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Kapitel 40. Die Rache des Göttervaters




Wir feierten noch bis spät in die Nacht hinein. Doch schließlich verabschiedeten sich unsere Gäste und traten den Heimweg an.
Misaki begleitete Charis, ganz Gentlemanlike, noch nach Hause, damit sie nicht allein durch die Nacht marschieren musste.
Meine Wächter schlichen sich in ihr Zimmer, die Füchschen schliefen seelenruhig und auch die Mädels waren in ihren Zimmern verschwunden.
Ich befand mich gerade bei Keith, oder inzwischen unser, Zimmer und zog mir die Nachtwäsche an, als der Prinz zu mir in den Raum trat.
„ Und du bist dir wirklich sicher, dass du es ertragen wirst wenn ich in meiner Teufelsgestalt über dich herfalle?“ harkte er nach und lehnte sich dabei gegen die Tür.
„ Ich werde es zu mindestens versuchen.“ lächelte ich ihn an.
„ Du hast inzwischen wen gefunden, der dich aufgeklärt hat, was?“
„ Nein. Ich hab auch gar nicht mehr versucht irgendetwas herauszufinden.“ erklärte ich. „ Ich weiß wie wichtig dir das ist, dass ich dir blind vertraue. Außergewöhnliche Situationen erfordern nun mal außergewöhnliche Maßnahmen.“ erzählte ich ihm. „ Wir hatten einen steinigen Start und sind mittendrin gegen eine Felswand geklatscht, dann taten sich Abgründe auf, die unüberwindbar erschienen und doch.“ lächelte ich leicht. „ Werden wir das Ziel gemeinsam erreichen.“
„ Mhm.“ schmunzelte er. „ An dir ist ein Prophet verloren gegangen.“
„ Meinst du?“ kicherte ich.
„ Aber ganz bestimmt.“ er stieß sich von der Tür ab und kam dann auf mich zu geschlendert. „ Reagierst du noch immer so empfindlich auf dunkle Auren?“
„ Ich weiß nicht. Eigentlich müsste es ja besser geworden sein.“
„ Wollen wir es ausprobieren?“ flüsterte er mir zu, als er bereits hinter mir stand.
„ Nur zu, Hauptsache du fängst mich auf, falls ich zusammen klappen sollte.“
„ Versprochen.“ und dann nahm er schon seine teuflische Gestalt an und drückte mich fester an sich.
Vergeblich wartete ich auf die Atemnot, wartete vergebens auf die schwere Last, die mich rücksichtslos erdrücken wollte, seine Aura zwang mich nicht mal ansatzweise in die Knie.
Trotzdem öffnete ich nur ganz langsam meine Augen und schielte auf meine Arme runter.
Ein feiner dunkler Nebel kroch an meinem Körper entlang und bekam bei der kleinsten Berührung schon den Abwehrmechanismus meines Blutes zu spüren.
„ Wow...“ flüsterte ich beeindruckt. Das mir die dunkle Aura gar nichts mehr ausmachen würde, damit hatte ich nun wirklich nicht gerechnet.
Wie mächtig war die Göttin des Lebens dann erst, wenn sie auch im vollen Besitz ihrer Mächte war?
Natürlich, den Erzählungen zufolge gehörte ich zu den mächtigsten Göttern die existierten, aber als ich eine reine Göttin war, war ich noch ganz klein und nun, wo ich Erwachsen war, besaß ich bloß einen Bruchteil meiner Kraft. Ich konnte also nur erahnen, wie stark Cecilia gewesen sein musste.
Es war also überhaupt kein Wunder, dass mein Vater mich beseitigen wollte. Er hatte die Macht meiner Vorgängerin mit eigenen Augen sehen können, er wusste wie wenig er mir entgegen zusetzen hätte. Nebenbei war ich in der Lage Ladthaa wieder auferstehen zu lassen, mit meiner Beseitigung schlug er zwei Fliegen mit einer Klappe. Wenn er denn dann in der Lage gewesen wäre, mich um die Ecke zu bringen.
„ Alles ok?“ harkte Keith dann nach.
„ Es ist sogar noch besser, deine Aura macht mir gar nichts mehr aus. Mein Blut ist echt klasse!“
„ Gut...“ flüsterte er und glitt mit seinen Händen unter mein Nachthemdchen.
Ich kniff währenddessen meine Augen zusammen und versuchte an nichts zu denken. Die Bilder, die mir mein Kopfkino zeigte, versuchte ich gleich wieder zu ignorieren. Ich konnte auch nicht wirklich sagen, warum ich mich so sehr davor fürchtete, mit seiner teuflischen Gestalt zu schlafen. Mir war bewusst, dass Filme nur Filme waren und reichlich wenig mit der Realität zu tun hatten. Keith war auch kein Alien, wobei... für die Menschen ja schon...
Wie sehr ich es auch versuchte, ich konnte mich einfach nicht fallen lassen. Zumal ich mir auch einfach nicht vorstellen konnte, wie es die Ladthaaner sonst taten, wenn nicht so wie in diesem bescheuerten Film. Allerdings wollte ich Keith nicht enttäuschen, deshalb folgte ich eisern dem Motto: Augen zu und durch!
Bisher fühlte es sich ja auch nicht schlimm an, aber jedes mal, wenn er einen unvorhergesehenen Schritt oder eine ruckartige Bewegung machte, zuckte ich leicht zusammen und versuchte ihm unterbewusst auszuweichen.
Der Ladthaaner hinter mir, schaute sich das Spielchen einige Minuten an und entschied sich dann dafür, mich aufs Bett zu werfen.
„ Uah!!“ brüllte ich erschrocken auf. „ Was...?“ blickte ich ihn dann erstaunt an, als er sich in seiner menschlichen Gestalt über mich beugte.
„ Ich werde dich nicht auf biegen und brechen dazu zwingen, mit meiner teuflischen Gestalt zu schlafen.“ flüsterte er mir zu. „ Zumal es mir auch keinen Spaß macht, wenn es dir keinen Spaß macht.“
„ Du meinst also es wird mir keinen Spaß machen?“ schmunzelte ich ihn an.
„ Das habe ich so nicht gesagt. Es würde dir bestimmt Spaß machen, wenn du dich dann mal überwinden kannst und bis es so weit ist...“ sah er an mir runter. „ Musst du halt mit meiner menschlichen Form vorlieb nehmen.“
„ Nichts lieber als das.“ lächelte ich ihn an und schlang meine Arme um seinen Nacken.
Ich war so überwältigt von den Glücksgefühlen, dass ich nicht mal die dicken Wolken bemerkte, die sich über unseren Köpfen zusammen zogen.
Mein tragisches Schicksal rückte in weite ferne, verblasste und verschwand schließlich von der Bildfläche. Die Gedanken an die ungewisse Zukunft verzogen sich in den dunklen Ecken meines Unterbewusstseins. Unbeschwert lebte ich in den Tag hinein, in diesem neuen Leben, wo alle um mich herum glücklich waren und mich gleich mit ansteckten.
Das Training unter den wachsamen Augen von Helios erfüllte seinen Zweck und machte mir nebenbei noch wahnsinnig viel Spaß.
Wir hatten so viel erreicht und nun war ich gewagt, mich auf meinen Lorbeeren auszuruhen. Ich wollte nicht mehr an das denken, was kommen würde, wollte mich nicht länger mit den schlechten Gefühlen befassen. Leben! Das wollte ich! Und zudem noch glücklich werden und die Personen die mir wichtig waren glücklich machen.
Das ich allerdings nicht sorgenfrei durchs Leben laufen konnte und mich das Schicksal früher oder später einholen würde, wurde mir dann bewusst, als unerwarteter Besuch vor der Tür stand...

Nichtsahnend schlenderte ich durchs Haus, bis ich im Wohnzimmer schließlich der Person gegenüberstand, die mich vor zwanzig Jahren geboren hatte.
Wie versteinert blieb ich in der Tür stehen und wollte meinen Augen nicht trauen.
Reika, meine Mutter, hatte sich über die offenstehende Balkontür Zutritt zu unserer Wohnung verschafft, fast so, als wäre dies das Natürlichste der Welt.
„ Risa...“ sah sie mich lächelnd an und kam dann auf mich zu.
