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Leseprobe

 

Blutiges
Fleisch


 

 

 

 

 

by Akaya Black

 

Inhaltsverzeichnis

 

Der Fluch

Zweite Chance

Aus dem Jenseits

Hexenfriedhof

Der Wald

Friedhof der Alten

Verfaulte Sehnsucht


 

 

H O R R O R

 

 

 

 

 

Böse, beklemmend und schaurig

… die verstörenden Geschichten von Akaya Black!

 

Mit einem gruseligen Blick in die Hölle … ohne Rückkehr. Die Jagd hatte längst begonnen. Die Hexe wartete schon auf ihr blutiges Mahl.

 

 

 

Sie starrte mich eiskalt an. Voller Entsetzen hob ich meine Finger und drückte Daumen, Mittelfinger und Zeiger kraftvoll in meine Augen. Ich spürte dabei keinen Schmerz. Dann packte ich meine Augäpfel, drehte sie und zog voller Kraft, bis sie aus meiner Höhle sprangen und heraushingen …

 

Sie streichelte mich mit ihrer verfaulten Haut und nahm dann meine Augäpfel, um sie zu zerquetschen … Der Geruch von verbranntem Menschenfleisch lag schwer in der Luft.

 

 

 

 

Ich schreckte hoch und riss meine Augen ganz weit auf. War das ein Alptraum oder real? Ich lag noch im Bett, bewegungslos, völlig starr voller Angst. Der Angstschweiß stand auf meiner Stirn. Meine Atmung raste wie wild. Ich spürte, wie die Panik in mir hervorstieg und meinen ganzen Körper erfasste.

Alles war still, die Uhr zeigte die Geisterstunde an. Zitternd und langsam stieg ich aus dem Bett. So leise wie ich nur konnte, näherte ich mich dem Flur. Nur das Mondlicht, das seine kleinen Strahlen durch die Fenster fallen ließ, beleuchtete den kleinen Gang. Hatte ich mich getäuscht? Ich stand unter dem Türrahmen und lugte mit rasendem Herzen in den Flur hinein.

Ich war beruhigt, da war niemand. Es musste einfach ein Traum gewesen sein oder ein Nachbar unter mir, der wieder einmal durchgedreht war. Die Wände waren hier so dünn, dass jedes kleinste Geräusch durch das Gebäude zog.

Doch in jenem Moment, der mir eine gefühlte Sicherheit bescherte, schreckte ich wie ein Wahnsinniger zur Seite. Es kam aus der Dunkelheit herausgeschossen. Völlig unerwartet. Was auch immer das war, es durchdrang meinen Körper. Voller Angst scherte ich zurück, verlor den Halt und klatschte auf den Boden.

Ich zitterte voller Panik, mein Herz raste so, als würde es gleich in zwei Teile gerissen werden. Hektisch blickte ich mich um. Sehen konnte ich nichts, aber ich spürte diesen modrigen, verfaulten Gestank, der sich so schwer in den Raum gelegt hatte. Der Angstschweiß lief mir über den Rücken.

In meiner Not versuchte ich, den Lichtschalter zu erreichen ... doch ehe ich ihn ertasten konnte, sah ich dieses Ding von der Decke herab stürzen. Ich rollte mich schützend zusammen, doch es erfasste mich und plötzlich schien es so, als wäre ich in einer ganzen anderen Realität, die noch schauderhafter war, als jene von gerade eben.

Seine schmutzigen Pranken hatten mich ergriffen. Sein stinkender Atem sauste genau in mein Gesicht und ließ mich beinahe ohnmächtig werden. Als er seine Pranken öffnete, fiel ich ... Ich raste auf die Erde zu. So, als würde ich ohne Fallschirm aus einem Flugzeug geworfen werden. Unter mir kam der Boden immer näher. Alles war voller Dunkelheit. Die Furcht zerriss mich. Nur noch wenige Meter trennten mich von einem grausamen Tod. Unaufhaltsam nahm es sich, was ich ihm schuldete ...

