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Kapitel 15. Das neue Ich




„ Risa... bitte... du musst dich erinnern!“ flehte mich ein blondes Mädchen an. „ Du brauchst keine Angst vor der Vergangenheit zu haben. Du bist stark genug um dich den Geistern zu stellen. Ich flehe dich an, Risa. Komm wieder zu dir!“
Schweißgebadet wachte ich in der Wohnung von Takeo auf und setzte mich erschrocken hin. Inzwischen waren schon einige Tage vergangen, seit ich mein Gedächtnis verloren hatte und seit wenigen Nächten träumte ich nun schon von dem Mädchen, die mich ununterbrochen anflehte mich zu erinnern.
Ich wusste nicht wer sie war, aber ich ahnte, dass sie mir sehr wichtig sein musste.
Noch immer konnte ich mich an nichts erinnern, außer an das Gesicht dieses silberhaarigen Mannes.
Jedoch hatte ich mich daran gewöhnt, man konnte auch sagen, ich hatte mich mit meiner Situation abgefunden, und war nun dabei das beste daraus zu machen.
Wenn ich schon keine Vergangenheit hatte, so wollte ich wenigstens eine Zukunft haben, an die ich mich dann später gern zurück erinnerte.
Aus diesem Grund blieb ich bei Takeo und arbeitete fest in seiner Kneipe und ab und zu half ich dem ein oder anderen Schlächter bei seiner Jagt.
Ich genoss das Leben in vollen Zügen und ohne es zu wissen, lebt ich genau so, wie ich es immer wollte, aber nicht konnte.
Trotz dieser belastenden Ungewissheit, die meine Seele befallen hatte, war ich doch frei und vollkommen Sorglos.
Natürlich versuchte ich noch immer mich an irgendetwas zu erinnern, jedoch spürte ich tief in mir dass es besser wäre, wenn die Erinnerungen im verborgenem blieben.
Auch wenn da ein blondes, wunderschönes Mädchen war, die unbedingt wollte dass ich das Vergangene noch einmal Revue passieren ließ, mochte ich mein jetziges Leben.
Voller Tatendrang sprang ich aus meinem Bett auf und zog mich schnell an. Danach bereitete ich das Frühstück vor und ging dann zu dem Schlafzimmer von Takeo hin.
„ Guten Morgen, alter Mann!“ rief ich fröhlich und zog die Vorhänge in seinem Zimmer auf. „ Das Frühstück ist bereits fertig und wartet darauf verputzt zu werden!“ ich warf mich zu ihm aufs Bett und starrte ihn dann lächelnd an.
„ Mhm...Ich glaube ich kann bei deinem jugendlichen Temperament kaum mithalten.“ lächelte er mich an. „ Hast du gut geschlafen?“
„ Wie ein Stein.“ ich rollte mich wieder vom Bett runter und stand auf. „ Obwohl ich schon wieder diesen Traum mit der Frau hatte, die mich belabert, das ich mich doch bitte wieder an alles erinnern möge.“
„ Und du weißt immer noch nicht wer diese Frau sein könnte?“
„ Nein. Vielleicht ist sie ja meine Mutter...“ überlegte ich kurz. „ Obwohl sie dafür wohl etwas zu Jung ist.“ um den Gedanken gleich wieder zu verwerfen. „ Aber eigentlich ist es auch egal. Weil ich mich gar nicht mehr erinnern will!“ strahlte ich bis über beide Ohren. „ Ich bin glücklich hier, an deiner Seite.“
„ Das ehrt mich wirklich sehr, aber meinst du nicht auch dass es da draußen Seelen gibt, die sich um dich Sorgen und denen du fehlst?“
„ Wenn da wirklich jemand ist, wird er mich schon finden. Und nun komm schon! Ich bin am Verhungern! Außerdem wollte ich noch schauen wie dieses Lied heißt, was ich letztens im Radio gehört hatte.“ ungeduldig wippte ich von einem Bein auf das andere. „ Bewegung, alter Mann! Bewegung!“
„ Ist ja schon gut, Kleines.“ seufzte er lächelnd.
„ Ich warte in der Küche auf dich!“ rief ich, während meine Wenigkeit wieder aus dem Raum stürmte.
Solange wie mein Retter mit anziehen und seiner morgendlichen Wäsche beschäftigt war, hing ich vor dem Laptop und versuchte mich an einige Textstellen des Liedes zu erinnern.
„ Mhm... wie ging denn das Lied noch mal...“ versuchte ich mich angestrengt an irgendeine Zeile zu erinnern. „ Er wird immer meine wahre Liebe sein, von jetzt bis in alle Ewigkeit? Mhm...“ wenn mir doch wenigstens die Melodie einfallen würde.
Am liebsten würde ich meinen Kopf gegen die Tischplatte knallen, vielleicht half das meinem Gedächtnis ja auf die Sprünge.
Aber dann kam mir eine Idee, wo ich das besagte Lied finden könnte: Nämlich in den Charts!
Und tatsächlich fand ich es dann endlich, setzte mir freudig quietschend das Headset auf und hörte mir den Song wieder und wieder an.
Dabei bemerkte ich nicht, dass Takeo inzwischen in der Küche stand und meinem glücklichen Gesang zuhörte.
Als das Lied dann zu ende war und ich zum hundertsten mal den Wiederholungsknopf drücken wollte, klatschte der Priester beeindruckt in die Hände.
„ Wow. Du hast eine wunderschöne Stimme. Magst du nicht in meinem Lokal als Sängerin auftreten?“
„ Ich? Als Sängerin??“ starrte ich ihn verblüfft an.
„ Ja. Es wäre eine Sünde, diese fabelhafte Stimme für dich zu behalten.“ lächelte er mich an.
„ Wenn dass so ist, warum eigentlich nicht? Das macht bestimmt Spaß.“
„ Wir können deinen Auftritt mit Plakaten ankündigen, damit die Bude auch richtig voll wird.“
„ Au ja!!“ stimmte ich ihm begeistert zu. „ Und dann färbe ich meine Haare schwarz und ziehe ein gewagtes schwarzes Outfit an.“ sprach ich aufgeregt drauf los.
„ Du willst was?“ zog er fragend eine Augenbraue hoch.
„ Mir meine Haare schwarzfärben und ein gewagtes schwarzes, oder lieber ein gefährlich rotes? Outfit anziehen.“
„ Warum willst du dir denn deine wunderschönen blonden Haare schwarz färben?“
„ Weil ich nicht als Unschuldsengel in die Geschichte eingehen will!“ zwinkerte ich ihm zu.