„ KOMM NICHT NÄHER!!!“ brüllte ich sie erschrocken an. „ Bleib da stehen oder ich schwöre dir, ich schicke dich ohne Umwege nach Hades!!“ warnte ich sie. „ Ist Kronos hier auch irgendwo? Und wie hast du mich überhaupt gefunden?“
„ Ich bin dir gefolgt, als du Helios befreit hast und nein, dein Vater ist hier nicht.“ verriet sie mir. „ Ich habe dich die ganze Zeit über beobachtet und mich gefragt, wie ich dir am besten gegenüber treten kann. Ich habe mit den Taten von Kronos nichts zu tun, wenn ich könnte, hätte ich ihn längst aufgehalten...aber ich...bin Machtlos...“
„ Ach hör doch auf. Aus deinem Mund kommen nichts als Lügen! Du bist genauso ein Intrigant, wie es mein sogenannter Vater ist! Ich bin einmal auf euch rein gefallen, noch mal wird mir das bestimmt nicht passieren!“ zischte ich sie an und nahm gleichzeitig meine göttliche Gestalt an. „ Geh dahin zurück, wo du her gekommen bist! Oder du wirst hier dein Ende finden!“
„ Bitte nicht!“ stiegen ihr die Tränen in die Augen. „ Bitte hör mich doch an! Ich habe schon eine Tochter verloren, ich will nicht noch eine verlieren! Hör doch zu!“
„ Ich habe viel zu lange bloß zugehört und euch blind geglaubt! Zwinge mich nicht dazu!“ ich spannte meinen Bogen und zielte damit auf meine Mutter. „ VERSCHWINDE!!!“
„ Nein! Das werde ich nicht tun! Selbst wenn du mich tötest.“ blieb sie eisern vor mir stehen. „ Auch ich habe viel zu lange getan was man mir gesagt hat! Ich habe versucht Rika zu retten! Hier!“ sie zog sich den Mantel aus und zeigte mir eine große Narbe am Rücken. „ Ich habe mich Xantos in den Weg gestellt, ich wollte ihn verdammt nochmal daran hindern meinem Kind das Leben zu rauben! Aber Kronos hat mich machtlos gemacht! Er hat das Gleichgewicht zwischen Hass und Liebe zerstört und nun ist Xantos unsagbar stark und ich habe fast keine Kraft mehr.“
„ Was...?“ starrte ich sie erstaunt an.
Das da noch eine Göttin mit im Kampf beteiligt war, davon wusste ich gar nichts und erwähnt wurde das von den Schlächtern auch nicht.
„ Ich wurde bei dem Versuch sie zu retten selbst schwer verletzt.“ sie zog sich wieder richtig an und drehte sich zu mir um. „ Ich habe alles in meiner Macht stehende getan, um Rika und dich zu retten! Aber ich...konnte nichts tun!“ liefen ihr die Tränen über die Wange. „ Glaubst du denn wirklich, ich würde die Qualen einer Geburt mitmachen, wenn ich euch danach sterben sehen will?“
„ Und warum weiß ich dann nichts davon, dass noch eine Göttin an dem Kampf beteiligt war? Wieso haben mir weder Keith, noch Misaki oder Rika etwas darüber erzählt?“
„ Weil ich erst da aufgetaucht war, als es fast schon zu spät war.“
„ Aber Keith hat mit ansehen müssen, wie Rika getötet wurde! Wenn du da gewesen wärst, würde er sich doch daran erinnern!“
„ Hast du ihn überhaupt gefragt, ob er noch eine andere Göttin gesehen hat? Vielleicht empfand er dieses Detail als nicht erwähnenswert.“
„ Nein, das habe ich ihn natürlich nicht gefragt.“ kamen in mir die ersten Zweifel an der Schuld meiner Mutter auf.
„ Bitte glaub mir, ich bin nicht wie Kronos.“
Unsicher senkte ich meinen Bogen und nahm schließlich meine menschliche Gestalt wieder an. Dennoch hielt ich meine eigene Mutter auf Abstand und beobachtete sie mit Argusaugen. Bei der kleinsten falschen Bewegung würde ich gleich wieder meine göttliche Gestalt annehmen und sie zum Jordan schicken.
Es dauerte auch gar nicht lange bis Misa und Keith endlich vom Einkaufen wieder kamen. Nur so ein paar gefühlte endlose Stunden. Als die Schlächter dann ins Wohnzimmer geschlendert kamen, suchte ich sofort deren schützende Nähe und versteckte mich beinahe, wie ein kleines Kind hinter ihren Beinen.
„ Was ist los?“ harkte der Prinz irritiert nach. „ Und wer ist das? Ein Kunde? Eine Freundin?“
„ Nein, dass ist meine Mutter...“ murmelte ich.
Nun wo mein Freund an meiner Seite war, fühlte ich mich schon viel sicherer. Ich wusste ja, das mir jetzt nichts mehr geschehen konnte, das würden meine Beschützer niemals zulassen.
„ Deine was?“ blickten mich beide verblüfft an.
„ Das ist Reika, meine Mutter.“ wiederholte ich und drückte mich dabei fester an Keith.
„ Und was willst du hier?“ sah Misaki meine Erzeugerin misstrauisch an. „ Bist du hier um uns zu unterstützen, oder bist du hier um ärger zu machen?“
„ Ich möchte euch bestimmt keinen ärger machen.“ lächelte die Göttin leicht. „ Ich bin hier um mich mit Risa und Lucia auszusprechen.“
„ Ok, dann mach ich euch einen Kaffee...“ meinte der Seelendieb und schlenderte dann in die Küche rüber.
„ Und ich rufe Lucia an.“ flüsterte ich und suchte gleich im Flur nach meinem Handy.
„ Schatz? Ist alles ok?“ kam Keith langsam zu mir rüber geschlichen und umschlang meinen Körper mit seinen Armen.
„ Was will sie denn jetzt hier?“ senkte ich meinen Blick. „ Ich weiß nicht wie ich mit ihr umgehen soll.“
„ Kopf hoch, Risa.“ flüsterte er mir lächelnd zu. „ Du solltest dir anhören was sie zu sagen hat, sonst bereust du es hinterher, wenn es zu spät ist, nur.“
„ Aber kann ich ihr denn überhaupt trauen? Was ist denn, wenn ich es hinterher bereue, dass ich ihr zugehört hab?“ sah ich gequält über meine Schulter zu ihm zurück.
„ Das wirst du nur erfahren, wenn du diesen Schritt gehst.“ lächelte er und drückte mich noch fester an sich. „ Ich bin doch bei dir, dir kann nichts geschehen.“
„ Vermutlich hast du recht.“ stimmte ich ihm zu. „ Lucia ist ja zum Glück da, sie wird merken wenn Mum lügt.“
„ Genau, Schatz.“
Und so bestellte ich auch meine Schwester hier her und wartete mit den Teufelsschlächtern und meiner Mutter im Wohnzimmer auf sie.
Die Atmosphäre war zum zerreißen gespannt, was letztendlich wohl an mir lag. Bei meinem Opa oder auch Yujin, war es so einfach ihnen verzeihen zu können. Ihre edlen Absichten wurden mit jedem Detail, was ich erfuhr, immer klarer und irgendwann, ergaben die Teile ein eindeutiges Bild. Aber bei Reika war es einfach anders.
„ Schön habt ihr es hier.“ versuchte die Göttin die Atmosphäre etwas auf zu lockern.
„ Du hättest die Bude mal vor unserem neu anstrich sehen sollen, ich glaube da hättest du nicht so gedacht.“ erzählte ich ihr.
„ Ja, die Ladthaaner stehen wohl auf eine etwas düsterere Umgebung.“
„ Was soll denn das eigentlich, Mum? Was machst du ausgerechnet jetzt hier? Und warum hast du nicht vorher schon versucht mich aus den Fängen von Kronos zu befreien? Dich scheint er ja nicht einfach so beeinflussen zu können.“
„ Ich habe die ganze Zeit versucht ihn aufzuhalten. Aber meine Worte kamen nicht bei ihm an. Alle mühen waren vergebens, wenn er nicht mal vor seinen eigenen Kinder halt macht, warum sollte er dann auf mich hören?“
„ Ihr habt doch aus liebe geheiratet, oder nicht? Du hast dich als du mit mir schwanger warst auch durchsetzen können, sonst wäre ich nicht hier.“
„ Ich habe ihn geliebt, ja. Und ich liebe ihn immer noch. Aber er... er liebt mich nicht. Er hat mich bloß geheiratet, um den Thron besteigen zu können. Mehr steckt da nicht hinter.“ flüsterte sie. „ Und du bist da, weil er nicht sicher sein konnte, dass du auch wirklich die neue Göttin des Lebens wirst. Nur aus diesem Grund hat er mich gebären lassen. Dieser Mann ist kalt wie Stein und auch sein Herz muss schon bei seiner Geburt eingefroren sein. Viel zu lange habe ich gehofft, ihn mit meiner Liebe erreichen zu können. Ich folgte den naiven Plan, sein Herz erweichen zu lassen. Ich war blind vor Liebe. Blind und taub. Aber das ist nun vorbei.“ sah sie mir fest in die Augen. „ Ich werde nicht länger tatenlos dabei zusehen, wie er Kythos den Ruin bringt und nach dem Leben meiner geliebten Tochter trachtet. Ich bin mehr als bereit dazu, mich ihm in den Weg zu stellen, selbst wenn ich dabei mein Ende finden werde.“
„ Nobel... wirklich sehr nobel.“ wenn es denn dann stimmte, was sie mir hier erzählte.