Mir wurde schwarz vor den Augen ... ich schlug wie ein Stein auf den Boden auf und schrie noch ein letztes Mal wie ein kleines Kind, das panische Angst hatte. Ich fühlte diesen unbeschreiblichen Schmerz, der meine Knochen splitterte und mich in eine Beklemmnis versetzte, die ich mit Worten nicht beschreiben konnte. In diesem Moment sehnte ich mich nach dem Tod. Der Tod wäre meine Erlösung. Doch dieses Ding wollte mir keine Erlösung schenken. Als ich meine Augen öffnete, lag ich in einem Sarg. Lebendig, bei völligem Bewusstsein. Bewegen konnte ich mich nicht. Noch immer spürte ich, dass meine Knochen gebrochen waren. Aber ich bekam alles bei völligem Bewusstsein mit.

Das Ding stand vor mir. Durch die Dunkelheit konnte ich nur seine Umrisse erkennen. Doch das reichte mehr als alles aus. Mein Verstand konnte das nicht verarbeiten. Es, das Ding hatte eine Axt in der Hand, mein Herz schlug so wild, als würde es explodieren und ich schrie vor lauter Furcht. Die Eiseskälte überzog mich. Die scharfe Axt raste herunter, spaltete mein linkes Bein und das Blut spritzte wie verrückt hoch und färbte den ganzen Sarg in einen blutroten Ton.

Ich hatte so viel Angst, dass ich fast ohnmächtig wurde. Doch etwas hinderte mich daran, in eine Bewusstlosigkeit zu verfallen. Alles verlief nun wie in einem Zeitraffer, ich brüllte vor Angst, vor Schmerz. Die Blutlache um mich herum wurde größer und der Sargdeckel fiel mit einem lauten Knall zu. Der Knall zischte wie ein weiterer Schmerz durch meinen Körper.

Dann war da dieses furchtbare Geräusch. Das Ding schüttete mit einer Schaufel Sand über meinen Sarg. Schicht für Schicht verschwand ich unter dicker Erde. Mein Körper war gebrochen, ich litt voller Pein. Es gab keine Erlösung. Genau das wollte dieses Etwas. Ich sollte leiden, leiden, grenzenlos leiden. Ein Ende sollte es nicht geben.

Die Minuten vergingen. Noch immer lag ich in diesem kleinen Sarg, umhüllt von einem Blutbad. Das Atmen wurde schwerer. Genauso wie die Schmerzen. Ich spürte es. Das Ende würde kommen. Ich schrie wie ein Wahnsinniger, in der Hoffnung, dass mich irgendjemand hören würde.

 

Plötzlich zerrte ich meine Augen auf. Vollkommen verschwitzt lag ich in meinem Bett. Mein ganzer Körper zitterte wie verrückt. War es wirklich nur ein Alptraum? Jeder Schmerz fühlte sich so intensiv an, dass ich diesen jetzt noch in meinen Gliedern spüren konnte. Ich schreckte hoch, meine Beine waren ganz, kein Blut war zu sehen.

Voller Panik schaltete ich die Nachttischlampe an. Da war wieder dieser Geruch. Der ganze Raum roch modrig und verfault, als würde eine Leiche hier seit vielen Wochen liegen. Auf meinem Bett verteilt fand ich überall Sand. Erde, mit dem mich dieses Ding tief eingraben wollte.

Zusammengekauert hockte ich wie ein Stück Elend auf dem Bett. Vor lauter Angst bewegte ich mich kein Stückchen. Ich wusste, auch wenn ich das Etwas nicht sehen konnte, es würde mich beobachten. Das Ding würde nicht von mir lassen und dafür sorgen, das mich die Furcht innerlich wieder und wieder zerriss und ich den Schmerz immer und immer wieder erleben würde ...

