Nach dem stillen Frühstück machten wir uns auf den Weg nach Hause. Ich musste mich unbedingt bei meiner Schwester für die kalten Worte entschuldigen.
Sie sollten erfahren, dass ich meine Erinnerungen wieder hatte und mit meiner Vergangenheit abgeschlossen hatte.
Am Abend wollte ich dann in die Kneipe von Takeo. Ihn hatte ich die ganze Zeit nicht mehr gesehen und deshalb ein schlechtes Gewissen.
Außerdem wollte ich den Schlächtern und ihm erklären wer ich war, was ich hier zu suchen hatte und vor allem wollte ich sie um Hilfe bitten.
Die Zeit des Versteckspiels war vorbei, ich stand zu dem was ich war, nämlich die Göttin des Lebens, die dringend in das Reich der Teufel musste.
Und wer konnte mich besser beschützen oder unterstützen als Teufelsschlächter? Und dann auch gleich eine ganze Horde von kampferprobten Jägern.
Ich musste mein Netz weiter ausbreiten, denn ich war nicht allein! Es hatte zwar lange gedauert, bis ich das bemerkte, aber lieber spät als nie.
Ich war nicht mehr die Göttin von damals, die sich unüberlegten Gefahren aussetzte und alles allein regeln wollte.
Mein Licht erstrahlte heller als jeder Stern am Himmelszelt, mein Wille, dass Gleichgewicht zwischen Gut und Böse wieder herzustellen, war stärker als je zuvor. Niemand konnte mich von meinem Vorhaben abhalten. Nicht Xantos, Thanatos oder mein eigener Vater!
Mein Ziel stand fest und weiß Gott, ich würde es auch erreichen. Nichts und Niemand konnte mich in meinem Lauf stoppen.
Die volle Wahrheit meiner Vorfahren wartete darauf aufgedeckt zu werden. Ich befürchtete das schlimmste, und doch würde ich es überstehen.
Kurz darauf parkte Keith den Wagen vor dem alten Gebäude. Ich konnte Lucia's Aura in dem Haus spüren, sie war also noch immer bei uns.
„ Wirst du mit der Ähnlichkeit zurecht kommen?“ fragte ich den Prinzen, während wir auf das Gebäude zu liefen.
„ Sicher.“
„ Dann ist ja gut.“
Der Schlächter öffnete die Tür und wir betraten den Flur des Hauses.
„ Risa!“ Elara kam als erstes angestürmt. „ Wie kannst du mir nur solch einen Schrecken einjagen und einfach verschwinden??“ fauchte sie mich an.
„ Es tut mir leid, Elara.“ ich strich ihr über das Fell und versuchte die Katze so zu besänftigen. „ Aber Keith war ja die ganze Zeit bei mir. Mir konnte also gar nichts geschehen.“ dann nahm ich die Kitty auf den Arm und drückte sie an mich. „ Und ich muss mich bei dir entschuldigen. Du musst die ganze Zeit so unter mir leiden. Und dass nur, weil ich meine Erinnerungen versiegelte. Bitte verzeih mir Elara, dass ich dir das angetan habe.“
„ Heiß das... das du dich wieder erinnerst?“ stiegen ihr die Tränen in die Augen. „ Bist du wieder die Alte?“
„ Ja. Ich erinnere mich wieder. Aber ich bin nicht die Alte.“ lächelte ich sie an. „ Ich habe die Schmerzen der Vergangenheit beseitigt und lasse mich jetzt nicht mehr von meinen Ängsten leiten.“
„ Ich bin ja so froh!!“ fing sie an zu weinen.
„ Jetzt wird alles wieder gut.“ ich drückte meinen Wächter fester an mich und stand dann wieder auf. Es wurde an der Zeit meine Schwester und auch Keith aufzuklären und von meiner Begegnung mit Rika und Tartaros zu erzählen.
Deshalb ging ich ins Wohnzimmer, wo sich Misaki und auch Lucia befanden.
„ Risa!“ riefen die beiden im Chor.
„ Dem Herren sei Dank, du bist wieder da.“ erleichtert klammerte sich mein Schwesterherz an mich fest. „ Es tut mir so leid! Ich wollte dir keine klatschen. Ich hätte mehr Rücksicht auf dich nehmen müssen! Du musstest in deinen jungen Jahren schon so viel durch machen. Aber ich war krank vor Sorge!“ dann löste sie sich leicht von mir und sah mich an, nun konnte Elara auch wieder atmen, die ich noch immer im Arm hielt. „ Aber jetzt wird alles wieder gut. Nimm dir so viel Zeit wie du brauchst.“
„ Nein. Ich muss mich bei dir entschuldigen. Mein Leben lang habe ich mich von meinen Ängsten kontrollieren lassen und hatte es dann zugelassen, dass sie mich überwältigen. Aber das ist nun vorbei. Ich bin neugeboren und werde mich nicht mehr von meinem Weg abbringen lassen.“ dann lächelte ich Lucia an. „ Zusammen werden wir Thanatos aufhalten und Ladthaa neu auferstehen lassen. Gemeinsam machen wir das unmögliche möglich und werden Zäune einreißen.“
„ Du erinnerst dich wieder!“ sah mich die Göttin mit aufgerissenen Augen auf. „ Du erinnerst dich wieder!!!“ und wieder wurde mein armes Kätzchen von ihr zerquetscht. „ Jetzt wird alles wieder gut!!“
„ Ich habe lange genug untätig dabei zugesehen, wie Thanatos sein Unwesen treibt. Es ist an der Zeit ihn in seine Schranken zu verweisen!“ gab ich überzeugt von mir.
„ Ja!“ nickte meine Schwester. „ Und zusammen werden wir das auch schaffen.“
„ Und bei dir muss ich mich auch entschuldigen, Misaki.“ ich drückte Lucia Elara in die Arme und ging dann zu meinem Beschützer rüber. „ Ich hätte mich viel eher wieder an dich erinnern müssen.“
„ Zu mindestens wusstest du die ganze Zeit, dass du mir vertrauen kannst. Du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Es ist alles gut.“
„ Das wird nie wieder vorkommen, das verspreche ich dir.“ ich umarmte ihn stürmisch und sprach dann weiter. „ Ich werde einen Weg finden, dass wir uns nie wieder aus den Augen verlieren, selbst wenn dass heißt, dass ich eine vollkommen neue Welt erschaffen muss. Götter werden wieder an der Seite der Teufel leben, dafür werde ich Sorgen.“
„ Du bist so eine starke, wunderschöne und mutige Göttin geworden. Ich kann es kaum glauben.“ stiegen Lucia die Tränen in die Augen. „ Du hast die Intrigen und Lügen eigenmächtig außer Kraft gesetzt und folgst nun deinem Herzen. Ich bin so wahnsinnig stolz auf dich.“ doch dann senkte sie ihre Augen. „ Aber es gibt da noch etwas, was du unbedingt wissen musst.“
„ Und was?“
„ Die volle Geschichte über den Fall Ladthaa und der Grund warum Thanatos so leicht in unser Reich eindringen konnte.“
Endlich! Endlich würde ich die ganze Geschichte hören. Ich konnte ja nicht ahnen...
„ Kannst du mir den Namen des Gottes nennen, der für den Verrat verantwortlich war?“ ich löste mich von Misa und ging zu Lucia hin. „ Weißt du es?“
„ Du weißt also schon Bescheid. Die Story von Cecilia und Yujin ist dir bekannt?“
„ Ja. Ich weiß dass die Götter Ladthaa hinterrücks überfielen und dem Erdboden gleich machten. Aber ich weiß nicht, wer dieser Gott war, der das alles verursacht hatte.“
„ Es war...“ sie sah betrübt zur Seite, ehe sie mir den Namen des Gottes verriet, der an allem schuld war. „ Es war unser Opa!“
„ Was??“ starrte ich sie entsetzt an. „ D-Das kann nicht sein! Opa war so ein liebenswürdiger Gott, der als einziger nie ein schlechtes Wort über die Teufel verlor! Der kann das nicht gewesen sein, du irrst dich!!“
„ Nein, ich irre mich nicht!“ meine Schwester drückte mich an sich und sprach dann weiter. „ Opa hat sein Verhalten bereut, als er bemerkt, wie alles aus den Rudern lief! Er hat versucht seinen Fehler wieder gut zu machen. Warum glaubst du wohl, warst du sein ein und alles? Weil du die Nachfolgerin seiner Geliebten bist! Er wollte dich mit seinem Leben beschützen und seinen damaligen Fehler wieder grade biegen! Deshalb hatte er nie ein schlechtes Wort über die Teufel verloren! Er wollte Ladthaa wieder auferstehen lassen und das Gleichgewicht wieder herstellen!“
„ Und warum hat er es dann nicht getan?? Warum nicht??“
„ Weil Vater ihn davon abhielt...“ flüsterte Lucia.
„ Wie jetzt?“
„ Unser Vater hat den Hass weiter geschürt und selbst die sanften Götter in blutrünstige Kampfmaschinen verwandelt. Er wollte es unbedingt verhindern, das Ladthaa wieder auf die Bildfläche trat. Er ist besessen von der Macht, die er jetzt als alleiniger Herrscher besitzt. Es ging sogar so weit, dass er seinen eigenen Vater verbannte.“
„ Soll dass etwa heißen, dass Opa noch lebt?“ riss ich erstaunt die Augen auf.
„ Ich weiß es nicht. Darüber konnte ich nichts in Erfahrungen bringen. Aber ich weiß, welcher Gott Thanatos in unser Reich gelassen hat.“
„ Wer? Wer war es? Welcher Idiot hat es zugelassen, dass mir die Mächte geraubt wurden? Dass Charon starb und Rika hingerichtet wurde?? WER?? SAG ES MIR!!!“ fauchte ich Lucia an.
„ Es war unser eigener Vater!“
„ Nein...“ das übertraf alles meinen schlimmsten Befürchtungen. Mein geliebter Opa war der Verräter und mein eigener Vater, sorgte dafür dass ich überfallen wurde? Das war zu viel.
Verzweifelt sank ich in die Knie und ballte meine Hände zu Fäusten.
„ Das kann nicht sein...“ flüsterte ich. „ Warum hat er das getan...warum hat er uns so was bloß angetan? Er ist schuld dass Rika tot ist! Wie konnte er seinem eigenen Kind solch einer Gefahr aussetzen?“ ich verstand es einfach nicht. Das wollte nicht in meinen Kopf rein. „ Wie konnte er nur...“
„ Vater wollte unter allen Umständen verhindern, dass sich deine Bestimmung erfüllen kann und du Ladthaa zurück bringst. Deshalb sollte dir Thanatos deine Mächte rauben, damit du nicht mehr in der Lage bist dein Schicksal zu erfüllen!“ sie ließ sich neben mir auf die nie fallen, genauso wie meine beiden Beschützer, die nun an meiner Seite waren. „ Und nun sucht er nach dir, damit man dich zurück nach Hause bringt und er dich weiter kontrollieren kann. Damit auch du dich seinem willen beugst!“
„ Niemals!! NIEMALS!!“ schrie ich in meiner Verzweiflung auf. „ Ich werde mich niemanden unterwerfen, dem sein eigen Fleisch und Blut egal ist! Wie konnte er nur zu lassen, dass mir so was angetan wird?? Wie konnte er sich nur gegen seine eigene Familie stellen?? Und Mutter... warum hat sie nur dabei zugesehen?? Ich fasse es nicht was wir für unfähige Eltern haben!! Ihm ist sein Volk doch völlig egal, Hauptsache er ist mächtiger als alle anderen! Dabei macht er nicht mal vor seinen Kindern halt... ich...ich... ARGH!!!“ ich sprang auf und schnaufte wutentbrannt. „ Am liebsten würde ich nach Kythos zurück gehen und Vater eigenhändig vom Thron stoßen. Und dann soll er das durch machen, was wir durch machen mussten!“
„ Es tut mir leid, dass du das alles erfahren musstest..“ sah mich Lucia verbittert an. „ Aber es ging nicht anders. Es musste sein.“
„ Jetzt werde ich Ladthaa erst recht wieder auferstehen lassen! Und davon wird mich auch mein verblödeter Erzeuger nicht abhalten können! Ich bin stark genug um zu wissen, dass er sich verziehen kann! Ich habe keine Eltern mehr! Ab dem jetzigen Zeitpunkt sind sie für mich gestorben!“
Meine Welt wurde in ihren Grundmauern erschüttert und der Boden unter meinen Füßen drohte einzustürzen und doch ließ ich mich davon nicht unterkriegen.