„ Du glaubst mir nicht und das kann ich nur zu gut nachvollziehen.“ senkte sie ihren Blick. „ Ich würde mir an deiner Stelle auch nicht glauben. Aber eines musst du mir einfach glauben, Risa. Ich liebe dich und deine Schwestern von ganzen Herzen.“
„ Mh...“

Kurze Zeit später klingelte es dann an der Tür und Lucia traf endlich ein. Allerdings war sie nicht allein, zu unserer Sicherheit hatte sie gleich alle ihre Hausbesetzer mit gebracht. Schließlich mussten wir jeder Zeit mit einem Angriff meines Vaters rechnen.
Genau wie ich, stand meine Schwester Reika misstrauisch gegenüber und machte daraus auch keinen Hehl.
Mum ratterte ihre Erklärungsversuche von neuem herunter und berichtete uns von ihren guten Absichten. Sie erzählte von ihrem Versuch Rika zu retten und Vater von seinen Plänen abzubringen. Die Göttin war auch nur ein weiteres Opfer von den Intrigen die Kronos so peinlichst genau gesponnen hatte. Irgendwo tief in meinem inneren wusste ich das, aber der Glaube, dass meine Eltern gemeinsame Sache machten, hatte sich in meiner Seele festgesetzt und ließ sich nicht mehr so leicht abschütteln.
Mal abgesehen davon, dass der Göttervater Helios ja auch so manipulieren musste, dass seine wahren Absichten lange Zeit vor Lucia verborgen bleiben konnten. Was war denn, wenn er mit Mum genau dasselbe gemacht hatte und nun log sie uns einen vor, dass sich die Balken biegen, aber niemanden fiel das auf. Das war immerhin auch möglich.
„ Deine Mutter hat recht...“ murmelte Keith.
„ Recht womit?“ sah ich ihn an.
„ Als Rika damals starb, war da wirklich eine Göttin gewesen, die sie beschützen wollte. Ich erinnere mich nur noch vage daran und hielt es bis jetzt für eine Warnvorstellung meines schwindenden Verstandes. Aber die göttliche verschwommene Erscheinung könnte durchaus deine Mutter gewesen sein.“
„ Wirklich...?“ starrte ich ihn erstaunt an.
„ Ja, wirklich.“
„ Stimmt.“ dachte auch Misaki über diesen Verheerenden Vorfall nach. „ Auch ich habe sie gesehen, allerdings haben wir nie wirklich über diesen Vorfall gesprochen. Deshalb wusste ich auch bis dato nicht, dass du sie auch gesehen hast.“ überlegte er. „ Ich dachte das wäre nur eine Einbildung gewesen, weil ich Rika unbedingt retten wollte. Ein Engel der herab steigt und sie an unserer Stelle beschützt, oder so was in der Art.“
„ Ich hätte sie so gern gerettet...aber das lag nicht in meiner Macht.“ senkte Reika betrübt die Augen. „ Ich bin genau wie du ein entkräfteter Gott, nur das mir die Kräfte nicht von Thanatos geraubt wurden.“
„ Thanatos wird genau wie mein Vater das zeitliche Segnen. Dafür werde ich Sorgen.“ ich vertraute ihr immer noch nicht und ich wollte das Lügengeflecht von Granas nicht auffliegen lassen. Letztendlich könnte sie trotz allem ein Spion sein. „ Ob du auf unserer Seite bist, oder eben nicht, wird die Zeit zeigen.“ meinte ich und stand gleichzeitig von der Couch auf. „ Ich muss mal wohin.“
„ Ok..?“ sah mir meine Erzeugerin hinterher.
„ Ich pass auf, dass sie nicht einfach wieder verschwindet.“ schummelte sich auch Lucia aus den Raum.
„ Sie vertrauen mir nicht... aber ich habe auch mit nichts anderem gerechnet.“ seufzte die Göttin und wendete sich dann wieder den beiden Schlächtern zu. „ So und du bist also Risa's Freund?“
„ Ja, der bin ich wohl.“
Zur gleichen Zeit stand ich oben auf dem Balkon und versuchte noch mal über alles in Ruhe nachzudenken. Ich wollte keine überstürzten Entscheidungen treffen, sie war ja meine Mutter und scheinbar ein weiteres Opfer. Nur konnte ich ihr das auch glauben?
„ Hier steckst du.“ betrat meine Schwester den Balkon. „ Ist alles ok bei dir?“
„ Ja, ich denke schon.“ nuschelte ich mir einen in meinen imaginären Bart. „ Was hältst du denn von ihrer Geschichte?“
„ Ich weiß nicht.“ gestand sie mir offen. „ Ich kann zwar keine Lüge bei ihr feststellen, aber das konnte ich bei Helios anfangs auch nicht. Allerdings hat sie sich aus den Angelegenheiten unseres Vaters stets raus gehalten und sie sah dabei auch nicht gerade glücklich aus. Dann haben Keith und Misaki uns bestätigt, dass sie kam um Rika zu helfen. Ich weiß nicht, aber für mich klingt das nicht so, als würde sie mit Kronos gemeinsame Sache machen. Mum kann sich einfach nicht gegen ihn wehren und da ist sie leider nicht die Einzige.“
„ Also meinst du, wir können ihr vertrauen?“
„ Ich weiß nur, dass wir sie jetzt nicht mehr nach Kythos zurückgehen lassen können. Zum einen weiß sie wo du wohnst und zum anderen, falls sie Vater wirklich den Rücken gekehrt hat, ist sie in genauso großer Gefahr wie wir auch.“
„ Wir könnten aber auch in großer Gefahr sein, wenn sie hier bleibt und Vater zu uns lockt.“ seufzend sah ich in den Himmel, ehe ich weiter sprach. „ Wir stehen so kurz vor dem Ziel, da dürfen wir kein unnötiges Risiko eingehen.“
„ Sagt diejenige, die das Risiko nur so anzieht.“ schmunzelte sie leicht. „ Oder wer hat vor wenigen Tagen noch die Höhle des Löwen unsicher gemacht?“
„ Das war was anderes. Bei Helios war und bin ich mir immer noch sicher, dass er nur wegen seiner Trance so gehandelt hatte. Ihr kann ich einfach nicht vertrauen. Sie steht diesem verlogenen Göttervater zu nah. Es würde mich nicht mal wundern, wenn sie uns verrät, nur um ihm zu imponieren. Es mag ja sein das sie uns liebt, aber liebt sie ihn nicht vielleicht noch mehr?“
„ Das glaube ich nicht. Sie war bereit für Rika zu sterben und von dieser versuchten Rettungsaktion wusste Vater garantiert nichts. Gehen wir mal davon aus, dass sie wirklich auf unserer Seite ist, willst du sie da als Verräterin zurück nach Kythos kehren lassen? Du weißt das sie das kaum überleben würde.“
„ Nein, sie kann natürlich hier bleiben.“ murmelte ich.