„ Würde es da nicht auch eine schwarze Perücke tun?“
„ Ja, warum auch nicht.“ zuckte ich mit der Schulter. „ Wie meine Haare nun schwarz werden ist mir relativ egal.“
„ Na fein.“ er setzte sich an den Tisch und goss sich einen Kaffee ein. „ Dann werde ich mich nachher auf die Vorbereitungen stürzen.“
„ Dann schaue ich in der Zeit in der Stadt nach einem passenden Kostüm.“
„ Aber nicht alleine.“ musterte er mich. „ Das ist viel zu gefährlich.“
„ Und wer sollte mich bitte begleiten, wenn du mit dem Plakat beschäftigt bist?“
„ Wie wäre es, wenn ich Naoki mal Frage, ob er Lust auf eine Shopping Tour hat?“ teilte er mir seine Gedanken mit. „ Er ist zwar noch recht jung, deshalb aber nicht minder Gefährlich. Ich denke er würde gut zu dir passen.“
„ Aber Takeo, ich habe doch einen Freund...glaube ich...“
„ So meinte ich das ja auch nicht.“ lachte der Priester. „ Aber mit ihm bist du bestens Versorgt und ich muss mir keine Sorgen um deine Sicherheit machen.“
„ Na wenn dass so ist, sollte Naoki zusehen dass er seinen Allerwertesten hier her bewegt, sonst gehe ich ohne ihn.“
Dieser Naoki war einer von vielen Teufelsschlächtern, die in der Bar von dem Heiligen ein und aus gingen. Anders wie die andren seiner Art, versuchte er mich nicht mit seinen Erfolgen zu beeindrucken. Er war eher der Schweigsame Typ gewesen, der sich im Hintergrund verbarg.
Trotzdem war er äußerst gefährlich, wie sagte man so schön, stille Wasser sind tief? Und Naoki war noch dazu echt attraktiv...wenn mich mein inneres Ich nicht immer an diesen silberhaarigen Vollhonk erinnern würde, könnte mir Naoki echt gefährlich werden.
Der Typ war groß, gut gebaut, hatte dunkle Haare und helle Augen. Zudem trug er meist schwarze Klamotten und machte einen auf Geheimnisvoll und Unnahbar.
Er war das komplette Gegenteil von mir und das zog mich magisch an. Dadurch dass ich ein Engel sein sollte, alle mein helles und reines Licht bewunderten, sehnte ich mich nach einer dunklen Abwechslung.
Wie gesagt, ich wollte nicht als braver Unschuldsengel in die Geschichte eingehen, sondern mein neues Leben in vollen Zügen genießen.

Nach dem Essen verzog ich mich in mein Zimmer, um mich für mein 'Date' fertig zu machen und malte mir in meinen Vorstellungen genau aus, wie ich auf der Bühne aussehen wollte.
Singend tänzelte ich durch den Raum, den Takeo mir freundlicherweise überlassen hatte und rannte gleich zum Fenster, als ich ein Motorrad vorfahren hörte.
„ Ha! Da ist er ja schon.“ quiekte ich wie ein frisch verliebter Teenager rum, rannte aus meinem Zimmer und klammerte mich an den Arm des jungen Schlächters. „ Können wir, ja?“
„ Und du willst mir deinen Schützling wirklich anvertrauen?“
„ Natürlich.“
„ Nun komm schon, Naoki!“ zerrte ich ungeduldig an seinem Arm rum. „ Lass uns gehen, bevor Takeo es sich noch anders überlegt!“
„ Seit aber um Mitternacht wieder hier, verstanden?“ scherzte der Priester.
Er hatte sich immer Kinder gewünscht, aber leider ist es nie dazu gekommen. Umso mehr genoss er die Zeit mit mir.
„ Ja, 'Dad'!“ das Wörtchen 'Dad' betonte ich extra. „ Bis später!“
„ Passt auf euch auf!“ winkte Takeo uns noch einmal zu.
„ Jaha!“ Zusammen mit Naoki verließ ich das Haus und eilte zu dem Motorrad hin. „ Hast du einen zweiten Helm dabei?“
„ Sicher.“
„ Dann können wir ja mit deinem Motorrad fahren!“ jubelte ich begeistert.
„ Mhm...“ lächelte mein Begleiter leicht und warf mir einen Helm zu. „ Lass uns los fahren.“
Das ließ ich mir natürlich nicht zwei Mal sagen und setzte mir schnell den Helm auf, um mich dann auf sein Gefährt zu setzen und mich an den Schlächter fest zu krallen.
Gemeinsam fuhren wir dann in die Stadt, um mich neu einzukleiden. Und tatsächlich wurde ich sehr schnell fündig, da mich alles ansprach, was eine verruchte, gefährliche Farbe hatte und äußerst viel Haut zeigte.
Natürlich hatte ich auch wahnsinnig viel Spaß dabei, mich in meinen knappen Outfits zu präsentieren und die Meinung von Naoki einzuholen.
Mit manchen meiner Klamotten könnte ich locker einer Succubus Konkurrenz machen. Das einzige was mir fehlte war ein Teufelsschweif.
„ Du bist die reinste Versuchung, aber da sag ich dir wohl nichts neues.“ gab der Schlächter von sich.
„ Danke!“ lächelte ich ihn an. „ Ich schätzte das reicht jetzt auch. Als nächstes brauche ich noch eine Perücke.“
„ Wofür brauchst du denn eine Perücke?“
„ Ich wollte mir eigentlich die Haare schwarz färben, aber das fand Takeo nicht so gut. Deshalb möchte ich jetzt eine Perücke haben.“
„ Was hast du denn gegen dein blondes Haar?“
„ Nichts, eigentlich. Außer dass es nicht schwarz ist.“
„ Und warum unbedingt schwarz?“
„ Weil ich nicht dieser typische Engel sein möchte. Tief in mir lebt ein kleiner Teufel.“ kicherte ich und zog dann den Vorhang meiner Kabine zu.
„ Dann pass bloß auf dass ich mir den Teufel nicht unter den Nagel reiße...“ murmelte Naoki vor sich hin.
„ Was sagst du?“ ertönte meine Stimme hinter dem Vorhang.
„ Nichts wichtiges.“
„ Dann ist ja gut.“
Kurz darauf zahlte ich die Sachen und verließ das Geschäft. Es dauerte eine Weile bis wir einen Perückenladen ausfindig gemacht hatten und noch länger dauerte es, mich von einer dieser Haarteile zu überzeugen.
Aber schließlich fand ich eine aus echtem Haar, die ich mir nach belieben Frisieren konnte und entschied mich letztendlich für diese. Niemanden würde auffallen, dass ich eine Perücke trug. Zu mindestens wenn man nicht wusste dass ich eigentlich blond war.
„ Und was machen wir jetzt? Du willst mich doch nicht schon wieder Zuhause absetzen, oder?“ sah ich ihm mit einem Schmollmund an.
„ Was willst du denn jetzt noch machen?“
„ Och, da würde mir einiges einfallen.“ grinste ich ihn frech an. „ Es würde mir aber schon reichen mit dir einen Kaffee trinken zu gehen.“
„ Führe mich nicht in Versuchung, Risa. Ich will es mir nicht mit Takeo verscherzen.“ sah er mich warnend an.
