„ Kommt schnell! Weg von hier, bevor die Bullen auftauchen.“ war das letzte was ich hörte, bevor bei mir die Lichter ausgingen.
Das klirrende Geräusch einer Eisen oder Brechstange, hallte durch die Gasse, vermischt mit eiligen Schritten.
Ich stand diesen Banditen im Weg, als sie nach einem Banküberfall schnell das Weite suchten und so schlugen sie mich mit jener Brech- oder Eisenstange nieder und ließen mich achtlos in der Gasse liegen.
Ich konnte von Glück sagen, dass ein Geistlicher der Aura gefolgt war, die ich ausgelöscht hatte und so wurde ich nicht vom falschen gefunden.
Die schrillen Sirenen der Polizei war bereits von weitem zu hören.
„ Da warst du wohl zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort.“ murmelte der Priester vor sich hin und beugte sich zu mir runter.
Eine tiefe, stark Blutende Wunde klaffte an meinem Kopf und verklebte mir die Haare.
Doch gerade als der Fremde diese entdeckt hatte, heilte sie sich von selber wieder.
Verblüfft starrte er mich an und strich mir dann einige Strähnen aus dem Gesicht.
„ Du bist dem Teufel gefolgt, was? Hier kannst du auf jeden Fall nicht bleiben. Nicht auszudenken was die im Krankenhaus mit so einem Wesen anstellen würden.“
Kurzer Hand nahm er mich auf den Arm und trug mich zu seinem Auto hin, worin wir dann davon fuhren.
Meine Welt versank in der Dunkelheit und niemand war da, der mir das Licht zurück bringen konnte.
Ich vergaß wer ich war und was ich hier zu suchen hatte. Meine Erinnerungen versiegelt, meine Mächte schliefen.
Schwerfällig zwang ich mich dazu, meine Augen zu öffnen und starrte an eine weiße Decke.
Langsam und vorsichtig setzte ich mich hin und sah mich in diesem fremden Raum um. In diesem Moment kam mein Retter ins Zimmer, der ein Tablett mit sich rum trug.
„ Oh, du bist wach. Das ist schon mal ein gutes Zeichen.“ lächelte er mich freundlich an.
„ Wer bist du?“ fragte ich ihn verwirrt.
„ Mein Name ist Takeo. Ich habe dich verletzt auf der Straße vorgefunden und dich mit nach hause genommen.“ antwortete der ältere Herr. „ Du bist hier in einer umgebauten Kathedrale. Es muss Gottes Wille gewesen sein, dass ich dich finde.“
„ Ich wurde...verletzt?“ konnte ich mich deshalb an nichts mehr erinnern?
„ Du bist ein paar Bankräubern über den weg gestolpert. Aber wie geht es dir denn? Tut dir etwas weh?“
„ Nein...“ ich tastete meinen Körper ab, konnte aber keine schmerzen ausfindig machen. „ Es scheint alles in Ordnung zu sein.“
„ Das ist prima.“ nickte der Mann zufrieden. „ Dann kannst du mir ja sagen wer oder was du bist, dass deine Wunden von allein heilen.“
„ Wer ich bin?“ ich versuchte mich angestrengt daran zu erinnern, aber es brachte nichts.„ Ich...ich weiß es nicht...“ flüsterte ich erschrocken. „ Ich kann mich an nichts erinnern.“
„ Du hast auch ganz schön was abbekommen. Aber keine Sorge, ich denke dass die Erinnerungen bald wieder kommen werden.“ er setzte sich zu mir ans Bett und lehnte seine Hand auf meine. „ Du kannst erst einmal bei mir bleiben, bis es dir wieder besser geht.“
„ Das ist wirklich nett von dir.“
„ Ich muss einem Geschöpf mit solch einer reinen Aura doch helfen.“ erneut lächelte er mich aufmunternd an. „ Hier, trink diesen Tee. Er wird dir gut tun.“
Dankend nahm ich die Tasse entgegen und nippte an dem wohlschmeckenden Heißgetränk.
„ Du hattest eine Handtasche mit dabei. Vielleicht finden wir ja einen Ausweis. Dann wissen wir wenigstens wie du heißt und ich muss dir keinen Spitznamen geben.“
„ Das klingt nach einem guten Plan.“
Takeo erhob sich wieder und reichte mir meine Tasche. Tatsächlich fand ich in meiner Geldbörse einen Ausweis vor.
„ Risa heißt du also. Das ist wirklich ein wunderschöner Name.“
„ Risa...mhm...“ der Name sagte mir jetzt nichts.
Es war wirklich schlimm, dass mir mein eigener Name nichts brachte. Ich war eine fremde für mich...
„ Kopf hoch, Kindchen. Das wird schon wieder.“
„ Ja...“
„ Willst du mal versuchen aufzustehen?“ er hielt mir seine Hand entgegen. „ Du solltest jetzt erst einmal was essen, damit du wieder zu Kräften kommst.“
Zögernd nahm ich seine nette Geste an und stand vorsichtig aus dem Bett auf.
Meine Beine zitterten leicht, aber sonst ging es mir eigentlich recht gut. Mal abgesehen von meinem Gedächtnis Verlust.
Mit dem Priester verließ ich das Zimmer dann und sah mich interessiert in den anderen Räumen um.
Auf den Kaminsims im Wohnzimmer entdeckte ich dann ein Foto von einer wunderschönen Frau, die ein sanftes Lächeln auf den Lippen trug.
„ Ist das deine Frau?“ fragte ich ihn interessiert. „ Sie ist wunderschön.“
„ Ja, sie war meine Frau. Sie starb vor wenigen Jahren.“
„ Ouh. Das tut mir leid.“ ich sah ihn mitfühlend an.
„ Schon ok.“
Schweigend folgte ich ihm in die Küche und setzte mich dort an den Tisch.
„ Du bist ein Priester, oder?“
„ Ich war ein Priester. Aber jetzt bin ich im Ruhestand.“ erklärte er mir. „ Ich habe im Dienste der Kirche Teufel und Dämonen gejagt. Aber seit meine Frau von uns gegangen ist, habe ich meinen Dienst quittiert. Jetzt betreibe ich eine Kneipe, in der sich die Teufelschlächter dieser Stadt zu einem Bierchen treffen.“
„ Ein Teufelschlächter also...“ nun musste es doch klingeln...aber es geschah nichts.