„ Ich kann sie aber auch mit zu mir nehmen. Ein bisschen Platz hab ich wohl noch.“
„ Ist schon ok. Hier ist auch noch ein Zimmer frei und zum anderen bin ich ja nicht völlig Schutzlos, falls der unfähige Herrscher hier auftaucht.“
„ Also geben wir ihr eine Chance?“
„ Haben wir denn eine andere Wahl? Ich denke nicht. Sie ist immerhin unsere Mutter und wenn du keine Lügen feststellen kannst, dann gehört sie doch quasi...zu uns?“
„ Du scheinst mit der Entscheidung aber nicht wirklich glücklich zu sein.“
„ Es liegt einfach nur daran, weil ich mich nicht mal daran erinnern kann, ob Mama mich überhaupt mal in den Arm genommen hat. Rika, du, Granas, Charon und Elara, ihr habt euch um mich gekümmert. Nicht meine Eltern, wenn sie also nicht besessen war, wo war sie denn dann?? Mag ja sein das sie sich durchgesetzt hat, als sie mich bekam... aber danach... da hat sie mich an ihrer Kälte erfrieren lassen.“
„ Und doch hat sie alles getan, um dich zu beschützen. Sie hat die Wache beauftragt dir von dem Geheimgang zu erzählen, sie stand an vorderster Front, als die Teufel eingefallen waren und sie gab dir den Rest ihrer verbleibenden Mächte, damit du dich zur Wehr setzen kannst. Mag sein das sie sich vor den Augen von Kronos gefügt hat, aber hinter seinem Rücken hat sie dir den Weg in die Freiheit geebnet.“ erzählte Lucia mir. „ Ich weiß nicht wie weit sie noch beeinflusst wird, deshalb ist Vorsicht geboten. Aber für den Fall das sie sich loseisen konnte, müssen wir sie nun beschützen.“
„ Wenn das wirklich alles stimmt, dann hast du recht. Jeder hat wohl eine zweite Chance verdient. Jeder, außer Kronos.“
„ Genauso sieht es aus. Dann lass uns zurück zu den Anderen gehen.“
„ Ja.“ nickte ich.
Gemeinsam schlenderten wir zum Wohnzimmer hin, wo wir schon sehnsüchtig erwartet wurden.
„ Was habt ihr denn so lange auf dem Klo gemacht?“ grinste uns Misa schief an.
„ Nur Mädchenkram. Also nichts was du wissen solltest.“ konterte Lucia. „ Und nebenbei sind wir zu einem Entschluss gekommen.“
„ Und wie sieht der aus?“ wollte Mum dann wissen.
„ Es wäre viel zu gefährlich dich wieder weg zu schicken. Für mich und genauso auch für dich. Deshalb kannst du hier bleiben.“ murmelte ich. „ Aber glaube ja nicht, dass wir jetzt einen auf heile Welt machen, ok?“
„ Natürlich nicht. Ich weiß das ich vieles falsch gemacht habe, aber ich hoffe das ich meine Fehler wieder gerade bügeln kann.“
„ Die Chance räumen wir dir wohl ein.“
Und so kam es, dass sich eine weitere Göttin unserer Truppe anschloss, die ganz unterschiedliche Gefühle bei uns weckte.
Ich für meinen Teil trat ihr mit einer gesunden Portion Zweifel gegenüber, während Misa der 'blonden Frau' weites gehend aus dem Weg ging. Er wollte ja vieles in seinem Leben erreichen und die wahre große Liebe gehörte da definitiv auch zu, aber mein Stiefvater wollte er nun nicht werden. Deshalb mied er die Person, die ihm das Schicksal geschickt haben könnte.
Patty allerdings freute sich darüber, unsere Mutter mal kennenlernen zu dürfen und noch mehr erfreute es sie, dass sie zu uns stehen wollte. Ein Umstand, der ihr ein leben lang verwehrt blieb. Die Kinder gehörten zu ihren Eltern, dieser Überzeugung folgte sie mit eisernem Willen und wenn wir schon unseren Vater verloren hatten, so sollten wir froh darüber sein, dass wir eine Mum hatten.
Das sie dann wenige Tage später auch noch auf unseren Erzeuger traf und das mit einer verheerenden Auswirkung, hätte ich ihr zu gern erspart. Ich wollte sie nicht in meine Probleme mit hineinziehen und doch hatte ich das genau an dem Tag getan, als ich sie zu uns holte und nun sollte ich einen hohen Preis dafür zahlen.
Wir steckten gerade in den Vorbereitungen um das neue Jahr gebührend zu empfangen und gleichzeitig alle bösen Geister zu vertreiben, als das Unglück seinen Lauf nahm...

Eine riesige Explosion erschütterte die Umgebung und brachte Häuser zum einstürzen. Bäume wurden aus dem Boden gerissen und für einen kurzen Moment glaubte ich, dass der Himmel auf uns herab stürzte.
Gott sei Dank war Granas zu Stelle, der die unschuldigen Menschen und uns mit seiner magischen Barriere beschützte.
„ Was?“ blickte ich mich erschrocken um.
Ich hatte Hanon und Patty schützend an mich gedrückt und befahl den beiden das Weite zu suchen und sich irgendwo zu verstecken. Sie durften keinesfalls wieder aus ihrem Versteck heraus kommen, was auch immer sie gleich hörten oder sahen.
„ Endlich habe ich dich gefunden, du missratene kleine Göre.“ starrte mich Kronos mit seinen kalten Augen an. „ Das Versteckspiel hat nun ein Ende und genauso wirst du hier, in deiner geliebten Welt der Sterblichen, deinen Untergang finden. Die Schonfrist ist vorbei, nun wirst du für deinen Verrat büßen!“
Mit dem Göttervater erschienen unzählige seiner übriggebliebenen Soldaten, die gleich ihre Waffen zogen und sie gegen uns richteten. Sie wollten Blut fließen sehen, was man deutlich an ihren Blicken erkennen konnte.
„ Und du, mein untreues Weib, wirst mit ihnen untergehen! Niemand der sich mir widersetzt kommt ungestraft davon. Sprecht euer letztes Gebet, ihr Ratten!“ wieder regneten seine Attacken auf uns herab.
Der Göttervater schien jetzt völlig von Sinnen zu sein, ohne Rücksicht auf Verluste knallte er uns seine Mächte um die Ohren und folgte scheinbar den irrwitzigen Plan, diesen Planeten dem Erdboden gleich zu machen.
Die Schreie der umher rennenden Sterblichen betäubten einen die Ohren und dann die lauten Explosionen und das Chaos war perfekt.
Verängstigt hielten sich die Jugendlichen die Ohren zu und hofften inständig, dass wir als Sieger aus diesem Kampf hervor gingen.
„ Hör auf!“ brüllte ich ihn an. „ Willst du die Menschen etwa mit in deinen grausamen Krieg hinein ziehen? Bist du denn jetzt völlig durchgeknallt??“
„ Halt dein dreckiges Schandmaul! Ich habe dir genug Chancen eingeräumt, diesen Krieg friedlich zu beenden, aber du wolltest ja nicht hören. Jeder Mensch der nun stirbt, geht auf deine Kappe!“
„ Aus deinem Mund kommt nichts als Müll! So war das schon immer und so wird es wohl auch immer bleiben.“ nun gut, wenn er es so haben wollte dann musste es halt sein. „ Glaubst du denn immer noch, du hättest auch nur die geringste Chance gegen uns? Wie viele Denkzettel müssen wir dir denn noch verpassen, bis du es endlich kapierst?“
„ Ich werde dir deine Großkotzige Art noch austreiben! ZUM ANGRIFF!!!“ befahl er und seine Soldaten folgten. „ Lasst niemanden am Leben, ich will Köpfe rollen sehen! Rottet sie bis auf den Letzten aus! Das wird allen eine Lehre sein, niemand kann sich mir ungeschoren in den Weg stellen! NIEMAND!“
Feinde, die vor langer Zeit mal Freunde waren, gingen aufeinander los, dabei sollten wir alle ein gemeinsames Ziel verfolgen. Schließlich verschwand auch Kythos auf kurz oder lang, wenn wir nichts dagegen unternahmen. Der Verfall unserer Heimat stand auf dem Spiel und diese Idioten kämpften auf der falschen Seite.
„ Hört auf!“ forderte ich den Überbleibsel der Königlichen Armee auf. „ Merkt ihr denn nicht, das ihr einem unfähigem Trottel folgt! Wacht auf und lasst euch nicht länger vom ihm blenden!“ dank der Hilfe des Sonnengottes konnte ich nun auch mit dem Schwert besser umgehen und parierte die Hiebe gekonnt, gleichzeitig rief ich nach meinen Wächtern, die schon kurze Zeit später bei uns aufschlugen und unsere alarmierende Unterzahl etwas ausglich. „ Das Reich der Götter wird fallen wenn Ladthaa verschwindet! Eden ist schon dem Untergang geweiht, von Ladthaa brauchen wir gar nicht sprechen und dann wird auch die Erde verschwinden. Wollt ihr das wirklich verantworten?“
„ Du konntest vielleicht unseren missratenen General und ein paar Pappnasen einlullen, aber bei uns gelingt dir das nicht! Wir folgen dem Richtigen, unseren geliebten König Kronos!“ prallten meine Worte einfach an ihm ab.
