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Sandra und der Baum

 

 

Von Bäumen und Büchern geht für viele Menschen eine starke Faszination aus.

 

Legen Sie sich im Sommer unter einen schattigen Baum, schließen Sie die Augen, und lassen Sie Ihre Seele wandern.

Oder setzen Sie sich in Ihren Lieblingssessel, lesen Sie ein gutes Buch, und lassen Sie sich in eine fiktive Welt entführen, die der Autor für Sie geschaffen hat.

Das ist die Magie, die ich meine.

 

Auch die siebzehnjährige Sandra schien diesem Zauber verfallen zu sein.

Ein Seelenklempner würde Sandras Leseleidenschaft vielleicht als Flucht in eine Scheinwelt bezeichnet haben. In eine Welt, die ihr das gab, was das reale Leben ihr bisher verweigerte. Doch es war ihre Welt und ihr Leben - und sie war zufrieden damit. Niemand hat das Recht einen Menschen zu kritisieren, nur weil er sein Leben ein wenig anders lebt, als andere. Und wenn dieses Leben einen anderen Verlauf nimmt, als eines, das als normal angesehen wird - Geburt, Hochzeit, Kinder, Enkel, Friedhof - gibt dieser Umstand niemandem das Recht, mit Fingern auf diese Person zu zeigen.

 

Wenn sich Sandra ihre blaue Stofftasche mit der aufgestickten Sonnenblume über die Schulter hing, brauchten ihre Eltern längst nicht mehr zu fragen, was sie vorhatte. Seit fast einem Jahr tat sie dies beinahe jeden Tag. Außer einer Krankheit, konnte sie nur eine Sintflut oder ein Blizzard davon abhalten, ein Buch und eine Flasche Wasser in diese Tasche zu tun, zu ihrem Lieblingsplatz zu gehen und die Tür ihrer unsichtbaren Trutzburg von innen abzuschließen.

 

Sandras Eltern waren nicht glücklich darüber, wie sich ihre Tochter verändert hatte. Früher war sie ein fröhliches Kind, das in der Schule gute Leistungen zeigte und danach eine Lehre begann. Doch Sandras Unbeschwertheit nahm ein jähes Ende, als Christian starb.

 

Christian war ein Jahr älter als Sandra. Sie waren seit sechs Monaten ein Paar, als Christian aus ungeklärten Gründen, aus dem Flurfenster des obersten Stockwerkes des Wohnhauses sprang, in dem er mit seinen Eltern lebte.

Weder Christians Eltern, noch seine Freunde und schon gar nicht Sandra, fanden eine plausible Erklärung für seine Tat. Ein Fremdverschulden schloss die Polizei aus.

 

Der Pfarrer hatte bei der Beerdigung gesagt, dass die geheimsten Gedanken eines Menschen, oft gerade denjenigen verborgen bleiben, die glauben, ihn besonders gut zu kennen. Das war für die Hinterbliebenen und insbesondere für Sandra natürlich kein Trost. Aber es war und ist die Wahrheit. Und die, das hatte Christians Tod seiner Freundin Sandra auf grausame Weise klar gemacht, kann brutal und schmerzhaft sein.

 

Sie verlor nach diesem Ereignis jegliches Interesse an ihrer Arbeit und an ihrem Freundeskreis. Sie ging nicht mehr aus und wollte niemanden sehen. Um ihrer Mutter einen Gefallen zu tun, ging sie zum Hausarzt, der sie mit einer Überweisung zu einem Psychotherapeuten entließ. Dieses Blatt Papier hatte sie auf dem Nachhauseweg an der Bushaltestelle zerrissen und in den Papierkorb geworfen.

 

„Ich bin nicht verrückt“, antwortete sie auf die Vorwürfe ihrer Mutter. „Lasst mich einfach nur in Ruhe.“

 

Als ihre Mutter bemerkte, dass Christians Foto verschwunden war, das in Sandras Zimmer neben ihrem Bett stand, wusste sie nicht, ob sie dies als gutes oder schlechtes Zeichen werten sollte. Ihr fiel auf, dass Sandra ihren Freundschaftsring nicht mehr trug, und dass die Geschenke Christians, im ganzen Hause unauffindbar waren. Sie kämpfte tagelang mit sich, ob sie ihre Tochter darauf ansprechen sollte. Als sie es endlich wagte, war Sandras Antwort: „Ich werde Christian nie vergessen - aber auch nicht das, was er mir angetan hat.“

Es war dies das letzte Mal, dass sie mit ihrem einzigen Kind über dieses Thema gesprochen hatte.

