chris total begeistert.
„Ja, aber erst einmal werden wir dir Zeigen, wo du dich hier eigentlich befindest. Das ist nur ein kleiner Teil, von dem was gleich kommen wird“, versprach Yara. Chris oder besser Avis schaute sich das erste mal ganz bewusst um. Sie befanden sich auf einem runden, aus weißen Platten bestehenden Platz, der mit zwei riesigen Säulen begann, von da an war ein Sandpfad. Um den Platz herum waren grüne Sträucher und verschiedene Bäume, darunter auch Palmen. Hinter Avis war das noch offene Portal, das vor sich hin waberte. Der Sandpfad führte zu einem großen, Tempelartigen Gebäude, das nicht sehr weit weg schien.
Kea ging vorne weg, dann folgte Cyriac, Yara, Avis und Lyonel als letzter. Es war angenehm warm und eine leichte Briese wehte, ohne die wäre es wahrscheinlich unerträglich gewesen. Dieses Tempelartige Gebäude war auf eine Anhöhe gebaut worden von der man bis zum Meer blicken konnte, welches sich vom Horizont bis zur rechten Seite erstreckte.
„Das Meer was du dort siehst heißt Tosende See, aber es ist eigentlich die meiste Zeit ruhig. Es gibt dort viele Strudel. Nichts für lernende Kapitäne“, erklärte Yara und zeigte dabei darauf. Avis nickte. Der Weg ging leicht Bergab und bald hatten sie auch den Tempel erreicht. Dieser war aus weißem Gestein gebaut worden und hatte viele Säulen, nach den Säulen kam ein Gang und danach fing erst das Haus an. Avis erinnerte das an Griechenland. Kea hielt vor einem Brunnen an, aus dem glasklares Wasser sprudelte. Dieser Brunnen stand vor dem Haus und man konnte direkt in das Tal schauen, wo sich eine riesige Stadt befand. Cyriac drehte sich zu Yara, Avis und Lyonel um. Sein Blick galt aber in erster Linie Avis. Er sprach mit ruhiger aber beherrschter Stimme.
„Mein Prinz, das ist mein Haus und meine Stadt. Sie heißt Sorilios“, er zeigte dabei auf das Tal, wo sich weiße, mediterrane Häuser erstreckten. „Ich hoffe Sie haben einen angenehmen Aufenthalt. Entschuldigen Sie mich jetzt, ich muss meinen Verpflichtungen nach gehen. Yara, Kea und Lyonel kennen sich bestens hier aus“, er verbeugte sich und ging nach rechts, folgte den Gang und verschwand dann hinter dem Haus. Avis schaute Yara aufmerksam an.
„Was machen wir jetzt?“, fragte er, nachdem Yara nichts sagte.
„Hmm, ich glaube, wir werden dir erst ein mal was ordentliches zum Anziehen besorgen. Die Sachen die du an hast, passen hier ganz und gar nicht rein“, sagte sie mit einem lächeln, dann wandte sie sich zu Lyonel. „Weißt du noch wo wir das Geld hin gepackt hatten?“
„Ja, es müsste noch auf unserem Zimmer in dem einen Schrank sein. Das habe ich dir doch weiß ich wie oft gesagt gehabt.“
„Mensch, ich war doch schon so lange nicht mehr hier gewesen. Da habe ich das vergessen. Kann doch passieren.“
„Als Magierin vergisst du auch nicht deine Zaubersprüche, oder?“ Yara knurrte Lyonel an. Da war ein Streit vorprogrammiert.
„Pah, das ist doch auch was anderes!“, antwortete sie trotzig.
„Hey Leute! Hört auf. Das ist doch jetzt unwichtig. Lyonel, du holst das Geld. Kea, Yara und ich laufen schon mal vor, ist das in Ordnung?“, ging Avis dazwischen.
„Mm, ja, ich geh“, antwortete Lyonel genervt noch von dem kleinen Streit. Au Backe, wenn dass die ganze Zeit so geht, dann halte ich das nicht aus, ging es Avis durch den Kopf. Lyonel machte eine Glastür auf und verschwand im Haus. Avis guckte zu Yara.
„Was ist?“, zischte sie ihn an.
„Nichts. Gehen wir?“
„Meinetwegen. Folge mir.“
„Hatte ich dir nicht gesagt, du solltest dir was spektakuläres einfallen lassen!?“, schnauzte Vadin Gabriel grollend an. Dieser guckte unberührt und kalt. Die Halle, in der sie sich befanden, wurde nur von wenigen, bläulich flackernden Fackeln erhellt und obwohl es draußen helllichter Tag war, war es eher dunkel.
„Ich musste die Gelegenheit nutzen, die mir mein Bruder geboten hatte“, antwortete er kühl, „Leider ist dieser dämliche Kater dazwischen gekommen. Wenn der nicht gewesen wäre, dann hätten wir das, was uns zu stünde.“
„Mir zu stünde!“, verbesserte ihn Vadin donnernd und haute mit der Faust auf die Lehne seines schwarzen, kunstvollen Throns, „Gabriel, ich muss dir nicht sagen, dass du nach meiner Pfeife zu tanzen hast, oder? Das nächste mal, wenn du mir nicht gehorchst, dann weißt du was passiert.“ Vadin schaute mit seinen gelblichen Augen in Gabriels dunklen und hob seine rechte Hand, öffnete sie und eine kleine Explosion folgte. Gabriel wendete seinen Blick ab, es war Zeit zu gehen. Du machst das eh nicht wahr, Vater, dachte er sich, als er auf den Absatz kehrt machte und die lang gezogene Halle verließ, du brauchst mich noch… Vadin schaute Gabriel finster nach. Es hatte ihm überhaupt nicht gepasst, was da sein Sohn gemacht hatte. Was fiel ihm ein, ohne ihn zu fragen, einfach seinen Bruder an zu greifen! Man kann ihm auch echt nichts alleine lassen machen! Vadin überlegte seinen nächsten Schachzug.
Nächstes mal kommst du mir nicht so einfach davon, das verspreche ich dir, mein Prinz…
Kapitel 3
Die Stadt war mit fröhlichem Leben erfüllt. Überall waren die verschiedensten Leute und Wesen zu sehen. Es wurde hier und dort getratscht und das neueste herum erzählt. Die Luft war erfüllt mit einem ständigem Geplapper, dass man von links und rechts hörte, dort wo die Stände der Händler standen und ihre Waren anboten. Das war ein ganz gewöhnlicher Tag in Sorilios!
Avis folgte Yara und Kea schnurstracks die ganzen Ständen entlang, denn Yara steuerte eine ganz bestimmten Laden an, der recht im verborgenen lag, zumindest würde man ihn als Neuling nicht sofort finden, so ganz ohne fremde Hilfe. Es war natürlich ein Sachen Laden und dieser, das konnte Avis erkennen, verkaufte qualitativ hochwertige Sachen!
„Hallöchen, Djendjen! Na, lange nicht mehr gesehen, was?!“, sprach Yara sofort ein Mädchen in ihrem Alter an, dass mit dem Rücken zu ihr stand. Djendjen drehte sich um und traute ihren Augen nicht. Da stand tatsächlich einer ihrer Besten Freundinnen vor ihr! Sie freute sich riesig und umarmte sie sofort.
„Oooh, das ist nicht wahr! Yara, was machst du denn hier? Wo warst du denn die ganze Zeit? Ich habe dich echt vermisst.“ Djendjen hatte schokoladen Farbige Haut, ihre Haare waren creme-beige und sonst sah sie eigentlich ganz normal aus. Sie hatte nur einen türkis farbigen BH und eine ebenfalls türkise, puffige Hose an. An ihrem rechten Oberarm war ein goldener, breiter Reif befestigt.
„Ganz ruhig. Ich war eine Zeit lang in der Menschenwelt und musste unseren Prinzen beschützen. Hat sich immer hin gelohnt“, dabei guckte sie zu Avis. Djendjen blickte ihn eher misstrauisch entgegen.
„Das ist doch nicht Prinz Avis. Ich habe ihn mir schon anders vorgestellt. Größer, kräftiger und vor allem älter.“ Yara seufzte.
„Djendjen, er hat doch noch gar nichts gemacht. Er weiß gerade mal, vielleicht 16 Stunden das er überhaupt ein Prinz ist und ach egal. Ich brauch ein paar vernünftige Klamotten für ihn. Irgendwas abenteuerliches, was halt zu uns passt.“ Ihre Augen fingen an zu leuchten. Das ist ihr Themen Gebiet: Klamotten!
„Ja klar, wieso sonst wärest du hier. Lass mich mal dich an schauen.“ Djendjen holte aus ihrer braunen Gürteltasche ein Maßband heraus und fing an Avis zu vermessen, von Kopf bis Fuß. Avis konnte gar nichts erwidern. Als sie fertig war, guckte sie zufrieden.
„Hast du irgendeine Vorstellung? Bestimmte Farbe oder so?“
„Nein, mir ist alles recht, aber es sollte schon bequem sein. Das ist das einzigste.“ Sie nickte und verschwand in einem hintern Abteil, das man von vorne nicht so sah.
„Ist sie immer so?“, fragte Avis Yara.
„Ja, das ist Djendjen. Ich kenne sie gar nicht anders. Immer fröhlich, nie schlecht gelaunt und ihr macht es riesig spaß hier zu arbeiten. So, da kommt sie. Macht dich auf was gefasst!“ Djendjen kam mit einem Korb voller verschiedenster Klamotten an. Diese überragten sie fast. Sie blieb weiter hinten stehen, stellte den Korb ab und winkte Yara und Avis zu sich.
„Soo, du gehst da mal rein und ich gebe dir die Klamotten durch diese Klappe hier“, sie schubste Avis fast in die Kabine und zog einen schweren, roten Vorhang davor. Jetzt nahm sie die ersten gestapelten Sachen vom Turm und legte sie in die Klappe. So ging es fast ein ein halb Stunden. In der Zwischenzeit war auch Lyonel dazu gekommen. Dann endlich hatten sie das richtige Outfit gefunden und alle waren damit glücklich, sogar Avis! Er hatte mit erschrecken festgestellt, dass seine geliebten schmutzig wirkenden blonden Haare nun gänzlich tief blond waren und seine Augen hatten ein schönes, kräftig leuchtendes blau bekommen. Nun trug er, wie vorher nur in schwarz, ein Achselhemd, dann eine lange, creme farbene Hose, die an den Seiten in der Mitte einem rot-braunen Streifen, der noch ein Zickzack Muster besaß. Djendjen hatte ihm versichert, dass man in dieser Hose nicht schwitzt, weil es doch draußen so warm war. Die Schuhe waren schwarz-braun und fest. Gemacht für eine Wanderung. Als Schmuck hatte er einen braunen Doppelgürtel, der über kreuz ging und eine silberne Kette mit zwei überkreuzten Flügeln.
„Au Mann, du siehst richtig, richtig gut aus. Wirklich“, sagte Lyonel zu Avis zufrieden.
„Ja, mir gefällt es auch. So und wie viel kostet der ganze Spaß?“, und wandte sich zu Djendjen.
„Hmm, weil du der Prinz bist, ein Sonderpreis von nur 500 978 Lycks.“ Das war wie ein Schlag mitten ins Gesicht! Yara, Kea, Lyonel und auch Avis staunten nicht schlecht. Lyonel räusperte sich.
„Djendjen wir haben nicht so viel Geld hier. Wir werden uns kurz mal beraten, okay?“
„Ist kein Problem.“
Alle vier standen etwas abseits und berieten sich flüsternd.
„Ich würde vorschlagen, dass Yara schnell mal von dir ein bisschen Geld holen geht“, sagte Lyonel und nickte dabei zu Avis.
„Ich besitze Geld hier?“, fragte dieser ungläubig.
„Ja, sogar ne ganze Menge. Du bist Prinz und dein Vater hat ein bisschen vorgesorgt. Für solche fälle halt“, antwortete Lyonel daraufhin.
„Okay, dann werde ich zur Bank gehen. Bin gleich wieder da“, und schwupps war Yara weg! Avis wurde immer wider überrascht heute.
„Sie ist Magierin, da kann man so was halt“, bemerkte Kea, als er Avis überraschtes Gesicht sah.
„Okay, ich denke ich werde mich daran gewöhnen.“ Keine fünf Minuten später, war sie wider da und hielt eine etwas größere rote Box in den Händen. Yara lächelte, ging zu Djendjen, die hinter einer Theke stand und sich mit einem älteren Mann unterhielt. Sie hielt inne, als Yara auf sie zu kam.
„So, das stimmt so, wie es da drinnen ist. Es sind 501 000 Lycks. Danke für diese tolle Beratung, Djendjen.“
„Nichts zu danken, eigentlich müsste ich mich ja bei euch bedanken. Egal, ihr müsst weiter, oder?“
„Ja, wir wollten Avis ein bisschen hier die Gegend zeigen.“
„Ich wünsche euch viel Spaß dabei.“ Yara bedankte sich und ging zu ihrer Truppe.