„ Ihr folgt einem König, der euch ohne mit der Wimper zu zucken opfern würde! Er hat eure Loyalität doch gar nicht verdient! Mach endlich die Augen auf, bevor du in dein Verderben rennst!“
„ LÜGEN!! NICHTS ALS LÜGEN!“ kreischte er mich an und kickte mich mit einer Attacke zurück, die mich kurz ins Wanken brachte. „ Kronos hat uns bereits vor dir gewarnt! Du stehst auf der Seite der verlogenen Teufel! Du wirst Kythos den Untergang bringen, nicht unser König!“
„ Das hat keinen Sinn, Risa!“ brüllte mir Misaki zu. „ Konzentriere dich aufs kämpfen und nicht aufs labern!“
„ Kronos macht vor gar nichts halt!“ schoss ich nach vorne und beförderte einige Wachen gegen die nächstbeste Wand. „ Nicht vor seiner Familie, nicht vor seinen Untergebenen, nicht mal vor den Menschen, die unserem Schutz unterliegen.“ knallten die nächsten Götter gegen Mülltonnen oder Laternen. „ Er ist die Personifizierte Boshaftigkeit und schlimmer noch als der brutalste Teufel unserer Zeit!“ mit festen Schritten ging ich auf meinen Erzeuger zu und jede Attacke seiner Armee prallte einfach an meinem Schutzschild, was Opa mir gab, ab und zerschellte an den Häusermauern. Jeder Krieger, der sich mir in den Weg stellte, wurde von mir aus dem Weg geräumt. „ Er ist das wahre Monster hier!“
Während ich mich zu meinem Vater durch kämpfe, der mich quasi mit einem breiten Grinsen erwartete, tauchte auch Charis auf, um uns zu unterstützen.
„ DAS REICHT JETZT!“ schrie sie und trat mit viel Tamtam auf die Bildfläche.
Alle Streithähne wurden von ihr mit einem mächtigen Sturm auseinander geschleudert und danach blendete sie uns mit einem grellen Licht.
Mit ihr betrat auch Yuri den Ring und gemeinsam verfolgten sie nur einem Plan: Sie wollten die Götternation wach rütteln.
Nicht mal vor mir machten sie halt und beförderten mich kurzer Hand zurück zu meinen Verbündeten, zurück auf meine Seite, wenn man es so sehen wollte.
Zwischen Vaters Armee und uns standen nun die Vergangenheit und die Zukunft.
„ Es wird Zeit euch euer Schicksal zu zeigen, sollte Kronos gewinnen!“ rief die Schicksalsgöttin und erschuf eine riesige Kugel, die einen Blick in die Zukunft preisgab.
In dieser Kugel sah man Kythos, wie es langsam auseinander brach, der Himmel färbte sich rot und jeder Stern verlor sein Licht. Die Sonne implodierte und verschwand mit einem gewaltigen Feuersturm. Ein schwarzer Schleier legte sich um den Mond, ließ ihn komplett erschwärzen und schließlich tauchte er im ewigen dunklen Nichts ein. Jeder einzelne Gott verschwand von der Bildfläche, solange, bis nicht einer mehr übrig war.
Dann verschwand die Erde und mit ihr das bisschen Leben, was sich eisern gegen die Dunkelheit gestellt hatte. Zurück blieb nichts, außer gähnender Leere.
„ Seht genau hin! Das ist die Zukunft die euch erwartet! Eine Zukunft in der ihr nicht mehr leben werdet!“
„ Und nun eröffne ich euch das wahre Gesicht eures geliebten Königs!“ schnalzte Yuri mit der Zunge und so ging die Diashow in die nächste Runde.
Allerdings handelte es sich jetzt um die Vergangenheit. Er zeigte uns, wie Kronos Cecilia und Granas beeinflusst hatte, wie er seinem eigenen Vater den Willen nahm und ihn so zu einer hirnlosen Marionette machte. Wir sahen uns den Untergang Ladthaa's noch einmal an und tatsächlich traten die ersten Zweifel in die Augen seiner Untertanen. Als sie dann noch mit ansehen mussten, wie unserer Erzeuger Rika ins offene Messer laufen ließ, wurde das Getuschel immer größer. Zum Schluss zeigte Yuri uns den hinterhältigen Angriff auf Kythos, der so vielen unschuldigen Seelen das Leben gekostet hatte und wo Kronos, der mächtige und faire Herrscher, nicht einen Finger krumm gemacht hatte, um die Teufel wieder zu vertreiben. Stattdessen sah er von dem Balkon dabei zu, wie ein alles verschlingendes Feuer übers Land zog.
„ Glaubt ihr immer noch, das ihr auf der richtigen Seite steht?“ beendete der Gott den Rückblick mit einer einfachen Handbewegung. „ Hier!“ zeigte er auf uns. „ Diese zusammen gewürfelte Gruppe kämpft für den Erhalt des Universums und ihr!“ zeigte er auf die Gegenseite. „ Ihr kämpft für euren eigenen Untergang!“
„ Das kann doch gar nicht sein... oder doch...was...geht hier vor sich?“ murmelten sie wild durcheinander.
„ Glaubt ihnen kein Wort! Das sind nicht als Lügen! Sie wollen uns vernichten, jeden einzelnen von uns!“ hielt Vater dagegen. „ Macht sie fertig! LOS!“
„ Der einzige der hier lügt bist du!“ trat Lucia in die Mitte. „ Warum bin ich da nicht vorher drauf gekommen?“ schüttelte sie leicht seufzend den Kopf. „ Ich werde euch dabei helfen, das Lügengeflecht zu durchschauen, schaut nun der Wahrheit ins Gesicht!“
Die Göttin konzentrierte ihre Kräfte und schickte eine Druckwelle von sich, die den Göttern den Glanz ihrer Augen zurückbrachte.
Ein sanfter Schein legte sich um ihre Körper, gefolgt von einem Schimmern und Glitzern.
Die ersten Feinde sahen ihren König an und rissen dann entsetzt die Augen auf, als sie sich aus seinem Bann befreien konnten.
Immer mehr wechselten kurzer Hand die Seiten und erhoben ihre Waffen gegen ihren Führer. Nur eine Handvoll Idioten, bei denen die Loyalität vor der Wahrheit kam, blieben an der Seite des Göttervaters.
„ IHR NICHTSNUTZIGEN VERSAGER!!“ wütete Kronos. „ Ihr wollt also unbedingt mit denen untergehen? Dann werde ich euren Wunsch erfüllen!“ plötzlich preschte er mit einem Blick auf uns zu, der vor Hass und Wut nur so triefte.
Wie von sinnen, oder im Blutrausch, fegte er die Krieger der ersten Reihen beiseite, so das diese wie Papierflieger nur so durch die Gegend flogen. Wäre dies hier ein Marvel Comic, wäre mein Vater nun vermutlich der unbesiegbare Hulk, der seine Widersacher mal eben so weg schleuderte. Die Männer gingen gemeinsam auf ihn los und wurden gemeinsam gegen das nächstbeste Auto getreten.
Man sagte ja, dass Menschen die in einer ausweglosen Situation steckten plötzlich über eine unglaubliche Kraft verfügten, wie man hier sah, galt das auch für die Götter.
Mein Vater wurde in die Enge getrieben und holte nun zum Gegenschlag aus. Er wusste, dass er bald allein sein würde, wenn das so weiter ging und genau dieses Wissen ließ ihn nun Amok laufen.
Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glatt meinen das der unter Drogen, oder Aufputschmittel stand. Es war ja nicht so, als könnten wir ihm nichts mehr anhaben, wir versenkten schon den ein oder anderen Treffer, aber er schien davon so überhaupt nichts zu spüren. Das sein Blut vergossen wurde kratzte ihn nicht mal am großen Zeh, so machte es jedenfalls den Anschein.
Man könnte auch sagen, er walzte uns einfach nieder und säte neue Sprösslinge.
„ Nun zu euch!“ sah er mich mit Stier-artigen Augen an, die ein rotes Tuch vors Gesicht gehalten bekamen.
