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Wie alles begann ...

Nick Wegner, ein Junge von vier Jahren, verlor seine Mutter bei der Geburt. Seitdem lebt er mit seinem Vater in Bad Grimmlingen im Allgäu. Martin Wegner arbeitet als Meister in einem kleinen Produktionsbetrieb in der Kreisstadt Sonthofen. Der 36jährige, alleinerziehende Vater versucht, seinem Sohn alle Wünsche zu erfüllen und verwöhnt ihn dadurch sehr. Nach dem Tod seiner Lebensgefährtin - Nicks Mutter - brach für Martin eine Welt zusammen. Dank des Zusammenhalts in seiner Familie, gelang es ihm jedoch, sein Leben wieder in geordnete Bahnen zu lenken.

Juliane Berger lebt in Burghausen, einem kleinen Ort in der Nähe von Köln. Die 28jährige hat dort Journalismus studiert und ist auf der Suche nach einer Festanstellung. Ihr Freund Tobias Gradewohl kommt nicht damit klar, dass Juliane ihr eigenes Geld verdienen möchte und tyrannisiert sie immer mehr. Nachdem Juliane bei einer Gewaltaktion von Tobias ihr ungeborenes Kind verliert, schafft sie es endlich, sich von ihm zu trennen.

Bei ihrem Urlaub in einem Ortsteil Bad Grimmlingens, trifft Juliane während eines Spaziergangs zufällig auf Martin und Nick. Der bei ihrem ersten Treffen etwas über einem Jahr alte Nick sitzt in einer Sandkiste auf einem Waldspielplatz. Juliane und Martin unterhalten sich und tauschen, als Juliane weitergehen möchte, ihre Handynummern. In den nächsten Tagen treffen sie sich mehrmals und kommen einander näher.

Nach einem Jahr Fernbeziehung findet Juliane einen Job in der Lokalzeitung von Bad Grimmlingen und so zieht sie zu Martin und Nick. Ein weiteres Jahr später beginnen sie mit der Suche nach einem gemeinsamen Domizil, das sie Anfang 2013 beziehen.

Die Zeit vergeht wie im Fluge und schon steht das erste gemeinsame Weihnachtsfest in ihrem eigenen Haus vor der Tür ...

Ein Weihnachtsengel auf Schlittenfahrt

Schneeflocken rieselten in der Nacht leise auf den Boden und verliehen der Welt ein geheimnisvolles Flair. Nach und nach wurden Wege und Pflanzen von einer weißen Decke eingehüllt. Der Wetterdienst hatte für die nächsten Tage noch weitere Schneefälle angekündigt, sodass dies noch nicht alles sein würde.

In Bad Grimmlingen, einem kleinen Ort im Allgäu, stand der 4jährige Nick am frühen Samstagmorgen in Schlafanzug und mit Kuscheltier im Arm in der Schlafzimmertür. Dort zögerte er einen kurzen Moment bevor er laut jauchzend mitten auf das große Bett sprang. Aufgeregt und voller Energie rief er lauthals: "Papa! Juli! Aufstehen! Es hat geschneit!" Dabei rüttelte er an den Schultern seines Vaters Martin und riss gleichzeitig Juliane, Martins Freundin, die Decke weg.

Leise brummend versuchte Juliane ihre Decke zurück zu erobern, hatte aber, ohne die Augen zu öffnen, keine Chance. Gähnend drehte sie sich auf die Seite und blinzelte Nick verschlafen an. Verstohlen warf sie einen Blick auf den Radiowecker: 6:25 Uhr. "Es ist doch noch viel zu früh zum Aufstehen. Komm, leg dich noch was zu uns", versuchte sie Nick zu überzeugen.

"Ich will aber Schlitten fahren", maulte Nick, kuschelte sich aber gleichzeitig zu Martin, der mittlerweile auch wach war, unter die Bettdecke.

Martin warf Juliane einen fragenden Blick zu, sie nickte kurz zur Bestätigung und drehte sich dann auf die andere Seite um noch ein bisschen zu schlafen. "Weißt du, Nick", erklärte Martin. "Im Moment ist es noch viel zu dunkel und damit auch zu gefährlich zum Schlitten fahren. Wir schlafen jetzt alle noch ein bisschen. Nach dem Frühstück packen wir dann deinen Schlitten ins Auto und suchen einen richtig tollen Berg."

Resignierend seufzte Nick leise und murmelte schließlich: "Na gut …" Wenige Minuten später war er mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen eingeschlafen und auch Martin und Juliane fanden noch etwas Schlaf.

 

Gegen acht Uhr war die Nacht dann jedoch endgültig vorbei. Nick hielt nichts mehr im Bett und so blieb auch den Erwachsenen keine Möglichkeit mehr, noch ein wenig zu schlafen.

Leise tapste Juliane in dicken Socken die Treppe herunter, anschließend über die – dank Fußbodenheizung – warmen Fliesen im Flur und bereitete in der Küche das Frühstück für die kleine Patchworkfamilie vor.

In der Zwischenzeit deckten Martin und Nick zusammen den großen, runden Esszimmertisch in der Nische, die direkt ans Wohnzimmer anschloss. Gemütlich saßen sie anschließend um den Tisch, frühstückten, tranken Kaffee oder Kakao und freuten sich gemeinsam auf den bevorstehenden Schlittenausflug.