Dass mein Opa der Auslöser des Desasters war, traf mich mehr als alles andere. Jedoch hatte er seine Fehler eingesehen, sie bereut und wollte alles wieder gut machen. Er war bereit für seine Sünden zu zahlen deshalb konnte ich ihm verzeihen.
Irgendwann würde ich ihm vergeben und meinen geliebten Opa wieder in dem Licht sehen, so wie ich es bisher immer getan hatte. Auch das war ein Zeichen meiner neuen Stärke.
„ Aber jetzt verstehe ich auch, warum Tartaros mir nicht erzählen wollte, wer das ganze angestachelt hatte.“ überlegte ich. „ Er wollte mich schützen.“
„ Wann hast du denn mit Tartaros geredet?“ harkte Keith verblüfft nach. „ Wie konntest du ihm überhaupt begegnen? Er ist doch schon seit Jahren Tod.“
Nun war es wohl an der Zeit, mein Geheimnis offen zu legen.
„ Ich habe ihn in Illumina getroffen.“ gab ich Keith die Antwort. „ Seit ich einen Teil meiner Mächte wieder habe, kann ich meine Zuflucht betreten. Jedoch kann ich niemanden mit dorthin nehmen. Dafür habe ich nicht genug Macht.“ dann lächelte ich meine Katze an. „ Nur Elara kann mich begleiten, da ihre Seele nicht so gewaltig ist wie eure.“
„ Bist du dann auch Rika begegnet? Wie geht es ihr??“ plapperte Lucia aufgebracht drauf los.
„ Ja, ich bin auch Rika begegnet. Ihr geht es gut. Genauso wie es Charon gut geht, Tartaros und auch Lian.“ schielte ich Misa seitlich an. „ Sie mögen das Leben in Illumina, genauso wie alle anderen.“
„ Du kannst dich mit Rika treffen?“ wiederholte der Prinz meinen Satz erstaunt.
„ Ich wollte es dir eigentlich nicht sagen...zu mindestens so lange nicht, wie ich nicht in der Lage bin dich mit zunehmen. Aber ich fühle, dass es nicht mehr lange dauern wird, bis Rika wieder hier bei uns ist. Du musst dich nur noch ein bisschen gedulden.“
„ Mhm...“ eigentlich müsste sich der Prinz doch jetzt tierisch freuen. Jedenfalls sollte sich irgendwas in ihm regen. Natürlich würde er Rika gern wiedersehen, schließlich mochte er sie noch immer. Aber das was er verspürte, waren nicht die starken Gefühle eines Liebenden. War es also wirklich geschehen? Und wie viele Zeichen brauchte er denn noch, bis er endlich verstand, dass er sich mehr zu einer anderen hingezogen fühlte?
Sechs lange Jahre war meine Schwester nun schon tot, die ganze Zeit über hatte er sich nie für eine andere Frau interessiert. Er lebte nur mit dem Wunsch Xantos und Thanatos aufzuhalten und dann selbst zu sterben. Doch jetzt, hatte ich es innerhalb von so kurzer Zeit geschafft, das Eis, was sein Herz einschloss, zum schmelzen zu bringen.
Sollte er sich jetzt darüber freuen? Das weder Lucia's Anblick, noch die Tatsache dass er Rika bald schon wiedersehen könnte, sein Puls zum rasen brachte? Ein kurzer Blick in meine Augen aber schon?
Obwohl Keith nichts von den Plänen meiner Schwester, oder von Charis, wusste, war er genau ihren Weg gegangen und war dabei Gefühle für mich zu entwickeln.
Der gestrige Schock über die Ähnlichkeit der Schwestern, musste ihm so einem derben Stoß versetzt haben, dass er sein innerliches Chaos endlich beseitigt hatte.
Der Prinz hatte Gefallen an meiner Nähe gefunden, genoss die Zärtlichkeiten, die wir austauschten und durfte zum ersten Mal seit Rika's Tod spüren, dass er am Leben war.
Wie sollte er von etwas ablassen können, was ihm so verdammt gut tat? Ihm dabei half, seine Wunden zu heilen? Die reinste Versuchung war und ihn ohne Probleme um den Finger wickelte. Er wollte mich...
„ Wie sehen deine Pläne denn jetzt aus, Risa?“ riss Lucia Keith aus seinen Gedanken raus.
„ Heute Abend möchte ich Takeo einen Besuch abstatten und ihn aufklären. Ich schätze dass wir jede Hilfe gebrauchen können. In den nächsten Tagen würde ich dann gerne der heiligen Bibliothek einen Besuch abstatten. Dort finden wir bestimmt was heraus.“ überlegte ich.
„ Die heilige Bibliothek? Du meinst in diesem Kellergewölbe der steinalten Kathedrale?“ harkte Misa nach.
„ Genau die meine ich.“
„ Du weißt aber schon dass die verdammt weit weg ist?“ zog er fragend eine Augenbraue hoch.
„ Wann habt ihr denn das letzte Mal Urlaub gemacht?“ lächelte ich den Seelendieb an.
„ Urlaub? Was ist das?“
„ Na, dann wird es aber höchste Zeit. Dort in der Nähe gibt es ein Hotel, das direkt am Fuße eines inaktiven Vulkans liegt. Die sind berühmt für ihre heißen, natürlichen Bäder!“ strahlte ich ihn an. „ Sprudelnde Wasserbäder.“ wäre es was zu essen, würde mir jetzt das Wasser im Munde zusammen laufen. „ Wir können da Urlaub machen, nur für ein paar Tage.“
„ Gehst du denn dann auch mal mit mir baden?“ grinste mich Misa frech an.
„ Kommt drauf an...“ schielte ich ihn an.
„ Also wenn es uns voran bringen kann, wäre ich damit einverstanden dort hinzufahren und ein paar Tage zu bleiben. Oder was meinst du, Keith?“ widmete er sich seinem Partner zu.
„ Von mir aus. Hab keine Einwände.“
„ Prima!!“ jubelte ich. „ Dann bereiten wir alles vor und fahren in den nächsten Tagen los! Du kommst doch auch mit oder, Lucia?“
„ Nein, tut mir leid. Ich will mich noch mit einer Göttin treffen und einigen Hinweisen nachgehen. Aber ihr könnt die Auszeit bestimmt gut gebrauchen.“
„ Och das ist aber schade.“
„ Ich denke es wäre nicht so gut wenn ich mitkommen würde.“ ach so klar, wegen Keith. Wir konnten ja nicht ahnen, dass er sich von Rika löste. „ Aber wir holen das ganz bald nach. Wenn Rika dann wieder bei uns ist.“
„ Ok.“ stimmte ich ihr zu. „ Was machen wir jetzt? Habt ihr Hunger? Ich könnte uns was Leckeres kochen. Nein Moment! Vorher schaue ich ihm Kinderheim vorbei. Patty wird sich bestimmt riesige Sorgen um mich machen.“ überlegte ich weiter. „ Wo...ist denn eigentlich mein Auto?“
„ Das steht noch vor der Bank.“ gab mir Misaki die Antwort.
„ Ach ja...die Bank.“ seufzte ich. „ Nun gut, dann gehe ich erst mein Auto abholen und danach fahre ich Patty besuchen.“
„ Ich begleite dich.“ meinte Keith. „ Ich wollte sowieso mal bei Patricia vorbei schauen.“
„ Ich kann aber auch allein gehen.“ drehte ich mich zu ihm um. „ Ihr müsst euch nicht mehr 24 Stunden am Tag um mich tummeln.“
„ Du gehst nicht allein. Ich habe keine Lust dich wieder Wochenlang suchen zu müssen, wenn dir dann doch wieder was zustößt.“ verschränkte der Prinz die Arme vor die Brust. „ Diesen Fehler mache ich kein zweites Mal.“
„ Na gut. Vorerst könnt ihr mir weiter auf die Pelle rücken. Aber irgendwann müsst ihr euch wieder ein kriegen. Schließlich bestehe ich auf meine Privatsphäre.“ belehrte ich meine Schlächter. „ Ich bin kein kleines Kind mehr, das rund um die Uhr beschützt werden muss.“ und das aus meinem Munde, wo ich bis gestern doch noch auf dem Stand einer fünf jährigen war...
„ Du behältst deine Privatsphäre ja.“ erzählte der Seelendieb.
„ Das will ich auch hoffen.“ dann wendete ich meiner Schwester zu. „ Und was ist mit dir? Welchen Hinweisen willst du denn nachgehen? Und du bleibst doch bei mir hier auf der Erde, oder?“
„ Natürlich bleibe ich in deiner Nähe.“ lächelte sie mich an. „ Ich will mehr über Thanatos und seine Pläne erfahren. Warum er dich damals verschont hatte und warum Rika dafür sterben musste. Vieles ergibt einfach keinen Sinn.“
„ Was meinst du damit?“ harkte ich nach.
„ Ich kann mir einfach nicht vorstellen, das Thanatos nichts über dein magisches Blut wusste. Bei den Teufeln wird die Geschichte vom Fall Ladthaa doch von Generation zu Generation weiter gegeben. Nicht so wie bei uns, wo unsere hinterhältige Tat komplett verschleiert wird. Also musste Thanatos wissen, dass dein Blut unsterblich macht. Und doch hat er dich nicht getötet. Dabei wird er als brutal, hinterlistig, blutrünstig und herzlos beschrieben und dass, wo er nicht einen einzigen Gott umgebracht hatte.“
„ Das Xantos die Drecksarbeit macht, macht aus Thanatos nicht gleich einen besseren Teufel!“ gab ich meinen Senf dazu ab. „ Vielleicht hatte er nie zugehört, wenn diese Story weiter gegeben wurde.“ doch dann hielt ich inne.
Damals als ich überfallen wurde verlor ich mein Bewusstsein, dass hatte ich ja schon erwähnt. Dennoch war mir damals so als hätte mich ein Teufel gerettet. Diese Erinnerung war verschwommen, so als wäre sie nur ein Traum gewesen, aber dennoch hätte Xantos mich getötet, wenn der Seelendieb, also Misaki's Bruder, nicht dazwischen gegangen wäre. Als wieder alles schwarz wurde und ich in ein tiefes Loch fiel, vernahm ich eine dunkle Männerstimme die mir etwas zuflüsterte.
„ Erlöse mich...“ wiederholte ich seinen Satz.