„ Vorsicht, Risa! Der macht ernst! Bleib auf Abstand.“ riet mir Charon und stürzte sich im nächsten Atemzug todesmutig auf den Göttervater.
Auch Elara folgte seinem Vorbild und stürmte auf den Gott zu.
Sie schlugen mit allem zu, was sie zu bieten hatten und verfehlten ihr Ziel dabei nicht ein mal. Aber auch dies konnte den übergeschnappten Bullen nicht stoppen.
„ Ihr lästigen Schmeißfliegen!“ brüllte er und befreite sich mit einer starken Druckwelle von dem Ungeziefer.
Völlig außer Atem und mit einem gefährlichen Leuchten in den Augen stand er vor uns, als er seinen nächsten Angriff vorbereitete und diesen direkt auf mich abfeuerte.
„ Risa!! Vorsicht!!“ kreischten meine Wächter im Chor, aber ihre Sorge blieb unbegründet, denn letztendlich hatte er es gar nicht wirklich auf mich abgesehen, die Macht die auf mich zugeflogen kam war nichts weiter als ein Ablenkungsmanöver.
Deshalb hatte ich auch keine Probleme dabei, der drohenden Gefahr auszuweichen.
Die ganze Aufmerksamkeit lag nun auf mich und meiner Sicherheit, deshalb entdeckte Mum die heran fliegende, verheerende Macht viel zu spät...
Ich hätte es wissen müssen, mir hätte klar sein müssen, das er sich zu erst an dem frischen Verräter rächen würde. Aber das er so weit ging und selbst seine Frau töten wollte, die er, das dachte ich bisher zu mindestens, liebte. Allerdings hatte ja selbst Reika etwas anderes verlauten lassen und wie man sah, hatte sie damit vollkommen recht.
„ Mum!!“ riefen Lucia und ich um die Wette.
Die verheerende Attacke und der damit verbundene Rückstoß war so heftig, das sie hinter ein Auto geschleudert wurde.
„ Oh nein!“ lief ich erschrocken auf sie zu.
Als sie dann wieder aufstand und scheinbar unversehrt war, machte sich im ersten Moment Erleichterung breit, die sich dann aber wieder in blankes Entsetzen umwandelte, als sie den Grund ihrer Unversehrtheit auf dem Arm trug.
„ Patty...“ stockte mir der Atem. „ Bitte nicht...“
„ Warum hast du das nur getan...?“ liefen meiner Mutter die Tränen über die Wange. „ Warum wirfst du ausgerechnet für mich dein Leben weg?“
„ Weil...weil... R-Risa... nur eine Mutter hat und...die sollte sie nicht...“ stammelte das Mädchen vor sich hin. „ ...nicht.... verlieren...“
„ Aber du hast doch mit dem ganzen Mist nichts zu tun.“ drückte Reika sie fester an sich. „ Du hättest das nicht tun dürfen.“
Nun war auch ich an einem Punkt angekommen, wo ich vollkommen außer Kontrolle geriet.
Mit einer Wut im Bauch die ich nicht bändigen konnte ging ich auf den Göttervater los. Mein Hass vermischte sich mit der Trauer und machte aus mir eine unkontrollierbare Kampfmaschine.
Während die beiden Schlächter, Hanon und ein paar andere engere Freunde zu dem verletzten Mädchen hin liefen, ließ ich meinen gesamten Zorn an Kronos aus.
Es prallten zwei Giganten aufeinander, dessen verheerende Kräfte den Boden aufreißen ließen. Wenn da irgendwo, irgendwann, irgendwelche Zweifel waren, ob ich meinen Vater wirklich umbringen könnte, dann waren diese nun vollkommen verstummt.
Ich war nicht mehr in der Lage auf meine Umgebung oder die Leute zu achten, meine Mächten unterschieden nicht länger, ob gut oder böse. Ich hatte komplett die Kontrolle über mich verloren und verfolgte nur noch einen Wunsch: Ich wollte Kronos töten!
Ich hatte meinen inneren Fluss ja nun schon das ein oder andere mal zu rate gezogen, aber dies hier war das erste mal, dass ich die gesamte Kraft herauf beschwor und ich war absolut nicht in der Lage, meinem Blut die Stirn zu bieten.
Sie raubten mir meinen Willen, meinen Verstand und setzten mich in einen ähnlichen, alles egal Rausch, wie es bei meinem Erzeuger den Anschein machte.
Neben den Attacken, die ich Kronos entgegen schleuderte, prallten auch diverse andere Zauber gegen das Schutzschild, was Opa netterweise erschaffen hatte. Diese Zauber wollten allerdings den dunklen Seelen an den Kragen, die sich dort hinter befanden.
Als Kronos dann bemerkte, das er gegen meine Blutmächte nicht ankam, schützte er sich mit einem Schutzschild, das ich, das glaubte er zu mindestens, nicht durch brechen konnte.
Dieser feige Hund gönnte sich eine Verschnaufpause, aber nicht mit mir! Ich schlug mein Schwert gegen sein Schild und verstärkte meine Kräfte so stark, das sich ein regelrechter Sturm um mich bildete, der Fensterscheiben zum platzen brachte, selbst die Lampen der Laternen zersprangen. Von den Autoscheiben mal abgesehen. Das meine Freunde auf mich ein schrien und Granas eine Barriere um meine Verbündeten legen musste, bekam ich nicht mit. Einzig die kleinen Risse in Vaters magischer Hülle bekamen meine volle Aufmerksamkeit geschenkt und dann brach sein Schutz auseinander.
Noch während ich auf ihn herab sauste holte ich aus und stieß mein Schwert in seinen Oberkörper.
Vor Schmerzen aufschreiend stieß er mich mit einer Welle weg. Dadurch schlitterte ich einige Meter zurück und wollte den Rückstoß gleich wieder verwenden, um vorwärts zu preschen, allerdings packte mich jemand von hinten und verhinderte meinen letzten Schachzug so.
„ Risa, hör auf!“ schrie mich Keith an.
Aber nicht mal er konnte mich beruhigen, ganz im Gegenteil, es machte mich noch rasender, das ich von meiner Rache abgehalten wurde und so katapultierte ich ihn gegen die nächste Wand. Was mir natürlich furchtbar leid tat... hinterher...
Ich raste gleich wieder auf dem am Boden knienden Gott zu, kam aber nur wenige Schritte weiter, da mich der Prinz gleich von neuem aufhielt. Nun aber ein bisschen energischer und so machte mein Rücken schmerzhafte Bekanntschaft mit einer Autotür. Gegen die stieß er mich nämlich und hielt mich dort gefangen.
„ Lass mich los, Keith! Dieser Wichser entkommt mir noch!!“ brüllte ich ihn an und versuchte ihn vergebens weg zu drücken. „ HÖRST DU SCHLECHT??? DU SOLLST MICH LOS LASSEN!!!“ und dann verschwand mein verblödeter Erzeuger auch noch, was das Fass nun vollends zum überlaufen brachte.
In meiner Verzweiflung, meinem Zorn und meiner Trauer schickte ich eine letzte, alles vernichtende Druckwelle von mir.
Als ich dann den vollen Ausmaß meiner Kopflosen Aktion sah, wurde mir erst richtig bewusst, was ich getan hatte.
Keith wurde von mir, mal wieder, weg geschleudert und landete unsanft gegen einige Mülltonnen, dessen Deckel nun über die Straße kullerten. Er blutete und hatte am ganzen Körper tiefe Wunden, was aber auch kein Wunder war, schließlich waren meine Mächte gegen das Dunkle besonders effektiv.
Meinem Opa sah man die Anstrengung, die schützende Barriere bei meinen unkontrollierten Attacken aufrecht zu erhalten, sichtlich an. Er war völlig erschöpft und erleichtert zugleich, dass der Sturm endlich ein Ende fand. Granas ließ das Schild wieder verschwinden und sackte erschlagen in sich zusammen.
Die komplette Umgebung glich dem Aussehen nach einem Bombenangriff.
Erst als ich an mir runter sah bemerkte ich, dass ich scheinbar verletzt war, denn meine Klamotten waren Blutverschmiert und an einigen Stellen, wie zum Beispiel meinen Beinen, lief mir das rote Gold in Strömen runter.
Ich war entsetzt über mich selbst und meine Taten, die ich begannen hatte, ohne dabei auch nur eine Sekunde an die Anderen zu denken.