 

(Monate davor, Rückblick)

 

 

 

Alles fing vor einigen Monaten an. Mein Leben war in Ordnung. Mit gerade einmal 28 Jahren hatte ich es geschafft, als erfolgreicher Daytrader meinen Lebensunterhalt zu verdienen. Zuvor hatte ich bei einer großen Bank im Wertpapierhandel gearbeitet. Mit einem netten Bonus zog ich mich zurück. In einem komfortablen Penthouse arbeitete ich fortan erfolgreich und handelte mit Aktien und Währungen. Ich fühlte mich wie ein König. Nichts konnte mir etwas anhaben. Die meiste Zeit saß ich hinter meinen Monitoren verborgen und wartete auf meine Chance.

Am Freitagabend war ich auf der Pirsch. Ein Ritual, das ich jede Woche ausübte. In den bekannten Clubs und Bars suchte ich nach Frischfleisch. Meine Beute war stets die gleiche. Jung, sexy und naiv. In dieser Metropole gab es viele dieser Frauen, die leicht mit Geld zu beeindrucken waren. Ich verbrachte mit ihnen die Nacht, manchmal auch das Wochenende. Danach wurden sie mir lästig. Manchmal gaben mir die jungen Frauen mit großer Erwartung danach ihre Telefonnummern. Es war immer der gleiche Ablauf. Sie schauten mich an, ihre Augen glänzten und sie hofften, ich würde sie zurückrufen. Doch ich hatte bereits, was ich wollte und vergaß meine Eroberung bereits Stunden danach.

Der schnelle, unpersönliche Sex wurde für mich zu einem richtigen Kick, zu einer Sucht, der ich jede Woche aufs Neue frönte. Ein paar romantische Wörter, ein guter Anzug und Erfolg, das waren meine Geheimwaffen. Ich versprach Ihnen, was sie hören wollten und nahm mir, was ich brauchte. Einige der Frauen erwiesen sich danach als anhängig, doch als ich ihnen Geld in die Hand drückte, schauten sie mich beschämend an und verschwanden ...

Ich hatte kein Mitleid. Warum auch. Ich wollte mit ihnen ins Bett, mir meinen Kick holen. Wie viele es waren, wusste ich nicht. Irgendwann hatte ich aufgehört zu zählen.

 

 

Meine Geschäfte liefen. Ab und zu erzielte ich kleinere Verluste, die ich aber mit den Gewinnen wieder mehr als ausglich. Ich hatte meine Freunde, meine Seele schon lange für den Erfolg eingetauscht. Eigentlich störte es mich nicht. Ich hatte alles, was ich brauchte. Mein Bankkonto füllte sich von Woche zu Woche. Ich kannte keine Not und auch keine Einsamkeit.

Dann lernte ich Jerina kennen. Ich sah sie eines Tages auf der Straße. Sie stand mit großen Augen vor einem Schaufenster und blickte auf die teuren Kleider dahinter. Sie war wie eine Blume. Jung, wunderschön und so zart. Sie stand in ihrer vollen Blüte. Es war an einem Freitag.

Ich stand auf der anderen Straßenseite und bewunderte dieses einfache Geschöpf. Ihre langen dunklen Haare wehten leicht in dem Wind. Ihre Beine schienen unendlich zu sein. Gekleidet war sie mit einen bunten Rock, schweren Ohrringen und ein paar Blumen im Haar. So, als würde sie auf dem Jahrmarkt arbeiten. Immer wieder drehte sie sich scheu wie ein Reh in der Gegend um. Ich schätzte sie auf 20 Jahre. Sie bezauberte mich in allen Punkten und meine Jagdzeit war eröffnet. Die nächsten Minuten beobachtete ich sie. Sie starrte so fasziniert auf dieses Kleid. Ein Kleid, das sie sich vermutlich niemals hätte leisten können. Aber ein Kleid, das ihrer Schönheit schmeicheln würde und aus dem einfachen Straßenmädel eine Prinzessin gemacht hätte. Sie war ein einfaches Ziel für mich. Ich wusste schnell, wonach sie begehrte und nutzte das zu meinem Vorteil.