„Wir können los.“
„Okay, dann werde ich mal ein wenig den Reiseführer spielen“, sagte Lyonel und ging voran. Der Rest folgte ihm. Sie verbrachten den restlichen Tag damit, Avis die Stadt Sorilios und seine Besonderheiten zu zeigen. Wahrscheinlich werden sie nie wieder so eine wundervollen, lustigen Tag erleben. Die Sonnen ging langsam unter und die ersten Laternen gingen an. Yara, Lyonel, Avis und Kea überquerten gerade den Fluss, der durch Sorilios floss und waren auf den Weg zum Haus von Cyriac, welches sich ja auf einer Anhöhe befand und auch schon beleuchtet war.
Oben angekommen, merkten sie erst ein mal, dass sie völlig fix und fertig waren. Sie wollten nur noch ins Bett eigentlich.
„So, ich will echt nichts mehr machen. Ich bin völlig platt“, sagte Avis schlapp und ließ die Arme vom Körper hängen.
„Jetzt hab dich nicht so. Du weißt ja gar nicht, was du noch alles durchstehen musst. Egal, es reicht für heute. Komm, wir zeigen dir noch dein Zimmer“, antwortete Yara daraufhin. Sie gingen ins Haus und wurden von Cyriac herzlich empfangen. Das Haus war auf den ersten, leider müden Blick, trotzdem sehr schön. Eine breite, durch das Licht, gelblich leuchtende Treppe führte in die oberste Etage. Dort waren die Zimmer für Gäste und den Arbeiterinnen von Cyriac. Cyriac selbst wohnte ganz oben.
Das Zimmer von Avis war sehr groß und in der Mitte stand ein ebenfalls großes Bett. Da hatten bestimmt drei Personen platz! Auf der linken Seite gab es einen Balkon auf dem auch einige Pflanzen standen. Avis wurde gleich alleine gelassen. Er machte sich Bettfertig und schlief auch dann sofort friedlich ein.
Am nächsten Morgen wurde Avis friedlich von den ersten Sonnenstrahlen und dem Vogelgezwitscher geweckt. Er zog sich seine neuen Sachen an, als wäre das das normalste. Jetzt startete sein zweiter Tag in Mythica! Was wohl auf ihm zu kommt? Avis ging aus dem Zimmer und traf so gleich Yara und auch Lyonel an. Kea schnurrte und schlich um Yara’ s Beine herum.
„Guten Morgen!“, begrüßte Yara ihn fröhlich.
„Morgen Yara, Kea und Lyonel.“ Sie standen an der breiten Treppe.
„Hast du gut geschlafen?“, fragte Yara Avis, als sie die Treppe hinunter gingen. Von rechts kam Cyriac langsam angelaufen. Er hatte wieder ein fließendes, helles Gewand an. Er lächelte.
„Hm, ja, besser als hier kann man wohl nicht schlafen“, antwortete Avis zufrieden. Sie wurden von Cyriac wieder herzlich empfangen.
„Wollt ihr mir folgen? Es wurde für euch ein Frühstück vorbereitet. Der Tag wird sicherlich anstrengend für euch. Da muss man wenigstens ordentlich gefrühstückt haben.“ Die vier folgten Cyriac in eine große, helle, weite Halle, was daran lag, dass auf der linken Seite sich fast nur große Fenster befanden. In der Mitte stand eine lange, reichlich gedeckte Tafel. Von dem Essen was dort stand, hätte locker drei Riesen satt werden können! Sie kamen von links in den Saal hinein und am Ende standen fünf goldene, hochwertige Stühle, die reich verziert waren. Hinter jedem Stuhl stand ein junger Elfenmann. Alle hatten die gleiche Kleidung an: ein weiß-silbernes Hemd, darüber eine smaragdgrüne Weste, eine weiße Hose und dunkel grüne Halbschuhe. Traditionell hatten alle Elfenmänner lange Haare, diese waren mit einem mintgrünen Band zusammen gebunden. Cyriac, Lyonel, Yara, Kea und Avis nahmen platz und alle, außer Cyriac, waren überwältigt von der Vielfalt des Essens.
„Nun esst. Lasst es euch schmecken“, forderte er sie freundlich auf. Sie guckten sich gegenseitig an und dann fingen sie auch an zu essen. Es hatte sich einfach keiner getraut an zu fangen.
Nach kurzer Zeit waren alle satt. Cyriac guckte auffordernd zu Avis hinüber.
„Mein Prinz, ich habe noch ein Geschenk für dich.“ Er klappte mit den Händen zwei Mal und zwei weitere junge Elfenmänner erschienen. Sie liefen neben einander. Der linke trug ein rotes Kissen auf dem sich eine braune Tasche befand und der rechte trug auf einem ebenfalls roten Kissen ein Schwert. Beide blieben vor Cyriac stehen, der sich erhoben hatte. Avis, wie die anderen auch, standen auf. Cyriac nahm als erstes das Schwert aus der Scheide. Es war lang und filigran gearbeitet. Man erkannte feine Linien, die sich auf dem Schwert hinauf schlängelten, bis in die Spitze. Sie waren golden. Der Griff war wie ein Schlangenkopf geformt. Das ganze Schwert strahlte eine magische Aura aus.
„Das ist eine elbische Klinge. Sie wurde aus dem härtesten Material hergestellt und mit Magie versetzt. Sie soll dir in der Not helfen.“ Er steckte es wieder in die Scheide zurück. Selbst die war mit feinen, goldenen Linien bestückt und am Ende befand sich eine goldene Spitze. Cyriac übergab das Schwert an Avis. Er nahm es dankend an und hielt es vorsichtig in den Hände. Dann wandte sich Cyriac dem zweiten Elf zu. Er nahm die braune Umhängetasche herunter und gab sie Avis. Der wusste gar nicht was er plötzlich mit dem Schwert machen sollt. Lyonel band ihm es um die Hüften und schüttelte den Kopf.
„Dort wird alles nötige Proviant drinnen sein, für deine lange Reise nach Angelostopia.“
„Reise? Was denn für eine Reise?“ Avis drehte sich zu Yara und Lyonel und schaute sie fragend an.
„Das haben wir dir noch nicht gesagt. Du musst alleine bis nach Angelostopia, deiner Geburtsstadt, reisen. Übrigens ist sie auch die Hauptstadt. Dort warten deine Eltern“, antworte schließlich Yara. Avis war völlig baff! Er war gerade mal einen richtigen Tag in Mythica und sollte gleich nach Angelostopia reisen und dann auch noch alleine! Wer weiß wo diese doofe Stadt liegt.
„Ich soll was?! Das ist nicht euer ernst! Ich gehe keinen Schritt alleine da raus ohne euch“, er zeigte dabei nach draußen.
„Jetzt beruhige dich. So weit ist der Weg gar nicht. Und wir werden dir bevor du los gehst, noch einige Dinge bei bringen. Also, du siehst, es kann dir nichts passieren.“
„Yara, ich werde nie lebend da ankommen, egal was ihr mir beibringen zu versucht. Und was heißt bei euch nicht weit?“
„Wenn du gut bist fünf bist sechs Tage Fußmarsch.“
„Ich habe mich doch verhört, oder?“ Jetzt ging Lyonel dazwischen.
„Avis, du machst diese Reise und das ist das Beste. Dort kannst du einige nützliche Dinge lernen. Und wehe du erwiderst jetzt was!“, drohte ihm Lyonel.
„Schon gut“, er gab sich geschlagen und ließ die Schultern hängen. In der Zwischenzeit waren die jungen Elfenmänner, die die Geschenke gebracht hatten, abgetreten.
„Wenn das nun geklärt ist, dann würde ich sagen, dass ihr mit dem Training von Prinz Avis anfängt. So kann er heute Nachmittag schon los gehen“, schlug Cyriac Yara, Lyonel und Kea vor. Sie stimmte dem etwas zögerlich zu.
„Komm, Avis. Wir zeigen dir erst einmal den Weg auf einer Karte und dann wird dich Lyonel in die Kampfkünste einweisen. Danach bin ich und Kea mit der Magie dran“, erklärte Yara ihm. Sie gingen aus der Halle nach hinten raus, dann durch einen blau schimmernden Gang. Es folgte eine dunklere, gewölbte Halle. An der Decke war so was wie ein Sternen Himmel zu sehen und an der linken Wand sah man eine riesige von Handgemalten Karte, die Mythica und ein Land namens Asgard zeigte. Oben im Norden gab es noch ein Land, aber Avis konnte die Schrift nicht gut erkennen.
Lyonel fing an zu erklären: „So, das ist Mythica, wie du siehst und lesen kannst“, er zeigte auf einen Bereich auf der linken Seite der Karte, „Und das ist Asgard. Dort leben die abtrünnigen Wesen, Dämonen, Kobolde und so weiter. Außerdem befindet sich dort auch das Schloss von Vadin, Shakkura“, er deutete auf einen größeren Punkt mit einem schwarzen Schloss. Darüber stand in goldenen Lettern Shakkura. Es befand sich nordöstlich.
„Die Kaskadha-Kette teilt die Länder. Es ist ein mächtiges und gefährliches Gebirge. So, kommen wir nun zu deinem Weg. Er fängt hier in Sorilios an“, Lyonels Arm zeigte jetzt in den südwesten, dort war Sorilios, nahe an der Tosenden See. Von da an war ein hauchdünner Weg ein gezeichnet, den Lyonel mit dem Arm nach zeigte, Richtung Norden.
„Am ersten Tag musst du es schaffen bis nach Sinphonia. Von da an bis nach Porto Toru. Ich sag dir, das ist eine tolle Stadt. Dann nach Großriesen. Bis dahin dürften, wenn alles gut gegangen ist, drei bis vier Tage vergangen sein. Dein Weg führt dich weiter nach Baumwipfel. Diese Stadt ist was besonderes. Dort leben alle Bewohner auf Bäumen. Von da an, geht’s dann Richtung Angelostopia. Einen Tag wirst du brauchen, dann bist du da“, endete Lyonel und schaute Avis dabei an. Ganz glücklich sah er aber nicht aus.
„Toll, was soll ich dazu noch sagen? Du hast gesagt, dass ich bis nach Sinphonia einen ganzen Tag brauche, dann kann ich aber am Nachmittag nicht los gehen, weil ich dann mitten in der Nacht dort ankommen würde.“
„Richtig, deshalb gehst du ja auch morgen früh los. Ich weiß, dass Cyriac sagte, dass du heute Nachmittag los gehen könntest, aber das wollen wir dir nicht zu muten, außerdem brauchen wir Zeit um dir das Kämpfen und den Umgang mit Magie bei zu bringen.“
„Puh, da fällt mir schon ein Stein vom Herzen, wirklich. Wisst ihr was, ich bin gespannt was ihr mir gleich beibringen werdet. Also, was stehen wir hier noch rum? Kommt, zeigt mir wo wir lang gehen müssen“, plötzlich fühlte Avis sich richtig super und obwohl er es nicht zu geben würde, er freut sich auf die Reise. Voller Tatendrang ging Avis ein paar Schritte voraus und blieb dann stehen und drehte sich um.
„Kommt ihr? Ich weiß nicht wo wir hin müssen.“ Lyonel, Kea und Yara waren überrascht, dass Avis Stimmung sich so plötzlich geändert hatte. Dann lachten sie und gingen voraus.
Es war dunkel und ein modriger Geruch hing in der Luft. Der Boden war feucht und schleimig. Eine kleine Person ging mit einer Fackel einen niedrigen Gang entlang. Sie war in einer ganz normalen schwarzen Kutte gekleidet. Ihm kam ein warmer Luftstrom entgegen, ein Zeichen dafür, dass er gleich da sein wird. Seine Schritte hallten den Gang wieder und nach einer rechts Kurve erschien weiter hinten der orange flackernde Ausgang. Nur noch wenige Minuten und dann werden SIE erweckt. Der alte Mann zitterte leicht vor Aufregung jetzt und trat aus dem Gang hinaus. Vor ihm kam eine weite, große, hohe Halle zum Vorschein. An den steinernen Wänden lief glühender Magma in dünnen Strähnen herunter und auf dem Boden befanden sich hier und dort Magma Pfützen- es war unerträglich heiß. Weiter hinten befanden sich sechs mächtige Drachen Skulpturen, die in einem Kreis standen. In der Mitte war noch eine weitere, größere Skulptur. Auf den Rücken der Drachen saßen je eine vermummte Person. Der Mann schlug die Kapuze zurück, die er trug. Vadins Gesicht kam zu Vorschein. Er ging voller Aufregung zu den Drachenreitern und lachte schämisch vor sich hin und blieb vor dem in der Mitte stehenden Drachen stehen.
