Cover

Eine Idee entsteht

Als Teenager hatte ich einen Traum: ich wollte, wie Hanni und Nanni aus der gleichnamigen Mädchenbuch-Reihe von Enid Blyton (die ich damals förmlich verschlungen habe), in einem Internat zur Schule gehen. In meinen Träumen war es jedoch kein reines Mädcheninternat, sondern ein gemischtes. Allerdings habe ich nie mit jemandem über diesen Wunschtraum gesprochen.

Irgendwann begann ich, diesen Traum in Worte zu fassen. Das Ergebnis war jedoch keine klassische Geschichte; vielmehr hatte sie leichten Drehbuch-Charakter. Aber es machte mir so viel Spaß, dass ich zwischendurch immer weiter geschrieben habe.

Vor einiger Zeit kam mir die Idee, das bisher Geschriebene nach und nach zu überarbeiten und als eBook zu veröffentlichen. Und während ich mir zunächst alles in Ruhe noch mal durchlas, kamen mir weitere Ideen - Passagen, die ich zwischendurch noch einflechten könnte, ebenso wie Ideen für eine Fortführung.

Die Art der Geschichte habe ich bewusst so gelassen, wie sie ursprünglich war. Ob sie beim Leser ankommt, weiß ich nicht - es ist eben doch eher ein Sprung ins kalte Wasser. Doch: "Wer nicht wagt, der nicht gewinnt" - so heißt es im Volksmund - und ich werde es nun wagen, auf diese Art das Projekt eBook anzugehen.

 

Was am Ende dabei rauskommt, werden wir sehen ...

 

Herzlichst

Jenna Killby

Ankunft mit Schrecken

Die 16jährige Jenny ist mit ihren Eltern unterwegs nach München. Dort wird sie ab dem morgigen Montag, genau wie ihr anderthalb Jahre älterer Bruder Lars, ein Internat besuchen. Das ist neu für sie, aber sie hat keine Lust mehr, in ihre alte Schule zu gehen. Vor drei Wochen hat sie ihren Eltern davon erzählt. Max und Michelle waren zwar zunächst irritiert, aber dennoch sofort einverstanden. Die einzige Bedingung war nur, dass sie das gleiche Internat besuchen soll wie Lars. Jenny war begeistert, weil sie sich mit ihrem Bruder sehr gut versteht.

Doch jetzt, nur noch wenige Kilometer vom Internatsgebäude entfernt, ist sie doch ziemlich aufgeregt. Langsam wird Jenny unruhig. Sie zappelt auf dem Rücksitz des Autos hin und her. Am Internat angekom­men, würde sie am liebsten sitzenbleiben. Leicht zögerlich steigt sie dann aber doch aus dem Auto, nimmt ihr Gepäck und geht auf den Herrn zu, der die Treppe vor dem Eingang herunter kommt.

Herr Lorenz: Hallo. Du bist sicher Jennifer Berger. Ich bin Herr Lorenz, der Direktor von diesem Internat.

Jenny: Hallo. Ja, genau. Aber Sie können ruhig Jenny sagen. Sonst denke ich immer, ich hätte was ausgefressen.

Herr Lorenz: (lächelt) Okay. Es freut mich sehr, dass du dich entschlossen hast, genau wie dein Bruder auf unser Internat zu gehen.

Jenny: Ich freue mich auch, dass ich jetzt hier bin.

Herr Lorenz: Dann zeig ich dir erstmal alles.

Jenny: Okay. (verabschiedet sich mit einer Umarmung) Tschüss, Mutti, tschau, Paps. Ich schreib euch bald.

Max: Tschüss, Kleine. Mach’s gut.

Herr Lorenz führt Jenny durch die Haupttrakte des Internats und zeigt ihr die wichtigsten Räume. Plötzlich ertönt ein lauter Gong. Jenny zuckt er­schrocken zusammen.

Herr Lorenz: Das war der Gong zum Mittagessen. Dann gehen wir am besten direkt mal in die Mensa und ich stell dich deinen Mitschülern vor.

Jenny: Gerne. Ich bin echt total froh, die anderen endlich kennenzulernen. Und auch etwas aufgeregt.

Herr Lorenz: Na, dann wollen wir mal.

 

***

Kaum in der Mensa angekommen, richten sich die Blicke ihrer Mitschüler neugierig auf Jenny.

Herr Lorenz: Das ist eure neue Mitschülerin Jennifer Berger. Ich hoffe, ihr nehmt sie gut in eure Gemeinschaft auf. Jenny, setz dich doch bitte zwischen Nico und Sally.

Sally winkt ihr zu. Als Jenny sich zwischen sie und Nico setzt, spürt sie die neugierigen Blicke der anderen förmlich.

Jenny: Hi. (lächelt kurz in die Runde) Wenn ihr Fragen habt, dann schießt ruhig los.

Nico: Wie alt bist du?

Sally: Hast du Geschwister?

Nina: Woher bist du?

Marco: Mit wem kommst du auf ein Zimmer?

Jenny: Bin 16. Ja, einen Bruder. Aus der Nähe von Köln. Keine Ahnung, ich lass mich da mal überraschen.

Nico: Ganz schön schlagfertig, was?

Jenny: Naja, bei meinem Bruder muss man das schon sein. Sonst kommt man nicht gegen ihn an.

Sally: Bist du zufällig mit Lars verwandt?

Jenny: Nur ganz zufällig. Er ist mein Bruder.

Marco: Zufälle gibt's. (lacht) Dann hast du ja wen, der sich anfangs um dich kümmert.

Jenny: Sehr witzig. Glaub mir, ich komm auch alleine klar. (grinst) Bin doch schon groß.

Sie lachen lautstark. Auch die mahnenden Blicke der Lehrer können sie nicht davon abhalten. Doch schließlich fallen sie doch alle über das leckere Mittagessen her.

 

***

Nach dem Essen erkundigt Jenny sich bei einem der Lehrer, in welches Zimmer sie kommt. Anschließend:

Sally: Cool, dass du mit uns in einem Zimmer bist.

Nina: Ja, find ich auch.

Jenny: Ich find’s auch echt genial.

Sally: Sollen wir dir eben beim Koffer auspacken helfen? Die von nebenan kommen nämlich gleich rüber.

Jenny: Von mir aus schon. (fangen an auszupacken) Wer ist denn nebenan im Zimmer?

Nina: Naja, Nico und Marco, die kennst du ja schon vom Mittagessen und dann noch Martin. Der ist genauso drauf wie die anderen zwei. Nur ein bisschen in Acht nehmen solltest du dich schon vor ihm. Er heckt gerne Streiche aus und ist für jeden Scheiß zu haben.

Jenny: Ah, gut zu wissen. Und warum kommen die?

Sally: Die wollen uns zum Schwimmen abholen. Und vorher wollten wir noch eine Runde durch den Park joggen. Aber, da fällt mir ein, hast du dir schon AGs ausgesucht?

Jenny: Nee, ich hab den Zettel vorhin erst bekommen und noch gar nicht geschaut, was alles zur Aus­wahl steht.

Nina: Dann guck doch jetzt mal eben.

Jenny: Lasst mich mal überlegen. Wie viele müssen wir denn nehmen? Oder ist das egal?

Sally: Fünf. Also so, dass du jeden Tag eine AG hast.

Jenny: Aha. Dann nehm ich Schwimmen, Badminton, Tennis, Volleyball und Leichtathletik.

Nina: Na dann mal viel Spaß, du Sportskanone. Da hast du nur zwei verschiedene Lehrer.

Jenny: Oh. Wie sind die denn so?

Sally: Och, eigentlich ganz okay. Du musst nur nett sein.

Jenny: (lacht) Ich werd’s versuchen. Sooo schlimm kann’s ja gar nicht werden.

Sie packen weiter aus, ziehen ihre Sportsachen an und sind gerade fertig, als es klopft und die Tür sofort danach mit Schwung aufgerissen wird.

Nico: Dürfen wir rein kommen?

Sally: Ihr seid doch eh schon halb drinnen. Wir wollten gerade noch kurz mit Jenny zum Stein.

Marco: Warum das denn? Gibt's Probleme?

Nina: Nee, nur Jennys Zettel wegen den AGs abgeben.

Martin: Achso. Dann gehen wir halt mit. Oder spricht eurer Meinung nach was dagegen?

Die drei Mädels gucken sich an und schütteln den Kopf.

Nina: Okay, dann auf. Geh’n wir.

Sie nehmen ihre Sporttaschen und gehen gemeinsam zu dem Büro ihres Klassenlehrers.

 

***

Vor der Tür bleibt Jenny unschlüssig stehen.

Nina: Klopf einfach an. Der müsste eigentlich da sein.

Leicht zögerlich klopft Jenny an die Tür.

Herr Stein: Herein.

Erstaunt blickt Herr Stein von seinem Buch auf, als er die sechs in der Tür stehen sieht.

Herr Stein: Was gibt’s? Ist etwas passiert?

Sally: Nein, warum?

Herr Stein: Weil ihr zu so vielen hier auftaucht.

Jenny: Ich wollte nur den Zettel für die AGs abgeben. Und sie ließen es sich nicht nehmen, mich zu begleiten

Herr Stein: (lacht) Dann gib mir doch mal deinen Zettel.

Jenny reicht Herrn Stein den Zettel.

Herr Stein: Wenn du einen Moment Zeit hast, gucke ich sofort nach, wie deine Chancen stehen.

Jenny: Ja, klar. Kein Problem.

Herr Stein überprüft im Computer, ob in den ausgewählten AGs Platz ist und wendet sich dann wieder an Jenny.

Herr Stein: Okay, Jennifer, da hast du Glück gehabt. Du kannst in alle fünf AGs rein.

Jenny: Super. Danke!

Herr Stein: Nichts zu danken. Kann ich sonst noch etwas für euch tun? Oder war's das schon?

Sally: Mir fällt so spontan nichts mehr ein.

Nina: Höchstens unsere Abmeldung entgegennehmen. Wir wollten eine Runde joggen und anschließend noch in die Schwimmhalle.

Herr Stein: Ist notiert. Viel Spaß euch. Und denkt dran, um viertel vor sieben gibt's Abendessen.

Martin: Ja, natürlich. Wir sind dann mal weg.

Sie verabschieden sich von ihrem Lehrer.

 

***

Nach einer Joggingrunde durch den Park des Internats und zwei Stunden in der internatseigenen Schwimmhalle machen sie sich erschöpft auf den Rückweg. In der Eingangshalle kommt ihnen Sebastian Kehrmann entgegen.

Sebastian: Hi. Du bist doch Jennifer Berger, oder?

Jenny: Ja, warum?

Sebastian: Du sollst sofort zum Direx kommen.

Jenny: Warum das denn?

Sebastian: Keine Ahnung. Aber es wird schon wichtig sein. Dein Bruder ist auch schon unterwegs.

Jenny: Okay. (zu den anderen) Geht ruhig schon mal vor. Ich komm dann gleich nach.

Nina: Alles klar. Komm, gib mir dein Schwimmzeug, dann nehm ich das schon mal mit aufs Zimmer.

Jenny: (reicht Nina ihre Sporttasche) Danke! Bis später.

 

***

Jenny eilt durch die Gänge in Richtung des Büros von Herrn Lorenz. Dort wartet eine böse Überraschung auf sie.

Herr Lorenz: Hallo, Jennifer. Komm rein und setz dich.

Jenny setzt sich auf den Stuhl neben Lars.

Jenny: (zu Lars gewandt) Was ist denn los?

Lars: Keine Ahnung.

Herr Lorenz: Das ist Herr Mertens von der Polizei.

Lars: Ja und? Was hat das jetzt mit uns zu tun?

Herr Mertens: Ihr müsst jetzt stark sein.

Jenny: Warum das denn?

Herr Mertens: Eure Eltern hatten einen Verkehrsunfall.

Lars: (guckt zu Jenny rüber) Was? Ist es schlimm?

Herr Mertens: Ich kann euch leider nicht sagen, wie es genau aussieht. Ich weiß nur, dass es eure Mutter schlimmer erwischt hat als euren Vater.

Jenny: Und was ist jetzt? Können wir zu ihnen? In welchem Krankenhaus sind sie?

Herr Mertens: Im Klinikum Nord in Nürnberg. Zur Zeit könnt ihr nur abwarten und hoffen. Ich glaube, es macht wenig Sinn, wenn ihr euch jetzt in den Zug setzt.

Jenny: Aber ... was ist, wenn sie ... sterben?

Herr Lorenz: Denkt da mal noch nicht dran. Okay?

Lars und Jenny nicken zögernd.

Herr Lorenz: Ich würde vorschlagen, ihr lenkt euch etwas ab. Geht zu den anderen, hört Musik oder lest ein Buch. Sobald ich etwas erfahre, informiere ich euch direkt.

Jenny: Ich mag aber jetzt nicht zu den anderen.

Lars: Wir können ja in den Park gehen. Da haben wir auch etwas mehr Ruhe.

Herr Lorenz: Macht das. Und wie gesagt, sobald ich etwas höre, erfahrt ihr es sofort.

Lars: Okay, danke.

Die beiden gehen langsam in den Park runter. Dort setzen sie sich nebeneinander auf eine Bank und halten sich an den Händen. Die ganze Zeit über sagt keiner von ihnen ein Wort.

 

***

Nach einer Stunde werden sie wieder zum Direktor gerufen. Schnell laufen sie zu dessen Büro und stürzen nach einem kurzen Anklopfen hinein.

Lars: Und? Was ist jetzt? Hat das Krankenhaus sich endlich gemeldet? Gibt es Neuigkeiten?

Herr Lorenz: Eins nach dem anderen. Setzt euch doch bitte erstmal wieder hin.

Jenny und Lars setzen sich auf die Stühle vor dem Schreibtisch ihres Direktors.

Jenny: Was ist denn jetzt? Bitte sagen Sie uns doch endlich, was los ist!

Herr Lorenz: Euer Vater hat angerufen. Er wird voraussichtlich übermorgen schon ent­lassen.

Jenny: Und was ist mit unserer Mutter?

Herr Lorenz: Da kann ich euch leider noch nichts Neues zu sagen. Aber so wie euer Vater vorhin meinte, sind die Nacht und der morgige Tag ausschlaggebend.

Lars: Also sieht’s nicht wirklich gut aus, oder?

Herr Lorenz: Mehr kann ich euch wirklich nicht sagen, tut mir leid. (wirft einen Blick auf seine Uhr) Es gibt ja gleich schon Abendessen. Wollt ihr mit den anderen in der Mensa essen, oder soll ich euch etwas in eure Zimmer schicken?

Jenny: Ich glaub, ich möchte lieber in die Mensa. Das lenkt mich vielleicht was ab.

Herr Lorenz: Okay. Und wie sieht’s bei dir aus, Lars?

Lars: Ich geh auch in die Mensa.

Herr Lorenz: Gut. Dann geht jetzt wieder. Und Kopf hoch, eure Mutter packt das schon.

Sie verlassen das Zimmer. Draußen fassen sie sich an den Händen und gehen Hand in Hand in die Mensa. Die, die nicht wissen, dass die beiden Geschwister sind, tuscheln leise, ob sich die zwei wohl so schnell ineinander verliebt haben. Aber dieser Irrtum ist schnell aus der Welt geschafft.

 

***

Nach dem Abendessen gehen sie alle noch in den Gemeinschaftsraum der jeweiligen Klasse. Obwohl Jenny und Lars keine richtige Lust haben, gehen sie trotzdem mit und versuchen, sich nichts anmerken zu lassen.

Im Gemeinschaftsraum der dritten Klasse herrscht ziemliches Chaos. Die Musik ist auf volle Lautstärke aufgedreht und alle reden lautstark durcheinander.

Klaudia: Kann mal einer die Musik leiser machen?! Man kann sich ja gar nicht konzentrieren!

Martin: Mach sie doch selber leiser!

Nina: (zu Jenny) Vor der musst du dich in Acht nehmen. Die ist ne richtig blöde Kuh und hat an allem was zu nörgeln. Außerdem hat sie die besondere Vorliebe, andere wegen jeder Kleinigkeit zu verpetzen.

Jenny: Okay. Danke für die Warnung. Du, sag mal, wer war eigentlich der Typ vorhin?

Nina: Wen meinst du?

Jenny: Na der, der mir in der Eingangshalle gesagt hat, ich solle sofort zum Direx kommen.

Nina: Achso. Das war Sebastian, unser Schülersprecher. Der geht mit deinem Bruder in eine Klasse. Warum?

Jenny: Ach, nur so.

Sally kommt hinzu.

Sally: Und? Wie gefällt‘s dir hier?

Jenny: Gut. Fühl mich schon fast wie zuhause.

Sally: Na dann ist ja alles perfekt. Leute, macht mal bitte kurz die Musik aus!!!

Martin: Was ist denn los?

Sally: Ich muss euch etwas Wichtiges sagen.

Martin: Okay.

Martin geht zum CD-Player und macht die Musik aus.

Sascha: Hey! Was soll das?

Sally: Seid bitte mal einen kleinen Moment still. Es dauert echt nicht lange. Wie ihr wisst, ist die dritte Klasse jedes Jahr für das Theaterstück bei der Weihnachtsfeier verantwortlich. Wenn also jemand eine Idee hat, was wir spielen könnten, dann sagt mir bitte Bescheid. Okay?

Die anderen nicken zustimmend. Sie überlegen noch eine Zeit lang, kommen jedoch zu keinem endgültigen Entschluss. Um 21 Uhr gehen sie auf ihre Zimmer, da sie gemäß den Internatsregeln um halb zehn im Bett liegen müssen.

 

***

Kurz nachdem Sally, Nina und Jenny in ihren Betten liegen, bemerkt Jenny, dass ihr Tränen in die Augen steigen. Sie schluchzt leise auf und vergräbt ihren Kopf tiefer im Kissen.

Nina und Sally bekommen dies mit. Sie stehen auf und setzen sich auf die Bettkante von Jennys Bett. Unsicher blicken die beiden Mädchen sich an, bevor Nina schließlich leise und beruhigend flüsternd das Wort ergreift.

Nina: Hey, was ist denn los? (legt ihre Hand auf Jennys Schulter) Hast du Heimweh?

Jenny: Nein. Aber ich kann nicht anders. Es kommt auf einmal über mich. Ist nichts Schlimmes.

Sally: Echt nicht? Jenny, warum solltest du eigentlich heute Nachmittag zum Direx?

In dem Moment überkommt es Jenny endgültig. Sie weint los und kann nicht mehr aufhören.

Nina: Komm, irgendwas ist doch.

Jenny: (schluchzt) Unsere Eltern hatten einen Unfall. Paps geht’s schon wieder ganz gut. Aber was mit Mutti ist, kann oder will uns keiner sagen.

Nina: Oh. Das tut mir leid.

Sally: Mir auch. Ich hoffe, deine Mutter schafft’s.

Jenny: Danke.

Nina und Sally umarmen Jenny tröstend und legen sich dann wieder zurück in ihre Betten. Eine gute halbe Stunde später sind sie eingeschlafen.

 

***

Nach einiger Zeit wacht Jenny mit einem unguten Gefühl im Bauch auf. Im ersten Moment weiß sie nicht, wo sie ist, aber dann fällt ihr alles wieder ein. Vergeblich versucht sie, wieder einzuschlafen. Da ihr das jedoch nicht gelingt, steht sie schließlich auf und geht leise raus auf den Gang, um Nina und Sally nicht zu wecken.

Kurz darauf hört sie Schritte, die sich ihr in zügigem Tempo nähern. Erleichtert stellt sie fest, dass es sich dabei nur um Sebasti­an und nicht um einen der Lehrer handelt.

Sebastian: Hey, was machst du denn hier auf dem Gang? Weißt du nicht, dass das verboten ist?

Jenny: Sorry, davon wusste ich nichts. Aber warum läufst du dann noch hier rum?

Sebastian: Ich muss heute Nacht kontrollieren, ob alle in ihren Zimmern sind. Also, was ist los? Warum spukst du mitten in der Nacht durch die Gänge, anstatt wie alle anderen zu schlafen?

Jenny: Ich kann nicht schlafen. Weißt du, ich mach mir solche Vorwürfe.

Sebastian: Und warum? Doch nicht etwa, weil du jetzt hier zur Schule gehst?

Jenny: Doch, genau aus diesem Grund.

Sebastian: Hä? Versteh ich nicht. Dein Bruder hat gesagt, du wärst total froh hier zu sein.

Jenny: Bin ich ja auch.

Sebastian: Also, jetzt versteh ich überhaupt nichts mehr. Kannst du mir das vielleicht etwas genauer erklären?

Jenny: Ich kenn dich doch noch gar nicht. Und normalerweise vertrau ich auch keinem Wildfremden meine privaten Angelegenheiten an.

Sebastian: Oops. Okay, ich bin Sebastian und Schülersprecher des Internats. Aber wenn du mir nicht sagen willst, wie du das gemeint hast, musst du’s auch nicht.

Jenny: Ich weiß nicht. So zwischen Tür und Angel schon mal gar nicht. Ich hab nämlich echt keinen Bock, dass das sonst noch einer mitkriegt.

Sebastian: Okay. Das kann ich verstehen. Sollen wir uns morgen, sagen wir nach der AG, im Park treffen? Da kannst du mir dann alles erklären.

Jenny: (zögernd) Von mir aus.

Sebastian: Nur wenn du möchtest. Ich zwinge dich zu nichts. (zwinkert Jenny zu) Oder wie wäre es, wenn wir in die Stadt gehen? Da stünden die Chancen besser, dass wir unter uns sind und in Ruhe reden können. Außerdem fällt das weniger auf, weil ich schon öfters den Neuen ein paar schöne Plätze in München gezeigt habe.

Jenny: Okay, warum eigentlich nicht? Also nach der AG am Tor? Hmm ... Ich glaub, ich hab morgen Badminton.

Sebastian: Cool. Dann sehen wir uns ja schon vorher. Ich hab auch Badminton. Weißt du was? Ich hol dich vor der AG ab. Was hältst du davon?

Jenny: Hört sich gut an. Aber ich glaub, ich geh jetzt lieber mal wieder ins Bett. Gute Nacht.

Sebastian: Gute Nacht, Jenny. Und versuch noch ein bisschen zu schlafen. Die Nacht ist kurz.

Jenny: (grinst) Ja, Paps.

Sebastian: (grinst ebenfalls) Ich mein ja nur. Und ... es wird schon alles gut werden. Lass den Kopf nicht hängen.

Jenny: Okay, ich werd's versuchen.

Sebastian: Gut. (lächelt) Ach ja, eins noch: Erschreck dich morgen früh nicht zu sehr, wenn der Weckgong ertönt und dich aus dem Schlaf reißt.

Jenny: Oha. Um wie viel Uhr geht der denn los? Beziehungsweise wann müssen wir aufstehen?

Sebastian: Um viertel nach sechs.

Jenny: Ach du dicke Scheiße. So früh? Dann verschwinde ich jetzt aber wirklich.

Sebastian: Dann schlaf gut. Wir sehen uns morgen.

Jenny: Danke, du auch.

Jenny geht zurück in ihr Zimmer. Bereits wenige Minuten später schläft sie tief und feste.

Ein Albtraum wird wahr

Als am nächsten Morgen der Weckgong ertönt, schreckt Jenny aus dem Schlaf auf. Sally und Nina erwachen zur gleichen Zeit. Müde räkeln sie sich noch eine Weile.

Nina: Morgen, Jenny. Gut geschlafen?

Jenny: Geht so. Naja, halt nicht sooo besonders gut.

Sally: Es wird schon werden. Du darfst den Kopf jetzt nicht hängen lassen. Aber jetzt raus aus den Federn, in einer halben Stunde gibt’s Frühstück.

Nina: Stimmt. (gähnt) Warum kann der Unterricht nicht einfach später anfangen?

Sally: Vielleicht, weil wir dann überhaupt nichts mehr vom Tag hätten und nach dem Abendessen mehr oder weniger direkt ins Bett könnten?

Jenny: Bloß nicht! Ein bisschen Freizeit gehört ja wohl dazu. (lacht) Aber gegen ne Stunde länger schlafen hätte ich auch nichts einzuwenden.

Sally steigt aus ihrem Bett und zieht zuerst Jenny und danach Nina die Bettdecken weg.

Sally: Los jetzt! Sonst gibt's gleich kein Frühstück mehr für uns, weil die Jungs schon alles aufgefuttert haben.

Nina: (seufzt) Ist ja schon gut.

Lachend machen sie sich fertig - allerdings nicht, ohne dabei noch etwas weiter zu ulken.

 

***

Pünktlich zum Frühstücksbeginn betreten sie die Mensa, wo sie von den Jungs schon erwartet werden.

Marco: Morgen, ihr drei. Ausgeschlafen?

Sally: Es geht. Und selbst?

Martin: Auch. Achso, Jenny, wenn du willst, kannst du dich nachher in der Klasse neben mich setzen. Ansonsten wäre aber auch noch ein Platz neben Klaudia frei.

Jenny: Okay. Dann setz ich mich neben dich.

Nina: (lacht leise) Na dann viel Spaß. Und pass auf, dass er dir nicht sofort irgendeinen Streich spielt.

Jenny: Danke für die Warnung. So, jetzt hab ich aber echt Hunger. Das sieht ja alles voll lecker aus.

Nico: Ist's auch meistens. Zumindest beim Frühstück und Abendessen kannst du eigentlich immer reinhauen. Nur mittags kommt's immer drauf an, was es gibt - ist halt teilweise einfach Geschmackssache.

Jenny: Ist das jetzt ein dezenter Hinweis, dass es heute Mittag was nicht so Leckeres gibt?

Nina: Das erfahren wir leider erst wenn's soweit ist.

Jenny: Okay. Na dann mal, guten Appetit.

Sally: Danke, dir auch!

Hungrig fallen sie über das leckere Frühstück her.

 

***

Die halbe Stunde Zeit zwischen Frühstück und Unterrichtsbeginn nutzen Jenny, Nina und Sally um in ihrem Zimmer ihre Sachen zusammenzusuchen.

Jenny: Was haben wir heute überhaupt für Fächer?

Nina: Geschichte, Religion, Kunst, Mathe und dann noch zwei Stunden Sport.

Jenny: Ah, okay. Danke.

Nina: Ist doch logo, dass ich dir das sage. Sonst kriegst du hinterher gleich am ersten Tag Ärger, weil du was Falsches eingepackt hast. Und das wollen wir ja alle nicht.

Sally: Genau. Wobei, Jenny kann ja heute noch nichts Verkehrtes einpacken. Oder hast du deine Bücher schon?

Jenny: Nee, noch nicht. Wo bekomm ich die eigentlich? Ich wollte mich da ja schon gestern drum kümmern, aber ihr wisst ja, was dann dazwischen kam.

Sally: Ja, wissen wir. Ich denke, die bringen die Lehrer gleich mit. Ansonsten kannst du bestimmt erstmal bei Martin mit ins Buch gucken. Dann schauen wir nach dem Unterricht, dass du die passenden Bücher bekommst.

Jenny: Alles klar. Danke.

Sally: (wirft einen Blick auf die Uhr) Oha, wir haben schon gleich acht. Lasst uns lieber mal in die Klasse gehen.

 

***

Zeitgleich mit ihnen trifft auch ihr Klassenlehrer ein.

Herr Stein: Guten Morgen. Setzt euch bitte auf eure Plätze. Muss man euch das wirklich jeden Morgen sagen? So langsam müsstet ihr doch mal wissen, wie man sich benimmt. (er wendet sich an Jenny) Hier, dein Geschichtsbuch.

Jenny: Danke.

 

***

Die sechs Unterrichtsstunden verfliegen im Nu, sodass es schon bald Zeit fürs Mittagessen ist. So schnell sie können, eilen alle aus ihren Klassen in die Mensa.

Jenny: Oh nein, ausgerechnet Erbsensuppe!

Nico: Das ist dann so ein Tag, wo es eher Geschmackssache ist. Gerne ess ich die auch nicht, aber es geht.

Jenny: Ich hab noch nie Erbsensuppe gemocht. Aber zumindest ist ein Brühwürstchen dabei.

Sally: Und ein Brötchen gibt's auch für jeden dazu.

Martin: Vergiss den anschließenden Nachtisch nicht.

Sally: (lacht) Wie könnte ich?

Jenny: Dann geht's ja.

Nina: Ja, genau.

Nur mit Mühe bekommt Jenny einen halben Teller Suppe herunter. Zum Nachtisch gibt es Schokoladenpudding und so muss am Ende doch niemand mit halbleerem Magen vom Tisch aufstehen.

Jenny: Wie geht das jetzt eigentlich weiter? Haben wir bis zur AG Freizeit?

Nina: Nein, leider nicht. Wir müssen wieder in die Klassen. Da machen wir dann unsere Hausaufgaben und es ist auch immer einer der Lehrer dabei, den wir bei Problemen oder so fragen können.

Jenny: Aha. Dann sind wir also sogar bei den Hausaufgaben unter Kontrolle?

Sally: So schlimm ist’s nicht. Ist eigentlich immer ganz lustig. Und wer fertig ist, darf auch schon vor dem Ende gehen. Das ist zwar nur eher selten der Fall, aber ab und zu klappt's dann doch mal.

Jenny: Okay, und das geht dann bis drei?

Martin: Nein. Um viertel vor drei ist Ende, damit wir noch Zeit haben, uns für die AGs vorzubereiten.

Jenny: Oje, das hört sich aber stressig an.

Nico: Ach, da gewöhnst du dich schon irgendwann dran. Aber jetzt müssen wir los, die anderen sind bereits alle vom Flur in die Klassen verschwunden.

Marco: Du hast Recht. Beeilen wir uns.

Zügig machen sie sich auf den Weg in die Klasse. Nach einer halben Stunde sind die meisten mit ihren Hausaufgaben fertig und nach und nach leert sich das Klassenzimmer.

 

***

Während Nina und Sally sich direkt auf den Weg in ihre AGs machen, geht Jenny noch auf ihr Zimmer, wo sie sich ihr Sportzeug anzieht. Sie will gerade, den Badmintonschläger unter den Arm geklemmt, das Zimmer verlassen, als es klopft. Jenny öffnet die Tür und schaut direkt in ein Paar strahlendblauer Augen.

Sebastian: (lächelt) Hi, ich bin's.

Jenny: Hi, Sebastian. Jetzt hatte ich doch fast vergessen, dass du mich zur AG abholen wolltest.

Sebastian: Na sowas aber auch. Dann ist ja gut, dass ich mich nicht verspätet habe.

Jenny: Das wäre ja mal echt peinlich geworden für mich. (lacht) Achso, bevor ich's vergesse: danke noch mal für deine Unterstützung heute Nacht. Ich bin echt froh, dass du unser Aufeinandertreffen für dich behalten hast.

Sebastian: Das war doch wohl selbstverständlich. (zwinkert Jenny zu) Also, können wir gehen?

Jenny: Von mir aus kann's losgehen.

Die beiden machen sich auf den Weg zur Sporthalle.

Sebastian: Es bleibt doch dabei, dass wir gleich im Anschluss noch nach München fahren, oder?

Jenny: Von mir aus gerne. Ich bin froh, wenn ich München mal zu Gesicht bekomme.

Sebastian: Ich freu mich auch, hier mal ein bisschen raus zu kommen. Weg von dem Trubel.

Jenny: Ist es so schlimm, wenn man länger hier ist?

Sebastian: Das nicht gerade. Aber trotzdem fällt einem so dann und wann mal die Decke auf den Kopf.

Jenny: Hmm, okay. Hier kannste dich natürlich nicht einfach mal zurückziehen, wenn du deine Ruhe haben willst.

Sebastian: Genau. Wobei ich es mit deinem Bruder als Zimmergenossen ganz gut getroffen habe. Wenn einer von uns mal seine Ruhe braucht, zieht der andere sich zurück.

Jenny: (erstaunt) Seid ihr nur zu zweit im Zimmer? Hat Lars ja gar nichts von erzählt.

Sebastian: Eigentlich haben wir auch ein Dreierzimmer. Aber unser ehemaliger Zimmergenosse hat zum Schuljahresende das Internat verlassen. Könnte aber sein, dass Mirco demnächst zu uns rüber zieht.

Jenny: Mirco?

Sebastian: Ja. Achso, den kennst du ja noch nicht. Aber du wirst ihn bestimmt bald kennenlernen.

Jenny: Hängt er oft mit euch ab?

Sebastian: Ja, genau. Er ist eigentlich mehr bei Lars und mir als in seinem eigenen Zimmer.

Sie treffen an der Sporthalle ein. Dort beginnt die AG mit einem lockeren Aufwärmprogramm, bevor sie sich in Zweierteams zusammenfinden sollen. Ohne lange zu überlegen, bilden Jenny und Sebastian ein Matchpaar. Die beiden schmettern sich die Badmintonbälle nur so um die Ohren und haben jede Menge Spaß.

Nach einer Stunde ist die AG zu Ende und sie gehen zurück in Richtung des Hauptgebäudes.

Sebastian: Ich sag gleich eben Bescheid. Okay?

Jenny: Okay. Aber ich spring noch kurz unter die Dusche.

Sebastian: Kein Problem, ich auch. Sagen wir, wir treffen uns in einer halben Stunde am Tor?

Jenny: Ja, alles klar. Das passt super.

Sebastian: Okay, bis gleich. Ich freu mich.

Jenny: Ich mich auch. Bis später.

 

***

Jenny geht in ihr Zimmer. Sally und Nina sind ebenfalls da und begrüßen Jenny freudig.

Nina: Hey, Jenny. Und? Wie war’s?

Jenny: Hi, war ganz gut. Bin nur gleich wieder weg.

Sally: Was hast du denn vor?

Jenny: Ich spring jetzt eben unter die Dusche und dann wollte ich gleich noch nach München. Wenn irgendwas sein sollte, ich nehm mein Handy mit.

Sally: Dann geb uns aber noch deine Nummer. Sonst können wir dich ja nicht erreichen.

Jenny: Oh, stimmt. Ich schreib sie euch auf.

Sie schreibt ihre Handynummer auf einen Zettel und reicht diesen Sally.

Sally: Danke.

Jenny: Kein Thema.

Nina: Mit wem gehst du denn nach München? Wir müssen immer mindestens zu zweit sein wenn wir das Schulgelände verlassen. Wusstest du das?

Jenny: Nein, wusste ich nicht. Aber ich hatte auch nicht vor, alleine zu gehen. (zögert kurz) Lars kommt mit.

Sally: Achso, dann ist gut.

Jenny: Ich bin dann mal eben im Bad.

Nina: Okay. Bis gleich.

Jenny verschwindet im Bad.

Nina: Meinst du, sie hat schon irgendwas Neues wegen ihrer Mutter gehört?

Sally: Keine Ahnung. Aber ich denke, dann hätte sie uns bestimmt was davon gesagt.

Nina: Wahrscheinlich hast du Recht.

Sally: Sonst fragen wir sie gleich mal.

Nina: Nee, ich weiß nicht. Nicht, dass sie hinterher noch denkt, wir wollten uns aufdrängen.

Sally: Auch wieder wahr.

Kurz darauf kommt Jenny zurück ins Zimmer.

Jenny: So, ich bin dann weg. Was habt ihr denn vor?

Nina: Nichts Spezielles. Aber dir viel Spaß in München.

Jenny: Danke. Und wie gesagt, wenn was sein sollte ...

Sally: (lacht) Du hast dein Handy dabei.

Jenny: Genau. Bis später dann.

Nina: Bis später.

Sally: Wir sehen uns.

 

***

Ein paar Minuten später kommt sie am Tor an, wo Sebastian schon auf sie wartet.

Sebastian: Da bist du ja. (lächelt) Mit der Erlaubnis ist alles klar. Wir sollen nur zum Abendessen zurück sein.

Jenny: Oh, dann haben wir ja nicht allzu viel Zeit.

Sebastian: Für ein bisschen in Ruhe reden reicht's aber.

Jenny: Auch wieder wahr. Achso, Nina und Sally hab ich gesagt, ich würde mit Lars nach München gehen.

Sebastian: Warum denn das?

Jenny: Weiß auch nicht genau. Müssen ja nicht alle wissen, dass wir zusammen in München sind, oder?

Sebastian: Mir wär’s eigentlich egal. Aber was soll's. Komm, der Bus müsste jeden Moment kommen.

Jenny: Welch ein Glück. (lacht)

Sebastian: Ja, das passt immer ganz gut mit dem Busfahrplan. Zumindest, wenn man nach den AGs nicht noch großartig rumtrödelt.

Jenny: Na dann auf. Nicht, dass wir sonst doch noch zu Fuß gehen müssen.

Sie gehen das Stück bis zur Bushaltestelle. Kurz darauf kommt der Bus und sie sind bereits nach dreißig Minuten an der Haltestelle, wo sie wieder aussteigen wollen.

Zielstrebig schlägt Sebastian den Weg in eine kleine Seitenstraße ein. Als sie vor einem Café stehen bleiben, wirft Jenny Sebastian einen fragenden Blick zu.

Sebastian: Kleiner Geheimtip: Hier geh ich immer hin, wenn ich alleine sein will.

Jenny: Sieht aber echt gemütlich aus.

Sebastian: Drinnen ist's noch gemütlicher. (hält Jenny die Tür auf) Lass uns nach hinten gehen. Da ist es etwas ruhiger als direkt hier vorne.

Jenny: Okay.

Sebastian: Was willst du trinken?

Jenny: Einen Kakao.

Sebastian: Auch noch ein Stück Kuchen?

Jenny: Ich weiß nicht.

Sebastian: Ach, komm schon. Ich hab doch beim Mittagessen gesehen, dass du fast nichts gegessen hast. Kann dich aber verstehen; ich mag auch keine Erbsensuppe.

Jenny: (schmunzelt) Also gut, überredet. Dann nehm ich noch einen Apfelstrudel zu dem Kakao.

Sebastian: Mit Vanilleeis und Sahne?

Jenny: Wenn du schon so fragst, warum nicht?

Sebastian: Okay. Such dir schon mal ein Plätzchen, ich bestell eben und komm dann nach.

Jenny: Okay.

In einer von Efeu umgebenen, leicht abgeschirmten Ecke setzt Jenny sich auf eine Bank und wartet auf Sebastian. Sie sitzt noch nicht lange, als dieser bereits zu ihr kommt und sich auf die Bank ihr gegenüber setzt.

Sebastian: Kakao und Kuchen kommen gleich.

Jenny: Okay. Soll ich dir gleich sagen, warum ich diese Nacht nicht schlafen konnte oder warten wir noch?

Sebastian: Mir ist das egal. Was dir lieber ist.

Jenny: Okay, dann warten wir noch.

Wenig später bringt die Kellnerin Kakao und Apfelstrudel. Nachdem sie wieder weg ist, atmet Jenny tief durch.

Sebastian: Wenn du willst, können wir auch erst essen. Und dann erzählst du mir danach, was dich bedrückt.

Jenny: Nee, lieber jetzt. Dann hab ich’s hinter mir.

Sebastian: Gut. Dann schieß mal los.

Aufmerksam schaut Sebastian Jenny über den Tisch an. Um ihr zu zeigen, dass er für sie da ist, umfasst er vorsichtig Jennys Hand mit seiner und drückt diese leicht.

Sebastian:  Wenn du nicht möchtest, ist auch okay. Ich dachte nur, es würde dir vielleicht gut tun, mit jemandem über das, was dich bedrückt, zu reden.

Jenny: Doch, doch, schon okay. Vielleicht hilft es mir ja wirklich. (holt noch mal tief Luft) Also, als du gestern zu mir gesagt hast, ich müsste zum Direx kommen, bin ich natürlich sofort hin. Lars war auch da und dann noch ein Herr Mertens von der Polizei. Er hat uns dann gesagt, dass unsere Eltern (räuspert sich) einen schweren Verkehrsunfall hatten. Als wir dann später noch mal kommen sollten, hieß es, dass unser Vater wieder fit sei. Aber (zögert) bei unserer Mutter würde die Nacht und der heutige Tag entscheiden. Des­halb konnte ich auch nicht schlafen.

Sebastian: Oh scheiße, das tut mir leid. Hast du denn heute schon irgendwas gehört?

Jenny: Nein. Das ist es ja eben. Diese Ungewissheit macht mich noch ganz wahnsinnig.

Sebastian: Das kann ich mir vorstellen.

 

***

Zur gleichen Zeit sitzen Sally und Nina in ihrem gemeinsamen Zimmer und unterhalten sich.

Nina: Ich bin ja mal gespannt, ob Jenny München gefällt.

Sally: Ja, ich auch. Aber Lars zeigt ihr bestimmt ein paar schöne Fleckchen.

Nina: Könnte ich mir auch vorstellen. Komisch, normalerweise macht Sebastian das doch.

Sally: So komisch find ich das gar nicht. Immerhin hat sie doch ihren Bruder hier.

Nina: Ja, stimmt, hast Recht.

Plötzlich kommt dieser in ihr Zimmer gestürmt.

Nina: Hey! Kannst du nicht anklopfen?

Lars: Sorry, aber ich muss Jenny abholen. Wir müssen sofort zum Lorenz. Wisst ihr, wo sie ist?

Sally: (erstaunt) Schon wieder zurück aus München?

Nina: Wie war’s denn? Hat’s Jenny gefallen?

Lars: Hä? Könnt ihr euch mal bitte etwas deutlicher ausdrücken. Und überhaupt, wie kommt ihr darauf, dass ich mit Jenny in München war?

Nina: Naja, sie hat’s uns vorhin gesagt. Seid ihr denn gar nicht in München gewesen?

Lars: Also, mit mir war oder ist sie definitiv nicht nach München runter. Ich habe sie heute Mittag beim Essen zum letzten Mal gesehen.

Sally: Das heißt ja dann soviel wie, sie ist gar nicht mit dir nach München gegangen, sondern mit jemand anderem oder alleine. Soll ich sie auf dem Handy anrufen?

Lars: Nee, lass mal. Ich geh alleine zum Lorenz und sag’s ihr dann später oder ruf sie selber an.

Sally: Okay. Dann toi, toi, toi.

Lars: Danke.

Lars macht sich auf den Weg zu Herrn Lorenz.

 

***

In München haben Jenny und Sebastian mittlerweile bezahlt und sind kurzerhand noch in den nahegelegenen Park gegangen. Dort spricht Sebastian den Unfall noch mal an.

Sebastian: Weißt du denn, wann sich euer Vater oder das Krankenhaus wieder melden wollten?

Jenny: Nein, weiß ich nicht. Eigentlich weiß ich überhaupt nichts. Ich denk schon die ganze Zeit darüber nach, ob ich Paps einfach mal anrufen soll. Aber was soll ich ihm sagen? Wie soll ich die richtigen Worte finden? Und vor allem: Was, wenn er denkt, dass ich an allem Schuld bin? Verstehst du, was ich meine?

Sebastian: Ich kann mir wirklich nur schwer vorstellen, was du gerade durch machst. (legt eine Hand auf Jennys Schulter) Aber eins weiß ich: du musst aufhören, dir Vorwürfe zu machen. Dieser Unfall, er hätte jederzeit passieren können, auch bei euch zuhause.

Jenny: Ja, schon, aber trotzdem. Wenn ich nicht ...

In dem Moment klingelt Jennys Handy.

Jenny: Oh, das ist Lars. (nimmt den Anruf an) Hi, Lars. Was gibt's? Hat Paps sich endlich gemeldet?

Lars: Komm bitte ganz schnell zurück ins Internat.

Jenny: Was ist denn?

Doch sie bekommt keine Antwort mehr. Ihr Bruder hat schon wieder aufgelegt.

Sebastian: (besorgt) Gibt es was Neues?

Jenny: Ich weiß nicht. Irgendwas ist auf jeden Fall. Ich soll schnell zurück ins Internat kommen.

Sebastian: Okay. Komm, wir nehmen den Bus.

Jenny: Wann fährt der denn?

Sebastian: (schaut auf die Uhr) Ungefähr in zehn Minuten. So ein Mist, wenn man mal dringend einen Bus braucht, dann kommt natürlich keiner.

Jenny: Zehn Minuten? Können wir da nicht schon ein ganzes Stück von der Strecke geschafft haben?

Sebastian: Stimmt. Also los, gehen wir.

Die beiden eilen in Richtung des Internats. Nach 15 Minuten hören sie den Bus hinter sich und sprinten zur nahegelegenen Bushaltestelle. Wenige Minuten später sehen sie bereits die von Efeu und Weinlaub umrankten Mauern rund um das Internatsgelände.

 

***

Lars wartet bereits ungeduldig vor dem Tor auf Jenny. Endlich sieht er sie, in Begleitung von Sebastian, aus dem Bus steigen und läuft den beiden eilig entgegen.

Jenny: Lars! Was ist los? Gibt's endlich was Neues von Mutti? Hat Paps angerufen?

Lars: Wir sollten zum Lorenz kommen. Aber als ich von Nina und Sally gehört hab, dass du angeblich mit mir in München wärst, bin ich alleine zu ihm gegangen.

Jenny: Und? Jetzt sag schon!

Sebastian: Soll ich gehen?

Jenny: Wegen mir nicht. Du weißt doch eh Bescheid, falls es um den Unfall geht.

Lars: Von mir aus kannst du auch bleiben.

Sebastian: Okay.

Jenny: Bist du jetzt sauer auf mich, Lars?

Lars: Nein. Warum sollte ich? Ist schon okay.

Jenny: Gut. Aber ... jetzt sag bitte endlich, was du weißt.

Lars: Paps hat den Lorenz wieder angerufen. Mutti hat’s nicht geschafft. Sie ist tot.

Jenny: Was? NEIN! Warum?

Weinend fallen Jenny und Lars sich in die Arme. Sebastian lässt sie zunächst eine Weile in Ruhe, bevor er sich leise wieder zu Wort meldet.

Sebastian: Wollt ihr jetzt lieber alleine sein?

Lars: Nee, bleib ruhig.

Jenny: (löst sich aus der Umarmung ihres Bruders) Tut mir leid, aber ich muss jetzt erstmal alleine sein.

Lars: Wie du meinst ... Wir sehen uns später.

Jenny: Ja, okay. Bis nachher.

Lars & Sebastian: Okay.

 

***

Langsam geht Jenny auf den Eingang des Internats zu.

Jenny: Warum? Warum musste das passieren? Wäre ich doch bloß zuhause geblieben ...

In ihrem Zimmer trifft sie auf Nina und Sally.

Nina: Hi, Jenny. Wie war’s in München?

Doch Jenny gibt keine Antwort. Sie wirft sich auf ihr Bett, vergräbt schluchzend den Kopf in ihrem Kissen und bleibt nahezu regungslos liegen.

Sally: Hey, was ist denn?

Jenny: Es ist alles meine Schuld ...

Nina: Wie meinst du das?

Jenny: Ach, das versteht ihr eh nicht.

Sally: Manchmal hilft es aber, wenn man redet.

Jenny: (dreht den Kopf zur Seite) Meinst du wirklich?

Sally: Klar. Sonst würd ich’s ja nicht sagen.

Nina: Na komm. Jetzt sag schon, was los ist.

Jenny: Wenn ich nicht unbedingt ins Internat gewollt hätte, dann wär alles nicht passiert!

Nina: Was meinst du?

Jenny: Na der Unfall gestern. Und jetzt (schluchzt) jetzt ist unsere Mutter tot. Und ich bin schuld!

Sally: Quatsch. Du kannst doch nichts dafür, dass eure Eltern einen Unfall hatten.

Jenny: Doch! Wenn sie mich nicht hierhin gebracht hätten, wär der Unfall nicht passiert.

Nina: Red dir jetzt bitte nicht ein, dass du schuld bist.

Jenny: Du hast leicht reden. Du hast doch keine Ahnung, was das für ein Gefühl ist.

Nina: Meinst du? Meine Mutter ist vor vier Jahren auch bei nem Unfall gestorben, weil so ein blöder Idiot nicht aufpassen konnte. Und das, nachdem sie mich zu einer Freundin gefahren hatte.

Jenny: Echt? Das hab ich nicht gewusst. Sorry.

Nina: Ist schon okay. Woher solltest du das auch wissen?

In der Zwischenzeit hat Sally sich aus dem Zimmer zurückgezogen. Ihrer Meinung nach, ist Nina die Bessere von ihnen, wenn es darum geht, jemandem Trost zu spenden.

 

***

In der Mensa treffen sie einige Zeit später wieder aufeinander. Nach einigem Überlegen haben sich auch Jenny und Lars dazu entschlossen, gemeinsam mit ihren Mitschülern zu Abend zu essen. Sie hoffen, dass ihnen die Ablenkung gut tut und werden nicht enttäuscht.

Anschließend können sie sich jedoch nicht dazu durchringen, mit in die Gemeinschaftsräume zu gehen. Stattdessen wollen sie noch ein paar Bahnen schwimmen. Am Büro von Herrn Stein angekommen, will Lars gerade anklopfen, als die Tür aufgeht und dieser raus kommt.

Herr Stein: (überrascht) Oh, hallo. Wollt ihr zu mir?

Lars: Ja. Wir wollten fragen, ob wir noch für ne Stunde oder so in die Schwimmhalle dürfen.

Herr Stein: Das ist schwierig. Der Bademeister hat um diese Zeit schon Feierabend und so müsste jemand anders als Aufsichtsperson einspringen.

Jenny: Schade. Aber, naja, so wichtig ist es nicht. Wenn’s nun mal nicht geht, kann man nichts machen.

Lars: Genau. Dann gehen wir so noch was raus. Ist ja auch kein Problem, oder, Jenny?

Jenny: Nee, kein Thema.

Herr Stein: Lasst mich mal kurz überlegen. Wie viel Uhr haben wir denn jetzt?

Lars: Gleich halb acht.

Herr Stein: Okay, sagen wir in einer halben Stunde an der Schwimmhalle. Dann habt ihr noch eine Stunde Zeit zum Schwimmen. Aber fragt bitte vorher, ob noch andere mitkommen wollen.

Jenny: Machen wir. Danke.

Herr Stein: (lächelt) Ist schon okay.

 

***

Lars und Jenny klappern die Gemeinschaftsräume ab, doch es hat kaum jemand Lust, mit in die Schwimmhalle zu gehen. Nur Martin, Nico, Marco, Sally und Nina, sowie Sebastian und Mirco schließen sich den beiden an.

Um acht Uhr werden sie am Eingang der Schwimmhalle bereits von ihrem Lehrer erwartet.

Herr Stein: (erstaunt) Seid ihr nicht in allen Gemeinschaftsräumen gewesen?

Lars: Doch, waren wir. Aber da wollte keiner mit.

Herr Stein: Nun gut, dann kommt mal mit rein.

Er schließt die Tür der Schwimmhalle auf und kurz darauf stürzen die neun Jugendlichen sich ins Sportbecken. Die Zeit vergeht wie im Flug und pünktlich um neun Uhr jagt Herr Stein sie wieder aus dem Wasser.