Laut telefonierend näherte ich mich dem jungen Ding, das sich immer noch nicht von dem Schaufenster trennen konnte. Voller Absicht stieß ich mit ihr zusammen. Jerina drehte sich erschrocken um und zum ersten Mal konnte ich ihr tief in die Augen sehen.

 

»Ohh entschuldige. Es tut mir leid. Habe ich Dich verletzt?« Fragte ich sie und starrte wie ein Liebestoller in ihre tiefen, dunklen Augen.

 

Ich spielte den Verliebten und versuchte mir vorzustellen, wie sie wohl ohne diese Hippie-Kleidung aussehen würde. Sie schaute mich ein wenig verloren an, lächelte dann aber wie eine wunderschöne Blume, die soeben die ersten Knospen geöffnet hatte. Ihr Lächeln war das Schönste, was ich je gesehen hatte. Diese junge Frau war so ganz anders. Dennoch war sie so naiv wie alle anderen vor ihr..

 

»Nein, mir ist nichts passiert ...«, antwortete sie mit einer tiefen, erotischen Stimme, die durch meinen ganzen Körper drang.

 

»Darf ich das wieder gutmachen und Dich zu einem Essen einladen?«

 

Ich schien ihr ebenfalls zu gefallen. Zaghaft machte ihr erste kleine Komplimente. Sie nickte und wir begaben uns lächelnd in einen kleinen Coffee Shop, der sich nur einen Block weiter befand. Wir stellten uns vor, lernten uns kennen. Ihr Name bedeutete Blumengöttin und kam aus dem Albanischen. Sie war fast zu perfekt. In ihren gerade einmal 20 Jahren spiegelte sich eine große Naivität, wenngleich sie auch wusste, wie sie das Leben zu nehmen hatte.

 

»Ich habe bemerkt, dass Du die ganze Zeit in das Schaufenster gestarrt hast. Was hat Dir so gut gefallen?«

 

Sie lächelte bezaubernd in ihrer Unerfahrenheit. Sie zögerte nur kurz und berichtete mir danach von diesem kleinen weinroten Kleid, das sie schon so oft gesehen hatte, sich aber nie hätte leisten können. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich sie bereits. Es war ein leichtes. Wir amüsierten uns, verstanden und so gut ... als würden wir uns seit Ewigkeiten kennen.

Jerina verfiel mir. Ich wollte ihr etwas Gutes tun. Das Kleid ... ich wollte es ihr schenken. Zunächst lehnte sie höflich ab. Doch das Glänzen in ihren kleinen, dunklen Augen sagte etwas anderes. Nach einigen Minuten gab sie nach. Ich versicherte ihr, dass ich keine Gegenleistung wollte. Wenngleich ich wusste, dass sie mir eine solche mit Sicherheit erbringen würde.

Ich hatte schon lange vergessen, was Glück bedeutete. Doch in diesem Moment, als Jerina vor mir stand und dieses edle Kleid trug, strahlte sie wie ein Diamant. Sie war so glücklich, dass sie mich kräftig umarmte und sich in meine Gedanken schlich.

Eine Stunde später kam der Moment der Wahrheit. Ich verabschiedete mich von ihr und wollte gehen. Einfach so. Doch sie hielt meinen Arm und fragte mich, ob wir uns nicht wiedersehen könnten.

Bereits am nächsten Tag, es war am Samstagnachmittag, trafen wir uns wieder. Jerina war so faszinierend, liebreizend. Sie war wirklich nicht wie diese naiven anderen Dinger, die ich jedes Wochenende mit einer puren Leichtigkeit in mein Bett ziehen konnte.