„ Was denn? Ich mache doch gar nichts.“ blickte ich ihn unschuldig an.
„ Nein natürlich nicht.“ seufzte er.
„ Also was ist nun?“
„ Von mir aus. Dann gehen wir halt noch einen Kaffee trinken.“
„ Geht doch!“
Etwa zehn Minuten später saßen wir in einem netten kleinen Café und durchstöberten die Karte.
„ Guten Tag.“ begrüßte uns eine freundliche Kellnerin. „ Wisst ihr schon, was ihr trinken möchtet?“
„ Ich hätte gern einen Latte Macchiato.“ teilte ich ihr mit.
„ Ich nehme einen schwarzen Kaffee.“
„ Sehr gern.“ meinte sie und wackelte zurück zum Tresen.
„ Kannst du dich eigentlich inzwischen wieder an irgendetwas erinnern?“
„ Nein.“
„ Das muss wirklich schlimm für dich sein. Ich könnte mir das nicht vorstellen, nichts über meine Herkunft oder meiner Vergangenheit zu wissen.“
„ Ich habe mich daran gewöhnt und möchte jetzt das beste aus meiner Situation machen.“
„ Du willst dich also gar nicht mehr erinnern?“
„ Natürlich interessiert es mich, was oder wer ich bin. Aber ich mag das Leben, das ich jetzt führe. Von daher habe ich es nicht so eilig, mein Gedächtnis wiederzufinden.“
„ Und wenn das gesamte Universum zu zerbrechen droht, wenn du dich nicht erinnerst?“
„ Ach quatsch. So wichtig kann ich ja gar nicht sein, sonst hätte man mich wohl kaum allein auf die Erde geschickt.“
„ Und wenn du gar nicht alleine bist? Vielleicht gibt es ja noch andere Wesen deiner Art da draußen, die verzweifelt nach dir suchen.“
„ Dann werden sie mich früher oder später bestimmt auch finden.“ ich machte eine kurze Pause, da unsere Getränke gebracht wurden und fuhr dann fort. „ Weißt du etwas über mich, Naoki?“
„ Nein, natürlich nicht. Aber ich denke halt auch, dass es einen guten Grund geben wird, warum du bei den Menschen lebst.“
„ Du siehst das einfach alles zu pessimistisch. Ich bin bestimmt nur irgendein kleiner Engel, der von Zuhause abgehauen ist und nun auf der Erde lebt.“
„ Ich hoffe das du recht behältst.“
„ Na klar.“ meinte ich lachend. „ Aber mal was anderes.“
„ Mhm?“
„ Hast du eigentlich eine Freundin?“ fiel ich gleich mit der Tür ins Haus.
„ Eine Freundin? Und das bei meinem Job? Wohl kaum.“
„ Bist du dann nicht auch oft Einsam?“
„ Versuchst du mich etwa gerade schon wieder in Versuchung zu führen?“ zog er fragend eine Augenbraue hoch.
„ Ich doch nicht. Würde ich nie machen.“
„ Nein, natürlich nicht.“ lächelte er leicht.
„ Schaust du dir meinen Auftritt denn auch an?“
„ Wie sollte ich mir dass denn entgehen lassen können?“
Wir unterhielten uns noch angeregt über belanglosem Kram und machten uns dann auf den Weg nach Takeo.
Der Priester hatte inzwischen das Plakat fertig und brauchte nur noch ein Foto von mir, um es perfekt zu machen.
Als wir dann vor dem Haus anhielten, stieg ich von dem Motorrad ab und zog den Helm aus.
„ Danke dass du mich begleitet hast. Ohne dich hätte ich vermutlich nicht mal die Stadt gefunden.“ lächelte ich ihn an.
„ Kein Problem.“ auch er nahm den Helm ab und sah zu mir rüber. „ Es ist eine schöne Abwechslung, mit solch einer attraktiven Frau einkaufen zu gehen.“
„ Dann sehen wir uns vielleicht bald wieder.“ zum Abschied gab ich ihn noch einen Kuss auf die Wange, ehe ich im Haus verschwand.
„ Da bist du ja schon wieder, Liebes.“ begrüßte mich Takeo lächelnd. „ Und wie ich sehe, bist du fündig geworden.“
„ Und ob! Ich hätte am liebsten den ganzen Laden leer gekauft!“ lachte ich und stellte die unzähligen Taschen auf den Boden.
„ Dann kann ich ja jetzt ein Foto von dir machen, dann können wir das Plakat heut schon aufhängen.“
„ Dann gehe ich mich mal schnell umziehen.“ quiekte ich vergnügt und eilte in mein Zimmer.
Zuallererst kämpfte ich mit meinen Haaren und dann mit der schwarzen Perücke. Es war gar nicht so einfach alle blonden Strähnen zu verbergen. Aber schließlich gelang es mir und ich frisierte mir die neue Haarpracht.
Ich musste schon zugeben, dass es ein ungewohntes Bild war mich mit schwarzem Haar zu sehen. Aber mein Spiegelbild gefiel mir dennoch. Ich sah nicht mehr so brav und unschuldig aus und als ich dann auch noch eins meiner knappen Outfits anzog, war das Bild vor mir perfekt.
Freudestrahlend lief ich aus dem Raum und präsentierte Takeo meinen neuen Look.
„ Und? Wie findest du es?“ fragte ich ihn und drehte mich extra einmal um die eigene Achse.
„ Wow.“ starrte er mich bewundernd an. „ Wenn ich doch nur 20 Jahre jünger wäre.“ lachte er. „ Du siehst umwerfend aus.“
„ Dankeschön!“
„ Du wirst mir den Männern echt noch den Kopf verdrehen.“ lächelte er mich an. „ Nicht dass sie dann noch von einem Teufel gefressen werden.“
„ Ach was!“
„ Komm, wir machen schnell ein paar Fotos von dir.“
Nach dem Fotoshooting vollendete Takeo das Plakat und rollte es zusammen. Heute fuhren wir auch in meine Wohnung, um zu schauen ob dort irgendwer der Nachricht nachgekommen war und nun auf mich wartete.
Aber leider kam niemand. Wir warteten fast zwei Stunden und gaben dann auf. Scheinbar vermisste mich wirklich keiner, was wohl auch bedeutete, das sich ganz allein auf der Welt war. Deshalb weigerte ich mich immer mehr dagegen, mich auch nur an irgendeine Kleinigkeit zu erinnern.
Ich wusste ja nicht, dass der Zettel nach kurzer Zeit schon verschwand und das die, die mich suchten über den Balkon in meine Wohnung kamen und deswegen nichts von meinem Besuch erfuhren.