„ Du musst auch ein Schlächter sein.“ er drehte sich zu mir um und sah mich dann nachdenklich an. „ Du hast einen Teufel den Gar ausgemacht, den ich gejagt hatte. Ich vermute dass du ein Engel, oder etwas vom höheren Rang bist, so dass du keine Waffen brauchst um die Geburten der Unterwelt dorthin zurück zu schicken.“
„ Ich soll ein Engel sein?“ dachte ich kurz darüber nach. „ Ich weiß nicht...wäre dass denn möglich?“
„ Sicherlich. Du musst etwas ganz besonderes sein, dass sich dein Körper von allein regeneriert. Und ohne Grund bist du bestimmt auch nicht auf der Erde. Vielleicht hast du ja einen Auftrag zu erfüllen.“ überlegte er laut. „ Aber da müssen wir uns wohl gedulden, bis du dich wieder erinnerst. Aber streng dich nicht zu sehr an. Wenn die Zeit gekommen ist, wird dir schon alles wieder einfallen. Und solange dass nicht der Fall ist, bleibst du einfach bei mir und wir versuchen gemeinsam etwas über dich heraus zu finden.“
„ Danke schön...“
„ Ich kann doch nicht zulassen, dass du in die falschen Hände gerätst. Nicht auszudenken was ein Terrorist mit deinen Mächten anfangen könnte.“
„ Das würde wirklich kein gutes Ende nehmen..“
Ich fragte mich, ob es da draußen überhaupt irgendwem gab, den mein Verschwinden auffallen würde und der unnachgiebig nach mir suchte.
Allein der Gedanke ganz allein auf dieser Welt zu sein, sorgte dafür, dass ich mich erst gar nicht wieder erinnern wollte.
Aber wenn es da jemanden gäbe, müsste ich doch zu mindestens das Gefühl haben, dass da jemand auf mich wartete. Jedoch war mein Kopf wie leer gefegt... erdrückende Finsternis, kalt und einsam...
Zur gleichen Zeit wachte Elara am anderen Ende der Stadt auf und streckte sich gähnend.
Sie merkte gleich, dass irgendwas anders war. Nur brauchte sie einen Moment bis sie realisierte, was es war.
„ Oh nein!!!“ erschrocken raste sie ins Wohnzimmer, wo sich Misaki und Keith gerade befanden. „ Ich habe die Verbindung zu Risa verloren!!“ gab sie schockiert von sich.
„ Was meinst du damit?“ harkte Misa nach, der durch das Kätzchen geweckt wurde.
„ Was von: Ich habe die Verbindung zu Risa verloren, hast du nicht verstanden??“ fuhr sie ihn an.
„ Beruhige dich Elara.“ versuchte Keith sie wieder runter zu bekommen. „ Was meinst du damit, dass du die Verbindung verloren hast?“
„ Sie könnte tot sein, oder ihre Göttlichkeit verloren haben. SIE KÖNNTE TOT SEIN!!!“ brüllte die Götter Katze panisch drauf los.
„ Was?“ gaben die Schlächter im Chor von sich.
Der Seelendieb sprang gleich von der Couch auf und lief zu seiner Jacke hin, dort kramte er sein Handy heraus und wählte meine Nummer.
„ Hoffentlich geht sie dieses Mal dran...“ murmelte er.
Doch dann vibrierte ein Telefon direkt hinter ihm und schon kurz darauf ertönte mein Klingelton.
„ Bitte sag mir dass ich bei dir Anrufe, Keith...“ Misa ballte seine Hand zur Faust und kniff die Augen zusammen.
„ Nein, Risa hat ihr Handy da gelassen...“ kam die ernüchternde Antwort.
„ Wenn ich sie in die Finger kriege, dann kann die was erleben!!“
Die drei stürmten gleich aus dem Haus und fuhren zu meiner Wohnung hin, wo sie jedoch vor verschlossener Türe standen.
„ VERDAMMT!!!“ brüllte der Seelendieb wütend auf und schlug mit der Faust gegen die Tür. „ Wie oft müssen wir ihr eigentlich noch sagen, dass sie ihr verdammtes Handy mitnehmen soll?? FUCK!!“
„ Das bringt uns hier kein Stück weiter.“ überlegte Keith, dem die Panik genauso betroffen hatte, wie die anderen Beiden. „ Kannst du uns dorthin führen, wo die Verbindung abriss? Vielleicht finden wir dort einen Hinweis.“
„ Ja!“ nickte Elara. >Oh bitte nicht! Sei Gesund, ich flehe dich an, sei am Leben!< fügte sie in Gedanken noch hinzu.
So schnell sie konnten, folgten sie den Anweisungen der Katze und standen kurz darauf vor der Bank.
Die Polizisten waren noch immer dabei den Tatort abzuriegeln und die Spurensicherung pinselte im inneren der Bank nach Fingerabdrücken.
„ Um Gottes Willen...“ Elara klebte schockiert an der Scheibe und starrte die abgeriegelte Bank an. „ Risa...“
„ Da ist ihr Auto!“ der Seelendieb zeigte mit dem Finger auf den Wagen, der vor ihnen auf einem Parkplatz stand.
„ Nein, nein, nein. Bitte nicht. Das kann nicht wahr sein...Risa...“ stammelte das Kätzchen, den Tränen nahe, vor sich hin.
„ Du bleibst im Auto, Elara! Misaki und ich sehen uns draußen mal um. Vielleicht will sie uns nur einen Auswischen und versteckt sich hier irgendwo.“
„ Das würde sie niemals tun! Da muss was passiert sein...vielleicht hat Xantos sie...“
„ Hör auf!!“ fuhr der Prinz sie an. „ Er hat sie nicht, hörst du?? Er hat sie nicht...“
„ Sich hier gegenseitig die Köppe einzuschlagen bringt uns auch nicht weiter. Beruhigt euch, wir werden sie finden.“ versuchte Misa die Situation zu entschärfen.
Die Teufel stiegen aus dem Fahrzeug aus und sahen sich in um. Während Misaki meinen Wagen nach Hinweisen durch suchte, ging Keith zu der Gasse hin.
Aber nirgends war auch nur das kleinste Zeichen zu finden. Doch dann fiel dem Prinzen etwas glitzerndes auf, was in jener kleinen Seitenstraße auf dem Boden lag.
Langsam ging er darauf zu und beugte sich zu dem Objekt runter. Es handelte sich dabei um meine Kette, die Dark mir vor wenigen Tagen geschenkt hatte.
Erst beim näheren Hinsehen bemerkte der Teufel das Blut, was noch immer an dem Schmuckstück klebte.
„ Nicht doch...“ flüsterte er vor sich hin, schnitt sich mit einer Scherbe, die direkt neben ihm lag, in den Finger und strich dann über das rote Gold. Als er die Wunde dann betrachtete, war sie verschwunden.
Nun wusste er, dass es sich nur um mein Blut handeln konnte. Betroffen umschloss er meine Kette fester und sah sich dann weiter in der Gasse um.