 

Sandra wurde Stammkunde in den Leihbüchereien der umliegenden Nachbarorte und schloss sich nach Feierabend in ihrem Zimmer ein. Solange, bis sie die alte Holzbank auf der Anhöhe als idealen Platz entdeckte, um ungestört zu sein.

Sie nahm stets denselben Weg. Durch die Hoftür ging sie querfeldein den Hügel hinter ihrem Elternhaus hinauf. Oben, auf dem Gipfel stand die Bank.

Wenn im Sommer das Gras hoch war, nahm sie ihre Schuhe in die Hand.

Die Gräser und Blumen streichelten ihre nackten Beine. Sie wirkte zerbrechlich, mit ihren dünnen Gliedern und ihrer blassen Haut. Die dunkelblonden Haare fielen um ein hohlwangiges Gesicht und reichten ihr bis auf die Schultern.

Auf halber Höhe erreichte sie einen Trampelpfad, der sie auf weniger steilem Weg bis zum Ziel ihres täglichen Ausfluges brachte: eine alte Bank, deren Holz, von Wind und Sonne grau und rissig geworden, an die Haut eines Elefanten erinnerte. Sie setzte sich, trank einen Schluck Wasser, und begann zu lesen. Ohne einen Blick hinunter auf ihr Dorf zu verschwenden, begab sie sich auf eine Reise in die Welt der großen Gefühle ihrer Liebesromane.

Die Bank stand unter einer uralten Eiche, deren Anblick dem Betrachter einen Eindruck von Stärke, Frieden und Schutz vermittelte. Wenn der Wind mit den tausend Blättern in der mächtigen Krone spielte, schien er das Glück mit Sandra zu teilen. Die knorrigen Äste hielten wie eine schützende Hand alle bösen Geister von ihr fern.

 

Der Herbst war in jenem Jahr außergewöhnlich warm. Die Luft roch nach Erde und Gewitter. In der Ferne war ein leises Grollen aus dunklen Wolken zu hören. Sandra war in ihr Buch vertieft. Der Wind hatte an Stärke zugelegt. Er rüttelte an den Ästen des Baumes wie ein übermütiges Kind am Gartentor. Gedankenverloren strich Sandra sich die Haare aus dem Gesicht, als sie einen Schatten bemerkte. Nichts, das ihre Aufmerksamkeit hätte hervorrufen können, denn im Laufe des Tages kamen immer wieder Spaziergänger an diesem Platz vorbei. Der Schatten kam näher und setzte sich neben sie. Auch das war im Grunde nichts Besonderes, da es hin und wieder vorkam, dass ein Dorfbewohner auf seinem Spaziergang den Versuch unternahm, das arme Ding in ein Gespräch zu verwickeln und aufzuheitern. Doch diesmal war es anders. Der Besucher blieb stumm.

Eine unbewusste Mischung aus Überraschung und Neugier ließ Sandra einen Blick auf ihren Banknachbarn werfen. Sie sah einen ihr unbekannten Mann in einer ungewöhnlichen Kleidung, der sie mit seinen dunkelgrünen Augen schweigend anlächelte. Sie war erstaunt, fast erschrocken, aber es war keine Angst in ihr. Im Gegenteil. Während der Sekunden des stummen Blickkontaktes erwuchs in Sandra ein Gefühl der Vertrautheit. Zum ersten mal seit ewiger Zeit, fühlte sie eine befreiende Heiterkeit in sich aufsteigen, die ihr ein Lächeln entlockte.