„Ja, endlich. Seit Dreihundertjahren ruht ihr hier unten und jetzt werdet ihr wieder gebraucht. Es gibt was zu tun, meine Lieben.“ Aus eine Tasche hatte er ein Stück rote Kreide heraus genommen und zeichnete einen großen Doppelkreis auf den Boden auf, der dann schließlich zu einem Pentagramm vervollständigt wurde. In ihm hinein wurden noch einige Symbole gemalt. Dann schlitzte sich Vadin den Unterarm auf. Das dunkelrote Blut lief an seinem Arm hinunter. Er nahm die Kreide und führt sie zum Blut. Er schreib mit seinem Blut in den Doppelkreis eine Formel hinein. Vadin stellte sich vor dem Kreis hin und hob seine Arme, konzentrierte sich und sprach die Formel, die er gerade in den Kreis hinein geschrieben hatte, erst murmelnd und dann immer lauter werdend. Er wiederholte sie immerzu. Die Zeichen im Pentagramm fingen an rot zu glühen. Sie tanzten in der Luft um die Drachen herum. Jetzt fing die Erde an zu beben. Mit lauten Krachen zersprungen die versteinerten Mäntel der Drachen und von deren Herren ab. Ein ohrenbetäubendes Kreischen durchfuhr die Halle, welches von den Drachen stammte. Endlich waren SIE wach! Vadin lachte und freute sich, was er dort geschaffen hatte. Obwohl Vadin ihnen nichts befohlen hatte, machten sich die sieben Drachenreiter von Shakkura auf den Weg. Sie kannten nur ein Ziel: Avis!!
Avis saß auf einer grünen Wiese und wartete auf Lyonel, der etwas holen musste. Yara wartete auf ihn in einem magischen Garten. Einige bunte Schmetterlinge flogen umher, so als würden sie fange spielen. Nun hatte Avis endlich mal etwas Zeit um nach zu Denken. Vor zwei Tagen hatte Yara ihm alles erzählt. Dass er ein Engel ist, dass er in einer ganz anderen Welt lebt, dass ein verrückt gewordener, Macht gieriger Mann es auf ihn abgesehen hat und das Beste er ist ein Prinz! Wie kann man das noch Toppen? Es war wirklich viel in letzter Zeit passiert. Kaum vorstellbar, aber doch Realität. Trotz der vielen neuen Umständen ging es ihm sehr gut. Avis drehte sich um und Lyonel kam gerade angelaufen, in den Händen trug er etwas großes, Zusammengewickeltes. Er lächelte und als er in der Nähe von Avis war, hockte er sich hin und legte das Zusammengewickelte auf den Rasen.
„So, dann wollen wir dir mal ein wenig über die Waffen aufklären.“ Lyonel schlug das Bündel auf und zum Vorschein kamen einige Waffen. Als erstes nahm er einen Dolch in die Hand.
„Das hier, wie du siehst, ist ein Dolch. Ich denke da brauche ich nicht viel zu sagen. Er ist leicht im Umgang, aber nimmt nicht so viel Schaden, wie ein Schwert. Trotzdem kann er dir in manchen Dingen sehr hilfreich sein“, er packte ihn weg und nahm jetzt eine kleine Axt, „Die Axt gibt es in verschiedenen größen, genau wie Schwerter und Bögen. Sie ist schwer und nicht so leicht zu Handhaben. Man braucht ne menge Übung um mit ihr gut um zu gehen. Wenn man aber erst ein mal weiß wie sie ein zu setzten ist, kann man sich auf sie verlassen. Genau wie auf das Schwert“, jetzt nahm er das Schwert in die Hand, „Von allen Waffen, würde ich sagen, ist sie einer der Besten. Man kann nach wenigen Stunden gut mit ihr umgehen. Schwieriger sind, wie deines, magische Schwerter, aber darauf werde ich zurück kommen, wenn wir nachher Trainieren.“ Lyonel packte es weg und wickelte die Waffen wieder ein. Er stand auf, Avis tat es ihm gleich.
„So, einige habe ich nicht hier. Das ist der Bogen mit den Pfeilen und der Kampfstab. Zum Bogen kann ich nur sagen, dass er sehr präzise ist und wenn man viel übt, eine sehr gute Waffe sein kann. Nimm dich in acht, sag ich nur und auch die die mit einen Stab auf die zu kommen, solltest du nicht unterschätzen. Meistens werden sie von Magiern eingesetzt. Stäbe sind sehr leicht zu Handhaben. Ja, mehr kann ich dazu nicht sagen. Hast du noch fragen?“ Lyonel schaute Avis ins Gesicht.
„Nein, du hast das gut erklärt. Jetzt weiß ich, worauf ich achten muss.“
„Gut, dann werden wir ein wenig mit dem Schwert üben.“ Avis stimmte zu und zog sein Schwert.
„Nein! Ich wollte dir erst ein paar grundlegende Dinge sagen.“
„Oh, okay“, und steckte es wieder weg. Lyonel grinste.
„Also, wichtig ist, dass du richtig stehst. Du musst standfest und beweglich sein. So hier am Besten.“ Lyonel nahm eine Schritt Position ein. Die beiden Beine waren nicht weit von einander entfernt.
„Die Beine dürfen nicht zu weit entfernt sein. Das ist eine wirklich gute Position, der Oberkörper kann sich frei bewegen und trotzdem steht man fest. Mach mal nach.“ Avis stellte sich genauso hin, wie Lyonel und es stimmte tatsächlich!
„Das sieht gut aus, gut man kann da nicht viel falsch machen.“
„Stimmt.“
„Wenn du dein Schwert in der Hand hältst, dann immer mit beiden Händen. Hast du verstanden? Das ist wichtig.“ Avis bejahte es.
„Gut, wenn du mit dem Schwert angreifst, dann, dass ist das zweit wichtigste, immer von oben. Zumindest ist es am Anfang wichtig. Ich mache es ein mal vor“, er zog sein Schwert blitzschnell und vollführt mit Leichtigkeit die Bewegung in der Luft. Avis war ein wenig überrascht.
„Okay? So sollte meist der erste Schlag sein, wenn man dazu Zeit hat. Jetzt darfst du das mal nach machen.“ Avis zog sein Schwert und hatte ein wenig mühe es nach oben zu befördern. Es war ganz schön schwer, obwohl es gar nicht so danach aussah. Er ließ es nach unten sausen.
„Du musst Spannung in deinen Armen haben, sonst wird es kein guter Schlag. Noch einmal“, es dauerte nicht lange und Avis hatte es gut drauf.
„In Ordnung. Sieht schon besser aus. Du lernst wirklich schnell. So, dann wollen wir mal dir das nächste bei bringen.“ Lyonel und Avis übten den ganzen Vormittag Drehungen und alle möglichen Schläge mit dem Schwert. Als kleine Prüfung, nach einer kurzen Pause, musste Avis gegen einen elfjährigen Jungen kämpfen, der ein gutes stück kleiner war als er selbst. Yara war auch gekommen um zu zu schauen. Dann ging es los. Sie standen sich gegenüber und schauten sich in die Augen. Der elfjährige Junge kam auf Avis zu gerannt und machten auch den ersten Schlag, den Avis vor seinen Körper mit dem Schwert parierte. Sie ließen ab und Avis versuchte einen Schlag von unten, den aber dieses mal der Junge parierte. Avis drückte das Schwert des Jungen weg und vollführte eine Drehung, aber in dem Moment strauchelte der Junge und fiel rücklings hin. Avis Schwertspitze zeigte auf die Brust des elfjährigen. Das war zwar keine Meisterleistung, aber er hätte gewonnen. Yara und Lyonel klatschten trotzdem. Lyonel war schon ein bisschen stolz auf seinen Schüler.
„Das hast du ganz gut gemacht. Dafür, dass du heute erst angefangen hast zu lernen und du noch nie vor her ein Schwert in der Hand hattest, alle Achtung.“ So viel Lob war Avis nicht gewohnt. In seinem früheren Leben war das immer das Gegenteil von Lob was er bekam, obwohl er so schlecht nicht in der Schule war. Er errötete ein wenig.
„Danke. Wisst ihr was, ich habe Hunger. Mächtigen Hunger“, sein Magen Knurrte heftig und alle lachten.
„Na dann wollen wir mal was essen gehen. Ich glaube Cyriac hatte auch schon was Vorbereiten lassen“, antwortete Yara daraufhin und sie machten sich auf den Weg zu Cyriacs Haus.
Nach den Essen, welches wieder großartig war, führte Yara Avis in den magischen Garten. Dieser befand sich ein Stück vom Haus entfernt, versteckt in einem kleinen Wald. Es war dort herrlich kühl und von irgendwo her vernahm man ein leises plätschern von Wasser. Der Garten war umringt von großen, grauen Steinen und in der Mitte befand sich Steintempel. Alles war ringförmig angelegt. Im Garten gab es die verschiedensten Blumen- und Kräuterarten. Sie gingen zu dem Steintempel, der von weitem gar nicht so groß aussah, aber wenn man näher ran kam in Wirklichkeit riesig erschien. In der Mitte des Tempels war ein magisches Zeichen gemalt worden. Dieser ganze Ort war ruhig und von einer seltsamen Energie gefüllt.
„Okay, wie du siehst und weißt, ist das hier der magische Garten von Sorilios. Als Magier, egal welche Art, kommt man mindestens ein mal in seinem Leben her und zwar dann, wenn man seine Abschlussprüfung in der Magierakademie in Regenbogental gemeistert hat. Für dich hat man eine Ausnahme gemacht. Hier kann man sich am Besten konzentrieren. Auf seinem Atem, seine Energie, die durch deine Adern fließt und deine Gedanken. Als erstes musst du lernen, ruhiger zu werden. Das ist das A und O der Magie. Ohne innere Ruhe geht gar nichts. Komm, wir setzten uns mal hin. Mach es dir bequem und horche in deinen Körper hinein. Lasse alles los und sei eins mit der Natur. Schließe deine Augen und atme ruhig. Ein. Aus. Ein. Aus.“ Das ging einige Minuten so und es war sehr entspannend. Avis war wirklich ruhiger geworden.
„Du machst das gut. Manche brauchen für solch eine simple Übung mehrere Wochen.“
„Ehrlich? Kann ich mir gar nicht vorstellen“, sagte Avis ungläubig.
„Ja, aber das ist nicht schlimm. Jetzt möchte ich dir etwas über die Elemente bei bringen. Es gibt fünf Hauptelemente: Feuer, Wasser, Luft, Boden und Elektrizität. Und es gibt dann noch zwei, die nicht zu den Elementen gezählt werden, weil sie nicht materiell sind. Das sind Licht und Schatten. Diese hat jeder in sich. Jeder hat Licht und Schatten Energie, nur bei vielen ist eines ganz besonders stark ausgeprägt. Bei dir und mir sind es Licht und bei Lyonel Schatten. Schatten ist nichts böses, wie viele denken. Jedes Element kann zum guten oder zum bösen gewendet werden. Wenn man grund auf gut ist, dann sind auch deine Elemente und Energien gut. Andersherum ist es genau das Gegenteil. Hast du das bis jetzt verstanden?“
„Ja, du erklärst das wirklich sehr gut. Bist du Lehrerin?“
„Danke, aber nein ich bin keine Lehrerin. Weißt du, wenn man das von klein auf an jeden Tag vorhersagt bekommt, dann prägt sich so was ein. Und das was ich dir hier sage, ist das Grundprinzip der Magie. Wer das nicht versteht, der hat schon am Anfang verloren und wird dann ein Chaosmagier oder so was“, sie lächelte und fuhr fort, „Die Magie kann man vielfältig anwenden. Aber was nützt es dir, wenn du nicht weißt was für ein Element du noch hast, außer Licht? Gar nichts. Du kannst zwar jedes Element ein wenig anwenden, doch man hat eines in sich, welches besonders ausgeprägt ist und welches man auch fördern muss.“
„Wie bekommen wir raus, welches bei mir besonders ausgeprägt ist?“, fragte Avis interessiert.
„Gib deine Hände. Ich werde es erfühlen. Du musst nur ganz ruhig sein, langsam atmen und deine Augen schließen. Okay?“
„Okay.“ Yara nahm die Hände und schloss ihre Augen um sich auf Avis Körper und deren Energie zu konzentrieren. Sie machte eine kleine Reise durch Avis Körper. Voller erstaunen entdeckte sie ein loderndes Feuer in der Buchmitte. Yara öffnete ihre Augen und ließ die Hände los.
„Ich hätte nicht gedacht, dass ich das vorfinde, aber nun gut, es ist so. Du bist ein Feuertyp.“
„Cool, aber wieso hast du damit nicht gerechnet?“
„Meistens bestimmt man durch die Elemente den Charakter eines Menschen. Und Feuer passt irgendwie überhaupt nicht zu dir, weil du kein bisschen Temperamentvoll bist oder hitzig. Okay, schnell ausrasten tust du. Ist ja auch egal. Feuer ist schwierig, aber man kann es sich halt nicht aussuchen. Ach übrigens, deine Energie, die du in dir hast, ist immens groß. Liegt wohl auch an deinem Herzenkristall. Ich kann dir nur zwei Magie Attacken des Bereichs Feuer beibringen, die du mühelos lernen wirst. Für die anderen bist du noch zu unerfahren. Des weiteren werde ich dir zwei Licht Attacken zeigen. Wenn du die alle gut kannst, dann lasse ich dich auf deine Reise los. Bis dahin, wird bis zum umfallen geübt.“
„Ohje, na dann, fangen wir mal an, oder?“, er stand voller Tatendrang auf, Yara tat es ihm gleich.