„ Was?“ starrten mich meine Beschützer verwirrt an.
„ Das hatte Thanatos damals zu mir gesagt, als er mir die Mächte nahm. Ich solle ihn erlösen, mich an ihm Rächen und ihn aufhalten!“ sprach ich hektisch drauf los. „ Vielleicht kämpft Thanatos gegen den Teufel, der ihn besetzt hält! Vielleicht wusste diese Seele nichts über mein Blut und Thana verwehrte ihm sein Wissen! Das würde erklären warum Rika sterben musste!“
„ Nein, das kann nicht sein.“ flüsterte Keith.
„ Und wieso nicht?“ drehte ich mich zu ihm um.
„ Weil Thanatos von Yujin besessen ist.“
„ Yujin???“ starrte ich ihn entsetzt an. „ DAS ist gar nicht möglich! Yujin ist damals gestorben, als Ladthaa fiel! Und warum sollte der, der seinen Nachfolger verfluchte, nun selbst dafür Sorge tragen, dass sich die Bestimmung nicht erfüllen kann? Das ergibt doch keinen Sinn!!“
„ Hass und Rache ergeben niemals einen Sinn.“ murmelte der Prinz.
„ Er wird also von Yujin besetzt. Nun weiß ich zwar mehr, bin aber umso verwirrter...“ kratze sich Lucia am Kopf. „ Was könnte er vor haben, wenn er der Nachfolgerin seiner Liebsten die Mächte raubt, ihre geliebte Schwester tötet, Tartaros ins Jenseits befördert und den Thron besteigt...“ überlegte sie. „ Oh! Aber nein... dass kann nicht sein...oder doch...“
„ Woran denkst du?“ fragte ich sie interessiert.
„ Was ist denn, wenn er das gemacht hat, damit du dich von den Fesseln unseres Volkes befreien kannst? Wenn die Teufel nie angegriffen hätten, wärst du mit dem Hass, der Lügen und Intrigen groß geworden. Vater hätte dich so manipuliert, dass du niemals einem Ladthaaner vertraut hättest. So hätte sich deine Bestimmung niemals erfüllt und Ladthaa würde in alle Ewigkeit verschwunden bleiben. Dann hatte er dir nicht die kompletten Mächte abgezogen, du hattest noch genug Kraft, um Illumina zu erschaffen und die Seelen zu retten, die durch seine oder Xantos Hand starben. Und dann!“ sah sie abwechselnd zu Misa und Keith. „ Und dann hat er euch verschont! Mit Risa's Mächten wäre es ein leichtes gewesen euch zwei zu eliminieren. Wenn er wirklich alles an sich reißen und vernichten will, dann hätte er euch doch sofort erledigt, bevor ihr ihm einen Strich durch die Rechnung machen könnt. Aber das sind nur vage Vermutungen...“ überlegte Lucia. „ Aber falls es so war, was ja durchaus möglich wäre, bliebe noch die Frage, wer Vater zu dieser Methode überredet hatte. Es wäre ja viel einfacher eigentlich gewesen, wenn er dich einfach kontrolliert hätte. Es muss also einen Kontaktmann zwischen Vater und Thanatos bzw. Yujin gegeben haben. Irgendwer, der Yujin zurück geholt hatte.“
„ Du meinst also, dass Kronos, unser Vater, eine Marionette in seinem eigenen Spiel ist? Und irgendwer anders eigentlich die Fäden in der Hand hält?“ versuchte ich meiner Schwester zu folgen. „ Jemand, der Yujin's Seele aus dem Jenseits zurück geholt hat, unseren Erzeuger überredet hat Thanatos einfallen zu lassen. Und alles nur, damit die Lügen aufgedeckt werden, damit ich aus diesem Kreis entkommen kann und den finde, für den ich bestimmt bin, damit Ladthaa wieder auferstehen kann?“
„ So ungefähr, ja!“ nickte Lucia.
„ Und wer soll dieser Puppenspieler sein? Und warum geht er diesen brutalen Weg? Man hätte es doch auch anders lösen können. Mich entführen und bei den Teufeln aufziehen zum Beispiel. Dann wäre ich diesem Nachfolger von Yujin doch auch irgendwann begegnet und das Schicksal hätte sich erfüllen können.“
„ Eine so mächtige Göttin unter Teufeln aufzuziehen wäre aber nicht gerade ungefährlich gewesen. Du weißt doch dass sich viele blutrünstige Teufel unter die Ladthaaner gemischt haben.“ mischte sich Misaki im Gespräch mit ein. „ So wärst du rund um die Uhr in großer Gefahr gewesen, während du ja damals, bis zu deiner Flucht zur Erde, sicher warst. Wenn dieser Yujin wirklich darauf bedacht ist, dass sich deine Bestimmung erfüllt, wäre eine Entführung ein zu großes Risiko gewesen.“
„ Das stimmt auch wieder. Aber warum ist Thanatos dann nicht allein zu uns gekommen? Dieses ganze unnütze Blutvergießen wäre doch überflüssig gewesen.“ erzählte ich ihnen meine Gedanken.
„ Die brutalen Teufel, die es auf dich abgesehen haben könnten, gehorchen nur einem noch brutaleren Teufel. Wenn das alles so stimmen sollte, wie du das vermutest, Lucia. Dann hat sich Thanatos so aufgeführt, damit die dunkle Armee ihm gehorcht und folgt. Und er sie so kontrollieren kann. Damit du keiner unkontrollierbaren Horde gegenüber treten musst.“ warf Misaki in den Raum.
„ Aber das würde ja auch bedeuten, dass Thanatos eigentlich zu den Guten gehört. Und dann hätte er doch schon längst wieder auftauchen können, mir meine Mächte zurück geben können und alles wäre wieder gut gewesen. Wo ist er denn dann? Oder warum zeigt er uns nicht einfach, wo das Tor ist? Warum muss er so viel Unheil verbreiten? Das ergibt doch keinen Sinn.“
„ Hatte er nicht gesagt, du sollst ihn erlösen...dich rächen und ihn aufhalten?“ dachte Lucia darüber nach. „ Vielleicht kann sich Yujin nicht von allein wieder von Thanatos lösen. Vielleicht hat er sein Ziel noch nicht erreicht und deshalb hält er sich weiter versteckt. Zu mindestens hat er sich so abgesichert, dass ihn niemand vom Thron stoßen kann und ein wahrhaftig brutaler Geselle die Armee anführt. Bleibt halt noch die Frage, warum er nicht mit Tartaros zusammen gearbeitet hat. Schließlich hätte er ihn bestimmt unterstützt.“
„ Tartaros war kein blutrünstiger Teufel. Er hätte so eine Vorgehensweise niemals akzeptiert. Aber vielleicht war er ja eingeweiht und hatte sich ohne Gegenwehr erledigen lassen. Um den Schein zu wahren mussten eventuell Opfer gebracht werden.“ gab Keith von sich.
„ Das ist mir alles zu kompliziert...“ seufzte ich. „ Wenn Thanatos jetzt echt einer der Guten sein soll, nach allem was bisher geschehen ist, dann fresse ich einen Besen.“
„ Soll es ein Hexenbesen sein? Oder lieber einen Straßenbesen? Wir hätten aber auch noch einen Handfeger im Angebot.“ grinste Lucia mich an.
„ Wirklich sehr witzig.“ knurrte ich. „ Aber eines ist und bleibt mir ein Rätsel...“
„ Was denn?“
„ Warum glauben alle, dass Ladthaa nur wieder auferstehen kann, wenn ich mit diesem bescheuerten Nachfolger zusammen komme? Ich kann Ladthaa auch allein wieder auferstehen lassen, da brauche ich diesen Idioten nicht für.“
„ Du kannst einem das Leben schenken und einen neuen Körper. Du kannst auch Welten erschaffen, die von Geistern betreten werden kann. Aber du kannst keine Planeten erschaffen. Ihnen zwar die nötige Lebensenergie verabreichen aber um die Welt zu verfestigen, brauchst du Hilfe.“ erklärte mein Schwesterchen mir.
„ Dafür muss ich aber nicht mit diesem Typen zusammen sein, damit wir das schaffen.“
„ Es heißt in dieser Legende ja eigentlich auch nur, dass die Wesen mit dem magischen Blut zueinander finden werden und Ladthaa dann in einem neuen Licht erstrahlt. Nett umschrieben heißt es ja eigentlich nur, dass sie sich finden werden. Genau genommen steht da ja nicht, dass sie ewig zusammen sein müssen. Heiraten, Kinder kriegen und so wird da ja nicht erwähnt.“ versuchte Lucia mich zu beruhigen.
„ Es heißt da aber auch, dass zusammen kommen wird, was zusammen gehört. Noch dazu haben sie sich ja gesegnet, dass sie im nächsten Leben glücklich vereint sein werden.“ sprach Misaki unbedacht daher und kassierte gleich ein paar böse Blicke von Lucia. „ Was denn? Ich habe diese Legende schließlich nicht geschrieben, ich kann da also nichts für.“
„ Wie dem auch sei. Ich lasse mir weder vom Schicksal noch von irgendeiner Bestimmung vorschreiben, mit wem ich zusammen sein muss.“ davon war ich überzeugt. „ Und nun werde ich Patty einen Besuch abstatten, nachdem ich mein Auto abgeholt habe. Bis später dann!“
Keith und ich verabschiedeten uns und machten uns auf den Weg zu der Bank hin.
Als wir dort ankamen, betrachtete ich die Gasse, in der ich niedergeschlagen wurde mit einem beklemmenden Gefühl. Hier an dem Ort, wo das Schicksal seinen Lauf nahm...
Langsam lehnte ich meine Hand auf jene Kette, die ich während des Überfalls hier verloren haben musste und die fast wie durch Zauberhand in meiner Wohnung landete.
Ich verstand noch immer nicht, warum ich ausgerechnet Keith's Bild sah und nicht das Gesicht von Dark.
Hatte mein Körper ihn mit dem Prinzen verwechselt und deshalb reagierte ich so stark auf Keith?
Genau so musste es sein, alles andere würde nämlich bedeuten, dass ich mich schon die ganze Zeit so stark zu meinem Beschützer hingezogen gefühlt haben musste. Und dass konnte und wollte ich nicht akzeptieren.
„ Was ist los?“ harkte Keith nach, nachdem ich Minutenlang vor mich hingestarrt hatte.
„ Wie ist meine Kette eigentlich zurück in meine Wohnung gekommen?“
„ Ich habe sie gefunden und sie dort zurück gelassen.“
„ Ah...ok.“ meinte ich und ging dann zur Fahrertür meines Wagens hin.
„ Und du erinnerst dich auch wirklich wieder da dran, wie man Auto fährt?“
„ Sicher.“
„ Dann ist ja gut.“
Gemeinsam ließen wir diesen Ort des Schreckens hinter uns und fuhren zu dem Kinderheim hin.
Patricia würde sich bestimmt auch darüber freuen, dass Keith sie endlich mal wieder Besuchen kam. Das hatte er ja schon lange nicht mehr getan. Jedenfalls nicht ohne schlechte Neuigkeiten mitzubringen.
Aber nun schien er sich ja wieder etwas gefangen zu haben und sie brauchte sich nicht mehr so viele Sorgen um ihren Selbstmordgefährdeten Freund zu machen.
Und wenn Rika erst mal wieder bei uns war, stand auch der versprochenen Adoption nichts mehr im Wege.