 

Als er seinen lindgrünen, zylinderartigen Filzhut vom Kopf nahm, erfasste ein Windstoß die langen Haare des Mannes. Sie wirbelten um sein sonnengebräuntes Gesicht wie lodernde, schwarze Flammen. Sandra beobachtete ihn mit offenem Mund und staunenden Augen. Er hatte seinen Arm über die Rückenlehne gelegt und die Beine übereinander geschlagen.

 

„Hallo, Sandra“, sagte er. „Schön, dass du mich bemerkt hast. Ich dachte schon, du wolltest mich nicht sehen.“

Er lächelte, aber seine Stimme klang hart und rau, als wäre er erkältet.

„Hallo“, antwortete Sandra und zog die Augenbrauen hoch. „Wieso sollte ich dich nicht sehen wollen? Ich kenne dich doch gar nicht.“

 

Ihr Blick wanderte an ihm hinab und wieder zurück. Sie hatte seltsamerweise das Gefühl, den Fremden in dem altmodischen, braunen Gehrock und den grünen Hosen schon lange zu kennen.

 

„Ah“, sagte er und ließ ein hölzernes Lachen ertönen. „Du kennst mich schon lange.“

 

Er stand auf und stellte sich mit ausgebreiteten Armen vor Sandra hin. „Heute heiß ich Hans im Glück, weil ich heute das Glück habe, mit dem schönsten Mädchen im Ort reden zu dürfen.“ Dabei wirbelte er einen schwarzen Wanderstock mit silbernem Knauf so geschickt, dass ein leises Summen zu hören war.

 

Sandra musste über die ungewöhnliche Vorstellung lachen. Das erste mal seit langer Zeit, brachte es ein Mensch fertig, sie von Herzen lachen zu lassen.

Noch dazu einer, der aussah, als wäre er einer anderen Welt entsprungen.

 

„Heute bist du Hans im Glück?“ fragte und ließ sich auf das Spiel ein. „Und wer bist du morgen und übermorgen?“

 

Er setze sich wieder zu ihr. „Ich bin Hans im Glück, wenn ich glücklich bin und Paulchen Pech, wenn ich traurig bin“, sagte er und schaute Sandra schelmisch an.

 

„Ich kenne dich trotzdem nicht“, sagte Sandra. „Und wieso hast du so komische Klamotten an?“

 

Er schaute überrascht und fragte: „Was meinst du mit Klamotten?“

 

„Du bist wirklich nicht von hier! Ich meine deine Kleidung. Trägt man so was, dort wo du herkommst?“

 

Er sah an sich herab. „Ich hab nichts anderes. Spielt es eine Rolle für dich, wie jemand angezogen ist?“

 

„Nein, eigentlich nicht.“ Sie hatte ihr Buch zugeklappt und blickte in den Himmel. Die Gewitterwolken waren jetzt über dem Hügel angekommen, und die ersten Tropfen fielen ihr ins Gesicht. Der Gewitterwind hatte die warme Luft verscheucht und sie begann zu frieren.

 

„Ich gehe jetzt lieber nach Hause“ rief sie dem Fremden zu. Das Donnergrollen übertönte fast ihre Stimme.

 

„Schade“ sagte der Mann, stand auf und machte eine Verbeugung. „Darf ich dich morgen wieder besuchen?“, rief er Sandra nach, die bereits den Hügel hinunter lief.

 

Er hörte keine Antwort. Er sah nur, dass Sandra den Arm hob und winkte, ohne sich umzudrehen.

 

In der folgenden Nacht, hatte Sandra schlecht geschlafen. Absurde Träume von Bäumen und grünen Männchen ließen sie mehrmals erwachen.

Dann musste sie immer wieder über diesen merkwürdigen Fremden nachdenken. Sie konnte sich keinen Reim darauf machen, was seine komische Kleidung und sein Gerede von Hans im Glück bedeuten sollten. Aber je länger sie über ihn nachdachte, umso mehr freute sie sich darauf, ihn am nächsten Nachmittag wieder zu sehen.

 

Der Nachmittag kam, und es war wie immer. Die Sonne hatte über Nacht den Kampf mit den Gewitterwolken gewonnen, und ein warmer Wind spielte mit den Blättern der Eiche.