Meine Beschützer suchten mich noch immer pausenlos und auch Elara und Patty waren ständig auf Achse.
Es beruhigte sie ein bisschen, dass ich weder Entführt wurde noch tot war. Nichtsdestotrotz machten sie sich unglaubliche Sorgen um mich und hofften inständig, dass ich nicht irgendeinem Perversen in die Arme gelaufen war.
Seit einer Woche hatten sie nun kein Lebenszeichen mehr von mir bekommen und so langsam machte sich die Ratlosigkeit in ihnen breit, wo sie noch suchen sollten.
Völlig erschöpft und mit den Nerven am ende traf Misaki zuhause ein und ließ sich auf seufzend in den Sessel fallen.
Die beiden Schlächter hatten seit Tagen schon nicht mehr geschlafen, aber ans Aufgeben dachte keiner. Irgendwo musste ich doch sein...
So langsam gingen ihnen die Ideen aus und sie drehten sich immer wieder im Kreis.
„ Wo bist du nur?“ flüsterte der Seelendieb betrübt. „ Sag mir doch, wie ich dich erreichen kann...“
„ Hast du was heraus finden können?“ betrat Keith den Raum.
„ Nein, nichts...“
„ Das gibt es doch gar nicht. Wo kann sie nur sein?“
„ Ich wünschte wirklich dass wüsste ich.“
„ Ich werde später noch mal bei ihr Zuhause vorbeischauen. Vielleicht war sie inzwischen ja da.“ überlegte der Prinz. „ Hast du schon was von Patty und Elara gehört?“
„ Ja, aber sie haben auch nichts herausfinden können.“
Das gab es doch gar nicht, dass es so schwer war eine Göttin unter den Menschen zu finden.
„ Göttin...“ kam Keith plötzlich ein Geistesblitz. „ Ja natürlich!“
„ Was ist?“
„ Es gibt doch dieses Lied, mit dem man die Göttin des Lebens zu sich rufen kann!“ sprach er hektisch drauf los, während er sich anzog. „ Rika hatte Patty diesen Song oft vorgesungen, vielleicht erinnert sie sich daran!“
„ Mensch! Warum bist du denn nicht früher darauf gekommen, du Penner??“ fuhr Misa seinen Kumpel an. „ Das könnte all unsere Probleme beseitigen!“
„ Hoffen wir mal dass das Lied nicht Machtlos gegen ihre Unwissenheit ist. Wäre möglich dass es nicht funktioniert. Also mache Patty nicht all zu große Hoffnungen.“
„ Dann lass uns am besten eine andere Göttin fragen, bevor wir Patty mit rein ziehen.“ der Seelendieb griff sich seine Jacke und verließ das Haus.
„ Was für eine andere Göttin?“ harkte Keith nach.
„ Ich hatte mal was mit ihr...“ war alles was Misaki dazu sagte.
Misa erinnerte sich sehr wohl an sein Versprechen, was er mir gab, dass er dem Prinzen nichts über Illumina sagen sollte. Und daran wollte er sich auch halten.
Für Keith wäre es nur eine zusätzliche Belastung, wenn er mit meiner Schwester über die Glaskugel redete.
Es war besser, ihm im ungewissen zu lassen und ihn eines Tages mit dorthin zu nehmen. Mal abgesehen davon, dass sich das Schicksal nicht gern einen Strich durch die Rechnung machen ließ...
Wie eine besengte Sau raste der Teufel durch die Straßen, bis er schließlich den Rummelplatz erreichte.
„ Was wollen wir denn auf dem Rummel?“ fragte Keith sich verwirrt.
Misaki allerdings sprang schweigend aus dem Wagen und eilte zu dem Zelt der Wahrsagerin hin.
„ Charis!“ rief der Seelendieb ihren Namen.
„ Hast du Risa inzwischen finden können, Darling?“
„ Nein. Deswegen bin ich ja hier.“
„ Wie kann ich dir denn dieses Mal helfen?“
„ Ich brauche dass Lied von Risa!“
„ Das Lied von Risa?“ schaute sie ihn fragend an. „ Ach so, du meinst die Ballade des Lebens.“
„ Wie auch immer. Könntest du es singen?“
„ Ich und singen? Im Leben nicht. Aber ich könnte dir den Text aufschreiben. Eine Stimme wird sowieso nicht reichen, um sie zu euch zu rufen. Vergiss nicht, dass sie sich nicht erinnert. Ich bin mir nicht sicher ob sie dem Ruf überhaupt folgen würde...“
„ Wir müssen es zu mindestens ausprobieren.“
„ Dann brauchen wir eine Halle oder so was und ganz viele Stimmen. Fällt dir was passendes ein?“
„ Wie wäre es mit den Kindern aus dem Heim und einer offenen Bühne im Park?“ betrat nun auch der Prinz das Zelt.
„ Wow.“ strahlte Charis ihn an. „ Wenn ich nicht wüsste, dass Tartaros tot ist, würde ich jetzt glauben dass er wahrhaftig vor mir steht. Du musst Keith sein, richtig?“
„ Ja, richtig.“
„ Mein Name ist Charis! Ich bin die Göttin...“
„ Mit der ich was hatte...“ unterbrach Misaki sie.
„ Ja, das auch.“ kicherte die Göttin.
„ Der Park wäre ideal, da er im Zentrum der Stadt liegt. Wenn sie uns von irgendwo hören kann, dann von da.“ Misa gefiel die Idee. „ Lasst uns keine Zeit verlieren und den Kids das Lied eintrichtern, bis es ihnen aus den Ohren wieder raus kommt.“ dann sah zu dem anderen Schlächter hin. „ Wirst du damit zurecht kommen, das Lied zu hören.“
„ Sicher...“ war alles was er dazu sagte.
„ Na gut. Dann los!“

Nun machten sie sich zu dritt auf den Weg zum Kinderheim und berichteten Patty in ihrem Zimmer von deren Pläne.
„ Warum bin ich denn nicht darauf gekommen?“ strahlte Patricia die Gruppe an. „ So werden wir Risa bestimmt finden!“
„ Mach dir aber bitte nicht zu viele Hoffnungen, Kleines.“ der Seelendieb umarmte das Mädel zärtlich und drückte sie fester an sich. „ Es gibt keine Garantie dafür, dass Risa auch auftauchen wird.“
„ Das wird schon!“ ließ sich Patty nicht in ihrer Euphorie stoppen. „ Ich werde gleich alle Kinder zusammen trommeln, dann können wir im Garten damit anfangen das Lied einzustudieren!“ rief sie und stürmte dann aus dem Raum.
„ Vielleicht war das doch keine so gute Idee, ihr von dem Lied zu erzählen.“ sah Keith ihr nach. „ Sie wird am Boden zerstört sein, wenn Risa weg bleibt...“
„ Wir hatten keine andere Wahl...“ murmelte Misa vor sich hin. „ Wir können einfach nur hoffen, dass das Lied sie erreicht.“
Die Kinder begrüßten die willkommene Abwechslung und ließen sich leicht von Patty's Begeisterung anstecken.