Kurz darauf parkten wir unsere Autos auf dem Parkplatz und schlenderten auf die Tür des Heimes zu, wo uns eine fröhlich aussehende Yu begrüßte.
„ Risa! Das ist aber eine nette Überraschung, dass du uns Besuchen kommst!“ strahlte sie mich an.
„ Ich freue mich auch dich zu sehen.“ lächelte ich. „ Wie geht es dir denn?“
„ Ich kann mich nicht beklagen!“ kicherte sie und dann entdeckte sie meinen Begleiter. „ Oh! Du bist das!!“ kurzer Hand stieß sie mich beinahe zur Seite und nahm Keith's Hände in ihre. „ Ich muss mich noch bei dir für deine Hilfe bei dem Konzert bedanken! Ihr wart ja so schnell wieder weg!“
„ Kein Problem.“
„ Als kleines Dankeschön würde ich dich gerne auf einen Kaffee einladen! Ich kenne ein kleines nettes Café, die haben da alle möglichen Kaffeespezialitäten!“
„ Das den Kindern damit geholfen werden konnte, reicht mir als Dank vollkommen aus.“
Verwundert betrachtete ich die Erzieherin dabei, wie sie weiter hartnäckig versuchte Keith zu einem Date zu überreden. Wie es aussah, war Akira schon wieder out.
>Sich von einem an den nächsten zu werfen...so was...< dachte ich und betrat Kopfschüttelnd das Haus.
Sollte der Prinz doch zusehen, wie er aus dieser Situation wieder raus kam.
Als nächstes klopfte ich an der Tür von unserer Obermutti, um ihr auch wenigstens Hallo gesagt zu haben. Wäre ja unhöflich wenn ich einfach wieder gehen würde.
„ Risa! Was machst du denn hier?“ sah sie mich erstaunt an.
„ Hallo Hideko!“ lächelte ich sie an. „ Ich war nun schon so lange nicht mehr hier, dass ich euch mal wieder besuchen musste!“
„ Da werden sich die Kinder aber freuen.“
„ Das hoffe ich doch.“ schmunzelte ich. „ Was gibt es denn neues? Sind viele Kinder inzwischen adoptiert worden?“
„ Oh ja.“ nickte sie. „ Die Adoptiveltern Woche war ein voller Erfolg.“
„ Das ist ja großartig!“ freute ich mich. „ Dann haben sie ja endlich ein richtiges Zuhause.“
„ Selbst unser Sorgenkind Miya hat neue Eltern gefunden. Ich hatte die Befürchtung, dass sie sich komplett verschließen würde, weil sie ja so an dir hängt.“
„ Miya ist auch adoptiert worden?“ fragte ich mit gemischten Gefühlen nach.
Natürlich freute ich mich für sie, dass sie endlich Zuhause angekommen war, aber irgendwo machte mich das auch ungemein traurig. Aber nun war mir ein menschliches Paar zuvor gekommen.
„ Ja. Sie hat wirklich ganz liebevolle Eltern und einen großen Bruder, der sie vor allen beschützen wird. Du brauchst dir keine Sorgen um sie zu machen.“
„ Wenn du der Adoption zugestimmt hast, dann müssen das ja liebevolle Menschen sein.“ lächelte ich leicht.
„ Davon kannst du ausgehen.“
„ Hauptsache es geht ihr gut und sie ist glücklich. Mehr kann ich mir gar nicht wünschen.“
„ Stimmt. Das ist die Hauptsache.“
„ Ich schau dann mal wo Patty und die anderen sind.“
„ Fühle dich ganz wie Zuhause.“
„ Danke.“ gab ich von mir und verließ den Raum wieder.
Auf den Flur entdeckte ich dann einen Rabauken, der mir zu der Zeit, wo ich hier noch gearbeitete hatte, ständig miese Streiche gespielt hatte.
Auch jetzt stand er, mir den Rücken zugewandt, mit einer Torte in der Hand, vor der Mädchentoilette und wartete auf sein Opfer.
„ Hihihi...“ kicherte er leise. „ Das wird so witzig werden! Ich bin der Meister der Streiche!“
„ Mhm.“ schmunzelte ich leicht.
Auf leisen Sohlen schlich ich zu ihm hin und gerade als er sich die lecker aussehende Torte ansah, klatschte ich ihm diese ins Gesicht und ging dann weiter.
„ Wie?? Was?? Wer??“ sprach er erschrocken drauf los. „ Risa!!!“ rief er erfreut meinen Namen, als er mich dann sah. „ Ich...meine...“ räusperte er sich. „ WAS willst DU denn hier?? Ich dachte wir wären dich endlich los!!“
„ Mh...“ ich lächelte nur und setzte meinen Weg fort.
Der Bengel rannte währenddessen zu dem Geheimversteck seiner Gang hin, welches sich in der Waschküche befand.
„ Risa ist wieder da!!!“ grölte er aufgeregt.
„ Risa? Wirklich?? Wo ist sie!!“ sprachen die Jungs durcheinander. „ Und wie siehst du überhaupt aus? Du bist ja total vollgeschmiert!“
Natürlich freuten sich auch Patty und Hanon über meinen Besuch.
„ Risa!!“ Patricia sprang gleich von ihrem Stuhl auf und stürmte auf mich zu, um mich dann herzlich zu umarmen. „ Was machst du denn hier??“
„ Ich wollte mal wie es meinem Lieblingsduo so geht.“ lächelte ich sie an.
„ Heißt das...“ blickte sie mich mit Tränen in den Augen an. „ Du erinnerst dich wieder an mich?“
„ Ja! Das heißt es!“
„ Oh Gott sei Dank!“ fing sie bitterlich an zu weinen. „ Und ich dachte schon du würdest mich für immer vergessen!“
„ Niemals würde ich dich für immer vergessen.“ flüsterte ich und drückte sie zärtlich an mich. „ Und ich habe dich auch gehört. Damals, als du die Ballade des Lebens gesungen hast. Aber ich war nicht stark genug um dir zu folgen. Verzeih mir, dass ich dir solche Sorgen bereitet habe!“
„ Nun bist du ja wieder da. Also wird alles gut.“ lächelte das Mädel und strich sich die Tränen weg.
„ Vier Tage nur noch!!“ war das erste was Hanon jubelnd von sich gab.
„ Was ist dann?“ fragte ich verblüfft nach. „ Hast du dann Geburtstag, oder wie?“
„ Nein natürlich nicht!“ quiekte sie vergnügt. „ Dann kommt Dark wieder!!!“
„ Ach echt?“ überlegte ich. „ Ist der Monat schon wieder rum? Das ging aber schnell.“
„ Was heißt hier schnell??“ fauchte die Braunhaarige. „ Das waren die längsten 666 Stunden meines Lebens!!“
>Dann kann ich ja doch noch nicht los...ich kann Dark ja schlecht seinem Schicksal überlassen...< dachte ich verstimmt. >Aber dann fahren wir halt ein paar Tage später los. Was soll's.<
„ Wir müssen dann unbedingt was zusammen unternehmen, ja??“ strahlte sie mich an.
„ Es tut mir leid. Ich verstehe auch nicht warum sie so auf Dark fixiert ist.“ seufzte Patty. „ Sie hat sich den Tag seines Erscheinens sogar im Kalender eingetragen.“
„ Und woher weißt du so genau, wann er wieder auftaucht?“ wollte ich dann wissen.
„ Das ist ganz einfach, wenn man rechnen kann.“ grinste mich Hanon frech an. „ Er ist am Tag deines Verschwindens doch auch verschwunden, oder nicht?“
„ Ja, das stimmt.“
„ Und die 666 Stunden enden in vier Tagen!“ grölte das Mädchen euphorisch.
„ Ist ja gut, dass du dich so perfekt auskennst.“ lächelte ich. „ Andernfalls wäre ich für einige Tage nicht da gewesen und er wäre qualvoll verhungert.“
„ Dann hat er es mir zu verdanken, dass er weiter Leben wird!“ strahlte sie nun noch mehr. „ Das bedeutet ja, dass ich einen gut hab bei ihm!!“
„ Also jetzt mal im Ernst, Hanon!“ versuchte Patricia ihr den Wind aus den Segeln zu nehmen. „ Dark ist Risa's Freund und zudem ist er sowieso viel zu alt für dich. Schlag ihn dir doch endlich aus dem Kopf! Du willst es dir doch nicht mit Risa vermiesen, oder?“
„ Ich will ja gar nichts von ihm!!“ protestierte sie gerötet. „ Ich mag ihn einfach nur, ok? Und dadurch dass ich ihn nur einmal im Monat sehen kann, freue ich mich natürlich tierisch auf diesen Moment!“
„ Wie süß! Du bist ja ganz rot!“ zog ich das Mädchen auf. „ Bist du etwa da erste Mal in deinem Leben richtig verliebt? Und dann auch noch in so einen Steinalten Typen.“
„ Ich bin gar nicht verliebt!!“
„ Ach nein, wie süß!“
„ Hier steckst du also!“ stand Keith plötzlich in der Tür.
„ Keith! Du bist auch da?“ strahlte Patricia den Teufel an und fiel ihm prompt um den Hals. „ Es ist doch nichts Schlimmes passiert, oder?“
„ Nein, es ist alles in Ordnung.“ beruhigte er sie. „ Wir sind wirklich nur hier um dich zu besuchen.“
„ Das ist aber schön!!“ meinte sie. „ Endlich mal keine schlimmen Neuigkeiten.“
„ Nein, ausnahmsweise mal nicht.“ schmunzelte ich. „ Ab jetzt werden nur noch positive Nachrichten folgen!“
„ Irgendwas ist anders an euch beiden.“ betrachtete uns Patty abwechselnd. „ Nur was, das kann ich nicht sagen.“
„ Nichts ist anders. Das bildest du dir nur ein.“ ich konnte ja schlecht was sagen. Schließlich wusste Hanon nichts von meiner wahren Herkunft.
Obwohl uns das braunhaarige Mädchen überhaupt keine Beachtung schenkte. Sie war viel zu sehr damit beschäftigt, sich auszumalen was sie alles mit dem Inkubus unternehmen könnte.
„ Na, wenn ihr das sagt...“ war Patty so gar nicht überzeugt.
„ Es ist alles in Ordnung, wirklich!“ lächelnd umarmte ich die Blonde. „ Du weißt nicht zufällig wo die Familie wohnt, bei der Miya nun lebt?“
„ Doch sicher.“ sah sie zu mir auf. „ Wieso? Willst du sie auch besuchen gehen?“
„ Ich will mich nur vergewissern, dass es ihr wirklich gut geht.“
„ Ok. Ich könnte dir die Adresse aufschreiben. Ich habe sie in mein Adressbuch geschrieben.“
„ Wenn du das machen könntest, wäre ich dir wirklich sehr dankbar.“
„ Kein Problem! Warte hier kurz.“ meinte Patty und eilte zu ihrem Zimmer hin. Kurz darauf kam sie dann wieder und überreichte mir einen Zettel. „ Bitte sehr. Dort wohnt sie jetzt.“
„ Danke.“ ich sah auf das Stück Papier in meiner Hand und las mir die Adresse durch.
Wenigstens lebte sie nun in einem wohlhabenden Viertel. Hoffentlich hatten ihre neuen Eltern ein genauso großes Herz wie Portemonnaie.
„ Dann werde ich da mal vorbei fahren.“ blickte ich die beiden Mädels an. „ Wir sehen uns bestimmt bald wieder.“
„ Spätestens wenn Dark da ist!“ jubelte Hanon.