Dennoch hatte ich mit ihr die genau gleichen Pläne. Sie hatte mir bereits erzählt, dass sie mit ihrer Familie von Jahrmarkt zu Jahrmarkt ziehen würde. Jerina blieb also nur wenige Tage in der Stadt. Idealer konnte es nicht laufen.

Wir bummelten durch die Stadt, umarmten uns in den kleinen romantischen Gassen und ehe sie sich versah, stand sie in meiner Wohnung.

Jerina genoss die Aussicht auf die große Stadt. Ich umarmte sie. Wie verloren uns.

 

»Ich kann nicht ... ich bin jemandem versprochen ...«, raunte sie in mein Ohr, als ich sie in das Schlafzimmer ziehen wollte.

 

Damit hatte ich nicht gerechnet. Doch so schnell wollte ich nicht aufgeben. Ich wollte sie. Nach ein paar Küssen und sanften Komplimenten, wurde es für sie immer schwieriger, sich mir zu entziehen.

 

»Ich kann nur Dein sein, wenn Du mich auslöst und ich Dir versprochen werde ... Nur dann, wenn wir auf ewig zusammenbleiben ...«, raunte sie verliebt in mein Ohr.

 

»Ich werde Dich auslösen und Dich als meine Frau nehmen!« In diesem Moment war ich so scharf auf sie, dass ich ihr einfach alles versprochen hätte.

 

Jerina wirkte unsicher. Sie hatte Angst. Sobald sie sich mir hingeben würde, käme das einer Sünde gleich. Nur wenn ich ihr ewige Liebe schwören würde und sie sich meiner sicher wäre ... Ich wusste aus ihren Erzählungen, dass sie aus einer Zigeunerfamilie stammte. Sie erzählte mir, dass ihre Heirat mit einem Mann aus einer anderen Familie schon so gut wie sicher sei. Wäre sie dann keine Jungfrau mehr, würde man sie verstoßen.

Ich fühlte ihre Unsicherheit, aber ich spürte auch meine Lust. In der Hitze meiner Erregtheit versprach ich ihr alles, was sie nur wollte.

 

 

Die Nacht, die wir gemeinsam voller Intimität verbrachten, war wunderschön. Der Sex war so voller Magie, dass wir uns fast die ganze Nacht liebten und danach fertig und mit Liebesperlen übersäht zusammen einschliefen. Ich liebte ihren perfekten, zarten Körper. Jerina fühlte sich wohl. Sie ließ sich fallen und schenkte mir das, wonach ich begehrte. Sie blieb das ganze Wochenende bei mir. Erst am Montag schickte ich sie fort. Sie verstand mich nicht. Ihre Augen wirkten traurig. Erst wollte ich ihr Geld geben, doch ich bemerkte schnell, dass sie das ablehnen würde. Also versprach ich ihr, mit ihrer Familie zu reden und das zuvor Versprochene umzusetzen. Als sie ging, hatte ich längst vergessen, was ich ihr versprochen hatte.

In den kommenden Tagen saß ich in meinem Home-Office und machte das, was ich am besten konnte. Jerina hatte ich bereits vergessen. Doch am Donnerstag klingelte es an meiner Tür. Sie stand vor mir. Ihre Augen wirkten verloren, sie schien blass zu sein. Sie drängte mich dazu, mit ihrer Familie zu reden. Ich lehnte ab.

 

»Jerina, bist Du so naiv. Wir hatten ein paar schöne Tage. Es hat uns beiden doch gut gefallen. Aber mehr ist da nicht!«

 

»Aber Du hast mir versprochen, dass ich Deine Frau werde!«

 

»Sei doch nicht so dumm. Wie viel Geld willst Du, damit Du verschwindest?«

 

In diesem Moment brach sie zusammen, weinte und jammerte. Ich kramte in meiner Brieftasche und warf ihr ein paar Hundert Dollar auf den Boden.

 

»Warum hast Du das getan?« Sie schaute mich vorwurfsvoll an.