Sandra saß schon über eine Stunde auf der Bank und keine Menschenseele war weit und breit zu sehen. In dem grünen Wiesenteppich um sie herum, gaben ihr ganze Heerscharen von Grillen ein Konzert, das nur ab und zu vom Gezwitscher einiger Amseln in der Baumkrone begleitet wurde.

Sie wurde unruhig, denn insgeheim brannte sie darauf, den Fremden wiederzusehen. Sandra blickte sich zaghaft um, doch sie war allein. Sie tat einen tiefen Seufzer und versuchte, sich wieder auf ihr Buch zu konzentrieren.

Im gleichen Augenblick hörte sie die raue Stimme des Mannes wieder, an den sie die ganze Zeit denken musste.

„Guten Tag, schöne Sandra! Ich freue mich, dich zu sehen.“

 

Sandra zuckte zusammen, und beinahe wäre ihr das Buch heruntergefallen. „Musst du mich so erschrecken?“, raunzte sie ihn an, was ihr im gleichen Moment schon wieder leid tat.

 

„Oh, ich bin untröstlich. Das lag nicht in meiner Absicht“, antwortete er reumütig. „Verzeih mir.“ Er setzte sich und hauchte einen Kuss auf ihre Hand.

 

Diese Geste brachte Sandra vollends aus dem Konzept. Bei der Berührung ihrer Hände durchlief ihren Körper eine wohltuende Wärme. Ein Gefühl von tiefer Vertrautheit und Nähe stellte sich ein. Sie wollte etwas sagen, doch ihre Gedanken waren so konfus, dass sie nichts vernünftiges heraus brachte.

„Ich habe mich halt nur erschrocken, weil du so plötzlich neben mir warst.

Wie machst du das?“, sagte sie. „Bist du ein Kollege von David Copperfield?“

 

Er hielt immer noch ihre Hand und rutschte etwas näher und zog erstaunt die Augenbrauen hoch. „David... wer? Eine Person dieses Namens kenne ich nicht.

Ich bin Hans im Glück! Das weißt du doch.“

 

Sandra fühlte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss. Ihr Blick blieb an seinen grünen Augen haften, als hätte er sich dort festgesaugt. Ihr Herz pochte in den Schläfen, als er seinen Arm um ihre Schulter legte und seine Lippen ihren Mund berührten. Noch nie, seit Christians Tod, war ihr ein Mensch so nahe gekommen. Sie hatte in diesem Augenblick das Gefühl, nach einer endlos scheinenden Reise, endlich am Ziel angekommen zu sein. Ein schöner Traum, den sie nie zu träumen gewagt hatte, schien sich zu erfüllen.

 

Der warme Abendwind bewegte die tiefhängenden Äste der alten Eiche, sodass sie wie eine streichelnde Hand, Sandras Kopf berührten. Während sie diese Sekunden des Glücks genoss, rührte sich in der hintersten Ecke ihres Herzens ein winziger Funke aus Angst und Misstrauen, und machte sich auf den Weg zu ihrem Gehirn.

 

Sandra löste sich mit einer heftigen Bewegung aus der Umarmung des Mannes. „Ich denke, ich gehe jetzt besser“, sagte sie mit dem Anflug einer trotzigen Entschlossenheit.

 

„Aber Sandra, wir haben doch nichts Unrechtes getan“, entgegnete der Fremde, dem die Verwunderung ins sonnengegerbte Gesicht stand.

 

Doch Sandra hatte ihre Tasche schon über die Schulter gehängt und marschierte mit gesenktem Kopf und ohne ein Wort der Erklärung den Hügel hinunter.

 

„Sandra! Hör doch! Ich warte morgen wieder auf dich! Ich liebe dich!“, rief er ihr nach. Doch sie reagierte nicht und setzte kommentarlos ihren Weg fort.

 

In den nächsten beiden Tagen ging Sandra nicht zu der Bank. Der kleine Funke hatte sich in ihrem Kopf festgesetzt und tat sein Möglichstes, beachtet zu werden. Sandra kam von der Arbeit und blieb bis zum Abendessen auf ihrem Zimmer.

Sie versuchte, Abstand zu gewinnen, um ihre Gedanken zu ordnen.