„Richtig! Hm, ich denke, dass der Feuerball für den Anfang ganz gut ist. Er wird sehr oft verwendet, wenn man den Gegner auf abstand halten möchte. Du musst dich auf einen Ball aus Feuer konzentrieren und ihn in einer Hand formen. Versuche erst ein mal auf das Feuer zu konzentrieren, welches du hervor rufen möchtest.“ Avis wählt die recht Hand aus und machte das, was Yara gesagt hatte. Er stierte auf die Hand, doch es passierte rein gar nichts!
„Avis, du musst ruhig sein. Du weißt, ruhig atmen und nichts mit Gewalt machen. Denk daran, du hast noch nie zu vor Magie versucht zu sammeln, geschweige denn ein zu setzten. Vielleicht hilft es, wenn du dir das Feuer in deiner Hand vorstellst.“ Avis nickte. Feuer, komm schon. Und tatsächlich, es entstand ein ganz kleiner Feuerball! Avis freute sich riesig.
„Das ist super! Ich bin echt beeindruckt von dir!“, sagte Yara dazu.
„Wow, es tut noch nicht ein mal weh.“
„Es ist ja auch deines. Es kann dir nicht weh tun. Nun schließe die Hand und versuche es erneuert.“ Er schloss die Hand und öffnete sie. Die kleine Feuerkugel war verschwunden. Avis konzentrierte sich auf das Feuer in seinem Körper und es erschein plötzlich viel schneller, größer in seiner Hand. Der Feuerball war jetzt ungefähr so groß, wie seine Handfläche.
„Das ist fantastisch! Lass sie noch ein mal verschwinden und dann probier es noch ein mal.“ Gesagt getan. Es dauerte keine fünf Sekunden und es entstand wieder eine Feuerkugel der gleichen größe. Yara war völlig aus dem Häuschen, dass er es so schnell gelernt hatte!
„Der Rest ist einfach. Du schmeißst sie einfach gegen das Ziel“, sie schaute sich um und entdeckte eine Kokosnuss, „Siehst du diese Kokosnuss? Darauf kannst du sie ja mal feuern.“
„Gut, mach ich.“ Avis warf den Feuerball in seinen Händen gegen die Kokosnuss und sie viel hinunter. Unten aufgekommen, zerplatzte sie.
„Siehst du, ganz einfach, oder?“
„Ja, ich kann das irgendwie nicht glauben. Das ist auch ein tolles Gefühl.“
„So, die nächste Feuer Attacke baut auf diese auf. Du lässt aus deinen Fingerspitzen kleinere Feuerbälle erscheinen. Diese lässt du in der Luft schweben und wenn du genug hast, schickst du sie gegen den Gegner. Ich mach es dir mal vor.“ Yara ließ aus ihrem Zeigefinger ganz schnell, hinter einander weg, kleine Feuerkugeln erscheinen. Sie blieben in der Luft bis Yara ihnen einen kleinen Luftstoß gab. Die Feuerkugeln flogen weg und platzten an einem Stein auf.
„Das machst du mal nach. Das dürfte nicht schwer sein.“ Avis nickte und machte es mit Leichtigkeit nach.
„Das ist super. Du kannst natürlich die größe variieren, aber es dauert dann halt länger. Mensch, hätte nie gedacht, dass du es so schnell lernst. Echt nicht. Pass auf, jetzt wird es etwas schwerer. Licht Magie ist sehr schwer, weil sie nicht materiell ist. Das heißt, du kannst sie nicht aus deinem Körper saugen, sondern du musst sie aus der Umgebung nutzen. Licht Magie kannst du nur dann einsetzten, wenn es auch Licht gibt, also am Tage. So ist es mit dem Schatten auch. Diese Magie setzt man am Besten gegen Schattenwesen ein. Diese erkennst du daran, dass sie meistens schwarz oder dunkle gefärbt sind.“
„Häh? Kommen die dann nicht nur in der Nacht vor?“
„Nein, sie können auch am Tage Leben. Das Sonnenlicht tut ihnen nichts. Am Rande erwähnt, es gibt auch nur Licht Wesen, die sogar über euch Engeln stehen. Nämlich die Seraphim. Nur von ihnen gibt es sehr wenige. Eine lebt auch in Angelostopia. Kommen wir zur Magie zurück. Ich werde dir die Lichtsäulen zeigen. Diese verfolgen den Gegner und wenn sie ihn erwischen, wird er verbrannt. Du wirst wahrscheinlich nur eine, höchstens zwei erschaffen können. Sei vorsichtig, damit du nicht plötzlich deine ganze restliche Magieenergie in diese Säulen rein steckst. Das kann in Ohnmacht enden. Also, versuche bitte nicht mehr als zwei stück zu erschaffen. Selbst das ist eine Glanzleistung. Schau mir zu und dann versuchst du es nach zu machen.“ Yara schaute nach oben und führte ihr linke Hand gen Licht, das durch die Blätter schien. Dort verweilte sie einen kleinen Moment und ließ sie dann nach unten sausen. Es erschienen zwei dicke, gleißende Lichtsäulen, welche regungslos auf ihrer stelle blieben. Avis schirmte seine Augen ab. Nach einigen Sekunden verschwanden sie in immer dünner werdenden Säulen.
„Das… soll ich nach machen?“, fragte Avis skeptisch.
„Glaub an dich, dann schaffst du das. Du musst das Licht, welches durch die Blätter scheint in deiner Handfläche sammeln. Licht besteht aus Energie, vergiss das nicht. Wenn du dann ein kribbeln in deiner Handfläche spürst, dann ist es Zeit sie nach unten sinken zu lassen. Versuche es.“
„Hm, ich versuche es.“ Er ließ seine linke Hand nach oben und wartete einen Augenblick bis es anfing zu kribbeln. Dann ging die Hand nach unten und nicht zwei Säulen erschienen sondern drei! Das war eindeutig zu viel für Avis. Ihm wurde ganz plötzlich schwindelig und schwarz vor den Augen. Er sackte zusammen.
Kapitel 4
Er träumte, dass er fliegt und durch die Lüfte schwebte. Ganz sachte und mühelos. Es war ein schöner Traum, aus den er niemals erwachen möchte. Er landete auf weichen Rasen und vor ihn ragte ein gläsernes Schloss in den Himmel. Das war sein zu Hause, das spürte er. Die Luft war warm und roch nach unbekannten, schönen Düften. Der Himmel war wolkenlos und ein paar Vögel zwitscherten. Eine schöne Idylle. Es kamen mehrere Personen auf ihn fröhlich zu.
„Yara, Lyonel…“, murmelte Avis zufrieden vor sich hin. Er lag in einem großen federweichen Bett. An der linken Seite saß Yara.
„Schhh… ganz ruhig. Wir sind ja da.“
Der Traum war zu schön, um jetzt schon auf zu wachen, aber irgendwas kühles störte ihn. Avis schlug seine Augen langsam auf und sah noch alles verschwommen. Wo bin ich?, fragte er sich, doch dann fiel ihm es wieder ein: bei Cyriac.
„Wa…was war passiert?“, fragte Avis schwach.
„Du hast zu viel Magieenergie genutzt. Das hat dich dann umgehauen. Aber es ist sonst nichts schlimmes passiert. Das wird schon wieder. Nur noch ein wenig Ruhe, dann bist du wieder der alte“, antwortete Yara sanft und lächelte. Avis viel jetzt erst auf, dass sie unglaublich schön war. Vielleicht sind das auch einfach nur die Nachwirkungen von der Ohnmacht. Er schlief wieder ein.
Avis wachte auf, da war es schon dunkel. Ihm ging es richtig gut und er war hellwach. Er setzte sich auf. Irgendwer lag mit dem Oberkörper auf der Bettkante. Es war Yara. War sie die ganze Zeit hier?, fragte sich Avis und schob die Bettdecke vorsichtig bei Seite um Yara nicht auf zu Wecken. Sein Oberkörper war frei, er hatte nur eine schlichte, kurze, weiße Hose an. Der Mond schien in das Zimmer und man konnte jetzt die Konturen von Yara’ s Körper gut erkennen. Wie friedlich sie dort schlief. Avis blickte sich um und entdeckte auf einen Sessel in einer Ecke eine dünne, grünlich schimmernde Decke. Er holte sie und deckte Yara zu, dann suchte er seine Klamotten, fand sie und zog sich rasch an. Avis ging nach unten, zur Terrasse. Das Haus wurde von kleinen, grün leuchtenden Kugeln erleuchtet, die ihn verfolgten. Die Nacht war lauwarm und die Terrasse war groß. Sie war in ein sachtes blau eingetaucht. Rechts von ihm gab es eine kleine Sitzecke mit zwei kuscheligen Sesseln und einer zwei Personen Couch, auf die er sich setzte und dann vor sich hin träumte und überlegte. Von hier hatte man einen super Blick auf die Stadt Sorilios, die mit orangenen Lichtern beleuchtet wurde. Durch ihr floss ein schmaler Fluss.
Wie war das noch mal mit der Magie?, versuchte sich Avis zu erinnern und schaute sich seine Hand dabei an. Er konzentrierte sich auf seine Feuermagie in seinem Körper. Und dann erschien eine glimmende Feuerkugel in seiner Handfläche. Avis freute sich. Zumindest konnte er es noch. Er dachte schon, dass er es durch den Ohnmachtsanfall vielleicht vergessen hatte, aber dem war es Gott sei Dank nicht so. Sie verschwand wieder, als Avis seine Hand schloss. Neben der Couch stand eine große, grüne Pflanze, die dicht bewachsen war. Und plötzlich raschelte etwas. Avis drehte sich zu ihr und guckte verwirrt. Es war so schön ruhig gewesen… Jetzt gluckste diese etwas in der Pflanze und so was wie ein schnurren erklang danach. Avis stand auf um nach zu sehen, was dort war. Er schob einige Blätter beiseite, dann schaute diese etwas ihn mit seinen großen, goldgelben Augen an. Es sprang schließlich aus der Pflanze heraus- Nun konnte man es richtig erkennen. Es war ein kleiner, roter Drache! Seine Flügel glühten immer wieder in dünnen Fäden auf und auf seinen länglichen Kopf befanden sich drei kleine Hörner. Er schaute Avis grimmig an.
„Ein… Drache?!“, sagte Avis ungläubig und zeigte auf ihn. Er hatte, klar, noch nie einen gesehen. Sie sollen ja angeblich nicht existieren, aber da stand gerade ein lebendiges Exemplar vor ihm.
„Jaaa, ich bin ein Drache. Roarrrr“, versuchte dieser gefährlich zu knurren, was ihm aber ganz und gar nicht gelungen war. Es war eher lächerlich. Avis versuchte ein lachen zu unterdrücken.
„Du kannst ja sprechen“, stellte Avis fest und hockte sich hin. Dann war er nicht ganz so groß für diesen kleinen Kerl.
„Hmpf, ja. Bist du auf den Kopf gefallen oder lebst du erst seit kurzem hier?“
„Du sagst es! Ich habe auch noch nie einen Drachen gesehen.“
„Na ja, von uns gibt es ja auch nicht gerade viele“, dann wurde er urplötzlich traurig, „Und ich Tollpatsch habe auch noch meine Mutter verloren“, er ließ seine Flügel herunter hängen.
„Oh, was machen wir denn da?“ Avis überlegte kurz und schaute den jungen Drachen dabei an. „Ah! Hör zu, ich starte morgen eine Reise nach Angelostopia. Das ist ein ganz schön weiter Weg und wir würden an vielen verschiedenen Orten vorbei kommen. Vielleicht finden wir deine Mutter unterwegs, wenn du mitkommen würdest. Was hältst du davon?“
„Hmm, wie heißt du denn überhaupt?“
„Avis, ist mein Name. Hast du auch einen?“
„Klar. Ich bin Flere. Wenn du nach Angelostopia reist, könnte es durchaus sein, dass ich meine Mutter wiederfinde, da hast du recht. Ich denke, ich werde mitkommen. Was bleibt mir da weiteres übrig?“
„Du könntest ja weiter in irgendwelchen Blumen herumstöbern“, schlug Avis lächelnd vor.
„Nee, ich war da nur, weil ich dort gerade eine Heuschrecke gesehen hatte. Die hat lecker geschmeckt“, von seinem Bauch kam ein leise grummeln.
„Ich glaube, da hat jemand doch noch etwas Hunger.“ Flere seufzte.