Ein paar Minuten später, auf dem Rückweg ins Hauptgebäude, kommt Marco eine Idee. Er versichert sich zunächst durch einen Rundumblick, dass niemand von den Älteren etwas mitbekommt, bevor er mit seiner Idee rausrückt.

Marco: Sagt mal, habt ihr Lust, später noch zu uns aufs Zimmer zu kommen?

Lars: Definiere später.

Marco: (lacht) Ich dachte, so um Mitternacht. Wir haben dieses Schuljahr noch gar nicht über die Strenge geschlagen. Langsam wird's langweilig.

Jenny: Ich weiß nicht. Ehrlich gesagt, ist mir absolut gar nicht nach feiern zumute.

Nina: Ach komm, Jenny. Außerdem feiern wir ja auch nicht wirklich. Nur ein bisschen plaudern bei Nervenkitzel.

Sally: Genau, der Nervenkitzel lenkt Lars und dich vielleicht auch ein bisschen ab.

Nico: Das auf jeden Fall. Ihr könnt doch sicher heute sowieso nicht wirklich schlafen.

Lars: Da könntest du sogar Recht haben.

Martin: Also, seid ihr alle dabei?

Jenny: Okay. Aber ...

Marco: Kein aber. Wir bringen euch auf andere Gedanken. Dafür sind Freunde doch da.

Lars: Danke.

Martin: Super! Dann sehen wir uns also um Mitternacht bei uns auf dem Zimmer.

Mirco: Alles klar.

In ihren Zimmern angekommen, stellen sie ihre Wecker und verschwinden anschließend umgehend in ihren Betten.

 

***

Als um fünf vor zwölf die Wecker angehen, schrecken sie aus dem Schlaf auf. Während die Jungs um Punkt Mitternacht alle im verabredeten Zimmer sind, fehlt von den drei Mädels jede Spur.

Marco: Hoffentlich haben die jetzt nicht verpennt.

Lars: Quatsch. Aber wenn’s dich beruhigt, kann ja einer von uns rüber gehen und nachsehen.

Nico: Ich glaub nicht, dass das nötig sein wird. Wenn sich meine Ohren nicht täuschen, sollten sie jeden Moment zur Tür reinkommen.

In dem Moment klopft es leise an die Tür.

Martin: Kommt rein.

Sally: Kann bitte mal einer die Tür aufmachen?

Sebastian: Was soll das denn jetzt?

Nico: Das werden wir wohl nur erfahren, wenn wir sie reinlassen. Sebastian, würdest du vielleicht?

Sebastian: Klar, kein Problem.

Er steht auf, öffnet die Tür und lässt Nina, Sally und Jenny ins Zimmer rein.

Martin: Wow. Was schleppt ihr denn da alles an? Habt ihr Angst gehabt, wir würden verhungern?

Jenny: Nee, das nicht gerade. Aber was zu essen kann um Mitternacht doch nicht schaden, oder?

Mirco: Da hast du allerdings recht.

Nach und nach vernichten sie die Vorräte der Mädels. Auch Jenny und Lars amüsieren sich wider Erwarten auf der kleinen Mitternachtsparty. Doch ihr Spaß wird jäh gestört, als sie draußen auf dem Flur Geräusche vernehmen.

Nina: Psst, seid mal still. Ich hör irgendwas.

Sie werden auf der Stelle ruhig, löschen das Licht und warten mit angehaltenem Atem, was passieren wird. Die Schritte halten genau vor der Zimmertür und sie erkennen die Stimmen wieder.

Herr Stein: Hier hast du also etwas gehört?

Klaudia: Ganz genau.

Herr Stein: Okay. Du weißt, dass ich es nicht leiden kann, wenn man mich mitten in der Nacht aus dem Schlaf reißt.

Klaudia: Ja, aber...

Herr Stein: Nichts aber. Du gehst jetzt sofort zurück auf dein Zimmer und schläfst. Sollte hier wirklich eine Mitternachtsparty stattfinden, kümmere ich mich schon darum.

Scheinbar kleinlaut geht Klaudia wieder zurück in ihr Zimmer. Insgeheim freut sie sich aber, dass sie den anderen eins reinwürgen kann.

Herr Stein wartet noch einen Moment, bevor er die Tür öffnet. Als er das Licht anknipst, sieht er die neun im Kreis auf dem Boden sitzen.

Herr Stein: Was ist denn hier los?

Nina: Wir ... ähm ... wollten Lars und Jenny ein bisschen ablenken und aufmuntern.

Herr Stein: Ah ja. Und das soll ich euch jetzt glauben?

Sally: Warum denn nicht?

Herr Stein: Das überleg ich mir noch mal in Ruhe. Und jetzt seht, dass ihr in die Federn kommt. Ich erwarte euch morgen nach dem Frühstück in meinem Büro. Verstanden?

Sebastian: Ist okay.

Herr Stein: Dann aber jetzt mal hurtig!

Schnell begeben sie sich in ihre Betten und sind binnen kürzester Zeit eingeschlafen.

Fahrt ins Blaue

Beim Frühstück am nächsten Morgen sitzen die neun Nachtschwärmer übermüdet auf ihren Plätzen.

Nico: (gähnt) Boah, ich bin noch sowas von müde.

Sally: Frag mich mal. Ich hab echt keinen Plan, wie ich gleich die Doppelstunde Mathe überleben soll.

Jenny: Lars, Sebastian und Mirco sehen auch noch ganz schön müde aus.

Nina: Ist ja eigentlich auch kein Wunder. Hoffentlich ist der Stein gleich nicht stinkig.

Jenny: Was passiert denn sonst so bei Regelverstößen?

Martin: Du, das ist ganz unterschiedlich. Manchmal gibt's nur ne Standpauke, aber es kann euch heftiger werden. Im letzten Jahr durften wir mal für eine ganze Woche das Internatsgelände nicht verlassen.

Jenny: Was? Oha, das ist ja mal voll beschissen. Grenzt ja dann schon fast an Hausarrest.

Marco: Ja, da sagst du was. Allerdings haben wir's da auch etwas übertrieben. Sascha hatte ein Sixpack Radler besorgt und das dann mit zur Party gebracht.

Jenny: Okay, das ist heftig. Dann kann man das ja sogar fast noch nachvollziehen.

Das Ende der Frühstückszeit kommt viel zu schnell. Mit ungutem Gefühl machen sie sich nach dem Frühstück auf den Weg zu Herrn Steins Büro.

Lars: Ich bin ja mal gespannt, was uns erwartet.

Mirco: Ein wirklich gutes Gefühl hab ich auch nicht. Aber den Kopf wird er uns schon dran lassen.

Nico: Hoffen wir's mal.

Martin: Also dann, auf in die Höhle des Löwen ...

Nach einem kurzen Blick in die Runde hebt Martin seine Hand und klopft an die Bürotür.

Herr Stein: Herein!

Sie betreten das Büro ihres Lehrers und wappnen sich innerlich noch einmal für die bevorstehende Standpauke.

Herr Stein: Ah, da seid ihr ja. Schön. Also, wie sieht's aus? Habt ihr mir noch etwas zu sagen?

Marco: Naja, eigentlich haben wir Ihnen diese Nacht schon alles gesagt, was es zu sagen gibt.

Nico: Genau. Wir wollten nur Jenny und Lars ein bisschen ablenken und auf andere Gedanken bringen.

Herr Stein: Das kann ich ja sogar noch verstehen, aber musste das mitten in der Nacht sein?

Jenny: Die anderen hatten nur Sorge, dass wir nicht schlafen könnten. Und, wenn ich ehrlich sein soll, ich glaube, sie hätten damit sogar Recht gehabt.

Herr Stein: Ich will euch ja auch keinen Vorwurf machen. Nur werdet ihr doch sicherlich einsehen, dass ihr gegen die ein oder andere Regel verstoßen habt.

Lars: Ja, natürlich. Das sehen wir ja auch ein. Nur, könnten Sie vielleicht ausnahmsweise mal ein Auge zudrücken?

Herr Stein: Normalerweise nicht. (zögert) Allerdings kann ich den Grund dieses Mal sogar irgendwie nachvollziehen.

Sally: Heißt das ..., wir kommen noch mal mit einem blauen Auge davon?

Herr Stein: So könnte man es sagen, ja.

Sebastian: Das ist wirklich sehr nett von Ihnen.

Herr Stein: Freut euch nicht zu früh. Wenn so etwas noch mal vor­kommt, dürft ihr eine Woche lang nicht nach München. Verstanden?

Marco: Verstanden.

Herr Stein: Gut. Dann ab mit euch in die Klassen.

Jenny: Sind schon weg.

Herr Stein: Einen Moment noch, bitte. Jenny, Sebastian, könnt ihr bitte noch kurz hier bleiben?

Sebastian: (überrascht) Ja, okay.

Die anderen sieben verlassen das Büro, während Jenny und Sebastian sich fragende Blicke zuwerfen. Keiner der beiden hat eine Idee, was Herr Stein noch von ihnen wollen könnte. Gespannt blicken sie ihren Lehrer an.

Jenny: Was gibt's denn noch? Und warum konnten die anderen schon gehen?

Sebastian: Ich versteh das genauso wenig wie du, Jenny. Hat es noch was mit dieser Nacht zu tun?

Herr Stein: Nein, dann hätte ich die anderen ja nicht schon in die Klassen geschickt.

Jenny: Okay, das klingt logisch.

Herr Stein: Okay, also der Grund, warum ich euch beide noch zum Bleiben aufgefordert habe, ist folgender: Sebastian, dadurch, dass Manuel nach den Sommerferien ja nicht mehr zurückgekommen ist, bist du ja seit diesem Schuljahr alleiniger Schülersprecher.

Sebastian: Ja, bin ich. Worauf wollen Sie hinaus?

Herr Stein: Du brauchst ja auf jeden Fall wieder einen Stellvertreter. Natürlich müssen wir da eine offizielle Wahl durchführen, was auch bis zu den Herbstferien auf jeden Fall noch erledigt wird.

Jenny: Sie sprechen in Rätseln.

Herr Stein: Keine Hektik. Also, was wir - die Kollegen und ich - überlegt haben, ist, ob du, Jenny, eventuell als stellvertretende Schülersprecherin kandidieren möchtest.

Jenny: (erstaunt) Ich? Wieso denn gerade ich? Ich bin doch erst seit Sonntag hier und ...

Sebastian: Das ist doch egal.

Jenny: Das meinst du vielleicht. Aber mich kennt doch noch kaum jemand hier. Und überhaupt, ich weiß gar nicht, ob ich dazu in der Lage bin. Immerhin hängt da ja auch eine ganze Menge Verantwortung mit dran.

Herr Stein: Es ist, wie gesagt, bisher nur eine Überlegung. Und als ehemalige Klassensprecherin in deiner alten Klasse hast du ja doch schon ein wenig Erfahrung.

Jenny: Ich weiß es wirklich nicht.

Herr Stein: Du kannst es dir ja mal in Ruhe überlegen. Sprich mit deinen Klassenkameraden, deinem Bruder und vielleicht auch mit Sebastian darüber. Wenn du dich dann entschieden hast, sagst du mir einfach kurz Bescheid.

Sebastian: Das klingt doch vernünftig. Na komm, sag nicht gleich nein. Denk einfach mal in Ruhe drüber nach. Ich fänd's auf jeden Fall super.

Jenny: (seufzt) Okay, ich denk drüber nach. Aber ich verspreche noch nichts. Und wenn ich mich dagegen entscheide, dann muss das auch akzeptiert werden.

Sebastian: Klar, was denkst du denn?

Herr Stein: Schön, das freut mich. So, und jetzt, ab in die Klassen mit euch. Nicht, dass ihr noch zu viel verpasst.

Sebastian: Alles klar, wir sind schon weg.

 

***

Eilig machen Jenny und Sebastian sich auf den Weg in ihre Klassen. Kurz nachdem Jenny sich auf ihren Platz gesetzt hat, bekommt sie von Nina und Sally einen Zettel nach vorne gereicht, die unbedingt wissen wollen, was Herr Stein noch von ihr und Sebastian wollte. Heimlich schreibt sie unter dem Tisch eine Antwort auf den Zettel, als plötzlich Herr Kreuzer wie ein Mahnmal vor ihrem Platz steht.

Herr Kreuzer: (räuspert sich) Wie sieht's aus? Willst du nicht langsam mal die Aufgaben von der Tafel rechnen?

Jenny: (verlegen) Oh ... ähm ... natürlich. Ich weiß nur leider nicht so genau, wie das gehen soll.

Herr Kreuzer: Dann hättest du vielleicht besser aufpassen sollen, anstatt irgendwelche Briefchen zu beantworten. Orientier dich an der Beispielaufgabe, die ich gerade erklärt habe. Dann sollte es klappen.

Jenny: Okay, mach ich.

Herr Kreuzer: Gut. Und keine Briefchen mehr in meinem Unterricht! Verstanden?

Jenny: Geht in Ordnung.

Mit Hilfe der Beispielaufgabe und zwischenzeitlichem Spicken bei Martin gelingt es Jenny einigermaßen, die Aufgaben zu lösen. Auch passt sie den Rest der Doppelstunde extra gut auf, wenn Herr Kreuzer etwas erklärt, und vergisst darüber ganz, den Zettel wieder nach hinten zu reichen.

So müssen sich Nina und Sally, genau wie Martin, Marco und Nico, bis zur Pause gedulden, um mehr zu erfahren.

 

***

Endlich ist Pause und sie treffen sich im Hofbereich mit Lars, Sebastian und Mirco.

Sally: So, jetzt platz ich aber gleich vor Neugier. Was wollte der Stein denn noch von euch?

Sebastian: Jenny soll sich mal überlegen, ob sie stellvertretende Schülersprecherin werden möchte.

Nina: Echt? Wow, das wär doch super! Oder willst du nicht, Jenny? Du siehst irgendwie nicht sooo begeistert aus.

Jenny: Naja, ich weiß nicht.

Nico: Warum denn nicht? Was spricht dagegen?

Jenny: Ich bin doch noch nicht mal eine Woche hier.

Marco: Na und? Also, ich könnte mir das gut vorstellen.

Jenny: (skeptisch) Echt?

Lars: Klar! Aber überleg's dir in Ruhe. Oder musst du dich heute schon entscheiden?

Jenny: Nee, ich darf mir n paar Tage Zeit lassen. Nur, wenn ihr alle meint, ich sollte ...

Martin: Zutrauen würden wir's dir auf jeden Fall. Aber am Ende liegt die Entscheidung bei dir.

Sebastian: Und zusätzlich noch in unserer aller Hände.

Marco: Ach das kriegen wir schon hin. Zur Not bestechen wir die anderen Klassen.

Sally: (lacht) Das war ja so klar, dass du wieder nen Spruch bringen musst.

Marco: Kennst mich doch.

Martin: Mal was anderes, habt ihr Lust, Samstagnachmittag nach München zu fahren?

Lars: An sich jederzeit gerne. Aber dieses Wochenende geht's absolut nicht bei Jenny und mir.

Martin: Oh, wieso das?

Jenny: Samstag ist die Beerdigung von unserer Mutter.

Martin: Achso, schade. Naja, dann machen wir's eben einfach ein anderes Mal.

Lars: Ihr könnt doch trotzdem am Samstag in die Stadt. Nur weil wir nicht können, müsst ihr ja nicht hier bleiben.

Nico: Können wir ja noch überlegen.

Marco: Wann kommt ihr denn wieder?

Jenny: Sonntagabend, glaub ich.

Lars: Eventuell auch erst Montag zum Frühstück. Kommt drauf an, wie die Züge so fahren.

 

***

In dem Moment ist die Pause vorbei und sie machen sich seufzend zurück auf den Weg in die Klasse.

Jenny: Och nö, ausgerechnet Bio ... Als wenn die Doppelstunde Mathe heute nicht schon gereicht hätte.

Marco: Ach, es gibt Schlimmeres ...

Sally: Magst du Bio nicht?

Jenny: Nee, absolut nicht. War immer mit mein schlechtestes Fach. Generell die naturwissenschaftlichen Fächer ... Aber vielleicht lag das auch nur an den Lehrern.

Martin: So schlimm?

Jenny: Ja, schrecklich. Unser Physiklehrer war noch der schlimmste von allen. Da hatten eigentlich nur die Jungs ne Chance auf einigermaßen gute Noten.

Marco: Wieso das denn?

Jenny: Er hat immer gesagt 'Jungs, passt auf, hier lernt ihr was fürs Leben. Mädels, tut wenigstens so, als ob ihr zuhört. Hauptsache, ihr wisst hinterher, wie der Herd angeht.'

Martin: Jetzt nicht wirklich, oder?

Jenny: Doch, echt. Den konntest du sowas von vergessen. Einfach zum ... naja, ihr wisst schon.

Nina: Da hätte ich auch keinen Bock auf Physik gehabt ...

Jenny: Hmm, nur spicken, das ging bei dem echt gut.

Zeitgleich mit ihrer Biologielehrerin treffen sie an der Klasse ein. Schnell huschen sie auf ihre Plätze.

Frau Merker: Morgen.

Alle: Morgen, Frau Merker.

Frau Merker: Ich hoffe, ihr habt euch am Wochenende gut erholt und seid jetzt aufnahme­fähig genug, um viel neuen Stoff zu lernen.

Martin: Ach, wissen Sie, das Wochenende ist viel zu kurz, um sich richtig zu erholen.

Frau Merker: Das war ja klar, dass so ein Kommentar von dir kommt, Martin.

Martin: Einer muss ja ab und zu mal die Wahrheit auf den Tisch bringen.

Frau Merker: So, so. Nun, dann wollen wir mal beginnen. Schlagt bitte eure Bücher auf.

Jenny: (leise) Martin, kann ich bei dir mit reingucken?

Martin: (ebenso leise) Klar, kein Problem.

Jenny: Danke.

Frau Merker: (verwundert) Gibt es ein Problem? Warum habt ihr denn nur ein Buch?

Jenny: Ich habe noch keines bekommen.

Frau Merker: Warum das nicht? Nun gut, dann guckst du diese Stunde erstmal bei Martin mit ins Buch rein und kommst in der nächsten Pause kurz bei mir im Büro vorbei. Dort bekommst du dann ein Buch.

Jenny: Okay, danke.

Zum Glück vergeht die Stunde recht schnell und auch der anschließende Kunstunterricht verfliegt im Nu.

Auf dem Weg in die zweite Pause zeigen Nina und Sally Jenny das Büro von Frau Merker.

Nina: Sollen wir hier warten?

Jenny: Geht ruhig schon vor. Ich komm gleich nach.

Sally: Okay, wie du magst.

Jenny holt sich ihr Biologiebuch bei ihrer Lehrerin ab und beeilt sich anschließend, zu den anderen zu kommen.

 

***

Auf dem Pausenhof warten ihre Freunde bereits auf sie.

Nina: Da bist du ja schon. 

Jenny: Ja, kurz und schmerzlos.

Nico: (lacht) Ein Glück!

Sebastian: Was haltet ihr davon, wenn wir nach den AGs noch eine kleine Runde mit den Rädern drehen?

Sally: Puh, ich weiß nicht. Ehrlich gesagt, hab ich keine richtige Lust, mich heute noch aufs Rad zu schwingen.

Nina: Ich auch nicht wirklich.

Nico, Martin, Marco und Mirco können sich auch nicht wirklich aufraffen.

Sebastian: Und was ist mit euch?

Lars: Was meinst du, Jenny? Lust?

Jenny: Warum eigentlich nicht?

Sebastian: Super!

Bei ihrem Rückweg in die Klassen kommen sie am schwarzen Brett vorbei.

Nina: Hey, guckt mal! Das ist ja cool!

Lars: Lass mal gucken. (schiebt sich an Nina vorbei) Oh, die AGs heute Nachmittag fallen aus.

Sally: Alle?

Nina: Ja, alle. Coole Sache!

Mirco: Super, ein freier Nachmittag!

Nina: Hatten wir ja auch schon lange nicht mehr.

Sally: Stimmt, dieses Schuljahr erst einmal.

Jenny: Dann könntet ihr doch eigentlich mit auf die Fahrradtour kommen, oder?

Sebasitan: Find ich auch.

Marco: Nee, Leute, lasst mal. Ich hab echt keine Lust. Fahrt ihr drei mal ruhig alleine.

Jenny: Wie ihr meint.

Lars: Schade, aber okay ...

Martin: Kommt lieber jetzt, wir müssen uns beeilen. Der Stein wartet nicht gerne.

Nico: Hast recht.

Sie machen sich schnell auf den weiteren Weg in ihre Klassen. Als Jenny, Nina, Sally, Nico, Martin und Marco an ihrer Klasse ankommen, können sie gerade noch vor ihrem Lehrer in die Klasse huschen.

Zur Freude aller vergehen die letzten beiden Unterrichtstunden ebenfalls zügig und so ist es schon bald Zeit fürs Mittagessen. Auch die anschließend unter Aufsicht durchzuführenden Hausaufgaben sind zügig erledigt und so steht einem entspannten Nachmittag nichts mehr im Weg.

 

***

Nachdem sie mit ihren Hausaufgaben fertig ist, sucht Jenny Lars und Sebastian in deren Zimmer, doch die beiden sind nicht da. Unentschlossen, ob sie warten oder auf ihr Zimmer gehen soll, geht sie im Zimmer der Jungs auf und ab.

Kurze Zeit später betreten die Jungs ihr Zimmer.

Lars: Hi, Jenny. Wartest du schon lange.

Jenny: Nee. Ich wollte eigentlich nur mal kurz nachfragen, ob wir sofort losfahren oder ob ich mir erst noch andere Klamotten anziehen kann.

Lars: Also, ich zieh mich erst um.

Sebastian: Hatte ich eigentlich auch vor.

Jenny: Perfekt. Dann geh ich mich auch noch schnell umziehen und sag anschließend dem Stein Bescheid. Okay?

Sebastian: Alles klar, nur musst du uns heute nicht beim Stein, sondern beim Kreuzer abmelden.

Jenny: Auch kein Problem. Dann eben beim Kreuzer.

Lars: Okay. Sagen wir in einer Viertelstunde am Eingang?

Jenny: Klingt gut. Bis gleich.

Sebastian: Bis später, Jenny.

 

***

Bereits wenige Minuten später klopft Jenny an die Bürotür ihres Mathelehrers.

Herr Kreuzer: Ja, bitte?

Jenny: (betritt das Büro) Hallo, Herr Kreuzer.

Herr Kreuzer: Hallo, Jenny. Ist etwas passiert? (lächelt zweideutig) Oder wolltest du dich wegen deines Verhaltens heute Morgen im Unterricht entschuldigen?

Jenny: Ähm ... also, nein, passiert ist nichts. Und ... ich wollte eigentlich nur fragen, ob Lars, Sebastian und ich eine Fahrradtour machen dürfen.

Herr Kreuzer: Ich denke, da dürfte nichts gegen sprechen. Mit Lars und Sebastian meinst du deinen Bruder und Sebastian Kehrmann?

Jenny: Ja, genau.

Herr Kreuzer: Okay. Dann wünsche ich euch viel Spaß.

Jenny: Danke! Werden wir sicher haben.

Herr Kreuzer: Weißt du, wohin ihr fahren wollt?

Jenny: Nein, haben wir  noch nicht so richtig überlegt. Ich vermute, dass die beiden mir ein bisschen was von der Umgebung zeigen wollen.

Herr Kreuzer: Eigentlich würde ich schon gerne wissen, wohin ihr fahren wollt. Aber gut, wenn du das selber noch nicht weißt ... (überlegt) Dann nehmt aber bit­te ein Handy mit und wenn irgendwas sein sollte, dann meldet ihr euch.

Jenny: Das sowieso.

Herr Kreuzer: Ich mein ja nur. Und, um halb sieben seid ihr bitte wieder zurück. Okay?

Jenny: Geht in Ordnung. Könnten Sie mir dann noch die Telefonnummer geben, die wir im Notfall anrufen können? Ich hab noch keine Nummer hier aus dem Internat und ich weiß nicht, wie das bei den Jungs aussieht.

Herr Kreuzer: Natürlich. (schreibt Jenny die Telefonnummer auf) So, bitte schön. Viel Spaß!

Jenny: Danke. Dann bin ich mal weg.

 

***

Lars und Sebastian warten bereits in der Eingangshalle auf Jenny, als diese mit schnellen Schritten die Treppe heruntergelaufen kommt.

Jenny: So, alles erledigt. Hat einer von euch sein Handy mit? Meins hängt am Ladekabel.

Lars: Ja, ich hab meins dabei. Warum?

Jenny: Nur für den Notfall. Der Kreuzer meinte, wir sollten anrufen, falls wir uns verspäten oder was passiert.

Sebastian: Was soll denn groß passieren?

Lars: Frag ich mich auch. Manchmal übertreiben die's echt mit ihrer Aufsichtspflicht.

Sebastian: Hat er dir denn wenigstens gesagt, wen wir im Notfall anrufen sollen?

Jenny: Nicht direkt. Er hat mir nur ne Nummer gegeben. Von wem die ist, weiß ich allerdings nicht.

Lars: Na immerhin etwas. Sollen wir?

Sebastian: Wegen mir gerne.

Jenny: Ich bin auch soweit.

Auf dem Weg zum Fahrradkeller überlegen sie bereits, in welche Richtung sie fahren sollen.

Sebastian: Was haltet ihr davon, wenn wir erstmal Richtung See fahren?

Jenny: See?

Lars: Ja, genau. Nicht allzu weit weg gibt's nen total schönen See. Ist auch eine recht einfach zu fahrende Strecke, also nicht zu steil oder so.

Jenny: Wegen der Streckenführung würde ich mir jetzt nicht unbedingt Gedanken machen. Ich bin letztes Wochenende noch mit Paps bis Bonn und wieder zurückgefahren.

Lars: Echt? Ich bin seit unserer Tour in den Sommerferien kaum noch gefahren.

Jenny: So lange nicht mehr?

Lars: Ja, leider.

Jenny: Naja, gut, hier hat man ja auch oft genug andere Sachen zu tun.

Sebastian: Da sagst du was. Also, auf zum See?

Lars: Wegen mir gerne.

Jenny: Ich bin auch neugierig.

Da, wer möchte, sein eigenes Fahrrad mit ins Internat nehmen kann, holen sie ihre eigenen Räder aus dem Keller und fahren bereits kurz darauf los.

 

***

Zunächst führt ihr Weg in Richtung des Waldes, der unmittelbar hinter dem Internat beginnt. Am Waldrand entlang radeln sie in gemächlichem Tempo weiter und erreichen nach einer knappen Viertelstunde bereits den See. Dieser liegt inmitten von Wiesen und Wäldern, ein Stück nahezu unberührte Natur nur wenige Kilometer von München entfernt.

Jenny: (begeistert) Wow! Das ist ja richtig schön hier!

Sebastian: Ja. Mich wundert nur, dass hier heute so wenig los ist. Schon seltsam, aber naja, egal.

Lars: Stimmt. Grade im Sommer gibt's schon mal Tage, da findest du kaum noch nen freien Fleck hier am See.

Jenny: Echt? Darf man im See denn auch schwimmen?

Sebastian: Bisher hat's uns noch keiner verboten.

Jenny: (lacht) Verstehe ...

Lars: Sollen wir hier bleiben oder weiterfahren?

Jenny: Hmm, schön ist's hier ja. Aber ne richtige Fahrradtour war das doch bisher noch nicht, oder?

Sebastian: Stimmt, Jenny. Was meint ihr, sollen wir ein Stück in den Wald rein fahren?

Lars: Könnten wir machen. Meinst du unsere Joggingstrecke vom letzten Schuljahr?

Sebastian: Ja, genau. Ist zwar stellenweise ein bisschen holprig, aber zur Not können wir ja schieben.

Jenny: Okay. Also weiter?

Lars: Würde ich vorschlagen.

Die drei schwingen sich wieder auf ihre Räder und biegen auf den Waldweg ein. Angenehm kühler Schatten umfängt sie. Erst jetzt wird ihnen bewusst, wie warm es ist.

 

***

Sie sind bereits ein ganzes Stück über einen breiten Waldweg gefahren, als Jenny plötzlich ein Geräusch hört. Kurzerhand bremst sie ihr Fahrrad ab und hält an.

Jenny: Wartet mal bitte kurz.

Sebastian: Was ist los? Kannst du nicht mehr?

Jenny: Doch, aber ich hab irgendwas gehört.

Lars: Was denn?

Jenny: Keine Ahnung. Bin mir echt nicht sicher, was das war. Klang aber schon irgendwie ... unheimlich.

Sebastian: Hmm, okay. (lacht) Hast du vielleicht zu viele Horrorfilme gesehen?

Jenny: Ja, ja, lach du ruhig. Ich weiß zwar nicht, was ich gehört habe, bin mir aber sicher, dass da irgendwas war.

Lars: Also, ich hab nichts gehört.

Sebastian: Was meinst du denn, woher das Geräusch kam, das du gehört haben willst?

Jenny: Ich hab definitiv etwas gehört! (deutet den Weg zurück) Irgendwo von da hinten. Da, wo grad eben der kleine Trampelpfad vom Weg abging.

Sebastian: Da kommen wir mit den Rädern aber nicht gut durch. Weißt du noch, wie wir einmal den Pfad lang sind beim Joggen?

Lars: Stimmt, das war nicht gerade angenehm, alles voller Wurzeln und Steine ... Aber sag mal, führte der nicht zu einer kleinen Jagdhütte?

Sebastian: Genau.

Jenny: Ist ja blöd. Also, dass wir mit den Fahrrädern da nicht her können.

Lars: Naja, wir könnten sie schieben ...

Sebastian: Das ist doch lästig. Dann lasst uns lieber ein anderes Mal zu Fuß lang gehen.

Jenny: Und wann?

Sebastian: Am nächsten freien Nachmittag? Oder sonst am Wochenende. Ach nee, geht ja nicht, da seid ihr ja nicht da. Sorry, hab ich grade nicht dran gedacht.

Lars: Schon okay. Aber mit dem nächsten freien Nachmittag wäre doch ne Idee. Vielleicht haben wir ja Glück und der kommt schneller als gedacht.

Jenny: Okay. Dann machen wir das so. Auch wenn ich wirklich super gerne wissen würde, was das grade eben für ein Geräusch war.

Sebastian: Gibt bestimmt eine ganz einfache Erklärung dafür. Ist doch oft so ...

Jenny: Hmm ... Sagt mal, wie weit sind wir hier eigentlich von der deutsch-österreichischen Grenze weg?

Lars: Kilometermäßig? Keine Ahnung ...

Sebastian: Zirka anderthalb Stunden mim Auto. Warum?

Jenny: Ach, nur so ...

Lars: Ja, klar. Und das sollen wir dir jetzt glauben?

Sebastian: Na komm, jetzt sag schon.

Jenny: (seufzt) Na gut. Mir kam grade die Idee, dass die Hütte vielleicht nicht nur eine Jagdhütte ist.

Lars: Was denn sonst?

Jenny: Was, wenn die Hütte Schmugglern als Zwischenlager oder Versteck dient?

Sebastian: Bitte was? Nee, das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.

Jenny: Und warum nicht? Ich mein, so eine Hütte im Wald, über den Weg nur schlecht zu erreichen ...

Lars: Es gibt bestimmt noch einen anderen Weg zur Hütte, einen, der auch mit einem Auto zu befahren ist.

Sebastian: Ja, klar. Da war noch ein anderer Weg. Nur sind wir damals den Trampelpfad zurück, weil wir eh die Zeit vergessen hatten. Erinnerst du dich nicht mehr?

Lars: Doch. Jetzt wo du's sagst, fällt's mir wieder ein.

Jenny: Dann ist der Gedanke mit den Schmugglern ja vielleicht doch nicht sooo abwegig, oder?

Sebastian: Naja, mit ein bisschen Fantasie ...

Lars: Wir werden's ja eventuell rauskriegen, wenn wir dann mal irgendwann zur Hütte hin gehen.

Jenny: Okay, wie ihr meint.

Sebastian: Stimmt. (schaut auf die Uhr) Sollen wir zurück und uns noch ein bisschen an den See in die Sonne legen?

Jenny: Wie lange haben wir denn noch?

Sebastian: Noch ungefähr zwei Stunden bis zum Abendessen. Oder sollten wir früher zurück sein, Jenny?

Jenny: Um halb sieben.

Lars: Okay, dann würde sich das ja auf jeden Fall noch lohnen. Also, von mir aus gerne.

Jenny: Ich hätte auch nichts gegen ein bisschen Sonne tanken. Wer weiß, wie lange das Wetter noch so mitspielt.

Gemächlich fahren sie wieder zurück zum See.

 

***

Dort angekommen, suchen sie sich einen sonnigen Platz und legen sich nebeneinander ins Gras.

Lars: (genießend) Das tut gut.

Jenny: Oh ja.

Sebastian: Und es ist noch richtig schön warm.

Weil die Sonne sie blendet, schließt Jenny ihre Augen und döst nach einer Weile ein.

Lars und Sebastian unterhalten sich gedämpft weiter.

Sebastian: Du bist froh, dass Jenny jetzt hier ist, oder?

Lars: Ja, auf jeden Fall. Wir haben uns schon immer total gut verstanden und zum Glück ist durch das Internat keine Kluft zwischen uns entstanden.

Sebastian: Wie kommt's eigentlich, dass Jenny nicht schon zum Schuljahresbeginn gewechselt hat?

Lars: Keine Ahnung. Soweit ich weiß, hat sie sich in ihrer Schule nach den Sommerferien nicht mehr wohlgefühlt.

Sebastian: Warum denn?

Lars: Mir gegenüber hat sie nichts gesagt. Aber ich werde das Gefühl nicht los, dass irgendetwas vorgefallen ist.

Sebastian: Bist du dir sicher?

Lars: Ja, ziemlich. Sie hat zwar vor einem Jahr mal beiläufig fallen lassen, dass sie auch nicht abgeneigt wäre, hier hin zu kommen, aber danach hat sie nichts mehr davon erwähnt. Bis vor drei Wochen ... Da hat sie sich mit ihrem Wunsch an unsere Eltern gewandt.

Sebastian: Dann hat sie ja echt Glück gehabt, dass das mit dem Wechseln so schnell ging.

Lars: Das Tempo, in dem der Schulwechsel vonstatten ging, das war alles total überstürzt. Deshalb bin ich mir ja auch so sicher, dass was passiert ist. Ich hoffe nur, sie hat wenigstens mit unseren Eltern darüber geredet.

Sebastian: Meinst du, das hängt auch damit zusammen, dass sie sich Vorwürfe wegen dem Unfall macht?

Lars: Wie meinst du das?

Sebastian: Gestern, als ich mit ihr in München war, da hat sie so was erwähnt. Ich krieg's nicht mehr ganz zusammen, aber sinngemäß meinte sie, dass der Unfall ihre Schuld war, weil sie aufs Internat wollte.

Lars: So ein Schwachsinn! 

Sebastian: Wenn ich dir oder euch irgendwie helfen kann, dann sag Bescheid.

Lars: Danke. Aber, sag mal, wieso warst du eigentlich mit Jenny in München?

Sebastian: Eigentlich nur, um in Ruhe mit ihr zu reden. Ich hab sie vorletzte Nacht auf dem Gang getroffen, weil sie nicht schlafen konnte. Aber so zwischen Tür und Angel wollte sie mir nicht verraten, was los war. Ich mein, das konnte ich ja auch verstehen. Da hab ich sie dann gefragt, ob wir nach den AGs nach München gehen sollten.

Lars: Okay ...

Sebastian: Hey, ich wollte dich nicht übergehen, nur Jenny hatte mich gebeten, nichts zu sagen.

Lars: Ist schon okay.

Sebastian: Wirklich?

Lars: Ja, wirklich. Ehrlich gesagt, bin ich froh, dass ihr euch so gut versteht. Macht es für mich auch einfacher.

Sebastian: (lacht) Na dann ... Aber sie ist echt ne Nette. Und nein, das sag ich jetzt nicht nur, weil sie deine Schwester ist. Ich mag sie wirklich.

Lars: Mist!

Sebastian: Was denn? Hab ich was Falsches gesagt?

Lars: Nein, das nicht. Aber guck mal auf die Uhr.

Sebastian: Oha. Ich fürchte, wir müssen Jenny aus ihren Träumen zurückholen.

Lars setzt sich auf und stupst seine Schwester an.

Lars: Jenny, aufwachen.

Jenny: (verschlafen) Hmmm ... Was ist los?

Lars: Wir haben gleich schon halb sieben.

Jenny: Na und?

Sebastian: Du bist witzig. Sollten wir nicht um halb sieben zurück im Internat sein?

Jenny: (setzt sich abrupt auf) Ja, sollten wir. Aber ... das schaffen wir doch nie, oder?

Lars: Naja, zehn Minuten brauchen wir locker ...

Sebastian: Bleibt uns wohl nur ein Anruf.

Lars: Okay, ich ruf eben an.

Er wählt die Nummer, die Herr Kreuzer Jenny vor ihrem Aufbruch gegeben hat. Nach dreimaligem Klingeln wird der Anruf am anderen Ende der Leitung entgegen genommen.

Herr Kreuzer: Internat Wiesenhof, Kreuzer, guten Abend!

Lars: Hallo, Herr Kreuzer. Lars Berger hier. Sie hatten meiner Schwester die Nummer für den Notfall gegeben.

Herr Kreuzer: Um Gottes Willen! Ist euch etwas passiert?

Lars: Nein, nein, keine Sorge. Wir schaffen es nur nicht, um halb sieben im Internat zu sein. Könnte viertel vor werden, bis wir wieder da sind.

Herr Kreuzer: Okay, dann weiß ich Bescheid. Aber bitte nicht viel später. In Ordnung?

Lars: Ja, kein Problem. Wir sollten es pünktlich zum Abendessen schaffen.

Herr Kreuzer: Gut, dann sehen wir uns in der Mensa.

Lars: Alles klar, danke.

Lars beendet das Telefonat.

Jenny: Und? Was sagt er?

Lars: Naja, wir sollen uns beeilen, damit wir pünktlich zum Abendessen zurück sind.

Sebastian: Okay. Dann wollen wir mal sehen, dass wir schnell zurückkommen.

Sie fahren los und stellen um zwanzig vor sieben die Fahrräder zurück in den Keller.

Lars: Na also, hat doch alles super geklappt.

Jenny: Ja. Was meint ihr, sollen wir uns nach dem Abendessen noch mal treffen?

Sebastian: Von mir aus gerne.

Lars: Ich hätte auch nichts dagegen. Wie wär's mit nach dem Essen vor der Mensa?

Jenny: Klingt gut. Ich zieh mir aber jetzt vor dem Essen noch schnell andere Sachen an.

Lars: Okay, mach das. Falls einer fragt, entschuldigen wir dich dann noch eben.

 

***

Wenig später stürzen sich in der Mensa alle hungrig auf das bereitstehende Abendessen.

Martin: Und? Wie war eure Tour, Jenny?

Jenny: Total schön. Wir waren am See und von da aus noch ein Stück in den Wald rein.

Nina: Am See war doch sicher die Hölle los, oder?

Jenny: Nee, eigentlich nicht. Wir haben vorhin noch eine Pause am See gemacht. Da waren wir fast alleine.

Sally: Echt? Erstaunlich. Normalerweise ist da doch, gerade bei so nem Wetter, oft die Hölle los.

Jenny: Lars und Sebastian waren auch baff.

Nico: Denk ich mir.

Marco: Ist ja auch wirklich eher selten der Fall.

Sally: Sag ich doch.

Martin: Ja, hast du. Und es hat dir ja auch keiner widersprochen. Oder hast du was gehört?

Nina: Welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen?

Martin: Wieso?

Nina: Du zickst schlimmer als ein Haufen Mädels.

In dem Moment erhebt sich Herr Lorenz von seinem Platz am Lehrertisch.

Herr Lorenz: Seid bitte einen Augenblick ruhig. Ihr könnt gerne weiter essen, während ich euch etwas mitteile.

Das Stimmengewirr verstummt schlagartig. Zwischen den Schülern fliegen überraschte Blicke hin und her und alle warten gespannt, was so wichtig ist, dass es nicht bis nach dem Essen warten könnte.

Herr Lorenz: Danke. Es geht darum, dass vor den Sommerferien über die Schülersprecher ein Anliegen vorgetragen wurde. Und zwar ging es dabei um einen schulfreien Tag pro Monat. Wir haben heute Nachmittag noch mal im Kollegium darüber gesprochen und einen Brief an eure Eltern vorbereitet, der morgen per Post verschickt wird. Normalerweise dürfen wir die Entscheidung darüber nur nach erfolgter Einverständniserklärung eurer Eltern treffen, aber wir haben euch für morgen einen freien Tag angesetzt.

Lauter Jubel bricht aus.

Herr Lorenz: Freut euch bitte nicht zu früh. Wir müssen erst noch die Reaktion eurer Eltern abwarten. Sollte die Mehrheit eurer Eltern gegen den freien Tag sein, dann ist der morgige nur eine Ausnahme.

Dadurch lassen sie sich jedoch die gute Laune nicht verderben. Heimlich werfen sich Lars, Sebastian und Jenny eindeutige Blicke zu und warten ungeduldig, dass das Abendessen zu Ende ist. Endlich ist es so weit und die drei treffen sich vor der Mensa.

Lars: Das mit morgen ist ja mal echt super!

Jenny: Auf jeden Fall! Dann könnten wir doch morgen mal zu der Jagdhütte gehen, oder?

Sebastian: Ja, klar. Können wir machen.

Lars: Aber den anderen verraten wir nichts.

Sebastian: Ja, ist bestimmt besser.

Jenny: Okay, wie ihr meint. Aber was machen wir, wenn sie morgen mit uns wollen?

Sebastian: Dann müssen wir uns was überlegen.

Lars: Ich hab da schon ne Idee.

Jenny: Was denn für eine?

Lars: Lasst mich mal machen.

In dem Moment stoßen die anderen sechs zu ihnen und sie gehen zusammen noch was in den Park runter.

Marco: Und, was fangen wir morgen mit dem freien Tag an? Habt ihr vielleicht ne Idee?

Lars: Wir haben grade überlegt, morgen eine kleine Wanderung zu machen.

Martin: (ungläubig) Eine Wanderung? Das ist doch jetzt nicht euer Ernst, oder?

Sebastian: (lacht) Uns ist irgendwie danach. Oder wolltet ihr morgen nach München?

Martin: Wollen schon, aber ich werde jetzt gleich von meinen Eltern abgeholt. Meine Schwester heiratet morgen.

Lars: Oh, ist es jetzt endlich soweit? Dann bist du deine Schwester ja ab morgen los.

Jenny: Ach, so denkst du also über Schwestern? Gut zu wissen ... Und ich dachte, du hättest dich auch darüber gefreut, dass ich jetzt hier bin ...

Lars: (zieht Jenny zu sich ran) Ich freu mich ja auch, Kleine. Aber Martin hat mal erzählt, dass seine Schwester eine absolute Nervensäge und Kratzbürste sei. Also wirklich überhaupt nicht mit dir zu vergleichen.

Jenny: Dann bin ich ja erleichtert.

 

***

Eine Stunde später wird Martin von seinen Eltern abgeholt und auch die anderen trennen sich von Lars, Sebastian und Jenny. Die drei suchen nach einer freien Bank und sprechen über die bevorstehende Wanderung.

Sebastian: Wann sollen wir denn morgen aufbrechen?

Jenny: Gute Frage. Was meint ihr denn?

Lars: Direkt nach dem Frühstück?

Jenny: Wann gibt's das denn morgen?

Sebastian: Ich vermute, so wie am Wochenende.

Lars: Wir können ja mal eben zum Stein gehen und fragen. Der müsste das doch wissen.

Sebastian: Okay, gehen wir.

 

***

Kurz darauf klopfen die drei schon an die Bürotür von Jennys Klassenlehrer.

Herr Stein: Herein.

Sie betreten das Büro und schließen die Tür hinter sich.

Herr Stein: Hallo, ihr drei. Was gibt's denn?

Jenny: Wir wollten eigentlich nur kurz fragen, von wann bis wann es morgen Frühstück gibt.

Herr Stein: Genau wie am Wochenende, also zwischen sieben und halb elf.

Lars: Gut, dann können wir ja schon zeitig aufbrechen.

Herr Stein: Was habt ihr denn vor?

Sebastian: Wir wollten Jenny ein bisschen von der Gegend zeigen und das mit einer Wanderung verbinden.

Herr Stein: (überrascht) Eine Wanderung?

Jenny: Ja. Warum sind eigentlich immer alle so erstaunt, dass wir wandern wollen?

Herr Stein: Nun ja, es ist doch etwas erstaunlich, dass Jugendliche in eurem Alter freiwillig wandern gehen.

Jenny: Finden Sie?

Herr Stein: Ja. Wisst ihr denn schon, wohin ihr wollt?

Sebastian: So genau noch nicht.

Herr Stein: Es wäre schon gut, wenn ich ungefähr die Richtung wüsste. Nur, falls euch etwas passieren sollte.

Lars: Spontan haben wir an den Wald beim See gedacht.

Herr Stein: Was wollt ihr denn ausgerechnet da?

Sebastian: Wir waren heute mit den Rädern am See und da hat der Wald uns irgendwie magisch angezogen.

Jenny: Zuerst wollten wir heute schon in den Wald, aber da sind die Wege teilweise wirklich nicht befahrbar.

Lars: Und da haben wir dann überlegt, den nächsten freien Nachmittag zu nutzen und in den Wald zu gehen.

Herr Stein: Okay, verstehe. Lasst mich raten: Vorhin habt ihr dann gedacht, warum noch lange warten, wenn morgen ein ganzer Tag frei ist?

Lars: (erstaunt) Stimmt. Aber, woher wissen Sie das?

Herr Stein: Irgendwann war ich ja auch mal jung ...

Sebastian: Also dürfen wir?

Herr Stein: Natürlich. Ich wüsste nicht, was dagegen sprechen sollte. Nur, bevor ihr startet, meldet euch bitte noch kurz bei mir ab.

Lars: Okay, machen wir. Könnte nur eventuell früh sein.

Herr Stein: (lacht) Kein Problem. Ich habe zwar morgen auch keinen Unterricht, aber dafür werde ich die Zeit nutzen, die nächsten Klassenarbeiten vorzubereiten.

Sebastian: Oha, müssen wir uns Sorgen machen?

Herr Stein: Wenn ihr im Unterricht aufpasst und alle Aufgaben gewissenhaft löst, dann nicht.

Jenny: Na dann ...

Lars: Kommt, wir gehen. Bis morgen in aller Frühe dann.

Herr Stein: Bis morgen.

 

***

Auf dem Gang überlegen sie noch kurz weiter.

Sebastian: Was haltet ihr davon, wenn wir uns um halb acht in der Mensa treffen, zusammen frühstücken und dann anschließend direkt durchstarten?

Jenny: Ja, okay. Können wir machen.

Lars: Ich bin auch einverstanden.

Jenny: So, Jungs, ich hau mich dann jetzt auf's Ohr. Will ja morgen früh fit sein. Schlaft gut.

Lars: Du auch, Kleine.

Sebastian: Nacht, Jenny.

 

***

Als Jenny wenig später ihr Zimmer betritt, machen Nina und Sally sich auch schon fertig fürs Bett.

Sally: Hi, Jenny.

Jenny: Hey, seid ihr auch so müde?

Sally: Ja, irgendwie schon. Keine Ahnung wieso.

Nina: Wandert ihr jetzt morgen echt?

Jenny: Ja, um halb acht treffen wir uns zum Frühstück und danach geht's dann los.

Nina: Ui, so früh schon?

Jenny: Wir wollen den Tag halt richtig nutzen.

Sally: Na dann viel Spaß.

Jenny: Danke. Aber, sagt mal, seid ihr sauer, weil ich mit Lars und Sebastian los zieh?

Nina: Quatsch! Wie kommst du denn da drauf?

Jenny: Ich dachte nur grade ...

Sally: Nee, keine Sorge. Alles im grünen Bereich.

Jenny: (erleichtert) Dann ist gut.

Nina: Ja, alles in Ordnung. Also, euch beiden eine gute Nacht und dir, Jenny, morgen viel Spaß.

Sally: Wünsch ich euch auch.

Jenny: Danke. Euch auch einen schönen Tag morgen.

Wenige Minuten später liegen die drei Mädels in ihren Betten und schlafen bald darauf tief und feste.

Unverhofft kommt oft

Um sieben Uhr reißt der Wecker Jenny aus dem Schlaf. Um Nina und Sally nicht auch schon zu wecken, schaltet sie ihn schnell aus. Sie sucht ihre Sachen zusammen und schleicht zwanzig Minuten später leise aus dem Zimmer.

In der Mensa sitzen Lars und Sebastian bereits am Frühstückstisch und warten auf sie. Jenny setzt sich zu den beiden an den Tisch und sie frühstücken gemeinsam.

Jenny: Morgen.

Lars: Morgen, Jenny. Gut geschlafen?

Jenny: Ja, kann mich nicht beklagen. Und ihr?

Sebastian: Auch.

Jenny: Dann mal nen guten Appetit euch.

Lars: Danke, dir auch.

Sebastian: Sollen wir uns für unterwegs auch noch was zum Essen mitnehmen?

Lars: Falls wir wirklich den ganzen Tag unterwegs sein sollten, kann das sicher nicht schaden.

Jenny: Denke ich auch. Vorsichtshalber hab ich aber auch noch ein bisschen zum Naschen eingepackt. Falls uns der Schoko-Hunger überkommen sollte.

Sebastian: So ähnlich haben wir vorhin auch gedacht.

Lars: Aber ein bisschen Herzhaftes kann ja auch nicht schaden. Wir können uns ja nicht den ganzen Tag nur von Süßkram ernähren.

Jenny: Wie ist das denn? Dürfen wir uns einfach etwas von hier mitnehmen?

Lars: Ich denke nicht, dass da jemand was gegen hat.

Sie frühstücken zu Ende und schmieren sich noch ein paar Stullen für unterwegs.

 

***

Nachdem sie sich bei Herrn Stein für den Tag abgemeldet haben, schlendern sie gemütlich Richtung See.

Der strahlendblaue Himmel und die bereits warmen Sonnenstrahlen versprechen erneut einen schönen Tag. Am See angekommen, spiegelt sich das Tageslicht verführerisch auf der leicht gekräuselten Wasseroberfläche und die drei halten für einen Moment inne.

Jenny: Also, gestern war's ja schon echt schön ... aber heute Morgen (seufzt) ... einfach traumhaft.

Sebastian: Stimmt. Sieht richtig romantisch aus.

Lars: (lacht) Ihr habt euch auch gesucht und gefunden.