Nicht weit von ihm entfernt lag eine Brechstange, an der auch noch Blut klebte.
Das es sich dabei auch um mein Blut handeln musste, war ihm sofort klar, also sparte er sich seinen kleinen Test und zählte eins und eins zusammen.
„ MISAKI!!!“ brüllte er und rannte zurück zum Auto.
„ Hast du was gefunden?“ ein kurzer Hoffnungsschimmer blitzte in seinen Augen auf, was aber gleich wieder verschwand, als er von meinem Blut erfuhr.
„ Scheinbar wurde Risa mit einer Eisenstange niedergeschlagen und entführt!“
Entsetzt betrachtete der Seelendieb seinen Freund und strich sich dann durchs Gesicht.
„ So ein Mist...“
„ Was ist denn hier los?“ vernahmen sie ein Gespräch zwischen zwei Schaulustigen. „ Die Bank ist vorhin überfallen worden und die Räuber sind mit dem ganzen Geld geflohen.“ „ Oh, Gott sei dank bin ich bei einer anderen Bank. Mein Geld ist sicher.“ „ Sicher wäre es nicht mal bei dir zuhause. Diese Typen schrecken doch vor nichts zurück.“
„ Ein Banküberfall also...“ murmelte Misa vor sich hin. „ Dann sollten wir Risa da finden, wo sich die Räuber aufhalten.“
„ Elara ist zwar kein Hund, kann ihrer Spur aber bestimmt trotzdem folgen.“ überlegte Keith.
„ Dann los. Wir haben doch keine Zeit!“
Das Kätzchen verfolgte den Gestank der Banditen quer durch die Stadt, bis sie schließlich zu einer alten Fabrik kamen.
„ Wir sind da.“ knurrte Elara. „ Wehe die tun Risa was an, dann reiß ich sie in Stücke.“
„ Der erste ist schon reserviert...“ gab Misa von sich. „ Den nehme ich auseinander.“
Die drei nahmen ihre Teufelsgestalt bzw. die große Katzen Gestalt an und stürmten das Gebäude.
Die Gangster waren gerade dabei ihr hart verdientes Geld zu zählen und wurden von den Schlächtern überrascht.
„ T-Teufel!!“ brüllte einer verängstigt auf. „ Macht sie kalt!!“
Der Seelendieb prescht gleich zu einem durch, wobei die Kugeln aus der Knarre des Typen an seinem Körper ab prahlten.
Wütend packte er den Mann am Hals und schleuderte ihn gegen eine Wand. „ WO IST SIE???“ brüllte er den verängstigten Mann an.
„ W-Wo ist wer??“ wimmerte er vor sich hin.
„ Spiel keine Spielchen mit mir! Ich rede von dem blonden Mädchen!“ er drückte fester zu und schnürte dem Kerl die Luft ab.
„ Wir...hust...haben kein blondes Mädchen...hier!“ keuchte er.
„ Hör auf mich an zu lügen! Ich frage dich noch einmal: WO IST SIE??“
„ Wir... haben das Mädel in der Gasse liegen gelassen...“ rückte er endlich mit der Wahrheit raus.
„ IHR HABT WAS???“ völlig außer sich vor Wut warf Misaki den Räuber gegen einen Betonpfeiler. „ Wie könnt ihr sie einfach verletzt liegen lassen??“
Gerade als er sich wutentbrannt auf den nächsten stürzen wollte, hielt Keith ihn auf.
„ Beruhige dich, Misaki!“
„ Ich soll mich beruhigen??? Wo sie Risa erst niedergeschlagen und sie dann einfach ihrem Schicksal überlassen haben??“ fuhr er seinen Kumpel an. „ Wie kannst du dabei nur so ruhig bleiben?“
„ Ich bin alles andere als ruhig!“ er stieß Misa zurück und fuhr dann fort. „ Aber diese Menschen sind keine Gegner für uns und du willst doch nicht zu dem Teufel werden, den Risa so sehr verachtet, oder?“
„ VERDAMMT!!“ er trat den Tisch weg und sah dann wieder zu dem Prinzen hin. „ Und was machen wir jetzt?“
„ Wir übergeben diese Typen der Polizei und machen uns dann von neuem auf die Suche nach ihr.“
Gesagt, getan. Schon kurze Zeit später saßen die Gangster gefesselt vor dem Polizeirevier. Das Geld von dem Überfall befand sich in einer Tasche und stand direkt neben ihnen.
Nun mussten sie ihre Suche von neuen beginnen.
„ Vielleicht sollten wir als nächstes die Krankenhäuser abklappern?“ schlug Misa ihnen vor, als sie zurück zur Bank kamen. „ Die Leichenschauhäuser können wir wohl auslassen. So schnell hätten sie sie nicht weg bringen können.“
Schließlich war es doch eigentlich ein gutes Zeichen, dass sie meine Leiche nicht in der Gasse vorfanden.
Und die Teufelsschlächter gingen auch nicht davon aus, dass mir ein paar daher gelaufene Bankräuber wirklich gefährlich werden konnten.
Dass Elara die Verbindung zu mir verloren hatte, musste also einen anderen Grund haben.
„ Götter lösen sich auf, wenn sie sterben...“ langsam verließ Elara die Hoffnung auf ein gutes Ende. „ Ein Leichenwagen wäre da vollkommen überflüssig... Ich hoffe auch nicht dass sie im Krankenhaus ist. Stellt euch mal vor was dort breit getreten wird, wenn sie Risa's magisches Blut entdecken. Und bei den Menschen ist es wohl auch nicht üblich, dass die Wunden von allein heilen...“ sie ließ ihren gesamten Körper hängen und kämpfte verbissen mit den Tränen. „ Wir werden sie niemals finden. Selbst wenn sie gerade auf der Intensivstation liegt, würden sie das nicht zugeben. Sie werden sie aufschlitzen...“
„ Ganz ruhig, Elara.“ Misaki nahm das Kätzchen auf den Arm und kraulte ihr beruhigend über den Rücken. „ Risa lässt sich nicht einfach von irgendwem aufschlitzen. Es wird bestimmt einen guten Grund dafür geben, dass du sie nicht mehr spüren kannst. Wir werden sie finden. Vertrau mir.“ das sagte er, aber an seinen Augen konnte man klar erkennen, dass auch er am verzweifeln war.