„ Was habe ich nur getan...?“ flüsterte ich und sah dann zu Patty rüber, die bereits das Bewusstsein verloren hatte. „ Patty!!“ riss ich erschrocken meine Augen auf und raste zu ihr hin, um mich dann neben ihr auf die Knie fallen zu lassen.
„ Mach doch was, Risa!“ weinte Hanon. „ Sie wird sterben wenn du nichts unternimmst! Bitte rette sie!“
Ich heilte ihre Wunden, aber leider war es damit nicht getan. Ich spürte das ihre Lebenslinie nicht wieder zunahm, also gab es nur einen Weg um sie zu retten. Nur was geschah, wenn ich einem Sterblichen mein Blut zu trinken gab? Ich wusste es nicht, bisher war mir kein Fall bekannt, wo dies eingetroffen war. Also musste ich das wohl auf eigene Faust herausfinden. Es gab keinen anderen Weg, um sie zu retten.
Deshalb suchte ich den Boden nach etwas ab, womit ich mir in den Arm schneiden konnte. Meine Wunden waren längst schon wieder verheilt, deshalb musste ich mir eine neue zufügen. Zum Glück war es in diesem Chaos hier nicht wirklich schwer etwas scharfes zu finden und so griff ich nach einer etwas größeren Glasscherbe um schnitt mir damit in den Arm. Das Blut was dann heraus trat gab ich Patty zu trinken.
„ Wird sie das retten?“ sah Hanon ihre Freundin hoffnungsvoll und mit Tränen gefüllten Augen an.
„ Ich hoffe es...“ flüsterte ich.
Einige Zeit passierte nichts und so hatte Keith genug Zeit um zu uns rüber zu kommen und sich neben mir hin zu knien. Seine Wunden waren auch schon verheilt, was mir ein kurzer Blick auf seinen Körper verriet. Deshalb brauchte ich mir also keine Gedanken mehr zumachen. Auch gegen dieses bisschen Aura von mir konnte er sich erfolgreich wehren.
Ein paar quälende Minuten später leuchtete Patricia's Körper plötzlich in einem grellen, weißen Licht auf, was uns alle blendete.
Ich spürte wie sich ihre Lebenslinie wieder verfestigte, aber damit nicht genug, sie veränderte sich auch und als die Luft wieder rein war, verstand ich warum.
Durch mein göttliches Blut war das Mädel nun zu einer halben Göttin geworden und wenn das noch nicht aufregend genug wäre, hatte sie nun den Körper einer Erwachsenen. Sie hatte mein wahres Alter angenommen und gleich mal fünf Jahre übersprungen.
„ Oh Gott sei dank...“ flüsterte ich und verbarg mein Gesicht mit den Händen.
„ Was ist denn jetzt passiert?“ harkte die Brünette erstaunt nach.
„ Durch Risa's göttliches Blut ist Patty nun zu einer halben Göttin geworden.“ versuchte Opa das Phänomen zu erklären. „ Ihr neuer Körper hat gleich ihr Alter angenommen, wie es scheint. Also dürfte Patricia nun zwanzig Jahre alt sein.“
„ Sie ist also über dem Berg, ja?“
„ Ja, das ist sie.“ nickte Granas, während er nochmals ihren Zustand überprüfte. „ Vom Menschen zum Gott, das ist bestimmt kein Pappenstiel. Wir sollten sie nach Hause bringen, damit sie sich ausruhen kann. Und was ist mit dir Risa?“ wendete er sich mir zu. „ Bist du auch ok?“
„ Sicher...“ flüsterte ich und stand dann auf, um mein Schwert von der Straße aufzusammeln.
Schweigend nahm ich es in die Hand und betrachtete das Blut daran. „ Was ist nur mit mir geschehen...?“ betrübt schaute ich mir die verwüstete Landschaft an und senkte dann bestürzt meinen Blick. „ Ich bin ein Monster...“
„ Nein, das bist du nicht.“ trat Helios auf mich zu. „ Du bist nur noch nicht in der Lage deine neuen Mächte richtig zu kontrollieren und das ist keine Schande. Das ist nichts, was man nicht lernen kann.“
„ Das ist keine Schande?“ starrte ich ihn aufgebracht an. „ Wenn Granas euch nicht beschützt hätte, dann hätte ich jeden einzelnen von euch ins Jenseits befördert! Wenn das keine Schande ist, was denn dann?“
„ Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen. Wir alle mussten Fehler machen, um daraus zu lernen. Niemand erwartet von dir, dass du perfekt bist und alles auf Anhieb beherrschst. Deine Fähigkeiten stecken noch in den Kinderschuhen und müssen erst das Laufen lernen, ehe sie anfangen können zu rennen.“ versuchte er mich zu beruhigen. „ Mit ein bisschen Übung wirst du deine Kräfte unter Kontrolle halten können und das gerade war eine besondere Situation. Niemand nimmt dir deinen Ausbruch übel.“
„ Doch...“ sah ich auf mein Schwert und stieß es dann neben ihm in den Boden. „ Ich nehme mir diesen Ausbruch übel. Weil ich euch damit in Gefahr gebracht habe, weil ich verdammt noch mal zu dem Monster wurde, was Kronos aus mir machen wollte. Ich mache im Moment zu viele Fehler, irgendwann kann ich sie nicht mehr gerade biegen. Derartige taten wie eben, kann und darf ich mir nicht erlauben! Es steht zu viel auf dem Spiel.“
Jetzt war alles noch einmal gut gegangen. Patty lebte, aber dafür stellte ich ihr komplettes Leben auf den Kopf. Mal abgesehen davon, dass ich niemals wollte, dass sie in meinen Kampf mit hinein gezogen wurde. Ich wollte einfach nur, dass sie Glücklich war.
Ich bemerkte das Helios mit mir redete, aber was er sagte kam bei mir nicht an. Stattdessen drehte ich mich Wortlos von ihm weg und breitete meine Flügel aus, um mir einen Platz zu suchen, wo ich wenigstens für ein paar Minuten allein sein konnte.
„ Risa!“ rief mir der Sonnengott hinterher. „ Nun hau doch nicht einfach ab. Man, sie erwartet viel zu viel von sich. Diesem Bild kann sie gar nicht gerecht werden.“

Mein Weg führte mich über die Dächer der Stadt, bis ich schließlich an einem Wald ankam, in dem sich ein kleiner See befand. Dort landete ich am Ufer und betrachtete mein Blutverschmiertes Spiegelbild im Wasser.
Immer wieder stiegen in mir die Bilder auf, in denen ich völlig Kopflos auf meinen Vater los ging. Wo ich meine Umgebung ohne Rücksicht auf Verluste dem Erdboden gleich machte und meine Freunde, die Personen die mir am meisten bedeuteten, in große Gefahr brachte. Das war doch nicht ich! Es war fast so, als hätte ich neben mir gestanden und einem wütenden Orkan tatenlos dabei zugesehen, wie er über das Land sauste und nichts als Zerstörung hinter ließ. Ich verstand einfach nicht, wie ich so unvorsichtig sein konnte. Welcher Teufel war in mir erwacht, dass ich solch eine Verwüstung anrichtete? Große Macht brachte auch gleichzeitig große Verantwortung mit sich. Vielleicht war das die Seite in mir gewesen, die mich zu einem größenwahnsinnigen und Machtbesessenen Gott mutieren ließ. So gesehen also die Gene meines Erzeugers. Ich fürchtete mich, ich fürchtete mich vor mir selbst!
Außerdem ertrug ich das ganze Blut nicht mehr, deshalb warf ich mich ins bitterlich kalte Nass und spülte mir das rote Zeug von der Haut und der Kleidung. Blutrünstige Monster, das traf wohl eher auf die Götter zu.
Vom Ufer aus beobachtete ich den rötlich schimmernden Schleier dabei, wie er sanft vor sich hin schaukelte und schließlich zur Mitte des Sees getrieben wurde.
Kurz darauf landete Keith bei mir, der mich natürlich niemals allein davon fliegen ließ. Eigentlich wollte er sich im Hintergrund aufhalten, um mir meine scheinbar benötigte Auszeit zu gönnen, als er dann allerdings meine nassen Flügel, die völlig durchnässte Kleidung und meine bläulichen Lippen entdeckte, kam er gleich auf mich zu geschossen und drückte mich erschrocken an sich, um mich vor dem Erfrieren zu bewahren. Erst da bemerkte ich ihn, obwohl ich seine Aura eigentlich schon vom weitem bemerkt haben müsste. Schockiert sah ich zu ihm zurück, als er seine Schwingen um meinen Körper lehnte und seine Temperatur merklich anhob.
