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1. Kapitel




Ich räkelte mich und strich meine Flügel zurecht. Nur noch diesen Tag überstehen, dann war ich eine vollwertige Elfe. Stolz nahm ich das Armband von der Kommode und legte es mir an. Die drei goldenen Bernsteine, die an dem schwarzen Lederband befestigt waren, funkelten im Sonnenlicht.
,,Marlia kommst du endlich? Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.“ Meine Mutter. Sie war eigentlich ganz nett, wenn man sie besser kannte. Ich seufzte und polterte die Treppe hinunter. Schließlich wollte ich meine Flügel schonen. Unten angekommen erwartete mich meine Mutter bereits. Und da ging es auch schon los. ,,Musst du dieses hässliche Ding unbedingt tragen?“ Sie zeigte angewidert auf mein Bersteinarmband. Meine Mutter hatte immer etwas gegen mein Aussehen. Mal passte ihr meine Kleiderfarbe nicht, mal fand sie ein Armband nicht passend. Doch ich hatte mich daran gewöhnt. Entrüstet entgegnete ich: ,,Natürlich. Denn im Gegensatz zu dir habe ich es von jemandem Besonderen geschenkt bekommen.“ Den Namen meines Vaters erwähnte ich dabei nicht. Ihr müsst wissen, mein Vater ist bei einem Unfall vor zwei Jahren ums Leben gekommen. Er sollte einige Stadtviertel überprüfen und dabei ist etwas schief gelaufen. Komischerweise hatte er mir genau am Tag vor seinem Unglück dieses Armband gegeben. ,,Du könntest es einmal brauchen“, hatte er gesagt. Ich wusste zwar nicht, was das bedeutete, doch ich hob es mir für festliche Anlässe auf. Für einen Tag wie heute.
,,Träumst du schon wieder?“ Die Stimme meiner Mutter riss mich aus meinen Gedanken. ,,Entschuldige.“ Ich senkte den Blick und starrte auf meine Füße. In diesem Moment klopfte es an der Tür. ,,Die Prüfer sind da“, sagte Mutter aufgeregt und betrachtete mich. Sie strich mir das braune Haar aus der Stirn und warf einen letzten missbilligenden Blick auf das Armband, bevor sie zur Tür ging und öffnete. ,,Guten Tag meine Herren. Darf ich ihnen etwas zu trinken anbieten? Nein? Auch gut. Wollen sie nicht reinkommen? Ihnen müssen doch die Flügel wehtun. Wollen sie einen Tee?“ Sie redete ununterbrochen und mir war das nur Recht. So musste ich schließlich keine unangenehmen Fragen beantworten. ,,Marlia mein Spatz, komm her“, flötete meine Mutter zuckersüß und ich verdrehte die Augen. Sie musste auch immer zu dick auftragen.
,,Ja Mutter“, murmelte ich undeutlich und trat zu ihr. Mit wackeligen Beinen sah ich mir meine Prüfer genauer an. Zwei Elfen mit riesigen Schnauzbärten und blitzenden Augen standen vor mir und musterten mich kritisch. ,,Und sie ist wirklich schon 16?“, fragte einer mit zusammengekniffenen Augen und zog einen Notizblock aus seiner Jackettasche. Ich wusste was das bedeutete. Jetzt kamen die unangenehmen Fragen also doch noch. Seufzend trat ich einen Schritt vor und machte mich bereit.
,,Name?“
,,Marlia Flora Sun.“
,,Alter?“
,,Sechzehn.“
Der Prüfer zog die Augenbraue hoch, setzte jedoch die Befragung fort. Als er seine letzte Frage beendet hatte, atmete ich erleichtert auf. Noch nie war ich so angespannt gewesen wie jetzt. ,,Es scheint alles in Ordnung zu sein. Du bist zwar klein, hast aber einen starken Willen, das merke ich.“ Der zweite Prüfer, eindeutig der Jüngere von beiden, lächelte mich zögernd an und ich lächelte zurück. ,,Jetzt müssen wir aber los. Sonst kommen wir noch zu spät. Professor Langzus wartet sicher schon“, sagte er etwas lauter und ging nach draußen. Meine Mutter folgte ihm Flügel an Flügel, nur ich stand da und musste eine letzte Frage loswerden. ,,Was passiert jetzt? Muss ich viele Prüfungen bestehen?“ Ich redete einfach drauflos und der Prüfer konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
,,Du weißt, das ich es dir nicht sagen kann. Aber eines weiß ich: Es wird spektakulärer denn je.“ Und damit drehte er sich um und folgte den anderen.

2. Kapitel




Ich hatte zwar nichts anderes erwartet, war aber trotzdem ein wenig enttäuscht, dass er mir nicht mehr sagen durfte. Doch es war nichts zu machen. Mit aufgewühlten Gedanken folgte ich meiner Mutter und den Männern zu dem Ort, an dem die Prüfung stattfinden sollte.