 

»Du wolltest es doch auch?« Ich verstand das Problem nicht. Wir hatten Sex und fertig.

 

»Nun verschwinde ...«, grummelte ich ihr zu.

 

Sie schaute mich an, als würde die Welt untergehen. Sie schrie wie eine Furie und fluchte. Minutenlang. Anschließend rannte sie einfach fort und ließ das Geld auf dem Boden liegen. Danach hatte ich Jerina nie wieder gesehen. Der Jahrmarkt verschwand aus der Stadt und damit auch sie.

 

 

 

Die nächsten Wochen liefen wie im üblichen Rhythmus. Ich arbeitete, machte Geld und hatte Erfolg. An Jerina hatte ich nur einmal kurz gedacht. An den Wochenenden suchte ich wieder nach dem gewissen Kick. Die Bars und Clubs gaben dafür immer wieder neues Frischfleisch her. So viele junge Frauen zog es in diese Stadt. Sie alle hofften auf eine Karriere im Showgeschäft oder darauf, sich einen reichen Mann zu angeln. Und sie alle wussten, dass sie dafür Opfer bringen mussten. Für mich war dieser Sündenfall ein richtiger Glücksfall. Die Namen kamen so schnell, wie sie wieder gingen. Emma, Sophia, Scarlett, Leslie ... sie alle waren bildhübsch, jung und sorgten für meinen Kick.

Es gab Zeiten, da fragte ich mich, wieso ich keine Liebe empfinden konnte. In jeder dieser Frauen sah ich nur eins. Einen willigen Körper, schneller Sex und ein paar Stunden der Sünde. Alles andere interessierte mich nicht. Ich sah mich persönlich nie als ein Ehe- oder gar Familienmensch. Kinder konnte und wollte ich mir nicht vorstellen. Das Einzige was ich damit verband, war Krach und Ärger. Solange ich Erfolg hatte, wusste ich, dass ich meinen Kick jederzeit befriedigen konnte.

 

 

Die Zeit verging. Der Winter kam. Hier in Los Angeles sackten die Temperaturen aber selbst im Winter nie unter 15 Grad am Tag. Dabei erschien der Weihnachtsbaum, der in manchen Häusern bereits ab Mitte Dezember stand schon beinahe kitschig. Mitten bei fast 22 Grad strahlten die Tannen mit ihren Lichtern in der Dunkelheit. Einzig die bunt geschmückten Shoppingmalls mit den riesigen Tannenbäumen und den tausenden von weihnachtlichen Ornamenten beeindruckten mich gelegentlich.

Ich hingegen verzichtete auf diese Tradition. Meine Eltern, die bereits vor vielen Jahren verstorben waren, gaben mir an Weihnachten meine Geschenke, eingepackt in einer der Supermarkt-Plastiktüten. Die himmlische Atmosphäre dieser Tage kannte ich daher nur aus Filmen und Erzählungen.

Es war aber zugleich die Zeit, in der ich meinen Jagdinstinkt vorübergehend einstellen musste. Über die Feiertage fanden sich in den wenigen Bars, die noch geöffnet waren, nicht wirklich lohnende Ziele. Für mich waren es daher die Tage, die ich nutzte, um meine Steuer vorzubereiten und meine Unterlagen aufzubereiten. Ich stellte mich auf ein paar langweilige Feiertage ein. Nicht einmal die Börse war an diesen Tagen geöffnet.

 

 

... es war mitten in der Nacht. Der 26.12 hatte erst seit 30 Minuten angefangen. Ich lag dösend in meinem Bett. Es klingelte an meiner Tür. Zunächst dachte ich mir nichts dabei. Ab und zu gab es mal Klingelstreiche. Das war nichts Ungewöhnliches. Selbst zu Zeiten mitten in der Nacht. Manchmal waren es Kinder oder Betrunkene, die seelenverloren in den Gassen herumirrten.