„ Ach halte doch deinen Mund!!“ fuhr sie ihn wütend an und sprang auf das Dach des Autos. „ Es ist doch überhaupt erst eure Schuld dass sie nun weg ist. Erst verlässt Dark sie, weil er zurück in sein ach so perfektes Leben muss und ausgerechnet die, die ihr Trost und Liebe spenden sollten, bombardieren sie mit Vorwürfen. Kein Wunder dass sie das Weite gesucht hat!“
„ Das ist jetzt nicht fair, Elara!“ protestierte der Seelendieb. „ Ich habe mir verdammt noch mal Sorgen um sie gemacht!!“
„ Reißt euch mal zusammen.“ mischte sich Keith ein. „ Wenn du nicht aufpasst, wirst du diejenige sein die von der Behörde verschleppt wird, Elara.“
„ Ihr kotzt mich einfach nur an!“ brüllte das Kätzchen und sprang mit einem Satz von dem Wagen runter. „ Ich werde alleine weiter suchen!“
„ Elara, warte!“ rief Misa ihr nach, aber die Götter Katze ignorierte ihn. „ Man... das ist jetzt nicht wahr.“
„ Die kommt schon wieder runter. Wir sollten jetzt zusehen das wir Risa finden.“
„ Ja..“ stimmte er ihm zögernd zu. „ Ich laufe von hier aus nach Hause. Es ist besser wenn wir getrennt nach ihr suchen.“
„ Glaubst du dass Patty vielleicht was weiß?“
„ Willst du sie wirklich da mit reinziehen?“
„ Wir können doch jede helfende Hand gebrauchen. Und vielleicht hat sie eine Ahnung wo sie sein könnte.“ überlegte der Prinz.
„ Ja, du hast recht. Besser wir finden sie, bevor es irgendein perverser tut...“
„ Falls ich etwas in Erfahrung bringen kann, dann melde ich mich bei dir.“
„ Ich werde mich dann natürlich auch melden.“
Sie trennten sich und machten sich weiter auf die erfolglose Suche nach mir.
Zur gleichen Zeit begleitete ich Takeo in seine Kneipe, um ihm bei den Vorbereitungen zu helfen.
Gleichzeitig dachten wir darüber nach, wie ich mein Gedächtnis zurück bekommen konnte.
„ In deiner Tasche war doch ein Ausweis. Vielleicht sollten wir deiner Wohnung mal einen Besuch abstatten? Was hältst du denn davon?“
„ Vielleicht bringt das meine Erinnerungen ja wieder. Also halte ich das für gar keine so schlechte Idee.“
„ Eventuell wartete zuhause ja ein liebender Freund auf dich, der vor Sorge fast umkommt. Andernfalls kannst du natürlich gern bei mir bleiben. Mir tut die Gegenwart von so einem jungen Ding auch ganz gut.“ lachte der Heilige leise.
Gegen 19 Uhr tauchten dann die ersten Gäste auf, die das neue Gesicht neugierig musterten.
Sie akzeptierten mich recht schnell in ihrer Mitte, vermutlich lag das an meiner hellen Aura, dem die Männer ohne zu zögern folgen würden.
Ich weckte den Beschützerinstinkt in ihnen, jedoch würde Takeo mit jedem kurzen Prozess machen, der es auch nur wagte mich schief anzusehen.
Etwa eine Stunde später traf dann auch endlich die Band ein, denn dieses Lokal war bekannt für seine Livemusik.
Es machte mir wahnsinnigen Spaß, die Gäste zu betreuen und nebenbei der netten Musik zu lauschen. Ich fühlte mich gleich Heimisch zwischen den ganzen Teufelsschlächtern, warum auch immer das so war.
Gespannt hörte ich den interessanten und gefährlichen Geschichten ihrer Jagt zu, die sie mir mit Freuden erzählten. Es gefiel ihnen scheinbar mich zu beeindrucken...
Die Männer zeigten mir als Beweis ihre Narben, die sie aus mit Kampf mitnahmen, oder deuteten auf die Kerben in ihrer Waffe, die für einen ausgelöschten Dämonen standen.
Dass klang alles so wahnsinnig aufregend, sie beschützten uns vor den Ungeheuern, die in der Dunkelheit auf uns lauerten.
„ Wer ist die Kurze?“ fragte einer der Schlächter den Priester neugierig.
„ Ihr Name ist Risa.“
„ Risa also, hu?“ schaute er zu mir rüber. „ Ich habe noch nie jemanden mit solch einer reinen, weißen Aura gesehen...“
„ Ja, sie scheint etwas ganz besonderes zu sein.“
„ Das ist sie auf jeden Fall.“ stimmte er ihm ohne zu zögern zu.
„ Ein normaler Mensch ist sie ja scheinbar nicht. Es muss also so was wie Schicksal sein, dass du sie gefunden hast.“
„ Ich kenne zwar ihre Aufgabe nicht. Aber es wird schon einen triftigen Grund haben, dass sie sich auf der Erde aufhält. Nun gilt es diesen Grund raus zu finden.“
„ Solange sie sich nicht erinnert, ist sie jedenfalls in großer Gefahr.“ nachdenklich schaute mich der Schlächter wieder an. „ Die Dämonen dieser Welt werden sich mit Freuden auf sie stürzen, wenn sie ihr helles Licht bemerken.“
Die sogenannten Teufelsschlächter hatten ein besonderes Gespür was das übernatürliche anging. Natürlich war das nicht zu ihrem Nachteil, da sie so leichter die Fährte ihrer Opfer aufnehmen konnten. Und so wie sie all das dunkle schon vom weiten sahen, fiel ihnen auch die Reinheit eines Engels, oder wie in meinem Fall, einer Göttin auf.
„ Deshalb ist es umso wichtiger, dass Risa in meiner Nähe bleibt. Damit ich sie zur Not vor der Dunkelheit schützen kann.“ Takeo sah kurz zu mir rüber und schmunzelte dann verhalten. „ Da bin ich wohl nicht der einzige, der sich sofort schützend vor sie werfen würde.“
Auch der andere Mann sah dann in meine Richtung und lachte leise auf.
Die Männer protzen mit ihren Muskeln und versuchten mich nun auf andere Weise zu beeindrucken.
„ Es ist ein Wunder, dass Risa nun bei uns ist. Und wir müssen Gottes Geschenk vor dem Höllenfeuer bewahren. Das wird unsere nächste Aufgabe sein.“ gab der Priester von sich.
Ich hatte wirklich unsagbar viel Spaß in der Kneipe und so verging die Zeit fast wie im Fluge. Allerdings konnte man das von meinen Schlächtern nicht behaupten.
Nach dem sie die halbe Stadt nach mir abgeklappert hatten und weder in den Krankenhäusern noch in den hiesigen Leichenschauhäusern ein Lebenszeichen von mir fanden, machte sich Keith auf den Weg zu meiner Wohnung hin, während Misaki Patty einen Besuch abstattete.
Der Prinz rechnete nicht wirklich damit, mich in meiner Bude anzutreffen. Dennoch wollte er sich noch einmal vergewissern, dass ich nicht da war.