Sie liebten es einfach im Mittelpunkt zu stehen und ganz viel Lob von den Erwachsenen zu erhaschen.
„ Ihr wollt ein Konzert im Park geben?“ schaute Hideko das Mädchen verblüfft an. „ Warum das denn?“
„ Durch den Ausflug auf den Rummel haben wir unsere Spardose doch geplündert und nun wollen wir die wieder auffüllen.“ natürlich hatte sich Patty schon einige Antworten zurecht gelegt, damit die Obermutti auch ja nicht nein sagen konnte. „ Außerdem brauchen manche Kinder neue Betten und unsere Waschmaschine gingt ganz komische Laute von sich.“
„ Ich finde dass ist gar keine so schlechte Idee, Hide.“ mischte sich nun auch Yu mit ein. „ Wir könnten Getränke und Fastfood dazu verkaufen und wenn uns zwei so starke Männer dabei unterstützen, kann doch eigentlich gar nichts schief gehen.“ klimperte sie Keith mit den Augen an.
„ Wirklich Mutti, dass wird der Hammer werden.“ Patricia setzte sich ihren Dackelblick auf und sah Hide dann an. „ Biiittteeeeee!“
„ Na also gut. Wenn es zum wohl des Heimes ist, bin ich damit einverstanden.“
„ JUHU!!“ jubelte die Blonde.
Eigentlich wollten die Schlächter da nicht so ein Trara drum machen, sondern die Kids auf irgendeine Wiese stellen und sie singen lassen.
Aber nun mussten sie sich damit abfinden, dass es zu einer größeren Sache heran gewachsen war.
Charis und Patty begannen auch gleich damit, den jüngeren Kindern das Lied Strophe für Strophe vorzulesen, während die älteren einen Zettel mit dem Songtext zugesteckt bekamen.
Keith beobachtete die Göttin dabei wie sie das Lied sang und spürte gleichzeitig, wie alte Wunden wieder aufgerissen wurden.
Er musste an Rika denken, an die wundervollen Tage, die er an ihrer Seite verbringen durfte und auch daran, wie wichtig ich ihr war. Und nun hatte er ein weiteres Mal versagt. Er war nicht in der Lage gewesen seine eigene Freundin zu beschützen und nun... hatte er auch noch die Person verloren, für die mein Schwesterherz alles aufgegeben hatte.
Auch Keith fragte sich inzwischen, warum er mich nicht aufgehalten hatte, als ich aus der Wohnung gestürmt war.
Warum hatte er es zugelassen, dass ich aus seinem Leben verschwand? Er hätte mich einfach aufhalten müssen...
Dieser Song durchbrach seine Mauer so einfach, als wäre sie ein Schweizer Käse. Sie förderten Gefühle ans Tageslicht, die er lange Zeit erfolgreich unterdrücken konnte.
Unaufhörlich zeigten sie ihm, wie tief der Schmerz noch in ihm festsaß und allmählich seine Seele zerriss.
Keith atmete schwer aus, lehnte sich gegen die Häuserwand und verschränkte die Arme vor die Brust.
Ihm war ganz gleich wie sehr ihm dieser Song mitnahm, oder wie viele Wunden noch aufgerissen wurden, er wollte mich unter allen Umständen finden, selbst wenn das bedeutete, dass seine Mauer komplett einstürzte und er erneut an den Schmerzen zu Grunde ging.
„ Hey. Ist alles ok bei dir?“ riss Misaki ihn aus seinen Gedanken raus. „ Du siehst scheiße aus.“
„ Mhm.“ lächelte er leicht. „ Du hast heut noch nicht in den Spiegel gesehen, was?“
„ Autsch...“ verzog der Seelendieb das Gesicht, lehnte sich dann aber neben seinen Kumpel an die Wand. „ Du denkst gerade an Rika, oder?“
„ Wann tu ich das nicht?“
„ Mir schien es so, als hättest du die letzten Tage eher an Risa gedacht...“
„ Das ist ja auch was anderes.“
„ Sicher?“ sah Misa ihn seitlich an. „ Du solltest mal in dich gehen, Keith.“
„ Wozu? Hätte man mir irgendwelche inneren Organe geklaut, hätte ich das bestimmt mit bekommen.“ murmelte der Prinz vor sich hin.
„ Hm. Jetzt ist vermutlich nicht der richtige Zeitpunkt um mit dir über Risa zu reden...gerade weil sie sich nicht wehren könnte.“ lächelte er leicht. „ Ich hoffe einfach das sie bald wieder bei uns ist...“ flüsterte er. „ Sie fehlt mir...“
„ Ja...“
„ Du gibst also zu dass sie dir fehlt?“ grinste Misa, der einfach versuchte für einen kurzen Moment alle Sorgen zu vergessen. „ Ich wusste doch dass du voll auf sie stehst.“
„ Unter anderen Umständen wäre ich ihr vermutlich schon längst verfallen...“ gab der Prinz offen zu. „ Aber so gibt es nur eine einzige, die mich anspricht.“
„ Und wie lange glaubt der Herr sich selbst noch belügen zu können?“
„ Bis an mein Lebensende, wenn es sein muss.“
„ He, du bist ja heut so ehrlich. Hast du an einem Warheitsserum genippt, oder was ist mit dir los?“
„ Ist es nicht dass was du hören wolltest? Und das schon seit Jahren?“ blickte Keith ihn an. „ Dass ich Rika vergessen habe und wieder anfange zu Leben? Ist das nicht auch der Grund, warum du Risa unbedingt bei uns haben wolltest?“
„ Nein. Ich wollte sie in meiner Nähe haben um sie beschützen zu können. Damit sie nicht mehr allein den Kampf gegen Thanatos aufnimmt.“
„ Willst du mir damit sagen, dass du von Anfang an wusstest, wer sie war?“
„ Ja.“
„ Woher?“ starrte der Prinz ihn verblüfft an. „ Und warum wusste ich davon nichts?“
„ Weil ich es für besser hielt, dir nicht zu sagen das sie Rika's Schwester ist!“
„ Und woher wusstest du das? Nun rede schon!“
„ Ich weiß dass alles von Rika, ok?“
„ Was?“
„ Sie wusste von Anfang an dass sie sterben wird und genauso wusste sie auch, dass Risa auf die Erde kommen wird. Sie hat mich darum gebeten ihre Schwester vor Thanatos zu beschützen.“
„ Du wusstest also auch dass sie sterben wird? Warum hast du dann nichts unternommen um dies zu verhindern??“ herrschte Keith seinen Freund an. „ Du hättest es verhindern können!!“
„ Man kann sich dem Schicksal nicht entziehen. Ich hätte es nicht verhindern können, oder glaubst du ich hätte es nicht versucht?? Ich habe pausenlos auf sie eingeredet, dass sie uns die Suche überlässt und sich selbst im Hintergrund hält...aber sie wollte nicht auf mich hören...“
„ Warum hast du mir nichts gesagt? Verdammt!! Warum hast du dein Maul nicht aufgemacht?“
„ Weil Rika mich angefleht hatte es nicht zu tun!“
„ Hey Jungs.“ stand Charis plötzlich zwischen den Beiden. „ Nicht streiten. Ich weiß dass die Nerven blank liegen, aber sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen bringt uns allen nichts.“
„ Ja, du hast recht... es tut mir leid, Keith.“
„ Mir auch...“ flüsterte er und verließ den Garten.