„ Sag mal spinnst du?“ fauchte er mich auch gleich an. „ Du kannst dich doch nicht bei dem kalten Wetter in die Fluten stürzen. Willst du unbedingt erfrieren, oder was?“
„ Nein...natürlich nicht.“ murmelte ich.
„ Und was in Gottes Namen tust du dann hier? Dich kann man wirklich nicht mal ne Millisekunde aus den Augen lassen!“
„ Ich wollte mir bloß das Blut abwaschen, mehr nicht.“
„ Hättest du das nicht auch zuhause unter der Dusche tun können? Warum suchst du nur immer das Weite, wenn dich etwas bedrückt?“ meckerte er weiter und drehte mich gleichzeitig zu sich um. „ Wann hörst du nur auf, dich selbst so unter Druck zu setzen? Das kann auf Dauer nicht gut für dich sein.“
„ Darüber zerbreche dir mal nicht deinen Kopf.“ nuschelte ich.
Seufzend sah er mich an und strich mir dann vorsichtig durchs Gesicht, ehe mich wieder an sich drückte. Egal was er nun sagte, oder wie viel Wahrheit in seinen Worten steckte, es würde mich eh nicht erreichen. Also gab er es auf, mich belehren zu wollen und starrte lieber durch die Gegend, während er mich mit seinen Armen fest umschlossen hielt. Nicht eine Silbe kam mehr über seine Lippen und so standen wir einfach nur da. An diesem See im Wald und keiner wagte es die Stille auch nur an zu kratzen.
Irgendwann allerdings bekam ich mein Zittern nicht mehr unter Kontrolle und zudem war es trotz allem äußerst Gefährlich für mich meine Aura zu lange preiszugeben.
„ Wir sollten nach Hause gehen, Risa. Du holst dir hier noch den Tod, entweder durch eine Erkältung, oder durch Xantos, der von deiner Aura angelockt wird.“
„ Ja. Vermutlich hast du recht.“ stimmte ich ihm zögernd zu.
„ Natürlich hab ich recht.“
Ich nahm also meine trockene, warm eingepackte Menschengestalt wieder an und auch mein Freund folgte diesem Beispiel.
Gemeinsam schlenderten wir dann zurück nach Hause, wo die anderen schon auf uns warteten.
„ Da bist du ja endlich wieder!“ begrüßte mich Yuri aufgeregt. „ Ist alles ok bei dir, Honey? Ist alles noch dran?“
„ Mir geht es gut, keine Sorge.“ legte ich ein falsches Lächeln auf. „ Ich brauche jetzt erst mal eine heiße Dusche und danach werde ich nach Patty sehen.“
„ Mach das doch mal.“ nickte der Gott eifrig. „ Das wird dir bestimmt gut tun.“
Und so machte ich es auch. Allerdings ließ ich mir ein dampfendes Bad ein und wartete auf dem Wannenrand darauf, dass das Becken voll lief.
Kurz nachdem ich dann endlich in das heiße Wasser treten konnte, betrat Keith das Badezimmer. Das er nichts auf meine Privatsphäre gab, daran hatte ich mich längst gewöhnt und so sagte ich auch nichts weiter dazu.
„ Stört es dich, wenn ich jetzt duschen gehe?“
„ Nein, überhaupt nicht.“ es gab wohl gerade gar nichts, was mich stören könnte.
Ich beachtete ihn nicht mal, als er sich auszog und dann unter die Dusche stieg. Auch als er die Kabine wieder verließ, bekam ich das nur am Rande mit.
„ Risa, nun lass dich davon doch nicht unterkriegen.“ er schlang sich ein Handtuch um den Unterleib und setzte sich dann zu mir an den Beckenrand. „ Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie oft ich mir ans eigene Bein gepinkelt hatte, bis ich die Mächte dann irgendwann endlich kontrollieren konnte. Es ist also ganz normal, dass du dich in so einer Situation nicht beherrschen kannst. Dafür fehlt dir einfach die Übung. Aber das kann Helios ja ändern. Also zieh nicht mehr so ein Gesicht...ok?“
„ Mhm...“ lehnte ich meinen Kopf an die Hand.
„ Warum nur gehst du immer so hart mit dir ins Gericht?“ maulte er mich an und drückte mich gleichzeitig kurz unter Wasser. „ Du hast mehr in deinem kurzen Leben erreicht, wie manch ein alter Gott. Du bist eine bemerkenswerte Göttin, die aber nicht immer die Starke mimen muss. Es ist ok wenn man mal zweifelt oder Angst hat. Genauso normal ist es, sich mal total erschöpft zu fühlen oder irgendwelche Fehler zu begehen. Meinst du denn es gibt irgendeinen hier im Haus, der keine Macken und Kanten hat? Aber sie flüchten nicht vor sich selbst! Merkst du denn nicht, dass du selbst dein größter Feind bist?“ meckerte er. „ Ich kann ja verstehen, dass du deine Kindheit früh verloren hast und nun das bockige Kind raus hängen lassen musst. Aber mal ganz im ernst, wenn das nicht aufhört, werde ich dich übers Knie legen!“
„ Und dann?“
„ Dann wirst du mindestens drei Wochen nicht sitzen können, das schwöre ich dir.“
„ Drei Wochen nur?“ lächelte ich leicht und strich mir einige Strähnen aus dem Gesicht. „ Dann habe ich ja nicht all zu viel zu befürchten.“
„ Sei dir dessen mal nicht so sicher.“ funkelten mich seine Augen regelrecht an.
„ Wie du meinst.“ murmelte ich und lehnte meinen Kopf auf seine Oberschenkel. „ Meinst du es war ein Fehler, Patty und Hanon jetzt schon zu uns zu holen? Vielleicht wäre das alles nicht passiert, wenn ich mich nicht so maßlos überschätzt hätte.“
„ Das sich Patty in die Schussbahn wirft konnte niemand von uns auch nur erahnen. Das hat also nichts damit zu tun, dass sie nun bei uns lebt. Das hätte genauso gut bei einem ihrer Besuche passieren können.“ strich er mir beruhigend durchs Haar. „ Und mit ihrem derzeitigen Aussehen können wir sie ohnehin nicht zurück schicken. Zumal ich ihnen das auch nicht antun will.“
„ Nein, das kommt nicht in Frage.“ flüsterte ich und setzte mich dann wieder hin. „ Aber ich will sie auch nicht in Gefahr bringen also...“
„ Denk nicht mal daran DAS auch nur zu denken.“ packte er mich an der Schulter. „ Du wirst hier nicht ausziehen, auf gar keinen Fall! Du bleibst in meiner Nähe, ansonsten raubst du mir den ruhigen Schlaf. Dadurch werde ich unausstehlich werden und niemand wird mich mehr ertragen können. Willst du das wirklich verantworten??“
„ Ähm... eigentlich hatte ich an was anderes gedacht...“
„ Ach so?“ sah er mich verblüfft an. „ An was hattest du denn dann gedacht?“
„ Ich dachte daran, dass wir beide ja zusammen in eine Wohnung ziehen könnten und Misaki bleibt mit meinen Wächtern und den Kids hier. Falls mich wer angreift, kann ich nach meinen Begleitern rufen und dadurch würde auch Misa von der Gefahr erfahren.“
„ Du willst mit mir ausziehen?“ wiederholte er die Worte erstaunt.
„ War ja nur so eine Idee. Misa wäre da bestimmt auch nicht mit einverstanden und Patty hängt ja auch an dir. Also wäre das eine blöde Idee, du hast recht.“
„ Man könnte ihn ja mal fragen, was er davon halten würde?“ schlug er mir vorsichtig vor.
„ Das könnten wir also, ja?“ schielte ich ihn seitlich an. „ Das wäre wirklich schön, aber ich denke das Patty meine Anwesenheit brauchen wird, wenn sie aufwacht. Sie ist jetzt schließlich erwachsen und steckt zudem in einem fremden Körper.“
„ Ja, vermutlich hast du recht.“ seufzte er fast schon enttäuscht.
„ Aber vielleicht können wir das Thema ja auf später verschieben, wenn sich Patricia an die neue Situation gewöhnt hat.“
„ Wirklich?“
„ Ja, wirklich.“ lächelte ich ihn an.

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Tag der Veröffentlichung: 02.12.2012

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