Vor meiner Haustür traf er dann auf Elara, die verzweifelt an meiner Tür kratzte.
„ Risa... mach doch auf...“ sie ließ den Kopf hängen und konnte die Tränen kaum noch unterdrücken. Für sie war es bereits amtlich, dass ich nicht mehr unter ihnen weilte.
„ Elara...“ der Prinz beugte sich zu ihr runter und drückte das Kätzchen an sich.
„ Keith... es tut mir so leid!“ fing sie plötzlich bitterlich an zu weinen. „ Es war nicht fair von mir euch die Schuld an ihrem Verschwinden zu geben...“
„ Schon ok. Mach dir deshalb keine Gedanken.“
„ Sie wird nicht wieder kommen...“ schluchzte sie. „ Das Blut, die abgerissene Verbindung. Sie ist bestimmt tot! Es ist alles aus. Ich werde sie nie wieder sehen!“
„ Sag so was nicht, Elara.“ auch er hatte einen dicken Kloß im Hals. „ Vielleicht hat Risa einfach nur das Gedächtnis verloren und deshalb ist die Verbindung abgerissen. Ich glaube daran, dass Risa noch lebt.“
„ Aber wo ist sie denn dann?? Meinst du es ist besser, wenn sie durch die Straßen irrt und keine Ahnung hat wer sie ist, oder wo sie hin gehört? Warum habe ich sie nur allein gehen lassen.“ machte sich die Katze schwere Vorwürfe. „ Ich hätte bei ihr bleiben sollen. Es ist meine Aufgabe sie zu beschützen und nun ist sie weg! Ich habe auf ganzer Linie versagt!“
„ Das ist völliger Blödsinn. Du hast nicht versagt.“
„ Ich will sie nicht verlieren! Nicht sie auch noch...“
„ ...“ schweigend drückte er Elara noch fester an sich. „ Es wird alles wieder gut werden, Elara. Wir werden sie ganz bestimmt finden.“
„ Ich wünsche mir so sehr dass du recht behältst...“
„ Nun lass den Kopf nicht mehr hängen. Wir müssen zusehen, dass wir etwas über ihr Verschwinden in Erfahrung bringen. Also sollten wir schauen, dass wir in ihre Wohnung rein kommen.“
„ Du hast recht... sie zu finden steht an erster Stelle.“ sie strich sich die Tränen weg und setzte sich dann hin. „ Risa hat die Balkontür auf Kippe, ich könnte mich da durch zwängen und dir die Tür öffnen.“
„ Das klingt nach einem guten Plan. Los komm.“ gemeinsam flitzten sie hinters Haus, wo sich die Balkons befanden und verschafften sich über die Balkontür eintritt in meine Wohnung.
Wie zu erwarten war ich natürlich nicht zuhause und brauchbare Hinweise fanden sie auch nicht.
Nichtsdestotrotz hinterließ Keith mir etwas in meinen vier Wänden, was mir zu mindestens die Erinnerung an ein Gesicht zurück bringen sollte. Nämlich die Kette, die Dark mir geschenkt hatte.
Misaki war derweilen im Kinderheim angekommen und wartete ihm Flur darauf, dass Chikako ihm Patty vorbei schickte.
„ Misaki!“ rief die Blonde vergnügt und warf sich dem Teufel in de Arme. „ Ich freue mich ja so, dich zu sehen.“
„ Ich freue mich auch. Aber können wir uns irgendwo ungestört unterhalten?“
„ Wieso? Habt ihr eure Wohnung etwa wieder zu müllen lassen und jetzt braucht ihr meine Hilfe, um das Chaos zu beseitigen?“ scherzte das Mädel.
„ Nein. Deshalb bin ich nicht hier.“ an seinem ernsten Gesichtsausdruck erkannte sie dann, dass etwas passiert sein musste.
„ Wir könnten auf mein Zimmer gehen, dort wären wir zur Zeit noch ungestört.“ überlegte Patty. „ Komm mit.“
„ Ok.“ Er folgte ihr unauffällig in ihr Zimmer und lehnte sich an die geschlossene Tür.
„ Was ist los? Nun erzähl schon.“
„ Du solltest dich lieber setzen, Patty.“
„ Wieso? Ist etwas mit Keith passiert?“ sie setzte sich auf ihren Bürostuhl und starrte ihn ungeduldig an.
„ Nein... nicht mit Keith...“ murmelte Misa vor sich hin. „ Risa ist verschwunden...“
„ Wie verschwunden? Wo ist sie denn hin?“
„ Das wissen wir eben nicht. Aber es muss etwas schlimmes passiert sein, denn Elara hat die Verbindung zu ihr verloren...“
„ Die Verbindung zu ihr verloren? Wie meinst du das? Ich kann dir gerade nicht folgen, Misa!“
„ Du musst jetzt stark sein...“ er ging zu ihr rüber und beugte sich zu ihr runter. „ Elara kann Risa's Anwesenheit nicht mehr spüren. Sie ist wie vom Erdboden verschwunden. Wir haben ihre Spur zu dem Ort verfolgt, wo die Verbindung abriss und haben dort herausgefunden, dass sie niedergeschlagen wurde...“
„ Nein... du willst mir nicht wirklich erzählen, dass Risa tot ist...oder?“ ihre Stimme zitterte und ihre Augen füllten sich mit Tränen. „ Das kann nicht sein...“
„ Wir wissen im Moment nur, dass sie verletzt liegen gelassen wurde. Ich glaube nicht daran, dass sie tot ist... ich denke eher, dass sie ihr Gedächtnis verloren hat. Dadurch verlor sie ihre Göttlichkeit...oder so was in der Art, und deshalb spürt Elara sie nicht mehr.“
„ Dann müssen wir sie unbedingt finden, bevor dieser Xantos sie findet!“ sprach sie aufgebracht daher. „ Risa darf ihm nicht auch noch zum Opfer fallen, dass müssen wir um jeden Preis verhindern.“
„ Das werden wir auch verhindern. Aber zu erst müssen wir sie erst einmal finden. Vielleicht kennst du ein paar Orte, die sie aufsuchen könnte. Wo sie sich gern aufgehalten hatte oder Orte, die sie mit einer wichtigen Erinnerung oder Person verbindet?“
„ Aber wenn sie sich doch an nichts erinnert? Was sollte sie da denn dann suchen wollen?“
„ Ihr Unterbewusstsein könnte sie da hingeführt haben, eben damit ihr alles wieder einfällt. Wir müssen jeden Hinweis nach gehen, um sie ausfindig machen zu können.“
„ Ist es denn sicher...das sie noch lebt? Ich mein... habt ihr einen Anhaltspunkt dafür?“
„ ...“ schweigend senkte er kurz den Blick, sah sie dann aber wieder an. „ Mein Gefühl sagt mir, dass sie noch da ist. Sie wartet irgendwo da draußen darauf, dass wir sie finden und sie aus ihrer Finsternis befreien.“
„ Ich will euch bei der Suche helfen, Misaki! Wenn mir ein paar Orte einfallen, die wichtig für sie sein könnten, dann werde ich da sofort hingehen. Irgendwo muss sie ja sein...“
Misaki wusste so langsam auch nicht mehr, wo er noch suchen sollte, oder was er noch unternehmen konnte um mich zu finden.