Endlich angekommen taten meine Beine höllisch weh, da ich es ja nicht gewohnt war, zu laufen. Doch das Protokoll schrieb vor, dass jede Elfe, die teilnehmen wollte, zu Fuß kommen musste. Das war eine Tradition. Und es hatte sich gelohnt. Auf dem staubigen Boden des Platzes war ein Rednerpult aufgebaut und die Zweige einer alten Eiche schlangen sich darum, als wolle sie es beschützen. Überwältigt von dem Anblick blieb ich stehen, doch meine Mutter packte mich an der Hand und zog mich weiter. ,,Nicht trödeln“, zischte sie mir ins Ohr. Eigentlich hätte ich jetzt die Augen verdreht und etwas nicht sehr Freundliches erwidert, aber ich verkniff mir die Bemerkung, die mir auf der Zunge lag. Am wichtigsten Tag meines Lebens wollte ich mich nicht streiten. Als ich an das Pult gelangte, erschien wie aus dem Nichts ein kleines grünes Wesen - es hatte zwei winzige Hörner auf der Stirn und überall auf der Haut befanden sich Warzen - und fragte mich nach meinem Namen. Nachdem ich geantwortet hatte, schob er mich durch eine winzige Tür in den Baum. ,,Du bist die Letzte“, zischelte der Kleine und gab mir einen Schubs. Verwirrt lief ich ein paar Schritte weiter in das düstere Innere des Baumes. Wir benutzen Bäume als unsere Behausungen, denn sie sind innen größer, als sie aussehen. Ich stolperte weiter und sah endlich einen schwachen Lichtschein. In Gedanken malte ich mir aus, mit was ich es zu tun haben könnte. Vielleicht eine kleine Lichtfee, die den Weg wies oder ein Kobold. Ich hatte solche Wesen noch nie gesehen, hörte aber immer wieder von ihrer Existenz. Doch was ich sah, hatte ich wirklich nicht erwartet. Ein leuchtendes, pulsierendes Tor kam zum Vorschein und offenbarte dahinter eine Lichtung in einem Wald. Sie lag vor einem glitzernden See. Auf der Lichtung waren ungefähr dreihundert Elfen versammelt und warteten ungeduldig.
Ein Portal. Ich hätte es mir ja denken können. Dieser Professor Langzus hatte einen Sinn für außergewöhnliche Dinge. Also trat ich ohne zu zögern hindurch und kam beim See wieder heraus. Die meisten drehten sich zu mir um und riefen mir etwas zu, doch ich beachtete sie nicht. Schnell suchte ich mir einen freien Platz und setzte mich neben ein Mädchen mit feuerroten Haaren. Aufgeregt sah ich nach vorne. In diesem Moment trat ein kleiner Mann vor uns Elfen und sofort erstarb das Geflüster. Nur das Rauschen der Blätter war zu hören. ,,Schüler.“ Seine Stimme war fest und er blickte uns ernst an. Das musste Professor Langzus sein. Seine kalten blauen Augen schweiften über uns Schüler und blieben an mir hängen.
,,Ah, die Nachzüglerin. Könntest du bitte einmal aufstehen?“ Was sollte das? Ich wurde knallrot und erhob mich so würdevoll wie möglich. Alle Blicke waren auf mich gerichtet. ,,Sei doch so gütig und komm zu mir“, säuselte er so leise, dass ich es fast nicht verstand. Mit gemischten Gefühlen lief ich nach vorne. Ich konnte einzelne Elfen lachen hören, aber ich versuchte es auszublenden. Meine Hände zitterten und ich blieb vor dem Professor stehen. Er musterte mich abschätzig. ,,Die Letzte soll die Erste sein“, murmelte er mir zu und sagte laut: ,,Sie wird uns die erste Aufgabe vorführen.“ Ich? Wieso ich? Das konnte doch nicht wahr sein. Die Chance, dass ich genommen wurde, war eins zu dreihundert. Es könnte genauso gut die Rothaarige sein, aber warum denn ausgerechnet ich? Wütend vor Zorn wollte ich ihm eine spitze Bemerkung an den Kopf werfen, als sich meine Umgebung plötzlich veränderte. Ich sah mich selbst, wie ich vor dem Professor stand. Der Himmel hatte sich verdunkelt und alle Schüler waren panisch unter die Bäume geflohen. Nur ich stand teilnahmslos da und der Professor betrachtete mich. Zögernd trat ich näher. Erst jetzt sah ich, was er tat. Er versuchte, mein Bernsteinarmband zu stehlen. Nein! Ich wollte schreien, brachte jedoch keinen Ton heraus. Mein Blick fiel auf meinen Arm. Das Armband schien zu glühen. Es war von einem schwachen Lichtschein umgeben, der meinen Arm in gleißend goldenes Licht tauchte. Ich musste meine Augen mit der Hand abschirmen, um nicht geblendet zu werden.
Plötzlich war alles wieder vorbei. Professor Langzus wedelte mit den Fingern vor meinem Gesicht herum und sagte etwas Unverständliches. Ich schüttelte meinen Kopf und versuchte, diese Vision oder was auch immer das gewesen war, aus meinen Gedanken zu verbannen. Doch es nützte nichts. Mir war auf einmal sehr kalt und ich zitterte am ganzen Leib. Der Professor verschwamm und ich versuchte, mich irgendwo festzuhalten, doch es war zwecklos. Ich schwankte, fiel ich auf das nasse Gras und begann zu träumen.