„ Warum hast du ihm das nur erzählt?“ schaute die Göttin Misa vorwurfsvoll an. „ Er hätte es nicht erfahren dürfen.“
„ Ich weiß auch nicht...es ist mir so raus gerutscht.“
„ Ach so? Du versuchst aber nicht zufällig alte Wunden aufzureißen, damit sich Keith fester an Rika klammert und du dir Risa unter den Nagel reißen kannst?“
„ ...“ schwieg der Seelendieb dazu.
„ Warum nur quälst du dich so, Misaki?“ sah sie ihn seufzend an. „ Du kennst ihr Schicksal doch...“
„ Es ist mir einfach nur so heraus gerutscht wirklich... ich versuche gar nicht ihn von Risa zu trennen. Ich bloß am ende meiner Kräfte und habe diese ständigen Lügen echt satt.“
„ Du brauchst dringend Schlaf, Darling.“
„ Ts. Wem sagst du das...“
„ Ich hoffe für dich das Keith wieder runter kommt...“ sie hörte wie ein Wagen mit quietschenden Reifen davon fuhr. „ Ohne ihn geht es nicht...“
„ Der wird sich schon wieder beruhigen.“
Auch ohne Keith gingen die Proben weiter uns so langsam behielten selbst die Kleinsten das Lied im Gedächtnis.
Dadurch das es ein magischer Song war, fiel es ihnen natürlich wesentlich leichter ihn zu behalten.

Schon zwei Tage später sollte das Konzert stattfinden, was sie natürlich Charis überzeugenden magischen Kräften zu verdanken hatten.
Während sie die Bühne und die Stände aufbauten, war ich mit Takeo und einigen anderen Schlächtern, die für meine Sicherheit sorgen sollten, in seiner Kneipe und besprachen dort die letzten Einzelheiten wegen meinem Auftritt, der am Abend stattfinden sollte.
Von der Sache, die sich im Park abspielte bekamen wir nichts mit.
Um Punkt 15 Uhr versammelten sich die Gäste und die Kinder vor und auf der Bühne. Auch Misaki, Keith, Elara und Charis waren mit von der Partie.
Der Prinz hatte sich inzwischen wieder beruhigt, da er ja eigentlich wusste, das Misaki es nicht verhindern konnte das Rika von uns gegangen war.
Jeder der den wahren Grund für dieses Fest kannte, konzentrierte sich auf die Umgebung, für den Fall dass ich auftauchte, und auf eventuelle helle Auren, die in der Ferne aufleuchten könnten.
Sie setzten all ihre Hoffnung auf das Lied, welches mich zu sich rufen sollte.
Als die Band dann die Melodie anstimmte, war es Mucksmäuschenstill und jeder lauschte den lieblichen Klängen der Kinderstimmen.
„ Bitte Risa...zeige dich...“ murmelte Misa vor sich hin.
Aber das tat ich nicht. Auch als das Lied dann endete, war von mir weit und breit nichts zu sehen.
„ Risa... nun komm schon..“ flehte Patty leise.
„ Sie ist nicht da...“ erkannte Keith richtig. „ Vielleicht hat sie das Lied nicht gehört...?“
„ Ich habe ja zum Glück wieder ein Ass im Ärmel.“ grinste Charis geheimnisvoll, schob sich den Daumen und Zeigefinger zwischen die Lippen und gab einen lauten Pfiff von sich.
Sofort kamen unzählige junge Menschen angerannt, die komplett in weiß gekleidet waren.
„ Wer sind die denn?“ gab Misa erstaunt von sich.
„ Engel und Götter, die daran interessiert sind Risa zu finden.“ lächelte die Schicksalsgöttin zufrieden.
Die Zuschauer wie auch die Kinder glaubten dass die Wesen mit zu dem Auftritt gehörten und so was wie ein Spezial Effekt sein sollte.
„ Und nun noch mal von vorne!“ riefen die neuen im Chor.
„ Gebt euer bestes!“ brüllte Patty auf und nickte den beiden Teufeln dann zu.
Die Melodie erklang von neuem und die Kinder, wie auch die himmlischen Wesen sangen vereint die Ballade des Lebens.
„ Mhm...?“ gab ich erstaunt von mir.
„ Was ist los?“ fragte Takeo.
Ich konnte es nicht wirklich beschreiben, mein Körper pochte wie wild und ich hatte das dringende Bedürfnis, irgendwas oder irgendwem zu folgen.
Der Drang wurde immer heftiger, erlaubte keinen Rückzug. Mein Herz raste, mein Blut kochte. Alles in mir schrie danach meine Mächte zu befreien und mein Gedächtnis zurück zu holen.
Plötzlich bekam ich ein starkes Stechen im Kopf, immer wieder blitzten Bilder in mir auf. Fürchterliche und Angst einflößende Bilder, die mir einen eiskalten Schauer über den Rücken jagten.
„ Ah..“ ich stolperte von meinem Stuhl runter und hielt mir den schmerzenden Kopf. „ Nein...“
„ Risa? Was ist los?“
„ Nein. Ich will mich nicht erinnern!!“ schrie ich schmerzverzerrt auf.
„ Risa!“
Und dann zerbrach das Siegel, was meine Mächte unter Verschluss gehalten hatte.
„ Ich spüre ihre Aura!! Die Verbindung ist wieder da.“ gab Elara, ungeachtet der umher stehenden Menschen, von sich. „ Aber das Signal ist nicht stark genug. Wir brauchen noch mehr Stimmen!!“
„ Das haben wir gleich!“ hektisch machte Charis ein paar Handbewegungen und belegte die Anwesenden Schaulustigen mit einem Zauber, der sie zum Mitsingen zwang.
„ Ahhh... nein....aufhören!!“ immer mehr Bilder zogen an meinem inneren Auge vorbei.
Ich sah Thanatos, wie er in unsere Welt eindrang, mir meine Kräfte und meinen geliebten Kater raubte. Ich sah, wie Rika's Leiche zurück gebracht wurde. Diese furchtbaren Erinnerungen schnürten mir die Kehle zu.