„Ja, hast du was für mich? Ich habe schon seit einigen Tagen nichts vernünftiges zwischen die Zähne bekommen.“
„Da kann ich dir erst weiter Helfen, wenn die anderen aufstehen und das wird noch eine weile dauern.“ Avis schaute kurz auf. Am Horizont konnte man schon einen hellen Streifen sehen. Ihm war gar nicht aufgefallen, wie schnell die Zeit doch vergangen war. Er stand auf und ging zur Couch zurück.
„Komm, setzt dich doch zu mir“, das ließ sich Flere nicht zwei mal sagen! Er hüpfte überglücklich zu Avis auf die Couch. Dort verbrachten sie noch zwei, drei Stunden, bis es richtig hell war und die ersten Dienerinnen aufstanden. In dieser Zeit unterhielten sie sich über alles mögliche. Avis erzählte seine ganze Geschichte, wie er her kam, was er hier macht und wer er überhaupt war. Flere hörte die ganze Zeit geduldig zu.
„Du bist also ein Prinz“, stellte Flere fest. Avis nickte und genau in den Moment kam Lyonel um die Ecke.
„Da ist er. Ich hab ihn gefunden!“, rief er jemanden zu, „Mensch, du hast uns echt n schrecken ein gejagt, Avis. Mach das nicht noch ein mal.“
„Ich wollte doch Yara nicht aufwecken, deswegen bin ich heimlich weg geschlichen. Dann saß ich hier rum, hab nach gedacht und so“, in zwischen war Yara dazu gekommen, die Flere musterte. Avis war aufgestanden und zu ihnen gegangen. Flere blieb auf der Couch sitzen.
„Und wer ist das?“, sie zeigte auf Flere.
„Das ist Flere, der hatte hier herum gestreunert. Flere ist hier gelandet, weil er seine Mutter verloren hat. Nun habe ich ihm vorgeschlagen, dass er mir Gesellschaft leisten könnte bei der Reise. Vielleicht finden wir ja unterwegs auch seine Mutter wieder.“
„Das ist toll. Somit bist du auch nicht ganz alleine.“
„Kommt jetzt. Es ist schon zu viel Zeit vergangen. Du musst los Avis.“
„Und was ist mit Frühstück?“
„Das fällt weg. Du musst los.“ Lyonel schubste den verwirrten Avis vor sich hin, Richtung Hauseingang. Flere lief Avis hinter her.
„Jetzt stopp mal! Ich habe noch nicht einen Happen zu mir genommen. Lass mir wenigstens eine halbe Stunde um etwas zu Essen und um mich mental auf die Reise vor zu bereiten. Ist das Okay?“
„Hach, na gut. Eine halbe Stunde, keine Minute länger!“, aus irgendeinen Grund heraus war Lyonel etwas schlecht Gelaunt. Als Avis zum Saal ging, wandte sich Yara zu Lyonel.
„Sag mal, was soll der Mist? Wieso drängst du ihn so darauf los zu gehen?“
„Yara, ich habe ein ungutes Gefühl. Ich weiß nicht wieso, aber ich fühle, dass Vadin irgendwas plant. Ich will, dass er heute noch Sinphonia erreicht und wenn er weiter so herumtrödelt, dann schafft er das nicht. In Sinphonia ist er sicher…“
„Hm, wenn du meinst. Hast du so wenig vertrauen in ihm? Egal was auf ihm zu kommt, er wird es schaffen! Avis lässt sich so schnell nicht unterkriegen. Du hast das doch selber gesagt, egal was Vadin plant.“
„Ja, das stimmt. Das will ich ja auch nicht abstreiten, aber…“
„Lass ihn. Es ist seine Reise, zwar eine schwere und gefährliche Reise, doch vertraue ihm. Du weißt welchen Vorgänger er hatte.“ Lyonel schaute in die Richtung, wo er Avis vermutete, dann seufzte er und ließ den Blick nach unten schweifen.
„Hoffentlich nutzt er dann auch seine Kraft, die er von ihm hat“, er ging nach draußen.
Exakt ein halbe Stunde später stand Avis draußen Aufbruch bereit. Er schaute zur Stadt, die im Tal lag. Die Sonne stand über ihn, Flere saß auf seiner rechten Schulter und ließ seinen langen, schlanken, roten Schwanz fröhlich hin und her schwingen. Avis drehte sich um, sah Cyriac, Yara, Kea und Lyonel vor sich stehen. Cyriac kam zu ihm.
„Mein Prinz,“, er verneigte sich, „ich wünsche ihnen eine angenehme Reise. Sie wird ihnen gut tun.“ Cyriac nahm beide Arme nach oben, dann richtete er seine Hände zu Avis, schloss die Augen und murmelte etwas. Plötzlich glühte Avis grünlich auf.
„Dies war ein Schutzzauber. Er wird dich vor allen Gift- und Schlafattacken beschützen, aber nur für zwei Tage, denk daran!“
„Danke, das werde ich.“ Jetzt kamen Yara, Kea und Lyonel auf ihm zu. Lyonel schlug seine rechte Hand auf Avis Schulter.
„Du packst das, Mann. Wir sehen uns dann in Angelostopia wieder… unversehrt, bitte“, er zwinkerte.
„Ja, klar. Ich werde es denen da draußen schon zeigen. Da brauchst du keine Angst haben.“ Avis und Lyonel lachten, dann waren Yara und Kea dran.
„Tja, was soll ich da noch sagen? Du hast den Segen von Cyriac und eine hohe Erwartung von Lyonel,“, sie machte eine kleine Pause, „Pass einfach auf dich auf, hörst du?!“ Avis nickte und biss sich auf seine Lippe. Dann drehte er sich nach rechts, ging wenige Schritte, stutzte kurz und lief dann doch weiter.
Der Weg ging sachte nach unten, dieser führte direkt in die Stadt hinein. Avis überlegte, ob er auch alles hatte, denn er musste nicht unbedingt durch die Stadt, sondern ein Stückchen außen herum. Immer an der Felswand entlang. Er blieb an einen Wegweiser stehen, der zwei Schilder hatte. Eines zeigte nach links und das andere geradeaus, hinein in die Stadt.
„Brauchst du noch was, Flere?“
„Nö.“
„Gut, dann ab nach Sinphonia!“, sagte er fröhlich und folgte den grau gepflasterten linken Weg. Auf dem Wegweiserschild stand in geschwungenen Lettern Sinphonia.
Am Eingang der Stadt standen zwei Wachtürme mit einem riesigen Tor. Wer in Sorilios rein oder raus möchte musste hier dran vorbei, ob er wollte oder nicht! Avis wurde von fünf Personen mit den Augen verfolgt, als er durch das Tor trat. Es waren vier elfische Wachen und ein Kontrolleur, der ständig aufschrieb, wer wann in Sorilios einfuhr.
Als Avis schon ein Stückchen gegangen war, drehte er sich ein letztes mal um und betrachtete den Eingang der Stadt. Eine mächtige Mauer und zwei Türme, alles besetzt mit elfischen Wachen. Das hatte irgendwas bedrohliches, auch wenn drum herum viele Bäume standen. Er seufzte.
„Was wird mich da draußen wohl alles erwarten?“, und schaute nach vorne. In der Ferne sah man einen kleinen Wald. Der Weg war Sandig und staub trocken. Es muss hier schon seit einiger Zeit keinen Regen mehr gegeben haben. Trotzdem befand sich viel Gras um ihn herum, dass in den verschiedensten Grüntönen kräftig leuchtete. Kurz vor dem Wald ging noch ein kaum erkennbarer Weg ab, der praktisch ins nichts führte. Weit und breit sah man nichts, zumindest in dieser Richtung.
Der Wald war eher ein Urwald, mit Wildüberwucherte Steinen und umgekippten Bäume bis hin zu Lianen und schreien von Affen konnte man alles sehen und hören. Das Klima hatte sich schlagartig geändert. Jetzt war es schwül und feucht. Von überall her vernahm man ein summen und knacken. Einige Fliegen waren besonders groß. Sie sahen sehr einschüchternd aus. Avis kam es vor, als wäre er schon seit Ewigkeiten in diesem Wald unterwegs, er nahm einfach keine Ende! Flere war auch irgendwie voll fertig. Es lag wahrscheinlich am Klima. Avis blieb stehen um etwas zu trinken. Er musste feststellen, dass er nichts mehr hatte. Kein tropfen Wasser.
„Hach, das fängt ja gut an! Wie soll das bloß weiter gehen? Bis nach Sinphonia sind es bestimmt noch drei Stunden Fußmarsch“, plötzlich schaute Flere auf.
„Hörst du das?“
„Ne, was denn?“, völlig platt gingen sie weiter.
„Na, dieses plätschern. Hört sich wie Wasser an“, stellte Flere fest.
„Ach, du träumst nur. Hier gibt es sicherlich kein Wasser.“ Der Urwald lichtete sich und Flere hatte sich nicht verhört! Vor ihnen kam ein glasklarer, kleiner See zum Vorschein. Avis traute seinen Augen nicht. Der Anblick von diesem See war einfach bezaubernd. Auf ihm befanden sich verschiedenste Wasservögelarten und an der linken Seite von ihm betrachtet war ein kleine Wasserfall, der aus dem nichts zu kommen schien. Das wasser glitzerte in der Sonne.
Avis ging ein paar Schritte auf den See zu und ließ sich in das frische Gras fallen. Der Boden war weich, es fühlte sich wunderbar an.
„Dann lass uns eine Pause hier machen. Besser geht’s ja fast nicht.“ Flere stimmte ihm zu. Er lief voller Freude auf das Wasser zu, um etwas von dem kühlen Nass zu trinken. Nach wenigen schlucken hob er den Kopf. Die Wasservögel flogen panisch weg. Dann war es still. Keine Vogelschreie waren mehr zu vernehmen. Kein Gesumme von irgendwelchen Insekten. Kein knacken im Unterholz. Einfach nur stille.
Flere schaute auf das Wasser wieder hinab. Dieses fing an zu Wippen, ohne das man es berührt hätte. Avis war auch aufgestanden. Das Wippen wurde heftiger, dann brodelte das Wasser. Plötzlich tauchte aus dem Wasser ein riesiges, türkisblaues, Skorpion ähnliches Tier auf. Es zischte, schnappte mit seinen Zangen in der Luft herum und sonst sah es einfach nur sehr wütend aus. Seine kleinen Augen suchten den Unruhe Stifter. Flere lief erschrocken zu Avis hinüber. Dieser drehte sich schleunigst um und rannte in Richtung Wald. Das war ein großer Fehler, denn dieses Viech konnte sie so besser sehen, zumindest hatte es den Anschein. Der Wasserskorpion folgte ihnen. Avis hatte einen guten Vorsprung, doch war der Skorpion gar nicht so langsam, obwohl er so Massig erschien.
„Flere? Was soll ich machen, verdammt?!“, fragte Avis panisch.
„Das weiß ich doch auch nicht! Du kannst doch Magie anwenden, nicht ich!“
„Toll, Feuer wird da wohl gegen Wasser nicht helfen!“, der Skorpion folgte sie wütend brüllend immer weiter. Er ließ sich nicht von den ganzen Bäumen, die er platt machte, beirren. Avis schaute nach hinten. Er holte immer mehr auf. Obwohl Feuermagie nichts nützen würde, setzte Avis den Feuerball ein und schleuderte gleich drei Stück kurz hinter einander auf ihn zu. Mitten ins Gesicht! Der Skorpion wurde langsamer und schüttelte den Kopf.
„Yeah! Das hatte was gebracht. Hätte ich nie gedacht“, sie liefen immer weiter und der Vorsprung vergrößerte sich wieder.
„Avis, schau nach vorn! Der Wald hört auf“, sprach Flere glücklich. Der Wald lichtete sich und es folgten weite Grasfelder. Man konnte sogar schon Sinphonia sehen! Trotzdem änderte es nichts daran, dass dieser Wildgewordene Skorpion immer noch hinter ihnen her war und dieser hatte wieder aufgeholt.
„Hey! Ich habe eine Idee!“ Avis blieb plötzlich stehen. Der Skorpion konnte nicht so schnell bremsen und rannte ein gutes Stück weiter. Drehte sich um und kam wieder zurück gestapft. Avis wartete bis er ganz nah war. Dann lief er unter ihm hin durch. Jetzt war der Skorpion ziemlich verwirrt. Schaute um sich. Er entdeckte Avis nicht, denn dieser war auf ihn gesprungen!
„Avis, du bist verrückt!“
„Ich weiß, Flere, aber mir bleibt nichts anderes übrig.“ Avis zog sein Schwert und rammte es in den Panzer des Skorpions. Dieser brüllte unter schmerzen auf. In der Zeit wo das alles geschehen war, waren einige Leute aus Sinphonia auf sie aufmerksam geworden. Einige Wachen ritten auf Pferden zu ihnen. Es waren fünf.