,,Marlia.“ Diese Stimme. Sie kommt mir so bekannt vor. ,,Marlia.“
,,Vater?“, rufe ich und sehe mich um. Und da steht er vor mir. Sein Gesicht ist verschmutzt und er sieht sehr müde aus, doch das Funkeln in seinen Augen ist noch immer da.
,,Marlia, mein Schatz. Ich bin so froh, dich zu sehen.“ Weinend renne ich auf ihn zu und falle ihm in die Arme. Er lacht und streicht mir das nasse Haar aus dem Gesicht. ,,Wie bin ich hierher gekommen?“ Ich habe den Gedanken laut ausgesprochen, doch es scheint, als ob mein Vater sich plötzlich an etwas erinnert. Sein Gesicht verdunkelt sich und er stößt mich weg. ,,Vater!“ Es ist ein Ausruf tiefster Verzweiflung. ,,Du bist anders. Das wird mir nun klar und ich kann mich vor der Wahrheit nicht mehr länger verstecken.“ Verwirrt sehe ich ihn an. Was redet er da bloß? ,,Hör mir zu.“ Vater packt meine Schulter so fest, dass es wehtut. Ich will mich wehren, doch sein Griff ist zu stark.
,,Du gehörst nicht in diese Welt. Du bist zwar eine Elfe, doch du bist anders. Du kannst Dinge sehen, die Wirklichkeit werden. Du kannst die Elemente beschwören, wenn du nur willst. Und diese Gaben darfst du nicht für die falschen Elfen einsetzen, hörst du? Vertraue niemandem, außer dir selbst.“ Damit lässt er mich los, dreht sich wortlos um und verschwindet. Die Tränen rollen meine Wangen hinunter und tropfen auf den Boden. Vater …


,,Vater!“ Ich schrie und mit einem Ruck fuhr ich aus dem Bett. Was war das gerade? Ich sah auf meine Schulter, sah den langsam verblassenden Abdruck seiner Hand und verstand die Welt nicht mehr. ,,Du hast geschrien. Ist etwas passiert?“ Das rothaarige Mädchen stand neben mir und sah mich besorgt an. ,,Ich hab nur schlecht geträumt“, murmelte ich abwesend, in Gedanken immer noch bei meinem Traum.
,,Ich dachte schon, es wäre etwas Schlimmes.“ Das Mädchen lachte nervös und kramte in einer Schublade. Dann hielt sie mir ein fliederfarbenes Kleid hin. ,,Da deine normalen Sachen dreckig sind, kannst du meine haben.“ Sie gab es mir und ich nahm es dankbar entgegen. Was war eigentlich passiert? Ich erinnerte mich nur noch an diese komische Vision, dann war da dieser Traum gewesen. Aber was war dann passiert? Als ich das Mädchen danach fragte, erlosch das Lächeln in ihrem Gesicht. ,,Das weiß ich nicht. Du standest beim Professor und plötzlich bis du auf den Boden gefallen und hast dich nicht mehr gerührt. Wir dachten, du seist tot, also sind alle in Panik ausgebrochen. Der Professor konnte uns nur mit Mühe beruhigen und dann haben wir bemerkt, dass du noch atmest. Also haben wir dich zu einem Saphirbaum in der Nähe getragen, der dich heilen sollte. Hier liegst du nun seit zwei Tagen. Das ursprüngliche Programm der Prüfungen wird weitergemacht, nur ich habe mich bereiterklärt, für eine bestimmte Zeit auszusetzen um dir zu helfen.“ Sie sah mich schüchtern an. Das war aber nett von ihr. Ich lächelte. Doch was war passiert? Ich hatte mir das alles nicht eingebildet und es hatte sich so echt angefühlt. ,,Du solltest etwas essen.“ Das Mädchen zeigte auf eine Schale neben dem Bett, die mit Suppe gefüllt war. Ich blickte sie dankbar an, nahm die Schale und schlürfte sie Suppe bis auf den letzten Rest aus. Auf Manieren achtete ich dabei nicht. Schließlich hatte ich seit zwei Tagen nichts mehr gegessen. Als ich mich gewaschen und umgezogen hatte, fühlte ich mich besser, doch ich konnte den seltsamen Traum nicht vergessen. ,,Wie heißt du eigentlich?“, fragte ich das Mädchen, doch sie schien mich nicht gehört zu haben. Ich seufzte, folgte dem rothaarigen Mädchen nach draußen und wurde mit Jubel empfangen.
,,Sie ist endlich aufgewacht.“
,,Habt ihr gehört? Es geht ihr besser.“ Anscheinend war ich nun nicht mehr das dumme Ding, das zum Professor nach vorn musste. Ich lächelte schüchtern und setzte mich nach vorn. ,,Ah, du bist wieder in die Welt der Elfen zurückgekehrt.“ Professor Langzus sah mich wieder abschätzig an und ich fühlte etwas, was ich noch nie gefühlt hatte. Zorn. Zorn auf einen Menschen, den ich von ganzem Herzen hasste. Ich ballte die Hände zu Fäusten und musste mich beherrschen, um ihn nicht anzugiften. ,,Da du zwei Tage ausgesetzt hast, musst du nun beim Punktestand bei Null anfangen. Oder willst du jetzt schon aufgeben?“ Es war ganz still geworden. Sollte ich wirklich ausscheiden? Nein, niemals. Diesen Triumph wollte ich ihm nicht gönnen. Ich wusste zwar nicht, was meine erste Vision zu bedeuten hatte, doch es war nichts Gutes. ,,Ich werde nicht aufgeben.“ Mit klarer Stimme sagte ich es in die Stille hinein und allgemeines Gemurmel war zu hören. Nur der Professor sah mich weiterhin mit diesem durchdringenden Blick an. ,,Wie du willst. Die nächste Aufgabe wird sein, an einem Orientierungslauf teilzunehmen. Durch den Wald. Allein.“ Er betonte das letzte Wort ganz besonders. Ich konnte hören, wie die einen missmutig stöhnten, die anderen vor Freude klatschten. Auch mich packte eine gewisse Vorfreude. Endlich konnte ich mich ablenken um nicht mehr an die seltsamen Träume und Visionen zu denken. ,,Gut. Stellt euch also geordnet in einer Reihe auf.“ Professor Langzus musste sich anstrengen, um das Getuschel zu übertönen, doch am Ende standen wir alle da und warteten gespannt auf die nächste Anweisung. Ich hatte versucht, mich ganz ans Ende der Reihe zu stellen, doch alle schoben mich nach vorne, sodass ich hinter dem Mädchen von vorhin stand. Na toll. Missmutig stand ich da und wartete, bis mein Vordermann im Wald verschwunden war. Dann breitete ich meine Flügel aus. Es tat gut, die Flügel zu strecken und sich nicht mehr auf die Beine verlassen zu müssen, doch es dauerte eine ganze Weile, bis ich vom Boden abhob, da meine Flügel vom vielen Liegen steif geworden waren. Als es endlich soweit war, genoss ich den Duft der Bäume und versuchte, nicht mehr an die Vision zu denken. Vergeblich. Wieso war die Begegnung mit Vater so schief gelaufen? Es war zwar in meinem Kopf passiert, doch ich konnte es nicht kontrollieren. Konnte nicht bestimmen, was geschehen würde. Und eine Stimme sagte mir, dass Vater recht hatte. Wie konnte ich mir sonst diese seltsame Vision erklären? Ich blickte auf mein Armband und sofort durchströmte mich ein Glücksgefühl, wie ich es selten gehabt hatte. Da sah ich etwas Rotes aufblitzen und sah auf. Vor mir flatterte an einem Baum eine rote Markierung im Wind. Mein erster Punkt. Schnell flog ich drauf zu und riss sie ab. Mal sehen, ob ich in nächster Zeit noch mehr Glück hatte. Überglücklich riss ich meine Hände in die Höhe, streifte dabei die Rinde des Baumes und mein Armband fiel auf den Boden. Nein! Schnell ließ ich die Markierung fallen und flog so schnell ich konnte hinterher. Als ich es endlich im Gras fand, bemerkte ich einen Schimmer. Was war das? Ich sah ihn mir genauer an, indem ich mir den mittleren Stein näher vor das Auge hielt. Und wirklich: Ich hatte mich nicht getäuscht. Im Bernstein eingeschlossen befand sich eine winzige Blume.