„ Er freut sich bestimmt schon tierisch darauf, dich endlich wiederzusehen.“ schmunzelte ich.
„ Das glaube ich auch.“ kicherte sie.
„ Also dann! Bis später!“ ich verabschiedete mich von den Mädels und ging mit Keith zurück zum Eingang.
Auf dem Weg dorthin, stellten sich uns plötzlich die Jungen des Heims in den Weg.
„ Was macht ihr denn da?“ fragte ich sie verblüfft.
„ Nun mach schon!“ stieß der eine den anderen an.
„ Ist ja gut...“ langsam ging er auf mich zu. Da er etwas hinter den Rücken versteckte, machte ich mich bereit gegebenenfalls schnell auszuweichen. „ Hier für dich!!!“ rief er dann hastig und hielt mir eine Rose entgegen.
„ Wie?“ starrte ich die Rabauken verblüfft an.
„ Damit du uns schnell wieder besuchen kommst!!“ presste der Junge hervor. „ Du kommst doch wieder, oder?“
Och nein, war das niedlich. Da standen doch tatsächlich die Buben vor mir, die mir als Erzieherin das Leben beinahe zur Hölle gemacht hatten. Nun gut, dass war etwas übertrieben. Trotzdem fand ich ihre Geste äußerst süß.
„ Natürlich komme ich wieder.“ kicherte ich und nahm die Rose an.
„ JEY!!“ rief die Bande im Chor und klammerten sich gleichzeitig an mich.
„ Aber nur, wenn ihr auch schön artig seit, hört ihr!“
„ Wir sind doch immer artig!“ „ Ja, genau. Außerdem wäre das Heim ohne uns richtig langweilig und öde!“ plapperten sie wild durcheinander.
„ Nun lasst Risa doch mal los!“ befahl eine streng schauende Hide ihnen.
„ Uah! Die Brutmutter!! Schnell weg hier!“ riefen sie und eilten davon.
„ Du fehlst selbst den Jungs, meine Liebe.“ blickte sie mich lächelnd an. „ Und das soll schon was heißen.“
„ Wer weiß. Vielleicht komme ich ja eines Tages wieder. Mal schauen wie lange sie sich dann noch darüber freuen, dass ich bei ihnen bin.“ schmunzelte ich.
„ Du kannst jeder Zeit zurück kommen. Das habe ich dir ja schon gesagt.“
„ Ich weiß. Und dafür bin ich dir noch immer sehr dankbar. Aber nun müssen wir los.“ lächelte ich sie leicht an. „ Bis zum nächsten Mal, Hideko!“
„ Bis bald, meine Liebe.“
Mir fiel es noch immer sichtlich schwer dem Heim den Rücken zu kehren. Aber ich wusste ja, dass es so am besten war. Wenn ich die Kinder mit in meinen Kampf ziehen würde, dass würde ich mir nie verzeihen können.
Seufzend ließ ich mich auf den Fahrersitz meines Autos fallen und starrte verstimmt die Decke an.
„ Willst du deinen Wagen nicht vielleicht zuhause abstellen und wir fahren dann mit meinem weiter? Wäre doch schwachsinnig die ganze Zeit mit Zweien durch die Gegend zu Gurken.“ der Prinz hatte seinen Arm auf das Dach gelehnt und beugte sich leicht zu mir runter.
„ Ja. Vermutlich hast du recht.“ ich schnallte mich an und versuchte die bedrückenden Gedanken zu verbannen. „ Dann fahren wir jetzt erst zu mir und dann nach Miya.“
„ Ok.“
Und genauso machten wir es auch. Ich parkte den Wagen vor meiner Haustür und stieg dann zu Keith in das Auto ein.
Dort überreichte ich ihm den Zettel mit der Adresse und starrte dann Gedankenverloren aus dem Fenster.
„ Ach ja...“ fiel mir dann jedoch etwas ein. „ Das wir was miteinander hatten, das bleibt unser Geheimnis! Am besten vergessen wir das ganz schnell wieder und reden nie wieder darüber. Ok?“
„ Von mir aus.“ das war eigentlich nicht dass, was er im Moment hören wollte.
Da hatte er sich endlich einer neuen Liebe geöffnet und ausgerechnet die, wollte scheinbar nichts von ihm wissen.
Auf der anderen Seite brauchte ich auch eventuell nur ein bisschen Zeit, um mich an seine Nähe zu gewöhnen. Und die würde er mir geben...oder es zu mindestens versuchen.
„ Oh gut dass du das auch so siehst!“ atmete ich erleichtert aus. „ Dann können wir ja so weiter machen wie vor meinem Gedächtnisverlust.“
„ Ja, sicher.“
Bald würde ja Dark auftauchen und dann würde mich auch das verräterische Verlangen nach Keith endlich verlassen. Schlimm genug dass ich ihn so bedrängt hatte, als er mich an sich ran lassen musste. Ich konnte mir vorstellen, wie schlimm sein schlechtes Gewissen meiner Schwester gegenüber war. Aber nun, würde ich ihn wieder als meinen Bruder oder guten Freund ansehen. Vielleicht konnte ich mir ja sogar einreden, dass er schwul war, damit ich auch ja nie wieder in Versuchung geführt wurde.
Ich würde mich wieder voll auf meinen Inkubus konzentrieren und an die heiße Nacht mit Keith, keinen Gedanken mehr verschwenden.
So als wenn es nur ein Traum gewesen wäre, der mit der Zeit verblasste, bis er schließlich vollends in Vergessenheit geriet.
Inku würde mir bei meinen Vorhaben bestimmt helfen und meinem Körper die Erinnerung an den Prinzen nehmen.
Ich könnte ihn ja mit neuen Dessous überraschen. Der würde bestimmt heftiger drauf reagieren, als es Keith tat. Das wäre es doch!
„ Ach ja genau!!“ plötzlich quiekte ich erfreut auf, wendete mich meinem Begleiter zu und verpasste ihm einen unbedachten Klaps auf den Oberschenkel.
„ W-Wow!“ zuckte dieser erschrocken zusammen.
„ Ich hatte mir letztens noch was in dem Laden bestellt! Das müssen wir unbedingt noch abholen, bevor wir nach Miya fahren!“ kicherte ich und tatschte dabei weiter an seinem Schenkel rum. „ Du fährst doch mit mir dahin, oder Keith?“ blickte ich ihn mit meinen großen blauen Augen an und lehnte meinen Kopf an seine Schulter. „ Bitte, ja?“ und dann formte ich meine Lippen auch noch zu einem Schmollmund und lehnte meine Arme um seinen Arm. „ Würdest du das für mich machen? Och bitte.“
„ Risa.“ blickte er mich kurz an. „ Du hast meine Mauer schon einmal durchstoßen. Nun solltest du aufpassen, dass ich dich nicht stoße...“
„ Was denn? Willst du mich etwa aus dem Fenster stoßen?“ bei ihm konnte ich mir einfach nicht vorstellen, dass er mit stoßen wirklich meinte, dass er erneut mit mir schlafen würde.
Bei Misaki wäre mir das sofort klar gewesen. Aber nicht bei dem Prinzen.
„ Wenn du darauf stehst. Aber das dürfte ziemlich schmerzhaft werden.“
„ Wenn du mich aus dem fahrenden Wagen stößt, tut das mit Sicherheit weh. Und dann müsste ich dir leider weh tun.“ überlegte ich, dachte aber nicht eine Sekunde daran, meine Umklammerung zu lösen. „ Also was ist nun? Fährst du mit mir dahin?“
„ Von mir aus...“ murmelte er. „ In welchen Laden willst du denn?“
„ In den Dessousladen!!“ strahlte ich ihn an und ließ mein Opfer endlich los.
„ W-Wohin??“ blickte er mich fast schon entsetzt an.
„ In den Dessousladen.“ wiederholte ich mich. „ Ich hatte mir beim letzten Besuch ein paar Sets bestellt, die sie nicht mehr in meiner Größe hatten.“
„ Ich warte dann im Auto...“
„ Du musst aber mit rein! Ich brauche deine Meinung, sonst kann ich mich hinterher nicht entscheiden.“ protestierte ich.
Hatte ich nicht gerade noch beschlossen, Keith nicht mehr in Versuchung zu führen? Irgendwie hatte ich meine guten Vorsätze schon wieder vergessen.
„ Meine Meinung willst du also wissen...“
„ Na klar! Wen soll ich denn sonst fragen?“ sah ich ihn an.
„ Die Verkäuferin zum Beispiel.“
„ Ach die! Die würde mir sogar einen BH verkaufen wollen, der mir zehn Nummern zu groß ist. Ihre Meinung ist mal so rein gar nichts wert.“ meinte ich. „ Aber wenn du da nicht mit mir hin willst, kann ich auch Misaki fragen. Der dürfte darin ja jetzt geübt sein.“ kicherte ich.
„ Nein. Du musst Misa nicht fragen. Wir sind ja eh schon unterwegs, dann können wir da auch kurz halten.“
„ Du bist ein Schatz!“
„ Ich weiß...“ nuschelte er vor sich hin.
Kurz darauf hielten wir dann an dem besagten Dessousladen. Während ich jedoch, freudestrahlend und eilig hinein raste, ließ sich der Prinz extrem viel Zeit. Er überlegte sich jetzt schon was er machen könnte, um schnell wieder runter zu kommen.
Als er dann auch endlich den Laden betrat, stand ein riesiger Karton auf der Theke, den die Verkäuferin netterweise für mich ausräumte.
„ Hattest du nicht gesagt, du hättest nur ein paar Teile bestellt?“ fragte Keith.
„ Das sind doch auch nur ein paar. Aber in zwei Größen.“ strahlte ich ihn an.
„ Ah ja... und das willst du wirklich alles...anprobieren?“
„ Sicher!“ und schon schnappte ich mir ein paar Sets und düste in die Umkleidekabine.
Eigentlich fühlte sich der Teufel hier fehl am Platz und er war sich auch nicht sicher, ob der Anblick meines halbnackten Körpers seiner Selbstbeherrschung helfen würde.
Bei den ersten Teilen stand mir die Verkäuferin zur Seite, eine andere als damals, die mir offen sagte, was sie von den Dessous hielt und mit beim zubinden der Korsagen half.
So wurde er nicht offen mit den nackten Tatsachen konfrontiert sondern erhaschte heimlich einen Blick auf sein Objekt der Begierde. Was seine Wirkung aber dennoch nicht verfehlte und ihn nicht weniger anheizte.
Keith war wirklich froh darüber, dass er mir nicht beim Anziehen helfen musste. Das würde nicht gut ausgehen.
Allerdings wollte ich als nächstes eine trägerlose Korsage anprobieren, die mit vielen kleinen Häkchen am Rücken zugeknöpft wurde. Warum überhaupt immer am Rücken, wo man doch allein gar nicht ran kam. Oder ich war unfähig, das konnte natürlich auch sein.
Zu mindestens war die nette Verkäuferin plötzlich weg. Und ich stand da, mit meinem nicht vorhandenen Talent und hielt mir die Korsage vor die Brust. Der einzige der mir nun ein rettendes Seil reichen konnte war Keith.
„ Du Keith? Kommst du mal bitte.“ rief ich dann also nach ihm.
„ Nicht doch...“ flüsterte er kaum hörbar vor sich hin. „ Was gibt es denn?“
„ Würdest du mir bitte helfen.“ ich sah über meine Schulter zu ihm zurück und versuchte gleichzeitig mich etwas hinter dem Vorhang zu verstecken. „ Ich bekomme die nicht allein zu.“
„ Was machst du nur mit mir...“ knurrte er leise und kam dann zu mir hin.