„Junge, komm da runter!“, brüllte einer Avis zu. Das ließ er sich nicht zweimal sagen! Der Skorpion wand sich hin und her, um Avis ab schütteln zu wollen. Er ließ sein Schwert zurück und sprang gehetzt von dem Vieh runter. Er landete gehockt auf dem staubigen Boden vor den Bewohnern, dann drehte er denn Kopf zu dem Skorpion. Die Wachen hatten sich in zwischen um den Skorpion auf gestellt. Dann sprachen sie irgendwas und der Skorpion glühte grüngelb auf. Er brach zusammen, ein letztes, leises zischen, dann schloss es seine kleinen Augen. Avis schaute, immer noch außer Atem, zu den toten Skorpion, dann zu den Wachen auf. Einer kam zu ihm gelaufen, stand dann vor ihm und nahm seinen silbernen, kunstvollen Helm ab. Der junge Mann hatte längeres, dunkelblaues Haar.
„Das war sehr mutig von dir Junge. Das hatte sich noch nie jemand vor dir getraut. Du verdienst unseren Respekt“, er und die anderen Wachen verneigten sich leicht. Avis war in zwischen aufgestanden. Dann brachte man sein Schwert, welches er gleich weg steckte.
„Na ja, was sollte ich machen?“, antwortete er verlegen, „Aber wenn Sie nicht gekommen wären, dann wäre ich jetzt wohl trotzdem Hackfleisch“, und grinste.
„Ähm, ja. Ich denke es ist wohl für uns alle gut, wenn wir wider nach Sinphonia gehen. Ach, ich bin übrigens Idalgo und der Hauptwachmann von Sinphonia.“
Idalgo nahm Avis zu sich, als Respekterkennung, denn eigentlich darf niemand Idalgo’s Haus betreten, außer seine Angestellten. Unterwegs hatten sie sich ein wenig unterhalten, aber Avis hatte bis jetzt nicht erwähnt, dass er der Prinz ist. Avis saß jetzt auf einer weißfarbenen Couch, die ein goldenes Gestell hatte, neben ihm saß Flere, welcher die große Halle musterte. Vor ihm stand ein niedriger, aus Elfenbein gearbeiteter Couchtisch und hinter dem noch ein Sessel. Ein Dienstmädchen, sie hatte ein hellblaues Kleid mit einer weißen Schürze an, brachte Avis orangefarbenen Saft und ein Glas.
„Herr Idalgo kommt gleich“, verkündigte sie freundlich. Avis bedankte sich, schenkte sich was ins Glas ein und trank es sogleich in einem Zug aus.
Au man, wie kindisch ich mich hier benehme. Seit dem ich hier in Mythica bin, fühle ich mich nicht wie siebzehn, eher wie elf… Er seufzte leicht, dann schaute er zu Flere.
„Wie geht’s dir?“
„Ähm, gut, wieso?“
„Hab nur so gefragt. Schließlich war dieser Skorpion und alles andere ziemlich aufregend, oder?“
„Oh ja, aber es war auch irgendwie lustig.“
„Du nanntest das lustig?! Flere, wir wären beinahe drauf gegangen, wenn mir nicht diese Idee eingefallen wäre!“
„Na ihr.“ Idalgo kam gerade lächelnd angelaufen. Er hatte jetzt ein schönen, weißen Frack und eine weiße Hose an. Die Ärmel waren zurückgeschlagen und mit einem silbernen Knopf festgemacht. Der spitz zu laufende Kragen hatte, ebenfalls in Silber, einen verschnörkelten Rand. Sein dunkelblauen Haar hatte er zusammengebunden. Er sah sehr edel aus. Nun nahm er platzt auf den Sessel und schaute die beiden freundlich lächelnd an.
„Mir ist aufgefallen, dass ich noch gar nicht eure Namen weiß.“
„Oh, Entschuldigung. Ich bin Avis und das ist mein Freund Flere.“ Idalgo hörte auf zu lächeln, als er Avis Namen hörte, stattdessen hatte er jetzt einen erstaunten Gesichtsausdruck.
„Nein!“, sagte er ungläubig und stand auf. Er verneigte sich.
„Du bist Prinz Avis. Das ich das noch mal erleben darf.“
„Was?“ Avis war völlig überrascht! Woher weiß er, dass er der Prinz ist? Idalgo setzte sich wider hin. Er schüttelte leicht den Kopf.
„Woher wissen Sie, dass ich der… Prinz bin?“, fragte Avis vorsichtig.
„Na, ihr Name ist in aller Munde. Außerdem darf sonst niemand Avis heißen, außer Sie natürlich.“ Avis fühlte sich ein wenig geschmeichelt. Er wusste davon nichts, dass es so eine Regelung hier gab. Da ist es natürlich logisch, dass dann jeder weiß, dass er der Prinz ist.
„Hören Sie auf mich zu siezen. So alt bin ich nun auch noch nicht. Außerdem mag ich das nicht. „Du“ ist doch viel persönlicher.“
„Na gut, ich kann das immer noch nicht fassen! Der Prinz von Angelostopia sitzt mir hier gegenüber. Au man. Was machst du dann hier in Sinphonia. Du müsstest doch in Angelostopia sein.“
„Da laufe ich gerade hin. Das ist meine… ja wie kann man das nennen? Prüfung? Keine Ahnung. Ich sollte diese Reise machen um stärker zu werden und um meine Fähigkeiten zu festigen.“ Idalgo nickte daraufhin leicht.
„Das ist eine sehr gute Idee von deinem Vater. Ich kenne ihn schon sehr lange.“
„Wie… wie ist er denn so, wenn ich mal fragen darf?“
„Wie ein König sein sollte. Er will immer nur das Beste für alle. Seine Entscheidungen, die er ja treffen muss, sind nie unüberlegt. Wenn es dann auch noch um die Bewohner von Mythica geht, fragt er sie meistens. Das ist der Beste König den wir je hatten. Sein Vater, also dein Opa, war kein schlechter Mensch, doch er war meistens ein Egoist.“
„Du kanntest meinen Opa?!“, fragte Avis erstaunt.
„Nein, also nicht persönlich. Ich bin ein normaler Mensch und kann nicht so alt werden wie ihr Engel. Er ist schon seit 300 Jahren tot. Nur wird er viel mit König Amon verglichen“, Idalgo machte eine kleine Pause, „Soll ich dir ein wenig Sinphonia zeigen? Dieses Dorf ist wirklich sehr schön. Wir haben hier sogar eine kleine Magierschule“, dabei guckt er nach draußen. Diese Halle wo sie sich befanden, war sehr hell und die eine Seite bestand fast nur aus Glas.
„Ja, gerne! Das was ich vor hin schon gesehen hatte war ja einfach nur schön“, antwortete Avis schwärmend. Dann erhoben sie sich. Idalgo lief vor, Avis folgte ihm und Flere machte es sich auf seiner Schulter gemütlich.
Beide fand man auf dem kreisförmigen Marktplatz wieder. Der Boden war mit einem wunderschönen, hellblauen Zeichen versehen und in der Mitte befand sich ein mehrstöckiger Brunnen. Das Dorf wurde ständig mit einer sanft klingenden Melodie erfüllt, die eine beruhigende Wirkung hatte.
Heute war kein Marktag, erklärte Idalgo. Um den Platz herum waren viele alte Häuser zu sehen. Idalgo zeigte auf ein größeres, längeres Haus, das mit Efeu bewachsen war und einen kleinen Vorgarten hatte. In dem standen einige magische Figuren.
„Das ist unsere Magierschule. Sinphonia ist ja berühmt für seinen Magischen Markt, den es einmal im Monat gibt. Dann Reisen alle möglichen Magier an. Sie kommen von ganz Yatacana hier her um nur Magierartikel kaufen zu können.“
„Wow!“, hauchte Flere erstaunt. Die Leute, an denen sie vorbei gingen, begrüßten sie alle freundlich.
„Die anderen Häuser, die ihr hier seht, sind alles Gasthäuser. Schließlich müssen die Magier und Alchemisten irgendwo über nachten. Kommt, ich zeige euch noch einen anderen schönen Platz.“ Sie gingen den gepflasterten Weg entlang, der raus aus Sinphonia führte. Die wohlklingende Melodie wurde jetzt etwas lauter. Ein kleines Stückchen vom Weg entfernt, plätscherte ein kleiner Bach. Nach wenigen Metern begann ein bläulich schimmernder Wald und sie machten auf einer Brücke, die über einem Teich führte, halt.
„Seit ganz still, dann könnt ihr sie sehen“, sagte Idalgo ruhig.
„Wen denn sehen?“, fragte Avis und schaute auf das Wasser, welches smaragdgrün war.
„Psst.“ Idalgo legte den rechten Zeigefinger auf seinen Mund und zeigte dann auf das Wasser. In der Mitte des Teiches war eine bewachsene Felsformation zu sehen, aus dem Wasser sprudelte. An manchen stellen konnte man blaue Kristalle entdecken, diese gab es auch im Wasser. Die Melodie war einfach traumhaft schön. Avis und Flere schauten ruhig auf das Wasser. Dann nach kurzer Zeit erschienen kleine, weißblaue Wesen. Sie waren plötzlich überall, schwebten durch die Luft, spielten fange, kicherten und die die auf den Fels waren, sagen diese Melodie, die man die ganze Zeit hörte.
„Was… was sind das für Wesen?“, fragte Avis flüsternd.
„Das sind Nymphen. Sie gibt es nirgendwo anders, nur hier in Sinphonia. Und ihnen haben wir es zu verdanken, dass unser Dorf auch so heißt. Jeden Tag singen sie diese Melodie.“ Avis nickte und schaute sich wieder die Nymphen an. Nach ein paar Minuten gingen sie wieder Richtung Dorf.
„Das war wirklich schön, Idalgo. Danke.“
„Nichts zu danken. Das war doch das mindeste was ich tun konnte“, plötzlich huschte schnell ein Schatten über ihnen hinweg. Ehe sie nach oben schauten, war er wieder weg.
„Was war das?!“, fragte Flere.
„Keine Ahnung. Sehen kann man nichts mehr.“
„Vielleicht war es nur Einbildung“, meinte Idalgo darauf hin.
„Eine Einbildung die alle hier hatten? Wohl kaum“, sagte Avis feststellend. Dann tauchte der Schatten wieder auf und man konnte die Form eines großen etwas erkennen. Doch war er wieder schnell weg.
„Oh, oh.“
„Was Flere?“
„Ich glaube“, seine Stimme zitterte, „dass sind Drachen!“ In genau diesem Moment stürzten sich drei schwarze Drachen, mit Ohrenbetäubenden Kreischen, auf Sinphonia!
Alles war friedlich in Angelostopia. Der kristallene Palast mit seinen viel zähligen Türmen ragte in den Himmel und wurde von der untergehenden Sonne golden angestrahlt. Yara, Kea und Lyonel hatten sich gerade eben in den Palast Garten Teleportiert. Sie wurden von dem König herzlich empfangen.
„Endlich seit ihr wieder hier! Man hat euch schon vermisst“, begrüßte er sie mit offenen Armen. Amon küsste Yara, Kea und Lyonel auf die Stirn, dann schaute er um sich.
„Na nu. Wo ist sie denn hin? Sie war so aufgeregt euch wieder zu sehen…“ Yara lächelte. Dann kam ein kleines Mädchen in einem schlichten weißen Kleid an gelaufen. Sie strahlte über das ganze Gesicht.
„Yara! Lyonel! Kea! Endlich seit ihr wieder hier. Ich hatte euch sooo vermisst!“ Das Mädchen begrüßte sie stürmisch mit einer herzlichen Umarmung. Kea knuddelte sie richtig durch. Lyonel hockte sich zu ihr runter und tätschelte ihr weißblonden Haare, dann lächelte er.
„Wir haben dich auch vermisst, Ariana.“
„Hör auf damit! Du weißt doch, dass ich das nicht mag!“, dabei schüttelte sie die Hand von Lyonel von ihrem Kopf. Ihre Haare waren jetzt etwas verwuschelt. Yara konnte sich ein lachen nicht verkneifen. Ariana schaute sie mit einen finsteren Blick an. Lyonel erhob sich wieder.
„Entschuldigung, Prinzessin.“
„Hach, na gut. Wo ist eigentlich mein Bruder? Ich dachte der kommt gleich mit euch.“
„Ariana, ich habe dir doch erklärt, dass dein Bruder eine Reise macht“, antwortete ihr Vater sanft.
„Achso, stimmt ja“, sagte sie etwas traurig, „Wann ist er denn dann hier?“
„Wenn er sich gut an stellt, so in fünf Tagen“, sagte Lyonel.
„So lange noch?!“ Ariana war jetzt ziemlich enttäuscht und schaute auf den Boden.
„Hey, wenn er dann da ist, kannst du so viel spielen mit ihm wie du willst. Versprochen“, sprach Yara sanft zu ihr gehockt. „Und so lange hast du noch Kea.“
„Wirklich?“ Yara nickte, dann lächelte sie und auch Ariana’ s Gesichtsausdruck wurde wieder freundlicher. Sie schaute jetzt zu Kea. Dieser ging mit Ariana zu eine saftig grünen Wiese. Dort fingen sie an zu spielen.