3. Kapitel




Ihre Blüten hatten die Farbe von intensivem violett und waren geschlossen. Zögernd nahm ich das Band ab und legte es in das nasse Gras. Wie kam eine Blume in den Bernstein? War vielleicht gar nicht der Stein das Geheimnis sondern die Blume selbst? Doch ich konnte nicht weiter nachdenken denn in diesem Moment legte sich ein Schatten über mich und bedeckte die Sonne. Verwirrt sah ich auf. Dort stand der Professor und blickte mich an.
,,Du hast also besseres zu tun, als dich deinen Aufgaben zu widmen. Wusste ich es doch.“ Damit entriss er mir mein Armband, breitete die Flügel aus und verschwand. Es gehört mir, dachte ich. Wütend setzte ich ihm nach, versuchte ihn einzuholen, doch er war zu schnell. ,,Geben Sie das her“, schrie ich wütend doch der Professor flog unbeirrt weiter und erhöhte sein Tempo sogar noch ein wenig. ,,Bei allen Elementen, bleiben sie stehen.“ Ich denke, ich hatte Vaters Worte verstanden, deshalb legte ich die ganze Kraft, die ich zu bieten hatte in diese Worte, obwohl mir zum Heulen zumute war. Meine Worte schienen etwas bewirkt zu haben, denn der Professor erstarrte mitten in der Luft und so konnte ich zu ihm fliegen und ihm mein Band aus der Hand nehmen. Als ich es wieder an mein Handgelenk gelegt hatte, flog er weiter, als wäre nichts gewesen. Verwirrt sah ich ihm nach als ich hinter mir eine Stimme hörte: ,,Stehen bleiben!“ Ich erstarrte mitten in der Bewegung. Als ich mich langsam umdrehte, sah ich das rothaarige Mädchen hinter mir. Sie lachte. Die Anspannung fiel von mir ab und ich lachte ebenfalls. ,,Du hast mir aber einen Schrecken eingejagt.“
,,Ich habe dich beim Saphirbaum ignoriert, als du mich nach meinem Namen gefragt hast. Anscheinend war ich etwas schüchtern. Ich bin Forsa und du?“
,,Ich bin Marlia.“ Forsa lächelte mich an und ich lächelte zurück. Eine unangenehme Stille lag in der Luft, bis Forsa anfing zu sprechen. ,,Ich habe dein Armband schon immer bewundert. Kannst du es mir bitte genauer zeigen?“ Wieso interessierte sich plötzlich alle Welt für mein Armband? Ich meine, was war daran so toll? Ich wollte es gerade wieder abnehmen, als ich eine leise Stimme in meinem Kopf hörte. Traue niemandem außer dir selbst. Na toll. Dieser Traum verfolgte mich jetzt auch schon tagsüber. Ich zögerte. Sollte ich ihr mein Armband geben? Doch dann entschied ich mich dagegen.
,,Nein.“ Ich sah Forsa verlegen an. Dann drehte ich mich um und flog wieder hinunter in den Wald. Was hatte es nur mit den Bernsteinen auf sich? Genau das wollte ich jetzt herausfinden. Ein für alle Mal. Als ich einen stillen Ort gefunden hatte, setzte ich mich in das feuchte Gras und nahm das Armband ab. Ich hielt es mir ganz nah vor mein Auge, um keine Kleinigkeit zu übersehen. Doch ich konnte außer der Blume nichts entdecken. Oder doch? Gerade als ich aufgeben wollte, bemerkte ich einen leichten Kratzer am Rand des äußeren Steins. Da stand etwas. Mit angehaltenem Atem betrachtete ich ihn genauer. John. Der Name meines Vaters.