Er machte sich tierische Sorgen um mich und es fiel ihm wirklich nicht leicht, seine düsteren Gedanken vor der Jüngeren zu verbergen.
Sie brauchten jede helfende Hand, die ihnen bei der Suche halfen, das wusste er. Aber er wusste auch, dass Patricia einen weiteren Verlust einer Nahestehenden Person kaum verkraften konnte.
Der Seelendieb machte sich jetzt schon schwere Vorwürfe, weil er das Mädel überhaupt mit hinein gezogen hatte. Jedoch hätte sie mein Verschwinden früher oder später ja doch bemerkt und solange er ihr einredete, dass ich noch am Leben war, konnte er auch besser mir seinem schlechten Gewissen umgehen.
Patty hatte schon so viel in ihrem jungen Jahren durch machen müssen, dass er ihr dies hier gern erspart hätte.
Da mir das Mädchen aber sehr nahe stand, hoffte er, dass er mich mit ihrer Hilfe finden konnte...
Eine unruhige und schlaflose Nacht stand den Schlächtern bevor, in der sie mich ununterbrochen suchten.
Erst am nächsten Morgen ließ sich Misaki seufzend auf den Sessel fallen und vergrub sein Gesicht mit den Händen.
Hätte er geahnt, was sein Ausbruch bewirken würde, hätte er den ganzen Ärger herunter geschluckt und es dabei beruhen lassen.
„ Ich hätte dir gleich hinter her laufen sollen...“ murmelte er vor sich hin. „ Warum nur hab ich dich nicht davon abgehalten einfach abzuhauen...wo steckst du bloß...“
Wiedereinmal zerbrach er sich den Kopf darüber, was er noch unternehmen konnte, um mich endlich zu finden.
Allerdings fiel ihm nichts brauchbares ein, jedenfalls nichts, was Früchte tragen konnte und ihn wirklich voran brachte.
Doch dann hatte er plötzlich einen Geistesblitz und rannte wie von der Tarantel gestochen aus dem Haus. Er stieg in seinen Wagen und fuhr mit quietschenden Reifen davon.
Kurze Zeit später parkte er seinen Wagen vor dem Rummelplatz und ging schnurstracks zu dem Zelt hin, wo eine Wahrsagerin einem die Zukunft vorher sagt.
„ Misaki? Was machst du denn hier?“ begrüßte ihn die Frau hinter der Glaskugel freundlich.
„ Wir haben ein Problem, Charis.“ er setzte sich zu ihr hin und fuhr dann fort. „ Risa ist verschwunden...“
„ Das haben wir gleich, Darling.“ sie um wedelte ihre magische Kugel mit ihren Händen und konzentrierte sich auf den Nebel im inneren. „ Zeig mir wo Risa sich versteckt hält.“
Ein Hoffnungsschimmer blitzte in den Augen des Teufels auf. Wenn mich jemand finden konnte, dann war es wohl Charis, die Göttin des Schicksals.
„ DAS ist ja FURCHTBAR!“ schrie sie dann aber plötzlich auf.
„ Was ist?? Was siehst du da??“
„ Ja nichts!! Das ist ja das schlimme, die Kugel ist erfüllt von schwarzem Nebel. Hat Elara die Verbindung zu ihr auch verloren?“ starrte sie ihn schockiert an.
„ Ja, hat sie.“
„ Warum sagst du dass denn nicht sofort?“ fuhr die Göttin ihn verärgert an.
„ Das heißt also, dass du uns auch nichts neues sagen kannst?“ verzweifelt strich er sich durchs Haar. „ Was soll ich nur machen...?“
„ Keine Angst, Darling. Ich habe noch ein paar Asse im Ärmel, um zu mindestens ausschließen zu können, das sie die Erde verlassen hat.“ dann legte sie ihm beruhigend die Hand auf den Arm. „ Wir werden sie finden.“
„ Na...wenn du das sagst...“
„ Ich muss mich konzentrieren, also sei jetzt Mucksmäuschenstill.“ wieder aktivierte sie ihre Kugel und nahm Kontakt mit dem Jenseits auf.
Durch die Glaskugel konnte man nun in eine andere Welt schauen und schließlich entdeckte die Göttin eine blonde Frau, die ihr den Rücken zu gedreht hatte.
„ Rika!!“ rief Charis fröhlich.
„ Rika?“ zog Misaki eine Augenbraue hoch und schaute der Göttin dann über die Schulter.
„ Charis? Misaki? Wie schön euch zu sehen!“ strahlte meine Schwester die beiden an.
Nun konnte man sich vermutlich auch denken, warum Rika die meiste Zeit an dem Brunnen mit meiner Statue verbrachte.
Das Wasser diente ihr als Kommunikationsmittel mit der Welt der Lebenden.
„ Misaki?? Wo ist Misaki?“ flatterte Lian aufgebracht hin und her. „ Ist er etwa tot? Wo ist er denn??“
„ Hier im Brunnen...“ winkte mein Schwesterherz ihr zu, ohne sie dabei anzusehen.
„ Wieso im Brunnen? Ist er etwa zu einer Münze geworden, oder was?“
„ Ach so. Dass ist also die Zuflucht, die Risa für die Seelen erschaffen hat, die vorzeitig von uns gegangen sind.“ fiel dem Seelendieb das Gespräch mit mir wieder ein.
„ Genau.“ stimmte Charis ihm zu.
„ MISAKIIII!“ brüllte die Succubus ihn an. „ Wie geht es dir?“
„ Ich freue mich auch dich zu sehen.“ lächelte er sie leicht an.
„ Was ist los? Ihr nehmt doch nicht ohne Grund den Kontakt mit mir auf.“ meldete sich Rika zu Wort.
„ Ist Risa bei euch?“ kam die Göttin des Schicksals gleich zur Sache.