„Dann kommt jetzt mit rein. Es wurde für euch ein kleines Mahl angefertigt.“
„Ach das wäre doch nicht nötig gewesen, Amon.“
„Doch, doch Yara. Ihr ward schon lange nicht mehr hier und da wollte ich euch einen gebührenden Empfang bereiten. Das gehört sich nun mal so. Kommt.“ Sie folgten Amon und traten in eine große Halle ein. In der Mitte befand sich ein dunkelblauer mit einem goldenen Rand verzierter, schmaler Teppich, der bis zum Thron reichte. Die Empfangshalle durch Schreiteten sie und gingen in eine weitere, schmalere Halle. In dieser befand sich ein langer, reich gedeckter Tisch. An deren Seiten standen viele Stühle. Am Ende standen zwei Diener und warteten darauf, dass Yara und Lyonel zu ihnen gingen. Amon deutete auf die Diener.
„Das sind eure Plätze. Lasst es euch schmecken.“ Amon setzte sich auf seinen königlichen Stuhl. Die Diener zogen die Stühle weg, Yara und Lyonel nahmen Platz, dann wurden sie an den Tisch geschoben. Sie begangen zu Essen. Nach kurzer Zeit meldete Amon sich zu Wort: „Erzählt, wie war es in der Menschenwelt? Hat sie sich sehr viel verändert? Die letzten Male konntet ihr ja nichts erzählen, ihr ward ja immer nur sehr kurz hier.“ Lyonel nickte.
„Ja, sie ist gar nicht mit früher zu vergleichen. Jetzt ist sie dreckig, die Luft ist verschmutzt, die Städte bestehen nur noch aus Beton und Stahl. Die Menschen sind hektisch und Geldgierig. Bei ihnen muss alles schnell gehen. Es gibt kaum noch unberührte Natur. Amon, glaub mir, du willst da nicht mehr hin. Da gibt’s nichts für dich. Außerdem, die Menschen haben vergessen was Engel, Drachen, Magier und andere unmenschliche Dinge sind. Für sie sind wir Fantasie. Wir existieren nicht für sie.“
„Ooh, das ist nicht schön. Aber sie wollten es ja nicht anders haben, die Menschen. Wenn ich mich an früher zurück erinnere, dann war die Erde fröhlich und bunt. Aber nach deinen Erzählungen, Lyonel, ist sie es nicht mehr. Schade.“ Es folgten einige Minuten der stille.
„Ach kommt schon! Das ist Geschichte, wir sind jetzt wider hier und es ist hier tausend mal schöner. Wo ist eigentlich Sirenity?“ Ein besorgter Gesichtsausdruck machte sich auf Amons Gesicht breit.
„Sie ist seit einiger Zeit Krank und liegt im Bett. Keiner konnte bisher sagen was sie hat. Yara, deswegen bin ich froh, dass du wieder da bist.“
„Amon, ich bin keine Heilerin. Aber ich kann ja mal gucken.“
„Du kennst aber mehr Heilende Kräuter, als alle anderen.“
„Ja, schon, aber es ändert nichts daran, dass ich eine Kampfmagierin bin und bleibe“, sagte sie etwas fester.
„Ist schon gut. Ich weiß, dass dir das kämpfen mehr Freude bereitet als alles andere.“
„Gut. Lyonel, bist du fertig?“
„Ja.“
„Dann werde ich gleich mal nach Sirenity schauen. Ich hoffe es ist nichts all zu schlimmes.“ Amon, Lyonel und Yara erhoben sich. Amon ging vor, bis zu einer breiten, weißen Treppe. Er hielt an und schaute Yara in die Augen.
„Ich danke dir.“
„Amon, jetzt ist aber gut. Ich habe gesagt ich gucke und werde ihr helfen. Dabei bleibs. Nun geh.“ Er nickte und ging mit ihnen die Treppe nach oben, dann einen Gang entlang, bis zum Ende. Dort machte er die Tür auf. Ein dämmriges Zimmer kam zum Vorschein. Das Bett befand sich am geöffneten Fenster. Sirenity lag mit einem Tuch auf der Stirn in diesem Bett. Ein leises stöhne kam von ihr. Ein Dienstmädchen saß auf einen Hocker neben ihr. Sie hatte einen besorgten Blick. Amon schickte sie weg. Yara ging zu Sirenity.
„Hallo Sirenity. Ich bin es, Yara.“ Sie öffnete die Augen ein kleines bisschen und ein lächeln trat auf ihr schweiß nasses Gesicht.
„Yara…“, erklang ihre Stimme schwach.
„Psst, bleib ganz ruhig. Ich werde jetzt in deinen Körper schauen. Das kann ein paar Sekunden dauern.“ Sirenity holte einen Arm hervor. Yara nahm die Hand und schloss ihre Augen. Sie machte eine Reise durch ihren Körper, dann öffnete sie nach einigen Sekunden wieder die Augen.
„Hmm, es ist wirklich nicht leicht. Zu hundert Prozent kann ich auch nicht sagen, was sie genau hat, aber auf jeden fall hat sie mehrere innere Entzündungen. Ich denke, dass die anderen Heiler so was ähnliches Diagnostiziert hatten, oder?“
„Ja, keiner konnte sagen, was das genau ist. Alle stellten die Entzündungen fest.“
„Gegen das Fieber, was bekommt sie da?“
„Feuerwurz.“ Yara schüttelte den Kopf und sah jetzt etwas verärgert aus.
„Die Heiler heut zu Tage werden immer schlechter. Feuerwurz ist viel zu schwach. Das sieht doch n Blinder! Egal. Sie muss viel trinken, sehr viel. Ich werde mich jetzt nach Hause Teleportieren, dort eine Tinktur zusammen brauen und dann komme ich wieder. Die Tinktur ist gegen innere Entzündungen und allen möglichen schmerzen. Dazu wirkt sie noch Fiebersinkend. Das ist das Beste, was ich im Moment machen kann.“
„Danke.“
„Schon okay. Also bis gleich dann“, und schwupps war sie weg! Plötzlich stürzte ein Kundschafter gehetzt ins Zimmer.
„Eure Majestät, Drachen! Drachen in Sinphonia! Der Prinz ist in Sinphonia!“
„Was?!“
Ein schwarzer Drache landete genau vor Avis und Idalgo. Erst schnupperte er vorsichtig an Avis und dann kreischte er. Avis kniff seine Augen zu. Idalgo tippte ihn an.
„Komm!“, das ließ sich Avis nicht zwei mal sagen! Sie rannten in eine schmale, enge Gasse. Der Drache versuchte sie zu folgen, aber sie waren schneller in der Gasse drinnen und er war viel zu groß für diese kleine Gasse. Sie war dunkel, weil die Sonne schon sehr tief stand. Nach einigen Metern blieben sie stehen.
„Idalgo, wer sind die?“, fragte Avis völlig abgehetzt.
„Ich weiß es nicht, aber eins ist sicher, sie wollen dich! Und das ist gar nicht gut.“ Man hörte die anderen Mitbewohner wie sie aufgeregt und angsterfüllt durcheinander schrieen. Der schwarze Drache war sofort in die Lüfte aufgestiegen, als Avis und Idalgo weiter rein liefen in die Gasse. Jetzt kreisten sie in der Luft um Sinphonia herum.
„Stell dich an die Wand dicht ran. Drachen können nicht all zu gut sehen, wenn es dunkel ist.“
„Aber nicht die“, sagte darauf hin Flere, der in zwischen auf den Boden gehopst war, „Das sind Nachtdrachen. Sie haben mit der Dunkelheit kein Problem. Deswegen greifen sie ja jetzt erst an.“
„Du wusstest das die Drachen hier sind?“, sprach Avis etwas lauter.
„Nein! Das wusste ich nicht, aber wieso sollte ein Nachtdrache am Tage angreifen? Das wäre sehr unlogisch.“ Avis seufzte, dann folgte ein weiterer Ohrenbetäubender schrei. Er kniff wieder die Augen zu.
„Fakt ist, dass sie dich haben wollen. Wir müssen hier weg. Dann kommen die hinter her. Am Besten raus aus dem Dorf.“
„Oh nein, ich spiele nicht den Lockvogel!“
„Avis, wenn du noch morgen Leben willst, dann muss das sein.“ Idalgo schaute ihn tief in die Augen. Nach wenigen Sekunden nickte Avis leicht.
„Okay, ich weiß das Vadin dahinter steckt. Ich bin ihm noch nie persönlich begegnet, aber er will meinen Herzenkristall. Dann muss ich den Lockvogel spielen. Ich tus für die Bewohner“, er ging mit einem entschlossenen Schritt aus die Gasse. Flere guckte ihm erst hinter her, flog dann doch zu ihm. Er landete auf seine Schulter. Idalgo kam hinter her gelaufen.
„Bleib kurz stehen. Ich möchte dir meinen Plan noch erklären.“ Avis drehte sich zu ihm.
„Gut. Das sind Nachtwesen. Die kann man am Besten mit Lichtmagie ärgern. Du kannst doch Lichtmagie anwenden, oder?“
„Nein, das habe ich noch nicht gelernt. Ich kann ein bisschen Feuermagie.“
„Mist“, fluchte Idalgo leise, „Okay, das ist nicht schlimm, dann müssen wir es zusammen tun. Du rennst aus Sinphonia raus. Egal wo, einfach raus. Wir brauchen platz. Ich folge dir nach wenigen Sekunden. Wenn der Drache hinter dir her ist, werde ich auf ihn mit Lichtkugeln feuern. Ich hoffe das Klappt. Ich werde schnell mein Pferd holen, das dauert nicht lange. Wenn du draußen bist, schieße ein paar Feuerbälle in die Luft, dann weiß ich wo du bist.“
„Was, so lange soll ich rennen?! Das halte ich nie durch.“
„Na wenn du schon so anfängst.“ Idalgo schlug ihm auf die Schulter und lief los. Einer der Drachen ließ wieder seinen Schrei erklingen. Avis schaute in den Himmel, der schon leicht bläulich schimmerte. Zwei Drachen kreisten um den Platz, dann atmete er ein mal tief durch, sendete ein Stoßgebet gen Himmel und rannte aus der Gasse. Er lief nach rechts, an den Brunnen vorbei, kam zu den Weg, der zu den Nymphen führte, lief über die Brücke und den Weg immer weiter. Die beiden Drachen folgten ihm. Der eine spie Feuer. Nach einigen Metern kamen weite Felder. Avis lief immer weiter.
„Die kommen immer näher!“, rief Flere.
„Ich weiß Flere, was soll ich tun?!“
„Bleib stehen, so wie beim Skorpion.“ Und prompt blieb Avis stehen. Die beiden Drachen flogen weiter. Sie wendeten in einem hohen Radius. In der Zeit schoss Avis drei Feuerbälle in die Luft. Die Drachen kamen wieder auf sie zu gerast. Angst machte sich in Avis Körper breit. Panisch lief er wieder Richtung Sinphonia. Zwei Reiter kamen ihnen entgegen.
„Nein! Kehr um!“, brüllte Idalgo. Genau in dem Moment stolperte Avis. Er fiel der Länge nach hin.
„Autsch! Scheiße! Wieso immer ich!“, fluchte dieser laut. Flere hopste von ihm runter.
„Komm steh auf!“ Avis schaute nach vorne, schrie irgendwas, dann wurde es heiß und ein strahlend, gleißendes weiß blendete auf. Man vernahm noch ein schmerzverzerrtes Kreischen, dann folgte Stille…
Die Vögel zwitscherten fröhlich und die Sonne glitzerte im Morgentau. Eine leichte, erfrischende Brise wehte in das Zimmer. Er öffnete seine Augen leicht. Alles war verschwommen. Neben ihm gurrte etwas friedlich. Er drehte seinen Kopf zu dem gurren und erkannte verschwommen etwas rotes.
Flere…, er schloss wieder die Augen. Plötzlich kamen die Bilder wider. Schwarze Drachen, Idalgo auf dem Pferd, Sinphonia, als er stolperte und dann das Licht.
Avis hörte, wie jemand ins Zimmer kam und wieder ging. Kurze Zeit später kam wieder jemand. Dieser setzte sich neben ihm.
„Na, bist ja endlich wach“, sagte die Person friedlich. Die stimme war von Idalgo. Avis schlug seine Augen auf. Er schaute ihn an.
„Was… was war passiert?“, fragte er schwach.
„Tja, wenn ich das wüsste, dann würde ich es dir jetzt sagen, aber ich weiß es nicht. Da war diese Licht auf ein mal und die Drachen waren weg. Einfach so. Keiner kann es sich erklären wie du das gemacht hast.“
„Ooh, mein Kopf tut so weh“, er kniff die Augen vor schmerz zusammen.
„Und das werden nicht die einzigen Schmerzen bleiben. Du hast dir einen Arm gebrochen. Keine Angst, unsere Heiler haben dich wieder zusammen geflickt.“ Avis nickte und lächelte leicht.