Schnell drehe ich mich im Kreis Wo bin ich? Außer riesigen Felsen ist nichts zu sehen. Was soll das? ,,Du bist also zurückgekehrt.“ Vater. ,,Was willst du von mir?“, rufe ich, um das Geräusch des Windes zu übertönen, das eingesetzt hat. Doch meine Worte werden vom Winde verweht und er hört sie nicht. ,,Du musst die Schwarze aufhalten.“ Er spricht es klar und deutlich, sodass ich jedes Wort verstehen muss. Die Schwarze? Verwirrt sehe ich ihn an. ,,Sie ist nicht die, die sie zu sein scheint.“ Er sieht mich mit seinen durchdringend blauen Augen an. ,,Es wird zu einem Kampf kommen. Glaube an dich und du wirst sie besiegen. Vertraue dir allein.“ Damit verschwindet er.


Schweißgebadet wachte ich auf. Ich musste eingenickt sein und prompt hatte ich wieder einen dieser komischen Träume. Das konnte doch nicht wahr sein. Ich legte das Armband wieder an und flog zurück mit dem Vorhaben, das Orientierungsspiel abzubrechen. Schließlich hatte ich viel zu viel um die Flügel und konnte mich nicht auch noch auf das Orientierungsspiel konzentrieren. Wer war diese merkwürdige Schwarze? Als ich wieder auf der Lichtung ankam, sah ich die anderen schon versammelt. Ich war wohl doch zu lang im Wald geblieben. Schnell setzte ich mich neben Forsa. ,,Wo warst du?“, zischte sie mir vorwurfsvoll ins Ohr. Ich zuckte zurück. Sie war wohl wütend auf mich. Doch darüber machte ich mir keine Gedanken. Ich sah ihren roten Haaren zu, wie sie im Wind tanzten. Wie Flammen, dachte ich. Wie Flammen.

Ihr Haar brannte. In den Händen eine seltsame Peitsche stand sie da und wartete auf den Angriff. Auf den Angriff ihrer Gegnerin. Auf meinen Angriff. Ungläubig näherte ich mich dem bizarren Bild und sah mir Forsa genauer an. Ihre Augen sprühten Blitze und sie hatte ihren Mund zu einer hämischen Grimasse verzogen.