Juliane liebte den Winter, zumindest solange sie nicht selbst hinterm Steuer eines Autos sitzen musste. Ihr Blick wanderte durch den weihnachtlich dekorierten Raum um schließlich am Fenster zu verharren. Mit verträumtem Blick betrachtete sie die winterliche Landschaft vor dem Haus. Das kleine Häuschen, dass Martin und sie sich im Frühjahr gekauft hatten, lag in Sackgassenlage direkt am Waldrand. Im Sommer konnten sie Nick draußen spielen lassen, ohne dass sie alle fünf Minuten gucken mussten, ob er nicht gerade auf die Straße lief. Doch im Moment war von dem sonst so vertrauten Grün draußen nichts mehr zu sehen. In Gedanken sah sie sich selbst, wie sie mit ihrer jüngeren Schwester Jessica als Kinder über die verschneiten Wiesen getollt war. Ihre Schwester und sie, sie waren einander so nah und doch manchmal so fern.

Ein leiser Seufzer drang aus Julianes Mund und sie strich sich gedankenverloren eine lockige Strähne aus dem Gesicht. Erst Nicks Kichern holte sie in die Wirklichkeit zurück. "Na, du hast ja heute gute Laune", sagte sie grinsend und zwinkerte Nick zu.

"Klar hab ich das! Wir gehen gleich Schlitten fahren." Dann stockte er kurz und blickte Juliane mit großen Augen an. "Du kommst doch mit, oder?"

"Natürlich. Denkst du, ich lass mir eine Schlittenfahrt mit dir entgehen?"

"Nein", lachte Nick und kletterte von seinem Stuhl rüber auf Julianes Schoß. "Ich hab dich lieb", murmelte er leise und kuschelte sich an sie.

"Ich hab dich auch lieb", erwiderte Juliane mit einem seligen Lächeln. Verstohlen wuschelte sie Nick durch seinen blonden Lockenschopf. 'Manchmal sieht er aus wie ein kleiner Engel.'

Nachdem sie ihr Frühstück beendet hatten, wurde blitzschnell der Tisch abgeräumt, damit sie schon bald losfahren konnten.

Nick rannte die ganze Zeit über aufgeregt durch den Flur. Immer wieder klangen Sätze wie "Wo sind die Handschuhe?" oder "Ich find den blöden Schal nicht!" durch die Wohnung.

Irgendwann hatten die drei es dann aber endlich geschafft und es konnte losgehen. Warm eingepackt - Nick in einem molligwarmen blauen Schneeanzug, Martin und Juliane in Skihose und Skijacke - stapften sie den kurzen Weg von der Haustür zur Garage durch knöcheltiefen Schnee. Während Martin die beiden Schlitten im Kofferraum verstaute, schnallte Juliane Nick schon mal an und machte es sich anschließend auf dem Beifahrersitz bequem.

"Wohin sollen wir denn fahren?", fragte sie Martin als dieser das Auto rückwärts aus der Garage fuhr.

"Ich dachte, wir fahren ins Grüblertal. Da gibt's einen super Hang zum Schlittenfahren und zur Not sogar einen kleinen Skilift … falls wir keine Lust mehr haben, den Schlitten immer wieder den Berg hochzuziehen." Konzentriert lenkte Martin den Astra von der Seitenstraße auf die Hauptstraße. Der Schnee knirschte unter den Rädern und als sie um die Ecke bogen, rutschte der Wagen hinten leicht weg.

Nick jauchzte glücklich auf dem Rücksitz und summte leise die Melodie von "Schneeflöckchen, Weißröckchen". Zwischendurch hauchte er die Scheibe an und malte mit dem Finger Strichmännchen auf die beschlagene Stelle. "Wann sind wir da, Papa?"

"Dauert nicht mehr lange, Nick", antwortete Martin grinsend. Er hatte die Frage schon viel eher erwartet und war erstaunt, dass sein Sohn so lange durchgehalten hatte ohne sie zu stellen.

"Du kannst dir ja schon mal überlegen, mit wem du zuerst die Piste nach unten sausen willst", schlug Juliane vor und drehte sich auf dem Sitz so, dass sie Nick ansehen konnte ohne sich den Hals zu verrenken.

"Das ist doch wohl klar. Mit dem, der schneller fährt." Aus Nicks Stimme klang der Brustton der Überzeugung, doch sein Blick wanderte zwischen seinem Vater und dessen Freundin hin und her. Es schien fast so, als würde er abwägen, wer von den beiden wohl schneller fahren würde.

Juliane lachte leise und drehte sich wieder nach vorne. Aus dem Autoradio erklang leise Weihnachtsmusik und untermalte die winterliche Atmosphäre, die draußen an ihrem Auto vorbeizog noch zusätzlich.

 

Eine halbe Stunde später bog Martin auf den bereits gut gefüllten Parkplatz am Ski- und Rodelhang im Grüblertal ein.

Impressum

Verlag: BookRix GmbH & Co. KG

Texte: Jenna Killby
Bildmaterialien: Jenna Killby
Lektorat: Jenna Killby
Tag der Veröffentlichung: 14.07.2015
ISBN: 978-3-7396-0516-6

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