Vorsichtig griff er nach den beiden Enden und begann damit, die Häkchen zu schließen. Dabei berührten seine Finger immer wieder meinen Rücken, was mir einen Schauder verpasste, der bis zu den Zehnspitzen vordrang. Warum reagierte ich nur so stark auf ihn und dass noch immer? Ich stellte mir sogar vor, wie er die Kontrolle verlor und mich in die Kabine stieß und dort leidenschaftlich nahm. Irgendwas stimmte doch nicht mit mir. Drehte ich denn jetzt völlig durch? Solche Gedanken und das ausgerechnet bei dem Freund meiner Schwester. Ich war so eine schlechte, miese Göttin...
Und auch ihn ließ die Fummelei nicht kalt. Es kribbelte gefährlich in seinen Fingerspitzen und er war gewagt, genau das zu tun, was ich mir schon so nett vorstellte.
Aber meinetwegen musste er sich weiter zusammen reißen und durfte sich nicht wieder verlieren. Zu mindestens solange nicht, bis er mich davon überzeugte, dass mein Platz an seiner Seite war.
Da war es ihm auch relativ egal, dass das Blut aus seinem Kopf wich und er von mir so derbe in Versuchung geführt wurde.
Er widerstand sogar meinem zutiefst erregenden Gesichtsausdruck, als ich mich dann zu ihm umdrehte und seine Meinung hören wollte.
„ Und? Was sagst du dazu?“
„ Dass es verdammt lange dauern würde, dir das Teil wieder auszuziehen...“ meinte er.
„ Stimmt. Daran hatte ich gar nicht gedacht. Warte einen Moment, ich habe da noch was, was sich leichter öffnen lässt.“ lächelte ich ihn an und zog den Vorhang wieder zu.
„ Na Gott sei Dank...“ atmete er schwer aus.
Kurz darauf präsentierte ich ihm mein anderes Set.
„ Siehst du. Dieser BH wird hier vorne geöffnet.“ demonstrativ öffnete ich den Verschluss leicht und schloss ihn dann gleich wieder. „ Raffiniert, nicht wahr?“ grinste ich ihn an.
„ Total.“
„ Und was meinst du?“ blickte ich ihn fragend an. „ Sieht das gut aus?“
„ Gibt es auch irgendwas mit noch weniger Stoff?“ gab er ironischer weise von sich.
„ Natürlich!! Ich habe da etwas, was zu meiner Augenfarbe passt!“ jedoch prahlte die Ironie einfach an mir ab. „ Warte noch mal kurz!“ und schon zog ich den Vorhang wieder zu.
„ Das halte ich nicht aus...“ flüsterte Keith und verließ den Laden fluchtartig.
Dafür nahm die Verkäuferin nun wieder seinen Platz ein und wartete gespannt darauf, wobei sie mir nun helfen könnte.
„ Tada!“ riss ich den Vorhang zur Seite und stutzte. „ Nanu? Wo ist er denn hin?“
„ Ihr Freund ist raus gegangen. Bei ihrem heißen Anblick musste er wohl mal frische Luft schnappen.“ kicherte die Verkäuferin. „ Dass sieht übrigens total klasse aus. Hach, ich beneide sie um ihre perfekte Figur. Ich würde auch gern alles tragen können.“
„ Danke.“ lächelte ich.
Als ich mich dann endlich durch den halben Laden probiert hatte, verließ ich diesen mit zig Tüten.
Keith lehnte währenddessen an seinem Auto und starrte in den Himmel.
„ Da bist du ja! Warum verschwindest du denn einfach?“ sah ich ihn vorwurfsvoll an.
„ Habe ich mich denn wirklich so undeutlich ausgedrückt?“ schielte er mich seitlich an.
„ Was meinst du?“ harkte ich verblüfft nach.
„ Du hast meine Abwehr durchbrochen, Risa.“
„ Ach so. Du meinst das mit dem aus dem Fenster stoßen.“ schmunzelte ich. „ Zum Glück fahren wir gerade nicht.“
„ Du hast es wirklich nicht verstanden, was?“ plötzlich griff er nach meiner Hand, zog mich zu sich hin und drückte mich gegen das Auto.
Ich riss erstaunt meine Augen auf, als er seine Hüfte behutsam an meinen Oberschenkel drückte und ich seine Reaktion so deutlich spüren konnte.
Da machte es auch endlich Klick und ich verstand, was er mir sagen wollte.
„ Ach! Du meintest DAS mit stoßen!!“ ich lief auch gleich rot an und versuchte mich seiner Umarmung zu entziehen.
„ Hast du das jetzt erst begriffen?“
Was hatte ich dem Teufel bloß zugemutet? Ich wusste gar nicht, wie ich das alles wieder gut machen sollte. Sein schlechtes Gewissen musste ihn regelrecht erdrücken. Zu mindestens hatte ich genug davon, dass es für uns beide reichte.
„ Es tut mir leid.“ sah ich ihn bedrückt an. „ Ich kann mir vorstellen, wie hart das für dich sein muss. Ich werde dich nicht mehr in Versuchung führen, das verspreche ich dir.“
„ Verspreche nichts, was du nicht auch halten kannst!“ flüsterte er.
„ Das mache ich auch nicht.“ ich löste mich schnell von ihm und öffnete die Tür zur Beifahrerseite. „ Das mit den Dessous gerade war eine blöde Idee. Aber ich hätte nicht mal im Traum daran gedacht, dass du so heftig reagieren würdest. Sag mir einfach Bescheid, wenn deine Abwehr wieder steht, ok?“ lächelte ich ihn an und stieg dann ein.
„ Und wenn ich meine Abwehr gar nicht mehr aufbauen will?“ murmelte er vor sich hin. „ Du schaffst mich noch, ganz im Ernst.“
Seufzend ging er um seinen Wagen herum und nahm hinterm Lenkrad Platz. Nun machten wir uns aber auf den Weg nach Miya.
Dorthin, wo nur Einfamilienhäuser standen und vor der Tür dicke Autos parkten. In jener Gegend, wo man selbst mit seinem neusten, elektrischen Rasenmäher protzte.
Und in einem dieser Häuser wohnte nun die kleine Miya.
„ Das Mädel ist dir ziemlich wichtig, was?“ harkte Keith nach, nachdem wir nun schon seit geschlagenen zehn Minuten vor der Haustür standen. „ Warum klingelst du dann nicht einfach an?“
„ Ich habe Angst, dass sie ihre Eltern weg stößt, wenn sie mich sieht.“ murmelte ich. „ Wenn sie sich daran erinnert, dass sie eigentlich von mir adoptiert werden wollte. Ich will ihrem neuen Glück jetzt nicht im Weg stehen.“
„ Sollen wir dann wieder fahren?“
„ Nein!“ starrte ich ihn erschrocken an. „ Ich werde ja anklingeln...“ nuschelte ich mir in meinen imaginären Bart. „ Sklaventreiber...“ fauchte ich ihn dann aber an, als ich ausstieg.
Langsam schlich ich zu der Auffahrt hin und versteckte mich dann hinter einem riesigen Busch.
Miya befand sich mit ihrer Familie gerade im Garten, also konnte ich mir das Anklingeln sparen, dennoch brachte ich es nicht übers Herz zu ihr hin zugehen.
Sie sah so verdammt glücklich aus und hatte tatsächlich einen großen Bruder, der sie scheinbar auf 'Schultern' trug.
Ich hatte sie schon lange nicht mehr so strahlen gesehen. Auch das Paar, was sie adoptiert hatte, machte einen sympathischen Eindruck auf mich. Sie sahen aus wie eine glückliche Familie, die schon immer zusammen waren.
Dieses Bild rührte mich so dermaßen, dass mir die Tränen in die Augen schossen. All das, was Miya hier nun gefunden hatte, wollte ich ihr eigentlich geben.
Der Gedanke daran, sie nun nicht mehr wiederzusehen, stimmte mich ungemein traurig. Warum war ich nur so sentimental? Das war ja richtig unschön.
„ Lebe wohl, Miya...“ flüsterte ich und drehte ihr dann den Rücken zu.
„ Risa!! Risa!!“ doch ausgerechnet in diesem Moment entdeckte mich die Kleine und kam gleich zu mir hin gerannt und warf sich überglücklich in meine Arme. „ Kommst du mich besuchen?“
„ Ja, ich muss mich doch davon überzeugen, dass es dir gut geht.“ ich beugte mich zu dem Mädchen runter und drückte sie feste an mich.
„ Ich habe jetzt eine neue Mama und einen neuen Papa! Und einen großen Bruder!“
„ Das weiß ich.“
„ Aber wir können uns doch trotzdem weiter sehen, oder?“
„ Ja, bestimmt.“
„ Du bist also Risa. Miya hat und schon so viel von dir erzählt.“ lächelte mich ihr Dad an.
„ Ja genau.“ ich erhob mich wieder und strich der Kurzen über den Kopf. „ Ich wollte nur mal schauen, ob es der Kleinen gut geht.“
„ Miya wird es hier an nichts fehlen. Du kannst uns deinen Schützling ruhigen Gewissens überlassen.“
„ Das freut mich zu hören.“ meinte ich. „ Nun muss ich aber weiter. Lass dich nicht ärgern, ok?“ wendete ich mich Miya zu.
„ Nein!“ schüttelte sie heftig den Kopf. „ Komm mich ganz bald wieder besuchen, ja?“
„ Natürlich.“ ich drückte sie noch einmal ganz feste an mich und verabschiedete mich dann.
„ Und? Geht es ihr gut?“ harkte Keith dann nach, als ich wieder im Auto saß.
„ Sehr gut sogar.“
„ Das ist doch schön.“
„ Ja...“
Was wollte man auch mehr? Nun hatte sie sogar einen großen Bruder bekommen und jeder Wunsch wurde ihr von den Augen abgelesen. Besser hätte es doch gar nicht laufen können.
Sie wurde mit Liebe überschüttet und bekam endlich das Gefühl der Geborgenheit und Sicherheit vermittelt. Miya war in sehr guten Händen.
Als wir dann endlich wieder zuhause ankamen, war die Sonne bereits verschwunden und der Mond zeigte sich von seiner besten Seite.
„ Da seid ihr ja wieder.“ lächelte mich Lucia an. „ Und? Habt ihr viel Spaß zusammen gehabt?“
„ Sehr viel Spaß sogar.“ erwiderte ich das Lächeln zögernd.
„ Und nun möchtest du dem Treffpunkt der Teufelsschlächter einen Besuch abstatten, ja?“ blickte mich Misaki fragend an.
„ Ja genau.“ nickte ich. „ Ich hoffe bei ihnen Unterstützung zu finden.“
„ Hast du dir schon eine Rede überlegt?“ grinste mich der Seelendieb frech an. „ Oder wirst du frei nach Gefühl sprechen?“
„ Für mein Anliegen brauche ich keine Rede.“ ein bisschen Lampenfieber hatte ich aber trotzdem.