Jenny: Wie meinst du das?

Sebastian: Das würde mich jetzt ehrlich gesagt aber auch mal interessieren.

Jenny: Also, Lars, sag schon!

Lars: Bin ja schon dabei. Da hätten wir einmal dich, Jenny, mein verträumtes Schwesterherz, und Sebastian, in dem ein verkannter Romantiker schlummert. Ich komm mir vor wie in nem Kitschfilm. Fehlt nur noch, dass ihr euch hier gleich knutschend in die Arme fallt.

Sebastian: Ja, klar. Wer ist denn jetzt der Träumer hier?

Jenny: (lacht) Lasst uns lieber weitergehen. Sonst bekommt ihr mich hier gleich echt nicht mehr weg.

Lars: Alles klar. Dann mal auf zur Schmugglerjagd!

Lachend ziehen sie weiter und werden bald darauf vom schummerigen Licht des Waldes umfangen.

 

***

Nach einiger Zeit biegen sie auf den schmalen Trampelpfad ein. Der holprige, enge Weg macht es ihnen unmöglich, ihr vorher relativ strammes Tempo beizubehalten.

Jenny: Und hier seit ihr echt gejoggt?

Lars: Ja, aber da war der Weg noch etwas breiter.

Sebastian: Wenn das Gestrüpp hier weiter so wuchert, gibt's den Pfad irgendwann überhaupt nicht mehr.

Lars: Da könntest du Recht haben.

Jenny: Wisst ihr eigentlich, wie weit das jetzt noch ungefähr bis zu der Jagdhütte ist?

Sebastian: Grob geschätzt ungefähr ne halbe Stunde.

Lars: Kommt hin, ja. Warum denn, Jenny?

Jenny: Einfach nur so. Was machen wir denn, wenn da gleich tatsächlich jemand an der Hütte ist?

Lars: Gute Frage. Können wir ja dann noch überlegen.

Jenny: Ja, okay.

 

***

Eine gute halbe Stunde später treten sie am Ende des Trampelpfads auf eine Lichtung. Die Jagdhütte befindet sich auf der ihnen gegenüberliegenden Seite.

Lars: Da wären wir.

Sebastian: Ja. Nur wirklich bewohnt sieht sie nicht aus. Die Holzläden sind alle zu und auch sonst ...

Jenny: Überlegt doch mal. Würdet ihr die auflassen, wenn ihr hier Schmuggelware versteckt? So kann zumindest keiner in die Hütte gucken.

Sebastian: Okay, da hast du Recht.

Jenny: Sollen wir trotzdem mal versuchen, einen Blick in die Hütte zu werfen?

Lars: Wie willst du das denn anstellen?

Jenny: Vielleicht ist nicht abgeschlossen.

Sebastian: Ja, klar. Und dann werden wir erwischt. Stell dir mal vor, was das für einen Ärger gäbe.

Lars: Stimmt. Wenn wir auffliegen, wäre das nicht nur für uns, sondern auch für unsere Eltern mega peinlich. Und wir würden auch riskieren, vom Internat zu fliegen.

Jenny: Okay, das wäre ziemlich beschissen. Aber interessieren würde es mich irgendwie trotzdem ...

Lars: Jenny! Weg mit dem Gedanken. Der bringt uns hinterher nur in Teufels Küche.

Jenny: Schon gut, Lars. Keine Panik.

Lars: Naja, ich kenn dich doch.

Jenny: Haha, sehr witzig.

Sebastian: Na, kommt, jetzt streitet euch nicht. Dafür ist viel zu schönes Wetter.

Lars: Wir streiten ja gar nicht.

Jenny: Genau! Seid mal kurz leise ... da war grad was.

Sebastian: Was denn?

Jenny: Ich glaub ... hört ihr das denn wieder nicht?

Lars: Doch, jetzt hör ich auch was. Da kommt ein Auto.

Sebastian: Zurück auf den Trampelpfad?

Jenny: Besser ist das.

Schnell ziehen sie sich auf den schmalen Waldweg zurück und warten gespannt, was passiert. Kurz darauf biegt ein schwarzer Geländewagen auf die Lichtung und hält vor der Hütte. Als zwei Männer aussteigen, gehen Lars, Jenny und Sebastian noch etwas weiter in Deckung.

Die Unterhaltung der Männer dringt bis zu ihnen hinüber.

Mann 1: So, da wären wir also.

Mann 2: Hast du den Schlüssel dabei?

Mann 1: Natürlich. Was denkst du denn?

Mann 2: Alles gut. Dann lass uns mal rein gehen. Hoffentlich hat deine Schwester die Sachen so hingelegt, dass wir alles ohne Probleme finden.

Mann 1: Wird sie wohl. Aber zur Not können wir sie ja auch immer noch anrufen.

Einer der Männer öffnet die Tür und die beiden verschwinden in der Hütte.

Lars, Sebastian und Jenny unterhalten sich leise in ihrem Versteck am Rand der Lichtung.

Lars: Habt ihr das gehört? Ganz schön verdächtig.

Jenny: Auffälliger geht’s echt nicht.

Sebastian: Bleibt nur die Frage, ob das die Besitzer sind.

Lars: Oder womöglich doch Schmuggler ... (lacht)

Jenny: Sehr witzig. Am Ende habt ihr den Gedanken doch auch nicht mehr so abwegig gefunden.

Sebastian: Schon gut, Jenny. Ich muss auch gestehen, ich fand deine Idee anfangs ja doch ziemlich absurd, aber sie hat mich trotzdem nicht mehr losgelassen.

Jenny: Was willst du damit jetzt sagen?

Sebastian: Ich hab gestern noch im Internet gesurft.

Lars: Ach, deshalb warst du so lange verschwunden.

Sebastian: Ja, genau. Und, ob ihr es glaubt oder nicht, hier in der Gegend sind wirklich schon mal Schmuggler unterwegs gewesen.

Jenny: (skeptisch) Meinst du das jetzt ernst?

Sebastian: Todernst.

Jenny: Das klingt aber jetzt doch etwas unheimlich.

Lars: Keine Angst, Kleine. Wir sind ja bei dir.

Jenny: Sehr witzig ...

Lars: (beschwichtigend) Schon gut. Nur, was machen wir jetzt? Hier die ganze Zeit im Gestrüpp zu hocken, da hab ich nicht wirklich Lust drauf.

Sebastian: Wie wär's wenn wir einfach so tun, als wenn wir jetzt erst hier entlang kämen?

Jenny: Versuchen können wir's ja mal. Aber ob das reicht? ... Da bin ich mir nicht so sicher.

Sebastian: Hast du eine bessere Idee?

Jenny: Ich überleg gerade.

Lars: Okay, dann überleg mal.

Jenny: Mit dem jetzt erst hier entlang kommen, ist ja schon nicht schlecht. Nur nützt uns das nicht wirklich, um auch in die Hütte rein zu kommen.

Lars: Och, Jenny, das hatten wir doch vorhin schon. Wie bitte willst du das anstellen?

Jenny: Es könnte doch einer von uns so tun, als wenn er umgeknickt wäre. Ich mein, bei dem Trampelpfad wäre das ja nicht allzu weit hergeholt, oder?

Sebastian: Stimmt. Da kann man wirklich schnell mal umknicken bei dem ganzen Wurzelzeugs.

Lars: Okay, das würde passen. Aber was dann?

Jenny: Denkt doch mal nach. Einer knickt um, wir kommen hier auf die Lichtung und was sehen wir?

Sebastian: Die Hütte und das Auto.

Jenny: Genau!

Lars: Aber helfen tut uns das auch nicht.

Sebastian: Doch, klar, könnte es schon. Überleg mal, nen Verbandskasten müssten die dann auf jeden Fall haben und vielleicht sogar ne Sportsalbe.

Lars: Ah, okay. Das klingt logisch, ja. Du meinst also, dass wir dann zur Hütte gehen, dort klopfen und darauf hoffen, dass sie uns rein bitten?

Jenny: Ja, genau. Und wenn uns irgendwas verdächtig vorkommt, dann müssen wir eben zurück ins Internat. Die werden uns wohl kaum hier festhalten.

Sebastian: Okay, dann machen wir das. Bleibt nur noch zu klären, wer von uns den Verletzten mimt. Für mich ist das nichts, ich bin nicht so der Schauspieler.

Lars: Ich weiß auch nicht, ob ich das hinkriegen würde.

Jenny: Dann probier ich es. Aber ihr müsst mir helfen.

Sebastian: Klar, machen wir. Ist doch logisch.

Sie gehen den Pfad ein Stück zurück und kehren dann wieder um. Plötzlich knickt Jenny, die ein Stück hinter den Jungs geht, wirklich um.

Jenny: Autsch! Scheiße, tut das weh.

Sie lässt sich auf den Boden sinken und reibt ihren Knöchel. Weder Lars noch Sebastian haben etwas von ihrem Zurückbleiben gemerkt.

Jenny: Lars! Sebastian! Wartet mal!

Überrascht bleiben die Jungs stehen und drehen sich um.

Sebastian: Was ist denn? Brauchst du eine Pause?

Lars: Jetzt komm schon, Jenny.

Jenny: Geht nicht. Ich bin voll umgeknickt.

Lars und Sebastian gehen zu Jenny zurück.

Sebastian: Sag mal, weinst du?

Jenny: (blinzelt) Nee, ich tu nur so.

Lars: Ganz so übertrieben musst du's jetzt aber auch wieder nicht spielen, Jenny.

Sebastian: Wieso denn nicht? Ist doch eigentlich eine gute Idee. Dann wirkt's doch gleich viel echter.

Jenny: Habt ihr mir grade nicht zugehört? Ich spiele nicht, sondern bin echt umgeknickt.

Sebastian: Das ist doch jetzt nicht wahr, oder?

Lars: (ironisch) Klar, und beim Fernsehen brechen sie sich auch immer echt die Knochen.

Jenny: Das war doch keine Absicht! Aber was soll ich machen? Es ist nun mal passiert.

Lars: Schon klar. Komm, steh wieder auf und dann gehen wir weiter bis zur Hütte.

Jenny steht auf und tritt vorsichtig auf.

Jenny: Fuck!

Sebastian: Moment, warte, Jenny. (legt seinen Arm um Jenny) Komm, Lars, wir stützen sie ein bisschen.

Jenny: Danke.

Lars: (stützt Jenny von der anderen Seite) Naja, wirkt sicher auch echter so, als wenn du normal gehst.

Jenny: Lars, ich spiel das jetzt echt nicht mehr.

Lars: Ja, ja, schon klar.

Gestützt von ihrem Bruder und Sebastian kommt Jenny einigermaßen vorwärts. Langsam gehen sie auf die Lichtung und die Hütte zu.

Sebastian: (leise) Also, weiter mit dem Plan?

Jenny: (nickt) Ja, klar.

Lars: Okay. (lauter) Guckt mal, ein Auto!

Sebastian: Vielleicht haben wir Glück und es ist tatsächlich jemand in der Hütte.

Jenny: Lasst uns mal klopfen!

Lars: Machen wir. Und ansonsten warten wir eben da vorne auf der Bank. Irgendwann wird ja der Autobesitzer sicher zurückkommen.

 

***

An der Hütte angekommen, klopft Lars an die Tür. Wenige Augenblicke später wird die Tür geöffnet und einer der beiden Männer steht im Türrahmen.

Mann 1: Oh, hallo. Was gibt's denn?

Jenny: Hallo. Entschuldigen Sie bitte die Störung. Ich bin gerade dort hinten auf dem Waldweg umgeknickt.

Mann 1: Na, dann kommt mal rein.

Lars: Danke, aber wir wollen keine Umstände machen.

Mann 1: Macht ihr nicht. Und vielleicht kann mein Freund dann gleich auch direkt mal bei den Fuß sehen, wenn er zurück ist. Meinst du, du hältst es noch etwas aus? Oder soll ich ihn anrufen?

Jenny: Keine Ahnung. Ich versuch's aber mal.

Mann 1: Okay, dann mal rein mit euch.

Sie gehen mit dem Mann in die Küche der Hütte und setzen sich nebeneinander auf die Eckbank am Küchentisch.

Mann 1: Wollt ihr etwas trinken?

Sebastian: Gerne.

Auch Jenny und Lars nicken zustimmend.

Der Mann stellt Gläser und eine Flasche Cola vor sie.

Mann 1: Nehmt euch soviel ihr wollt. Es ist genug da.

Lars: Danke. (füllt Cola ein) Nett hier, richtig gemütlich.

Mann 1: Ja, so ein altes Jagdhäuschen hat schon was für sich. Vor allem, da es schon so lange in Familienbesitz ist.

Sebastian: Wirklich nicht schlecht. Entschuldigen Sie die Frage, aber, Sie hatten grade eben Ihren Freund erwähnt. Wo ist der denn?

Mann 1: Er wollte ein bisschen Brennholz holen. Es ist nachts ja doch ab und an schon recht kühl und bevor wir hinterher nachts wegen Holz raus müssen ...

Lars: Okay, das klingt logisch.

Mann 1: Aber ich denke, er müsste jeden Moment wieder kommen. Was macht denn dein Fuß?

Jenny: Naja, er pocht ganz ordentlich.

Mann 1: Zieh doch deinen Schuh aus und leg den Fuß etwas hoch. Vielleicht hilft das schon ein wenig.

Jenny: Danke.

Während sie dem Vorschlag des Mannes nachkommt, beugt Lars sich zu Sebastian rüber.

Lars: (flüstert) Findest du nicht auch, dass Jenny ein bisschen dick aufträgt?

Sebastian: (ebenso leise) Vielleicht etwas, ja.

Jenny: Was tuschelt ihr denn da?

Lars: Alles gut, Kleine.

Jenny: Sicher?

Sebastian: Klar.

Etwa fünf Minuten später kommt der zweite Mann rein.

Mann 2: Oh, wen haben wir denn da? Ralf, das Holz hab ich draußen vor der Tür abgelegt.

Mann 1: Alles klar. Die drei standen plötzlich vor der Tür. Kannst du dir den Fuß von dem Mädel mal grade angucken? Sie ist umgeknickt.

Mann 2: Ja, klar, mach ich.

Mann 1: Du bist doch sicher froh, wenn du zwischendurch mal etwas zu tun hast.

Mann 2: Als Arzt ist man eben ständig im Einsatz.

Lars und Sebastian werfen sich beunruhigte Blicke zu. Jenny hingegen bleibt ganz ruhig.

Mann 2: Na, dann zeig mir mal deinen Fuß.

Jenny: Aber bitte vorsichtig.

Mann 2: Natürlich.

Vorsichtig hebt er Jennys Fuß an, bewegt ihn leicht hin und her und tastet den Knöchel ab.

Mann 1: Und?

Mann 2: Sieht nicht so gut aus. Könntest du bitte mal eben den Verbandskasten aus dem Auto holen?

Mann 1: Mach ich.

Lars: (zerknirscht) Oh man, sorry, Jenny. Und wir haben's dir nicht geglaubt.

Jenny: Schon okay, Lars.

Lars: Wissen Sie, wir sollten für die Schule mal testen, wie die Leute reagieren, wenn plötzlich jemand bei ihnen auftaucht, der sich verletzt hat. Und, naja, Sebastian und ich sind davon ausgegangen, dass Jenny das jetzt austesten wollte und uns nur nichts davon gesagt hat, damit wir uns nicht auf einmal verplappern.

Mann 2: (schmunzelt) Na, da seid ihr für den Test ja direkt an die richtigen Leute geraten.

Sebastian: Meint ihr nicht auch, wir sollten lieber den wahren Grund verraten?

Lars: Vielleicht hast du Recht. Bevor es hinterher irgendwie anders raus kommt ...

Jenny: Aber erst, nachdem mein Fuß versorgt ist. Okay?

Mann 2: Warum? Ist es so schlimm, dass du denkst, ich würde mich danach nicht mehr um deinen Fuß kümmern?

Jenny: Möglich wäre es zumindest.

Mann 2: Und wenn ich euch verspreche, mich auf jeden Fall weiter darum zu kümmern?

Lars: Okay, wir sagen es Ihnen. Aber Sie dürfen danach nicht sauer auf uns sein.

Mann 2: (schmunzelt) Alles klar, versprochen.

Sebastian: Okay, wo fangen wir an?

Mann 2: Bitte nicht bei Adam und Eva.

Jenny: (lacht) Nee, ich glaube, ganz so weit müssen wir nicht zurückschweifen.

Sebastian: Alles klar, ich probier's mal. Wir hatten gestern Nachmittag keine AG und haben daraufhin eine Fahrradtour zum See gemacht. Von da aus sind wir in den Wald und an dem kleinen Trampelpfad vorbeigekommen. Lars und ich haben uns dann an die Hütte hier erinnert.

Jenny: Und da kam bei mir der Gedanke auf, ob die Hütte vielleicht Schmugglern als Versteck dienen könnte.

Sebastian: Wir haben das zuerst als Blödsinn abgetan, aber gestern Abend hat mich das nicht mehr losgelassen. Dann hab ich ein bisschen im Internet gesurft und bin auf einen Artikel gestoßen, dass hier in der Nähe tatsächlich schon mal welche unter Schmuggelverdacht gestanden haben. Die Polizei konnte denen aber wohl nichts nachweisen und tappt noch immer im Dunkeln.

Lars: Ja, und als dann heute der Unterricht komplett ausfiel, war uns klar, dass wir auf jeden Fall zur Hütte müssen. Wir waren noch nicht lange hier, da sind Sie und Ihr Freund angekommen. Da haben wir uns dann schnell hinter den Bäumen versteckt und Sie beobachtet. Naja, wir dachten halt, Sie wären die Schmuggler ...

Jenny: Und dann musste ein Plan her. Um rauszukriegen, ob an unserer Vermutung was dran ist, wollten wir so tun, als hätte sich einer den Fuß verknackst. Und dann bin wirklich umgeknickt. Den Rest kennen Sie ja ...

Mann 2: Na, da habt ihr euch ja schön was zurechtgesponnen. (lacht) Aber wieso habt ihr eurer Freundin nicht geglaubt, dass sie wirklich umgeknickt ist?

Sebastian: Ehrlich gesagt, weiß ich das selber nicht mehr. Wir dachten halt irgendwie, sie würde ein bisschen auf die Tränendrüse drücken, damit das alles realer wirkt.

Die Tür geht auf und der andere Mann kommt zurück.

Mann 2: Da bist du ja wieder.

Mann 1: Ja, hat was länger gedauert. Beim nächsten Mal mach doch bitte ein Hinweisschild in den Kofferraum, wo du den Verbandskasten versteckt hast.

Mann 2: (lacht) Okay, mach ich.

Mann 1: Was schaut ihr denn so ernst? Ist es doch schlimmer als gedacht mit dem Fuß?

Jenny: Naja, es geht. Er tut schon nicht mehr ganz so heftig weh wie am Anfang.

Mann 2: Es tut mir leid, aber ich muss es ihm einfach verraten. Weißt du, wofür uns die drei gehalten haben?

Mann 1: Nein. Für wen oder was denn?

Mann 2: Für Schmuggler.

Die beiden Männer brechen in lautes Gelächter aus und kurz danach fallen auch Jenny, Lars und Sebastian mit ein.

Mann 1: Na sowas aber auch. Da will man einmal mit einem Kumpel ein paar Tage im Jagdhaus verbringen und was ist? Man wird direkt für Schmuggler gehalten.

Lars: Tut uns echt leid ...

Mann 1: Macht euch nichts draus. Früher hab ich auch hinter allem und jedem ein Verbrechen vermutet. Aus dem Grund habe ich dann auch nach der Schule eine Ausbildung bei der Polizei begonnen.

Jenny: Wie bitte? Jetzt nicht wirklich, oder? Das wird ja von Minute zu Minute peinlicher.

Mann 2: Ich würde vorschlagen, wir vergessen die ganze Sache und ich mach dir erstmal einen gescheiten Salbenverband um den Fuß.

Jenny: Ja, okay.

Mann 1: Achso, wir sind übrigens Sven und Ralf.

Lars: Und wir Jenny, Sebastian und Lars.

Mann 2: Dann aber auch direkt noch eines: das "Sie" packen wir mal auf Seite, ab sofort wird geduzt. Es sei denn, ihr habt ein Problem damit.

Sebastian: Ist schon in Ordnung, denke ich. Aber ... wer von Ihnen ... äh ... euch ist wer?

Mann 1: Der Doc ist Sven und ich bin Ralf.

Sebastian: Okay, danke.

Sven schmiert Jennys Knöchel dick mit Salbe ein und wickelt ihr einen stützenden Verband um den Fuß. Anschließend sitzen sie gemütlich plaudernd zusammen.

 

 

***

Nach ein paar Stunden schaut Sven sich Jennys Fuß noch einmal etwas genauer an.

Sven: Ich fürchte, an einem Besuch im Krankenhaus führt wohl kein Weg dran vorbei.

Jenny: Was? Wieso denn? Das geht nicht ...

Sven: Dein Fuß ist noch dicker geworden und ich kann nicht ausschließen, dass du dir den Knöchel nicht vielleicht doch gebrochen hast oder ein Band gerissen ist.

Jenny: Aber ...

Lars: Jenny, bitte. Wenn es sein muss, dann muss es eben sein. Ich glaube nicht, dass Sven das einfach nur so sagt. Das klingt doch vernünftig.

Jenny: Und wenn ich da bleiben muss? (verschränkt die Arme vor der Brust) Ich will auf keinen Fall ins Krankenhaus!

Sven: Es geht doch nur darum, dass dein Fuß geröntgt wird. Von mehr spricht doch niemand.

Sebastian: Sven hat Recht, Jenny.

Jenny: Ja, schon klar. Nur ... ich möchte halt auf keinen Fall im Krankenhaus bleiben. Sonst kann ich hinterher Samstag nicht mit zur Beerdigung.

Lars: Ach, Jenny. (nimmt seine Schwester in den Arm) Klar kommst du mit zur Beerdigung.

Sven: Warum müsst ihr denn auf eine Beerdigung?

Lars: Am Sonntag hatten unsere Eltern, nachdem sie Jenny ins Internat gebracht haben, einen Unfall auf der Autobahn. Irgendwo in der Nähe von Nürnberg ist ihnen ein anderer mit überhöhter Geschwindigkeit ins Auto gefahren. Unser Vater hat kaum was abbekommen, aber ... unsere Mutter ist ... sie hat es nicht geschafft.

Sven: Oh, das tut mir leid.

Ralf: Mir auch.

Jenny: (leise) Und ich bin Schuld.

Sebastian: Wer sagt denn das???

Jenny: Na, ich. Wenn ich nicht unbedingt ins Internat gewollt hätte, dann wäre der Unfall nie passiert.

Lars: Quatsch! Der Unfall hätte doch jederzeit auch woanders passieren können.

Jenny: Ich bin Schuld! Und egal, was ihr sagt, daran kann keiner was ändern ...

Ralf: Wenn du dir Vorwürfe machst, hilft es weder dir, noch bringt es deine Mutter zurück.

Jenny: (zögernd) Okay, vielleicht hast du Recht ...

Sebastian: Natürlich hat Ralf Recht ... Aber, sagt mal, wie viel Uhr haben wir eigentlich?

Sven: Gleich halb sechs. Warum?

Lars: Dann sollten wir jetzt wohl mal so langsam los.

Sebastian: Stimmt. Sonst schaffen wir es nicht, pünktlich zum Abendessen im Internat zurück zu sein. Wird eh schon knapp und jetzt mit Jennys kaputtem Fuß, da brauchen wir auf jeden Fall länger als normal.

Ralf: Ihr denkt doch wohl nicht, dass wir euch jetzt zurückgehen lassen, oder?

Lars: Wie sollen wir denn sonst zurückkommen?

Sven: Wir fahren euch.

Lars: Echt?

Ralf: Natürlich. Dann können wir auch zur Not gleich mit Jenny ins Krankenhaus fahren, falls sonst keiner Zeit hat.

Sebastian: Das ist echt nett von euch, aber es muss wirklich nicht unbedingt sein.

Sven: Wir können es natürlich auch so machen, dass wir nur Jenny ins Internat bringen. Und ihr zwei geht zu Fuß.

Lars: Ach nee, lass mal. Ist schon in Ordnung, wenn ihr uns auch mitnehmt.

Ralf: Dann sollten wir aber besser jetzt auch gleich mal losfahren, oder?

Sebastian: Ja, wäre sicher nicht verkehrt. Dann sind wir vielleicht pünktlich zum Abendessen im Internat.

Sven: Wir fahren zuerst zum Internat. Da sehen wir dann weiter. Jenny, ich befürchte, in deinen Schuh kommst du vorläufig nicht rein.

Jenny: Macht nichts, das geht schon irgendwie.

Sie gehen zum Auto raus und sind kurze Zeit später auf dem Weg zum Internat.

 

***

Dort angekommen, stützen Lars und Sebastian Jenny, während sie die Treppe zum Eingang hoch gehen.

Lars: Und was machen wir jetzt?

Sebastian: Ich würde sagen, wir gehen direkt zum Stein und sagen ihm, was passiert ist.

Jenny: Muss das sein?

Sebastian: Klar. Was denkst du denn? Wie willst du das mit dem Fuß verheimlichen?

Jenny: Mist, du hast Recht. (seufzt) Also gut, auf in die Höhle des Löwen ...

Sven: Wir sind ja auch noch da.

Als sie vor der Bürotür stehen, klopft Sebastian an und wirft Jenny dabei ein aufmunterndes Lächeln zu.

Herr Stein: Herein!

Sie betreten das Büro.

Herr Stein: (erschrocken) Oh Gott! Was ist dir denn passiert, Jenny? Setz dich erstmal hin.

Jenny: Danke. (setzt sich) Alles nicht so schlimm, wie es aussieht. Ich bin nur im Wald umgeknickt.

Sven: Naja, wie schlimm es ist, wissen wir ja noch nicht.

Herr Stein: Und wer sind Sie, bitte?

Ralf: Sven Krüger und Ralf Meyer.

Sven: Die drei haben nach dem kleinen Unglück unser Auto vor der Jagdhütte stehen gesehen. Ich bin Arzt und konnte mich direkt um Jennys Knöchel kümmern. Und damit die drei nicht zurück laufen mussten, haben wir sie kurzerhand eben hierhin zurückgebracht.

Herr Stein: Verstehe, vielen Dank. Jörg Stein, Vertrauenslehrer des Internats und zugleich Jennys Klassenlehrer. Aber, was meinten Sie vorhin, als Sie gesagt haben, es wäre noch nicht sicher, wie schlimm die Verletzung sei?

Sven: Ich würde vorschlagen, dass Jenny so schnell wie möglich zum Röntgen in ein Krankenhaus gebracht wird.

Herr Stein: Okay, das klingt vernünftig. Ich kläre nur noch eben kurz mit Herrn Lorenz, wer von uns mit ihr ins Krankenhaus fährt und dann können wir los.

Ralf: Wir könnten das auch übernehmen. Deshalb sind wir auch mit reingekommen.

Herr Stein: Das wäre natürlich optimal. Jenny, wäre das für dich denn auch okay?

Jenny: Ja, klar. Kein Problem.

Lars: Könnte ich Jenny begleiten?

Herr Stein: Kein Problem. Sebastian, du bleibst aber bitte hier. Eine Begleitperson reicht.

Sebastian: Na gut, ja. Dann toi, toi, toi, Jenny!

 

***

Zwei Stunden später befinden sich Lars, Jenny, Sven und Ralf wieder auf dem Weg zum Internat.

Jenny: Da hab ich wohl noch mal Schwein gehabt, was?

Sven: Das kann man wohl sagen. Aber schon den Fuß bitte wirklich. Und, kein Sport die nächsten zwei Wochen!

Jenny: Ja, ich werd's versuchen.

Lars: Ich pass schon auf, dass du es nicht übertreibst. Und die Hausmutter wird sicher auch drachenmäßig ein Auge auf dich werfen.

Jenny: Oh Gott, bloß nicht. Du reichst schon.

Lars: Na, danke auch.

Jenny: Ach, komm, war doch nur ein Scherz.

Lars: Das will ich aber auch hoffen, Kleine.

Jenny: Klar, was denkst du denn?

Ralf: Habt ihr eigentlich im Internat auch einen Arzt?

Lars: Nee, die einfache medizinische Versorgung übernimmt die Hausmutter und wenn's schlimmer ist, kommt einer von den Münchener Ärzten vorbei. Aber ich glaub, der steht auch kurz vor der Rente. Warum fragst du?

Ralf: Ich dachte dabei eigentlich an Sven.

Jenny: Wieso denn das? Bist du, da, wo du jetzt arbeitest, nicht zufrieden, Sven?

Sven: Doch, ich hab mich da sehr wohlgefühlt.

Jenny: Du hast dich wohlgefühlt?

Sven: Ja. Dummerweise ist der Arzt, bei dem ich gearbeitet habe, mit seiner Familie ausgewandert. Und alleine ist es mir unmöglich, die Praxis zu übernehmen.

Jenny: Das ist ja blöd. Also hängst du quasi im Moment jobmäßig in der Luft?

Sven: Ja, genau.

Jenny: Da muss sich doch was machen lassen ...

Lars: Was heckst du jetzt wieder aus?

Jenny: Ich verrat noch nichts. Erstmal gucken, ob das alles überhaupt so klappt, wie ich es mir vorstelle.

Sven: Ralf, gib den beiden doch mal unsere Handynummern. Wenn was sein sollte oder das mit deinem Fuß schlimmer wird, dann ruft ihr einfach an.

Ralf: Okay, mach ich.

Er sagt Lars und Jenny ihre Handynummern.

Lars: Danke. Aber wir können euch doch nicht wegen jedem Scheiß anrufen.

Sven: Sollt ihr ja auch gar nicht. Aber wer weiß, wofür ihr die Nummern mal gebrauchen könnt.

Ralf: Außerdem würden wir uns freuen, wenn wir uns vielleicht irgendwann noch mal sehen.

Jenny: (gedankenverloren) Vielleicht geschieht das ja sogar schneller als gedacht ...

Sven: Du sprichst in Rätseln, Jenny.

Jenny: Ist nicht schlimm.

Mittlerweile sind sie am Internat angekommen. Lars und Jenny verabschieden sich von Sven und Ralf und gehen anschließend rein.

Lars: Dann geh ich kurz zum Stein und sag Bescheid, dass wir wieder da sind.

Jenny: Ach, lass ruhig. Das kann ich doch machen. Dann kann ich ihm auch direkt sagen, dass ich vorerst keinen Sport machen darf.

Lars: Okay, wie du meinst. Ich dachte ja nur, dass du vielleicht deinen Fuß hochlegen willst.

Jenny: Kann ich danach ja noch machen.

Lars: Na gut. Dann schau ich mal, ob ich noch irgendwo ein bisschen zum Essen aufgetrieben bekomme.

Jenny: Viel Erfolg.

 

***

Wenig später steht Jenny mit klopfendem Herzen vor der Bürotür ihres Klassenlehrers.

Jenny: Okay, wer nicht wagt, der nicht gewinnt.

Sie klopft an und darf kurz darauf eintreten.

Jenny: Hallo, Herr Stein. Darf ich Sie mal kurz stören?

Herr Stein: Klar. Setz dich doch. Was macht der Fuß?

Jenny: Danke. (setzt sich) Ich bin noch mal mit nem blauen Auge davongekommen. Ist nichts gebrochen.

Herr Stein: Das klingt doch gut.

Jenny: Ja, nur darf ich die nächsten zwei Wochen erstmal möglichst keinen Sport machen.

Herr Stein: Okay, das sollte sich einrichten lassen. Aber deshalb bist du doch jetzt sicher nicht gekommen, oder?

Jenny: Nicht nur. Ich wollte Sie auch noch was fragen.

Herr Stein: Dann mach das doch einfach.

Jenny: Ich weiß nicht genau, wie ich das sagen soll ...

Herr Stein: Dabei kann ich dir leider nicht helfen. Aber sag doch einfach, was dir auf dem Herzen liegt.

Jenny: Okay, also, was ich wissen wollte: Könnte man hier nicht auch einen Arzt gebrauchen?

Herr Stein: Manchmal wäre das sicherlich nicht verkehrt. Warum fragst du?

Jenny: Wir sind vorhin auf der Rückfahrt vom Krankenhaus auf das Thema zu sprechen gekommen.

Herr Stein: Geht es vielleicht etwas genauer?

Jenny: Ralf, also Herr Meyer, meinte vorhin, ob hier auch ein Arzt wäre. Lars hat daraufhin erzählt, dass die Hausmutter sich um kleine Wehwehchen kümmert und, wenn es erforderlich sei, ein Münchener Arzt dazu gerufen würde.

Herr Stein: Das stimmt auch. Nur verstehe ich noch nicht, worauf du hinaus willst.

Jenny: Ich bin ja auch noch nicht fertig. Also, der Arzt, bei dem Sven - Herr Krüger - zuletzt gearbeitet hat, ist mit seiner Familie ausgewandert und jetzt steht er ohne Job da. Und, ich meine, Sven ist echt in Ordnung und als Lars dann auch noch meinte, dass der Arzt, der sonst hier schon mal hinkommt, eh kurz vor der Rente steht ...

Herr Stein: Da habt ihr euch gedacht, warum sollte nicht jemand anders die Chance bekommen?

Jenny: Ja, genau. So ungefähr hab ich mir das gedacht. Ich weiß, es ist weit hergeholt und natürlich auch keine Sache, die so Hals über Kopf entschieden werden kann.

Herr Stein: Schlecht wäre es sicherlich nicht und die Jüngste ist die Hausmutter ja auch nicht mehr. Hast du vielleicht eine Telefonnummer, unter der wir Herrn Krüger im Fall des Falles erreichen können.

Jenny: Ja, hab ich im Handy.

Herr Stein: Dann schreib mir die bitte mal auf und ich werde mal mit Herrn Lorenz über dein Anliegen sprechen.

Jenny: (schreibt die Nummer auf und reicht ihrem Lehrer den Zettel) Echt? Das wäre ja super!

Herr Stein: Freu dich aber bitte nicht zu früh, versprechen kann ich dir jetzt noch nichts.

Jenny: Schon klar, aber trotzdem danke!

Herr Stein: Kein Problem. Ist noch etwas?

Jenny: Würden Sie mir anschließend Bescheid sagen, was bei dem Gespräch rauskommt?

Herr Stein: (lächelt) Mach ich. Dann geh mal noch was zu den anderen. Ein bisschen Zeit habt ihr ja noch.

Jenny: Okay. Und, danke noch mal!

 

***

Bereits kurze Zeit später informiert Herr Stein Jenny, dass Sven bereits ein Jobangebot unterbreitet wurde und er am nächsten Tag zu einem abklärenden Gespräch im Internat vorbeikommen wird. Jenny freut sich darüber so sehr, dass sie erneut umknickt. Mit einem Aufschrei lässt sie sich zurück auf den Stuhl fallen. Ihr Klassenlehrer, der den Gemeinschaftsraum bereits wieder verlassen hat, bekommt davon jedoch nichts mehr mit.

Jenny: Scheiße, tut das weh!

Klaudia: (trocken) Tja, vielleicht solltest du beim nächsten Mal zuerst über die Konsequenzen nachdenken, bevor du so ein Spektakel aufführst.

Martin: Halt du bloß deine Klappe. Du hast doch überhaupt keine Ahnung. Außerdem interessiert hier niemanden, was du zu sagen hast.

Nina: Martin, lass gut sein. Beachte sie einfach nicht.

Sally: Komm, Jenny, wir gehen aufs Zimmer.

Jenny: Okay. Nina, sagst du Lars Bescheid?

Nina: Ja, klar, mach ich.

 

***

Auf ihrem Zimmer legt Jenny sich aufs Bett.

Jenny: Danke, Sally.

Sally: Gerne. Aber sag mal, was meinte der Stein vorhin?

Jenny: Ist ne längere Geschichte.

Sally: Naja, ich hab Zeit.

Jenny erzählt Sally von den Erlebnissen des Tages. Mittendrin kommt Nina mit Lars und Sebastian im Schlepptau ebenfalls ins Zimmer. Auch sie freuen sich, dass Sven eine Chance bekommt.

Lars: Das ist doch super! Aber, was macht dein Fuß?

Jenny: Ist schon wieder was besser.

Sebastian: Sicher? Sollen wir Sven nicht lieber anrufen?

Jenny: Nee, lasst mal. Er kann ja morgen noch mal bei den Fuß gucken, wenn er doch eh her kommt.

Sebastian: Wieso bist du eigentlich wieder umgeknickt?

Jenny: Ich hatte mich so für Sven gefreut. Shit happens.

Lars: Dann freu dich beim nächsten Mal aber bitte wieder etwas vorsichtiger, okay?

Jenny: Ja, Klaudia ...

Lars: Hä? Wie jetzt?

Nina: Ach, Klaudia hat vorhin was ganz Ähnliches zu ihr gesagt. Aber doch in einem etwas anderen Tonfall.

Sally: So, wie sie halt immer hupt.

Lars: Okay, verstehe. (lacht) Aber mit der willst du mich doch wohl jetzt nicht auf eine Stufe stellen, oder?

Jenny: Mit der? Nee, nee, bestimmt nicht! Sagt mal, wie viel Uhr haben wir eigentlich?

Sebastian: Zehn vor neun. Warum?

Jenny: Ach, nur so.

Lars: Willst du schlafen?

Jenny: Hmm, bin irgendwie saumüde. Aber ich will euch auch nicht aus dem Zimmer jagen.

Sebastian: Ach, iwo. Ehrlich gesagt, bin ich auch müde.

Lars: Und ich auch. Dann schlaf mal gut, Kleine.

Jenny: Danke, ihr auch.

Lars und Sebastian verabschieden sich von den Mädels und verlassen das Zimmer. Ein paar Minuten später schläft Jenny bereits tief und feste. Sie bekommt gar nicht mehr mit, dass die Hausmutter um kurz nach neun ins Zimmer kommt, um zu gucken, wie es ihr geht. Auch Nina und Sally liegen kurz darauf in ihren Betten und die Mädels schlafen dem nächsten Tag entgegen.

 

***

Während bei den Mädels so langsam Ruhe einkehrt, liegen Lars und Sebastian noch wach.

Lars: Ich hatte echt gehofft, dass du mit deiner Vermutung daneben liegst.

Sebastian: Was meinst du?

Lars: Dass Jenny sich die Schuld am Unfall unserer Eltern gibt. Da müssen wir sie auf jeden Fall von wegkriegen.

Sebastian: Ja, stimmt. Hast du schon eine Idee, wie wir das anstellen können?

Lars: Nein, noch nicht wirklich. Leider ...

Sebastian: Vielleicht schaffen wir's, wenn wir sie ablenken. Da müssten die anderen vielleicht auch mit ziehen, aber ich denke, dass machen sie auch.

Lars: Gute Idee.

Sebastian: Dann machen wir das auf alle Fälle.

Lars: Danke.

Sebastian: Ist doch selbstverständlich.

Lars: Trotzdem. (zögert) Aber, weißt du was? Ich schreib Sven jetzt noch kurz. Auch wenn Jenny das garantiert nicht gefallen wird.

Sebastian: Dann bitte Sven doch, Jenny gegenüber nichts zu erwähnen.

Lars: Meinst du?

Sebastian: Versuchen kannst du's doch.

Lars: Stimmt, hast Recht. (beginnt zu tippen) Meinst du das geht so: Hey Sven, wir wollten dir nur kurz Bescheid sagen, dass Jenny vorhin noch mal umgeknickt ist. Sie wollte nicht, dass wir dir was sagen, aber Sebastian und ich sind der Meinung, dass du es erfahren solltest. Wäre super, wenn du dir morgen nichts anmerken lässt, wenn du hierher kommst. Gruß Lars und Sebastian.

Sebastian: Ich würde sagen, das passt.

Lars: Okay ... ist raus.

Sebastian: Gut. Aber, sag mal, wie geht's dir eigentlich?

Lars: Wie meinst du das jetzt?

Sebastian: Naja, du machst dir die ganze Zeit nur Sorgen, wie Jenny mit dem Tod eurer Mutter klar kommt, hast aber noch kein einziges Wort darüber verloren, wie es dir selber dabei geht.

Lars: Wie soll's mir dabei gehen? Beschissen natürlich. Aber es lenkt mich ab, wenn ich mich darum kümmer oder bemühe, dass es Jenny einigermaßen gut geht.

Sebastian: Hmm, okay, verstehe. Nur, denk bitte auch ein bisschen an dich. Bringt ja nichts, wenn du am Ende selber zusammenbrichst.

Lars: Ich versuch's. Ich hab einfach im Moment das Gefühl, dass Jenny meine Unterstützung braucht.

Sebastian: Das versteh ich ja auch. Und wie gesagt, egal was ist, ich bin für euch da.

Lars: Danke. Bin echt froh, dass ich dich als Freund habe. Und auch, dass du dich mit Jenny auch so gut verstehst.

Sebastian: (lacht) Das kann ich nur zurückgeben. Aber ich glaube, wir sollten mal so langsam ans Schlafen denken, oder? Sonst verschlafen wir hinterher morgen früh noch den Weckgong und kriegen Ärger.

Lars: Ja, stimmt. Hast Recht. (sein Handy piept) Oh, Sven hat schon geantwortet.

Sebastian: Und? Was schreibt er?

Lars: Warte, ich gucke. (öffnet die Nachricht) Er schreibt: Danke, dass ihr mir Bescheid gegeben habt. Ich werde versuchen, so zu tun als wüsste ich nichts. Denke, ich werde so gegen Mittag im Internat eintrudeln, wir sehen uns dann sicher auch. Gruß auch von Ralf. Sven.

Sebastian: Na, dann ist doch alles im Lot. (gähnt) So, jetzt aber echt gute Nacht.

Lars: Gute Nacht.

Sie machen das Licht aus und schlafen kurz darauf ein.

Ein neuer Job für Sven

Beim Frühstück am nächsten Morgen fehlen Nina, Sally und Jenny am Tisch der dritten Klasse.

Martin: Weiß einer von euch, was mit den dreien los ist?

Nico: Nee, keine Ahnung.

Marco: Vielleicht haben sie verschlafen.

Sascha: Das könnte Ärger geben. So ein Mist, der Kreuzer kommt rüber. Was sagen wir dem?

Nico: Alle drei krank?

Martin: Brringt doch eh nichts.

Herr Kreuzer: Guten Morgen, zusammen. Wisst ihr, wo Nina, Sally und Jenny sind?

Martin: Nein, nicht wirklich. Wir wundern uns auch schon die ganze Zeit, wo sie bleiben.

Herr Kreuzer: So, so. Kann von euch bitte mal einer nachschauen, was da los ist?

Marco: Okay, ich mach das gleich.

Herr Kreuzer: Nicht erst gleich, sondern bitte sofort. Und sie sollen zusehen, dass sie in die Hufe kommen.

Martin: Iss du ruhig noch zu Ende, Marco. Ich geh, bin ja eh schon fertig mit frühstücken.

Marco: Alles klar. Dann mal viel Erfolg.

Martin verlässt die Mensa und klopft kurz darauf bei den Mädels an die Zimmertür. Als er keine Antwort bekommt, öffnet er sie vorsichtig und sieht die drei friedlich schlafend in den Betten liegen.

Martin: Hey, Mädels! Aufwachen!

Verschlafen blinzelnd öffnen die drei langsam ihre Augen.

Nina: Martin? Du? Was ist los? Ist was passiert?

Martin: Ja, ich. Direkt passiert ist nichts, nein. Aber ihr solltet mal so langsam aus den Federn kommen. Die Lehrer sind schon ganz schön stinkig, allen voran der Kreuzer.

Sally: (gähnt) Wie viel Uhr haben wir denn?

Martin: Gleich halb acht.

Jenny: Was?! Das kann doch nicht sein.

Nina: Mist, Martin hat Recht.

Martin: Wach seid ihr ja jetzt, dann geh ich mal wieder runter. Aber an eurer Stelle würde ich mich beeilen, bevor ihr noch richtig Ärger bekommt.

Nina: Machen wir. Bis später.

Martin: Bis gleich. Und schlaft bloß nicht wieder ein.

Sally: Nee, keine Panik.

Nachdem Martin das Zimmer wieder verlassen hat, beeilen Nina, Sally und Jenny sich, um zumindest vor dem Unterricht noch schnell frühstücken zu können.

 

 

***

Als sie ein paar Minuten später zur Mensa gehen, kommen die anderen ihnen bereits entgegen. Eilig schlüpfen sie in die Mensa und setzen sich auf ihre Plätze.

Nina: Zum Glück haben die anderen uns noch was vom Frühstück übrig gelassen.

Jenny: Ja. Und die Lehrer sind auch schon raus. Dann bleibt uns zumindest vorläufig ne Standpauke erspart.

Sally: Freu dich nicht zu früh. (deutet mit dem Daumen zur Tür) Guckt mal rüber.

Nina: Wär ja auch zu schön gewesen ...

Herr Kreuzer und Herr Stein gesellen sich zu den dreien.

Herr Stein: (sarkastisch) Na, ausgeschlafen?

Nina: Hmm, sorry. Keine Ahnung, was da los war. Wir haben alle drei den Gong nicht gehört.

Herr Kreuzer: Ja, klar. Oder hattet ihr vielleicht einfach nur keine Lust auf Unterricht?

Sally: Nee, daran liegt es nicht. Wir haben wirklich verschlafen. Wieso auch immer ...

Herr Stein: Bisschen viel Zufall auf einmal, oder?

Jenny: Ich glaub, mich haben die blöden Tabletten gestern total außer Gefecht gesetzt.

Herr Stein: Tabletten?

Jenny: Ja, wegen dem Fuß.

Herr Stein: Achso, ja. Geht's dir denn besser?

Jenny: Wenn ich ehrlich bin, nicht wirklich. Ich bin gestern Abend, nachdem Sie mir gesagt haben, dass Sven hier ne Chance bekommt, noch mal umgeknickt. Seitdem tut er irgendwie noch mehr weh.

Herr Kreuzer: Was machst du denn auch für Sachen? So, ich werde jetzt mal in eure Klasse gehen. Und den verpassten Stoff werdet ihr selbstverständlich nacharbeiten.

Herr Stein bleibt alleine mit den dreien zurück.

Herr Stein: Ich denke, ihr seht das ein, oder?

Sally: Ja, natürlich.

Jenny: Wenn die beiden nicht auf mich gewartet hätten, wären sie viel schneller hier gewesen.

Nina: Ach, Jenny, ist doch nicht weiter dramatisch. Da kommt's jetzt wirklich nicht drauf an.

Herr Stein: Ich würde sagen, Nina und Sally, ihr seht zu, dass ihr schnellstens in den Unterricht kommt. Und du, Jenny, legst deinen Fuß wieder hoch. Zumindest solange bis Herr Krüger sich deinen Fuß noch mal angesehen hat.

Nina, Sally und Jenny nicken zustimmend. Sie frühstücken schnell zu Ende und gehen dann zurück aufs Zimmer. Während Nina und Sally sich anschließend auf den Weg in die Klasse machen, legt Jenny sich auf ihr Bett und liest.

 

***

Kurz nach dem Ende der sechsten Stunde kommt Sven am Internat an. Lars und Sebastian, die gerade ihre Sachen auf ihr Zimmer bringen wollen, sehen ihn in der Eingangshalle stehen und gehen auf ihn zu.

Lars: Hey, Sven!

Sven: Hallo ihr beiden. Alles fit?

Sebastian: Ja, alles im Lot.

Sven: Schön. Sagt mal, könnt ihr mir sagen, wo das Büro von eurem Direktor ist?

Sebastian: Klar. Weißt du noch, wo das Büro vom Stein ist? Im gleichen Gang, nur ganz am Ende auf der linken Seite. Sollen wir dich eben hinbringen?

Sven: Nein, braucht ihr nicht. Ich denke, das finde ich alleine. Wir sehen uns sicher später noch.

Lars: Alles klar. Falls du Jenny vor uns siehst, könntest du ihr ausrichten, dass wir nach den AGs zu ihr kommen?

Sven: Mach ich.

 

***

Wenig später klopft Sven an die Bürotür des Direktors. Er wird umgehend zum Eintreten aufgefordert.

Herr Lorenz: Herr Krüger?

Sven: Ja, genau.

Herr Lorenz: Schön, dass Sie es so kurzfristig einrichten konnten. Setzen Sie sich doch.

Sven: (setzt sich) Vielen Dank.

Herr Lorenz: Herr Stein müsste eigentlich auch jeden Moment hier sein.

Sven: Kein Problem, ich habe Zeit.

Herr Lorenz: Na, das lob ich mir. (lächelt) Kann ich Ihnen eine Tasse Kaffee anbieten?

Sven: Gerne, wenn es keine Umstände macht.

Herr Lorenz: Natürlich nicht.

Er steht auf und schüttet zwei Tassen Kaffee aus. Als er gerade wieder sitzt, trifft Herr Stein ein.

Herr Lorenz: Ah, Herr Kollege, da sind Sie ja.

Herr Stein: Ja, ich musste noch eben meine Unterlagen wegbringen. Herr Krüger, schön Sie wieder zu sehen.

Sven: Freut mich auch, danke.

Herr Lorenz: Dann können wir ja beginnen. Grob angerissen hatten wir unser Anliegen ja gestern bereits telefonisch. Hatten Sie denn seit unserem Gespräche die Gelegenheit, in Ruhe darüber nachzudenken?

Sven: Ja, hatte ich. Es kam zwar ziemlich überraschend, aber ich habe mich sehr darüber gefreut, dass Sie mir so eine Chance geben wollen.

Herr Stein: Wenn ich Jenny gestern richtig verstanden habe, dann stünden Sie kurzfristig zur Verfügung, oder?

Sven: Genau.

Herr Lorenz: Könnten Sie uns bitte noch mal kurz darlegen, warum Sie einen neuen Job suchen?

Sven: Natürlich, kein Problem. Die Praxis, in der ich angestellt war, wurde geschlossen. Der leitende Arzt hat sich entschlossen, mit seiner Familie in wärmere Gefilde auszuwandern. Und eine Praxisübernahme kam aus finanziellen Gründen leider nicht in Frage.

Herr Lorenz: Verstehe. So eine Entscheidung muss ja auch gut abgewägt werden. Könnten Sie sich die Arbeit an unserem Internat denn vorstellen?

Sven: Ja, könnte ich, sehr gut sogar.

Herr Lorenz: Dann würde ich Sie bitten, sich dies hier mal in Ruhe durchzulesen und, falls Sie mögen, auch gleich zu unterschreiben.

Sven: Gerne. (liest den Vertrag durch) Hätten Sie eventuell einen Stift für mich?

Herr Lorenz: Selbstverständlich. Hier, bitte.

Sven: Danke. (unterschreibt)

Herr Lorenz: Dann darf ich Sie ganz offiziell als neuen Kollegen begrüßen.