Mehr denn je wehrte ich mich gegen mein Gedächtnis und versuchte gleichzeitig alles wieder in mir zu versiegeln.
Takeo und alle anderen mussten hilflos mit ansehen, wie ich vor Schmerzen vor mich hin litt und dann plötzlich meine Gestalt veränderte.
Weiße Flügel breiteten sich hinter mir aus und meine Klamotten verwandelten sich in jenes weiße Kleid, welches ich als Göttin des Lebens an hatte.
„ Ich hab sie!!“ brüllte Elara auf und raste davon.
„ NEIN....ICH WILL NICHT!!!!!“ mit aller Macht, die mir zur Verfügung stand, versiegelte ich meine Kräfte und sperrte meine niederschmetternden Erinnerungen hinter einem magischen Schloss weg.
Ein grell leuchtendes Licht umschloss meinen Körper, als ich es von mir weg stieß, verteilte sich das Licht kreisförmig im Raum, bis es sich schließlich vollkommen auflöste.
Erschöpft brach ich zusammen und nahm wieder meine menschliche Gestalt an.
„ Risa!“ lief Takeo zu mir hin, ließ sich neben mir auf die Knie fallen und zog mich in seine Arme. „ Was ist da gerade bloß geschehen...?“
„ Nein. Die Verbindung ist wieder abgerissen...“ gab Elara völlig außer Atem von sich.
„ Kannst du uns jetzt nicht auch dahin bringen wo die Verbindung abriss?“ blickte Misaki sie hoffnungsvoll an.
„ Leider nicht. Dafür war das Signal zu kurz und zu schwach.“
„ Mist.“
„ Aber nun wissen wir zu mindestens, dass sie sich noch in der Stadt aufhält. Und zwar irgendwo dahinten.“ wobei 'dahinten' mehrere Ortsteile umfasste.
„ Und wenn sie wirklich bei irgendeinem perversen ist, der jetzt auch noch weiß dass sie kein normaler Mensch ist? Das sie nicht gleich zu uns gekommen ist, ist wohl kein gutes Zeichen, oder seht ihr das anders?“ zerschlug Keith den Hoffnungsschimmer wieder.
„ Man. Du schaffst es wirklich einem jegliche Hoffnung zu nehmen.“ fuhr Misa ihn an.
„ Sorry. Aber das sind halt meine Gedanken.“
„ Behalte sie das nächste Mal besser für dich.“ knurrte der Seelendieb.

Etwa eine Stunde später öffnete ich meine Augen wieder und setzte mich langsam hin. Der Priester hatte mich inzwischen in den Keller gebracht, wo sich die Umkleideräume der Bands befanden, die hier öfters auftraten.
„ Risa! Oh Gott sei dank, du bist aufgewacht.“ seufzte Takeo erleichtert auf. „ Was war denn los mit dir?“
„ Ich...weiß es nicht...“ murmelte ich. „ Irgendetwas hat meine Erinnerungen befreit...aber ich habe sie wieder versiegelt...“
„ Warum?“ starrte er mich erstaunt an. „ Es wäre doch das beste für dich wenn du dich erinnern würdest.“
„ Nein. Wäre es nicht.“ ich umschloss meine Knie mit den Armen und lehnte meinen Kopf auf meinen Arm. „ Ich weiß nicht mehr was ich gesehen habe, aber ich weiß, dass es furchtbare Ereignisse waren. Ich muss in der Vergangenheit schlimmes durchgemacht haben. Ich habe Angst davor, mich an diese Schrecklichen Situationen zu erinnern...ich will das nicht...“
„ Schon ok, Liebes. Diese schlechten Visionen sind nun vorbei. Du bist in Sicherheit.“
„ Ja...“
Dann klopfte es an der Tür und Naoki betrat den Raum.
„ Hey, du bist ja wach.“ sah er mich lächelnd an.
„ Ich hole dir mal schnell was zu trinken.“ meinte Takeo und ließ uns beide allein zurück.
„ Kannst du dich jetzt wieder an alles erinnern?“ fragte er mich, während er sich aufs Bett setzte.
„ Nein, das konnte ich gerade so noch verhindern.“
„ Du willst also freiwillig ohne Gedächtnis durch die Weltgeschichte Eiern? Warum?“
„ Weil die Erinnerungen zu grausam sind....“
„ Ich verstehe.“
„ Dann bleibe ich lieber in dieser Gestalt und meide meine wahre.“
„ Deine wahre Gestalt, wenn sie das denn gerade war, sieht umwerfend schön aus...“ murmelte Naoki vor sich hin. „ Ich habe noch nie im Leben eine Frau gesehen, die dir auch nur Ansatzweise das Wasser reichen kann...“
„ Führst du dich etwa gerade selbst in Versuchung?“ grinste ich ihn frech an.
„ Wäre dass schlimm...?“ sah er mich seitlich an.
„ Ich weiß nicht. Du kannst es ja ausprobieren...“ flüsterte ich.
Doch gerade als er sich mir näherte, stand Takeo wieder in der Tür, der unsere Zweisamkeit zerstörte.
„ Also wirklich. Das ist doch kein Freudenhaus hier!“ grinste der Priester. „ Oben brauchen sie mal deine Hilfe, Naoki.“
„ Ok...“ erst als er den Raum verlassen hatte, setzte sich der Geistliche zu mir ans Bett.
„ Bei euch beiden knistert es aber gewaltig. Kann das sein?“
Er reichte mir das kühle Getränk, dankend nahm ich es an und trank einen großen Schluck daraus.
„ Vielleicht ein bisschen.“
„ Und was ist mit diesem silberhaarigen Typen, der dein Freund sein könnte?“
„ Er hat mit meiner Vergangenheit zu tun...also versuche ich ihn zu vergessen.“ ich verstand sowieso nicht, warum ich mich noch immer an dieses Gesicht erinnern konnte.
Hatte er vielleicht gar nichts mit den schlechten Erinnerungen zu tun? Vielleicht lernte ich ihn zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort kennen. Eventuell sogar in einer ganz anderen Welt...? Nichtsdestotrotz gehörte dieser Kerl zu meiner Vergangenheit, an die ich mich definitiv nicht mehr erinnern wollte. Also galt es nun, ihn aus meinem Herzen zu verbannen.
Und Naoki, der zugegebenermaßen unglaublich attraktiv und sexy war, kam mir da gerade recht.