„ Dem Treffpunkt der Teufelsschlächter?“ wiederholte meine Schwester die Worte. „ Ist es für dich nicht viel zu Gefährlich da mithin zu gehen, Misaki? Du könnten binnen weniger Sekunden Tod sein.“
„ Ach was.“ wehrte er ab. „ Ich habe doch zwei starke Göttinnen an meiner Seite, was soll mir da schon groß passieren? Und außerdem, werden sie es sich mit Risa nicht verscherzen wollen. Sie Himmeln sie regelrecht an, weißt du?“
„ So?“ schmunzelte die Göttin. „ Du solltest aber dennoch vorsichtig sein.“
„ Wie immer halt.“
„ Wollen wir dann?“ schaute ich abwechselnd in die Runde.
„ Ja, packen wir es an!“
Ich war ja schon echt aufgeregt. Bisher hatte ich meine wahre Identität unter Verschluss gehalten und wollte Anfangs nicht mal meine beiden Schlächter einweihen. Es war ein großer Schritt für mich, in eine ungebundene Zukunft!
Es war an der Zeit eine Armee um mich zu versammeln und mit geballter Kraft die Hölle zu stürmen, sofern wir den Weg dahin fanden. Nichts und niemand konnten sich mir in den Weg stellen.
Außerdem war ich es Takeo und allen anderen, die auf mich aufpassten als ich ihren Schutz bitter nötig hatte, schuldig, ihnen von meiner wahren Herkunft zu berichten.
Gemeinsam machten wir uns also auf den Weg zu der besagten Kneipe hin.
„ Uh...in dieser Gegend möchte ich aber nicht allein rum laufen. Zu mindestens nicht nachts...“ sah sich Lucia in den düsteren, teilweise heruntergekommenen Straßen um.
Das Flackern der Straßenlaternen gaben diesen Viertel einen verrucht, gefährlichen Touch.
„ Keine Sorge, die Schlächter in der Kneipe halten alle Schwerenöter fern.“ lächelte ich meine Schwester beruhigend an.
„ Außerdem sind wir ja auch nicht allein unterwegs.“ schnurrte Elara. „ Da fühlt man sich gleich viel sicherer.“
„ Die Gegend ist aber trotzdem nicht wirklich einladend. Aber vermutlich passt diese Atmosphäre zu Teufel jagenden Männern.“ überlegte Lucia.
„ So viele Feinde der Teufel auf einem Haufen zu versammeln ist nicht gerade ungefährlich. Von daher ist es nicht verwunderlich das sich Takeo so einen abgelegenen, Menschen verlassenen Standort für seine Lokalität ausgesucht hat.“ erklärte ich ihr, während wir zu der Tür schlenderten. „ Jeder der in ihrer Nähe leben würde, wäre in großer Gefahr.“
„ Das stimmt auch wieder.“ stimmte die Göttin mir zu.
Als ich die Türe dann öffnete, drehten sich alle Schlächter mit gezückter Waffe zu mir um. Sie hatten die Teuflische Aura, die sich ihnen näherte schon längst gewittert.
Aber als sie mich dann erblicken, steckten sie ihre Waffen freudestrahlend weg.
„ Risa ist wieder da!“ „ Das ist doch Risa!“ „ Wow, ihr Licht erstrahlt ja noch heller, als ich es in Erinnerung hatte!“ sprachen die Schlächter wild durcheinander.
„ Risa, mein Engel!“ Takeo kam gleich zu mir hin und umarmte mich fröhlich. „ Wie geht es dir?“
„ Sehr gut, Takeo.“ lächelnd erwiderte ich seine Herzliche Umarmung.
„ Du hast deinen Freund und die niedliche sprechende Katze ja auch mit gebracht. Und Oh!“ erblickte er Lucia. „ Wer ist denn dieses wunderschöne Geschöpf Gottes?“
„ Das ist meine Schwester, Lucia.“ ich trat einen Schritt zur Seite und drehte mich zu der Göttin um. „ Und das hier ist Takeo. Er hatte mich bei sich aufgenommen, als ich mein Gedächtnis verlor.“
„ Hallo! Schön dich kennenzulernen.“ lächelte Lucia ihn an. „ Ich muss mich bei dir bedanken, dass du meine kleine Schwester in dieser finsteren Stunde aufgefangen hast.“
„ Das war doch Selbstverständlich. Aber kommt doch erst mal rein und trinkt etwas.“
Wir folgten Takeo zu der Theke hin und genehmigten uns einen Drink.
„ Erzähl doch mal, Risa. Erinnerst du dich jetzt wieder an alles?“
„ Ja, das tu ich.“ gab ich leicht lächelnd von mir. „ Es hat zwar ein bisschen gedauert, aber nun bin ich wieder voll da.“
„ Das höre ich gern. Dann magst du mir ja vielleicht etwas aus deinem Leben erzählen?“
„ Auch das werde ich machen. Aber ich möchte mich nur ungern wiederholen. Deshalb würde ich gerne warten, bis Naoki da ist. Er wird doch noch kommen, oder?“
„ Ich denke schon.“ überlegte der Priester. „ Er ist ja eigentlich an jeden Abend hier.“
„ Dann werde ich mich noch ein wenig in Geduld üben und sollte er doch nicht auftauchen, naja, dann hat er halt Pech gehabt.“
„ So ist es.“
„ Ich hätte nie gedacht, dass es so viele Teufelsschlächter auf der Erde gibt.“ gab Lucia erstaunt von sich. „ Der Laden ist ja rappel voll. Wenn hier noch mehr auftauchen, platzt der Raum noch aus allen Nähten.“
„ Hier treiben sich aber auch viele Wesen aus der Unterwelt rum. Viele von ihnen werden sogar von Möchtegern Hexen beschworen, die diesem Dämon dann nicht gewachsen sind und die Kontrolle über das beschworene Monster verlieren.“ erklärte Misaki ihr.
„ Das passiert, wenn man sich maßlos überschätzt, oder mit Zaubersprüchen rum experimentiert, die nicht für Menschen Hand gemacht sind.“ gab auch Keith seinen Senf dazu ab.
„ Solche Schwachköpfe muss es wohl in jedem Volk geben, was?“ seufzte mein Schwesterherz. „ Dann ist es ja ganz gut, dass es so viele Menschen mit dem besonderen Blick für das Übernatürliche gibt.“
„ Andernfalls wäre die Welt wohl schon längst vernichtet worden.“ meinte Misa.
„ Aber mal was anderes, wer ist denn eigentlich dieser Naoki, auf den wir nun warten? Ein Freund? Vielleicht sogar dein Freund?“ grinste sie mich an.
„ Er ist EIN Freund.“ antwortete ich ihr knapp.
„ Nun mach es doch nicht so spannend. Sieht er gut aus? Ist er in deinem Alter? Erzähl schon!“
„ Du wirst es ja gleich sehen. Nur Geduld.“
Wir warteten etwa eine Stunde auf den Burschen, bis er dann endlich den Raum betrat und ich erfreut zu ihm hin lief.
„ Risa! Was machst du denn hier?“ wunderte er sich, drückte mich aber auch gleichzeitig an sich. „ Das ist ja eine nette Überraschung.“
„ Ich habe auf dich gewartet!“ lächelte ich ihn an. „ Ich möchte euch etwas erzählen und euch um etwas bitten. Und du sollst auf jeden Fall dabei sein.“
„ Heißt das etwa, dass du dich endlich wieder erinnerst. Oder...“ er deutet mit dem Kopf in Keith's Richtung. „ Wirst du bald heiraten und willst uns zu deiner Hochzeit einladen?“
„ Keith ist nicht mein Freund. Da hatte mir meine nicht vorhandene Erinnerung einen Streich gespielt.“
„ Dann kann ich mir seinen Kopf also als Trophäe ins Wohnzimmer hängen? Wenn er nicht dein Freund ist, geht das doch in Ordnung, oder?“
„ Du weißt aber, dass das schwer bis unmöglich ist?“ schielte ich Naoki seitlich an.
„ Ja, ich weiß. Aber solch einen starken Teufel in die Knie zu zwingen, ist die beste Auszeichnung, die man als Schlächter bekommen kann.“
„ Dann solltest du vielleicht etwas kleiner anfangen. Ich kenne da einen total fiesen Teufel, der in einer Geisterbahn lebt. Wenn du den zur Strecke bringst, bist du gut!“
„ Einen Teufel der Angst? Der tut doch keinem was!“
„ Verdammt.“ kicherte ich. „ Dann muss ihn mich wohl doch selber an ihn rächen.“
„ Hat der dich etwa erschrecken können?“ sah er mich ungläubig an.
„ Ich war halt abgelenkt, ok?“ knurrte ich. „ Thema Wechsel! Ich muss dir noch jemanden vorstellen, komm mit!“ rief ich fröhlich und zerrte ihn hinter mir her.
„ Hey! Wen willst du mir denn vorstellen?“
„ Meine Schwester!“
„ Deine Schwester? Du versuchst aber nicht mich zu verkuppeln, oder?“
„ Ich bin doch nicht blöd!“ grinste ich ihn an. „ Misaki und Keith kennst du ja bereits und das hier ist Lucia, meine ältere Schwester und dies hier ist Naoki!“ stellte ich sie einander vor.
„ Ich hatte ja eigentlich gedacht du wärst ein bisschen älter.“ begutachtete sie ihn von oben bis unten. „ Ist das nicht viel zu gefährlich?“
„ Für die Teufel oder für mich?“ lächelte er sie charmant an.
„ Naoki ist ein fähiger Schlächter, den man nicht unterschätzen sollte.“ meinte Takeo. „ Er kann den alten Hasen in diesem Geschäft, locker das Wasser reichen.“
„ Beeindruckend... dann bist du ja so was wie ein Naturtalent, was?“
„ So könnte man das wohl sagen, ja.“
„ Jetzt wo wir endlich alle beisammen sind, kann ich die Katze ja auch dem Sack lassen. Viel länger halten meine Nerven auch nicht durch.“
„ Wenn du sie alle erreichen willst, benutzt du am besten die Bühne.“ teilte mir der Priester seine Idee mit.
„ Eigentlich wollte ich mich auf einen Tisch stellen und tanzen. Dann wäre mir die Aufmerksamkeit auch sicher. Aber dein Plan ist auch gut!“ kicherte ich.
„ Ich begleite dich, für den Fall dass deine Aura dann ungebetene Gäste anlockt.“ Elara sprang von der Theke, lief auf die große Bühne und nahm ihre große Katzenform an.
Mit einem lauten Fauchen lenkte sie die Blicke der Schlächter auf sich und schließlich widmeten sie sich mir zu, als auch ich die Bühne betrat.
„ Willst du etwa für uns singen, Risa?“ grölte einer von ihnen. „ Au ja!! Sing!“
„ Nein, tut mir leid.“ schüttelte ich leicht meinen Kopf. „ Ich möchte mich bei euch bedanken, dass ihr mich sofort an eurer Seite akzeptiert habt. Das ihr mich beschützen wolltet und auf mich aufgepasst habt. Mein größter Dank gilt natürlich Takeo...“ sah ich ihn lächelnd an. „ Der mich bei sich aufnahm und mir half, mit dieser düsteren Situation zu recht zu kommen. Es hat mir wirklich sehr viel Spaß gemacht, meine Zeit mit euch zu verbringen. Mir die tollen Geschichten anzuhören oder euch etwas vorzusingen. Aber heute bin ich hier, um euch allen von meiner wahren Herkunft zu erzählen.“
„ Ihre wahre Herkunft? Wirklich?“ „ Wow, endlich erfahren wir etwas über den Engel.“ „ Ich hätte nichts dagegen, wenn sie uns ihre Geschichte vorsingen würde.“ murmelten die Schlächter durcheinander.