Herr Stein: Auch von mir herzlich Willkommen.

Sven: Vielen Dank! Ich hoffe, ich werde Ihre Erwartungen auch erfüllen können.

Herr Lorenz: Davon bin ich überzeugt. (schaut auf die Uhr) Hätten Sie etwas dagegen, wenn wir Sie jetzt gleich den Jungs und Mädels kurz vorstellen?

Sven: Natürlich nicht. Ein kleines Problem hätte ich allerdings noch. Ich wohne zur Zeit am anderen Ende der Stadt und müsste sehen, dass ich zunächst noch eine kleine Wohnung in der Nähe finde. Dann wäre ich auch nachts schnell hier, falls etwas sein sollte.

Herr Stein: Wenn Sie möchten, können Sie auch ein Zimmer hier im Internat beziehen.

Sven: Das wäre natürlich optimal.

Herr Lorenz: Dann wäre das also auch geregelt. Ich würde vorschlagen, wir gehen dann jetzt eben in die Mensa runter. Sonst sind gleich wieder alle in sämtliche Himmelsrichtungen verstreut.

 

***

Wenig später betreten sie die Mensa, wo die laufenden Gespräche schlagartig verstummen.

Herr Lorenz: Wir wollen euch gar nicht lange vom Essen abhalten, möchten euch jedoch gerne jemanden vorstellen. Das ist Herr Dr. Krüger.

Herr Stein: Er wird die medizinische Versorgung von der Hausmutter übernehmen. Ab sofort könnt ihr euch also vertrauensvoll an ihn wenden, wenn es euch gesundheitlich nicht gut geht oder ihr euch verletzt. Möchten Sie auch noch etwas sagen, Herr Krüger?

Sven: Ja, gerne. Also, ich bin sehr froh, ab heute dazu zu gehören. Und, also wenn ihr mögt, könnt ihr mich gerne duzen und Sven nennen. Ganz so alt bin ich ja auch noch nicht. Hat jemand direkt eine Frage oder wollt ihr euch lieber über den Nachtisch her machen?

Klaudia: Können wir nicht erstmal essen? Fragen stellen können wir doch immer noch.

Herr Stein: Natürlich könnt ihr zuerst noch essen. Herr Krüger, wollen Sie sich mit an einen der Tische der Schüler setzen? Sie können natürlich auch mit an den Lehrertisch. Ganz wie Sie mögen.

Sven: Ich würde mich gerne mit unter die Schüler mischen. Dann lerne ich sie schneller kennen.

Herr Lorenz: Okay. Ich würde vorschlagen, Sie setzen sich auf Jennys Platz. Dort drüben, wo der Platz frei ist.

Sven setzt sich zwischen Sally und Nico.

Sally: Du bist also der, der Jenny, Lars und Sebastian gestern zurückgebracht hat?

Sven: Ja, warum?

Sally: Sie haben mir und Nina gestern noch alles erzählt. Auch, dass eigentlich alles ganz anders geplant war.

Sven: Achso, okay.

Nina: Warst du schon bei Jenny?

Sven: Nein, war ich noch nicht. Ich wollte gleich im Anschluss kurz bei ihr vorbei. Könnte mir dann eventuell jemand zeigen, wo ich sie finde?

Nina: Klar, machen wir. Wir müssen eh noch mal aufs Zimmer unser Zeug für die Hausaufgaben holen.

Sven: Okay, danke.

Sally: Kein Problem, machen wir gerne.

 

***

Sally und Nina gehen mit Sven zu ihrem Zimmer.

Sally: Wartest du kurz hier draußen, Sven?

Sven: (erstaunt) Warum?

Nina: Nur falls Jenny schläft oder so.

Sven: Achso. Na gut, dann warte ich hier.

Sally: Danke. Ich denke, es dauert nicht lange.

Die beiden betreten ihr Zimmer.

Sally: Hey, Jenny! Na, wie geht's?

Jenny: Hi. Bin grade erst wieder aufgewacht. Habt ihr heute Morgen noch Ärger bekommen?

Nina: Nee, passt schon, keine Sorge.

Sally: Der Kreuzer war zwar ganz schön sauer, weil du nicht mit in den Unterricht gekommen bist, aber dran ändern konnte er ja auch nichts. Er meinte nur, dass du mit deinem verknacksten Fuß ruhig am Unterricht hättest teilnehmen können. Und wenn ich mich nicht verhört hab, will er gleich auch noch bei dir vorbeikommen. Irgendwas in der Richtung hat er vorhin noch gesagt.

Jenny: Okay, danke für die Warnung.

Sally: Gerne doch. Achso, Sven wartet draußen.

Jenny: (lacht) Traut er sich nicht rein?

Nina: Doch. Wir haben ihn nur gebeten, kurz zu warten, weil wir nicht wussten, ob du schläfst.

Jenny: Ihr seid süß. Naja, dann schickt ihn ruhig rein.

Nina: Okay. Wir sind dann auch mal wieder weg ... Hausaufgaben machen. Bis später, Jenny.

Jenny: Ja, okay. Bis gleich mal.

 

***

Nur kurze Zeit nachdem Nina und Sally das Zimmer verlassen haben, streckt Sven den Kopf zur Tür rein.

Sven: Hallo, Jenny.

Jenny: Hi, Sven. Komm ruhig rein.

Sven: Gerne. (kommt ins Zimmer)

Jenny: Nett, dass du vorbei kommst.

Sven: Ich dachte, ich schau mal, was dein Fuß macht.

Jenny: Hmm, ist vielleicht auch besser. Ich bin gestern Abend noch mal umgeknickt.

Sven: (tut überrascht) Was?! Wieso hast du nicht angerufen? Wir hatten euch doch unsere Handynummern gegeben.

Jenny: Lars und Sebastian wollten ja ... aber ich hab gesagt, dass das bis heute Zeit hätte.

Sven: So, so. Dann zeig mal her. Wie hast du das denn noch wieder angestellt?

Jenny: Ich hab doch gestern noch mit dem Stein gesprochen, ob sich für dich was einrichten lässt. Und als er dann später kam und meinte, dass du nicht abgeneigt wärst ... da hab ich mich so für dich gefreut, dass ich irgendwie noch mal umgeknickt bin.

Sven: Nee, nee, nee. Was machst du denn, Mädel? Hoffen wir mal, dass es dadurch nicht noch schlimmer geworden ist mit deinem Fuß.

Sven schüttelt immer wieder mit leicht sorgenvoller Miene den Kopf, während er sich Jennys Fuß noch mal ansieht.

Jenny: Und?

Sven: Das sieht gar nicht gut aus. Also erstmal ruhig halten und die zwei Wochen Sportpause werden mindestens eingehalten. Danach sehen wir dann weiter.

Jenny: Muss das wirklich sein?

Sven: Ja, muss es. Und weil ich den Vertrag vorhin schon unterschrieben habe, bleibt dir wohl auch nichts anderes übrig, als zu hören. Klar?

Jenny: (zerknirscht) Ja, geht in Ordnung.

Sven: Danke übrigens, dass du das für mich gemacht hast. Also, da hätte ich wirklich nicht mit gerechnet.

Jenny: Hab ich doch gerne getan.

Sven: Ich komm später noch mal vorbei. Jetzt muss ich erstmal ein paar Sachen von zuhause holen und Ralf Bescheid sagen, dass aus unserem verlängerten Wochenende in der Hütte nichts wird.

Jenny: Alles klar. Dann bis später.

Sven: Und, bleib bitte noch liegen, wenn es geht. Ich schau mal, dass ich dir Krücken besorge. Dann kannst du morgen wenigstens wieder ohne größere Probleme in den Unterricht. Nicht, dass du noch zu viel verpasst oder womöglich Ärger mit deinen Lehrern vorprogrammiert ist.

Jenny: Okay, mach ich. Du, sag mal, könntest du mir eventuell einen Gefallen tun?

Sven: Was denn für einen?

Jenny: Kannst du mir ein bisschen zum Naschen besorgen? So für, sagen wir, etwa 10 Euro?

Sven: So viel? Kocht die Hausmutter so schlecht oder was hast du damit vor?

Jenny: Nee, es geht schon. Aber Paps holt uns doch morgen wegen der Beerdigung ab und, naja, ich dachte, eine kleine Aufmunterung für ihn wäre da nicht schlecht. Und vielleicht noch ein bisschen Wegzehrung.

Sven: Okay, ich schau mal, was sich machen lässt.

Jenny: Danke, bist ein Schatz.

Sven: Aber nur solange du dich an meine Anweisungen hältst. Sonst kann ich auch ganz anders.

Jenny: (lacht) Ich werde mich in Acht nehmen.

Sven: Okay, dann bis später. Achso, Lars und Sebastian wollen nach der AG vorbeikommen.

Jenny: Alles klar. Bis später.

 

***

Nachdem Jenny wieder alleine ist, lässt sie sich zurück in die Kissen sinken und nimmt ihr Buch wieder zur Hand. Sally und Nina schauen nur kurz vor der AG noch mal vorbei, um ihre Sachen zu tauschen und lassen Jenny dann wieder alleine im Zimmer zurück.

Kurz darauf klopft es an die Tür und direkt danach steht ihr Mathelehrer im Zimmer.

Jenny: Hallo, Herr Kreuzer. Was gibt's?

Herr Kreuzer: Ich wollte nur mal kurz nachschauen, ob es dir wieder besser geht.

Jenny: Nett von Ihnen. Es geht einigermaßen. (zögert) Es tut mir übrigens Leid, dass ich heute nicht mit Nina und Sally in die Klasse nachgekommen bin. Herr Stein meinte, ich sollte meinen Fuß lieber noch hochlegen; zumindest solange bis Sven noch mal dabei geguckt hat. Ja, und der war während der Hausaufgabenzeit erst hier.

Herr Kreuzer: Okay, wenn das so ist. Aber wie läuft das dann die nächsten Tage? Du kannst ja jetzt nicht nur wegen dem Fuß tagelang nicht in den Unterricht kommen.

Jenny: Keine Sorge, morgen komm ich auf jeden Fall wieder zum Unterricht. Sven will eventuell gleich Krücken mitbringen und ansonsten finde ich schon eine andere Lösung. Zur Not helfen Nina und Sally mir sicher auch.

Herr Kreuzer: Gut, dann besteht ja Hoffnung.

Jenny: Wann soll ich denn den Stoff nachholen?

Herr Kreuzer: Wenn du magst, hol ich meine Unterlagen eben und dann ziehen wir das sofort durch.

Jenny: Ja, okay. Aber ich hab meine Mathesachen doch hier. Können wir die nicht nehmen?

Herr Kreuzer: Nein, das geht leider nicht, da ich ein Arbeitsblatt für euch vorbereitet hatte.

Jenny: Okay, dann geht's wohl wirklich nicht.

 

***

Eine halbe Stunde später verabschiedet Herr Kreuzer sich wieder von Jenny und lässt sie alleine. Zuerst nimmt sie sich ihr Buch wieder zur Hand, doch irgendwie kann sie sich überhaupt nicht auf den Inhalt konzentrieren. Sie legt das Buch zur Seite und lässt ihre Gedanken um die Zeit kreisen, in der noch alles anders war. Kurzentschlossen nimmt sie sich ein leeres Heft und schreibt sich ihre Gedanken von der Seele.

 

Wie konnte es bloß so weit kommen? Vor ein paar Tagen war die Welt noch in Ordnung! Und jetzt? Jetzt ist alles Chaos! Wenn ich doch nur nicht unbedingt ins Internat gewollt hätte ... Dann wäre Mutti noch am Leben!

Ich hätte einfach von Anfang an sagen sollen, dass ich mich auf'm Gymmi nicht mehr wohlfühle. Und auch den Vorfall an der Bushaltestelle - ich hätte ihn nicht verschweigen sollen. Warum hab ich da nicht offen drüber geredet? Morgens bin ich nur noch mit Panik im Bauch in die Schule und mittags fluchtartig wieder nach Hause.

Eigentlich komisch, dass weder Mutti noch Paps Verdacht geschöpft haben. Andererseits, was hätte ich ihnen gesagt, wenn sie gefragt hätten, warum ich schnellstmöglich aufs Internat wollte? Ob ich ihnen die Wahrheit gesagt hätte? Ich glaube kaum. Dafür ist das alles noch viel zu präsent in meinen Gedanken ...

Ich hab solche Angst, Paps morgen in die Augen zu sehen ... Was, wenn er auch denkt, dass der Unfall meine Schuld war??? Ich weiß nicht, was ich machen soll ...!

 

Immer wieder suchen sich einzelne Tränen einen Weg über Jennys Gesicht. Erst das erneute Klopfen an der Tür reißt sie aus ihrer Lethargie. Schnell schiebt sie das Heft unter ihr Kopfkissen, als auch schon die Türe aufgeht und Lars und Sebastian ins Zimmer kommen.

Lars: Hey, Kleine. Wie schaut's aus?

Jenny: Naja, geht so. Sven versucht gerade, Krücken zu organisieren, damit ich einigermaßen laufen kann.

Sebastian: Du machst ja auch Sachen. Aber, hey, sag mal, hast du geweint?

Jenny: Hmm, eben ... ein bisschen.

Lars: Warum denn?

Jenny: Ach, der Fuß tat auf einmal wieder stärker weh.

Lars: Na komm, das wird schon wieder.

Tröstend umarmt er seine Schwester. Kurz darauf klopft es erneut an die Tür.

Jenny: Heute Nachmittag geht's hier echt zu wie am Taubenschlag. (lauter) Herein!

Sven: Hallo, Jenny. Ich wollte dir nur schnell die Krücken und Süßigkeiten vorbeibringen. Bin sofort wieder weg.

Jenny: Cool, hat's geklappt? Quatsch, du kannst ruhig hier bleiben, wenn du Lust hast.

Sven: Wenn ich euch nicht störe, gerne.

Lars: Ach iwo, du störst doch nicht.

Sven: Okay, wie ihr meint. Alles klar bei euch?

Jenny: Ja, passt schon.

Lars: Eben hast du noch gesagt, dass ...

Jenny: Ich weiß. Aber seitdem geht's schon wieder besser. Ich hatte nur vorhin kein Taschentuch griffbereit.

Lars: Wie du meinst ...

Sven: Ich versteh nur Bahnhof.

Jenny: Macht nichts, ist nicht so wichtig.

Sebastian: Wie man's nimmt ...

Jenny: Sven, wie hat Ralf denn eben reagiert, als du deine Sachen geholt hast?

Sven: Ein bisschen enttäuscht war er schon. Aber er hat sich auch für mich gefreut. Ich soll euch von ihm grüßen.

Sebastian: Ja, dann: Herzlich Willkommen im Internat!

Sven: Danke. Wird schon alles schief gehen.

Jenny: Bestimmt.

Sie reden noch eine ganze Weile und sind ganz erstaunt, als es zum Abendessen gongt.

Lars: So spät schon? Wie die Zeit vergeht ...

Jenny: Dann mal auf. Ich hab richtig Kohldampf.

 

***

Nachdem das Abendessen beendet ist, warten Lars, Sebastian und Mirco vor der Mensa auf die anderen sechs.

Lars: Habt ihr noch Lust, mit raus zu gehen?

Jenny: Solange wir's nicht übertreiben, gerne.

Nico: Ich hätte, ehrlich gesagt, auch nichts gegen ein bisschen frische Luft einzuwenden.

Sally: Dann geht ihr mal. Ich wollte noch ein bisschen lesen und vielleicht Musik hören.

Die anderen vier haben auch keine richtige Lust und so gehen nur Nico und Jenny mit raus.

Nico: Jenny, hat dir eigentlich schon einer gesagt, dass wir am Dienstag einen Mathetest schreiben?

Jenny: Was?! Nein, davon weiß ich noch nichts. Hat der Kreuzer heut Nachmittag aber auch nichts von erwähnt.

Nico: (lacht) Macht nichts, war auch nur ein Scherz.

Jenny: Boah, warum machst du so was?

Nico: Ach, komm, war doch nicht böse gemeint. Ich mach's auch nicht noch mal. Versprochen.

Jenny: Okay.

Lars: Wollen wir hier festwachsen oder doch noch eine kleine Runde durch den Park drehen?

Nico: Wegen mir können wir ruhig gehen.

Sebastian: Wartet mal. Jenny, geht das mit deinem Fuß überhaupt? Nicht, dass es hinterher noch schlimmer wird.

Jenny: Ach, das wird schon schief gehen. Also, Jungs, worauf warten wir noch?

Mirco: Darauf, dass die Sonne aufgeht.

Lars: Scherzkeks. Dann geh ich aber erstmal noch ne Runde schlafen. Das dauert mir dann doch zu lange.

Sie drehen langsam eine Runde durch den Park.

Als sie anderthalb Stunden später wieder am Eingang ankommen, trennen Nico und Jenny sich von den anderen dreien und gehen in ihre Zimmer.

Wenig später ist schon wieder Zeit, ins Bett zu gehen.

Ein Plan muss her

Das Frühstück am Freitagmorgen wird, in der allgemeinen Vorfreude auf das bevorstehende Wochenende, beinahe zur Nebensache.

Marco: Endlich Freitag! Bin ich froh ...

Nina: Da sagst du was. Wurde auch langsam mal Zeit.

Jenny: Hmm, an sich ja nicht schlecht ...

Sally: Wir sind in Gedanken bei dir und Lars, Jenny.

Jenny: Danke. Das ist echt lieb von euch.

Martin: Lass den Kopf nicht hängen. Es wird schwer, aber ihr schafft das schon.

Jenny: (ringt sich ein Lächeln ab) Was habt ihr denn so fürs Wochenende geplant?

Nina: Mal schauen. Vielleicht mal zum Shoppen in die Stadt gehen oder zum See.

Sally: Auf jeden Fall den Lehrern aus dem Weg gehen.

Nico: Oh ja, das definitiv!

Sally: Na komm, Jenny, du musst auch was essen.

Jenny: Ich krieg einfach nichts runter. Nachher, nach dem Unterricht, holt Paps uns ab.

Nina: Und das schlägt dir jetzt so auf den Magen?

Jenny: Ja, irgendwie schon.

Nina: Euer Vater liebt euch, da wird sich auch durch die neuen Lebensumstände nichts dran ändern.

Jenny: Hoffentlich ...

Sally: Ganz bestimmt. Also, probierst du wenigstens, ein bisschen zu essen?

Jenny: Ja, okay, ich versuch's.

Nina: So gefällst du uns gleich besser.

Irgendwie schafft Jenny es tatsächlich, ein Brötchen zu essen. Im anschließenden Unterricht wird sie glücklicherweise einigermaßen von den Lehrern verschont.

 

***

Als der Unterricht zu Ende ist, werden Jenny und Lars vor der Mensa von Herrn Kreuzer abgefangen.

Herr Kreuzer: Lars, Jenny, bleibt bitte mal kurz stehen.

Lars: Was gibt's denn?

Herr Kreuzer: Euer Vater ist gerade angekommen. Holt eben eure Sachen, die ihr mitnehmen wollt und kommt dann noch kurz bei mir im Büro vorbei. Ich bitte die Hausmutter, euch etwas für die Fahrt einzupacken.

Jenny: Okay, wir beeilen uns.

Herr Kreuzer: Bis gleich.

 

***

Zehn Minuten später kommen die beiden am Büro ihres Lehrers an. Die Tür ist offen und so können sie, ohne anzuklopfen, sofort eintreten.

Lars: Da wären wir. Hi, Paps!

Max: (dreht sich zur Tür) Hallo, ihr zwei. Oje, Jenny, was ist denn mit dir passiert?

Jenny: Alles halb so wild, Paps. Wir erzählen dir nachher unterwegs alles. Okay?

Max: Okay ... Wie klappt das denn mit euch beiden?

Lars: Total gut. Wir verstehen uns hier mindestens genauso gut wie zuhause.

Herr Kreuzer: Das stimmt wohl. Und wenn dann noch Sebastian dabei ist, dann hat man gegen die drei so gut wie gar keine Chance mehr.

Lars: Sooo schlimm ist es ja nun auch wieder nicht.

Max: Ich denke, wir müssen los. Das Taxi wartet unten und der Zug fährt in einer Dreiviertelstunde auch schon los in Richtung Heimat.

Herr Kreuzer: Wann kommt ihr zurück?

Max: Ich bring die beiden Sonntagabend wieder zurück.

Herr Kreuzer: In Ordnung. Dann wünsche ich euch eine gute Fahrt. Und für morgen ganz viel Kraft.

Jenny: Danke.

 

***

Erst Sonntagnachmittag auf der Rückfahrt im Zug fällt Lars ein, dass sie ihrem Vater noch immer nicht die ganze Story über Jennys verstauchten Fuß erzählt haben. Er beginnt zu erzählen und Jenny ergänzt zwischendurch schon mal ein paar weitere Fakten.

Max: Also wirklich. Und ich dachte, im Internat hätten sie euch einigermaßen unter Kontrolle. Da werde ich mich wohl nach einer Alternative umschauen müssen.

Lars & Jenny: Nein!

Jenny: Das kannst du nicht machen, Paps. Ich bin doch gerade erst dabei, mich richtig einzuleben.

Max: Ach, Kinder, das war doch nur ein Scherz.

Lars: Paps! Das war echt nicht nett.

Max: Okay, war vielleicht nicht die feine englische Art.

Jenny: Genau, war es wirklich nicht.

Max: Was haltet ihr davon, wenn ich euch zur Entschädigung gleich in München noch in ein Café einlade?

Jenny: Wenn ich das Café aussuchen darf ...

Max: Wegen mir darfst du gerne. Ich kenn mich doch in München eh nicht aus.

Lars: Hat Sebastian dir am Montag eins gezeigt?

Jenny: Ja, genau. Ein Geheimtipp, also bitte nicht im Internat weiter erzählen.

Lars: Geht klar. Hat Sebastian dir eigentlich verraten, dass er auch alleine in die Stadt darf?

Jenny: Nee. Warum darf er denn?

Lars: Eines der besten Privilegien der Schülersprecher. Also, ich würd mir an deiner Stelle das Angebot vom Stein wirklich gut überlegen.

Max: Was denn für ein Angebot?

Lars: Der Stein hat Jenny am Dienstag gefragt, ob sie stellvertretende Schülersprecherin werden möchte.

Max: So schnell?

Jenny: Mir ging das auch ein bisschen zu schnell.

Lars: Hast ja noch ein paar Tage Zeit zum Überlegen.

Jenny: Maximal bis zu den Herbstferien. (lacht) Aber egal, ich glaube, wir sind gleich da.

Max: Oh, das ging aber flott.

 

***

Kurze Zeit später kommen sie an dem kleinen Café an und staunen nicht schlecht, als Sebastian um die Ecke biegt.

Sebastian: Hey! Was macht ihr denn hier? Ich dachte, ihr kämt erst heute Abend zurück.

Jenny: Hi, Sebastian. Wir haben nen Zug früher genommen und Paps lädt uns jetzt noch auf ein Stück Kuchen und nen Kakao hier ins Café ein. Und du?

Sebastian: Ach, ich musste einfach mal raus und wollte ein bisschen meine Ruhe haben.

Lars: Ist was passiert?

Sebastian: Nee, nicht so wirklich.

Jenny: Aber irgendwas ist doch.

Sebastian: Keine Ahnung, was genau los war. Der Stein war heute total seltsam drauf und aus irgendeinem Grund sollen wir noch bei ihm vorbeikommen.

Jenny: Okay ... Und wann?

Sebastian: Sobald ihr wieder zurück seid. Aber das hat sicher auch noch bis nach dem Abendessen Zeit.

Max: Wollt ihr euch nicht drinnen weiter unterhalten? Du bist auch eingeladen, Sebastian.

Sebastian: Danke, aber das muss wirklich nicht sein.

Max: Doch, muss es. So, und jetzt rein mit euch.

Jenny: Kleiner Tip, Sebastian: widerspreche ihm lieber nicht. Sonst nimmt er dir das hinterher noch übel.

Max: (gespielt ernst) Jenny!

Jenny: War doch nur ein Scherz, Paps.

Max: Naja, dann ...

Lars: Kommt, wir gehen rein.

Sebastian: Okay.

 

***

Zwei Stunden später treffen Jenny, Lars und Sebastian wieder im Internat ein. Im Flur treffen sie auf ihre Freunde, die gerade auf dem Weg zum Abendessen in die Mensa sind. Kurzerhand schließen sie sich den anderen an.

Nina: Und? Wie war euer Wochenende?

Jenny: Es geht so. Wir hätten vielleicht nicht die ganze Zeit zuhause rumhängen sollen, aber ansonsten ...

Sally: Wie kam's denn, dass Sebastian grad eben mit euch zusammen hier aufgetaucht ist? Hat er euch am Bahnhof abgeholt?

Jenny: Nee, wir waren noch mit Paps in nem Café und da war Sebastian auch. Naja, und dann sind wir halt, nachdem wir Paps zurück zum Bahnhof gebracht haben, zusammen zurückgegangen.

Sally: Ist doch cool.

Martin: Du hast echt Glück mit deinem Bruder, Jenny.

Nina: Achso, Sven hat dich vorhin gesucht. Keine Ahnung, was er von dir wollte.

Jenny: Okay, dann geh ich gleich auch noch zu ihm.

Sally: Zu wem denn noch?

Jenny: Wir sollen, aus welchem Grund auch immer, auch noch beim Stein vorbeikommen.

Sally: Wieso das denn?

Jenny: Keine Ahnung. Sebastian wusste auch nichts.

Sally: Na dann mal viel Spaß. Der hatte das ganze Wochenende über eine Mordslaune.

Jenny: So schlimm?

Nina: Schlimmer.

Jenny: Oha. Da bin ich ja mal gespannt.

 

***

Nach dem Abendessen zieht Jenny sich noch eine Weile auf ihr Zimmer zurück. Sie packt ihre Tasche aus und nimmt sich anschließend ihr Heft, um kurz das aufzuschreiben, was ihr auf dem Herzen liegt.

 

Puh, das Wochenende wäre fast geschafft. Zum Glück hat Paps mir keine Vorwürfe gemacht, aber ich werde trotzdem das Gefühl nicht los, an allem Schuld zu sein.

Die Beerdigung am Samstag war schön, aber auch schrecklich. Ich hab die ganze Zeit über nur geheult und, wenn Lars mich nicht in den Arm genommen hätte ... keine Ahnung, ob ich dann nicht reißaus genommen hätte.

Zuhause war es auch voll komisch. Überall stehen Muttis Sachen rum und ich hatte die ganze Zeit über das Gefühl, dass sie jeden Moment lachend zur Tür hereinkommt; aber natürlich ist sie nicht gekommen. Vielleicht hätten wir einfach rausgehen sollen, anstatt die ganze Zeit in der Wohnung zu hocken. Aber wir haben es irgendwie nicht geschafft, uns aufzuraffen.

Heute war's im Prinzip genauso. Wir haben, bis wir zum Bahnhof mussten, nur auf der Couch rumgehangen. Eigentlich hätte Paps ja gar nicht mit nach München fahren müssen, aber ich glaube, er war froh, nicht alleine zuhause zu sein, wo ihn alles an Mutti erinnert.

Vorhin waren wir dann noch in dem kleinen Café, in dem ich am Montag schon mit Sebastian war. Kurz bevor wir rein sind, tauchte Sebastian dann auch dort auf. Ich weiß nicht, irgendwie hab ich immer voll das Kribbeln im Bauch, wenn ich ihn sehe ... Ob er mich wohl auch mag? Oder sieht er nur die kleine Schwester seines besten Freundes in mir? Ihn fragen werde ich sicher nicht, zumindest noch nicht. Mal abwarten, was noch so passiert ...

 

Jenny versteckt ihr Heft wieder in der Schublade ihres Nachttisches. Als sie sich gerade auf den Weg zu Lars und Sebastian machen will, klopft es an der Tür. Jenny, die schon die Hand auf der Klinke hat, öffnet diese.

Jenny: Oh, hi, Sven. Was führt dich denn hier her?

Sven: Hi, Jenny. Ich wollte eigentlich nur mal kurz nachschauen, was dein Fuß so macht.

Jenny: Jetzt? Hmm, naja, okay.

Sven: (lacht) Hast du was vor? Du klingst ja nicht gerade begeistert, mich zu sehen.

Jenny: Ich muss noch mit Lars und Sebastian zum Stein. Und, bevor du fragst, nein, ich weiß nicht warum.

Sven: Na, dann bringen wir's hinter uns.

Jenny: Okay.

Sven: Ein bisschen mehr Begeisterung bitte.

Jenny: Sorry, liegt nicht an dir.

Sven: Alles klar. Dann zeig mir mal deinen Fuß.

Jenny setzt sich auf ihr Bett und Sven sieht sich ihren Fuß noch mal in Ruhe an.

Jenny: Und? Wie schaut's aus?

Sven: Besser. Noch nicht perfekt, aber schon wesentlich besser als noch beim letzten Mal.

Jenny: (hoffnungsvoll) Kann ich dann vielleicht doch schon wieder früher beim Sport mitmachen?

Sven: Immer langsam, junge Dame. Diese Woche bleibst du dem Sport auf jeden Fall noch fern.

Jenny: (seufzt) Okay, wenn du meinst.

Sven: Ja, meine ich. Außerdem müsstest du doch selber einsehen, dass es keinen Zweck hat, wenn du zu früh wieder anfängst und danach alles noch schlimmer wird. Oder?

Jenny: Ja, stimmt. Hast ja Recht.

Sven: (schmunzelt) Na also, geht doch.

Er legt Jenny einen neuen Salbenverband an und verabschiedet sich dann von ihr.

Sven: So, dann bin ich auch schon wieder weg. Schönen Abend dir noch ... und, wenn was sein sollte, du weißt ja, wo du mich findest.

Jenny: Alles klar! Danke.

 

***

Jenny schnappt sich ihre Krücken wieder und macht sich auf die Suche nach ihrem Bruder und Sebastian. Im Gemeinschaftsraum ihrer Klasse findet sie die beiden jedoch nicht.

Mirco: Hi, Jenny. Was verschafft uns die Ehre?

Jenny: Hey, Mirco. Ich such Lars und Sebastian. Hast du ne Ahnung, wo die zwei sind?

Mirco: Ich glaube, die beiden sind auf ihrem Zimmer.

Jenny: Alles klar, danke. Bis dann mal.

Mirco: Mach's gut.

 

***

Wenig später will Jenny gerade an die Zimmertür von Lars und Sebastian klopfen, als diese von innen aufgerissen wird und einer, den Jenny für einen Klassenkameraden ihres Bruders hält, aus dem Zimmer gerannt kommt. Leicht verunsichert betritt sie das Zimmer.

Jenny: (entsetzt) Was ist denn hier passiert?

Lars: Dieser Idiot hat unsere Klamotten durchwühlt.

Jenny: Der, der grad hier raus gerast kam?

Sebastian: Ja, genau. Wir haben ihn auf frischer Tat ertappt. Er stand mitten in unseren Sachen.

Jenny: Wieso denn das?

Sebastian: Was weiß denn ich? Na wartet, der kann was erleben! Wenn ich den erwische ...

Jenny: Jetzt beruhigt euch erstmal wieder. Und, ähm, sollten wir nicht heute noch zum Stein?

Lars: Ist doch jetzt wohl zweitrangig. Wir müssen hier erstmal wieder klar Schiff machen.

Sebastian: Geh du doch alleine hin. Wenn's wichtig ist, können wir ja danach noch drüber reden.

Jenny: Aber ...

Sebastian: (gereizt) Nichts aber! Sag ihm einfach, was passiert ist. Er wird's schon schnallen.

Jenny: Ich kann euch auch erst beim Aufräumen helfen und wir gehen danach ...

Lars: Nee, lass mal, Jenny. Wir kriegen das schon hin.

Jenny: Okay, wie ihr meint. Dann bis später.

Lars: Bis später, Kleine.

 

***

Kopfschüttelnd macht Jenny sich auf den Weg zu ihrem Klassenlehrer. Dort angekommen, wartet nicht nur Herr Stein, sondern auch Herr Kreuzer auf sie und die Jungs.

Herr Stein: Hallo, Jenny. Wo hast du denn deinen Bruder und Sebastian gelassen?

Jenny: Die können nicht.

Herr Kreuzer: Wie, die können nicht? Was soll das denn jetzt bitte bedeuten?

Jenny: Na, genau das, was ich gesagt habe.

Herr Kreuzer: Ja, klar. Dann meinst du wohl eher, dass sie nicht wollen, oder?

Jenny: Nein! Sie können nicht. Sie müssen jetzt ... erstmal ihr Zimmer aufräumen.

Herr Stein: Jetzt? Hätte das nicht Zeit bis später gehabt?

Jenny: Naja, nicht wirklich. Es sah schon ziemlich chaotisch aus bei den beiden.

Herr Stein: (skeptisch) Kann das sein, dass du uns gerade nicht alles sagen willst?

Jenny: Kann schon sein. Aber ist das nicht egal?

Herr Kreuzer: Nein, ist es nicht. Und mit den Augen rollen, brauchst du deswegen schon mal gar nicht.

Jenny: Oh, Tschuldigung.

Herr Stein: Also? Was verschweigst du uns?

Jenny: Ich weiß echt nicht, ob ich das sagen soll.

Herr Kreuzer: Wir warten ...

Jenny: Okay, okay, ich sag's ja schon. Lars und Sebastian haben einen aus ihrer Klasse dabei erwischt, wie er in ihren Klamotten gewühlt hat. Und jetzt wollen sie erstmal das Chaos beseitigen und nachschauen, ob er nicht auch noch was eingesteckt hat.

Herr Stein: Das darf doch nicht wahr sein! Wo sind wir denn hier mittlerweile?

Herr Kreuzer: Bist du dir wirklich sicher, dass es jemand aus meiner Klasse war?

Jenny: Ja, ziemlich sicher.

Herr Stein: Und wer?

Jenny: Ich hab ihn nur an mir vorbei rennen sehen, als ich ins Zimmer wollte.

Herr Stein: Aber trotzdem bist du dir sicher, dass er aus der vierten ist? Obwohl du ihn nur kurz gesehen hast?

Jenny: Ja, bin ich.

Herr Kreuzer: Verstehe ...

Jenny: Aber warum sollten wir denn jetzt eigentlich überhaupt zu Ihnen kommen?

Herr Stein: Nun, es geht um zwei Dinge. Zunächst wollten wir dich noch mal fragen, ob du dir schon etwas wegen des Postens der stellvertretenden Schülersprecherin überlegt hast. Oder denkst du noch drüber nach?

Jenny: Naja, sicher bin ich mir nicht. Es ehrt mich natürlich, aber wie gesagt, ich find's halt doch komisch. Kaum hier und schon Schülersprecherin?

Herr Kreuzer: Warum denn nicht? Ich kann mir nicht wirklich vorstellen, dass jemand etwas dagegen hätte. Aber gut, am Ende musst du es natürlich selbst wissen, ob du möchtest oder nicht.

Jenny: Ich denke halt, dass das ne Entscheidung ist, die ich nicht alleine treffen kann. Da müssten die anderen schon auch hinter stehen.

Herr Stein: Also wärst du im Grunde genommen bereit?

Jenny: Ja, eigentlich schon.

Herr Stein: Okay, dann setzen wir uns diese Woche noch mal mit Sebastian zusammen und dann überlegen wir mal gemeinsam. Einverstanden, Jenny?

Jenny: Bleibt mir wohl nichts anderes übrig.

Herr Kreuzer: Wenn du es machen möchtest, dann nicht. Ansonsten reicht auch ein einfaches Nein und wir überlegen uns jemand anderen.

Jenny: Naja, ich wäre nicht total abgeneigt.

Herr Stein: Schön, das freut uns.

Jenny: Und was war das andere, was sie noch mit uns besprechen wollten?

Herr Kreuzer: Das ist etwas komplizierter.

Herr Stein: Gestern Mittag kam Michael, ein Junge aus der zweiten Klasse, zu mir. Ihm ist sein Taschenmesser, das er erst in den Sommerferien von seinem Opa geschenkt bekommen hat, geklaut worden.

Jenny: Okay, und was hat das jetzt mit Lars, Sebastian und mir zu tun?

Herr Kreuzer: Zuerst wollten wir nur Sebastian darauf ansprechen, aber da ihr sowieso immer zusammen hängt, haben wir gedacht, dass Lars und du eventuell auch helfen könntet, die Sache zu klären.

Jenny: Versteh ich jetzt nicht so ganz. Was sollen wir denn da großartig machen?

Herr Stein: Vielleicht könntet ihr ja mal dezent versuchen, etwas herauszufinden.

Jenny: (lacht) Wir sollen also Detektiv spielen?

Herr Stein: So ungefähr, ja.

Jenny: Hmm, da würde ich, bevor ich Ihnen da jetzt zusage, doch gerne erst mit den Jungs drüber reden.

Herr Stein: Natürlich, nur überlegt bitte nicht zu lange.

Jenny: Nee, nee, keine Sorge. Ich denke, dass wir Ihnen das morgen dann schon sagen können. Reicht das aus?

Herr Stein: Ja, kein Problem.

Jenny: Danke. Dann bis morgen.

Herr Kreuzer: Bis morgen.

 

***

Wenig später steht Jenny wieder vor dem Zimmer von ihrem Bruder und Sebastian. Sie zögert kurz, klopft dann aber doch an. Zwar bekommt sie keine Antwort, öffnet die Tür dann aber doch und betritt das Zimmer.

Jenny: Lars? Sebastian? Einer da?

In Anbetracht der vorherigen Laune der Jungs zieht sie sich wieder zurück und will gerade die Tür  schließen, als Lars und Sebastian den Gang entlang auf sie zukommen.

Lars: Hey, Jenny. Wolltest du zu uns?

Jenny: Ja, eigentlich schon. Aber wenn's euch nicht passt, dann hau ich wieder ab.

Sebastian: Ach iwo, passt schon. Oder, Lars?

Lars: Klar, warum auch nicht? Kommt, wir gehen rein.

Im Zimmer der Jungs setzen sie sich und plaudern weiter.

Lars: Was wollte der Stein denn vorhin?

Jenny: Hört bloß auf. Keine Ahnung, ob wir denen da wirklich helfen können.

Sebastian: Denen? Wobei denn?

Jenny: Ach, der Kreuzer war auch da.

Lars: Direkt im Doppelpack?

Jenny: Ja, da konnten sie mich besser beeinflussen. (lacht) Nee, war schon okay.

Sebastian: Naja, eigentlich wären wir ja zu dritt und somit in der Überzahl gewesen.

Lars: Stimmt. Hast du eigentlich Ärger gekriegt, weil wir nicht mitgekommen sind?

Jenny: Naja, anfangs waren sie nicht so begeistert ... Aber als ich erklärt hab, warum ihr nicht mitgekommen seid, da ging's dann einigermaßen.

Lars: Dann ist ja gut. Wäre echt blöd gewesen, wenn du wegen uns was abgekriegt hättest.

Jenny: Hätte ich auch verkraftet und dann danach doppelt an euch weiter gegeben.

Sebastian: (lacht) Okay, aber warum wollten sie denn jetzt mit dir, beziehungsweise uns, sprechen?

Jenny: Gestern hat Michael aus der zweiten Klasse wohl festgestellt, dass sein Taschenmesser weg ist. Er behauptet, dass es ihm gestohlen wurde.

Sebastian: Und was hat das jetzt mit uns zu tun?

Jenny: Die beiden meinten, ob wir eventuell mal überlegen könnten, ob es ne Möglichkeit gibt, das zu klären.

Lars: Na super. Und wie bitte sollen wir das anstellen? Das ist ja wohl kaum mal eben so getan ...

Jenny: Ich hab ihnen gesagt, wir würden das in Ruhe überlegen ... also, ob wir helfen ... und ihnen dann morgen irgendwann Bescheid sagen.

Sebastian: Wenn uns einfällt, wie, okay. Aber ansonsten lehnen wir dankend ab. Oder wie seht ihr das?

Lars: Seh ich genauso.

Jenny: Ich doch auch. Sonst hätte ich ja sofort gesagt, dass wir's machen.

Sebastian: War's das? Oder wollten die noch mehr?

Jenny: Ach, die haben nur noch wieder gefragt, ob ich wegen dem Schülersprecherposten schon überlegt hätte.

Sebastian: Und? Hast du?

Jenny: Hmm. Hab gesagt, ich wäre nicht abgeneigt.

Sebastian: Super! Da freu ich mich. Ich glaub, wir zwei geben ein gutes Team ab.

Jenny: Nicht zu früh freuen. Erstmal abwarten, ob nicht doch mehr dagegen sind.

Lars: Quatsch!

Jenny: Wie viel Uhr haben wir eigentlich?

Sebastian: Gleich viertel nach acht. Warum?

Jenny: Nicht, dass wir noch Ärger kriegen, weil ich nach dem Zapfenstreich noch bei euch abhänge.

Lars: Nee, keine Sorge. Wir achten schon auf die Uhr.

Sebastian: Achso, Jenny, was mir grade noch einfällt: wegen vorhin, das tut mir leid. Da hab ich ein bisschen überreagiert, als ich dich angeschnauzt hab.

Jenny: Ach, passt schon. Alles halb so wild.

Sebastian: Trotzdem.

Jenny: Okay ... Was sollen wir denn jetzt noch mit der Zeit anstellen bis ich auf's Zimmer muss?

Lars: Sollen wir vielleicht jetzt einfach schon mal überlegen, was wir wissen und wie oder ob wir der Bitte um die Hilfe nachkommen können?

Jenny: Ja, könnten wir machen.

Sebastian: Gute Idee! Ich such mal grade Stift und Papier raus, dann können wir loslegen.

Mit Stift und Papier bewaffnet sitzen die drei an dem Schreibtisch der Jungs und überlegen, was sie mit Sicherheit wissen und wie sie weiter vorgehen sollen.

Lars: Okay, was wir wirklich wissen, ist, dass Michaels Taschenmesser weg ist.

Jenny: Ja, genau. Nur, hat er es verloren? Oder ist es ihm tatsächlich geklaut wurden?

Sebastian: Gute Frage. Was meint ihr, könnte das - sagen wir jetzt einfach gestohlene - Taschenmesser mit dem Vorfall bei uns im Zimmer zusammenhängen?

Jenny: Rein theoretisch schon. Ist jetzt nur die Frage, ob der Typ vorhin wirklich was bei euch gesucht hat.

Lars: Was denn sonst?

Jenny: Vielleicht war er ja nur zur falschen Zeit am falschen Ort. Wäre doch auch möglich.

Sebastian: Okay, aber wie kriegen wir das raus?

Lars: Wir sollten zuerst mal mit Michael reden und ihn fragen, ob er eine Idee hat, wer das gewesen sein könnte.

Sebastian: Das auf jeden Fall. Und vielleicht eine Schülerversammlung in der Aula einberufen, eventuell auch ohne die Lehrer.

Jenny: Aber könnten dann nicht auch Unschuldige verdächtigt werden? Ich mein, ein schwarzes Schaf gibt es ja sicher in jeder Klasse.

Sebastian: Auch wieder wahr.

Lars: Alles nicht so einfach.

Jenny: Ist bei euch eigentlich auch was weggekommen?

Lars: Ich find mein Hard Rock Café T-Shirt nicht mehr. Bin mir aber nicht sicher, kann sein, dass es bei der Schmutzwäsche ist.

Jenny: Das aus dem Sommerurlaub?

Lars: Ja, genau.

Jenny: Ist ja mal voll doof.

Als sie so weit gekommen sind, geht die Tür auf und Herr Kreuzer betritt das Zimmer.

Herr Kreuzer: Was ist denn hier los? Noch nicht in den Betten und dann auch noch Damenbesuch? Nee, nee, nee.

Jenny: Wie viel Uhr haben wir denn?

Lars: Oh! Wir haben schon fast zehn.

Jenny: Was?

Herr Kreuzer: Nun, jetzt wisst ihr es. Jenny, was machst du um die Zeit noch hier?

Jenny: Wir haben überlegt, wie wir wegen dem Taschenmesser von Michael vorgehen könnten. Und darüber dann wohl die Zeit vergessen.

Herr Kreuzer: Dann seht aber jetzt mal zu, dass ihr in die Betten kommt. Ich schau gleich noch mal vorbei. Wenn ihr dann alle drei in den Betten liegt, vergesse ich den Vorfall hier. Ansonsten werden wir morgen mal ein ernstes Gespräch zusammen führen. Verstanden?

Jenny: Ja, okay. Nacht, Lars. Nacht, Sebastian.

Lars: Nacht, Kleine. Schlaf gut.

Sebastian: Bis morgen, Jenny.

 

***

Als ihr Mathelehrer einige Minuten später noch mal ins Zimmer von Nina, Sally und Jenny schaut, verschwindet Jenny gerade unter ihrer Bettdecke. Im Halbdunkel des Zimmers lächelt er kurz und schließt die Tür wieder. Kaum dass sich die Schritte ihres Lehrers entfernt haben, schaltet Sally ihre Leselampe an. Leise tuscheln sie zusammen.

Sally: Wo warst du denn? Ich hab dich nach dem Abendessen gar nicht mehr gesehen.

Jenny: Ich war bei Lars und Sebastian im Zimmer. Seid ihr jetzt deswegen sauer oder so?

Nina: Nein, keine Sorge. Ihr versteht euch halt super und, naja, die beiden sind ja auch echt nett.

Sally: Ist doch klar, dass du Zeit mit deinem Bruder verbringen willst. Wir verstehen das.

Jenny: Puh, da bin ich jetzt aber froh, dass ihr das versteht. Wäre sonst echt blöd.

Sally: Alles im Lot, Jenny. Achso, wir haben dir mal aufgeschrieben, welche Fächer wir wann haben und ne grobe Übersicht über die vorgegeben Zeiten.

Jenny: Cool, danke. Dann muss ich euch wenigstens nicht mehr jeden Tag fragen, welche Fächer wir haben und so.

Nina: Du kannst uns aber trotzdem jederzeit fragen, wenn was unklar ist.

Jenny: Mach ich, danke. Eine Bitte hab ich aber noch.

Sally: Schieß los.

Jenny: Wenn ich mal zu zickig bin oder so, dann sagt mir das bitte. Okay?

Sally: Okay. Aber, wie kommst du da drauf? Also ich find dich total in Ordnung.

Nina: Ich auch. Das Einzige was ist, du wirkst manchmal irgendwie abwesend. Da hat's dann den Anschein, als wärst du mit offenen Augen am Träumen.

Jenny: Wer weiß, vielleicht bin ich ja genau das.

Sie lachen leise und Jenny wirft noch einen kurzen Blick auf die beiden Pläne.

Jenny: Wow, da steht ja wirklich alles drauf. Danke! Ihr seid echt die Besten!

Nina: Gerne doch. Aber jetzt sollten wir dann doch mal schlafen. Morgen ist ja leider schon wieder Montag.

Jenny: Okay, hast Recht. Dann schlaft mal gut, Mädels.

Sally: Gute Nacht!

Nina: Bis morgen.

Lügen haben kurze Beine

Nach einem ruhig-verschlafenen Frühstück am nächsten Morgen wartet Jenny vor der Mensa auf Lars und Sebastian, die kurz nach ihr die Mensa verlassen.

Sebastian: Morgen, Jenny. Wartest du auf uns?

Jenny: Morgen. Ja, genau.

Lars: (erstaunt) Warum denn?

Jenny: Wollte nur fragen, wann wir dem Stein wegen der Sache von gestern Bescheid sagen.

Lars: Achso. Hmm, was haltet ihr von der ersten Pause?

Sebastian: Können wir machen, ja.

Jenny: Okay. Treffen wir uns bei ihm vorm Büro oder wo?

Sebastian: Ja, okay.

Lars: Alles klar. Dann bis zur Pause.

Jenny: Bis später.

 

***

Zu Beginn der ersten Pause treffen die drei gleichzeitig vor dem Büro ihres Lehrers ein.

Sebastian: Okay, dann mal auf rein. Vielleicht haben wir dann auch noch ein bisschen von der Pause.

Lars: Stimmt.

Lars klopft an und sie betreten das Büro.

Sebastian: Morgen, Herr Stein. Dürfen wir kurz stören?

Herr Stein: Natürlich, kein Problem. Was gibt's denn?

Jenny: Es geht um die Sache von gestern.

Herr Stein: Habt ihr in Ruhe darüber nachgedacht?

Sebastian: Ja, genau. Und wir haben schon mal so ein paar Dinge aufgeschrieben. Es ist zwar noch kein konkreter Plan, wie wir vorgehen könnten, aber vielleicht reicht das als Ansatz schon mal aus.

Herr Stein: Das klingt doch schon ganz gut.

Jenny: Sebastian, hast du den Zettel von gestern Abend dabei? Den, wo wir alles aufgeschrieben haben.

Sebastian: Ja, hab ich. Was hast du vor?

Jenny: Nichts dramatisches. Ich dachte nur, wir könnten den vielleicht erstmal hier  lassen.

Lars: Das war doch nur einfach mal dahin geschrieben.

Herr Stein: Interessieren würde mich schon, was ihr bisher ausgetüftelt habt. Aber, wartet mal kurz. Jenny, hast du gerade gestern Abend gesagt?

Jenny: Ähm, ja. Warum?

Herr Stein: Herr Kreuzer meinte heute Morgen, er hätte gestern Abend noch ein Mädel aus meiner Klasse in einem Jungenzimmer erwischt. Aber er wollte mir nicht verraten, um wen es dabei ging.

Sebastian: Wirklich? Hmm, haben wir gar nichts von gehört. Du vielleicht, Jenny?

Jenny: Nee, beim besten Willen nicht. Wüsste jetzt echt nicht, dass da bei uns jemand was von gesagt hätte.

Lars: Komisch. Oder, meinst du, dass Klaudia ...?

Jenny: Klaudia? Nee, die bestimmt nicht.

Herr Stein: (schmunzelt) Schon klar. Ich hatte da ja schon einen Verdacht. Und jetzt bin ich auch davon überzeugt, dass ihr drei das gewesen seid. Stimmt's?

Jenny: (unschuldig) Wir? Wie kommen Sie da denn drauf?

Herr Stein: Na, ich kann doch zwei und zwei zusammenzählen. Also, was ist nun?

Lars: Hmm, okay, ich glaube, Ihnen kann man wirklich nichts vormachen.

Sebastian: Ich fürchte auch.

Herr Stein: Dann habt ihr ja wieder was gelernt. Ich würde vorschlagen, ihr kommt heute nach den AGs noch mal zu mir. Könntet ihr mir den Zettel solange hier lassen?

Sebastian: Okay, kein Problem. (reicht Herrn Stein den Zettel) Also direkt nach den AGs dann?

Herr Stein: Ja, bitte. Und jetzt zurück in den Unterricht mit euch. Nicht, dass ihr noch zu spät kommt.

