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Hinführung

Das atheistische Schicksal

 

1. Hinführung

Mir wurde vor einiger Zeit die Frage gestellt, ob ich an die Existenz übernatürlicher Kräfte wie zum Beispiel eines Gottes glaubte. Kurz entschlossen antwortete ich mit nein, da ich mich selbst als Atheist betrachte und an keinerlei Gottheiten oder Weltenlenker im klassischen Sinne glaube.

 

Dennoch beschäftigte mich diese Frage, da mir doch eine gewisse Form des Schicksalsglaubens nahe liegt, nämlich die, vieles, wenn nicht einen Großteil dessen, was einem Menschen in seinem Leben passiert, auf dessen Taten zurückzuführen. Auch wenn es kein klassischer Schicksalsgedanke ist, beinhaltet er doch Aspekte dessen, da versucht wird, eine Erklärung für Ereignisse zu finden. So beispielsweise, dass Menschen, die viel "Gutes" tun, insgesamt eher "Gutes" widerfährt, während Menschen, die "Schlechtes" tun, oft auch "Schlechtes" widerfährt.

 

Die Anführungsstriche setze ich hier bewusst, da die Definition von "gutem" und "schlechtem" Handeln individuell sind, genauso wie die Auffassung, dass jemandem "Gutes" oder "Schlechtes" widerfährt. So sieht eine Gruppe beispielsweise die ehrliche und ungeschönte Aussprache der Meinung als richtig an und betrachtet Beschönigungen als Lügen, während eine andere Gruppe den diplomatischen Ton vorzieht und eine direkte Artikulation der Meinung als rüde ablehnt. Komplementär verhält es sich mit Ereignissen. Perzipiert der eine die vom Arbeitgeber anempfohlene Weiterbildung als angenehme Möglichkeit, neues Wissen zu erlangen, ist sie für den anderen eine saure Pflicht.

Argumentation

 2. Argumentation

Gibt es also einen anonymen, übermächtigen Schicksalslenker, der die "Guten" belohnt und die "Schlechten" bestraft?

 

Auf den ersten Blick scheint ein valides Gegenargument  zu sein, dass oft auch Menschen, die sich für offenbar gute Dinge wie Menschenrechte, Frieden oder die Behandlung von Krankheiten direkt oder indirekt einsetzen, sehr Schlechtes widerfährt, während Menschen, die sich scheinbar unmoralisch verhalten, oft Glück haben. Dies führt bei vielen Menschen zu der Auffassung, die Welt sei ungerecht zugunsten der "Bösen".

 

Bleiben wir für einen Moment bei der einseitigen Betrachtungsweise, nehmen also an, dass derjenige, dem im obigen Beispiel Schlechtes widerfährt, objektiv "Gutes" und derjenige, dem im obigen Beispiel Gutes widerfährt, objektiv "Schlechtes" getan hat.

 

Ist es nicht denkbar, dass der Schicksalsschlag, der den "Guten" trifft, ein Test des "Schicksalslenkers" ist, um herauszufinden, ob dieser auch in Extremsituationen "richtig" handelt und sich somit erst des Glücks würdig macht? Weiterhin bestimmt das von außen ersichtliche Schaffen schließlich nur einen kleinen Teil des Lebens, sodass auch möglich ist, dass er, wenn der Betrachter nicht der "Gute" selbst ist, sich insgeheim selbst "schlechte" Taten zu Schulden kommen lässt.

 

Dadurch bleibt die Frage offen, wie das Glück des "falsch" Handelnden zu erklären ist. Versucht der "Schicksalslenker", ihn so von sich zu überzeugen, da jener beginnt, ihn als Gottheit zu verehren, und zum "richtigen" Handeln zu bekehren? Oder ist seine Macht mit dem Versuch desselben überstiegen? Gibt es eine Art des Lebens nach dem Tod, in dem der "Schicksalslenker" Strafen verhängt, die womöglich an terrestrischen Maßstäben gar nicht zu messen sind?