„ Nein. Heute war sie noch nicht da. Wieso?“
„ Puh...“ atmete Charis erleichtert aus. „ Das bedeutet zu mindestens, dass sie nicht tot ist.“
„ Tot? Warum sollte Risa tot sein? Was ist los?“
„ Dein Schwesterchen ist verschwunden. Elara kann sie nicht mehr spüren und ich sehe über meine Glaskugel auch nichts.“
„ Was??“ gab Rika schockiert von sich. „ Wie konnte Risa denn verschwinden? Du solltest sie doch beschützen Misaki!!! WIE kann sie also jetzt VERSCHWUNDEN sein??“ herrschte sie den sowieso schon am Boden zerstörten Teufel an.
„ Es tut mir leid...“
„ Nein... mir tut es leid. Du kannst ja nichts dafür. Hast du schon deinen Kontaktmann in Kythos gefragt, ob sie vielleicht nach Hause geholt wurde?“
„ Nein, noch nicht. Das mache ich jetzt als nächstes.“
„ Dann haltet mich auf dem Laufenden.“
„ Das werde ich machen, Rika.“ nickte Charis.
„ Ihr müsst sie finden, Misaki...bitte findet sie...“ flüsterte mein Schwesterchen betroffen.
„ Ich werde alles in Bewegung setzen um das zu schaffen.“
„ Dann beeilt euch!“
„ Ja. Bis später dann.“ die Göttin kappte die Verbindung und seufzte erneut auf. „ Das wird schon wieder, Darling. Lass deinen Kopf nicht so hängen.“
„ Ich hoffe das du recht behältst...“
„ Kann es sein dass du dich trotz meiner Warnungen in sie verliebt hast?“ schielte sie ihn seitlich an.
„ Mag sein, dass mein Spiel zu weit ging...“ er ließ sich wieder auf seinen Platz fallen und stützte seine Arme an den Knien ab. „ Und ich mich selber darin verlor..“
„ Ich habe dir doch eindringlich zu verstehen gegeben, dass sie für einen anderen bestimmt ist. Warum nur, hörst du nie auf mich?“
„ Das tut doch jetzt nichts zur Sache... Frag lieber bei den Göttern nach, ob sie bei ihnen ist...“
Aber auch dieser Weg führte in eine Sackgasse. Nichtsdestotrotz war der Seelendieb einen Schritt weiter gekommen, schließlich wusste er nun, dass ich nicht tot und auch nicht wieder bei meinesgleichen war.
Und ob Xantos oder Thanatos mich erwischt hatte, würde er nun als nächstes heraus finden.
Also verabschiedete er sich von der Göttin des Schicksals und machte sich auf den Weg ins Industriegebiet.
In einer alten, herunter gekommenen und leerstehenden Lagerhalle traf er sich dann mit Keith, dem er von seinem neuen Wissen berichtete.
„ Ich war bei der Göttin des Schicksal, zwar konnte sie mir auch nicht sagen wo sich Risa genau aufhält, aber ich weiß nun, dass sie noch am Leben ist und dass sie sich nicht bei den Göttern aufhält.“
„ Das sind auf jeden Fall gute Neuigkeiten.“ seufzte der Prinz erleichtert auf. „ Jetzt müssen wir nur noch ausschließen, dass sie von deinem missratenem Bruder gefangen gehalten wird.“
„ Ja. Diese Frage sollte uns Kajo beantworten können.“
Kajo war ein Dämon, der durch die Dimensionen reisen konnte. Allerdings konnte er Ladthaa zwar betreten, aber niemanden mit dorthin nehmen, da er diese Welt durch einen Zeit und Raum Riss betrat. Leider konnte er die Hölle auch nicht durch das eigentlich Tor wieder verlassen, da er nicht in der Lage war die Pforte zu öffnen. Dass hatten die Schlächter bereits ausprobiert.
Nun würde es reichen, wenn er sich dort umsah und ihnen hoffentlich gute Nachrichten überbringen konnte.
„ Ladthaa weint...ja das tut es... es schreit vor Schmerzen aber niemand will es erlösen...nein, niemand...“ quakte besagter Dämon vor sich hin. „ Es sehnt sich nach Kythos...jaaa...aber es wird die Welt der Götter niemals erreichen können....hehehe...“
„ Was erzählst du denn da schon wieder für eine gequirlte Scheiße?“ genervt verdrehte Misa die Augen ehe er fortfuhr. „ Gehst du jetzt freiwillig, oder soll ich dich dahin prügeln?“
„ Ladthaa weint...Ladthaa weint mit Kajo um die Wette...hihihi...“
„ Und du glaubst wirklich dass uns dieser Spinner helfen kann?“ harkte Keith zweifelnd nach.
„ Mir fällt kein anderer Dämon ein, der mal eben in die Hölle huschen kann.“ verschränkte der Seelendieb die Arme vor die Brust. „ Wenn Kajo allerdings so weiter macht, wird die Hölle sein kleinstes Problem sein.“
„ Kajo geht für euch nach Ladthaa...aber Kajo will eine Belohnung haben. Auch wenn Kajo das Mädchen nicht findet...“
„ Ich werde dein Leben verschonen. Reicht dir das als Belohnung?“ demonstrativ ließ dr Seelendieb seine Knochen knacken.
„ Kajo hat Hunger...ja...großen Hunger. Er will was zu essen haben.“
„ Wir besorgen dir eine Pizza und nun geh schon.“ fuhr Keith ihn genervt an.
„ Mhhh...lecker lecker...“ er erschuf einen Riss und kletterte dann hinein. „ Kajo liebt Pizza...“
„ Ich hasse diesen Wurm...“ murmelte Misaki vor sich hin. „ Los, besorgen wir ihm seine dämliche Pizza.“
Die Pizza war schon längst kalt und die Schlächter kurz vorm abdrehen, als der Dämon wieder zu ihnen stieß.
„ Na endlich! Was hat dich denn so lange aufgehalten?“ knurrte der Seelendieb ihn an.
„ Kajo hat unter jedem Stein und jedem Leblosen Körper nachgesehen. Kajo war sogar in dem großen Haus von Thanatos. Aber ein blondes Mädchen konnte er nicht finden.“
„ Oh Gott sei dank.“ atmeten die Teufelsschlächter erleichtert aus.
„ Darf Kajo jetzt die Pizza essen?“
„ Hier!“ sie schoben ihm die Schachtel zu und verließen die Halle dann wieder.
„ Und was machen wir jetzt?“ fragte Keith, als sie an ihren Autos ankamen. „ Sie ist nicht tot, nicht bei den Göttern und auch nicht bei den Teufeln. Wo sollen wir sie jetzt noch suchen?“
„ Sie kann praktisch überall sein. Irrt vielleicht durch die Straßen, ohne dass sie sich an irgendwas erinnert.“ überlegte Misa. „ Wir könnten im Obdachlosenheim nachschauen, oder bei den beliebten Plätzen der Obdachlosen. Vielleicht hat sie jemand von ihnen aufgegriffen.“
„ Da kommt einiges auf uns zu...“
„ Allerdings.“ stimmte er im ohne zu zögern zu.