Jenny: Sind schon weg.

 

***

Im Flur trennen sie sich und Jenny beeilt sich, um pünktlich am Kunstraum anzukommen. Dort wundert sie sich, wo ihre Klassenkameraden sind.

Jenny: Hmm, wo sind die denn alle. (schaut auf die Uhr) Oh, schon fünf vor zehn, kein Wunder, dass keiner hier ist.

Leicht zögernd klopft sie leise an die Tür, bekommt jedoch keine Antwort. Auch das Herunterdrücken der Türklinke hilft ihr nicht wirklich weiter.

Jenny: Abgeschlossen? Was geht denn hier ab?

Sie wartet noch einen Augenblick und geht dann zu ihrem Klassenzimmer. Als sie dieses betritt, wundert sie sich, dass alle auf ihren Plätzen sitzen. Fragend blickt sie Nina und Sally an, die ebenso fragend zurückschauen.

Herr Schneider: (sarkastisch) Ach, wen haben wir denn da? Doch noch den Weg in den Unterricht gefunden?

Jenny: Tschuldigung, aber ich hab am Kunstraum gewartet. Und auf den Krücken dauert der Weg wieder hier rauf leider etwas länger.

Herr Schneider: Aha, so ist das also? Naja, ich werde heute mal ein Auge zudrücken. Wusstest du denn nicht, dass wir montags immer im Klassenzimmer Unterricht haben? Hat dir das niemand gesagt?

Jenny: Nein, davon wusste ich nichts.

Herr Schneider: Okay. Dann setz dich jetzt mal auf deinen Platz und wende dich deiner Aufgabe zu.

Jenny: Okay, danke.

Erleichtert darüber, dass sie keinen großen Ärger bekommen hat, lässt Jenny sich auf ihren Platz sinken.

 

***

Kaum, dass Herr Schneider am Ende der Stunde das Klassenzimmer verlassen hat, tippt Sally Jenny leicht von hinten auf die Schulter.

Jenny: (dreht sich um) Ja?

Sally: Bist du jetzt sauer auf uns, weil wir dir nicht gesagt haben, dass wir montags in der Klasse Kunst haben?

Jenny: Quatsch! Warum sollte ich deswegen sauer sein? Kann doch jeder mal was vergessen.

Nina: Dann ist gut. Aber, sag mal ehrlich, warum du eigentlich zu spät gekommen bist?

Jenny: Habt ihr doch eben mitgekriegt.

Martin: War das nicht nur ne Ausrede? Du warst doch in der Pause mit Lars und Sebastian beim Stein, oder?

Jenny: Ja. Und von dort aus bin ich zum Kunstraum. Den Rest kennt ihr ja schon.

Martin: Okay. Ich dachte, wäre nur ne Ausrede gewesen.

Nico: Achtung! Kreuzer im Tiefflug!

Blitzschnell setzen sich alle wieder auf ihre Plätze oder drehen sich nach vorne und kramen ihre Mathesachen raus.

Herr Kreuzer: Morgen.

Alle: Morgen, Herr Kreuzer.

Herr Kreuzer: Schlagt eure Bücher auf Seite 53 auf. Wir müssen mit dem Stoff durchkommen.

Sascha: Aber ... da waren wir doch am Freitag schon.

Herr Kreuzer: Ja, und wie ihr vielleicht gesehen habt, gibt es auf der Seite noch mehr Aufgaben. Also, keine Widerrede. Bücher auf und an die Arbeit!

Jenny: (leise zu Martin) Das ist doch Tierquälerei.

Herr Kreuzer: Wie war das? Jenny, komm bitte nach der Stunde noch kurz zu mir.

Jenny: Okay. Ich weiß zwar nicht, was ich jetzt wieder verbockt habe, aber wenn Sie unbedingt wollen ...

Herr Kreuzer: Ja, will ich. Und jetzt, ihr wisst, was ihr zu tun habt. Das, was ihr nicht schafft, macht ihr heute Nachmittag als Hausaufgaben.

Mit leicht murrigen Mienen machen sie sich an die Arbeit. Mit dem Pausenklingeln verlassen alle fluchtartig die Klasse. Auch Jenny versucht, mit den anderen aus der Klasse zu fliehen, was aber wegen ihren Krücken nicht so einfach ist. Ihrem Mathelehrer entgeht der Fluchtversuch jedoch nicht und er pfeift sie zurück.

Herr Kreuzer: Jenny, hatten wir nicht noch etwas zu besprechen? Oder irre ich mich da?

Jenny: Oops, sorry. Hab ich total vergessen.

Herr Kreuzer: Ja, klar, kann man dann sagen. Also, was hast du vorhin zu Martin gesagt?

Jenny: Ach, das war nicht so wichtig.

Herr Kreuzer: Dann kannst du es mir ja ruhig sagen.

Jenny: Ich glaube, das würde Sie gar nicht interessieren.

Herr Kreuzer: Meinst du? Nun, mich interessiert schon, welche Kommentare meine Schüler zu meinem Unterricht abzugeben haben. Also, raus mit der Sprache.

Jenny: Wenn Sie meinen ... Ich hab nur vorhin gesagt, dass das an Tierquälerei grenzt.

Herr Kreuzer: Was genau?

Jenny: Als Sie uns aufgefordert haben, die Bücher aufzuklappen und ohne Widerrede an die Arbeit zu gehen. Da kam das irgendwie so über mich.

Herr Kreuzer: So, so, verstehe. Na, dann hau mal ab in die Pause zu den anderen.

Jenny: Mach ich doch glatt.

 

***

Endlich sind auch die letzten beiden Stunden Unterricht zu Ende und alle versammeln sich zum Mittagessen.

Sven, der wieder mit am Tisch der dritten Klasse sitzt, versucht vergeblich, für Ruhe zu sorgen.

Martin: Boah, der Kreuzer hat sie doch echt nicht mehr alle an der Klatsche heute, oder?

Marco: Das kannste wohl laut sagen. Wie weit seid ihr eigentlich vorhin gekommen?

Nina: Ich glaub, ich muss noch acht oder neun Aufgaben durchkriegen. Definitiv viel zu viel!

Jenny: Ich hab nicht mal die ersten beiden geschafft. Ihr seid irgendwie viel weiter im Stoff.

Martin: Wenn du Hilfe brauchst, sag Bescheid.

Jenny: Danke. Komm ich eventuell drauf zurück.

Sally: Mach das ruhig. Mir hat er auch schon nen ordentlichen Push in Mathe verpasst.

Jenny: Echt? (Sally nickt) Martin, wann hast du Zeit?

Martin: Wenn du möchtest, können wir die Aufgaben nachher gerne zusammen angehen.

Jenny: Cool, danke!

Sven: Lästert mal nicht zu laut. Eure Lehrer hören mit.

Nico: Ach, die sind das doch gewöhnt von uns.

Marco: Außerdem, wer weiß, ob die nicht auch die ganze Zeit über uns lästern.

Sally: Genau. Sven, wie wär's, wenn du dich mal nen Tag zu den Lehrern setzt und uns dann davon berichtest?

Sven: (lacht) Ja, klar. Ihr kommt auf Ideen.

Jenny: Wenn nicht wir, wer dann? Von alleine kämst du doch gar nicht auf so ne Idee, da müssen wir dich ja förmlich drauf stoßen.

Sven: Na wenn ihr meint. Jenny, hast du nachher mal zwischendurch irgendwann Zeit?

Jenny: Wenn die anderen in der AG sind. Warum?

Sven: Ich wollte noch mal bei deinem Fuß gucken.

Jenny: (erstaunt) Hast du doch gestern noch. War da doch irgendwas nicht in Ordnung?

Sven: Doch, alles so, wie ich's dir gesagt hab. Aber neue Salbe drauf schadet auf jeden Fall nicht.

Jenny: Okay, dann komm ich so um drei vorbei. Muss nur um kurz nach vier beim Stein sein. Aber so lange wird's wohl nicht dauern, oder?

Sven: Nein, keine Sorge. Das kriegen wir schnell hin.

Jenny: Alles klar.

 

***

Als Jenny um zehn nach drei bei Sven vorbeischaut, wird sie bereits von ihm erwartet.

Jenny: Hi, Sven. Da bin ich.

Sven: (lacht) Tatsächlich! Schaut fast so aus, als wärst du's wirklich. Gab's noch Probleme?

Jenny: Nee, alles in Butter. Warum?

Sven: Ich hatte dich um drei erwartet.

Jenny: Ja, sorry. Ich musste noch eine Aufgabe für Mathe fertig kriegen und es lief grade einigermaßen gut. Und sooo schnell bin ich mit den Krücken leider auch wieder nicht.

Sven: Okay. Bis vier hattest du Zeit, oder?

Jenny: Ja, so ungefähr. Dann sind die AGs zu Ende und Lars, Sebastian und ich müssen zum Stein.

Sven: Habt ihr was angestellt?

Jenny: Nee, geht um was anderes.

Sven: Na dann. Setz dich doch. Magst du auch einen Tee? Ich hab mir grade welchen aufgeschüttet.

Jenny: Gerne. Aber nur, wenn ich dich nicht von der Arbeit abhalte oder sonst wie störe.

Sven: Nein, für einen Montag ist's heute erstaunlich ruhig. Wenn also nichts Unvorhergesehenes passiert, dann kannst du mich von nichts Wichtigem abhalten.

Jenny: Okay. Ansonsten sagst du's einfach und ich verkrümel mich dann sofort.

Sie setzen sich und trinken gemütlich Tee zusammen.

Jenny: Sag mal, wie gefällt's dir eigentlich hier? Ist es so, wie du's dir vorgestellt hast?

Sven: Es gefällt mir richtig gut. Ich bin dir wirklich dankbar, dass du dich so für mich eingesetzt hast.

Jenny: Ach, da nix für. Hab ich doch gerne gemacht. Außerdem ... naja ... du bist echt in Ordnung.

Sven: Das freut mich!

Jenny: Hast du von Ralf noch mal was gehört?

Sven: Ich war Samstag mal für ein paar Stunden in der Jagdhütte. Ist wohl recht einsam da so alleine.

Jenny: (lacht) Das denke ich mir. Ist ja auch ziemlich am Arsch der Welt, da verirrt sich ja eher selten jemand hin.

Sven: Ja, abgesehen von ein paar Teenagern, die einen dann auch noch für Schmuggler halten.

Jenny: Ach komm, das war doch eh schon peinlich genug. Musst du mir jetzt nicht noch weiter vorhalten.

Sven: So schlimm war es doch nun auch wieder nicht. Nur würde mich ja doch interessieren, was ihr gemacht hättet, wenn wir wirklich Schmuggler gewesen wären.

Jenny: Ganz ehrlich? Ich hab keine Ahnung ...

Sven: So was in der Art dachte ich mir schon. Aber okay, vergessen wir das mal wieder.

Jenny: Danke.

Fröhlich plaudernd vergessen sie beinahe, warum Jenny ursprünglich bei Sven vorbeigekommen ist. Doch nach etwa einer halben Stunde fällt es beiden gleichzeitig wieder ein.

Sven: Jetzt hätten wir doch glatt beinahe vergessen, warum du überhaupt hier bist.

Jenny: Genau das wollte ich auch gerade sagen.

Sven: Na, dann zeig mal deinen Fuß her.

Jenny: Okay.

Sie zieht Schuh und Socke aus. Sven hebt ihren Fuß an, wickelt den Verband ab und tastet den Knöchel entlang. Neugierig beugt Jenny sich leicht vor, um ebenfalls einen Blick auf die Schwellung zu erhaschen.

Jenny: Hmm, der sieht doch schon fast wieder normal aus. Oder was sagst du dazu?

Sven: Normal? Naja, sagen wir, dass er besser aussieht.

Jenny: Ist ja immerhin etwas. Meinst du, ich kann bald wieder auf die Krücken verzichten?

Sven: Überstürz es bitte nicht, das ist es nicht wert.

Jenny: Ich frag ja nur.

Sven: Und ich antworte nur. Mein Vorschlag wäre: am Mittwoch guck ich noch mal bei deinen Fuß und dann sehen wir weiter. Vielleicht, aber wirklich nur vielleicht, kannst du dann mal versuchen, den Fuß wieder zu belasten. Allerdings wäre ich da gerne dabei, um dich notfalls zu stoppen.

Jenny: Okay, das klingt doch eigentlich ganz gut. Ich denke, damit könnte ich leben.

Sven: Schön. Und wenn das klappt, dann können wir nächsten Montag mal überlegen, ob du langsam wieder in den Sportunterricht einsteigen kannst.

Jenny: (lacht) Du verstehst es, mich glücklich zu machen. Weißt du, die Ruhe ohne Lehrer und irgendwelche Pflichten ist zwar ganz schön, aber so ganz alleine ist es doch auch ziemlich langweilig.

Sven: Das glaub ich dir gerne. Aber, du musst mir dann auch wirklich versprechen, dass du es langsam angehen lässt und nicht gleich übertreibst.

Jenny: Klar, du kennst mich doch.

Sven: Genau deshalb sag ich das ja. (schaut auf die Uhr) So, dann mach ich dir jetzt noch einen neuen Verband drum und dann musst du wohl schon wieder gehen.

Jenny: Ist's schon wieder so spät?

Sven: Kurz vor vier, ja.

Jenny: Oh, okay.

Wenig später hat Jenny einen neuen Verband um ihr Fußgelenk und verabschiedet sich von Sven.

Jenny: Dann bis später mal. Wir sehen uns ja sicher beim Abendessen noch. Achso, und danke.

Sven: Kein Problem. Bis heute Abend.

 

***

Bevor sie sich mit den Jungs trifft, geht Jenny noch mal schnell auf ihr Zimmer. Kurz nach ihr kommen auch Nina und Sally von der AG zurück.

Nina: Hi, Jenny. Und? Was hat Sven zu deinem Fuß gesagt? Geht's endlich aufwärts?

Jenny: Ja, ist auf dem Weg der Besserung.

Sally: Das ist doch super! Achso, Lars und Sebastian lassen ausrichten, dass sie dich gleich abholen. Sie wollten nur noch eben unter die Dusche springen.

Jenny: Alles klar. Ich glaub, ich zieh mir auch noch schnell andere Klamotten an.

Nina: Was habt ihr denn vor?

Jenny: Ach, wir müssen noch mal zum Stein.

Nina: (lacht) Und dafür willste dich schick machen.

Jenny: Hahaha, echt witzig.

Sally: Jenny macht sich doch bestimmt nur für die Jungs schön, nicht für den Stein.

Jenny: Ihr seid doch verrückt. (kichert) Aber jetzt mal ernsthaft, die Klamotten hab ich jetzt schon den ganzen Tag an ... Nee, ich zieh mir eben n frisches T-Shirt und die Caprijeans an. Wer weiß, wie lange das Wetter noch so mitspielt.

Nina: Okay, dann mach das mal. Aber hast schon Recht, wer weiß, wie lange es noch so schön warm ist.

Sally: Wobei, letztes Jahr war's doch im Herbst auch noch bombig. Vielleicht haben wir ja Glück.

Nina: Hmm, aber das heißt ja leider nicht, dass es dieses Jahr auch wieder so wird.

Jenny: Fachsimpelt ihr mal weiter, ich verschwind dann mal grade im Bad. Sonst kommen die Jungs gleich schon.

Sally: (grinst) Viel Spaß!

Lachend verschwindet Jenny im angrenzenden, kleinen Badezimmer. Sie hat gerade die Tür hinter sich geschlossen, als Lars und Sebastian eintrudeln.

Lars: Hey, ihr beiden. Ist Jenny noch nicht wieder zurück?

Nina: Doch, sie zieht sich grade andere Klamotten an.

Sally: Ihr könnt aber gerne hier warten, wenn ihr wollt.

Sebastian: Alles klar, danke. (schmunzelt) Sie wird schon keine Ewigkeiten brauchen.

Lars: Und der Stein wird sich ja wohl auch denken können, dass wir nach den AGs erstmal noch schnell duschen.

Sally: Wenn nicht, wäre er ja schön blöd.

Wenig später kommt Jenny wieder zurück ins Zimmer.

Jenny: Oh, hi, ihr seid ja schon da. Wartet ihr schon lange auf mich?

Sebastian: Nein, keine Sorge. Erst seit ein paar Minuten.

Lars: Sollen wir dann mal?

Jenny: Okay, je eher, desto besser. Dann sind wir auch schneller wieder raus.

Lars: Stimmt.

Nina: Dann mal bis später.

Sebastian: Tschau, ihr zwei.

 

***

Wenig später sind die drei im Büro von Herrn Stein, der sie bereits ungeduldig erwartet.

Herr Stein: Da seid ihr ja endlich. Setzt euch doch.

Sie setzen sich auf die bereitstehenden Stühle vor dem Schreibtisch ihres Lehrers.

Sebastian: Ja, wir waren zuerst noch duschen.

Herr Stein: Schon okay, kein Problem.

Jenny: Und? Haben Sie sich den Zettel angesehen?

Herr Stein: Ja, habe ich. Ich muss sagen, das, was ihr bisher zusammengeschrieben habt, kann sich doch eigentlich schon ganz gut sehen lassen.

Lars: Immerhin etwas. Dafür, dass wir es gestern einfach nur mal so eben hingekritzelt haben.

Herr Stein: Wie ihr meint. Also, wenn ihr wollt, könnt ihr gerne eine Schülerversammlung in der Aula organisieren, allerdings wird es dann schwierig, dass keine Unschuldigen verdächtigt werden. Und es könnte natürlich auch passieren, dass sich dann andere einmischen.

Jenny: Hmm, okay, an das mit dem Einmischen hatten wir gestern nicht gedacht.

Herr Stein: Ist doch kein Problem, dafür sitzen wir ja jetzt hier zusammen und überlegen gemeinsam.

Sebastian: Und wenn wir eine SV-Sitzung machen würden? Ausnahmsweise vielleicht nur mit den Klassensprechern, also ohne Vertreter und ohne Lehrer.

Jenny: Aber müssten die Klassensprecher nicht hinterher berichten, worum es auf der SV-Sitzung ging?

Herr Stein: Normalerweise schon. Aber es wäre eventuell möglich, diesen Punkt dann mit der Bitte um Geheimhaltung auf die Tagesordnung zu setzen.

Sebastian: Ob sich da dann aber alle dran halten?

Herr Stein: Sicher kann man sich da leider nicht sein, aber es käme auf einen Versuch an.

Jenny: Sollten wir nicht zu allererst mal mit Michael reden? Vielleicht will er ja überhaupt nicht, dass das so an die große Glocke gehangen wird.

Sebastian: Stimmt, von der Seite hab ich das noch gar nicht betrachtet. Dann sollten wir ihn vielleicht nachher mal suchen und mit ihm reden.

Herr Stein: Oder ich ruf ihn kurz dazu und ihr besprecht das hier mit ihm. Das würde eventuell weniger Aufsehen erregen, als wenn ihr ihn woanders abfangt.

Jenny: Das klingt logisch. Hmm ... Kann ich in der Zeit, bis Michael hier ist, mal kurz raus telefonieren?

Herr Stein: Klar, aber wenn du möchtest, kannst du auch von hier drinnen eben jemanden anrufen.

Jenny: Nee, ich mach das eben auf dem Gang.

Herr Stein: Wie du meinst.

Sebastian: Wen willst du denn anrufen?

Lars: Würde mich auch interessieren.

Jenny: Erzähl ich euch später.

 

***

Jenny geht raus auf den Gang, holt ihr Handy aus der Hosentasche und sucht die Handynummer von Ralf raus. Nach mehrmaligem Läuten nimmt Ralf den Anruf entgegen.

Ralf: Ralf Meyer.

Jenny: Hi, Ralf, hier ist Jenny.

Ralf: Oh, hallo, Jenny. Was gibt's?

Jenny: Ich ... bräuchte mal nen Rat von dir.

Ralf: Um was geht's denn?

Jenny: Ist n bisschen komplizierter. Hast du eventuell heute Abend Zeit, dass wir uns mal kurz treffen könnten?

Ralf: Okay, können wir machen. Soll ich zum Internat kommen? Oder wo dachtest du?

Jenny: Wäre super ... also, wenn das geht.

Ralf: Klar, kein Problem. Ich muss um neun auf dem Revier sein. Sagen wir, wir treffen uns um halb acht? Meinst du, dreißig Minuten reichen?

Jenny: Ja, das sollte reichen.

Ralf: Alles klar. Ist denn irgendwas passiert?

Jenny: Nicht direkt. Ich erklär dir später alles.

Ralf: Okay, dann bis nachher.

Jenny: Ja, bis später. Und, danke schon mal.

Jenny legt auf und will gerade wieder zurück ins Büro, als Michael ankommt. Sie gehen gemeinsam rein.

Herr Stein: Ah, schön, da seid ihr ja. Hallo, Michael.

Michael: Hallo. Was wollen Sie denn? Und, warum sind die anderen hier? Mit denen hab ich doch gar nichts zu tun.

Herr Stein: Du wirst dich doch sicherlich noch an das erinnern, was Herr Kreuzer und ich am Samstag mit dir besprochen haben.

Michael: Achso, ja. Mir ist alles recht, hauptsache ich krieg mein Taschenmesser wieder.

Jenny: Wann und wo hast du das denn zuletzt gesehen?

Michael: Freitagabend in meinem Zimmer.

Sebastian: Und du hast schon alles abgesucht?

Michael: Ja, klar. Was denkt ihr denn? Und, nein, ich hab's nicht gefunden. Leider ...

Lars: Weißt du denn, wer dir das Taschenmesser geklaut haben könnte? Oder hast du eine grobe Ahnung?

Michael: Nee, weiß ich nicht. Sonst hätte ich mir das schon längst zurückgeholt und so ...

Jenny: Okay, hmm ...

Sebastian: Hast du was dagegen, wenn wir von hier aus gleich mal in dein Zimmer gehen und noch mal zusammen nachsehen? Vielleicht finden wir ja was raus.

Michael: (zögert) Ähm, nö, warum sollte ich da was gegen haben? Wollt ihr sofort oder erst später?

Jenny: Ich würde vorschlagen, wir gehen sofort.

Lars: Ja, genau. Je eher, desto besser.

Herr Stein: Okay, dann geht jetzt eben. Aber kommt bitte danach noch mal hier vorbei  und sagt mir, ob ihr was herausgefunden habt.

Sebastian: Alles klar, machen wir.

 

***

Michael zeigt Jenny, Lars und Sebastian sein Zimmer und verschwindet dann sofort wieder.

Lars: Was war das denn jetzt?

Sebastian: Keine Ahnung. Naja, egal, er wird schon wieder zurückkommen.

Jenny: Bist du dir da sicher?

Sebastian: Warum denn nicht?

Jenny: Ist euch vorhin nicht aufgefallen, wie er gezögert hat, als wir ihm vorgeschlagen haben, noch mal mit ihm gemeinsam hier zu suchen?

Lars: Kann sein, hab ich nicht so genau drauf geachtet.

Sebastian: Aber zumindest können wir so in Ruhe überall gucken und suchen.

Lars: Stimmt. Also los?

Sebastian: Ja.

Jenny: Okay, dann mal los.

Sebastian: Auf geht's!

Sie beginnen mit der Suche, finden zunächst aber nichts. An aufhören denken sie jedoch nicht.

Jenny: Puh, das ist ja schlimmer wie die Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen. Ich geh mal ins Badezimmer und guck mich da um.

Sebastian: Okay, aber wühl nicht in den Unterhosen.

Jenny: Sehr witzig ...

Fünf Minuten später:

Sebastian: Ich glaub's nicht!

Lars: Was denn?

Sebastian: Guck dir das mal an hier. Zwischen Matratze und Lattenrost eingeklemmt. Und zusätzlich auch noch mit Klebeband befestigt.

Lars: Wie bitte? Michael schläft quasi auf seinem Taschenmesser und will davon nichts wissen?

Sebastian: Ja, genau. Bleibt nur noch die Frage, ob sich da jetzt jemand einen bösen Scherz mit ihm erlaubt hat oder ob das alles von ihm ein ausgetüfteltes Spiel ist.

Lars: Du meinst, er hat es da einfach versteckt um nicht selbst in Verdacht zu geraten?

Sebastian: Möglich wäre es doch. Und dann wäre Tobi definitiv zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen.

Lars: Nun ja, bewiesen ist ja noch nichts.

In dem Moment kommt Jenny aus dem Bad zurück ins Zimmer gestürmt.

Jenny: Lars! Sebastian! Ihr glaubt nicht ... Äh ... ist das das, wonach es aussieht?

Lars: Wenn du das Taschenmesser meinst, ja.

Jenny: So ein Schlingel ...

Sebastian: Aber du wolltest grade auch was.

Jenny: Ja. Guckt mal, was ich da im Badezimmer zwischen den Handtüchern gefunden hab.

Jenny hält ein T-Shirt hoch.

Lars: (erstaunt) Mein Hard Rock Café T-Shirt?

Jenny: Zumindest sieht es deinem verdammt ähnlich.

Sebastian: Hattest du nicht einen kleinen Fleck am Ärmel, der nicht mehr raus geht?

Lars: Stimmt. Jenny, zeig mal bitte. (nimmt Jenny das T-Shirt ab) Ich glaub's nicht. Das ist eindeutig meins.

Sebastian: Okay, dann liegen die Fakten ja wohl eindeutig auf der Hand.

Jenny: Sieht fast so aus.

Lars: Gut, dann würde ich sagen, gehen wir zuerst noch mal zum Stein und sagen ihm Bescheid. Und dann ist ne anständige Entschuldigung bei Tobi fällig.

Sebastian: Das auf jeden Fall. Michael kann echt froh sein, dass nicht mehr Bescheid wussten.

Jenny: Was passiert denn jetzt mit ihm?

Lars: Ich vermute, er wird vom Internat fliegen.

Jenny: Das ist hart, aber verdient hat er's ja.

Lars: Genau. Jetzt verrat uns aber mal bitte, wen du vorhin noch angerufen hast.

Jenny: Ich hab Ralf angerufen und ihn gefragt, ob wir uns nachher mal treffen können. Vielleicht hätte er ja nen Tip gehabt für uns. Aber das hat sich ja jetzt eigentlich auch erledigt. Ist ja alles geklärt ...

Sebastian: Dann ruf du doch Ralf eben an und Lars und ich gehen alleine zum Stein.

Jenny: Okay. Dann bis später.

Sebastian: Bis nachher beim Abendessen.

Lars: Tschau, Kleine.

 

***

Während Jenny noch mal bei Ralf anruft, gehen Lars und Sebastian zu Herrn Stein, um ihm Bericht zu erstatten. Wenig später treffen die drei vor der Mensa wieder aufeinander.

Lars: Und? War Ralf sauer?

Jenny: Nee, alles kein Problem. Und wie hat der Stein reagiert? Der war doch sicher stinkig, oder?

Sebastian: Und wie! Naja, Michael wird noch heute Abend von seinen Eltern abgeholt.

Jenny: Passiert ihm denn noch mehr? Ich mein, kriegt er auch noch Ärger mit der Polizei?

Lars: Naja, der Stein hat mich gefragt, ob ich wegen dem T-Shirt was unternehmen möchte. Aber ich hab's ja wieder. Und es ist ja auch nicht kaputt oder so. Ich denke, er wird von seinen Eltern sicher genug Ärger bekommen und vielleicht ist ihm die Erfahrung ja eine Lehre.

Sebastian: Kann man nur für ihn hoffen. Jenny, kommst du nachher noch was mit uns raus?

Jenny: Geht ihr ruhig. Ich geh heute noch mal mit den anderen in den Gemeinschaftsraum.

Lars: Okay, wie du meinst. Falls du's dir noch anders überlegst, wir sind im Park.

Jenny: Alles klar. Wenn wir uns nicht mehr sehen sollten, sag ich schon mal bis morgen.

 

***

Jenny, die ihr Buch mit in den Gemeinschaftsraum genommen hat, setzt sich dort in eine Ecke und liest.

Nach einiger Zeit kommen Martin, Nico, Marco, Sally und Nina zu ihr und sprechen sie an.

Nina: Erde an Jenny. Was liest du da die ganze Zeit?

Jenny: Moment, kann jetzt nicht aufhören. Ich bin gerade an ner mega spannenden Stelle.

Martin: Ach, komm. Leg das Buch mal zur Seite. Du hockst jetzt schon fast ne Stunde hier in der Ecke und kriegst die Nase nicht mehr aus dem Buch raus.

Sally: Ist doch auch später noch spannend.

Jenny: Was soll das? Warum lasst ihr mich nicht einfach mal nen Moment in Ruhe lesen?

Marco: Wir wollten dir eigentlich nur sagen, dass wir morgen nen Mathetest schreiben.

Jenny: Ja, klar. Darauf fall ich nicht schon wieder rein.

Nico: Dieses Mal stimmt's wirklich.

Jenny: Ach, hört doch auf damit.

Nina: Der Kreuzer hat uns vorhin nach der AG abgefangen. Er hat heute Morgen vergessen, uns Bescheid zu sagen und wir sollten allen anderen Bescheid geben.

Jenny: Ja, ja, schon gut. Verarschen kann ich mich alleine. Gebt's doch zu, ihr wollt mich nur auf den Arm nehmen. Da hab ich jetzt echt keinen Bock drauf.

Sally: Ich weiß zwar nicht, wie du auf die Idee kommst, aber wenn du meinst ...

Nina: An deiner Stelle würd ich mir die Sachen noch mal angucken. Wenn ich mich nicht total irre, hat der Kreuzer dich eh schon auf dem Kieker.

Jenny: Lasst mich doch einfach in Ruhe, ich will lesen.

Martin: Dann können wir dir wohl auch nicht helfen.

Jenny klappt ihr Buch zu und geht in ihr Zimmer. Dort angekommen, macht sie sich schon fertig fürs Bett und legt sich dann auf ihr Bett. Sie holt ihr Heft und einen Stift aus der Schublade und beginnt zu schreiben.

 

Was für ein Tag! Dabei fing er eigentlich ganz gut an. Naja, okay, bis zum Ende der ersten Pause. Bin ich doch glatt in den falschen Raum gegangen, aber egal. Dann später noch der Ärger mim Kreuzer, nur weil ich gesagt habe, dass seine Unterrichtsmethoden Tierquälerei sind. Aber egal, ich hab's ja überlebt ...

Apropros Kreuzer: Vorhin nach dem Abendessen im Gemeinschaftsraum meinten die anderen, dass wir morgen nen Mathetest schreiben. Ob das stimmt? Oder wollten sie mich nur, so wie Nico am Freitag, verarschen? Ich hoffe, es stimmt nicht. Ansonsten hab ich die A-Karte gezogen. Ich kapier echt überhaupt nichts von dem, was wir momentan machen. Martin hat mir zwar heute mal ein bisschen erklärt, aber so richtig verstanden hab ich's trotzdem nicht.

Vielleicht frag ich Lars oder Sebastian mal, ob sie mir helfen - auf Nachhilfe hab ich nämlich nicht wirklich Lust ... Naja, erstmal abwarten, ob wir wirklich nen Test schreiben ...

 

Wenig später kommen Nina und Sally ins Zimmer. Sie machen sich fertig fürs Bett und bald darauf geht das Licht aus und die drei Mädels dümpeln ihren Träumen entgegen.

Vergeigter Mathetest

Als sie am nächsten Morgen in der Klasse sitzen, spricht Martin den bevorstehenden Test noch mal an.

Martin: Und, Jenny? Hast du gestern Abend auf'm Zimmer noch ordentlich Mathe gepaukt?

Jenny: Nee, ich hab noch ein bisschen gelesen und danach geschlafen. Willst du etwa immer noch behaupten, dass wir jetzt gleich nen Mathetest schreiben?

Martin: Ja, und ich behaupte das nicht nur. Es ist wirklich wahr, wir schreiben jetzt gleich nen Test.

Jenny: (unsicher) Echt?

Martin: Ja. Übrigens zählt der fast so viel wie ne Arbeit.

Jenny: Jetzt nicht ernsthaft, oder?

Martin: Doch. Deshalb schreiben wir ja auch bei Tests immer ne ganze Zeitstunde.

Jenny: Oha, na, das kann ja dann heiter werden.

Martin: Glaubst du mir jetzt endlich?

Jenny: Hmm ... Wenn's nur n Scherz wär, würdest du wohl jetzt nicht noch weiter darauf rumreiten, oder?

Martin: Ganz genau. Aber hey, lass dich nicht unterkriegen. Gestern bei den Hausaufgaben hat's doch am Ende auch ganz gut geklappt.

Jenny: Ja, klar ... da hat's so einigermaßen geklappt. Aber auch nur, weil du so ne Engelsgeduld mit mir hattest und alles  zig mal erklärt hast.

Martin: Hab ich doch gerne gemacht. Das Angebot gilt auch weiterhin, wir können gerne die Matheaufgaben erstmal zusammen machen.

Jenny: (lächelt) Danke.

Martin: Dafür sind Freunde doch da. So, und jetzt atme noch mal tief durch und sag dir, dass du's schon schaffen wirst. Wird schon schief gehen.

Jenny: Das befürchte ich allerdings auch ...

Nico: Achtung, der Kreuzer kommt!

Wie üblich stürmt ihr Mathelehrer in die Klasse und knallt seine Tasche auf den Tisch.

Herr Kreuzer: Morgen!

Alle: Morgen, Herr Kreuzer.

Herr Kreuzer: Räumt bitte alle Sachen vom Tisch. Ein Stift und der Taschenrechner dürfen draußen bleiben, ansonsten will ich nichts sehen.

Nachdem sie ihre Tische leer geräumt haben, verteilt Herr Kreuzer die Testblätter und setzt sich zurück ans Pult.

Herr Kreuzer: Ihr habt ab jetzt genau 60 Minuten Zeit, die Aufgaben zu lösen. Viel Glück!

Martin: (leise) Toi, toi, toi.

Jenny: (ebenso leise) Danke, dir auch.

Herr Kreuzer: Ruhe bitte! Das ist keine Partnerarbeit!

Nach genau einer Stunde sammelt Herr Kreuzer die Zettel wieder ein. Anschließend:

Herr Kreuzer: Okay, den Rest der Stunde könnt ihr euch unterhalten oder auf die nächste Stunde vorbereiten. Ich werfe derweil schon mal einen ersten Blick auf die Tests.

Martin: Und, Jenny, wie war's?

Jenny: Ganz ehrlich? Ich glaub, ich hab dem Kreuzer die Arbeit mit meinem Test ziemlich leicht gemacht.

Martin: So schlimm?

Jenny: Ja, auf jeden Fall. Ich hab grad mal eine Aufgabe irgendwie geschafft, aber die ist bestimmt auch falsch.

Sally: Was hast du falsch?

Nina: Genau. Was ist los? Warum guckst du so traurig?

Martin: Sie hat den Test versiebt.

Nina: Scheiße!

Jenny: Naja, ich bin ja selbst schuld. Hätte euch ja gestern einfach glauben können.

Nina: Wieso hast du uns eigentlich nicht geglaubt?

Jenny: Ach, Nico hat mich am Donnerstag gefragt, ob ich wüsste, das wir heute nen Mathetest schreiben. Das war allerdings nur ein Scherz von ihm. Naja, und gestern hab ich dann gedacht, ihr würdet's noch mal zusammen versuchen.

Sally: Oje, dann bist du ja jetzt wirklich voll reingefallen.

Marco: Das kannste wohl laut sagen.

Jenny: Nee, lieber nicht. Sonst kriegen die anderen hinterher noch mit, was los ist. Der Kreuzer guckt auch schon die ganze Zeit so komisch hier rüber.

Nico: Ach, komm schon, Jenny. Lass ihn doch gucken.

Jenny: Das sagt sich so leicht. Ich war wirklich mal gut in Mathe, aber irgendwie ... ach, ich weiß auch nicht.

Sally: Seid ihr denn noch nicht so weit gewesen?

Jenny: Nee, bei weitem nicht.

Martin: Wie gesagt, das Hilfsangebot steht, Jenny. Kannst mich jederzeit fragen und ich bin mir sicher, die anderen helfen dir auch gerne.

Sally: Na klar.

Nina: Auf jeden Fall!

Jenny: Ihr seid echt die Besten, danke.

 

***

Auf dem Hof gesellen sich Lars, Sebastian und Mirco in der Pause zu ihnen. Lars merkt sofort, dass Jenny schlechte Laune hat und zieht sie ein Stück zur Seite.

Lars: Hey, was ist denn mit dir los? Heut Morgen konntest du doch noch lachen und jetzt schaust du aus als wenn drei Tage Regenwetter angekündigt wären ...

Jenny: Wir haben grad Mathe geschrieben und ich hab den Test voll in den Sand gesetzt.

Lars: Ach was, warte doch erstmal ab. So schlimm wird's schon nicht werden, oder?

Jenny: Das denkst aber auch nur du. Ich hab grade mal eine Aufgabe geschafft und die garantiert auch noch falsch.

Lars: Scheiße! Das ist übel.

Jenny: Ja ... total beschissen. Komm, lass uns wieder zu den anderen rüber gehen.

Lars: Okay. Nur eins noch: wenn was ist, du weißt, dass ich immer für dich da bin.

Jenny: Danke. Ich auch für dich.

Lars: Schön, das freut mich. (lächelt) Weißt du, ich bin echt froh, dass du hier bist.

Jenny: Ich doch auch, Lars.

Die beiden lächeln sich noch mal kurz zu und gehen wieder zu den anderen zurück.

Sebastian: Da seid ihr ja wieder. Alles in Ordnung?

Lars: Ja, ja, alles okay.

Sebastian: (zweifelnd) Okay, wie ihr meint.

Jenny: Habt ihr schon irgendwas für heute geplant?

Mirco: Nee, noch nicht wirklich. Ich glaub, ich brauch heute einfach mal n paar Stunden für mich.

Sally: Ist was passiert?

Mirco: Nee, nee, alles okay. Ich hab das nur zwischendurch schon mal. Da brauch ich dann einfach mal Ruhe.

Nina: Hmm, ist sicher ab und an mal nicht verkehrt.

Mirco: Eben ...

 

***

Zum Glück geht der Rest des Vormittags schnell vorbei und als die Schüler der dritten Klasse erfahren, dass sie die sechste Stunde frei haben, schallt ein Jubel durch den Raum. Schnell ist klar, dass sie die Stunde nutzen, um schon mal Hausaufgaben zu machen. Tatsächlich bekommen fast alle die Aufgaben bis zum Ende der sechsten Stunde fertig.

Beim anschließenden Mittagessen in der Mensa:

Martin: So ein Scheiß. Ich hatte echt gedacht, ich schaff den Kram komplett. Aber von wegen!

Marco: Ich bin auch nicht ganz fertig geworden.

Nina: Bei mir hat's so eben hingehauen.

Jenny: Hmm, bei mir leider nicht.

Sally: Aber ihr braucht doch bestimmt nicht noch die komplette Stunde gleich, oder?

Martin: Nee, das auf keinen Fall! Ich denke, ich brauch maximal noch ne halbe Stunde.

Jenny: Ich kann's nicht wirklich abschätzen. Naja, mal sehen, wird schon schief gehen.

Sally: Ihr packt das schon.

Marco: (lacht) Das auf jeden Fall!

Nina: Und es gibt zumindest heute ne ordentliche Stärkung. Ich liiieeebe Spaghetti Bolognese.

Jenny: Nicht nur du ...

Martin: Tja, ja, so is das wohl ...

Nico: Was meinst du?

Martin: Naja, kaum steh'n Spaghetti auf'm Tisch, schon sind wir abgemeldet ...

Sally: Ach, iwo. So kannste das ja auch nicht sagen.

Martin: Doch, hörste doch. Nee, Mädels, ist schon okay. Wir sind ja froh, dass ihr überhaupt was esst.

Jenny: Hä? Wie meinste das denn jetzt schon wieder?

Martin: Na, es gibt doch genug Hungerhaken, die nur im Essen rumstochern und von einer Diät zur nächsten hüpfen. Fangt so was bloß nicht an!

Jenny: Achso. Also, da kann ich dich beruhigen, ich hab eigentlich immer Hunger. Es sei denn, es schmeckt mir nicht, ich bin krank oder mir liegt irgendwas im Magen.

Nina: Gut zu wissen. (zwinkert Jenny zu) Kommt, wir schlagen zu, sonst haben wir gleich die Zeit komplett verquatscht und das Essen ist kalt.

Martin: Du hast Recht, Nina. Dann mal guten Appetit!

Sally: Danke, wünsche ich auch.

Die anderen nicken zustimmend und kurz darauf ist fast nur noch das Klappern des Geschirrs zu hören.

 

***

Im Anschluss an das Mittagessen beeilen sich die meisten, um schnell wieder in die Klassen zu kommen. Nur der Großteil der dritten Klasse lässt sich Zeit.

Lars: Ihr habt ja die Ruhe weg.

Nina: Wir sind schon fertig mit den Hausaufgaben.

Jenny: Naja, nicht alle. Martin, Marco, kommt ihr?

Marco: Ja, klar.

Martin: Bin auch so weit. Bis später.

Sally: Lasst euch nicht unterkriegen.

Marco: Wir doch nicht.

Jenny, Martin und Marco eilen in Richtung Klassenzimmer, wo kurz nach ihnen auch Herr Kreuzer zur Tür hereinkommt.

Herr Kreuzer: (erstaunt) Wo sind denn die anderen?

Marco: Wir hatten die sechste Stunde frei und die sind da schon mit den Hausaufgaben fertig geworden. Nur wir drei waren irgendwie zu langsam.

Herr Kreuzer: Okay. Na, dann macht euch mal an die Arbeit. Achso, eure Tests bring ich euch heute Abend noch im Gemeinschaftsraum vorbei. Bisher sieht's eigentlich gar nicht so schlecht aus.

Jenny: Eigentlich?

Herr Kreuzer: Ja, genau. Im Großen und Ganzen bin ich bis jetzt zufrieden. Allerdings habe ich auch noch nicht alle Tests nachgesehen.

Marco: Ist ja schon mal was. Aber schade, dass doch ein paar daneben gegriffen haben.

Er wirft Jenny einen kurzen Seitenblick zu, die daraufhin nur leicht mit den Schultern zuckt.

Herr Kreuzer: So schlimm ist es auch nicht. Aber wie gesagt, ich bin mit der Kontrolle noch nicht fertig. So, ich würde vorschlagen, ihr macht jetzt eure Hausaufgaben und danach raus mit euch.

Martin: Alles klar.

Die drei beginnen mit den Hausaufgaben. Nachdem Jenny ihre fertig hat, wirft sie den Jungs einen Blick zu. Die beiden hängen jedoch noch mit der Nase in ihren Büchern und so beschließt sie, auf Martin und Marco zu warten und noch einen Brief an ihren Vater zu schreiben.

 

Hallo Paps,

ich hoffe, dir geht's gut und dir fällt zuhause nicht die Decke auf den Kopf! Lars und mir geht's soweit ganz gut. So langsam gewöhne ich mich auch an den Internatsalltag und fühle mich von Tag zu Tag wohler hier.

Hoffentlich bist du nicht traurig, dass Lars und ich hier bleiben wollen - weil das wollen wir ja auch wieder nicht!

Allerdings hab ich auch leider eine schlechte Nachricht für dich: wir haben heute nen Mathetest geschrieben und den hab ich total versiebt :( ... Ich hoffe, du bist deshalb nicht böse auf mich oder zu enttäuscht. Irgendwie hatte ich absolut keinen Plan, was der Kreuzer von uns wollte. Aber Martin hat mir schon Hilfe angeboten und Lars würde mir sicher auch helfen. Ich schaff das schon irgendwie, muss nur die Klasse erstmal beim Stoff einholen und dann wird der nächste Test sicher auch besser ...

Was machst du so den ganzen Tag? Gehst du schon wieder arbeiten oder bist du noch krankgeschrieben? Weißt du, mach bitte nicht den Fehler, die ganze Zeit alleine zu sein. Mir - und ich glaube auch Lars - hilft die Ablenkung von unseren Freunden total. Klar, es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an Mutti denke und mit den Tränen kämpfe, aber es ist immer jemand da, der tröstet oder ablenkt.

Wenn du es zuhause nicht mehr aushältst, dann fahr doch einfach mal ein paar Tage weg. Vielleicht hilft dir das ja. Oder, wie wäre es, wenn du das machst, was wir im letzten Jahr schon mal überlegt hatten? Erinnerst du dich?

Wir hatten doch mal überlegt, dass du dich nach München versetzen lässt und wir uns hier irgendwo ein schönes Häuschen oder so suchen ... Vielleicht wäre jetzt der richtige Zeitpunkt, da noch mal drüber nachzudenken. Wir könnten uns zwischendurch oder am Wochenende mal treffen und es würde dich nicht jeden Tag alles, was du siehst, an Mutti erinnern. Ich weiß, im ersten Moment klingt das hart, aber denk doch einfach mal darüber nach. Ich würde mich freuen - und Lars ganz sicher auch!

So, ich mach mal Schluss mit Schreiben. Gleich ist die Hausaufgabenzeit zu Ende ...

Ich hab dich lieb!

Jenny

 

Überrascht registriert Jenny, dass Marco und Martin die Klasse schon verlassen haben. Schnell blinzelt sie die Tränen, die ihr beim Schreiben des Briefes in die Augen getreten sind, weg und räumt dann ihre Sachen in die Tasche.

Herr Kreuzer: (schaut auf) Fertig?

Jenny: Ja. Ich pack nur grad noch alles ein, dann bin ich auch sofort weg.

Herr Kreuzer: Okay. Stimmt irgendwas nicht, Jenny? Du siehst so bedrückt aus.

Jenny: Nee, nee, alles okay. (zögert) Ähm ... haben Sie meinen Test schon nachgesehen?

Herr Kreuzer: Nein, noch nicht. Warum?

Jenny: Ach, nur so. Sie meinten vorhin, Sie würden uns den Test heute Abend zurückgeben. Was ist denn, wenn ich gar nicht mit den anderen im Gemeinschaftsraum bin? Ich bin ja doch oft mit Lars und Sebastian zusammen.

Herr Kreuzer: Das macht nichts. Dann geb ich dir deinen Test morgen im Unterricht oder ich bring ihn heute Abend noch kurz auf dein Zimmer.

Jenny: Ah, okay. Dann geh ich jetzt auch mal.

 

***

Als Jenny kurz darauf in ihr Zimmer kommt, machen Sally und Nina sich bereits für die AGs fertig.

Nina: Hey, da bist du ja.

Jenny: Ja, ich hab irgendwie voll verpennt, dass die Jungs raus sind.

Sally: (lacht) Wie konnte dir das denn entgehen? Die sind doch eigentlich ganz schöne Trampeltiere.

Jenny: Ich hab noch nen Brief an Paps geschrieben. Wahrscheinlich hab ich deshalb nichts mitbekommen. Habt ihr zufällig ne Briefmarke hier?

Sally: Ich nicht.

Nina: Ich leider auch nicht. Aber frag doch mal nebenan.

Jenny: Mach ich. Aber erst später. Ihr müsst ja jetzt eh alle zur AG und ich leg mich was hin.

Nina: Ist dir nicht gut? Sollen wir Sven noch eben schnell Bescheid sagen?

Jenny: Nee, so schlimm ist's nicht. Mir liegt nur immer noch der Mathetest im Magen.

Sally: Achso, okay. Hast du Bock, nachher noch mit nach München zu fahren? Wir wollten n bissl shoppen gehen.

Jenny: Ich überleg's mir mal. Könntet ihr denn ansonsten eventuell den Brief für mich mitnehmen?

Sally: Klar, kein Problem. Dann ruh dich was aus.

Jenny: Mach ich. Boah, ich bin so froh, wenn ich wieder mit zur AG kann ...

Nina: Glaub ich dir. So alleine ist's ja doch langweilig. Aber das wird schon.

Sally: Genau. So, Nina, wir müssen. Bis später, Jenny.

Nina: Bin ja schon fertig. Ciao, Jenny.

Jenny: Bis nachher.

Sally und Nina verlassen das Zimmer und Jenny legt sich auf ihr Bett. Sie versucht, etwas zu schlafen, aber irgendwie will es ihr nicht gelingen. Unschlüssig, was sie machen soll, sucht sie ihre Mathesachen raus und guckt sich die Themen der letzten Stunden noch mal an.

Jenny: Puh, wie soll ich das bloß alles aufholen? Da brauch ich doch garantiert Hilfe, ohne ist das eigentlich unmöglich. Ach, das ist echt zum Kotzen.

Frustriert klappt sie das Mathebuch wieder zu und knallt es auf den Nachttisch. Stattdessen nimmt sie sich ihr "Tagebuch" wieder raus und lässt Luft ab.

 

So eine verdammte Kacke! Jetzt haben wir doch wirklich heute nen Mathetest geschrieben ... Hätte ich den anderen doch bloß gestern geglaubt! Martin hätte mir das bestimmt noch mal erklärt. Aber nein, ich war ja felsenfest überzeugt, dass sie mich nur verarschen wollen. Bin ja im Endeffekt selbst schuld, dass es jetzt ne Sechs wird ...

Ich bin so froh, wenn ich endlich wieder mit zur AG kann und der blöde Verband und die Krücken wieder weg sind. Ist echt sau langweilig, so die ganze Zeit alleine hier rumzuhängen auf'm Zimmer. Ob ich wirklich noch solange warten soll, wie Sven gestern gesagt hat? Ich bin doch so ungeduldig ... Vielleicht trau ich mich, wenn Lars oder Sebastian dabei sind. So alleine hab ich doch n bisschen Angst, wenn dann was nicht klappt und keiner da ist. Naja, mich hetzt ja keiner - außer meine Ungeduld.

Jetzt les ich noch ein bisschen und dann später mal schauen, ob ich noch mit Nina und Sally in die Stadt fahr oder was die Jungs so vor haben. Irgendwas wird sich sicher finden und der Nachmittag verfliegt - wie immer - viel zu schnell.

 

Jenny legt ihr Heft wieder zur Seite und kramt ihr Buch hervor. Ein lautstarkes Poltern vor der Zimmertür reißt sie kurz drauf aus einer spannenden Stelle. Im selben Augenblick wird die Tür aufgerissen und Mirco stürzt ins Zimmer.

Jenny: (überrascht) Hey, was machst du denn hier?

Mirco: Hast du zufällig nen Plan wo Sven ist? Nina hat sich beim Sport verletzt.

Jenny: Keine Ahnung, wo er ist. Was ist denn passiert?

Mirco: Sie ist an ner Hürde hängen geblieben und total blöd auf die Seite gestürzt.

Jenny: Scheiße! Das klingt aber echt übel. Hast du schon auf der Krankenstation nachgesehen?

Mirco: Ja, und bei Svens Zimmer war ich auch schon. Aber ich hab ihn nirgends gefunden.