Nach einem weiteren Klingeln verstummte der Ton und ich döste wieder ein. Doch kurz danach, nicht einmal 15 Minuten waren vergangen, schreckte ich wieder auf. Es pochte an meiner Tür. Wer zum Teufel konnte das sein?

Das Pochen wurde zu einem lauten Hämmern, das wie ein Schrei durch meine Glieder zog. Für einige Sekunden war ich voller Schreck erstarrt. Ich griff nach meinem Revolver und näherte mich langsam der Eingangstür.

Als ich vorsichtig den digitalen Türspion aktivierte, konnte ich auf dem Monitor außer Dunkelheit nichts erkennen. Normalerweise liefert die Cam auch in der Nacht ein zumindest schwammiges Bild. Doch in jener Nacht sah ich nur die Dunkelheit. Nicht einmal die Umrisse vom Flur oder dem Tisch, der dort stand, ließen sich erkennen. Ich stutzte ... Das Klopfen hatte ohnehin nachgelassen.

Ich wollte gerade zurück ins Schlafzimmer, als es erneut heftig zweimal gegen die Tür schlug. So kräftig, als wollte jemand die Eingangstür einschlagen. Mit einer gewissen Beklemmnis schaute ich erneut auf den Monitor. Nur die reine Dunkelheit war wieder zusehen. Eine Schwärze, die so bedrohlich wirkte und keinen einzigen Blick zuließ.

 

»Wer ist da? Ich habe eine Knarre!« Rief ich leicht verängstigt durch die geschlossene Tür.

 

Niemand antwortete, keine Geräusche waren zu hören. Zögerlich öffnete ich die Tür. Für einen kurzen Moment schien es so, als würde die Dunkelheit in meine Wohnung ziehen. Als die Tür ganz offen stand, konnte ich bis weit in den Flur sehen. Die Schwärze hatte sich gelöst. Ich sah niemanden. Alles war ruhig. Hatte ich vielleicht nur geträumt?

In dem Moment, als ich die Tür wieder schließen wollte, sah ich etwas auf dem Boden liegen. Erst als ich mich bückte, erkannte ich eine verwelkte Blume, die wie eine Träne wirkte. Ich versuchte, danach zu greifen, doch sie fiel einfach auseinander. Meinen Revolver hatte ich immer noch fest in der Hand.

Mir gefiel das Ganze nicht. Ich schloss die Tür und blickte noch einmal durch den Monitor, der nun wieder alle Umrisse anzeigte. Mit einem komischen Gefühl ging ich zurück ins Bett.

Ich lag noch nicht ganz, da hörte ich ein komisches Geräusch. Eine Art dumpfen Schritt, als würde jemand über den Boden schleifen. Eine Art Schlurfen, das aus der Ferne immer näher kam und in mir eine unglaubliche Beklemmnis auslöste. Ängstlich griff ich erneut zu dem Revolver.

Ich durchsuchte die ganze Wohnung, konnte aber keinen Hinweis auf eine andere Person vorfinden. Erst als ich wieder in meinem Schlafzimmer stand, durchfuhr mich die Angst, wie ich sie noch nie zuvor erlebt hatte. Auf dem Boden war wieder jene vertrocknete Blume zu finden und daneben ein paar rote Spitzer, die wie Blut wirkten.

Hatte ich zu viel gearbeitet, spielte mein Verstand verrückt? Ich konnte mir das nicht erklären.

In diesem Moment hörte ich erneut Geräusche. Sie kamen aus meinem Büro. Als ich die Tür zu meinem Arbeitsraum aufstieß, mein Revolver fest in der Hand lag, war da wieder diese Dunkelheit. Diese Schwärze, die nichts, absolut nichts, freigab. Es dauerte fast zwei Minuten, bis ich nach und nach die Konturen meines Schreibtisches wahrnehmen konnte. Eine unangenehme Kälte durchzog mich in jenen Augenblicken.