Etwa zur gleichen Zeit machten Takeo und ich uns auf den Weg zu meiner Wohnung hin. Ich hoffte wirklich, dass mich meine eigenen vier Wände an irgendetwas erinnerten.
Deshalb war ich voller Hoffnung, als ich die Tür aufschloss und den Flur betrat.
„ Hier wohne ich also...“ neugierig sah ich mich um. „ Hier hängen ja überhaupt keine Bilder an der Wand.“ das fiel mir als erstes auf.
Auch in den restlichen Räumen fand ich nicht ein Foto. Überhaupt war die Wohnung nicht gerade liebevoll eingerichtet. Hier befand sich nur das nötigste, Dekorationen fehl am Platz.
„ Hier soll ich mich wirklich wohl gefühlt haben?“ murmelte ich betroffen vor mich hin. „ Also entweder habe ich überhaupt keinen Geschmack, oder ich bin hier nie wirklich angekommen. Vielleicht wollte ich aber auch gar nicht ankommen.“
„ Das würde meine Vermutung bestätigen, dass du zur Erde geschickt wurdest, um einen Auftrag zu erfüllen und bald schon wieder zurück nach Hause solltest, oder wolltest.“ auch der Priester sah sich um. „ Vielleicht hast du aber auch einen Freund und lebtest eigentlich bei ihm. Dies hier diente dir also bloß als eine Art Rückzugsmöglichkeit.“
„ Einen Freund?“ überlegte ich. „ Nicht das ich wüsste.“ ja, wie sollte ich dass denn auch wissen, wenn mir jegliche Erinnerung an mein bisheriges Leben fehlte?
Und wenn ich einen Freund hatte, müsste man nicht auch irgendwas von ihm hier finden? Und sei es nur eine Zahnbürste? Aber hier war nichts.
Zielstrebig ging ich dann ins Schlafzimmer, eventuell würde ich ja hier etwas finden.
Und tatsächlich entdeckte ich auf dem Nachtschränkchen die Kette, die Keith zurück gelassen hatte. Langsam ging ich zu dem Bett hin und nahm das Schmuckstück in die Hand.
Meine Finger hatten die Kette kaum berührt, da blitzte ein Bild vor meinem inneren Auge auf.
Ich sah einen silberhaarigen Mann, der mich zärtlich anlächelte. Mein Herz begann sofort wie verrückt zu schlagen und mein Puls raste durch meinen Körper.
Zwar wusste ich weder seinen Namen, noch wer er war. Aber was ich wusste war, dass mein Körper stark auf den Anblick dieses Mannes reagierte.
„ Hast du was entdeckt, Liebes?“ stand Takeo in der Tür.
„ Ähm... ja, ich glaube schon.“ ich drehte mich zu ihm um. „ Ich glaube ich habe wirklich einen Freund... und so wie es aussieht...ist er schon steinalt!“ gab ich schockiert von mir. „ Oh Gott. Ich habe einen Vater Komplex!!“
„ Hast du dich an was erinnert? Oder wie kommst du darauf, dass du mit einem alten Mann liiert bist?“ zog er fragend eine Augenbraue hoch.
„ Hier.“ ich hielt ihm die Kette unter die Nase. „ Die habe ich hier gefunden. Und als ich sie berührte, da schob sich das Bild dieses silberhaarigen Typen vor mein inneres Auge.“
„ Vielleicht hattest du aber auch nichts mit ihm, sondern solltest ihn bloß beschützen. Vor irgendwas.“ lächelte der Priester mich an. „ Und silberne Haare bedeuten ja nicht gleich, dass der Mann ein alter Greis ist. Viele übernatürliche Wesen haben silberne Haare.“
„ Du meinst also, dass dieser Typ ein altes, übernatürliches Wesen ist?“
„ Ich meine damit nur, dass er nicht alt sein muss. Und zum anderen, muss er nicht unbedingt dein Freund sein.“
„ Dass mit dem alter kann schon sein, aber so stark wie mein Körper auf ihn reagiert, empfinde ich mehr für ihn.“
„ Dann gibt es wirklich jemanden, der sich um dich sorgt. Sofern er überhaupt mitbekommen hat, dass du verschwunden bist.“ Takeo ging zu mir hin, nahm die Kette an sich und legte sie mir um den Hals. „ Es ist aber auch gut möglich dass er noch gar nichts weiß, weil er, zum Beispiel bei Gott im Himmel lebt.“
„ Dann kann die Beziehung ja so fest nicht sein...“ murmelte ich. „ Ansonsten wäre er doch hier bei mir...“
„ Oder du bist sonst bei ihm. Was deine unpersönlich eingerichtete Wohnung erklären würde.“
„ Meinst du, ich sollte ihm eine Nachricht an die Haustür hängen?“ fragte ich den Priester leise. „ Wenn ich wirklich mit ihm glücklich bin, wird er mein Verschwinden doch früher oder später bemerken und mich hier aufsuchen. Eine kleine Nachricht würde ihn dann zu mir führen...“
„ Es kann aber auch gefährlich sein, deinen Aufenthaltsort für jeden dahergelaufenen Typen sichtbar an die Tür zu hängen.“
„ Und was soll ich deiner Meinung nach dann machen?“
„ Mhm...“ überlegte er. „ Du könntest einen Zettel an die Tür hängen, wo deinen nächsten Besuch ankündigst. Wenn dein Freund wirklich zwischenzeitlich da war, wird er an diesem Tag auch hier auf dich warten.“
„ Das machen wir.“ strahlte ich den Heiligen an. „ Was würde ich nur ohne dich machen?“
„ Ich weigere mich darüber nachzudenken.“ lächelte der Priester mich an. „ Na komm, wir suchen nach einem Blatt und einem Stift.“
Im Wohnzimmer wurden wir dann fündig und hinterließen meinem scheinbaren Freund eine Nachricht, die ich von außen an meine Wohnungstür klebte.
Danach verließen wir das Haus und fuhren zurück zu meinem Retter.
Leider brachte dass mit dem Zettel an der Tür auch nichts, da meine Schlächter zum einen, über den Balkon in meine Wohnung kamen und zum anderen, wurde die Nachricht schon nach kurzer Zeit von einer neugierigen Nachbarin abgemacht und achtlos weg geschmissen.
Aber vielleicht hatte ich ja riesiges Glück und wenn ich dann eine Woche später wieder bei mir vorbei schaute, waren Misaki und Keith auch grad zufällig da. Die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt...
Tag der Veröffentlichung: 01.04.2012
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