Jenny: Okay ... Weißt du was? Ich ruf ihn an, vielleicht haben wir Glück und er hat sein Handy an.

Mirco: Ja, okay, mach das.

Während Jenny versucht, Sven zu erreichen, läuft Mirco unruhig im Zimmer auf und ab.

Jenny: Mirco, bitte, hör auf. Du machst mich noch ganz kirre hier. ... Äh, ja ... Sven? Jenny hier.

Sven: (erstaunt) Jenny? Ist was passiert?

Jenny: Ja, Mirco hat dich schon überall gesucht.

Sven: Was ist denn?

Jenny: Nina ist gestürzt.

Sven: Ich bin grade bei der Hausmutter. Ist Nina bei euch im Zimmer? Oder wo ist sie?

Jenny: Auf dem Sportplatz, bei der Leichtathletik-AG.

Sven: Okay, ich bin sofort da.

Jenny: Danke. (legt auf)

Mirco: Und? Was ist?

Jenny: Sven komm sofort.

Mirco: Okay, super. Danke dir. Dann bin ich auch wieder.

Jenny: Warte, ich komm mit.

 

***

Nahezu zeitgleich treffen Sven, Mirco und Jenny bei Nina und den anderen auf dem Sportplatz ein.

Sven: So, Nina, was ist passiert?

Nina: Ich bin an dieser beschissenen Hürde hängen geblieben und voll auf die linke Seite geknallt.

Sven: Okay, das klingt schmerzhaft. Wo tut's denn weh?

Nina: Eigentlich die komplette linke Seite.

Sven: Meinst du, du kannst aufstehen?

Nina: Ich denke schon.

Jenny: Soll ich dir helfen?

Nina: (lacht) Wie denn? Du bist doch selbst auf Krücken.

Jenny: Das geht bestimmt auch mit einer, oder Sven?

Sven: Naja, es ist ja nicht so weit. Aber ich würde sagen, Jenny, du behältst deine Krücken, ist mir lieber. Aber vielleicht könntest du meine Tasche nehmen.

Jenny: Ja, klar, kein Problem.

Sally: Ich komm nach der AG sofort nach.

Nina: Okay, bis nachher.

Jenny nimmt Svens Tasche und geht neben ihm und Nina her zurück ins Internat.

 

***

Direkt nach der AG stürzt Sally ins Krankenzimmer.

Sally: Hey! Und? Wie sieht's aus?

Nina: Bescheiden. Ich muss auf jeden Fall n paar Tage hier bleiben. Zumindest meinte Sven was in die Richtung.

Jenny: Du packst das schon. Wir kommen dich auch alle jeden Tag besuchen.

Sally: Genau! Lass dich nicht unterkriegen.

Nina: Das auf keinen Fall!

Jenny: Dann geh ich jetzt mal wieder runter.

Sally: Okay. Ich glaub, Lars und Sebastian wollten auch jetzt gleich noch bei dir vorbeikommen.

Jenny: So ist das eben, mit nem großen Bruder.

Nina: Ist doch schön.

Jenny: Ja, hast Recht. (lächelt) Also, bis später, Sally und Nina, dir gute Besserung!

Nina: Danke, Jenny.

Sally: Wir sehen uns.

 

***

Jenny geht zurück in ihr Zimmer, wo wenig später Lars und Sebastian auftauchen.

Sebastian: Hey, Jenny. Geht's wieder besser?

Jenny: Ja, ich glaub, ich hab den Matheschock so weit ganz gut überstanden.

Lars: Na ein Glück!

Jenny: Und bei euch? Auch alles klar?

Lars: Ja, klar. (grinst) Sag mal, hast du Lust, mit nach München zu kommen. Wir fahren auch mit dem Bus.

Jenny: Ach ... ich weiß nicht ...

Sebastian: Ach komm schon, gib dir nen Ruck. Wir haben heute sogar ne Sondergenehmigung und müssen erst um neun zurück sein.

Jenny: (erstaunt) Wie kommt das denn?

Lars: Weil wir die Sache mit Michael geklärt haben.

Sebastian: Also? Was ist?

Jenny: Na gut, okay. Aber wir müssen dann auch kurz bei der Post vorbei.

Sebastian: Kein Thema.

Lars: Na dann, lasst uns schnell dem Stein Bescheid sagen und dann gehen wir.

Sebastian: Okay, so machen wir's.

Jenny: Geht ihr eben alleine zum Stein? Ich zieh mir in der Zeit andere Klamotten an und komm dann runter.

Lars: Ja, okay. In 15 Minuten in der Halle?

Jenny: Alles klar.

 

***

Zwanzig Minuten später sitzen sie im Bus nach München.

Jenny: Habt ihr schon überlegt, was wir gleich machen? Wer weiß wie rumlaufen ist ja leider nicht drin.

Lars: Ich würde sagen, erstmal zur Post. Warum willst du da eigentlich überhaupt hin? Briefe werden doch täglich abgeholt und gebracht.

Jenny: Ich hab vorhin nen Brief an Paps geschrieben. Wegen dem Mathetest und auch ... naja, ich hab ihm vorgeschlagen, doch auch nach München zu ziehen. Wir hatten da doch damals schon mal dran überlegt. Erinnerst du dich?

Lars: Ja, stimmt. Eigentlich gar keine so dumme Idee. Nur, wie machen wir das dann mit der Schule?

Jenny: Ähm, ich hab ihm geschrieben, dass wir beide gerne auf dem Internat bleiben würden.

Lars: Okay, gut. Macht ja an sich auch Sinn. Ich mein, wir fühlen uns im Internat wohl und Paps, naja, der arbeitet ja eh so unregelmäßig.

Jenny: Eben.

Sebastian: Wenn das klappen würde, wäre doch super. Ich mein, meine Eltern wohnen ja auch hier in der Nähe und ich geh trotzdem aufs Internat. Warum sollte das dann bei euch nicht gehen?

Lars: Stimmt. Habt ihr nicht so'n Doppelhaus?

Sebastian: Ja ... Moment, du meinst ...?

Lars: War nur grade so eine Idee.

Jenny: Wovon redet ihr?

Sebastian: Meinen Eltern gehört n Zweifamilienhaus, ein bisschen außerhalb von München gelegen, und, naja, da sind letztens die Mieter von der zweiten Haushälfte ausgezogen. Jetzt überlegen meine Eltern, die zweite Haushälfte zu verkaufen, anstatt sie weiterhin zu vermieten.

Lars: Hast du den Brief schon zu?

Jenny: Ja, klar. Aber bei der Post gibt's doch garantiert auch Briefumschläge. Also, wenn einer von euch nen Stift mit hat, dann können wir noch was ergänzen.

Lars: Moment. (kramt in der Jackentasche) Ja, hab ich.

Jenny holt den Briefumschlag aus ihrem Rucksack und öffnet ihn wieder.

Jenny: Okay, was schreiben wir?

Sebastian: Soll ich nicht erstmal eben versuchen, meine Eltern zu erreichen? Nicht, dass die jetzt doch schon jemanden gefunden haben.

Lars: Stimmt, das macht Sinn.

Jenny: Machst du's direkt eben?

Sebastian: Klar. Bevor's zu spät ist ...

Er holt sein Handy aus der Hosentasche und wählt.

Sebastian: Hi, Mama. Ich bin's, Sebastian.

Karin: Hallo Sebastian. Was gibt's? Ist etwas passiert?

Sebastian: Nein, nein, keine Sorge. Ich wollte nur fragen, ob ihr schon nen Käufer gefunden habt?

Karin: Für's Haus?

Sebastian: Ja, genau.

Karin: Nein, noch nicht. Warum willst du das wissen?

Sebastian: Ihr kennt doch Lars.

Karin: Lars? Achso, ja, natürlich. Das ist doch der, von dem du am Samstag noch erzählt hast und dessen Mutter vergangene Woche tödlich verunglückte, oder?

Sebastian: Ja, genau der. Also, Jenny, seine Schwester, möchte ihrem Vater gerne vorschlagen, doch hier in die Nähe zu ziehen. Und da kam uns gerade die Idee wegen der Haushälfte. Wenn das für euch okay ist, dann würden wir ihm vorschlagen, sich bei euch zu melden.

Karin: Macht das ruhig mal. Ich glaube nicht, dass Papa was dagegen hätte und ich auch nicht.

Sebastian: Super! Danke, Mama!

Karin: Gerne! Ist sonst noch etwas?

Sebastian: Nein, das war's schon. Macht's gut.

Karin: Du auch.

Sebastian: Bis bald. (legt auf) Na also, geht doch. Wir haben grünes Licht für die Ergänzung.

Jenny: Wow. Ich bin sprachlos.

Lars: Du? Sprachlos? Dass ich das noch erleben darf ...

Jenny: Haha, sehr witzig. Also, was schreiben wir Paps?

Lars: Wie wär's mit: Wir haben grade im Bus nach München noch mal über die Idee mit dem Umzug nach München geredet. Sebastians Eltern ...

Jenny: Warte, nicht so schnell. (schreibt) Okay. Sebastians Eltern haben ein Zweifamilienhaus.

Sebastian: Ruf doch Peter und Karin mal an, vielleicht lässt sich da ja was machen.

Lars: Und wegen der Versetzung nach München kann Peter vielleicht auch was für dich tun.

Sebastian: Dann noch die Telefonnummer von meinen Eltern und fertig.

Jenny: Okay, perfekt!

 

***

In München angekommen, gehen sie als erstes zur Post, wo Jenny den Brief für ihren Vater aufgibt und auch gleich noch ein paar Briefmarken auf Reserve kauft. Anschließend schlendern sie die belebte Einkaufsstraße entlang.

Sebastian: Was machen wir denn jetzt schönes?

Lars: Gute Frage. Shoppen? Einfach hier was rumlatschen? In den Park?

Jenny: Wenn ich ehrlich bin, ich hätte Bock auf ne leckere Currywurst mit Pommes.

Lars: (lacht) Okay, dann suchen wir mal schnell nach ner Pommesbude. Bevor wir noch verhungern.

Jenny: Was is'n daran jetzt so witzig?

Lars: Nichts, alles in Ordnung.

Jenny: Jetzt sag schon, Lars.

Lars: Wir hatten nur mal wieder beide den selben Gedanken. So wie früher auch schon immer ...

Jenny: Achso, verstehe.

Sebastian: Ungefähr zwei Querstraßen weiter ist doch dieser Curryking oder wie der heißt.

Lars: Ja, stimmt. Und von da aus könnten wir entweder in den Englischen Garten oder wir gucken einfach mal, ob was Gescheites im Kino läuft.

Sebastian: Das klingt doch gut.

Jenny: Okay, worauf warten wir noch?

 

***

Ein paar Stunden später treten sie aus dem Kino wieder auf die Straße.

Lars: Also, der Film war ja mal echt genial.

Sebastian: Fand ich auch.

Jenny: Ja, war ganz gut ...

Sebastian: Du, Jenny?

Jenny: Hmm? Was denn?

Sebastian: Kann das sein, dass du zwischendurch schon mal Angst hattest?

Jenny: Angst? Wieso?

Lars: Naja, sonst stehst du ja nicht so doll Horrorfilme.

Jenny: Ach, kommt, der war doch teilweise echt witzig.

Sebastian: Das schon, aber ich meine, ich hätte ab und zu schon mal so ein Zucken bei dir gesehen.

Jenny: Wie jetzt? Du bezahlst fürs Kino, aber guckst dann den Film nicht an?

Sebastian: (lacht) Ganz so schlimm war's auch wieder nicht. Hey, ist doch kein Problem, als Mädel darf man ruhig auch mal Angst haben beim Filme gucken. Oder, Lars, wie siehst du das?

Lars: Klar! Und als kleine Schwester auch.

Jenny: Ihr seid doof. (kichert) Aber müssen wir jetzt nicht mal so langsam zurück?

Lars: Leider ... (guckt auf die Uhr) Oh nein!

Sebastian: Was denn?

Lars: Wir haben schon halb neun durch!

Jenny: (entsetzt) Was?!

Sebastian: Das meinst du jetzt nicht ernst, oder?

Lars: Doch. So eine Scheiße!

Sebastian: Okay, was machen wir? Pünktlich zurück schaffen wir auf keinen Fall.

Jenny: Anrufen? Oder auf gut Glück hoffen, dass uns keiner erwischt, wenn wir zu spät kommen?

Sebastian: Als erstes mal sehen, dass wir den Bus kriegen. Sonst haben wir echt die A-Karte gezogen.

Lars: Stimmt. Wobei, schaffen wir das in fünf Minuten bis zur Bushaltestelle?

Sebastian: Wenn wir laufen. Ach, Mist, das geht ja nicht.

Jenny: Sorry.

Lars: Ach, mach dir nichts draus, Jenny.

Jenny: Aber was machen wir jetzt?

Sebastian: Taxi? Oder habt ihr noch ne andere Idee?

Jenny: Nicht wirklich ...

Lars: Okay, Taxi. Wenn wir uns das teilen, geht's ja von den Kosten her noch einigermaßen.

Jenny: Gut, dann sollten wir jetzt aber trotzdem nicht weiter rumtrödeln. Zu spät kommen wir eh, aber vielleicht haben wir Glück und es hält sich im Rahmen. Ich schreib Sally gleich eben ne SMS, vielleicht kann sie im Internat zur Not die Wogen n bisschen glätten.

Sebastian: Ja, okay, so machen wir's.

 

***

Um viertel nach neun treffen sie endlich am Internat ein. Sie bezahlen und gehen zügig auf den Eingang zu.

Jenny: Wie machen wir das denn jetzt? Wir müssen uns doch wieder zurück melden.

Lars: Mist, daran hab ich gar nicht gedacht.

Sebastian: Geht ihr auf die Zimmer, ich meld uns beim Stein zurück. Ich werd ihm einfach sagen, dass wir total vergessen haben, ihm sofort Bescheid zu sagen.

Lars: Bist du sicher? Wer weiß, ob uns nicht grade jemand gesehen hat? Dann gibt's hinterher nur mehr Ärger.

Sebastian: Ach, das fliegt schon nicht auf. Und zur Not wisst ihr zwei eben nicht, was ich gesagt habe.

Jenny: Nee, falls es raus kommt, stehen wir auch hinter dir. Wir lassen dich dann nicht alleine im Regen stehen.

Lars: Genau! So gemein sind wir nun auch wieder nicht.

Sebastian: Okay, danke. Dann geh ich mal.

Lars: Okay. Toi, toi, toi.

Sebastian: Bis später, Lars. Und gute Nacht, Jenny.

Jenny: Nacht, bis morgen.

Lars: Wir sehen uns.

 

***

Als Jenny kurz darauf in ihrem Zimmer ankommt, ist Sally auch schon da und macht sich gerade für die Nacht fertig.

Sally: Hey, da bist du ja.

Jenny: Ja. Wie geht's Nina?

Sally: Nicht so berauschend. Sie hat sich bei dem Sturz wohl ne Rippe geprellt und soll wenn alles dabei bleibt, noch bis Freitag im Krankenzimmer bleiben.

Jenny: So lange? Ui, heftig. Hast du meine SMS eigentlich vorhin bekommen?

Sally: Ja, hab ich. Alles kein Problem. Der einzige, der dich vermisst hat, war der Kreuzer. Er hat uns heute nach dem Abendessen die Tests wieder gegeben und wollte deinen vor ein paar Minuten schon hier vorbei bringen.

Jenny: Scheiße! Was hast du ihm gesagt?

Sally: Du wärst grad im Bad. Er hatte vorher schon gesagt, dass er gegen neun vorbeikommen wollte, da hab ich dann kurz vorher schnell die Dusche im Bad angestellt und ihm gesagt, du ständest drunter.

Jenny: Cool, danke! Wie ist deiner denn ausgefallen?

Sally: So eben noch ne drei. Aber passt schon.

Jenny: (lacht) Da würd ich schon nen Freudentanz aufführen. Ehrlich gesagt, will ich den Test eigentlich gar nicht unbedingt wieder haben.

Sally: Hmm, kann ich verstehen. Was hast du jetzt vor?

Jenny: Keine Ahnung. Vielleicht frag ich Lars oder Sebastian mal. Oder ich komm auf Martins Angebot zurück. Irgendwer muss mir den ganzen Scheiß mal in Ruhe erklären. Weißt du, ich war mal total gut in Mathe und hab eigentlich kaum Probleme gehabt. Ihr seid mit dem Stoff viel weiter.

Sally: Was hattet ihr denn als Letztes?

Jenny: Wir hatten grade mit Potenzen und Wurzeln angefangen. Da ist noch so ne mega Lücke ...

Sally: Das ist ja echt beschissen. Da sind die quadratischen Gleichungen ja echt n riesen Sprung. Aber okay, in den kleinen Klassen, die wir hier haben, da kommt man auch viel schneller voran.

Jenny: Das ist wohl wahr. Aber, naja, zur Not muss ich eben den Kreuzer doch fragen, ob er mir Nachhilfe gibt.

Sally: Ganz ehrlich? Ich würd's machen. Mich würde auch nicht wirklich wundern, wenn er's dir sogar selbst anbieten würde. Aber, warum hast du denn nicht direkt was gesagt? Wir hätten dir alle geholfen.

Jenny: Ach, weißt du, ich wollte einfach nicht wahrhaben, dass ihr so viel weiter seid.

In dem Moment klopft es leise an die Tür.

Sally: Schnell, schlüpf unter die Decke!

Blitzschnell verschwindet Jenny unter ihrer Bettdecke und im selben Augenblick geht die Tür auf.

Herr Kreuzer: Ah, gut, ihr seid noch wach.

Sally: Ja, noch ...

Herr Kreuzer: Ich will euch auch gar nicht lange vom Schlafen abhalten. Jenny, ich wollte dir nur noch eben kurz deinen Test vorbei bringen.

Jenny: Okay.

Herr Kreuzer: Ich vermute, du weißt, oder ahnst zumindest, wie der Test ausgefallen ist, oder?

Jenny: Hmm, ja, ich kann's mir denken. Ich hatte irgendwie voll keinen Plan von dem Stoff.

Sally: Sie hatte in der alten Schule gerade erst mit Wurzeln und Potenzen angefangen ...

Herr Kreuzer: Okay, ich würde vorschlagen, du kommst morgen nach der AG mal zu mir. Dann gucken wir, ob wir gemeinsam eine Lösung finden. Einverstanden?

Jenny: Ja, okay.

Herr Kreuzer will das Zimmer schon wieder verlassen, als ihm auffällt, dass er den Test noch in der Hand hält.

Herr Kreuzer: (lacht) Jetzt hätte ich doch fast vergessen, dir deinen Test zurück zu geben. Soll ich ihn auf den Schreibtisch legen?

Jenny: Ja, danke. Soll ich den Test dann morgen mitbringen, wenn ich zu Ihnen komme?

Herr Kreuzer: Das wäre gut, ja. So, und jetzt schlaft, morgen ist ja wieder Unterricht.

Sally: Wir schlafen quasi schon.

Herr Kreuzer: Na dann wünsch ich euch eine gute Nacht.

Sally: Danke, Ihnen auch.

Jenny: Gute Nacht.

Nachdem ihr Mathelehrer das Zimmer verlassen hat, steht Jenny wieder auf und macht sich auch schnell fürs Bett fertig. Anschließend wirft sie einen Blick auf den Test.

Sally: Und?

Jenny: Wie befürchtet ne Sechs.

Sally: Scheiße. Aber, hey, du kriegst das geregelt.

Jenny: Hmm, boah, was hat der ne Schrift. Kannst du mal gucken, ob du das entziffert kriegst?

Sally: Klar, warte, ich versuch's mal. (nimmt Jenny den Test ab) Ach herrje, da hat er ja wirklich seine beste Sauklaue rausgekramt.

Jenny: Wenn du's auch nicht entziffern kannst, ist nicht schlimm. Dann soll er's mir morgen sagen.

Sally: Nee, nee, das geht schon irgendwie. Also, da steht: Leider konnte ich dir keine bessere Note geben.

Jenny: (lacht) Wie denn auch? Ne Sechs ist ne Sechs und bleibt auch eine.

Sally: Hmm, stimmt. Aber warte, es geht noch weiter. Dein altes Zeugnis hat mich allerdings eine bessere Note erwarten lassen. Ich denke, du weißt selbst am besten, warum es eine Sechs geworden ist.

Jenny: Na super, das ist ja echt motivierend.

Sally: Nimm's nicht zu persönlich.

Jenny: Nee, das nicht. Aber ich hätte voll Lust, dem mal nen Streich zu spielen.

Sally: Okay, dann tust du dich am besten mit Martin zusammen. Der hat eigentlich immer super Ideen.

Jenny: Hmm, vielleicht frag ich ihn morgen mal.

Sally: Mach das. Und wenn du Hilfe brauchst, auf Nina und mich kannste auf jeden Fall zählen, und auf die Jungs garantiert auch.

Jenny: Okay, super. Aber ich glaube, wir müssen jetzt echt mal schlafen.

Sally: Stimmt. Dann schlaf gut, Jenny.

Jenny: Danke, du auch.

Wenig später schlafen sie dem neuen Tag entgegen.

Pläne und Träume

Am Mittwochmorgen trödeln Sally und Jenny ein wenig rum, bevor sie zum Frühstück in die Mensa gehen.

Martin: Morgen, ihr Schlafmützen.

Sally: Wieso Schlafmützen? Wir haben's doch noch pünktlich geschafft. Aber trotzdem nen guten Morgen.

Jenny: Und bei euch alles gut?

Marco: Klar, alles im Lot.

Martin: Hat der Kreuzer dir deinen Test gestern eigentlich noch zurückgegeben, Jenny?

Jenny: Hmm, erinner mich da bloß nicht dran. Krieg ich sofort wieder schlechte Laune.

Martin: Oh, okay, ich hab nichts gesagt.

Jenny: Schon okay. Ich mein, ihr könnt euch ja auch denken, was bei raus gekommen ist.

Sally: Ach, komm, Jenny. Lass den Kopf nicht hängen. Wir pushen dich schon und jetzt wartest du erstmal ab, was der Kreuzer heute Nachmittag sagt.

Jenny: Hast Recht. Achso, Martin, können wir zwei uns eventuell mal zusammensetzen? Mir ist da gestern noch ne Idee gekommen und Sally meinte, du wärst sonst immer so der Initiator, wenn's ums Streiche spielen geht.

Martin: Nen Streich? Klar, da bin ich dabei. Wen willste denn auf die Schippe nehmen?

Jenny: Naja, ich dachte eigentlich an den Kreuzer.

Nico: Hat der nicht bald Geburtstag? Vielleicht ließe sich das ja irgendwie kombinieren.

Marco: Ja, genau. Das wäre doch ne Idee.

Sally: Stimmt. (lacht) Ein Geburtstagsstreich ... hmm, was könnte man da machen?

Martin: Lasst uns das lieber überlegen, wenn nicht so viele dabei sind. Wenn da die falschen Ohren was mitkriegen, dann ist's vorbei bevor's angefangen hat.

Jenny: Okay. Vielleicht können wir Lars, Sebastian und Mirco auch noch mit ins Boot holen.

Nico: Aber mehr auf keinen Fall. Außer Nina natürlich.

Lachend frühstücken sie zu Ende und gehen anschließend auf ihre Zimmer, die Sachen für den Unterricht raussuchen.

 

***

Pünktlich mit dem Gong zur ersten Stunde marschiert auch schon Herr Kreuzer in die Klasse.

Herr Kreuzer: Morgen.

Alle: Morgen, Herr Kreuzer.

Herr Kreuzer: Mit dem gestrigen Test haben wir die quadratischen Ergänzungen erstmal abgeschlossen.

Nico: Endlich ...

Herr Kreuzer: Freut euch nicht zu früh. Spätestens in der Klassenarbeit sind die auch wieder ein Thema.

Klaudia: Wann schreiben wir die Arbeit denn? Ist die nicht eigentlich schon längst überfällig?

Herr Kreuzer: Terminlich eigentlich schon, aber ich möchte erst noch ein bisschen Stoff durchgehen. Ich sage euch aber rechtzeitig Bescheid.

Sascha: Dann ist ja gut.

Herr Kreuzer: So, aber nun genug geredet. Heute fangen wir mit der p-q-Formel an.

Er erklärt ihnen wie sich die Formel zusammensetzt und schreibt sowohl die allgemeine Ausgangsformel als auch eine Beispielaufgabe an die Tafel.

Herr Kreuzer: Soweit alles klar? (zögerliches Nicken bei den Schülern) Okay, wer traut sich, die Beispielaufgabe mit Hilfe meinerseits an der Tafel zu rechnen?

Unwillkürlich rutschen alle ein Stück auf der Sitzfläche nach vorne und sinken etwas tiefer.

Martin: (flüstert) Komm, Jenny, meld dich. Dann kannst du direkt n bisschen von dem Test wieder gut machen und du nimmst ihm Wind aus den Segeln.

Jenny: (ebenso leise) Meinst du wirklich? Ich hab absolut Null von dem kapiert, was der Kreuzer grade erklärt hat.

Martin: (leise) Er hilft dir doch. Komm, gib dir nen Ruck, du packst das schon.

Nur zögernd hebt Jenny ihre Hand ein Stück und sieht in dem Moment aus dem Augenwinkel, dass Klaudia sich ebenfalls meldet. Sie will die Hand schon wieder sinken lassen, als Martin sie leicht in die Seite stupst und kaum merklich den Kopf schüttelt.

Herr Kreuzer: Okay, Jenny, dann komm mal nach vorne.

Klaudia: (zischt leise) Diese Ziege ...

Jenny steht auf, geht an die Tafel und spürt den bohrenden, hasserfüllten Blick ihrer Mitschülerin förmlich im Rücken. Unwillkürlich atmet sie tief durch, streckt die Schultern ein Stück nach hinten und versucht, möglichst überzeugend zu lächeln. Mit der Unterstützung von Herrn Kreuzer schafft Jenny es, die Aufgabe an der Tafel zu lösen.

Herr Kreuzer: Okay, jetzt macht ihr bitte noch in Partnerarbeit auf Seite 55 die Aufgaben eins bis vier, jeweils a, b und c. Wenn ihr Fragen habt, meldet euch.

Mit einem leisen Aufstöhnen machen sie sich an die Arbeit und sind froh, als die Stunde endlich zu Ende ist.

Herr Kreuzer: Eins noch: die restlichen Teilaufgaben, also d bis f, macht ihr bitte als Hausaufgaben.

 

***

Zum Glück verfliegt die anschließende Geschichtsstunde im Nu und sie haben endlich Pause. Auf dem Hof warten bereits Lars, Sebastian und Mirco auf die fünf.

Lars: Hey, na, da seid ihr ja.

Sally: Ja, ein Glück. Das war vielleicht ein Morgen.

Mirco: Wieso? Was war denn los?

Martin: Hattet ihr den Kreuzer heute schon?

Lars: Nee, warum?

Marco: Der hat ne Mordslaune heute.

Jenny: Ach, komm, es ging ja noch einigermaßen.

Martin: Sagt mal, wisst ihr zufällig genau, wann der Kreuzer Geburtstag hat?

Sebastian: Hmm, müsste bald soweit sein.

Mirco: Ich glaub, nächste Woche Freitag. Aber sicher bin ich mir da auch nicht.

Sally: Das würde ja gut passen. Dann hätten wir noch genug Zeit zum Überlegen.

Lars: Was habt ihr vor?

Jenny: Wir dachten an nen Geburtstagsstreich. Aber mehr wissen wir auch noch nicht.

Martin: Mir ist da vorhin ne Idee gekommen. Wie wär's mit nem Päckchen voller Scherzartikel?

Marco: Bombe! Das ist die Idee!

Sebastian: Klingt gut. Wer soll denn alles mitmachen?

Nico: Naja, wir, ihr und Nina. Also, natürlich nur, wenn ihr auch wollt, ihr müsst nicht.

Lars: Klar, da bin ich dabei.

Sebastian: Ich auch.

Mirco: Auf mich könnt ihr auch zählen.

Sally: Perfekt! Aber verplappert euch bloß nicht.

Mirco: Nee, keine Panik.

Martin: Ein paar brauchbare Sachen hat sicher jeder von uns. Und den Rest besorgen wir dann noch in der Stadt.

Nico: Sollen wir das sofort heute machen?

Jenny: Dann müsst ihr ohne mich. Ich muss nach den AGs zum Kreuzer.

Sebastian: Wieso das denn?

Jenny: Wegen dem Test.

Lars: Oh, okay. War's wie befürchtet?

Jenny: Ja, leider.

Der Gong ertönt und sie müssen zurück in die Klassen.

 

***

Nachdem sie ihre Hausaufgaben gemacht haben, gehen Sally und Jenny gemeinsam auf ihr Zimmer. Dort angekommen, sucht Sally ihre Sachen für die AG zusammen und Jenny lässt sich aufs Bett fallen.

Sally: Sollen wir gleich noch zusammen zu Nina gehen?

Jenny: Klar, können wir machen.

Sally: Dann hol ich dich nach der AG ab, okay?

Jenny: Ja, okay. Wobei, vielleicht geh ich schon ein bisschen früher. Sven meinte am Montag, dass ich eventuell ab heute wieder ohne Krücken rumlaufen darf.

Sally: Das wäre ja super!

Jenny: Oh ja, das wäre es. Aber erstmal abwarten, was er gleich sagt. Ich geh einfach so in ner halben oder Dreiviertelstunde mal zur Krankenstation.

Sally: Okay. Dann bring ich nachher nur meine Sachen schnell zurück ins Zimmer und komm dann nach.

Jenny: Alles klar. Viel Spaß!

Sally: Danke, dir auch.

Kaum hat Sally das Zimmer verlassen, holt Jenny ihr Heft wieder aus der Schublade und beginnt zu schreiben.

 

Jetzt ist mein Albtraum also tatsächlich wahr geworden: eine Sechs in Mathe ... Hoffentlich hält der Kreuzer mir gleich keine Standpauke - das hab ich ja selber schon zur Genüge getan; zwar nicht lautstark aber innerlich.

Und hoffentlich ist Paps nicht zu enttäuscht. Ob er den Brief schon bekommen hat? Vielleicht sollte ich ihn anrufen und ihm sagen, dass meine Befürchtung eingetroffen ist. Aber irgendwie trau ich mich nicht. Klar, wahrscheinlich ist das albern, aber wie soll ich Paps erklären, dass ich plötzlich so abgestürzt bin? Ich glaube, ich warte bis ich weiß, wie es weiter geht. Heute, mit Martins Hilfe, hat's ja wieder einigermaßen geklappt. Ich bin echt froh, dass er mir jetzt erstmal mit den Mathehausaufgaben helfen will.

Irgendwie sind hier alle viel hilfsbereiter als auf meiner alten Schule. Ob das daran liegt, dass man hier Tag und Nacht zusammen hockt? Oder sind die einfach generell netter? Okay, Ausnahmen gibt es hier natürlich auch. Wenn ich nur an Klaudia denke ... die würde ich niemals um Hilfe bitten. Aber bei allen anderen bin ich mir sicher, dass sie helfen, wo es nur geht.

Übermorgen fangen wir in Geschi mit dem Zweiten Weltkrieg an. Bin echt mal gespannt, wie der Stein das aufzieht. Er meinte heute, dass wir das mit kleinen Projekten ausarbeiten würden. Naja, lassen wir uns mal überraschen, was er sich da ausgedacht hat.

Gestern Abend war ich mit Lars und Sebastian noch im Kino - und da natürlich in nem Film mit Überlänge. Durch die Fahrt mit dem Taxi sind wir zum Glück nicht allzu spät wieder zurückgewesen und bis jetzt hat auch noch niemand was gesagt. Vielleicht hat der Stein Sebastian ja die Ausrede abgekauft, dass wir nicht sofort ans Zurückmelden gedacht haben.

Jetzt gleich geh ich erstmal bei Sven vorbei. Ich hoffe, er lässt mich wirklich endlich wieder ohne Krücken laufen. Die Dinger nerven! Außerdem will ich auch mal wieder mit zur AG. Ich muss einfach gleich mal versuchen, Sven zu überreden. Vielleicht lässt er sich ja drauf ein, wenn ich ihm verspreche, super vorsichtig zu sein. Okay, ursprünglich hieß es zwei Wochen, jetzt ist grade mal eine Woche um. Aber wer weiß, vielleicht hab ich Glück.

Irgendwann diese Woche soll ich mich ja auch noch mit Sebastian und dem Stein wegen der Entscheidung zur stellvertretenden Schülersprecherin zusammen setzen. Ob ich's wirklich machen soll? Andererseits, ich hab ja schon mehr oder weniger zugesagt. Und allein die Vorstellung, auch mal alleine nach München fahren zu dürfen, hat irgendwie was. Naja, mal schauen ...

 

Jenny versteckt ihr Heft wieder in der Schublade und hebt ihre Krücken auf, die neben ihrem Bett liegen.

 

***

Wenig später ist Jenny bei Sven auf der Krankenstation.

Sven: Hi, Jenny. Willst du zu Nina?

Jenny: Auch, ja. Aber zuerst wollte ich zu dir.

Sven: (überrascht) Zu mir?

Jenny: Ja, du meintest doch, dass ich heute mal probieren könnte, ohne Krücken zu laufen.

Sven: Stimmt. Dann guck ich jetzt noch mal eben dabei und dann entscheiden wir.

Jenny: Wir? Oder doch eher du?

Sven: Naja, okay, eher ich. (lacht) Na, komm, Kopf hoch.

Jenny: Schon in Ordnung. Ich will's ja auch nicht gleich wieder überstürzen.

Sven: So vernünftig heute?

Jenny: Hmm, etwas.

Während Sven bei Jennys Fuß guckt, reden sie weiter.

Sven: Bedrückt dich irgendwas?

Jenny: Ach, nur der bköde Mathetest. Muss ich gleich noch wegen zum Kreuzer.

Sven: So schlimm?

Jenny: Hmm, schlimmer. (seufzt) Aber egal ... Wie schaut's aus? Was meinst du?

Sven: Erstaunlich gut. Wenn du mir versprichst, vorsichtig zu sein, dann probieren wir's mal ohne die Krücken. Wenn's aber zu schmerzhaft ist, dann behalte sie lieber noch zwei, drei Tage bevor du ohne läufst.

Jenny: Klar, bin ich vorsichtig.

Sven: Okay. (verbindet den Fuß neu) So, dann probier mal, ein paar Schritte normal zu gehen.

Jenny: Mach ich doch glatt.

Sie steht auf und geht vorsichtig durch den Raum.

Sven: Und?

Jenny: Naja, tut schon noch etwas weh. Aber versuchen würde ich's schon gerne ohne.

Sven: Okay, dann probier es aus. Die Krücken können wir hier behalten, das hab ich beim Abholen im Krankenhaus so ausgemacht. Also, du weißt, dass du sie jederzeit wieder haben kannst, wenn es zu schlimm wird.

Jenny: Danke. Und ... naja, was meinst du wegen Sport?

Sven: Jenny! Wenn du's übertreibst, verdonner ich doch wieder zu den Krücken.

Jenny: Ich übertreib's schon nicht. Das würdest du doch sofort mitkriegen.

Sven: Das sowieso. Aber Spaß bei Seite, lass uns da am Sonntag noch mal drüber reden.

Jenny: Okay ... Danke.

Sven: Da nicht für.

Jenny: Dann geh ich jetzt mal zu Nina rein. Sally müsste eigentlich auch jeden Moment auftauchen.

Sven: Okay, mach das. Und lass dich wegen dem Test nicht unterkriegen.

Jenny: Ich versuch's.

 

***

Jenny geht zu Nina ins Krankenzimmer.

Nina: Oh, hi, Jenny. Mir war doch, als hätte ich deine Stimme bei Sven gehört.

Jenny: Hi, Nina. Waren wir zu laut?

Nina: Nee, keine Panik. (grinst) Alles gut.

Jenny: Und? Wie geht's dir hier so?

Nina: Abgesehen von der tierischen Langeweile geht's. Aber, naja, Sven kommt immer mal wieder rein und plaudert dann auch ein bisschen mit mir. Dann lässt's sich einigermaßen aushalten.

Jenny: Glaub ich dir gerne. Selbst die eine Stunde wenn ihr zur AG gegangen seid, die zog sich schon immer wie Kaugummi. Aber wenn du dann den ganzen Tag hier alleine bist ... das muss ja voll öde sein.

Nina: Naja, jetzt bist du ja da.

Jenny: Sally müsste auch ...

In dem Moment geht die Tür auf und Sally kommt rein.

Sally: Hey! Na, Nina, wie geht's?

Nina: Passt schon, besser als gestern auf jeden Fall schon. Keine Ahnung, was Sven mir da für Hammerdrogen einflößt, aber sie helfen zumindest.

Sally: Das ist doch die Hauptsache!

Jenny: Genau!

Nina: Ja, klar. Aber, sagt mal, habt ihr den Mathetest eigentlich schon zurück?

Sally: Gestern Abend noch. War der Kreuzer nicht auch noch bei dir? Vor hatte er es zumindest.

Nina: Nein, bis jetzt noch nicht. Wie war's denn?

Sally: Für meine Verhältnisse erstaunlich gut. Zwar nur so eben noch ne Drei, aber immerhin.

Nina: Und bei dir, Jenny?

Jenny: Naja, wie erwartet ne Sechs. Deshalb muss ich auch heute noch zum Kreuzer hin.

Nina: Oh, scheiße. Wann musst du denn zu ihm hin?

Jenny: Keine Ahnung, echt nicht ... Er meinte nur, ich solle nach den AGs mal vorbei kommen. Ne genaue Uhrzeit hat er nicht erwähnt.

Sally: Willst du nicht sofort gehen? Ich erzähl Nina dann in der Zeit von der Idee.

Nina: Idee?

Jenny: Ja, wegen nem Streich. Aber ich glaub, du hast Recht, Sally. Dann geh ich mal.

Nina: Toi, toi, toi, Jenny.

Jenny: Danke. Dir weiterhin gute Besserung.

Nina: Danke.

Sally: Bis später dann, Jenny.

 

***

Nachdem Jenny ihren Test aus ihrem Zimmer geholt hat, geht sie zum Büro ihres Mathelehrers. Nach kurzer Zeit wird sie sofort zum Eintreten aufgefordert.

Jenny: Hallo, Herr Kreuzer. Passt es gerade? Oder soll ich später noch mal vorbeikommen?

Herr Kreuzer: Hallo, Jenny. Nein, es passt. Setz dich ruhig. Hast du deinen Test dabei?

Jenny setzt sich auf einen der Stühle und legt den Test auf den Schreibtisch ihres Lehrers.

Jenny: Hmm, ja, hab ich.

Herr Kreuzer: Okay, dann erklär mir doch jetzt noch mal in aller Ruhe, was los war. Wieso hast du nichts verstanden und dadurch den Test, gelinde gesagt, in den Sand gesetzt?

Jenny: Naja, eigentlich hat Sally das gestern Abend schon auf den Punkt gebracht. Wir hatten in der alten Schule grade erst mit Potenzen und Wurzeln angefangen. Und dann kam der Schulwechsel.

Herr Kreuzer: Gab es dafür einen bestimmten Grund? Ich meine, nach den Schulferien haben wir ja öfters Neuzugänge oder auch mal Abgänge, aber mitten drin ...

Jenny: (nickt) Ich hab mich einfach nicht mehr wohlgefühlt und Lars hat in den Ferien immer in höchsten Tönen von hier geschwärmt.

Herr Kreuzer: Das war alles?

Jenny: Nicht wirklich ... Ehrlich gesagt, gab es dafür mehrere Gründe, aber ... naja ...

Herr Kreuzer: Ja?

Jenny: Darüber kann ich nicht reden, zumindest noch nicht. Muss da erst selbst mit klar kommen.

Herr Kreuzer: Okay, verstehe. Also hast du die Sechs geschrieben, weil du noch nicht wirklich alles verstanden hattest? Oder sehe ich das falsch?

Jenny: Ich wüsste keinen anderen Grund.

Herr Kreuzer: Warum hast du denn nicht einfach mal nachgefragt? Gerade wegen der kleinen Klassen können wir doch hier viel individueller auf die einzelnen Schüler eingehen. Wir hätten bestimmt einen Weg gefunden.

Jenny: Hmm, ich wollte halt einfach nicht als die blöde Neue dastehen, die die ganze Klasse aufhält. Verstehen Sie?

Herr Kreuzer: So ungefähr, ja. Hast du dir denn schon überlegt, was du jetzt machen willst?

Jenny: Naja, noch nicht so genau. Ich meine, Martin und die anderen haben mir ihre Hilfe schon angeboten, aber die brauchen ja auch mal irgendwann Freizeit. Und Lars oder Sebastian würden mir sicher auch helfen. Aber ob das der richtige Weg ist? Keine Ahnung.

Herr Kreuzer: Es käme auf einen Versuch drauf an.

Jenny: Die letzten Tage hab ich schon immer mit Martin zusammen die Mathehausaufgaben gemacht, er erklärt das auch alles total super. Nur ...

Herr Kreuzer: Ja?

Jenny: Naja, wenn er mir hilft und ich kapier's nicht gleich, braucht er ja auch noch länger und muss dann später, wenn eigentlich Freizeit wäre, auch noch Hausaufgaben machen. Zumindest wenn wir viel auf haben. Und dann krieg ich bestimmt über kurz oder lang ein schlechtes Gewissen und frag weniger nach oder so.

Herr Kreuzer: Okay, das bringt natürlich dann im Endeffekt auch nichts.

Jenny: Eben. Nur, was soll ich machen? Irgendwie muss ich den fehlenden Stoff ja in meinen Kopf kriegen und es gleichzeitig schaffen, den aktuellen auch zu kapieren.

Herr Kreuzer: Da hast du Recht. Was hältst du davon, wenn du jetzt vorläufig zweimal die Woche anstatt zur AG zu mir kommst? Dann hättest du danach auch noch Freizeit und wenn du die Klasse eingeholt hast und alles klar für dich ist, dann können wir damit wieder aufhören.

Jenny: Okay, ja, das klingt vernünftig. Welche Tage sollen wir denn nehmen?

Herr Kreuzer: Wenn es für dich in Ordnung ist, dann würde ich Dienstag und Donnerstag vorschlagen.

Jenny: Ja, klar, kein Problem. Im Moment muss ich bei den AGs ja eh noch pausieren; Sven lässt mich noch nicht wieder zum Sport. Und danach, dann setz ich erst noch aus.

Herr Kreuzer: Sehr vernünftig!

Jenny: Ich will mir ja meine Zukunft nicht versauen.

Herr Kreuzer: Das nenne ich mal eine positive Einstellung. Da fällt mir ein, ich wollte dir auch noch sagen, dass ich das heute morgen im Unterricht mutig von dir fand.

Jenny: Naja, wenn Martin mir kein Feuer unterm Hintern gemacht hätte, dann hätte ich Klaudia das Feld überlassen.

Herr Kreuzer: (lacht) So läuft das also mit euch beiden. Aber egal, ich hab dir dafür zumindest einen positiven Vermerk im Notenheft notiert.

Jenny: Oh, danke. Darf ich Sie auch noch was fragen?

Herr Kreuzer: Natürlich darfst du das.

Jenny: Ähm, ja, also ... Wenn ich mal irgendwann bereit bin, über einen oder mehreren der Gründe zu reden, warum ich die Schule wechseln wollte ... darf ich dann zu Ihnen kommen und Sie noch mal darauf ansprechen?

Herr Kreuzer: Selbstverständlich.

Jenny: Danke, das ist echt nett.

Herr Kreuzer: Auch dafür sind wir als Lehrer da. So, und jetzt hast du doch sicher noch was besseres vor, als hier rum zu hocken, oder?

Jenny: (lacht) Wenn Sie schon so fragen, da fällt mir bestimmt irgendwas ein.

Herr Kreuzer: Na, dann hau mal ab. Morgen sehen wir uns dann um 15 Uhr und dann legen wir los. Wäre doch gelacht, wenn wir dich nicht auf den gleichen Wissensstand wie die anderen bringen können.

Jenny: Alles klar. Morgen 15 Uhr.

Herr Kreuzer: Und denk immer daran: Es geht um dich. Das gilt auch im Unterricht. Wenn du etwas nicht verstehst, dann frag; auch auf die Gefahr hin, dass vielleicht der ein oder andere deiner Mitschüler eine Bemerkung fallen lässt.

Jenny: Okay, danke.

Herr Kreuzer: Kein Problem.

Jenny verabschiedet sich von ihrem Mathelehrer und verlässt das Büro.

 

***

Im Flur prallt Jenny beinahe gegen ihren Kunstlehrer.

Jenny: Oops, sorry.

Herr Schneider: Ja, ja, wenn's nicht gerade ums heimkommen geht, dann sind alle schnell.

Jenny: Wie meinen Sie das?

Herr Schneider: Du warst doch gestern mit deinem Bruder und Sebastian zusammen in München, oder?

Jenny: Ja, wir durften bis neun Uhr weg bleiben.

Herr Schneider: Das glaube ich dir ja sogar. Aber ob ihr um neun, oder um viertel nach wieder hier ankommt, ist ja wohl doch ein Unterschied, oder?

Jenny: Wie kommen Sie denn darauf?

Herr Schneider: Du willst also behaupten, ihr wärt pünktlich zurück gewesen?

Jenny: Wer behauptet denn was anderes?

Herr Schneider: Ich habe einen kleinen Wink von einer deiner Klassenkameradinnen bekommen.

Jenny: Das kann ja dann nur Klaudia gewesen sein. Der dürfen Sie wirklich nicht alles glauben, die lügt doch, wenn sie den Mund aufmacht.

Herr Schneider: Bist du dir da sicher? Lars und Sebastian haben vorhin schon zugegeben, dass ihr eucht etwas verspätet habt. Also?

Jenny: Wenn Sie's doch eh wissen, warum fragen Sie dann überhaupt noch so komisch nach?

Herr Schneider: Nun, ich wollte mal testen, wie ehrlich du bist. Aber die Jungs suchen dich auch gerade.

Jenny: Okay, dann hau ich mal ab. Danke, dass Sie mir Bescheid gesagt haben.

Herr Schneider: Ist schon in Ordnung. Aber beim nächsten Mal rückst du sofort mit der Wahrheit raus, okay?

Jenny: Ja, okay.

 

***

Wenig später trifft Jenny vor dem Zimmer der Jungs auf Lars, Sebastian und Mirco. Zusammen gehen sie rein und machen es sich gemütlich.

Lars: Und? Wie war's beim Kreuzer?

Jenny: Nicht ganz so schlimm, wie ich gedacht hab. Ich soll jetzt, solange bis ich die anderen eingeholt habe, dienstags und donnerstags während der AG-Zeit zu ihm kommen.

Sebastian: Na, das klingt ja noch ganz annehmbar.

Lars: Denke ich auch. Außerdem schaffst du das bestimmt schnell, bist doch nicht auf den Kopf gefallen.

Jenny: Sehr witzig.

Lars: Ach, Kleine, mach dir nichts draus. Aber wenn noch mal was sein sollte, dann frag ruhig. Okay?

Jenny: Ja, okay, mach ich. Meinst du, ich soll Paps nachher mal anrufen?

Lars: Wäre vielleicht nicht schlecht.

Sebastian: Da hat Lars Recht. Nachfragen wird er doch sicher eh, nach dem Brief gestern.

Jenny: Stimmt. Okay, dann mach ich das nachher noch.

Lars: Wenn du Unterstützung brauchst, du weißt ja, dass wir für dich da sind.

Jenny: Ja, weiß ich, danke.

Mirco: Achso, Jenny, ich hab vorhin mal geguckt, ob ich was Brauchbares für den Streich habe.

Jenny: Cool. Hast du was gefunden?

Mirco: Ja, ich hab vom letzten Jahr noch so'n paar Halloweensachen; Gummispinnen, abgehackte Finger und so.

Sebastian: Er hat uns die vorhin gezeigt. Ich glaub, da kann man echt was mit anfangen.

Jenny: Das ist ja super! Je mehr wir zusammenkriegen, desto bunter und verrückter wird's.

Lars: Na, der wird Augen machen.

Mirco: Soll ich die Sachen mal eben holen?

Jenny: Nee, lass mal. Bevor doch noch einer was mitkriegt. Dann lasst uns lieber heute Abend nach dem Essen noch weiter überlegen. Ich sag den anderen dann gleich beim Essen Bescheid und wir treffen uns entweder vor der Mensa oder an der Schwimmhalle.

Sebastian: Dann doch direkt vor der Mensa. Zur Schwimmhalle können wir dann ja immer noch gehen, um ungestört zu sein.

Lars: Find ich auch.

Jenny: Okay, dann nach dem Essen vor der Mensa. Fällt ja eh nicht auf, wir treffen uns da ja eigentlich jeden Tag.

Lars: Stimmt.

Mirco: Nur, hoffentlich nimmt der Kreuzer dich dann in der Nachhilfe nicht noch härter dran.

Jenny: Das Risiko müssen wir dann wohl eingehen, wenn wir unseren Spaß haben wollen.

Sebastian: Ja, genau. Und wie heißt es noch gleich so schön? No risk, no fun.

Jenny: Genau. Achso, mir fällt da grade noch was ein.

Sebastian: Was denn?

Jenny: Wieso habt ihr dem Schneider gegenüber zugegeben, dass wir uns gestern Abend verspätet haben?

Sebastian: Wir? Moment, das warst doch wohl du.

Jenny: Hä? Wie kommst du denn da drauf?

Lars: Ach komm, gib's ruhig zu, Jenny. Der Schneider hat uns doch erst vor ner guten Stunde abgefangen.

Sebastian: Genau. Mirco war auch dabei.

Jenny: Hmm, und mich hat er grad eben erst drauf angesprochen, kurz bevor ich zu euch gekommen bin.

Lars: Wie jetzt? Du hast ihm also nichts verraten?

Jenny: Nee, hab ich nicht.

Mirco: (lacht) Da seid ihr wohl auf einen der ältesten Tricks der Welt reingefallen.

Sebastian: Sieht fast so aus. Naja, der wird wohl wegen den paar Minuten kein Fass aufreißen.

Lars: Glaub ich auch nicht.

Jenny: Okay, dann geh ich jetzt mal Paps anrufen. Hoffentlich erreich ich ihn zuhause.

Lars: Willst du alleine mit ihm telefonieren? Oder soll ich als seelische Unterstützung mit?

Jenny: Nee, das schaff ich schon irgendwie. Durch's Telefon kann er mir ja den Kopf nicht abreißen.

Sebastian: So schlimm wird's wohl nicht werden. Kann doch jedem mal passieren.

Lars: Genau. Paps hatte früher sicher auch nicht immer nur Einsen und Zweien.

Jenny: Okay, Jungs, ich geh dann mal. Bis später!

Lars: Halt die Ohren steif, Kleine.