„ Und was ist wenn er irgendwann plötzlich vor dir steht und dich mit einem anderen sieht?“ riss mich Takeo aus den Gedanken raus. „ Das wäre immerhin möglich. Wie willst du denn dann darauf reagieren?“
„ Ich weiß doch noch nicht mal was dieser Freak für einen Charakter hat. Nun stell dir mal vor, ich warte auf ihn und er hat schon eine neue. Oder er ist voll das Arschloch, der mich ununterbrochen geschlagen hat...oder so! Oder er findet mich erst gar nicht und ich sterbe als eine verbitterte, runzelige alte Schachtel. Willst du denn wirklich dass ich so ein Leben führe?“
„ Ich will dir damit ja nur sagen, dass dich dein altes Leben jeder Zeit einholen könnte und du da wenigstens mal drüber nachdenken solltest, ehe du dich Hals über Kopf in eine ausweglose Situation stürzt.“
„ Du hast ja recht...“ murmelte ich. „ Ab jetzt werde ich besser über mein Handeln nachdenken.“
„ Mehr verlange ich auch gar nicht von dir.“ nickte er zufrieden. „ Und wenn du Naoki wirklich haben willst, dann mein Gott, nimm ihn dir. Man ist ja nur einmal Jung.“
„ Ja, du hast recht. Ich schätze dass ich mich bei Naoki zu mindestens immer sicher fühlen könnte.“
„ Alle Teufelsschlächter sind dir verfallen, Risa.“ schmunzelte Takeo leicht. „ Sie verehren dein Licht, als wärst du eine Gottheit. Und wer weiß...vielleicht bist du das sogar.“
„ Eine Gottheit? Wohl kaum.“
„ Göttin der Schönheit würde gut zu dir passen. Oder die Göttin der Reinheit.“
„ Vielleicht war ich ja auch die Frau vom Obergott oder uhu, seine Tochter!“ verdrehte ich seufzend meine Augen.
Ich konnte ja nicht wissen, dass ich mit letzterem echt recht hatte...
„ Aber es wäre doch möglich.“
„ Quatsch. Wenn ich eine Göttin wäre, müsste ich doch über gewaltige magische Kräfte verfügen. Wo sind sie denn dann?“
„ Hast du sie eventuell versiegelt?“
„ Ich habe meine Mächte versiegelt, das stimmt schon. Aber für eine Göttin waren diese zu schmächtig. Ich bin bloß ein kleiner nicht unschuldiger Engel.“ blickte ich den Priester lächelnd an. „ Nicht mehr, aber auch nicht weniger.“
„ Nach deiner Stimme zu urteilen, bist du sowieso eher eine Sirene...“ lachte er leise.
„ Wer weiß...vielleicht stimmt das ja sogar...“ spann ich den Gedanken weiter. „ Ich klaue jungen, attraktiven Männern die Lebensenergie hihihi. Jetzt weiß ich auch warum der Kerl aus meinen Erinnerungen so ein alter Knacker ist!“
„ Na Gott sei dank bin ich schon alt und verbraucht.“
„ Du? Alt und verbraucht? Also bitte.“ starrte ich ihn an. „ Du bist doch höchstens 50 Jahre alt.“
„ Ich sag ja, alt und verbraucht.“
„ So ein Blödsinn.“ ich setzte mich an den Rand des Bettes und sah ihn dann lächelnd an. „ Dir würde ich auch jetzt noch die Lebensenergie aussaugen.“
„ Ist das nun gut oder schlecht?“ schmunzelte er.
„ Das liegt ihm Auge des Betrachters.“ kicherte ich.
„ Nun gut. Magst du mit mir nach oben kommen? Oder willst du dich lieber noch ein wenig ausruhen?“
„ Nein, ich habe mich jetzt lang genug ausgeruht. Ich möchte meinen Auftritt gern Proben.“ ich stand auf und streckte mich ausgiebig. „ Schließlich möchte ich mich heut Abend nicht völlig Blamieren.“
„ Fein, dann kann ich ja gleich deine wundervolle Stimme hören.“
„ Achte aber auf deinen Energie Haushalt.“ grinste ich ihn frech an.
„ Danke für den Hinweis.“ lächelte Takeo leicht.
Gemeinsam verließen wir den Raum und gesellten uns zu den anderen, die sich eine Etage weiter oben befanden.
Ein gewaltiger Kampf zwischen meinem Herz und meinem Verstand tobte in meinem inneren. Auf der einen Seite wollte ich alles im Verborgenem halten und mit meiner Vergangenheit abschließen. Auf der anderen Seite war aber dieses Gesicht... Ich wusste weder wer er war, noch was ich mit ihm zu tun hatte. Aber mein Körper reagierte so heftig auf ihn, wenn ich an den Fremden dachte, dass es mir schwer fiel ihn los zu lassen.
Wenn ich dies aber nicht tat, wäre da immer eine Verbindung mit meinem vergangenem Leben, mit dem ich ja eigentlich abschließen wollte.
Wenn ich mich dann aber doch dafür entschied, ihn zu ignorieren und etwas mit Naoki anzufangen, und dann auf den Fremdling traf, würde es mich dann zerreißen ihn wegen einer Liebschaft verloren zu haben? Ich wusste ja nichts, außer dass ich starke Gefühle für ihn hegte.
Da ich weder vor noch zurück kam, entschloss ich mich dazu dem Ganzen mehr Zeit zu geben. Und sollte es dann so kommen, dass ich mich in Naoki verliebte, dann wäre mir der andere Typ ja eh egal und wenn ich mich nicht neu verliebte, dann war es auch ok.
Ich ließ einfach alles auf mich zu kommen und würde das Schicksal so ergreifen, wie es kam.
Während ich auf der Bühne stand und meinen großen Auftritt probte, befanden sich meine Schlächter ganz in der Nähe, ohne dass sie wussten, das sie mir so nah waren. Und schließlich drehten sie mir den Rücken zu und entfernten sich von mir.
So nah...und doch so weit entfernt...
Dennoch kamen sie ihrem Ziel immer einen Schritt näher, es war nur noch eine Frage der Zeit, bis ich mit meiner Vergangenheit konfrontiert werden sollte...
Aber jetzt verschwendete ich keinen Gedanken mehr daran, sondern freute mich einfach auf meinen kommenden Auftritt.
Ich fühlte mich Pudelwohl auf der Bühne und hatte riesigen Spaß dabei, die Männerwelt zu unterhalten.
Wenn ich nicht grad am singen war, lief ich durch die Reihen und schenkte Getränke aus, oder ich setzte mich an einen der Tische und ließ mich von den Teufelsschlächtern voll quatschen.
Obwohl ich natürlich am liebsten mit Naoki abhing und mich teilweise wirklich dabei erwischte, wie ich sehnsüchtig die Tür anstarrte und darauf wartete dass er endlich die Kneipe betrat.
Ich würde nicht soweit gehen und sagen, dass ich mich in ihn verliebt hatte. Er war einfach zu einem guten Freund geworden, bei dem ich mich sicher und Geborgen fühlte. Empfindungen, die für mich scheinbar sehr wichtig waren...
Das Rad der Zeit drehte sich unaufhörlich weiter und der 14 Tag meines Verschwindens neigte sich dem Ende zu...

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Tag der Veröffentlichung: 11.04.2012

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