Ich war nicht alleine. Auf meinem Stuhl saß jemand. Noch immer konnte ich nur die Umrisse sehen, aber nicht erkennen, wer da saß.

 

»Ich habe einen Revolver. Zeigen Sie sie sich! Ich schieße sonst!«

 

Die fremde Person erhob sich. Ganz langsam. Ich wich zurück und zielte mit dem Lauf meines Revolvers. Erst jetzt bemerkte ich, dass die unbekannte Person von der Dunkelheit umgeben war. Wie ein Schatten haftete die Schwärze an dem Fremden.

 

»Wer sind sie, was wollen Sie hier?« Meine Stimme klang unsicher und mein Finger lag zitternd auf dem Abzug.

 

Die Person bewegte sich nicht. Doch plötzlich hallte ein schrilles Kichern zu mir rüber, das mich vor Entsetzen erstarren ließ. Auf einmal ging alles ganz schnell. Die Schwärze löste sich auf. Irgendetwas schubste mich, ich verlor den Halt, fiel zu Boden und verlor den Revolver.

Als ich hochblickte, erkannte ich eine Frau. Sie hatte lange, gewellte Haare und stank aus dem Mund. Ihr Atem roch wie der Tod. Sie schaute mich an. Ihre Augen waren so dunkel, dass sie gleichsam abstoßend wirkten.

Ich wich zurück, bis zur Wand. Sie kam immer näher. Sie ließ ein paar vertrocknete Blumen zu mir runter fallen und neigte sich zu mir. Erst jetzt konnte ich ihr Gesicht besser erkennen. Die Fremde war uralt, ihr Gesicht wirkte wie eine grässliche Schreckensgestalt, die immer noch schaurig kicherte.

 

»Was willst Du? Geld?« Ich dachte zunächst, es sei eine Einbrecherin.

 

»Geld?« Die Frau kicherte wie verrückt. Ein solches Kichern hatte ich noch nie gehört. Es drückte sich in meinen Körper und verursachte dort ein schmerzhaftes Kribbeln.

 

Ich hatte in diesem Moment so viel Angst wie nie zuvor. Sie kniete vor mir. Die alte Frau, mit ihren zahlreichen Narben und Falten im Gesicht, schaute mich nun direkt an. Mit jedem weiteren Kichern drang ihr verfault stinkender Atem zu mir. Der Gestank raubte mir beinahe die Luft. Ich wollte mich wegdrehen, doch ihre knochigen Finger ergriffen meinen Kopf. Sie schaute mir direkt in die Augen. So tief, dass ich glaubte, die Schwärze würde in meine Seele ziehen.

 

Sie summte meinen Namen: »Schau mich an Brad ... Brad ...«

 

Die Angst in mir pochte wie verrückt. Woher kannte sie meinen Namen, was wollte sie? Das Kichern verstummte. Die alte Frau spuckte mich kräftig an. Ihr stinkender Sabber landete in meinem Gesicht und brannte sich wie Säure ein.

Sie schaute mich mit ihren dunklen Augen der Hölle an und sprach laut in einer Sprache, die ich nicht kannte. Ihre Stimme wurde immer lauter, bedrohlicher und jedes Wort landete wie ein schmerzvoller Eiszapfen in meinem Körper.

 

 

Te del o beng ande tute.

 

Marel ći bax o khul.

 

Te ćernol ćo mas pas tu!

 

 

(Übersetzung Romani-Fluch: Der Teufel soll in Dich fahren. Scheiße soll Dein Glück erschlagen. Das Fleisch soll von Dir runterfallen.)

 

 

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Akaya Black
Tag der Veröffentlichung: 04.05.2019
ISBN: 978-3-7487-0310-5

Alle Rechte vorbehalten

Widmung:
Gewidmet der Hexe Akaya, die im Jenseits auf ihre Rückkehr wartet ...

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