Sebastian: Bis später.

Mirco: Ciao, Jenny.

 

***

Wenig später liegt Jenny, ihr Handy am Ohr, auf dem Bett und wartet sehnsüchtig darauf, dass ihr Vater am anderen Ende endlich den Anruf entgegen nimmt.

Max: Berger, hallo.

Jenny: Hi, Paps, ich bin's.

Max: (erstaunt) Jenny? Was gibt's?

Jenny: Ähm ... ich wollte mal nachhören, wie's dir geht und ob soweit alles in Ordnung ist.

Max: Ja, alles im Lot, Kleine. Zwar ein bisschen sehr ruhig hier, aber da gewöhne ich mich auch noch dran.

Jenny: Hmm ... Sag mal, war die Post schon da heute?

Max: Ja, warum? Meinst du wegen deinem Brief?

Jenny: Ja ...

Max: Und das drückt dir so auf's Gemüt? Ich merk doch, dass etwas nicht stimmt. Also, wo drückt der Schuh?

Jenny: Stör ich dich auch grade wirklich nicht?

Max: Jenny, du störst nie. Du weißt doch, dass du jederzeit anrufen kannst, egal wann.

Jenny: Ich mein ja nur ... Also, wenn du jetzt zur Arbeit musst oder so, dann ruf ich morgen noch mal an.

Max: Nein, ich muss erstmal noch nicht arbeiten. Also, raus mit der Sprache.

Jenny: Naja ... ähm ... hast du den Brief schon gelesen?

Max: Ja, heute Mittag.

Jenny: Okay. Dann ... naja, also, ähm ... wegen dem Mathetest ... Es ist ne Sechs geworden.

Max: Und woran lag's?

Jenny: Am Stoff, ich hink da noch voll hinterher.

Max: Du packst das schon!

Jenny: Hmm, ab morgen geh ich zweimal die Woche zur Nachhilfe beim Kreuzer und das mindestens solange bis ich die anderen eingeholt habe.

Max: Na siehst du. Ich bin mir sicher, dass das ganz schnell der Fall sein wird.

Jenny: Ich hoffe es. Bist du denn da jetzt sauer wegen?

Max: (lacht) Nein, keine Sorge. Ich war auch kein dauernder Einser- oder Zweier-Kandidat.

Jenny: Das beruhigt mich jetzt ungemein.

Max: Darfst dich nur nicht unterkriegen lassen.

Jenny: Werde ich nicht. Versprochen! Und zur Not helfen mir Lars oder Sebastian sicher auch noch. Aber, ähm, Paps?

Max: Ja?

Jenny: Hast du dir wegen der anderen Sache auch schon Gedanken gemacht?

Max: Du wirst lachen, da hab ich erst vor ein paar Wochen noch mit Mutti zusammen dran überlegt. Der Versetzungsantrag läuft bereits und ich denke, dass ich noch diese Woche etwas hören sollte.

Jenny: Wie jetzt? Du hast da noch mit Mutti drüber gesprochen? Meinst du das ernst?

Max: Ja, habe ich. Weißt du, wir haben schon vor mehreren Wochen gemerkt, dass irgendwas nicht in Ordnung war und dich etwas bedrückte.

Jenny: Habt ihr deshalb auch sofort zugestimmt und alles so schnell in die Wege geleitet bekommen mit dem Schulwechsel? Weil, schnell ging's ja.

Max: Genau. Wir hatten - und ich habe - zwar bis heute noch keine wirkliche Ahnung, woran es gelegen hat, aber gespürt haben wir's. Auch wenn du erstaunlich gut versucht hast, es zu überspielen.

Jenny: Ihr habt das echt gemerkt?

Max: Sagen wir's so, für Mutti und mich war klar, dass irgendwas sein musste. Du hast dich auf einmal so zurückgezogen und viel weniger gelacht als sonst.

Jenny: Aber ... warum habt ihr denn nie was gesagt?

Max: Wir haben gedacht, dass du uns sicherlich noch sagen wirst, was los ist.

Jenny: Und jetzt? Bist du jetzt enttäuscht, weil ich nichts gesagt habe?

Max: Nein, bin ich nicht.

Jenny: (überrascht) Nicht?

Max: Nein, wirklich nicht. Und zwar, weil ich genau weiß, dass du von dir aus darüber reden wirst, wenn du bereit bist. Ob Lars oder ich, wir sind da, wenn's soweit ist.

Jenny: Okay, danke ... Hmm, sag mal, rufst du denn Sebastian's Eltern mal an?

Max: Ja, mache ich. Ihr drei scheint euch ja gut zu verstehen, warum sollten wir es dann nicht probieren?

Jenny: Stimmt. Hältst du Lars und mich dann auch darüber auf dem Laufenden?

Max: Na klar, was denkst du denn?

Jenny: Ich wollte nur sicher gehen.

Max: So, so. (lacht) Ich denke, ich melde mich spätestens zum Wochenende noch mal bei euch.

Jenny: Okay, alles klar. Und wenn sich bei uns noch was tut oder so, dann melden wir uns.

Max: Gut. Dann wünsche ich dir noch einen schönen Abend und grüß die Jungs von mir.

Jenny: Danke, Paps, mach ich. Bis bald.

Max: Bis bald, Kleine.

 

***

Kurz nachdem Jenny das Telefonat mit ihrem Vater beendet hat, kommt Sally ins Zimmer.

Sally: Hey, hier bist du.

Jenny: Ja, warum?

Sally: Ach, wir dachten nur, du wärst noch mal zu Nina auf die Krankenstation gekommen.

Jenny: Achso, ja, hatte ich eigentlich auch vor. Aber Lars, Sebastian und Mirco hatten mich gesucht und gerade hab ich Paps angerufen und ihm den vergeigten Test gebeichtet.

Sally: Oh, okay. Und? Wie hat dein Vater reagiert?

Jenny: Erstaunlich locker.

Sally: Das ist doch super!

Jenny: Ja, find ich auch. Mit den Jungs hab ich vorhin ausgemacht, dass wir uns nach dem Abendessen noch mal wegen dem Streich treffen.

Sally: Alles klar. Nina ist auch dabei. Wir sollen ruhig mal in der unteren Schublade von ihrem Nachttisch nachgucken. Da hat sie wohl noch das Ein oder Andere drin.

Jenny: Cool! Mirco hat auch noch alles mögliche an Halloweenzeugs vom letzten Jahr über. Ich glaub, wir kriegen da so einiges zusammen.

Sally: Umso besser. Hast du Martin, Marco und Nico schon Bescheid gesagt wegen später?

Jenny: Nee, wollte ich eigentlich beim Abendessen.

Sally: Und wenn Sven wieder bei uns am Tisch sitzt?

Jenny: Mist, da hab ich gar nicht dran gedacht.

Sally: Ich denke, die sind in ihrem Zimmer. Sollen wir mal nachsehen? Dann könnten wir von da aus direkt zusammen zum Abendessen gehen.

Jenny: Ja, okay. Bei Nina's Sachen können wir ja später immer noch gucken. Die laufen ja nicht weg.

Sally: Genau. Also los?

Jenny: Von mir aus gerne.

Die beiden Mädels gehen zum Nachbarzimmer, wo sie nach kurzem Klopfen direkt in den Raum gehen.

Marco: Hey, ihr zwei. Was verschafft uns die Ehre?

Sally: Wir wollten euch zum Abendessen abholen.

Martin: Hä? Wieso das? Gibt's doch erst in zehn Minuten.

Jenny: Naja, wir wollten euch vorher noch was sagen.

Nico: Aha, jetzt nähern wir uns dem Kernpunkt.

Martin: Okay, was denn? Ist euch was kaputt gegangen und wir sollen's reparieren?

Sally: (lacht) Nee, es geht um den Streich.

Nico: Kneift ihr jetzt?

Jenny: Quatsch! Wir müssten nur heute nach dem Abendessen noch mal reden. Oder habt ihr was vor?

Marco: Nicht, dass ich wüsste. Außerdem, Mädels, für euch haben wir doch fast immer Zeit.

Sally: Du Charmeur.

Nico: Kennst ihn doch.

Sally: Hast Recht. Wenn von ihm oder Martin mal kein blöder Spruch kommt, dann ist was passiert.

Martin: Ganz genau. Habt ihr denn seit heute Morgen schon weiter überlegt?

Jenny: Noch nicht so richtig.

Sally: Ich hab nur vorhin Nina eingeweiht und sie meinte, sie hätte auch noch so allerlei Zeugs im Zimmer. Da gucken wir aber entweder später oder morgen mal bei.

Jenny: Mirco hat schon nachgesehen, er hat auch was.

Marco: Wir haben auch noch so einiges an Kleinkram.

Jenny: Und die Reste besorgen wir dann in der Stadt. Hach, das wird ein Spaß.

Martin: Hundertpro ne Mordsgaudi!

 

***

Beim Abendessen fliegen immer mal wieder verschwörerische Blicke zwischen den acht Verbündeten hin und her.

Sven: (verwundert) Sagt mal, habt ihr irgendwas vor?

Sally: Wieso? Was meinst du?

Sven: Naja, die Blicke, die hier zwischen euch und Lars, Sebastian und Mirco hin und her fliegen, bilde ich mir doch sicher nicht nur ein. Und ich glaube, einigen von euren Lehrern ist das auch schon aufgefallen.

Martin: Na und? Hat nichts zu bedeuten, nur Blicke unter Freunden, sonst nichts.

Jenny: Verrat uns lieber mal, wann Nina endlich wieder zu uns zurück kann.

Sven: Wenn alles gut geht am Freitag. Warum?

Sally: Unser Zimmer ist ohne sie so leer. Normalerweise haben wir abends immer was zum Lachen, aber gestern war's total ruhig.

Marco: Ach, deshalb haben wir euch gestern nicht so laut gackern gehört wie sonst abends.

Jenny: Pass auf, was du sagst!

Marco: Huch, war doch nur n Scherz. Kannst die Giftzähne wieder einpacken.

Jenny: Hmm, na gut, sorry.

Marco: (grinst) Schon okay, wer austeilt, muss auch einstecken können. Stimmt's?

Jenny: Stimmt.

 

***

Endlich ist das Abendessen zu Ende und die acht treffen sich vor der Mensa. Da noch Mitschüler und Lehrer an ihnen vorbeiströmen, unterhalten sie sich zunächst noch neutral.

Lars: Hey, na, wie schaut's?

Marco: Naja, der Mittwoch wäre bald geschafft, das Wochenende naht langsam aber sicher ... Ich würde sagen, es geht allmählich aufwärts.

Sebastian: (lacht) Kurz und knackig auf den Punkt gebracht. Kommt ihr noch was mit raus?

Martin: Ja, warum eigentlich nicht? Das laue Spätsommerlüftchen noch was genießen.

Lars: Genau das haben wir vorhin auch gedacht.

Sally: Wo wollt ihr denn hin?

Mirco: Vielleicht mal Richtung Schwimmhalle oder so. Irgendwo, wo man sich in Ruhe unterhalten kann.

Nico: Klingt gut. Sollen wir dann direkt mal gehen?

Die anderen nicken zustimmend und so setzen sie sich langsam in Bewegung.

Lars: Hast du Paps vorhin erreicht, Jenny?

Jenny: Ja. Achso, ich sollte dir und Sebastian auch nen schönen Gruß bestellen.

Lars: Danke. Was hat er denn gesagt?

Jenny: Naja, er hat's erstaunlich locker aufgenommen. Den Brief hatte er heute Mittag schon bekommen.

Sebastian: Den hattest du doch gestern auch extra mit Express rausgeschickt.

Jenny: Stimmt. Hatte ich vorhin ganz vergessen. Auf jeden Fall war er durch den Brief ja schon vorgewarnt.

Lars: Und sonst?

Jenny: Er will mal mit deinen Eltern reden, Sebastian.

Sebastian: Super! Ich denke, wenn euer Vater sich dazu entschließen sollte, dann hat er's jetzt schon sicher.

Lars: Naja, so schnell wird das sicher auch nicht gehen. Ich mein, ich hab keine Ahnung, wie lange sich das mit der damit verbundenen Versetzung hinzieht.

Jenny: Das könnte schneller gehen, als wir denken.

Lars: Wie meinst du das?

Jenny: Paps meinte, er und Mutti hätten schon länger darüber nachgedacht, hier in die Nähe zu ziehen.

Lars: Wie jetzt? Echt? Und du hast nichts gemerkt?

Jenny: Nee, sonst hätte ich dir das doch gesagt.

Lars: Hat Paps gesagt, warum sie dran überlegt haben?

Jenny: Hmm, naja, nur in Andeutungen.

Sebastian: Aber das erklärt dann ja auch, warum du so ohne Probleme mitten zwischen den Ferien hier her wechseln konntest.

Jenny: Ja, genau.

Sally: Du, Jenny, verrat uns doch mal, wie du dir den Streich vorstellst.

Jenny: (sieht sich um) Okay. Also, passt auf. Mit dem Geburtstagsgeschenk für den Kreuzer war schon ein guter Ansatz. Was wär ein Geburtstag ohne Geschenke, oder?

Marco: Ja, das stimmt wohl.

Martin: Du willst also dem Kreuzer ein Päckchen packen und darin dann nur Scherzartikel und so reinpacken?

Jenny: Dachte ich, ja. Aber wir können ja vielleicht auch ein oder zwei normale Sachen dazu packen.

Sebastian: Okay, aber wir müssen auch drauf achten, dass wir nicht alles doppelt und dreifach haben.

Martin: Stimmt, das wäre blöd.

Sally: Zettel und Stift haben wir dabei. Wir könnten also jetzt das aufschreiben, was wir haben und was wir auf jeden Fall brauchen. Jenny und ich gucken dann später noch bei Nina's Sachen, was sie hat.

Jenny: Genau. Und für den Rest schreiben wir nen Einkaufszettel und gucken dann in der Stadt, ob wir die Sachen irgendwo kriegen können.

Mirco: Gehen wir denn dann alle zusammen in die Stadt? Oder melden wir uns etappenweise ab und treffen uns dann irgendwo in München?

Sally: Meint ihr, es hat jemand was dagegen, wenn wir alle zusammen gehen?

Mirco: Das nicht. Ich dachte nur, es wäre vielleicht weniger auffällig, wenn wir in zwei oder drei Gruppen losziehen würden. Nur für den Fall der Fälle.

Lars: Können wir ja noch überlegen.

Sebastian: Sollen wir dem Kreuzer das Geschenk denn anonym zukommen lassen? Oder outen wir uns?

Sally: Ein kleiner Geburtstagsgruß dabei wäre doch schon angebracht, oder?

Nico: Finde ich auch. Da könnt ihr Mädels euch ja was überlegen. Dann hat Nina auch was zu tun.

Marco: Okay, sollen wir mal anfangen zu planen?

Martin: Klingt gut. Also?

Nacheinander zählen sie auf, was sie an Scherzartikeln über haben und am Ende kommt eine ansehnliche Liste raus. Nachdem sie alles aufgeschrieben haben, entwerfen sie doch direkt schon den Geburtstagsgruß für ihren Mathelehrer.

Sally: Super, das Gröbste wäre geschafft! Den Text schreiben wir dann noch mal ordentlich ab.

Lars: Perfekt! Und was stellen wir jetzt noch mit der restlichen Zeit an? Ne halbe Stunde haben wir noch.

Marco: Ich glaube, ich geh schon mal wieder rein.

Nico: Warte, ich komm mit.

Martin: Ich auch.

Jenny: Okay. Sally, was meinst du? Bleiben wir noch?

Sally: Mir ist ehrlich gesagt auch ein bisschen frisch. Aber bleib du ruhig noch mit den Jungs draußen.

Jenny: Nur, wenn's okay für dich ist.

Sally: Klar. Warum nicht?

Jenny: Ich mein ja nur.

Mirco: Ich schließ mich auch an beim Reingehen.

Sebastian: Dann bleiben wohl nur noch wir drei.

Lars: Auch nicht weiter dramatisch, oder?

Jenny: Nee, passt schon.

Marco: Na dann, bis morgen beim Frühstück.

Die Gruppe trennt sich und Lars, Sebastian und Jenny gehen noch etwas durch den Park.

Lars: Fällt mir grade erst auf, du hast ja deine Krücken gar nicht mehr dabei, Jenny.

Jenny: Nee, ich darf endlich wieder ohne rumlatschen. Soll's halt nur nicht gleich übertreiben.

Sebastian: Das wäre auch ziemlich unvernünftig.

Lars: Stimmt. Sollen wir uns was setzen?

Sebastian: Okay, können wir machen.

Sie suchen sich eine Bank und setzen sich. Lars legt einen Arm um Jennys Schulter und zieht sie zu sich ran.

Jenny: (erstaunt) Was hast du vor?

Lars: Bedrückt dich irgendwas?

Jenny: Wie kommst du darauf?

Lars: Naja, ich weiß auch nicht. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass dir irgendwas zu schaffen macht.

Jenny: Echt? Nee, es ist nichts.

Sebastian: Wollt ihr zwei lieber alleine reden?

Jenny: Ich weiß nicht wirklich, worauf Lars hinaus will. Also, wegen mir kannst du ruhig bleiben.

Lars: Von mir aus auch.

Sebastian: Okay. Aber falls ich störe, dann sagt's ruhig.

Lars: Machen wir.

Sebastian: Gut.

Lars: Und Paps hat vorhin echt nicht gesagt, warum er und Mutti noch mal darüber nachgedacht haben, hier in die Nähe zu ziehen?

Jenny: Nein, hat er nicht. Vielleicht war das Thema doch nicht abgeschlossen letztes Jahr.

Lars: Hmm, kann sein.

Jenny: Du glaubst mir nicht, oder?

Lars: Doch, schon. Nur ...

Sebastian: Sag ihr doch das, was du mir gegenüber letztens meintest.

Lars: Will ich ja, ich such nur nach den richtigen Worten.

Sebastian: Okay, verstehe.

Jenny: Ich leider nicht ...

Lars: Kommt noch, Kleine. Also, wie sag ich's am besten?

Jenny: So, wie's dich überkommt?

Lars: Nein, das muss etwas durchdacht sein.

Jenny: So kompliziert?

Lars: Ja, ich will dich ja auch nicht irgendwie verletzen. (atmet durch) Okay, also, ich werd einfach das Gefühl nicht los, dass hinter deinem Schulwechsel mehr steckt als das, was du mir gesagt hast.

Jenny: Wie meinst du das?

Lars: Naja, es ging halt alles so schnell. Oder hast du schon vorher mit Mutti und Paps darüber nachgedacht?

Jenny: Du meinst, bevor ich mit dir geredet hab?

Lars: Ja, genau.

Jenny: Wenn, dann nur unbewusst. Aber ich weiß echt nicht mehr, was genau.

Lars: Okay. Aber wenn da doch was war, würdest du mir das dann sagen?

Jenny: Irgendwann auf jeden Fall.

Lars: Ich wusste, dass irgendwas im Busch ist. Aber okay, wenn du nicht drüber reden möchtest, kann ich dich auch nicht zwingen. Aber, ich möchte, dass du weißt, dass ich jederzeit für dich da bin.

Jenny: Danke! Das weiß ich zu schätzen.

Sebastian: Das gilt auch für mich. Wenn du Hilfe brauchst, du weißt, wo du Lars und mich findest.

Jenny: Ihr seid die Besten, danke! Aber, naja, ich kann einfach noch nicht über alles reden, was zu dem Schulwechsel geführt hat. Wenn ich aber bereit bin, dann gehört ihr und Paps zu den ersten, die es erfahren.

Lars: Gut. Mir ist einfach wichtig, dass du weißt, dass ich immer hinter dir stehe und dich unterstütze.

Jenny: Ich weiß, Lars. Und genau deshalb liebe ich dich auch so sehr.

Die drei bleiben noch eine Weile auf der Bank sitzen und gehen dann rein, um sich zum Schlafen fertig zu machen.

 

Veränderung liegt in der Luft

Am nächsten Morgen steht als erstes Mathe auf dem Stundenplan. Da sie alle noch ziemlich müde sind, sitzen sie bereits auf ihren Plätzen, als Herr Kreuzer die Klasse betritt.

Herr Kreuzer: Morgen!

Alle: Morgen, Herr Kreuzer.

Herr Kreuzer: Ich bin erleichtert, ihr scheint doch wach zu sein. (schmunzelt) Dann besteht ja tatsächlich Hoffnung, mit dem Stoff voran zu kommen.

Martin: Och, wenn es daran liegt, können wir auch gerne noch ein bisschen schlafen.

Herr Kreuzer: Das würde euch wohl so gefallen. Da muss ich euch leider enttäuschen. Wie ich euch gestern schon sagte, hängen wir zeitlich etwas hinter dem Plan und das muss sich erst mal wieder ändern, bevor wir das Tempo wieder drosseln können.

Martin: Schade, aber nen Versuch war's wert.

Ein zustimmendes Gemurmel ertönt.

Sally: Recht hast du, Martin.

Nico: Auf jeden Fall!

Herr Kreuzer: Nun ist's aber dann auch gut. Ich habe euch Arbeitsblätter vorbereitet.

Er beginnt, die Zettel zu verteilen.

Herr Kreuzer: Die Aufgaben bearbeitet ihr bitte heute und morgen im Unterricht. Das, was ihr bis morgen zum Unterrichtsende nicht fertig habt, wird dann Hausaufgabe. Wenn ihr möchtet, könnt ihr die Aufgaben auch in Partnerarbeit machen, aber bitte in einer angemessenen Lautstärke und ohne die anderen zu stören.

Als sie die Blätter vor sich liegen sehen, geht ein leises Aufstöhnen durch die Klasse.

Marco: Ich glaube, das Wochenende ist gesichert.

Die anderen nicken zustimmend.

Herr Kreuzer: Schaut euch die Aufgaben erst mal in Ruhe an, so schwer sind die meisten gar nicht. Ich glaube kaum, dass ihr euch da das ganze Wochenende dran aufhalten müsst. Und, je eher ihr anfangt, desto weniger wird's.

Jenny: Machen wir's zusammen, Martin? Das sieht schon wieder nach jeder Menge böhmischer Dörfer aus für mich.

Martin: Klar, ich hab dir doch angeboten, dass wir das machen können. Und das gilt auch im Unterricht!

Jenny: Super, danke.

Martin: Kein Problem.

Sie machen sich an die Arbeit und haben am Ende der Stunde tatsächlich schon einiges geschafft. Allerdings sind auch noch einige mehr Aufgaben offen.

Herr Kreuzer: Wundert euch bitte nicht, die Aufgaben werden zum Ende hin etwas schwieriger. Das habe ich bewusst so gemacht, damit ihr mit den Aufgaben wachsen könnt. Wenn ihr jedoch überhaupt nicht weiterkommt, dann meldet euch. Ihr wisst ja, wo ihr mich findet.

Sally: Sagen Sie das lieber nicht zu laut, sonst kommen wir hinterher noch alle paar Minuten an und fragen.

Herr Kreuzer: Na, das würde mir dann schon auffallen. Wie gesagt, verzweifelt nicht gleich, falls es nicht auf Anhieb direkt klappen sollte.

Er verlässt den Raum und die Klasse atmet erleichtert auf.

Marco: Und? Wie seid ihr voran gekommen?

Jenny: Naja, ich fürchte, ich hab Martin ziemlich ausgebremst. Ohne mich wärst du schon viel weiter.

Martin: Ach, iwo, alles in Butter, Jenny. Wenn ich dir nicht helfen wollte, hätte ich's dir gar nicht angeboten. Und, dass es dann nicht sooo rasend schnell voran geht, war mir von Anfang an klar. Aber hey, lieber ich bin auch was langsamer, als dass du gar nichts auf die Reihe bekommst, weil du auf'm Schlauch stehst.

Jenny: (lacht) Alles klar, danke!

Sally: Das war jetzt aber doch ein bisschen gemein ausgedrückt, Martin.

Jenny: Lass ihn ruhig, er hat ja Recht.

Nico: Das wird schon, Jenny. Du hast uns bestimmt schnell eingeholt, wenn der Kreuzer und Martin dir ab jetzt unter die Arme greifen.

Sascha: Achtung, der Stein kommt!

Seufzend setzen sie sich wieder auf ihre Plätze und kramen ihre Englischsachen hervor.

Herr Stein: Good morning, class!

Alle: Good morning, Mr Stein!

Herr Stein: Today, we're going to watch a short film. Don't worry, the film is in German, but you're going to make a summary of it in English.

Sally: You're kidding, aren't you?

Herr Stein: No, I'm not kidding. But you'll see, it's easy to understand and I don't want you to write an exam about it, just a short summary.

Jenny: (leise zu Martin) Na, das kann ja heiter werden. Wenn das heute so weiter geht, hau ich mich nach der AG direkt ins Bett.

Martin: (ebenso leise) Geht mir nicht anders.

Herr Stein: What's the matter?

Martin: Everything okay. We were just wondering, when we're going to start watching the film.

Herr Stein: Immediately. So, take your pen and a piece of paper and take notes while watching it.

Während Herr Stein den Filmstart vorbereitet, suchen sie die benötigten Sachen raus.

Herr Stein: Are you ready?

Sie nicken kurz und der Film beginnt. Was Herr Stein als kurzen, leicht zu verstehenden Film angekündigt hat, ist doch schwieriger als gedacht. Nach ungefähr 15 Minuten ist der Film zu Ende und sie beginnen mit dem Schreiben der Zusammenfassung.

Kurz vor dem Ende der Stunde:

Herr Stein: Please hand over your summaries. I'll have a look at them this afternoon and we'll talk about the results tomorrow during class.

Klaudia: Why haven't you said this before?

Herr Stein: You must always reckon with this step. For tomorrow, please prepare the vocabulary of the next text in your books. We'll have to make progress more quickly.

Jenny: (ironisch) That's all? No more excercises to do or anything else to prepare?

Martin: (stößt Jenny in die Seite) Psst, Jenny, bring ihn bloß nicht auf dumme Gedanken.

Herr Stein: You wanna have more? Okay, no problem.

Jenny: No, I was just joking.

Herr Stein: For me it sounded like you want something extra to do. So, let me think ...

Endlich schellt es und sie verlassen fluchtartig die Klasse bevor ihrem Klassenlehrer noch etwas einfällt.

 

 

***

Auf dem Hof treffen sie sich mit Lars, Sebastian und Mirco, die bereits auf sie warten.

Lars: Hey, na ihr.

Jenny: Hi, Großer. Boah, bin ich froh, dass Pause ist.

Sebastian: (lacht) Sind wir das nicht alle?

Sally: Auch wieder wahr. Aber wir sind's heute besonders. Nach dem Start heute ...

Mirco: Waren die ersten beiden Stunden so schlimm?

Nico: Schlimmer. Erst hat der Kreuzer uns gefühlte hundert Aufgaben vorgelegt und dann hat der Stein noch unsere Zusammenfassungen von nem kurzen Film eingesammelt. Einfach total beschissen ...

Marco: Und ich hab so gekrakelt, das konnte ich selbst kaum noch lesen.

Lars: Oha, das kann ins Auge gehen.

Marco: Ja, leider. Naja, mal abwarten. Zum Glück hat er nicht gesagt, dass er die benotet.

Martin: Wundern würde mich das aber nicht.

Sally: Mich auch nicht. Naja, werden wir ja sehen.

Nico: Und am Ende hatten wir ja noch Glück, dass es zur Pause geläutet hat.

Sebastian: Wieso das?

Jenny: Meine Schuld. Ich konnte meine Klappe mal wieder nicht halten ...

Lars: Typisch ... (zwinkert Jenny zu) Was hast du denn dieses Mal wieder gesagt?

Jenny: Ach, der Stein meinte was von Vokabeln für morgen vorbereiten und ich hab dann gefragt, ob das alles sei. Naja, ich meinte das als Joke, aber irgendwie hat er das wohl nicht so ganz verstanden.

Lars: Oje, oje. Du machst Sachen, Kleine. Aber ihr scheint ja noch mal davon gekommen zu sein.

Marco: Zum Glück ...

Sally: Achso, ich geh gleich in der zweiten Pause mal eben zu Nina und bring ihr den Geburtstagsgruß vorbei. Dann kann sie gucken, ob sie auch einverstanden ist.

Mirco: Mach das, wobei ich kaum glaube, dass sie groß was auszusetzen haben wird.

Sally: Glaub ich ja auch nicht wirklich. Aber es ist ja nur fair, wenn sie auch drüber guckt.

Lars: Klar, das auf jeden Fall. Wir wollen ja auch nicht, dass sie sich hinterher womöglich übergangen fühlt, nur weil sie im Krankenzimmer liegt.

 

***

Der restliche Unterricht verfliegt ohne weitere Zwischenfälle und endlich ist Zeit fürs Mittagessen. Kurz bevor dieses zu Ende geht, erhebt Herr Lorenz sich von seinem Platz. Erstaunte Blicke fliegen zwischen den Jugendlichen hin und her.

Herr Lorenz: Seid bitte mal einen Augenblick ruhig! (die Gespräche verstummen schlagartig) Die AGs finden heute direkt nach dem Mittagessen statt. Um 15 Uhr treffen wir uns dann alle in der Aula, es gibt ein paar Dinge, die zu besprechen sind. Ich bitte euch, alle pünktlich in der Aula zu sein, damit ihr anschließend auch noch etwas Freizeit habt.

Marco: Und wann sollen wir die Hausaufgaben machen?

Herr Lorenz: Die Aufgaben, die ihr heute aufbekommen habt, braucht ihr heute nicht zu machen. (lauter Jubel ertönt) Die entsprechenden Fachlehrer werden euch informieren, wann ihr die Aufgaben fertig haben müsst.

Sie wenden sich wieder ihrem Nachtisch zu.

Nico: Das ist ja mal cool. Keine Hausaufgaben heute.

Sally: Dafür morgen dann sicher doppelt. Oder wir hocken doch am Wochenende dran.

Marco: Ach, komm, mal den Teufel nicht an die Wand.

Jenny: Habt ihr ne Ahnung, wie das dann mit der Nachhilfe abläuft? Ich sollte ja um drei beim Kreuzer sein.

Martin: Ich vermute, dass er die Nachhilfe dann vorzieht. Aber frag ihn doch einfach gleich nach dem Essen kurz.

Jenny: Gute Idee. So mach ich's.

Martin: Und wenn doch nicht, dann kommst du heute vielleicht auch noch mal um die Nachhilfe rum.

Jenny: Hätte ich auch nichts gegen. Naja, ich mach's ja für mich ... Kann ja nicht ewig hinterher hinken.

Nico: Das wird schon, Jenny.

 

***

Da sie ihren Mathelehrer jedoch nicht erwischt, bevor dieser die Mensa verlässt, holt Jenny auf gut Glück ihre Mathesache und begibt sich zu Herrn Kreuzers Büro.

Herr Kreuzer: Ah, Jenny, du bist's. Gut, dass du jetzt schon vorbeikommst.

Jenny: Ich wollte Sie eigentlich nach dem Essen fragen, wie es mit der Nachhilfe ist. Aber Sie waren so schnell weg, da hatte ich keine Chance und bin deshalb einfach so hergekommen. Ich hoffe, das ist okay.

Herr Kreuzer: Ja, das passt sogar sehr gut. Wir müssen nur vorher noch etwas besprechen.

Jenny: (erstaunt) Was denn?

Herr Kreuzer: Wegen der Versammlung in der Aula.

Jenny: Versteh ich jetzt nicht.

Herr Kreuzer: Sebastian und Herr Stein müssten auch jeden Moment hier sein.

Jenny: Ich versteh immer weniger.

Herr Kreuzer: Das wird sich gleich legen. (es klopft an die Tür) Das sind sie sicher schon. (lauter) Herein!

Sebastian und Herr Stein betreten das Zimmer. Fragend schaut Sebastian zu Jenny, die kurz mit den Schultern zuckt. Die beiden setzen sich ebenfalls.

Sebastian: Um was geht es denn jetzt genau?

Herr Kreuzer: Genau genommen um zwei Dinge.

Herr Stein: Wir wollen bei der Versammlung in der Aula nachher direkt zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.

Jenny: Okay ...?

Herr Stein: Zum Einen würden wir gerne die Abstimmung wegen des Stellvertreterpostens durchführen. Außer natürlich, du hast es dir anders überlegt, Jenny.

Jenny: Nein, habe ich nicht.

Sebastian: Super, das freut mich. Wir beide als Team, das wird schon klappen.

Jenny: Hoffen wir's. Aber, naja, erstmal abwarten, wie die anderen das nachher sehen.

Sebastian: Ach was! Wieso sollten sie?

Herr Stein: Ich denke auch nicht, dass groß jemand etwas dagegen haben sollte.

Jenny: Okay, aber man weiß ja nie.

Sebastian: Und was gibt es sonst noch?

Herr Kreuzer: Ihr wisst doch, dass wir eure Eltern wegen des einen freien Schultags außer der Reihe im Monat angeschrieben haben. (die beiden nicken) Von fast allen haben wir eine positive Rückmeldung bekommen, so dass wir die, die noch nicht reagiert haben, außen vor lassen können.

Jenny: Heißt das, wir haben ab sofort einen extra Tag im Monat frei? Das ist ja super!

Herr Stein: Genau das heißt es. Darüber wollen wir nachher in der Aula mit euch sprechen.

Sebastian: Okay. Aber warum sagen Sie uns das jetzt schon? Wir sind doch gleich auch mit dabei.

Jenny: Ich versteh das auch nicht so ganz.

Herr Stein: Nun, ihr beide und Lars habt uns durch eure Wanderung am letzten Mittwoch auf eine Idee gebracht.

Jenny: Wie denn das?

Herr Kreuzer: Wir haben darüber nachgedacht, an dem freien Tag dann besondere AGs anzubieten. Also beispielsweise mal eine Wanderung oder Radtour in den Sommermonaten oder im Winter einen Ausflug in ein Skigebiet.

Sebastian: Hmm, ich kann mir nicht wirklich vorstellen, dass die, die da letztes Schuljahr mit der Angelegenheit zu Manuel und mir gekommen sind, das so wollten.

Herr Stein: Das ist auch eigentlich der Hauptgrund, der nachher geklärt werden muss.

Jenny: Ich bin zwar noch nicht lange hier, aber ... naja, wie soll ich's sagen ... so ein freier Tag, der würde mich dann doch eher reizen, Abstand vom Schulalltag und vor allem von den Lehrer zu bekommen. Ich mein, das ist nicht persönlich gemeint, nicht, dass Sie mich da jetzt falsch verstehen, es ist nur das, was ich dazu denke.

Sebastian: Da kann ich dir nur zustimmen, Jenny.

Herr Stein: (lacht) Verstehe. Ihr wollt also lieber eure Ruhe haben. Aber gut, dass ihr das so ehrlich sagt. Die Details besprechen wir nachher in der Aula. Allerdings hätten wir noch eine Bitte an euch.

Sebastian: Welche denn?

Herr Kreuzer: Wir hängen nachher zwei große Plakate am Ausgang der Aula auf. Wisst ihr, wir hatten uns das so vorgestellt, dass jeder, bevor er die Aula verlässt, einen Strich macht; entweder für oder gegen die Sonder-AGs. Dann sehen wir ja, wie die Mehrheit entscheidet.

Jenny: Ich denke, es kommt auch mit darauf an, ob die AGs dann Pflicht wären oder freiwillig.

Sebastian: Müsste man nicht auch auf jeden Fall noch ein drittes Plakat aufhängen? Also eines für die, die sich enthalten wollen oder denen es egal ist.

Herr Stein: Das sind beides gute Einwände. Also, die AGs wären selbstverständlich freiwillig. Grob hatten wir überlegt, an den freien Tagen zwei oder drei unterschiedliche AGs oder Workshops anzubieten. Wenn jemand Interesse hat, gut - wenn nicht, dann eben nicht. Versteht ihr?

Sebastian: Ja, okay. Das klingt jetzt eigentlich dann gar nicht mehr so dramatisch. Dann könnte man vorher in Ruhe überlegen, ob man mitmachen möchte oder nicht.

Jenny: Stimmt. Und wenn's keine Pflicht ist, ist vielleicht sogar das Interesse hinterher größer als man jetzt ahnt.

Herr Kreuzer: Wir werden es ja nachher sehen. Unsere Bitte wäre, dass ihr beide ein Auge darauf habt, dass wirklich jeder nur eine Stimme abgibt.

Sebastian: Okay, das sollte zu schaffen sein. Oder was meinst du, Jenny?

Jenny: Klar. Warum nicht?

Herr Stein: Schön. Sebastian, ich würde sagen, du gehst jetzt noch was zur AG.

Herr Kreuzer: Und wir beide, Jenny, setzen uns mal mit deinem Matheproblem auseinander.

Jenny: (seufzt) Ja, gut.

Herr Stein: Bis später in der Aula.

Sebastian und Herr Stein verlassen das Büro, während Jenny sich mit ihrem Mathelehrer der Nachhilfe zuwendet.

 

***

Um Punkt 15 Uhr sind alle Schüler in der Aula versammelt und warten darauf, mehr zu erfahren.

Marco: Bin ja echt mal gespannt, was Sache ist.

Sally: Meinst du wir nicht?

Marco: Doch, nur Jenny sieht total uninteressiert aus.

Nico: Stimmt. (lacht) Und mitkriegen tut sie auch nichts.

Martin: Das lässt sich ändern. (tippt Jenny leicht auf die Schulter) Erde an Jenny.

Jenny: (erschrocken) Was? Ähm, was ist denn?

Nico: Wir wundern uns hier nur gerade, dass du überhaupt keine Reaktion zeigst.

Jenny: Worauf denn?

Die anderen lachen.

Sally: Wir sind alle total gespannt, was los ist und überlegen schon die ganze Zeit. Du sagst nichts, guckst nur immer wieder zu Lars und Sebastian rüber.

Jenny: Echt? Hab ich gar nicht gemerkt.

Martin: Ja, klar.

Nico: Vielleicht haben wir was verpasst ...

Sally: Was meinst du da jetzt wieder mit?

Nico: So oft wie Jenny mit den beiden rumhängt ... Da könnte man schon auf Ideen kommen.

Jenny: Ihr seid doch verrückt. Ich versteh mich einfach nur gut mit Lars und Sebastian ist auch nicht übel.

Martin: Nimm Nico nicht so ernst.

Jenny: Nee, keine Bange.

Marco: Oh, ich glaube, es geht los. Dann wissen wir ja gleich endlich was Sache ist.

Jenny: Hmm. Wer die Wahl hat, hat die Qual ...

Martin: Was?

Jenny: Werdet ihr gleich erfahren.

Nico: Okay, verstehe ... du weißt mehr als wir.

In dem Moment betreten Herr Lorenz und Herr Stein die Bühne der Aula. Die Gespräche, die vorher noch für lautes Gemurmel gesorgt haben, verstummen nahezu schlagartig und alle schauen gebannt nach vorne.

Herr Lorenz: Schön, dass ihr alle pünktlich erschienen seid. Ich denke, es wird nicht allzu lange dauern. Wir haben im Grunde nur zwei Dinge, die besprochen werden müssten und dann könnt ihr ins Wochenende.

Erstaunte Blicke wandern zwischen den Schülern hin und her. Der ein oder andere freudige Jauchzer ertönt.

Herr Stein: (schmunzelt) Ihr habt richtig gehört. Morgen fällt der Unterricht aus. Allerdings macht ihr bitte bis Montag die Hausaufgaben, die ihr heute ursprünglich aufbekommen habt. Alles klar?

Leichtes Protestgemurmel wird hörbar.

Herr Lorenz: Wann ihr die Hausaufgaben macht, bleibt euch natürlich selbst überlassen. Hauptsache, ihr habt sie in der nächsten Unterrichtsstunde fertig. (wartet einen Moment) So, und jetzt zu den beiden Punkten, die wir mit euch besprechen müssen.

Herr Stein: Zunächst einmal geht es darum, dass Sebastian seit den Sommerferien alleine Schülersprecher ist. Das geht natürlich nicht und so haben wir im Kollegium überlegt, was wir machen. Eine komplette Neuwahl wäre natürlich möglich gewesen, hätte jedoch sehr viel Zeit in Anspruch genommen. Das bedeutet, Sebastian wird weiterhin Schülersprecher bleiben und wir werden heute nur wegen des Stellvertreterpostens abstimmen.

Jenny kann ihre Nervosität nicht mehr zurückhalten und wackelt unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. Sally, die neben ihr sitzt, legt ihr beruhigend eine Hand auf den Oberschenkel und lächelt ihr zu.

Sally: (leise) Keine Panik, Jenny. Wird schon alles schief gehen. Wir stehen hinter dir.

Jenny: (ebenso leise) Hmm, bestimmt ... Naja, danke.

Nico: Du packst das!

Auch die anderen aus ihrer Klasse, die von dem Angebot wissen, lächeln Jenny aufmunternd zu.

Herr Stein: Im Vorfeld haben wir bereits eine Kandidatin ausgewählt, die auch bereit ist, die Herausforderung anzunehmen. Jenny, würdest du bitte nach vorne kommen? Und Sebastian, du bitte auch.

Nervös geht Jenny, gefolgt von Sebastian, auf die Bühne. Als sie oben stehen, legt Sebastian kurz seine Hand auf ihre Schulter und drückt sie kurz.

Herr Lorenz: Schön. (lächelt) Also, wie Herr Stein schon sagte, wäre Jenny bereit, sich als stellvertretende Schülersprecherin zur Verfügung zu stellen.

Klaudia: Warum ausgerechnet die? Die ist doch erst seit n paar Tagen hier ...! Was soll das denn?

Mirco: Na und? Was hat das denn zu bedeuten?

Klaudia: Es sollte jemand machen, der sich hier auskennt. Der die Regeln akzeptiert und sich daran hält.

Martin: Und am besten noch jemand, der seine Schulfreunde wegen jedem Furz verpetzt, was?

Klaudia: Ist doch wahr! Was weiß denn die schon vom Internatsleben? Die hat doch keine Ahnung!

Jenny: (leise zu Sebastian) Ich hab's doch gesagt, dass das nicht gut gehen kann. Vielleicht sollte ich's mir noch mal anders überlegen ...

Sebastian: (flüstert zurück) Lass dir von Klaudia nicht dazwischen funken. Du weißt doch, wie sie drauf ist.

Herr Stein: Beruhigt euch mal wieder! Wir werden selbstverständlich jetzt gleich darüber abstimmen. Wenn es für alle in Ordnung ist, würde ich vorschlagen, wir machen die Abstimmung offen. Dann ist der Punkt in kurzer Zeit bereits abgehakt.

Da sich niemand dagegen äußert,  übernimmt Herr Lorenz wieder das Wort.

Herr Lorenz: Gut, dann beginnen wir. Wer ist dagegen, dass Jenny neue stellvertretende Schülersprecherin wird?

Neben Klaudia melden sich noch vier aus den beiden unteren Jahrgängen zögernd.

Herr Lorenz: Okay, danke. Jetzt bitte die, die dafür sind. (sieht sich um) Ich würde sagen, das ist eindeutig. Aber kurz noch der Vollständigkeit halber: gibt es jemanden, der sich enthält? (drei Arme gehen hoch) Alles klar. Nun, Jenny, nimmst du die Wahl an?

Jenny: (atmet durch) Ja. Danke für euer Vertrauen!

Sebastian umarmt sie spontan. Ein paar Pfiffe ertönen.

Sebastian: Ich freu mich, Jenny.

Jenny: (leise) Ich mich auch.

Auch Herr Stein und Herr Lorenz gratulieren Jenny und dann können Jenny und Sebastian sich wieder zurück zu den anderen setzen.

Martin: Glückwunsch, Jenny.

Sally: (umarmt Jenny) Echt cool, dass du's machst.

Jenny: Danke! Hoffentlich klappt's alles.

Nico: Hey, klar. Warum nicht?

Lars und Mirco recken Jenny ihre hochgestreckten Daumen entgegen und lächeln ihr ebenfalls zu. Jenny lächelt zurück und formt ein lautloses "Danke" mit den Lippen.

Klaudia: Hast du ja toll hinbekommen.

Jenny: Ach, Mädel, was is'n los mit dir?

Klaudia: Mit mir? Du bist doch die, die kaum hier ist und schon alles an sich reißt. Aber du wirst schon sehen, was du davon hast. Und deine tollen Freunde auch.

Marco: (lacht) Willst du uns jetzt drohen, oder was?

Klaudia: Euch wird das Lachen schon noch vergehen.

Sally: Na, wenn du meinst.

Klaudia: Ja, meine ich. Und ihr werdet euch noch an meine Worte erinnern, wenn es soweit ist!

Nico: Laber ruhig weiter ...

Herr Lorenz: Könntet ihr bitte wieder leise sein? (die Gespräche verstummen) Danke! Dann kommen wir jetzt noch zu der zweiten Angelegenheit. Wie wir wisst, haben wir eure Eltern wegen dem freien Tag angeschrieben. Von den meisten haben wir bereits ein positives Feedback erhalten und die, die noch fehlen, können wir bei dem bisherigen Ergebnis außer Acht lassen.

Herr Stein: Das bedeutet also demnach, dass ihr ab sofort einen freien Tag im Monat habt. Die Termine werden wir morgen festlegen und euch dann spätestens am Montag im Unterricht mitteilen.

Herr Lorenz: Jetzt haben wir überlegt, für diese freien Tage AGs auf freiwilliger Basis anzubieten. (Protest kommt auf) Wartet doch erstmal ab! Wir dachten da an Dinge wie Erste-Hilfe-Workshops, Ausflüge ins Umland, im Winter vielleicht auch mal einen Ausflug zum Skifahren oder ähnliches. Also keine Standard-AGs.

Sally: (leise) Hört sich doch gar nicht sooo schlimm an.

Nico: Wie lange im Voraus müssen wir uns denn entscheiden? Ich fänd's zum Beispiel blöd, wenn ich mich jetzt schon für das komplette Schuljahr festlegen müsste.

Herr Stein: Wir würden die AGs schon bis nach den Herbstferien festlegen. Aber die Entscheidung reicht dann bis zwei Tage vorher.

Martin: Ist das doch eigentlich ne ganz gute Idee.

Klaudia: (zischt) Schleimer!

Herr Lorenz: Wir würden euch bitten, wenn ihr die Aula jetzt gleich verlasst, einen Strich auf einem der drei Zettel, die am Ausgang liegen, zu machen. Jenny und Sebastian, ihr macht bitte den Anfang und habt dann ein Auge darauf, dass jeder nur einen Strich macht.

Sebastian: Okay, machen wir.

Die beiden stehen auf, gehen zum Ausgang und machen ohne großes Zögern ihre Striche auf die Zettel. Anschließend folgen die anderen Reihe für Reihe. Nachdem alle draußen sind, kommt Herr Stein zu Jenny und Sebastian.

Herr Stein: Und? Hat alles geklappt?

Jenny: Ja, haben alle brav einen Strich gemacht.

Herr Stein: Super, dann hat das ja ohne größere Probleme geklappt. (schaut sich die Zettel an) Oh, das ist ja erstaunlicherweise ziemlich eindeutig.

Sebastian: Stimmt. Ich hätte auch gedacht, dass es knapper wird. Aber umso besser.

Jenny: Ich denke, der Ausschlag für das Ergebnis war eindeutig, dass die AG freiwillig sind und wir uns kurzfristig für eine Teilnahme oder dagegen entscheiden dürfen.

Herr Stein: Das vermute ich auch. Also, wenn ihr wollt, könnt ihr dann jetzt auch zu den anderen nach draußen gehen. Danke für eure Unterstützung.

Sebastian: Das lassen wir uns doch nicht zweimal sagen. Oder was meinst du, Jenny?

Jenny: Genau. Dann mal schönes Wochenende!

Herr Stein: (schmunzelt) Ich vermute, wir werden uns zwischendurch noch das ein oder andere Mal sehen.

Jenny: Wird sich wohl nicht vermeiden lassen ...

Herr Stein: Jenny!

Jenny: Kleiner Scherz am Rande. War nicht persönlich gemeint. Komm, Sebastian, wir hauen ab.

Sebastian: Bin dabei!

Die beiden verlassen die Aula.

 

***

Draußen vor der Aula warten die anderen bereits auf Jenny und Sebastian. Freudig umarmt Lars seine Schwester.

Lars: Ich bin stolz auf dich, Kleine.

Jenny: (lacht) Warum das denn?

Lars: Weil du's machst und dich auch von so Idioten wie Klaudia nicht unterkriegen lässt.

Jenny: Naja, beinahe wäre es ihr geglückt.

Sally: Wie jetzt?

Sebastian: Stimmt. Jenny war kurz am zögern, als Klaudia den ersten Spruch abgelassen hat.

Nico: Aber doch nicht wegen der Ziege!

Martin: Genau. Und wegen dem, was sie danach noch gesagt hat ... ich würde sie nicht so ernst nehmen.

Sebastian: Was meint ihr?

Marco: Grob zusammengefasst gesagt: sie hat Jenny gedroht, dass sie die Entscheidung noch bereuen würde.

Lars: Das ist jetzt nicht euer Ernst, oder?

Martin: Doch. Aber das waren bestimmt wieder nur leere Worte von ihr. Und ansonsten schlagen wir eben zurück.

Mirco: Hoffen wir es mal. Falls es aber zum Äußersten kommen sollte, wir sind dabei.

Sebastian: Definitiv!

Sally: Danke! Das ist echt nett von euch.

Mirco: Ist doch selbstverständlich.

Lars: Genau. Sagt mal, wie geht's eigentlich Nina?

Sally: Keine Ahnung, ich war heute noch nicht bei ihr. Mach ich aber gleich noch.

Nico: Sollen wir morgen dann nach München und die fehlenden Sachen besorgen?

Jenny: Könnten wir machen. Schön zeitig los und dann den ganzen Tag ausnutzen.

Lars: Sollen wir nicht erstmal abwarten, ob Nina morgen wieder dabei ist? Wäre ja schon schön, wenn sie auch mitkommen würde, oder?

Sally: Ich kann ja, wenn ich gleich bei ihr bin, Sven mal fragen, wie's ausschaut.

Martin: Mach das. Und dann können wir ja nach dem Abendessen noch überlegen, wann wir eventuell aufbrechen. Wir sehen uns ja bestimmt heute noch mal.

Jenny: Klingt gut.

Sally: Dann hau ich mal ab. Bis später!

Mirco: Bestell ihr nen schönen Gruß. Und wenn du Hilfe brauchst, Sven zu überreden, dann meld dich. Dann bearbeiten wir ihn heute Abend noch zusammen.

Sally: Alles klar.

Marco: Ich glaub, ich klemm mich hinter die Hausaufgaben. Hab zwar keinen Bock, aber dann hab ich's hinter mir.

Nico: Gute Idee, ich komm mit.