„Wie lange habe ich geschlafen?“
„Hmm, so drei Tage. Eine Freundin war von dir hier. Yara hieß sie, glaub ich. Sie wollte wissen wie es dir geht. Doch du hattest noch geschlafen, außerdem wurde dir viel Ruhe verschrieben. Deswegen durfte sie auch nicht zu dir. Jedenfalls wissen die in Angelostopia, dass du später kommst.“
„Yara…“ Avis hob den rechten Arm an, er war verbunden und ließ ihn gleich wieder zurück fallen.
„Ist was mit Flere?“
„Nein, nur er hatte die letzten drei Tage neben dir gewacht. Heute früh ist er endlich eingeschlafen, aber nur, weil wir in seinem Futter ein leichtes Schlafmittel rein gemacht hatten. Er wollte partu nicht schlafen. Das ist für kleine Drachen nicht gut.“ Idalgo lachte leicht, als er Flere ansah. „Wie dem auch sei. Du musst dich noch weiter ausruhen. Frühstens morgen kannst du deine Reise fort führen, aber dann auch nur mit schmerzstillenden Mitteln. Also, schlaf noch ein wenig. Wir sehen uns dann nachher. Wenn du was brauchst, mein Dienstmädchen ist eigentlich die ganze Zeit hier.“ Avis nickte zustimmend und schlief gleich wieder friedlich ein.
Erst am späten Nachmittag erwachte er wieder. Ihm ging es etwas besser. Ein Heiler untersuchte ihn noch ein mal und gab das okay, dass er mal aufstehen darf. Flere war auch wieder erwacht. Als er erfuhr, dass sie ihm ein Schlafmittel verabreicht hatten, war er erst ein wenig sauer, aber das gab sich nach einiger Zeit wieder. Jetzt befanden sie sich draußen, im Garten von Idalgo. Die Melodie der Nymphen konnte man wieder hören. Avis genoss es.
„Hach, das ist so schön. Ich will gar nicht mehr weg, von Sinphonia.“ Idalgo lachte.
„Du wirst auf deiner Reise noch andere tolle Dörfer und Städte sehen. Doch du bist hier immer herzlich Willkommen.“
„Danke. Mir geht’s richtig gut. Ich werde morgen wieder aufbrechen. Ich hoffe, dass die Drachen nicht noch mal kommen werden, auch wenn ich nicht daran glaube. Vadin ist besessen davon, meinen Herzenkristall zu bekommen. Egal wie. Au man, wo soll das nur hin führen?“
„Hm, ich denke, wenn Vadin noch ein mal erfolglos bleibt, dann wird etwas passieren, was es schon seit mehr als dreihundert Jahren nicht gab“, er schaute Avis dabei an.
„Du meinst Krieg, nicht?“
„Ja, aber bis dahin, wenn es denn überhaupt so weit kommt, ist es noch ein langer Weg. Und mach dir ja keine Vorwürfe! Du bist dann nicht daran Schuld. Du kannst nichts dafür, dass du so Geboren wurdest. Es hätte auch jeden anderen hier in Mythica oder Yatacana treffen können, nur hätte man wahrscheinlich nichts davon mit bekommen.“
„Das hört sich wie eine Krankheit an! Das gefällt mir ganz und gar nicht. Ich will, dass wegen mir, kein Krieg geführt wird!“
„Avis, noch ist rein gar nichts entschieden, wie es weiter geht. Du machst deine Reise fertig, kommst gut gelaunt in Angelostopia an und dann wird alles gut, okay?“ Avis seufzte schwer.
„Ja…“
„Gut, dann gehen wir jetzt rein. Es wird schon wieder dunkel.“ Der Abend verlief ganz ruhig, so wie der Rest des Tages auch war. Spät am Abend ging Avis ins Bett und erwachte schon früh am nächsten Morgen.
Kapitel 5
Nach einem kräftigenden Frühstück, führte Idalgo Avis aus Sinphonia raus. Wieder gingen sie am Nymphenteich vorbei und dann kamen die weiten Felder. Das Bild, wo er hinfiel, dann das gleißende Licht auftrat, kehrte in Avis Kopf wieder, wie ein Blitz. Idalgo hatte sein braunes Pferd bei und war voll gerüstet.
„So, ich würde dich gerne ein Stück begleiten, aber ich habe heute Dienst. Wenn du den Weg hier folgst, dann kommst du nach Porto Toru. Selbst das, was du hier siehst, gehört schon zu Porto Toru. Wieso, dass wirst du nach einigen Metern sehen. Ich wünsche dir und Flere noch viel Spaß. Komm gut an, ja?!“ Avis nickte. Die Sonne brannte heute bedingungslos auf Mythica herab. Er wollte einfach nur los. Idalgo schlug ihn auf seine linke Schulter, setzte seinen Helm auf, stieg auf sein Pferd und preschte davon. Jetzt war Avis mit Flere wieder alleine. Avis schaute den Weg entlang. Dieser war etwas hügelig und an seinen Seiten befand sich saftig, strahlendes, grünes Gras.
„Na dann wollen wir mal!“, sagte er fröhlich!
„Jahaa!“, stimmte Flere mit ein. Nach einigen Metern fiel Avis etwas auf.
„Flere?“
„Ja?“
„Du hast ganz schön zu genommen in den letzten Tagen, wusstest du das?“
„Nö, aber wenn du es sagst, dann wird es schon stimmen.“
„Wie alt bist du eigentlich und wo wohnst du?“
„Ähm, ja also für nen Drachen bin ich noch sehr, sehr jung. Ich bin jetzt drei Jahre alt und habe noch ein langes Leben vor mir. Mein Land, woher ich stamme, heißt Drakenlande. Sagt ja schon der Name, dass es dort besonders viele Drachen gibt. Okay, es waren vor drei Jahren mehr, als jetzt. Weißt du, es gibt nämlich Drachenjäger, die scharf darauf sind, uns tot zu sehen und unsere Hörner, Klauen, Zähne und so weiter für viel Geld zu verkaufen“, antwortete er etwas traurig, „Deswegen will ich schnell groß und stark werden um denen zu zeigen, dass wir nicht schlecht sind!“
„Au man, wie kann man Drachen töten. Das müssen echt schlechte Menschen sein“, nach einer kurzen Pause sprach Avis weiter, „Flere, was ist, wenn deine Mutter von solchen Drachenjägern getötet wurde?“
„Dann gibt es einen Grund mehr, noch stärker zu werden“, sagte er kräftiger.
„Du bist ein guter Drache. Ich bin mir sicher, dass du schnell groß und stark wirst. Wenn ich kann, werde ich dir dabei helfen.“
„Avis, das tust du schon die ganze Zeit.“
„Achso? Wie denn?“, fragte dieser überrascht.
„Wenn ich dich nicht getroffen hätte, dann würde ich immer noch in Sorilios herum irren und irgendwelche Fliegen fressen. Davon kann man nicht leben, als Drache. Ohne dich wäre ich wahrscheinlich schon längst tot!“
„Nein, das denke ich nicht. Aber danke, dass du es so siehst, wie du es siehst.“
„Wenn du meinst.“
„Ja, das meine ich. Ich sollte mir fast schon ein Beispiel an dir nehmen.“
„Was! Wieso?“
„Na ja, du hast in der ganzen Zeit was dazu gelernt, ich nicht. Ich blieb an den Punkt stehen, als mich Yara und Lyonel alleine ließen. Guck mal, ich kann immer noch nur zwei Magie Attacken, das bringt mir nicht viel“, er guckte dabei auf seine Hände, „Dabei sollte ich auf dieser Reise lernen.“
„Jetzt hör aber mal auf! Ich glaube wohl kaum, dass du in der Menschenwelt auf einen wild gewordenen Skorpion gesprungen wärest! Ich denke, obwohl ich dich noch nicht lange kenne, dass dein Selbstvertrauen zu dir selbst größer geworden ist. Zu dem ist es doch egal, wie viel Magie man einsetzten kann oder nicht! Entscheidend ist es im Kampf doch, dass man taktisch kämpft. Und nur mit Magie kommt man da auch nicht weiter.“ Avis war erst ein mal baff! Flere ist noch so jung und redet aber wie ein Erwachsener, tausend Jahre alter Drache! Er überlegte stillschweigend einige Minuten.
„Das stimmt, was du sagst. Davon mal abgesehen, dass es keine Riesen Skorpione bei uns gibt.“ Avis schaute nach vorne. Das hügelige Land war in der zwischen Zeit sehr Flach geworden. Ein Stückchen voraus sah man runde, weiße Tiere, die das Gras abweideten. Einige ließen ein laut von sich, dass sich wie das von Schafen anhörte.
„Flere, weißt du, was das für Tiere sind? Wie Schafe sehen sie nicht aus.“
„Schafe? Von so was habe ich noch nicht gehört. Das sind Torus. Sie werden gezüchtet. Von ihnen kann man alles verwerten, ob es die Wolle, das Fleisch oder sonst was ist. Ein reines Nutz Tier.“
„Du wirst es nicht glauben, genau so was, ist das Schaf in der Menschenwelt. Die Torus sehen aber eindeutig besser aus.“
„Aha, na ja, wegen denen heißt ja Porto Toru auch Porto Toru“, das Wort „Toru“ betonte er richtig, dann lächelte er.
„Ist klar. Die sind irgendwie knuffig“, stellte Avis fest. Sie liefen weiter.
„Es ist wirklich ein schöner Tag heute. Auch so ruhig, in den letzten Tagen war ja immer irgendwas los, aber heute ist alles friedlich“, sagte Avis nach kurzer Zeit.
„Der Tag ist aber auch noch lang. Vergiss das nicht.“
„Es wäre aber schön, wenn mal nichts passieren würde, woran ich mal nicht Schuld bin.“
„Hmm, stimmt. Egal, guck mal, man kann schon Porto Toru sehen!“ Avis schaute nach vorne. Und Flere hatte recht. Die ersten Hütten konnte man schon erkennen, aber sie haben trotzdem noch einen langen Weg vor sich, der nur gerade aus führte…
Vadin ging zornigen Schrittes in eine, große, runde Halle. Sie wurde nur von Fackeln erleuchtet und am Ende war sie ein spaltbreit offen, so, dass fliegende Wesen hier landen konnten. Einige Krähen ließen ihren laut genüsslich erklingen.
Vadin war wütend darüber, dass die Drachenreiter nicht an Avis ran gekommen waren. Es wäre ja auch zu schön um wahr zu sein! Er blieb nicht ganz in der Mitte stehen. Sein Blick ging zu der Öffnung. Etwas großes, schwarzes kam angeflogen und nach wenigen mächtigen Flügelschlägen landete ein Drache mit roten Augen vor Vadin. Der Drache Kreischte als Begrüßung. Auch Vadin kniff seine Augen zu. Jetzt stieg eine Person von dem Drachen, sie trug eine schwarze Robe mit Kapuze, die tief ins Gesicht hing, dieses konnte man nicht sehen. Die dunkle Person schritt auf Vadin zu. Der Drache gab ein ständiges dunkles, tiefes Knurren von sich und aus seinen Nasenlöcher entwich Rauch. Sein Reiter blieb stehen, ließ den Rechten Arm nach hinten und der Drache hörte abprubt mit dem Geknurre auf. Vadin grinste und verbeugte sich leicht, als der Reiter kurz vor ihm stehen blieb.
„Cassad, gib mir eine Erklärung, bitte.“
„Er ist stark und das hatte uns Probleme bereitet. Nächstes mal werden wir anders vorgehen. Man muss sich vor ihm in acht nehmen“, die Stimme von Cassad klang, als würden mehrere Stimmen unterschiedlicher Tonlage sprechen. Es klang etwas metallisch und sie hallte in der Halle wieder. Auf Vadins Stirn bildeten sich Falten, seine Aschfahle Haut strahlte in dieser betrügerischen Dunkelheit.
„Ach so ist das? Ich habe gehört, dass er zum ersten mal sein Herzenkristall eingesetzt hatte. Stimmt das, Cassad?“ Cassad sagte gar nichts, er schwang seine beiden Arme in die Luft. Es kamen zwei knöcherne, mit dünnen Blutadern versehene Hände zum Vorschein. Zwischen den beiden Händen sammelte sich eine Wolke aus schwarzer Materie und in dieser spulte sich das geschehene ab, bis zum gleißenden Schluss. Der Drache fing wieder an zu Knurren, er wurde unruhig.
„Das war also geschehen. Wieso konnte ich es nicht sehen, Cassad? Ich hatte alles mit verfolgt, bis zu dem Punkt, als ihr auf ihn aufmerksam geworden seid.“
„Das ist seine Macht, nicht unsere…“ Cassad ging zu seinem Drachen, dieser wendete mit einer rasanten Drehung, ließ noch ein mal seine Schrei erklingen, nahm Anlauf bis zur Öffnung und breitete dann sein mächtigen, hauchdünnen Flügel aus. Vadin schaute ratlos ihnen nach.
Tag der Veröffentlichung: 13.06.2009
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