Ich schüttelte heftig meinen Kopf und die Vision verschwand. Aber das konnte doch nicht sein, oder? Schließlich war die erste Vision auch nicht Wirklichkeit geworden. Vater musste sich geirrt haben. Mitten in der Rede des Professors sprang Forsa auf und stellte sich neben ihn. Alle Blicke waren auf sie gerichtet, nur ich hatte die Augen geschlossen um sie nicht sehen zu müssen, und als sie mit einer rauen Stimme zu sprechen begann, waren alle um mich herum wie in Trance. Ich versuchte nicht hinzuhören, obwohl es mir ziemlich schwer fiel, ihrer fesselnden Stimme zu widerstehen. Als ich nach einigen Minuten die Augen wieder öffnete, lagen alle um mich herum reglos am Boden. Allein Forsa stand noch da, wo sie vorher gestanden hatte und lachte hämisch. Der Professor stand neben ihr und hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten. Er sah mit leuchtenden Augen zwischen mir und Forsa hin und her. ,,Die Weiße und die Schwarze, vereint im letzten Kampf“, murmelte er ehrfürchtig, dann sank er zu Boden. Forsa sollte diese Schwarze sein, von der Vater geredet hatte? Unmöglich. Schwerfällig stand ich auf und breitete meine Flügel aus. Forsa sah erstaunt auf. ,,Du hast es also geschafft, meinem Zauber zu widerstehen.“ Lügnerin, schrie alles in mir, aber ich zwang mich, ruhig zu bleiben. ,,Was willst du von mir? Was soll das?“, schrie ich sie an. ,,Du bist so naiv Marlia weißt du das? Lebst in deiner eigenen Welt mit deinen Visionen und bekommst nichts um dich herum mit. Sonst wäre dir aufgefallen, wie sehr ich dein Umfeld und sogar dich beeinflusst habe.“ Forsa schritt auf mich zu und ich wich zurück. ,,Wir könnten zusammenarbeiten. Ich mit meinen besonderen Fähigkeiten und du mit deinen Gaben. Wir wären das perfekte Traumpaar und könnten die ganze Elfenwelt beherrschen. Wir wären so reich, wie niemand anderes und alle würden zu uns …“
,,Stopp.“ Ich sagte es mit einer solchen Autorität in meiner Stimme, dass sie abrupt abbrach und mich ansah. ,,Ich will keine Macht. Ich wusste vor ein paar Tagen noch nicht einmal, dass ich diese Kräfte besitze.“ Ich senkte den Kopf und schämte mich dafür.
,,Weißt du wie es sich anfühlt, anders zu sein? Ich verstehe nichts von meinen Kräften und kann nicht mit ihnen umgehen. Wieso sollte ich sie dir zunutze machen?“ Ein Ausdruck trat in Forsas Gesicht, den ich nicht deuten konnte. Doch sie hatte sich schnell wieder gefasst. ,,Gut, wie du willst. Ich werde sie bekommen und dich überzeugen. Wenn es sein muss auch mit Gewalt.“ Sie holte aus ihrem langen Gewand eine lebensgefährlich aussehende Peitsche, die vor Macht vibrierte. Ihre Flügel zitterten. Woher hatte sie diese Waffe? Das war das Wahrzeichen der Elfen. Mit meinen läppischen Elementen konnte ich doch nicht gegen ein so machtvolles Artefakt antreten. Forsa drehte die Peitsche lässig in ihren Händen und sah mich herausfordernd an. Ihr Haar umwogte sie wie Flammen. Es war alles genauso wie in meiner Vision. Nein, nicht genauso. Noch furchteinflößender. Oh bei allen Elementen, das konnte doch nicht wahr sein. Ich versuchte, meine Augen zusammenzukneifen und nicht an den Tod zu denken, doch der Versuch scheiterte kläglich.
,,Wasser, Feuer benutze die Elemente“, hörte ich eine leise Stimme hinter mir sagen. Ich drehte mich um. Der Professor hatte seinen Kopf gehoben und sah in meine Augen. War er wirklich böse? ,,Wie denn?“, fragte ich verzweifelt. ,,Glaube an dich“, war das einzige, was er sagte. Dann fiel sein Kopf wieder zu Boden. Ich drehte mich wieder zu Forsa um die geduldig auf meinen Angriff wartete. Die Elemente benutzen. Leichter gesagt als getan. Ich konzentrierte mich auf das Wasser. Den salzigen Geschmack des Meeres, das Rauschen der Wellen, das Blau des Wassers. Ich versetzte mich in das Wasser hinein und als ich ein wohliges Kribbeln in den Handflächen spürte, wusste ich, dass ich es geschafft hatte. Plötzlich sah ich einen blauen Schimmer vor mir. Das konnte doch nicht wahr sein. Vor mir schwebte eine kleine Fee in einem blauen Kleidchen und sah mich mit blitzenden Augen an. ,,Was willst du von mir?“ Ich war so überrascht, dass es mir die Sprache verschlug. Als ich mich wieder gefasst hatte, sagte ich klar und deutlich: ,,Hinter Forsa soll sich eine Wasserwand erheben. Sie soll Forsa wegreißen.“ Die Fee zwinkerte mir zu und flog zu dem See. Dort flog sie immer schneller im Kreis, bis sich in einer Spirale eine Wasserwand erhob. Ich nickte der Fee zu und die lächelte. Dann schmetterte sie die Wand mit aller Kraft auf Forsa. Das Wasser gehorchte sofort und Sekunden später stand Forsa klatschnass da und funkelte mich zornig an. ,,Du! Glaubst du wirklich, dieses Wasser kann mich aufhalten?