Aber kann man das, wenn man frisch verliebt ist?

Ihre Mutter wunderte sich, dass ihre Tochter, trotz des schönen Wetters, zu Hause blieb. Aber sie traute sich nicht, Sandra darauf anzusprechen. Sie hoffte so sehr, dass dies ein gutes Zeichen sei.

 

Es ist verrückt, dachte Sandra, als sie an ihrem Fenster saß und zum Hügel hinauf schaute. Ich weiß nicht, wer er ist. Obwohl ich das Gefühl habe, dass wir uns seit Ewigkeiten kennen. Als hätte ich schon immer auf ihn gewartet. Er sieht aus, als käme er aus einer anderen Welt. Und doch fühle ich, dass das auch meine Welt ist. Aber wo kommt er her? Wo war er die ganze Zeit? Wieso ist er immer so plötzlich da, ohne dass ich sehe, woher er kommt? Aber spielt das eine Rolle? Ich weiß es jetzt ganz genau - ich gehöre zu ihm. Er ist das Ziel und die Erfüllung. Ich weiß es!

 

Am nächsten Tag beschloss Sandra, dass sie ihn unbedingt wiedersehen müsse. Am Nachmittag nahm sie ihre Tasche mit dem Buch und verließ das Haus. Sie ging langsamer als sonst, denn eine innere Stimme fing wieder damit an, unbequeme Fragen zu stellen. Sie setzte sich ins Gras, riss einen Halm ab und drehte ihn nachdenklich um ihre Finger. Nach einer Weile setzte sie ihren Weg fort. Als Sandra endlich an der Bank angelangt war, hatte sie alle Zweifel abgelegt. Es war später als sonst, und sie fragte sich, ob er überhaupt noch auf sie wartete.

 

Sie wollte sich gerade setzen und ihr Buch aus der Tasche nehmen, als sie bemerkte, wie eine Gestalt hinter der alten Eiche hervortrat. Es war Hans.

Er lächelte sie an, und sein gebräuntes Gesicht erschien ihr noch jünger und strahlender als zuvor. Sie musste ihn berühren. Er breitete die Arme aus, und sie umarmten sich, ohne ein Wort zu sagen. Er zog sie sanft hinter den mächtigen Stamm der Eiche und sie küssten sich. Und Sandra wusste, dass sie das Richtige tat.

 

Obwohl dieser Herbst wärmer war, als es dem Durchschnitt entsprach, musste die Sonne jeden Tag etwas früher der herannahenden Nacht weichen.

Ihr goldgelbes Licht überflutete, wie ein stummes Lebewohl, noch einmal den Hügel. Die Krone des Baumes legte behutsam ihren Schatten auf das Paar, das nun in leidenschaftlicher Umarmung nackt über den moosbedeckten Baumwurzeln lag.

Sandra glaubte zu spüren, je näher sie dem Gipfel zustrebte, wie sich die warme Boden auftat, und beide in dem weichen Erdenbett mit dem alten Baum verschmolzen. Und sie wehrte sich nicht dagegen, denn es war gut so.

 

Die Eiche ließ ihre Äste und Zweige bis an ihre Wurzeln hinunter und verbarg mit ihrem Blättermantel, was vor neugierigen Blicken geschützt werden musste.

 

Seit diesem Abend hatte kein Mensch Sandra jemals wiedergesehen.

 

Am Tag darauf, begann der Herbst, seinem Namen alle Ehre zu machen. Sturm und Regen rüttelten an dem alten Baum, bis er sich fügte und seine Blätter fallen ließ. Der Winter kam ins Land, aber der Baum trotzte ihm, wie seit ewigen Zeiten, und erwartete den sicheren Triumph des Frühlings über die dunkle Jahreszeit.

 

Als die ersten warmen Sonnenstrahlen das junge Grün der Eiche trockneten, durchbrach hinter ihrem Stamm, genau an der Stelle, an der ein halbes Jahr zuvor Sandra und Hans ein Paar wurden, ein neuer, kräftiger Trieb den feuchten Boden und reckte sich dem Licht entgegen.

 

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Tag der Veröffentlichung: 11.03.2016

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