 

Hier fehlt jedoch, wie bereits einleitend gesagt, die Subjektivität des "Guten" und des "Schlechten", auf die ich im Folgenden eingehen möchte.

 

So ist der Gedanke durchaus sinnvoll, dass derjenige, dem im selben Beispiel subjektiv Gutes widerfährt, obgleich er von der Warte anderer aus betrachtet Schlechtes tut, selbst der Meinung ist, moralisch zu handeln oder gehandelt zu haben.

 

 Im Gegenzug kann derjenige, über den der Betrachter denkt, dass er Gutes tut, selbst nicht überzeugt von seinen Taten sein.

 

Also drängt sich der Gedanke auf, dass, wenn es eine übermächtige Macht gibt, die belohnt und bestraft, diese sich danach richtet, inwiefern die Handlungen dem Gewissen der Handelnden und nicht einem objektiven, universellen Gewissen folgen. Handelt man also seinem eigenen Gewissen zufolge richtig, belohnt einen die übermächtige Instanz, handelt man ihm zuwider, wird man bestraft.

 

Handelt es sich also überhaupt noch um eine übernatürliche Instanz oder hat dies einen anderen Ursprung?

 

Psychologisch gesehen ist durchaus denkbar, dass derjenige, der seine eigenen Handlungen allesamt begründen und ihre moralische Vertretbarkeit für sich selbst belegen kann, dadurch eine stabilere psychische Entwicklung durchläuft und zu einem belastbareren und gerade in zwischenmenschlichen Situationen ruhigeren Individuum heranwächst als derjenige, der mit sich selbst und seinen Handlungen nicht im Reinen ist.

 

Das könnte einen Einfluss auf die Interaktion mit Dritten haben, da jemand, der unsicher wirkt, oftmals nicht allzu ernst genommen und bei Entscheidungen benachteiligt wird, nicht aber auf "Schicksalsschläge" wie unheilbare Krankheiten oder das Sterben nahestehender Personen. Somit kann nicht von einem allgemeinen "Schicksal" gesprochen werden, da es beispielsweise Probleme auf der beruflichen Ebene sowie durch zwischenmenschliche Konflikte ausgelöste Probleme im privaten Bereich erklären kann, jedoch nichts, was außerhalb direkter menschlicher Macht liegt.

 

Die letzte entscheidende Frage ist, was die Begründung für das Pech desjenigen ist, der seine Handlungen stets vor sich selbst begründen konnte und auch in zwischenmenschlichen Situationen immer sicher auftritt.

 

Einerseits kann man dies mit einer Neidreaktion derjenigen, die mit dieser Person interagieren, begründen, da diese selbst Unsicherheiten aufweisen und die scheinbare Idylle des Lebens des anderen zerstören wollen, ihn eventuell selbst verunsichern. Andererseits kann diese gezielte Verunsicherung auch mit einem anderen Moralverständnis begründet werden, welches gewaltsam ausgebreitet werden soll.

 

Unter Umständen ist den Interagierenden die Auswirkung ihrer Handlung für andere aber auch gar nicht erst bewusst, sodass sie dem subjektiv gut handelnden unbeabsichtigt Schaden zufügen.

 

 

Fazit

 

 3. Fazit

Insgesamt drängt sich also auf, dass es keine direkte Form des ausschließlich auf terrestrischer Ebene belohnenden oder bestrafenden Schicksals geben kann, wenngleich Handlungen und ihre moralische Begründbarkeit vor dem Handelnden selbst doch einen großen Einfluss auf einzelne, teils bedeutende Ereignisse im Leben des Handelnden haben können.

 

Somit lässt sich die Frage, ob ich an Übernatürliches glaube, nach Betrachtung dieser Argumentation, für mich selbst weiterhin mit nein beantworten.

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Tag der Veröffentlichung: 17.11.2016

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