“ Forsa holte mit der Peitsche aus und ich sprang schnell zur Seite. Doch sie erwischte mein Bein und ich fiel der Länge nach hin. Ich spürte einen pochenden Schmerz in meinem linken Bein, ließ mich jedoch nicht ablenken. Die Erde. Ich konzentrierte mich erneut und versuchte, meine Umgebung zu vergessen. Ich versuchte, an den Duft frischen Grases zu denken und Schmetterlinge, die umher flogen. Als ich fast aufgeben wollte, durchströmte mich das Gefühl ein weiteres Mal. Vor mir befand sich nun eine kleine grüne Fee, die mich schelmisch anlächelte. Ich sagte ihr meinen Wunsch und Sekunden später flog ein Felsblock auf Forsa zu. Doch die war schon vorgewarnt. Während ich aufstand, sprang sie leichtfüßig zur Seite und verpasste mir erneut einen Hieb. An meinem Arm war ein roter Striemen zu sehen doch ich achtete nicht darauf. Dieses Mal beschwor ich das Feuer. Ich spürte die gleißende Hitze und als eine Fee in einem feuerroten Kleidchen erschien, befand sich kurz darauf ein Feuerkreis um Forsa. Doch diese peitschte einmal darüber und das Feuer erlosch. Forsa schwang die Peitsche drohend hin und her, während sie auf meinen Angriff wartete. Die drei Feen umkreisten mich und ihr aufgeregtes Flügelschlagen machte es fast unmöglich, mich zu konzentrieren. Doch ich musste es schaffen. Fieberhaft versuchte ich, an die Luft zu denken. An den Himmel, die Stürme, die über das Land zogen. Ein weiteres Mal spürte ich das Kribbeln und als eine weiße Fee zu sehen war, überraschte diese Forsa mit einem kleinen Wirbelsturm. Forsa schrie auf und fand sich auf dem Boden wieder. Die vier Feen flogen aufgeregt hin und her und hinterließen etwas bunten Glitzerstaub. In einer anderen Situation hätte ich mich gewundert, doch diese Situation ließ das nicht zu. Forsa wickelte sich die Peitsche um ihren Arm und lief auf mich zu. Bevor ich erfassen konnte was geschah, hatte sie mich auf den Boden geworfen und saß auf meinem Rücken. Verzweifelt versuchte ich, sie abzuschütteln, doch sie war zu stark. ,,Lass das“, knurrte ich durch die Zähne. Ich sammelte meine ganzen Energiereserven und stieß sie von mir weg. Schwer atmend standen wir nun beide da und umkreisten uns. Keiner ließ den anderen aus den Augen. Doch nun kam ich erst richtig in Fahrt. Professor Langzus hatte Recht gehabt: Ich musste nur an mich glauben. Ich gab meine Anweisungen und ein Regenschauer nach dem anderen prasselte über Forsa nieder, die keine Zeit hatte, sich zu wehren. Ihr gelang es zwar, mich zwei weitere Male zu treffen, doch ich blendete den Schmerz aus. Die winzigen Feen schwirrten um mich herum und taten ihre Arbeit, doch trotz allem schien Forsa nie müde zu werden. Sie rappelte sich immer wieder auf und griff von neuem mit einer unglaublichen Ausdauer an. Verzweifelt antworteten ich beziehungsweise die Feen mit weiteren Angriffen, doch Forsa wich allen aus. ,,Du musst deine Kräfte verdoppeln. Lass alle Elemente gleichzeitig angreifen.“ Professor Langzus war aufgestanden und stützte sich auf einen Stock. ,,Geht es Ihnen gut?“, fragte ich ihn, doch er brachte mich mit einer Handbewegung zum Schweigen. ,,Du musst alle Elemente zusammen angreifen lassen. Sonst wirst du sie nie besiegen.“ Dafür dass er gerade erst erwacht war, sah er erstaunlich gesund aus. ,,He, Professor. Das ist für sie.“ Forsa schwang die Peitsche und ließ sie auf den Professor niedersausen. Ich versuchte ihn zu schützen, doch er knickte ein und krächzte ein letztes Mal: ,,Denk an meine Worte.“ Dann verlor er das Bewusstsein. Wie sollte ich das bitte machen? Forsa war inzwischen näher gekommen. Ich verankerte meine Füße am Boden, um einen besseren Halt zu haben. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. ,,Das kann nicht ewig so weitergehen“, zischte sie und holte aus. Ich entkam dem Hieb und die Fee in dem roten Kleidchen antwortete mit einem Feuerstoß, während ich panisch nachdachte. Wie sollte ich alle Elemente gleichzeitig angreifen lassen? Ich drehte mich um und lief zum anderen Ende der Lichtung. Dort blieb ich stehen, schloss die Augen und konzentrierte mich. Ich spürte das Feuer meine Haut wärmen, das Wasser meine Beine liebkosen, den Wind mein Haar zerzausen und die Erde, die mich mit ihrem Duft betörte. Alle vier Feen umkreisten mich und hüllten mich in eine Spirale des Wassers, des Feuers, der Erde und der Luft. Ein Zittern erfasste mich und bevor ich wusste was ich tat, schleuderte ich all die Macht, die ich angesammelt hatte, auf Forsa zu. Die schrie auf und wurde mit einem lauten Platschen in den See geworfen. Es gab eine Fontäne, dann war alles still. Sogar die Feen waren verschwunden. Mit wackeligen Beinen lief ich zum Ufer des Sees und versuchte, etwas zu erkennen. Doch die Wasseroberfläche hatte sich beruhigt und darunter war nur tiefe Schwärze. Hatte ich sie wirklich umgebracht? Blitzartig schoss eine Hand aus dem Wasser und packte meinen Fuß. ,,Wenn ich schon sterbe, gehst du mit mir unter“, hörte ich Forsas Stimme und die Hand zog an meinem Fuß. Ich verlor das Gleichgewicht und fiel in das eiskalte Wasser. Meine Güte. Ich strampelte und versuchte, mich an der Oberfläche zu halten. Doch Forsas Griff war zu fest. Wasserfee hilf mir, dachte ich verzweifelt und den Tränen nahe. Meine Flügel hingen schlaff herunter und waren unbrauchbar geworden. Plötzlich riss mich ein heftiger Stoß aus Forsas Umklammerung und trug mich an die Wasseroberfläche. Hektisch atmete ich die Luft ein und sah die eisblaue Fee über mir schweben. ,,Das war knapp“, sagte sie und verschwand. Mein Armband leuchtete kurz auf, dann hatte es seine ursprüngliche Farbe wieder. Ich lebe, dachte ich ungläubig. Ich lebe. Das Wasser hatte mir geholfen. Mit schwachen Zügen schwamm ich an das Ufer und zog mich an Land. Dort blieb ich liegen, und erst als mein Puls sich wieder beruhigt hatte, ging ich zum Professor und rüttelte ihn und ein paar andere Schüler unsanft an der Schulter.
,,…Forsa tot … sie ist im See“, brachte ich mühsam heraus, dann wurde mit schwarz vor Augen.