„ Bis zu diesem Überfall, als ich mein Gedächtnis verlor, machte ich ein großes Geheimnis daraus, wer ich wirklich war. Selbst jene, die mir helfen wollten und denen ich vertrauen konnte, erfuhren Anfangs nichts darüber wer ich war. Wenn ich nun zurück schaue, wird mir klar wie dumm und naiv ich war. Ich wollte mich einer ganzen Armee ganz alleine stellen, ohne Plan, ohne Kraft. Ich hielt mich für unbesiegbar und dass mir der Zufall schon dabei helfen würde, mein Ziel zu erreichen.“ erzählte ich ihnen. „ Heute weiß ich, dass ich von meinen Ängsten gelenkt wurde. Sie kontrollierten mich und hielten meine Seele gefangen. Ich kam nie wirklich vorwärts und lief immer zu auf der Stelle. Aber dank eines guten Freundes, konnte ich diese Ängste besiegen, meine Seele und auch meine Träume davon befreien.“ lächelte ich. „ Wie der Phönix, der aus der Asche empor steigt, bin auch ich neu geboren worden. Ich habe keine Angst mehr davor, zu sagen wer ich bin oder was ich hier zu suchen habe. Ich weiß das ihr mich für einen Engel haltet.“ ich schloss meine Augen und lehnte meine Hände über die Brust. „ Aber ihr irrt euch!“
Ein sanfter Sturm entstand unter meinen Füßen, der sich an meinen Körper hoch zog und ihn sachte umschmeichelte. Ich hielt meine Augen weiter geschlossen und öffnete sie erst, als ich den Sturm von mir stieß und meine weißen Flügel ausbreitete.
Meine Haare, meine Kleider, ja sogar meine Augenfarbe veränderte sich, als ich meine wahre Gestalt annahm.
Eine Mischung aus erstaunen und Bewunderung machte sich in den Gesichtern der Männer breit.
„ Sie ist wunderschön.“ „ Zum Anbeißen.“ „ Ist sie jetzt noch zu haben??“ ging ein allgemeines Raunen durch die Reihen.
„ Wow. Sie ist wirklich umwerfend schön.“ starrte mich Naoki auffallend lange an.
„ Hey! Hör auf Risa so anzustarren!!“ verpasste Misaki ihm eine schmerzhafte Kopfnuss.
„ Und wer bist du, dass du mir Befehle erteilen kannst??“
„ Ich kann zu deinem schlimmsten Alptraum werden, wenn du darauf bestehst!“
„ Jungs!“ drückte Takeo die beiden auseinander. „ Beruhigt euch, ihr Holzköpfe!“
„ Man sieht sich immer ein zweites Mal im Leben!“ blickte der Schlächter den Seelendieb finster an.
„ Sollte dass etwa eine Drohung sein? Ich lach mich weg.“
„ Wir werden ja sehen.“
Die beiden ignorierten sich gekonnt und schenkten mir ihre volle Aufmerksamkeit.
„ Ich bin bestimmt kein Engel. Ich bin eine Göttin! Die Göttin des Lebens!“
„ Cecilia's Nachfolgerin?“ blickte mich der Priester völlig erstaunt an. „ Unglaublich...so eine hohe Persönlichkeit und dass in meinem bescheidenen Lokal. Ich fühle mich geehrt.“
„ Eine Göttin? Und das hier auf der Erde?“ sprach einer der Schlächter.
„ Ich biete dir meinen Körper als Opfergabe!“ meinte ein anderer und riss sich schon fast sein Shirt vom Körper.
„ Äh...danke!“ wehrte ich leicht gerötete ab. „ Aber ich nehme keine Opfergaben an...“
„ Och schade.“
„ Haltet doch mal euren Klappen und lasst sie weiter reden!“ stauchte ein anderer seine Freunde zusammen.
Sofort herrschte Totenstille in dem Raum und ich erzählte meine Geschichte weiter.
„ Als kleines Kind wurden mir von einem Teufel die Mächte geraubt und nun bin ich hier, um mir diese zurück zu holen!“ griff ich meine Story wieder auf. „ Ich suche einen Weg, der in die Hölle führt. Das letzte verbleibende Tor nach Ladthaa, wo mein Peiniger darauf wartet von mir gestoppt zu werden. Ich werde von den Teufeln gejagt und auch von den Göttern, die es auf jeden Fall verhindern wollen, dass ich meine Mächte zurück bekomme und Ladthaa neues Leben schenke.“ meinte ich und nahm meine menschliche Gestalt wieder an. „ Mein Weg ist Gefährlich und voller Hürden, die umgangen werden wollen. Und doch werde ich mein Ziel nicht aus den Augen verlieren! Ich bin nicht länger eine Marionette der Götter! Die Seile die mich steuerten, habe ich zerrissen. Niemand wird mir je wieder seinen Willen aufzwingen. Weder mein eigener Vater, noch eine Armee blutrünstiger Teufel können mich aufhalten. Aber um mein Ziel erreichen zu können, brauche ich Verbündete, die mir den Rücken stärken. Ganz gleich ob es sich dabei um Teufel, Menschen oder Götter handelt. Jeder der auf meiner Seite ist, ist Herzlich Willkommen sich mir anzuschließen und das Universum vor Thanatos und seinen Handlangern zu beschützen! Wir werden dem Bösen Einhalt gebieten und das Gleichgewicht wieder herstellen!“ ich trat einen Schritt auf die Gruppe zu, ehe ich weiter sprach. „ Und nun frage ich euch. Wollt ihr mich unterstützen? Mir helfen, einen Weg nach Ladthaa zu finden und die Geschichte neu zu schreiben?“
„ Da fragst du noch? Natürlich werden wir dich bei allem unterstützen, nicht wahr Männer?“
„ Worauf du dich verlassen kannst!“ grölten sie.
„ Ich muss euch aber warnen. Ich kann nicht für euer Leben garantieren. Es ist möglich, dass ihr dort den Tod finden werdet. Seit ihr bereit dieses Risiko einzugehen?“
„ Ich sehe dem Tod mit jedem einzelnen Teufel in die Augen, dem ich gegenüber trete! Also natürlich nehme ich dieses Risiko in Kauf!“
„ Ja genau! Wir werden dich nicht im Stich lassen! Wir werden dich bis zum bitteren Ende begleiten, von jetzt bis in alle Ewigkeit!“
„ Ich danke euch...“ ich war so gerührt, dass mir die Tränen in die Augen stiegen. „ Vielen Dank!“
Doch plötzlich knallte hinter mir etwas auf dem Boden und ein dichter Nebel breitete sich aus.
Dann wurde die Tür aufgestoßen und einige Engel und Götter kamen in den Raum gestürmt.
„ Oh verdammt! Haben die mich schon wieder gefunden?“ erschrak ich leicht bei dem Anblick der vielen Himmlischen Wesen.
„ Wir unterstützen dich auch! Du kannst auf uns alle zählen!“ riefen mir die neuen zu.
„ Wie...?“ starrte ich sie erstaunt an.
„ UUUUNNNNNDDDD!!!“ zog eine Stimme hinter mir die Aufmerksamkeit auf sich.
Dann knallte es noch einmal und alle möglichen Farben erleuchteten die Bühne.
„ Der beste auftritt kommt zum Schluss!!“ erschien plötzlich Charis vor mir. „ TADAAA!!“
„ Was...wer bist du denn?“ sah ich sie entsetzt an.
„ Risa! Wie schön dich mal persönlich kennenzulernen!“ griff die Göttin meine Hände. „ Ich habe ja schon so unendlich viel von dir gehört...und gesehen.“ dann sah sie Misaki an. „ HALLO Misaki!!“ winkte sie ihm aufgeregt zu. „ Bin ich zu spät? Ach was für eine Frage, das Schicksal kommt nie zu spät!!“ zwinkerte sie mir zu.
„ Das Schicksal?“ blitzte es gefährlich in meinen Augen auf. „ Dir habe ich also den ganzen Scheiß zu verdanken.“ ich ging auf sie zu und ließ meine Handknochen knacken.
„ Was denn? Gefällt dir dein Schicksal etwa nicht? Das tut mir aber leid, ein Umtausch ist ausgeschlossen.“ zuckte sie mit der Schulter. „ Ich finde du hast es noch echt gut getroffen. Andere wären froh darüber, wenn sie so eine feine Zukunft hätten.“
„ Ach? Ist das so?“ ich bemerkte den Putzeimer, den Takeo bisher noch nicht weg geräumt hatte und der voll war mit schmutzigen Wasser. „ Mhm.“ grinste ich sie fies an.
Ich würde ihr nie weh tun, das war gegen meine Natur. Trotzdem würde sie meine Rache für den ganzen Müll, den sie Rika und Misaki ins Ohr gepflanzt hatte, zu spüren bekommen.
Schnaufend nahm ich den besagten Eimer in die Hand, holte aus und schüttete den Inhalt in Charis Richtung aus.
Diese allerdings machte ein paar Schritte zur Seite und wich dem feuchten Dreck aus.
„ DAS habe ich vorher gesehen!“ kicherte sie. „ Aber für Misaki und Keith, kam diese kleine Abkühlung bestimmt völlig unerwartet.“ deutete sie auf die beiden Männer, die gerade zu uns auf die Bühne kommen wollten.
Während der Seelendieb allerdings das volle Ausmaß des Schmutzwassers abbekam, wurde der Prinz zum größten Teil verschont und nur ein paar Spritzer landeten auf seinen Klamotten. Dafür traf ihm der nasse Lappen direkt ins Gesicht.
Nun war das Gelächter der Schlächter natürlich auf ihrer Seite und gerade weil es sich bei meinen Beschützern um Teufel handelte, waren die Männer noch Schadenfroher.
Auch die Schicksalsgöttin konnte sich ein verhaltenes kichern nicht verkneifen.
Wie zwei begossene Pudel standen sie auf der Treppe und strichen sich das Wasser aus dem Gesicht.
Zugegebenermaßen war das wirklich ein äußerst lustiges Bild und wäre ich nicht so darauf eingeschossen, mich an dieser Göttin zu rächen, würde ich vor Lachen auf dem Boden liegen.
Aber so kümmerten mich meine Beschützer nicht, stattdessen wollte ich Charis nun bekommen, wo sie schon mal abgelenkt war und bewarf sie mit Schlammbällen, die ich mir her zauberte.
Als das aber auch nicht funktionierte und nun sogar Takeo etwas abbekam, von Misa und Keith mal ganz zu schweigen, gab ich mich seufzend geschlagen.
„ Du weißt ja, wer das wieder sauber machen wird, nicht wahr mein Engel?“ schielte mich der Priester seitlich an.
„ Jaja!“ murmelte ich.
„ Dann kannst du ja gleich bei mir anfangen...“ knurrte Misa mich an.
„ Ich könnte dich mit einem Schlauch abspritzen, wenn du unbedingt darauf bestehst.“
„ Mir würde da noch was anderes einfallen, was du machen könntest...“ sah er mich eindringlich an.
„ Sorry, dafür bin ich nicht zuständig.“ zog ich mich gleich aus der Affäre.
„ Vielleicht sollten wir nach Hause fahren.“ mischte sich nun auch Lucia ein, die sich ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte. „ Dort könnt ihr duschen und euch umziehen. Und wenn Risa von Charis weg kommt, dann wird ihr das bestimmt auch leidtun.“
„ Das wage ich zu bezweifeln..“ murmelte Misaki.
Tag der Veröffentlichung: 29.05.2012
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