4. Kapitel




,,Mein kleines Mädchen.“
,,Vater“, rufe ich überglücklich und er nimmt mich in seine Arme. Er riecht nach dem Salz des Meeres. ,,Du hast es geschafft“, flüstert er mir ins Ohr. Das hatte ich. Ich kann es selber noch nicht fassen. ,,Bleib hier“, sage ich flehend, als er sich zum Gehen umdreht. ,,Wir werden uns wieder sehen. Das verspreche ich dir.“ Damit sieht er mich ein letztes Mal liebevoll an und ist verschwunden.



Ich erwachte in einem weichen Bett, das mit weißen kuscheligen Kissen ausgepolstert war. ,,Sie ist wach“, hörte ich eine vertraute Stimme sagen und sah den Professor, wie er neben mir saß und mich neugierig betrachtete. Ich sprang aus dem Bett und umarmte ihn. ,,Ohne Sie hätte ich das nie geschafft“, flüsterte ich. Meine Wut war wie weggeblasen. ,,Der erste Eindruck täuscht“, sagte er schelmisch grinsend und stand auf. ,,Für eine, die gegen ein Artefakt gekämpft hat, siehst du nicht sehr schlimm aus“, sagte er. Schnell sah ich in den Spiegel neben meinem Bett. Nicht sehr schlimm? Meine Arme und Beine waren mit Blutergüssen übersät und mein Gesicht hatte blutige Schrammen. Mein Haar stand wild von Kopf ab und sah aus, als hätte ich weiß Gott was, mit ihm angestellt. Doch ich lachte und fragte ihn nach neuen Kleidern, da ich in den alten zerrissenen nicht allzu attraktiv aussah. Lachend gab er mir ein neues Kleid und als ich aus der Tür trat, wurde ich mit lautem Jubel empfangen. Ich war nicht mehr das eingeschüchterte Mädchen, nein, ich war Marlia, die Heldin. Überrascht von dem Jubel sah ich mich nach meiner Mutter um, konnte sie jedoch nicht auf der Lichtung entdecken. ,,Deine Mutter sollte von alldem besser nichts erfahren“, sagte ein Junge neben mir und zwinkerte mir zu. Da hatte er recht. Sie würde mich sonst nie wieder allein irgendwohin gehen lassen. Plötzlich wurden alle ganz still. Professor Langzus erhob die Stimme. ,,Es haben alle die Prüfung bestanden“, sagte er hinter mir. Ich schluckte. Wahrscheinlich musste ich sie nächstes Jahr wiederholen, worauf ich nicht besonders viel Lust hatte. ,,Auch Marlia.“ Die Mädchen und Jungen begannen zu tuscheln und ich sah ihn verwirrt an. ,,Aber ich habe doch an keiner der Aufgaben teilgenommen“, verteidigte ich mich. ,,Doch das hast du. Jeder musste etwas Außergewöhnliches tun, was nach Punkten bewertet wurde. Du hast Forsa besiegt und das ist etwas Besonderes. Du hast es ganz knapp geschafft.“ Er lächelte mir zu. Ich hatte es geschafft. Mein Mund verzog sich zu einem Lächeln. ,,Vielen Dank“, sagte ich und er gab mir einen regenbogenfarbenen Armreif, den alle bekommen, die bestanden hatten. Ich legte ihn mir stolz an und sofort erstrahlte die ganze Lichtung in einem wundervollen Licht. Als ich nicht mehr geblendet war, befanden sich die Regenbogenfarben an meinem Arm.
,,Du bist eine vollwertige Elfe.“ Der Professor nickte mir zu. Ich konnte mein Glück kaum fassen. Ich hatte es wirklich geschafft. Doch mein Armband. Was war damit?

,,Du hast es gefunden.“ Eine Frau mit langen weißen Haaren und einem diamantenen Diadem auf dem Kopf läuft auf mich zu. ,,Wer sind sie?“ Ich hatte diese Frau schon einmal gesehen. Die Frau lacht mit ihrer glockenhellen Stimme und bleibt vor mir stehen. ,,Du hast mein Artefakt gefunden.“ Artefakt? Ich verstehe nicht, was sie mir sagen will. ,,Du kleines Dummerchen. Dieses Armband ist eines der ältesten Artefakte des Elfenreiches, die es jemals gegeben hat. Durch ein Missgeschick ist es mir abhanden gekommen. Ich konnte es nicht finden …“
,,… weil mein Vater es gefunden hat“, ergänze ich als Schlussfolgerung. ,,Genau.“ Sie lacht. ,,Ein Elf hat es gefunden und einem Kind geschenkt. Das musst du gewesen sein“, sagt sie freundlich. Unsicher sehe ich sie an. ,,Und was soll ich jetzt damit machen?“ Ich will das Armband ungern hergeben da es das einzige ist, was meinen Vater und mich verbinden. ,,Du kannst es behalten wenn du willst.“ Sie sieht mich ernst an. ,,Ich habe mir diese wunderschöne Heimat erschaffen und mir fehlt es an nichts. Also brauche ich es nicht mehr.“ Überglücklich strahle ich über das ganze Gesicht und kann ihr gar nicht genug danken. ,,Und wer sind sie?“, frage ich, als sie langsam verblasst. ,,Die Schöpferin der Elfen“, entgegnet sie lächelnd, dann ist sie verschwunden.



Nur wegen meinem Armband konnte ich Forsa besiegen. Und Vater musste das gewusst haben. Ich wollte gerade dem Professor von meinen Visionen erzählen, als er mir zuvor kommt.
,,So, jetzt geht es nach Hause.“ Professor Langzus öffnete das Portal und meine Mitschüler traten einer nach dem anderen hindurch. Ich blieb stehen und sehe den Professor ein letztes Mal an. ,,Auf Wiedersehen“, flüsterte ich, dann trat auch ich hindurch. Meine Mutter erwartete mich schon. ,,Deine Haare. Sie sehen abscheulich aus“, sagte sie entsetzt und runzelte die Stirn. Dann entspannte sie sich. ,,Was ist passiert? Du musst mir alles erzählen.“ Der Themawechsel kam unerwartet. Ich lachte. ,,Nichts. Es war eine ganz normale Prüfung, wie jede andere auch.“ Ich blickte zu den anderen Teilnehmern, die mir kaum merklich zunickten. Es würde unser Geheimnis bleiben. Für immer und ewig.


Impressum

Texte: Alle Rechte des Textes gehören mir Alle Rechte des Covers gehören naomijane
Tag der Veröffentlichung: 01.10.2011

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
ich widme dieses Buch meiner Freundin Julia, die mich bei Laune gehalten hat und mir das Armband zur Verfügung gestellt hat

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