Martin: Ich auch. Jenny, was meinst du? Machen wir Mathe später wieder zusammen?

Jenny: Das wäre super! Aber ...

Martin: Ja?

Jenny: Naja, ich will dich halt auch nicht so bremsen. Ohne mich kämst du ja doch wesentlich schneller voran.

Martin: Mach dir deswegen mal keinen Kopf. Wenn ich dir nicht helfen wollte, hätte ich's dir nicht angeboten. Können's ja nach dem Abendessen machen. Dann hetzt uns keiner mehr und bis Bettzeit ist, haben wir's sicher geschafft.

Jenny: Okay, dann machen wir's dann. Danke!

Auch Mirco und Sebastian wollen sich direkt an die Hausaufgaben geben. So bleiben Lars und Jenny alleine zurück.

Lars: Und was stellen wir beide jetzt noch an?

Jenny: Keine Ahnung. Zur Not gehen wir eben auch unsere Hausaufgaben machen.

Lars: Hab ich ehrlich gesagt nicht wirklich Lust drauf.

Jenny: Ganz ehrlich? Ich auch nicht.

In dem Moment klingelt Lars' Handy. Er kramt es aus seiner Hosentasche hervor.

Lars: Oh, es ist Paps. (geht ran) Hey, Paps.

Max: Hallo, Lars. Na, wie geht's euch?

Lars: Gut. Warte, ich mach mal grade auf freisprechen. Jenny steht neben mir.

Jenny: Hi, Paps.

Max: Hallo, Kleine. Alles im Lot?

Lars: Alles bestens. Und bei dir?

Max: Auch soweit. Es ist nur sehr ruhig hier so alleine.

Jenny: Kann ich mir vorstellen. Hast du denn schon irgendwas Neues gehört?

Max: Ja. Deshalb rufe ich auch an.

Lars: Dann schieß mal los!

Jenny: Genau!

Max: (lacht) Ihr wieder. Aber okay, wenn ich's euch nicht sagen wollte, hätte ich ja nicht angerufen. Also, mein Versetzungsantrag nach München wurde genehmigt. Das heißt, zum ersten November könnte ich in München auf der Polizeiinspektion 11 in der Altstadt anfangen.

Lars: Das ist ja super!

Jenny: Cool! Hast du denn auch schon mit Sebastians Eltern gesprochen?

Max: Nein, noch nicht. Werde ich aber später noch. Ich hatte vorhin mal probiert, sie zu erreichen. Da ging allerdings nur der Anrufbeantworter an.

Jenny: Hältst uns aber auf dem Laufenden, okay?

Max: Natürlich. Was denkt ihr denn?

Lars: Immer nur das beste. Weißt du doch, Paps.

Max: Dann ist gut. Gibt's bei euch denn auch was Neues?

Lars: Nicht wirklich ... Eigentlich nur, dass Jenny seit ein paar Minuten stellvertretende Schülersprecherin ist und wir morgen schulfrei haben.

Max: Na dann, herzlichen Glückwunsch, Jenny!

Jenny: Danke, Paps!

Max: Jenachdem, was bei dem Telefonat mit Sebastians Eltern herauskommt, komm ich vielleicht übers Wochenende nach München.

Lars: Mach das. Kannst du doch sonst auch machen. Dann kommst du zuhause was raus. Wir könnten uns ja dann treffen und dann schauen wir mal, was wir anstellen.

Max: Vielleicht habt ihr Recht, ja. Ich melde mich dann noch mal bei euch.

Jenny: Okay, alles klar. Dann bis bald, Paps.

Lars: Mach's gut.

Max: Ihr auch!

Lars beendet das Telefonat und strahlt Jenny an.

Lars: Das ist ja echt super, dass der Antrag durch ist.

Jenny: Ja, find ich auch. Jetzt muss nur das mit Sebastians Eltern auch noch klappen.

Lars: Stimmt. Aber das wird schon schief gehen. Zur Not kann Sebastian sie ja noch ein bisschen bequatschen.

Jenny: (lacht) Das wär's noch. Weißt du, ich bin echt froh, wieder mehr Zeit mit dir zu verbringen ... Nur ...

Lars: Ja?

Jenny: Naja, wenn du mal deine Ruhe haben willst oder ich dich nerve oder so ... Dann sag's bitte.

Lars: Ach, Kleine. (zieht Jenny zu sich ran) Du nervst nicht. Ich bin doch auch froh, dass du hier bist.

Jenny: Das freut mich ...

Lars: Okay, raus mit der Sprache, was bedrückt dich? Irgendwas schleppst du doch die ganze Zeit mit dir rum.

Jenny: Ich werd einfach den Gedanken nicht los, dass ich Schuld bin an dem Unfall und Muttis Tod.

Lars: Du musst aufhören, darüber nachzudenken, Jenny. Du kannst nichts dafür! Wirklich!

Jenny: Weißt du, eigentlich weiß ich, dass es jederzeit auch woanders hätte passieren können. Warum musste es unbedingt auf dem Rückweg passieren?

Lars: Ich weiß es nicht, Jenny, wirklich. Ich wünschte, ich könnte dir sagen, warum es ausgerechnet dann passierte.

Jenny: Hmm. Meinst du ... naja, also ... dass Paps mir Vorwürfe macht?

Lars: Nein, das glaube ich nicht. Und du musst auch damit aufhören. Wenn du es alleine nicht schaffst, dann zur Not auch mit ärztlicher Hilfe. Sprich mit Sven oder mit einem von den Lehrern. Aber mach es nicht mit dir alleine aus und friss es in dich hinein. Versprich mir das, bitte!

Jenny: Ich bin doch nicht verrückt!

Lars: Das sagt doch auch keiner! Ich mach mir nur Sorgen, dass du an deinen Selbstvorwürfen kaputt gehst. Kleine, bitte, du darfst Paps und mich nicht auch noch verlassen! Wir brauchen dich!

Jenny: Das hab ich auch nicht vor! (umarmt Lars) Ich pass schon auf mich auf.

Lars: Okay, gut. Und sonst ... ich bin für dich da. Egal wann und egal, wie du mich brauchst.

Jenny: Danke!

Lars: Versprich mir nur, dass du mit jemandem redest. Egal mit wem, Hauptsache, du passt auf dich auf.

Jenny: Okay, ich versprech's dir.

Lars: Gut, danke.

Jenny: Jetzt, wo das geklärt ist: Was stellen wir an?

Lars: Ich glaub, ich mach jetzt doch auch Hausaufgaben. Wenn's okay ist für dich.

Jenny: Klar, kein Thema. Nur ... woher der plötzliche Sinneswandel? Wirklich Lust hattest du doch vorhin auch nicht.

Lars: Überleg doch mal. Wir haben morgen frei und wollen mit den anderen in die Stadt. Und eventuell kommt Paps am Wochenende. Da bleibt dann wohl kaum oder nur sehr wenig Zeit für Hausaufgaben.

Jenny: Stimmt, hast Recht. Das klingt vernünftig.

Lars: Dann komm, gehen wir.

Sie gehen in Richtung ihrer Zimmer.

Jenny: Ich glaub, ich hau Martin dann direkt wegen Mathe an. Dann hat er wenigstens heute Abend noch was Freizeit. Und ich vielleicht auch ...

Lars: Mach das. Und wenn er keine Zeit hab, dann komm zu uns ins Zimmer, dann helfen Sebastian und ich dir.

Jenny: Danke!

Lars: Gerne. Okay, ich sag dann mal erst bis später.

Jenny: Bis später.

 

***

Nach dem Abendessen treffen sich Lars, Sebastian, Mirco, Marco, Martin, Nico, Sally und Jenny vor der Mensa.

Mirco: Was meint ihr, sollen wir noch was raus gehen?

Sally: Klar, warum nicht?

Martin: (lacht) Also los, raus mit uns.

Auch die anderen sind einverstanden und so gehen sie langsam nach draußen.

Lars: Was hat's eigentlich bei Nina gegeben?

Sally: Sie wusste noch nichts. Und Sven war nicht da, zumindest hab ich ihn nicht gesehen.

Jenny: Beim Abendessen ist er mir auch nicht aufgefallen. Oder habt ihn gesehen?

Sebastian: Er war da, saß bei den Kurzen am Tisch.

Sally: Ist ja eigentlich auch egal. Soll ich ihn jetzt noch eben suchen? Vielleicht haben wir ja Glück und Nina kann heute Abend schon wieder zurück.

Mirco: Wie du meinst. Wir könnten natürlich auch alle zusammen zu ihm gehen.

Martin: (lacht) Das wär's noch. Svens Blick, wenn wir alle da auftauchen, würde ich ja zu gerne seh'n.

Jenny: Hat bestimmt was. Also? Was machen wir?

Marco: Okay, überfallen wir Sven. Wenn wir ihn alle bearbeiten, kann er Nina wohl kaum noch länger da behalten. Raus gehen können wir danach ja immer noch.

Sebastian: Stimmt.

Sie drehen auf dem Absatz um und gehen gemeinsam in Richtung Krankenstation.

Mirco: Sollen wir denn direkt alle zusammen reinstürmen? Oder nach und nach?

Lars: Ach, lasst uns alle zusammen rein. Sven wird's schon überleben ...

Nico: Alles klar, dann mal rein.

Ohne weiteres Zögern klopfen sie an. Nach einem kurzen "Herein" aus dem Inneren des Raumes, betreten sie, einer nach dem anderen, das Zimmer.

Martin: Hi, Sven. Hoffe, wir stören nicht.

Sven: (schmunzelt) Nein, passt schon. Was kann ich für euch tun? Ihr seid doch hoffentlich nicht alle krank?

Lars: Nee, keine Bange. Wir wollten dir nur mal nen kleinen Besuch abstatten.

Marco: Genau. Und bei der Gelegenheit mal nachhören, wann du Nina wieder frei lässt.

Sven: So, so. Was soll ich davon denn jetzt halten?

Jenny: Ach, nichts weiter Dramatisches. Weißt du, wir wollten morgen den freien Tag in München verbringen.

Sally: Da wär's halt schön, wenn Nina auch mit könnte.

Martin: Und weil wir dich vorher nicht erwischt haben, sind wir eben jetzt alle zusammen hergekommen.

Lars: Außerdem ist sie doch jetzt schon lange genug hier.

Sven: Ich versteh schon. Ich wollte eigentlich gleich zu Nina und ihr sagen, dass sie wieder zu euch kann.

Mirco: Nur eigentlich?

Jenny: Heißt das, sie kann morgen mit nach München?

Sven: Ja, heißt es. Allerdings müsst ihr mir versprechen, es nicht gleich wieder zu übertreiben. Sowohl Nina als auch du, Jenny, ihr seid beide doch noch etwas angeknackst.

Jenny: Ja, schon okay, Sven.

Sebastian: Wir passen schon auf die beiden auf.

Sven: Dann brauch ich mir ja keine Sorgen zu machen.

Sally: Kann Nina dann jetzt sofort mit?

Sven: Ja, kann sie.

Jenny: Cool!

 

***

Eine Stunde später sind von den Neunen nur noch Lars, Sebastian und Jenny im Park. Sie suchen sich eine ruhige Ecke und setzen sich ins Gras.

Jenny: Hast du Sebastian schon von Paps' Anruf erzählt?

Lars: Ja, vorhin.

Sebastian: Ich freu mich für euch. Und das mit der Haushälfte geht garantiert auch klar. Ich kann mir echt nicht vorstellen, dass da noch was schief geht.

Lars: Nur muss Paps deine Eltern erstmal erreichen.

Sebastian: Das wird schon. Sonst kann ich ja morgen mal meine Eltern anrufen und fragen, ob er sie erreicht hat.

Jenny: (verträumt) Ich fänd's schon irgendwie cool, wenn das alles klappen würde ...

Lars: Nicht nur du, Kleine. (legt den Arm um Jennys Schultern) Aber selbst wenn das nicht klappen sollte, Paps wird hier auf jeden Fall irgendwas finden. Immerhin hat das mit dem Versetzungsantrag auch schon geklappt.

Jenny: Ja, stimmt schon ...

Lars: Das wird schon. Ich bin da optimistisch.

Sebastian: Und ich könnte mir sogar vorstellen, dass meine Eltern diese Woche sonst keinem mehr das Haus gezeigt haben. Wisst ihr eigentlich, wohin euer Vater kommt? Also, auf welche der Polizeistationen in München?

Lars: Er hat irgendwas von Altstadt gesagt.

Sebastian: Echt? Dann wird er ja sogar n Kollege von meinem Vater. Na, wenn das mal kein gutes Zeichen ist.

Jenny: Hmm, gut möglich.

Sebastian: Ist irgendwas, Jenny?

Jenny: Bin nur müde, das ist alles.

Sebastian: Okay. Sollen wir reingehen?

Jenny: Ihr könnt doch ruhig noch draußen bleiben. (lacht) Müsst ja nicht auch ins Bett, nur weil ich müde bin.

Lars: Ach, macht doch nichts. Wir wollen doch eh morgen früh los. Eigentlich total bekloppt, dass wir schon gegen neun Uhr aufbrechen wollen.

Sebastian: Dafür haben wir dann aber auch Zeit und brauchen uns nicht zu hetzen.

Lars: Okay, das stimmt natürlich.

Jenny: (rappelt sich auf) Okay, Jungs, ich geh rein. Wir sehen uns dann beim Frühstück morgen.

Lars: Dann schlaf gut, Kleine.

Sebastian: Gute Nacht, Jenny.

Jenny: Gute Nacht, Jungs.

Während Jenny rein geht, bleiben Lars und Sebastian noch eine Weile im Gras liegen. Nach einer Weile unterbricht Sebastian die Stille.

Sebastian: Meinst du, Jenny war wirklich nur müde.

Lars: (geknickt) Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht. Sie war vorhin schon wieder auf der Schiene, dass sie Schuld an dem Unfall hat.

Sebastian: Scheiße!

Lars: Ja ... Ich hab ihr noch mal gesagt, dass sie nichts dafür kann und dass sie jederzeit zu uns kommen kann, wenn sie reden möchte.

Sebastian: Das ist gut. Wie gesagt, wenn ich helfen kann, jederzeit gerne.

Lars: Hmm, danke. Weißt du, ich hab ihr vorgeschlagen, dass sie sich zur Not auch ärztliche Hilfe holen soll.

Sebastian: Verkehrt wäre das sicher nicht.

Lars: Das dachte ich auch, nur hat Jenny das voll in den falschen Hals bekommen.

Sebastian: Oh, das ist natürlich blöd.

Lars: Genau. Ich glaub zwar, dass ich die Kurve noch mal gekriegt habe, aber sicher bin ich mir nicht.

Sebastian: Lass uns einfach mal abwarten, wie sie morgen drauf ist. Vielleicht tut ihr die Ablenkung in der Stadt ja gut und wir schaffen es alle zusammen, sie aufzumuntern.

Lars: Das wäre perfekt.

Sebastian: Das wird schon. Wir kriegen das gemeinsam schon geregelt. Und wenn alle Stricke reißen, dann musst du eben deinen Vater einweihen.

Lars: Ich glaub, dann käme ich mir vor wie ein Verräter.

Sebastian: Ach was! Du machst dir eben Sorgen um deine Schwester. (leiser) Und ehrlich gesagt nicht nur du ...

Lars: (hellhörig) Wie meinst du das?

Sebastian: Nicht so wichtig.

Lars: Komm, jetzt sag schon.

Sebastian: (seufzt) Na gut. Ich mach mir auch Sorgen und die anderen bestimmt auch.

Lars: Vielleicht hast du Recht.

Eine gute halbe Stunde später gehen die Jungs auch rein und begeben sich in ihre Betten.

Vergangenheit und Zukunft

Am Freitagmorgen treffen sie sich bereits um acht Uhr zum Frühstück in der Mensa.

Nico: (gähnt) Boah, ich bin noch voll müde. Wir hätten uns auch ruhig ne Stunde später treffen können.

Sally: Ach, stell dich nicht so an. Dafür haben wir wenigstens was vom Tag.

Mirco: Stimmt. Wie machen wir's denn jetzt eigentlich nachher? Melden wir uns alle zusammen ab oder gehen wir in kleinen Gruppen zum Stein?

Lars: Lasst uns ruhig alle zusammen. Wird schon keiner was dagegen haben, dass wir zusammen einen Ausflug nach München wollen.

Sebastian: Denke ich auch. Wir sollten uns nur einig sein, was wir vorhaben ... Nur für den Fall, dass der Stein nachfragt. Manchmal sind die Lehrer ja ziemlich neugierig.

Nina: Wie wär's mit ein bisschen shoppen?

Jenny: Das sollte doch klappen.

Marco: Und es stimmt ja auch.

Martin: Ja, genau. Dann hätten wir das ja schon mal.

Jenny: Achso, ich lad euch nachher in der Stadt auch noch auf ne Coke oder so ein.

Lars: Wieso das?

Jenny: Zum Anstoßen dachte ich.

Nina: Das musst du aber nicht, Jenny.

Jenny: Ich möchte es aber gerne.

Sebastian: Okay, wie du magst.

Sie frühstücken zu Ende und gehen anschließend geschlossen zu Herrn Steins Büro.

 

***

Um kurz nach neun sitzen sie im Bus nach München. Lars, der sich neben seine Schwester gesetzt hat, legt einen Arm um ihre Schultern.

Lars: Geht's dir wieder besser?

Jenny: Was meinst du?

Lars: Na komm, gestern warst du doch echt nicht gut drauf. Das hab ich mir gewiss nicht nur eingebildet.

Jenny: Achso, ja, geht schon. Bin nur froh, heute mal was anderes zu sehen.

Lars: Hmm, geht mir nicht anders. Aber sonst ist alles gut? Oder bedrückt dich noch etwas?

Jenny: Ja, keine Sorge. Es passt schon alles.

Lars: Okay, wie du meinst. Ansonsten, du weißt ja ...

Jenny: Ja, ich weiß.

Lars: Dann ist gut.

Nico: Wo gehen wir denn gleich zuerst hin?

Nina: Am besten zuerst in einen von diesen Kruschtelläden, oder? Da kriegen wir doch bestimmt fast alles.

Sally: Gute Idee, Nina.

Marco: Ja, stimmt. Da gibt's ja genug von. (lacht) Und allzu teuer ist's da ja auch nicht.

Martin: Okay, dann würde ich vorschlagen, wir fahren bis zum Karlsplatz, oder?

Sebastian: Gute Idee! Von da wär's dann auch nicht so weit, falls wir anschließend noch was in den Englischen Garten wollen.

Mirco: Klingt gut, ja.

 

***

Fröhlich schnatternd verlassen sie eine gute halbe Stunde später am Karlsplatz den Bus. Gut gelaunt ziehen die neun zielstrebig auf die kleine Ladenstraße zu und verschwinden kurzerhand in einem der kleinen Geschäfte. Bereits kurze Zeit später stehen sie mit allerlei Kleinkram, einer Geburtstagskarte und einem Geschenkkarton an der Kasse.

Nina: Wie machen wir das mit dem Bezahlen?

Lars: Ich streck erstmal vor und dann teilen wir das später auf. Wäre ja Blödsinn, wenn wir jetzt alle an der Kasse anfangen nach Geld zu suchen.

Nina: Okay, das klingt sinnvoll.

Lars: (lacht) Ist es auch, glaub's mir.

Nina: Schon gut, ich glaub dir ja.

Jenny: Sieht wahrscheinlich schon albern genug aus, dass wir alle hier zusammen an der Kasse stehen.

Nico: Wir können ja schon mal rausgehen.

Lars: Macht das ruhig.

Nina: Ach, ich bleib hier. Ist ja doch einiges zum Tragen.

Sally: Okay, dann bleib du mit Lars hier im Laden und wir anderen warten draußen vor der Tür auf euch.

Lars: Alles klar, bis gleich.

Während sie draußen auf Lars und Nina warten, überlegen die anderen schon mal, was sie mit dem restlichen Tag anfangen könnten.

Mirco: Sollen wir denn dann gleich noch in den Englischen Garten gehen?

Sally: Ich hätte nichts dagegen.

Martin: Find die Idee auch nicht schlecht. Und vielleicht nachher auch irgendwo ne Kleinigkeit essen.

Jenny: Hast du schon wieder Hunger?

Martin: Nee, Jenny, noch nicht, aber das kommt bestimmt irgendwann. Ich kenn mich doch.

Sebastian: Stimmt, irgendwann ganz sicher. Bis zum Abendessen kann ich garantiert auch nicht warten.

Jenny: Okay, wahrscheinlich habt ihr Recht. (schaut sich um) Ich flitz mal kurz da drüben in den Supermarkt.

Sally: Wieso das denn?

Jenny: Seht ihr später. Wartet ihr hier?

Sebastian: Ja, okay, machen wir. Oder warte, ich komm mit. Ich brauch auch noch ne Kleinigkeit.

Jenny: Okay.

Marco: Dann geht ihr mal. Sonst kommen die beiden gleich schon wieder und wir müssen noch länger warten.

Sebastian: (grinst) Wir sind ja schon weg.

 

***

Sebastian: Was hast du denn vor? Verrätst du's mir?

Jenny: Naja, ich hab eben so gedacht, dass anstoßen mit Coke doch nicht so wirklich Spaß macht.

Sebastian: Und das bedeutet?

Jenny: Ich dachte, ich hol ein oder zwei Flaschen Sekt.

Sebastian: Spinnst du?

Jenny: Wieso?

Sebastian: Wenn das einer rauskriegt, gibt's Stress.

Jenny: Wer sollte da denn was von mitkriegen?

Sebastian: Einer von den Lehrern? Was meinst du, was das für nen Ärger giibt, wenn die rauskriegen, dass wir Alkohol getrunken haben?

Jenny: (lacht) Ich wollte alkoholfreien Sekt holen. Also kein Grund zur Panik.

Sebastian: Oh, okay. Sorry.

Jenny: Schon okay. Ich hätte das ja auch gleich sagen können. (grinst) Also, einverstanden?

Sebastian: Ja, damit schon. Wir können ja, falls das alles so klappt, wie wir uns das vorstellen, in den Ferien mal richtig anstoßen.

Jenny: Okay, gute Idee. Das machen wir. Was wolltest du denn noch besorgen?

Sebastian: Ach, ich hab nur heute morgen festgestellt, dass mein Duschzeug fast leer ist.

Jenny: Das ist natürlich ein Problem.

Sebastian: Genau.

Die beiden besorgen die Sachen und gehen anschließend wieder zurück zu ihren Freunden.

 

***

Nachdem sie noch eine Weile durch die Einkaufsstraße geschlendert sind, essen sie an einer Pommesbude jeder eine Currywurst mit Pommes und gehen anschließend in den Park. Dort suchen sie sich einen Platz auf einer der vielen Grünflächen und machen es sich gemütlich. Jenny holt die beiden Flaschen Sekt aus dem Rucksack.

Lars: (skeptisch) Übertreibst du's jetzt nicht, Jenny?

Sebastian: Hab ich zuerst auch gedacht, aber Jenny hat alkoholfreien gekauft.

Mirco: Dann geht's ja.

Jenny: Richtiger wäre mir zwar lieber gewesen, aber ich wollte nicht riskieren, dass wir hinterher Ärger kriegen.

Nina: Ach, das passt schon. (grinst) Wir können uns ja einfach vorstellen, es wäre normaler Sekt.

Sally: Genau.

Sie lassen die Korken der Sektflaschen knallen und Jenny schüttet ihren Freunden Sekt in die - ebenfalls vorhin besorgten - Plastikbecher.

Sebastian: Auf die beste stellvertretende Schülersprecherin, die man sich vorstellen kann.

Jenny: (lacht) Jetzt übertreib mal nicht!

Sebastian: Mach ich nicht.

Jenny: Ich würde lieber auf die besten Freunde, die man sich wünschen kann, anstoßen. Danke, dass ihr mich so gut aufgenommen habt.

Nina: Auf die Freundschaft!

Lachend prosten sie sich zu.

Sally: Also, ein bisschen warm ist der ja. (kichert) Aber trotzdem gut gemeint, Jenny.

Jenny: Gekühlten hatten sie leider nicht.

Nina: Ist doch okay. Dann steigt er schneller zu Kopf.

Die drei lachen prustend los.

Nico: Ich wusste gar nicht, dass alkoholfreier Sekt so ne Wirkung entfaltet.

Martin: Stellt euch mal vor, wie die drei jetzt gackern würden, wenn es kein alkoholfreier wäre.

Lars: Besser nicht ...

Jenny: Hey, was soll das jetzt bedeuten?

Lars: Nichts Wichtiges, Kleine. Alles okay.

Nina: Da bin ich jetzt nicht wirklich von überzeugt.

Sally: Ich auch nicht.

Sebastian: Macht euch nichts draus, Mädels.

Jenny: (grinst) Nee, keine Sorge.

Mirco: Dann ist ja gut. Sollen wir die Klamotten nachher direkt alle an einer Stelle sammeln?

Sally: Würde vielleicht Sinn machen, oder? Bevor hinterher noch irgendwas wegkommt.

Nico: Stimmt, das wäre echt ganz schön blöd. Auch wenn ich mir nicht wirklich vorstellen kann, dass einer von uns was verschlampt.

Sally: Wirklich zutrauen tu ich's auch keinem.

Nico: Dann ist ja gut.

 

***

Nach einer Weile rappeln sie sich wieder auf und schlendern gemütlich durch die Grünanlage des Englischen Gartens. Sally, Nina und Jenny gehen ein Stück hinter den Jungs und quatschen munter zusammen.

Nina: Du, Jenny?

Jenny: Ja?

Nina: Darf ich dich mal was persönliches fragen?

Jenny: Klar, warum nicht?

Sally: Jenny kann ja die Antwort verweigern, falls es ihr zu persönlich wird.

Nina: Gute Idee.

Jenny: Dann schieß mal los.

Nina: Alles klar, mach ich. Aber du musst mir versprechen, dass du mir nicht böse bist.

Jenny: Versprochen.

Nina: Okay. Kann es sein, dass du ... (zögert kurz) ... also, dass du dich in Sebastian verliebt hast?

Jenny: (errötet leicht) Nee, du, da muss ich dich enttäuschen. Wie kommst du überhaupt da drauf?

Nina: Naja, du wirfst ihm immer wieder ziemlich auffällige Blicke zu und außerdem hängst du total viel zusammen mit ihm rum. Das ist schon leicht verdächtig.

Jenny: Gut, das stimmt. Aber er ist halt meistens bei Lars, wenn ich mich mit ihm treffe.

Sally: Schon, aber denk doch einfach mal an letzte Woche Montag. Da, als du uns gesagt hast, du würdest mit Lars nach München gehen.

Jenny: Ja, okay. Ich hätte euch vielleicht direkt die Wahrheit sagen sollen. Naja, irgendwie hab ich gedacht, ihr würdet dann wer weiß was von mir denken.

Sally: Echt? Hmm, gut, es war zwar etwas schade, aber irgendwie kann ich dich sogar verstehen.

Nina: Ich auch. Sebastian ist ja auch echt n cooler Typ.

Jenny: Genau. Außerdem ist er der beste Freund von meinem Bruder. Wisst ihr, bisher war es eigentlich immer so, dass Lars' Freunde auch meine waren und andersrum. Ich bin froh, dass das hier auch so ist. Das ist auch irgendwie total cool, da kann man dem besten Freund von seinem Bruder genauso vertrauen, wie ihm selbst. Oder soll ich lieber sagen, wie der besten Freundin?

Sally: Hmm, das klingt wirklich gut. Manchmal beneide ich dich fast um das gute Verhältnis zwischen euch beiden. Mein Bruder käme nie auf die Idee, freiwillig Zeit mit mir zu verbringen. Da hast du's echt gut getroffen.

Nina: Ich find's auch schön, dass ihr euch so gut versteht. Aber, um noch mal auf meine Frage zurückzukommen: ist da echt nichts was Sebastian angeht?

Jenny: Wie meinst du das jetzt genau?

Nina: Ich finde halt, dass Sebastian und du ... ihr würdet echt ein süßes Paar abgeben.

Sally: Stimmt, da kann ich Nina nur Recht geben.

Jenny: Meint ihr wirklich?

Sally: Ha, wusste ich's doch. Er ist dir doch nicht egal. Stimmt's oder hab ich Recht?

Jenny: (seufzt) Okay, ich geb's ja schon zu. Ich hab mich voll in Sebastian verknallt.

Sally und Nina blicken sich breit grinsend an.

Jenny: Hängt das aber nicht an die große Glocke. Okay?

Nina: Nein, natürlich nicht.

Sally: Was denkst du denn?

Jenny: Ich mein ja nur ...

Nina: Ehrlich gesagt, ich hab mich auch bis über beide Ohren verknallt. Und jetzt ratet mal, in wen.

Jenny: Bitte nicht auch in Sebastian.

Nina: (lacht) Nein, keine Sorge, Jenny. Mich hat's bei deinem Bruder erwischt.

Jenny: Du hast dich in Lars verliebt?

Nina: Ja ...

Sally: Puh, ein Glück.

Nina: Wieso? Jetzt sag nicht, du auch noch.

Sally: Doch, aber weder in Lars noch in Sebastian. Mich hat's irgendwie bei Mirco erwischt.

Jenny: Wir wieder ... nichts im Kopf außer Jungs.

 

***

Zur gleichen Zeit bei den Jungs:

Nico: Was tuscheln die drei denn da die ganze Zeit über?

Marco: Keine Ahnung.

Lars: Wir können sie ja nachher fragen.

Martin: Meinst du echt, sie verraten's uns?

Sebastian: Auf nen Versuch käm's doch drauf an, oder?

Mirco: Okay. Was haltet ihr davon, wenn wir sie uns jede einzeln vornehmen?

Lars: Klingt gut. Nur, wie willst du das anstellen?

Mirco: Spontan würde ich vorschlagen, dass jeweils zwei von uns eine von den Mädels in ein Gespräch verwickeln und wir dann durch unterschiedliches Schritttempo die Gruppen leicht auseinanderziehen.

Nico: Ist das nicht ein bisschen viel Aufwand?

Martin: Wieso? Willst du jetzt wissen, was die drei die ganze Zeit über tuscheln oder nicht?

Nico: Ja, schon irgendwie ...

Martin: Siehst du. Aber wer nimmt sich wen vor?

Mirco: Wie wär's wenn du und Sebastian Jenny in die Mangel nehmt, Lars und Marco nehmen Nina und Nico und ich Sally? Wär das okay für euch?

Die anderen nicken. Als Martin sich umdreht, fällt ihm auf, dass der Abstand zwischen ihnen und den Mädels noch größer geworden ist. Er bleibt stehen und dreht sich um.

Martin: Hey, Mädels! Wo bleibt ihr denn? Wir haben keine Lust, ewig auf euch zu warten.

Sally: Wir kommen ja schon.

Die Mädels zwinkern sich zu und schließen zu den Jungs auf. Auch die Jungs werfen sich eindeutige Blicke zu.

 

***

Nach einer Weile finden sich Nina, Sally und Jenny in den Dreiergruppen wieder, die die Jungs vorher ohne ihr Wissen ausgemacht hatten.

Nico: Du, Sally, was habt ihr eigentlich grade die ganze Zeit zu labern gehabt?

Sally: Ach, nichts besonderes.

Mirco: Sicher?

Sally: Ja, klar. Jenny hat uns ein bisschen von der Zeit erzählt, bevor sie hier aufs Internat gekommen ist.

Nico: Okay. Aber warum seid ihr denn dann immer weiter zurück geblieben?

Sally: War uns gar nicht bewusst. Wir waren selber total erstaunt, dass ihr plötzlich so weit vorne wart.

 

***

Zur gleichen Zeit bei Nina, Marco und Lars:

Marco: Na komm, Nina, jetzt sag schon.

Nina: Was soll ich euch sagen?

Lars: Na, zum Beispiel, worüber ihr vorhin geredet habt.

Nina: (lacht) Was geht euch das denn an? Und mal ganz ehrlich, was versteht ihr schon von typischem Weiberkram?

Marco: Kommt drauf an, was du damit meinst.

Nina: Aktuelle Modetrends, Schminktipps und so was.

Marco: Wie langweilig!

Nina: Siehst du. Deshalb sind wir auch ein bisschen langsamer gegangen. Wir wollten euch nicht langweilen.

Lars: Wir hätten's aber bestimmt überlebt.

 

***

Auch Martin und Sebastian versuchen, Jenny den Inhalt ihrer Unterhaltung mit Nina und Sally zu entlocken.

Martin: Warum seid ihr vorhin eigentlich so auf Distanz gegangen, Jenny?

Jenny: Ach, das war total unbewusst. Wir haben gequatscht und dabei scheinbar langsamer geworden. Oder ihr immer schneller.

Sebastian: Nee, wir sind die ganze Zeit gleich schnell gegangen. Über was habt ihr denn so gequatscht?

Jenny: Eigentlich nichts besonderes. Ein bisschen über die Schule und so.

Martin: Ja klar. Und das sollen wir dir jetzt glauben?

Jenny: Warum denn nicht?

Sebastian: Klingt halt nicht wirklich glaubwürdig.

Jenny: (seufzt) Na gut, wir haben auch teilweise etwas über Jungs geredet.

Martin: (hellhörig) Über Jungs? Ihr habt doch wohl nicht über uns gelästert?

Jenny: Nee, keine Sorge. Wir haben zwar auch über euch geredet, aber nur im positiven Sinn. (grinst) Aber mehr verrate ich euch nicht.

Sebastian: Ach komm. Bitte, Jenny.

Jenny: Nein! Und damit basta. Klar?

Sebastian: Das ist unfair. Warum willst du uns denn nicht mehr verraten?

Jenny: Weil euch das einfach nichts angeht. Bitte fragt nicht weiter. Einverstanden?

Martin: Schade ... Aber okay.

 

***

Als die Mädels im Internat wieder auf ihrem Zimmer sind, reden sie sofort wieder über die Jungs und insbesondere deren Aktion im Englischen Garten.

Nina: Boah, dass die auf so ne blöde Idee kommen mussten. Da hätte ich echt nicht mit gerechnet.

Sally: Da sagst du was. Aber irgendwie unheimlich, es schien ja fast so, als hätten sie was geahnt.

Jenny: Wie meinst du das?

Nina: Frag ich mich auch grade.

Sally: Überlegt doch mal, bei jedem von uns war derjenige bei, in den wir uns verguckt haben. Das ist doch seltsam, oder was meint ihr?

Nina: Stimmt, jetzt wo du's sagst, schon seltsam irgendwie. Haben die euch eigentlich auch darüber ausgequetscht, was wir zu reden hatten?

Sally: Ja, genau.

Jenny: Bei mir auch.

Sally: Ich hab Mirco und Nico gesagt, dass du uns von deiner alten Schule und so erzählt hast, Jenny.

Nina: Hmm, ich hab erzählt, wir hätten uns über Schminktipps unterhalten.

Jenny: Oje, da haben wir dann wohl  alle drei was anderes gesagt. Ich muss gestehen, ich hab ihnen verraten, dass wir uns über sie unterhalten haben.

Nina: Was?! Warum das?

Jenny: Keine Panik, Nina. Ich hab Sebastian und Martin doch nichts von unseren Gefühlen verraten.

Sally: Ein Glück. (lacht) Beim nächsten Mal sollten wir uns dann vielleicht besser absprechen, was wir sagen. Die Jungs unterhalten sich doch bestimmt auch jetzt noch mal darüber und dann merken die doch sofort, dass wir denen nen Bären aufgebunden haben.

Nina: Stimmt ...

 

***

In der Zwischenzeit ist den Jungs tatsächlich aufgefallen, dass die Mädels sie in gewissem Grad angelogen haben.

Marco: Was meint ihr, haben die Mädels uns angelogen?

Nico: Keine Ahnung. Ein bisschen komisch ist's schon, dass alle was anderes gesagt haben. Aber, vielleicht haben sie ja auch alle drei einen Teil der Wahrheit gesagt ...

Sebastian: Hmm, kann schon sein, ja. Aber irgendwie glaub ich das nicht so wirklich.

Martin: Okay, aber wie sollen wir das rauskriegen?

Lars: Vielleicht könnte ich noch mal mit Jenny darüber reden, so ganz im Vertrauen.

Mirco: Meinst du, das bringt was?

Lars: Versprechen kann ich euch das nicht. Aber wir haben uns vor Jahren mal gegenseitig versprochen, uns immer die Wahrheit zu sagen.

Nico: Klingt doch gut.

Martin: Find ich auch. Dann frag Jenny doch nachher nach dem Abendessen mal. Vielleicht ist sie dir gegenüber ja etwas aufgeschlossener, als vorhin bei Sebastian und mir.

Lars: Okay, mach ich. Aber macht euch bitte nicht zu große Hoffnung. Ich kann euch nicht garantieren, dass ich euch hinterher verrate, was sie mir erzählt hat.

Nico: Kein Problem. Wenn sie dich bittet, uns nichts zu verraten, dann geht das in Ordnung. Nicht, dass ihr wegen uns noch Streit habt. Das wäre echt blöd.

Sebastian: Seh ich auch so.

 

***

Vor dem Abendessen fängt Lars seine Schwester vor der Tür zur Mensa ab.

Lars: Jenny, warte mal bitte kurz.

Jenny: (erstaunt) Okay, was ist denn?

Lars: Kann ich nach dem Abendessen mit dir reden?

Jenny: Klar, warum nicht?

Lars: Super!

Jenny: (besorgt) Ist irgendwas passiert?

Lars: Nein, keine Sorge. Es ist nichts passiert.

Jenny: Puh, dann ist gut. Ich dachte schon ...

Lars: Nein, alles gut, Kleine. Ich würde nur noch mal gerne in Ruhe mit dir quatschen.

Jenny: Okay, machen wir. Nach dem Essen wieder hier?

Lars: (nickt) Einverstanden. Dann bis nachher.

Jenny: Bis gleich.

 

***

Als Jenny nach dem Essen aus der Mensa in den Gang tritt, wartet Lars bereits auf sie.

Lars: Da bist du ja.

Jenny: Sieht fast so aus. (grinst) Sollen wir nach draußen gehen? Oder was meinst du?

Lars: Wie du magst. Wir können ja auch mal gucken, ob die Sofaecke in der Eingangshalle frei ist.

Jenny: Können wir auch, ja.

Tatsächlich ist die Sofaecke noch frei und so machen sie es sich dort gemütlich.

Jenny: Okay, was wolltest du denn bequatschen?

Lars: Ich wollte dich mal was fragen.

Jenny: Okay, dann frag.

Lars: Du weißt doch sicher noch, was wir uns damals mal versprochen haben, oder? Dass wir uns gegenseitig alles sagen können und uns nie anlügen.

Jenny: Ja, weiß ich noch. Worauf willst du hinaus?

Lars: Naja, vorhin im Park ... Worüber hast du dich da mit Nina und Sally unterhalten?

Jenny: (leicht genervt) Och, Lars. das hab ich Sebastian und Martin doch schon erzählt.

Lars: Aber Nina und Sally haben was anderes gesagt.

Jenny: Na und? Muss das jetzt unbedingt was bedeuten?

Lars: Wenn ich das wüsste, würde ich dich wohl kaum danach fragen, oder Jenny?

Jenny: Hmm, okay, auch wieder wahr.

Lars: Und? Verrätst du mir jetzt, warum ihr alle drei was anderes gesagt habt?

Jenny: Ich weiß nicht ... (zögert) Okay, komm, ich sag's dir. Allerdings nur den Teil, der mich angeht. Einverstanden?

Lars: Logo. Und, ich mein, du musst mir nichts verraten. Ich will dich ja auch nicht zwingen. Weißt du, ich fänd's halt nur schön, wenn unser Versprechen hier auch gilt.

Jenny: Ich doch auch. Aber ich verrat's dir nur, wenn das unter uns bleibt und du es keinem weiter sagst.

Lars: Okay. Von mir erfährt niemand was. Außer vielleicht, wer von euch dreien näher an der Wahrheit dran war.

Jenny: Ja, okay, das geht.

Lars: Dann bin ich jetzt mal gespannt.

Jenny: Naja, im Grunde genommen haben wir uns die ganze Zeit nur über euch unterhalten.

Lars: So?

Jenny: Ja.

Lars: Und was ist jetzt das, was dabei nur dich betrifft?

Jenny: Naja, ich hab Nina und Sally da eben verraten, dass ich mich ... (schaut sich kurz im Eingansbereich um) ... nun ja, ich hab mich halt verknallt. Und das hab ich den beiden erzählt. Reicht dir das als Info?

Lars: (grinst frech) Nicht wirklich.

Jenny: Was denn noch?

Lars: Kannst du dir das nicht denken?

Jenny: Nein, nicht so wirklich.

Lars: Wer ist der Glückliche? Sagst du mir das noch?

Jenny: Damit du's dann den anderen erzählen kannst?

Lars: Quatsch! Aber, Moment mal, kenn ich denjenigen etwa? (zögert) Hast du dich in Sebastian verguckt?

Jenny: (wird rot) Nein! Wie kommst du denn da drauf?

Lars: (lacht) Na, na, na. Wer wird denn da gleich rot werden? Hm? Komm, gib's zu.

Jenny: Nein. Muss ich das jetzt noch öfter sagen? Sebastian ist einfach nur ein guter Kumpel.

Lars: Schade ... Hätte mich gefreut, wenn er's gewesen wäre. Ihr würdet echt gut zusammen passen. Aber wenn's nun mal nicht so ist, dann kann ich wohl auch nichts dran ändern ... Wirklich schade ...

Jenny: Mensch, Lars! Jetzt fang du nicht auch noch so an wie Nina und Sally vorhin ...

Lars: Ach ja? (grinst breit) Jetzt hast du dich verraten.

Jenny: Oh, hmm ...

Lars: Nicht weiter tragisch. Ich gönn's dir. Und ... wenn du irgendwas über Sebastian wissen willst, frag ruhig.

Jenny: Nee, ich krieg das schon selber raus.

Lars: Wie du möchtest.

Jenny: Andererseits, wenn du so fragst ... eine Sache würde mich dann doch noch interessieren.

Lars: Ja? Welche?

Jenny: Naja, ist Sebastian überhaupt noch zu haben?

Lars: Soweit ich weiß, ja.

Jenny: Ein Glück!

Lars: Noch was?

Jenny: Nee, so direkt nicht. Aber wenn mir noch was einfällt, ich weiß ja, wo ich dich finde.

Lars: Alles klar. Und, wie versprochen, werd ich den anderen nichts von unserem Gespräch grade erzählen.

Jenny: Das will ich auch hoffen! Nicht, dass mich noch einer von den anderen da drauf anspricht. Dann werd ich echt sauer! Klar?!

Lars: Ich hab's kapiert. Wenn ich mich verplapper und dich spricht einer auf unser Gespräch an, gibt's Stunk.

Jenny: Genau.

Sie brechen gleichzeitig in lautes Lachen aus.

 

***

Noch immer kichernd wollen sie sich kurz darauf auf den Weg in ihre Gemeinschaftsräume machen, als Herr Kreuzer die Eingangshalle durchquert und die beiden sieht.

Herr Kreuzer: Schön euch wieder lachen zu hören.

Lars: Manchmal geht's nicht anders.

Jenny: Genau. Außerdem haben wir gerade wieder festgestellt, wie ähnlich wir uns doch sind.

Herr Kreuzer: So, so. Könntet ihr bitte mal kurz mit in mein Büro kommen?

Jenny: (überrascht) Wieso denn das? Ist's jetzt verboten, hier in der Halle zu lachen?

Herr Kreuzer: Nein, natürlich nicht. Aber wo ich euch jetzt gerade beide erwische, würde ich die Gelegenheit gerne nutzen, euch direkt etwas mitzuteilen.

Lars schaut fragend zu Jenny.

Jenny: Okay ...

Lars: (seufzt) Bleibt uns wohl nichts anderes übrig.

Herr Kreuzer: (lacht) So schlimm ist es nicht, keine Sorge. Es geht um etwas Organisatorisches.

Lars: Na dann ...

 

***

Im Büro von Herrn Kreuzer angekommen, holt ihr Lehrer drei Gläser und eine Flasche Cola bevor er sich zu Lars und Jenny an den Schreibtisch setzt.

Herr Kreuzer: Ihr habt doch sicherlich nichts gegen ein Glas Cola, oder?

Jenny: Wenn Sie so fragen, nein, nicht wirklich.

Lars: Ich auch nicht.

Mit einem geheimnisvollen Lächeln auf den Lippen schüttet Herr Kreuzer Cola in die Gläser.

Jenny: (ungeduldig) Warum sollten wir denn jetzt eigentlich mit zu Ihnen kommen?

Herr Kreuzer: Während ihr heute in der Stadt gewesen seid, hat euer Vater angerufen.

Lars: Wieso das?

Herr Kreuzer: Er sagte, er würde nach München versetzt werden von der Arbeit.

Lars: Achso, ja, da hat er uns diese Woche schon am Telefon was von gesagt.

Herr Kreuzer: Okay, mag sein. Aber der Hauptgrund, warum er angerufen hat, war auch ein anderer.

Jenny: Welcher denn?

Herr Kreuzer: Er möchte sich morgen ein Haus ansehen und hat gefragt, ob ihr mitkommen dürft.

Lars: Und? Dürfen wir?

Herr Kreuzer: Natürlich. Ich hab mir auch schon erlaubt, eurem Vater gegenüber zuzusagen.

Jenny: Danke. Immerhin wollen wir ja auch wissen, wo wir eventuell demnächst wohnen.

Lars: Stimmt!

Herr Kreuzer: Das habe ich mir auch gedacht. Morgen früh gegen zehn Uhr holt euer Vater euch ab. Jetzt ist es nur so, dass bei einem Umzug eures Vaters nach München einige Fragen aufkommen. Wollt ihr weiter hier bleiben?

Jenny: Auf jeden Fall!

Herr Kreuzer: Das freut mich zu hören. Wollt ihr denn auch weiterhin hier wohnen? Oder dann als Externe herkommen? Da ließe sich bestimmt eine Regelung finden.

Lars: Eigentlich würden wir gerne weiter hier wohnen. Und Paps hat da garantiert auch nichts gegen. Er hat durch seine Arbeit ja relativ unregelmäßige Arbeitszeiten. Selbst wenn er eigentlich dienstfrei hat ...

Herr Kreuzer: Okay. Und wie stellt ihr euch das mit den Wochenenden vor?

Jenny: Das würden wir genau so halten, wie die anderen, die ihre Eltern in der Nähe haben. Vielleicht, dass wir mal über Nacht nach Hause fahren, wenn ein langes Wochenende ist. Aber ansonsten können wir uns ja auch mal in der Woche oder so mit Paps in der Stadt treffen.

Herr Kreuzer: Schön, dann wäre das Wichtigste ja schon geklärt. Mich würde nur doch mal noch interessieren, warum ihr dann nicht lieber in eine normale Schule gehen wollt. Da hättet ihr doch viel mehr Freiraum und stündet nicht den ganzen Tag über unter Aufsicht.

Lars: Ich fühl mich hier einfach viel wohler.

Jenny: Ich auch ... und ... (wirft Lars einen Seitenblick zu) ich hab mir vorgenommen, nie wieder auf eine normale Schule zu gehen.

Lars: Können wir dann jetzt gehen?

Herr Kreuzer: Ja, könnt ihr. Kommt aber bitte, bevor ihr morgen mit eurem Vater losfahrt, noch kurz zum Abmelden bei Herrn Stein oder mir vorbei.

Lars: Machen wir. (steht auf) Kommst du, Jenny?

Jenny: Ja, ja, kein Stress.

Herr Kreuzer: Dann haut mal ab.

 

***

Draußen auf dem Gang fallen Jenny und Lars sich sofort freudestrahlend in die Arme.

Jenny: Meinst du, wir schauen uns die andere Haushälfte von Sebastians Eltern an?

Lars: Könnte sein. Wobei, ob das wirklich so ne gute Idee ist ... Ich weiß nicht recht.

Jenny: Hä? Wieso das denn jetzt?

Lars: Naja, was wenn Sebastian nicht in dich verknallt ist? Oder wenn ihr zusammenkommt und euch dann - aus welchem Grund auch immer - wieder trennt.

Jenny: Ach, wird schon alles schief gehen.

Lars: Auch wieder wahr. Okay, gehen wir noch was in die Gemeinschaftsräume?

Jenny: Würd ich sagen, ja. Wobei, Mist, warum hab ich den Kreuzer nicht grade direkt gefragt?

Lars: Was wolltest du ihn denn noch fragen?

Jenny: Was wegen Mathe ...

Lars: Dann geh doch noch mal rein. Wenn er keine Zeit hat, wird er's schon sagen.

Jenny: Stimmt. Dann mach ich das mal noch.

Lars: Okay. Sollen wir uns morgen um neun in der Mensa zum Frühstück treffen?

Jenny: Klingt gut, einverstanden.

Lars: Alles klar. Dann bis morgen früh, Kleine. Schlaf später gut und träum schön.

Jenny: Danke, du auch.

 

***

Während Lars von dannen zieht, dreht Jenny um und klopft an die Bürotür ihres Mathelehrers.

Herr Kreuzer: Herein!

Jenny betritt den Raum.

Herr Kreuzer: (überrascht) Du? Hast du etwas vergessen?

Jenny: Nein ... wobei, doch, eigentlich schon.

Herr Kreuzer: Okay, was denn?

Jenny: Naja, ich dachte eigentlich, ich hätte gestern alles kapiert, was Sie mir erklärt haben ... aber irgendwie hat's doch nicht so richtig klick gemacht.

Herr Kreuzer: Setz dich doch erstmal wieder.

Jenny: Danke. (setzt sich) Aber ... ich will Sie nicht stören.

Herr Kreuzer: Keine Sorge, wenn das der Fall wäre, hätte ich dir schon gesagt, dass es gerade nicht passt.

Jenny: Okay, gut.

Herr Kreuzer: Was hast du denn nicht verstanden?

Jenny: Das mit der quadratischen Ergänzung. Sobald ich da versuche, ne Aufgabe zu lösen, steh ich plötzlich voll auf dem Schlauch und kapier nichts mehr.

Herr Kreuzer: (lächelt) Dann wollen wir doch mal sehen, dass wir den Schlauch aus dem Weg geschafft bekommen.

Jenny: Das wäre super ...

Herr Kreuzer erklärt Jenny die Sachverhalte noch mal an einer Beispielaufgabe und so langsam dämmert es Jenny, wie sie die Aufgaben angehen muss.

Jenny: Okay, ich glaube, jetzt kommt's so langsam.

Herr Kreuzer: Super. Dienstag legen wir den Schwerpunkt erstmal wieder aufs Aufholen, aber vielleicht dann auch noch eine Viertelstunde für das aktuelle Thema. Damit du beides parallel schaffst.

Jenny: Alles klar. Danke.

Herr Kreuzer: Da nicht für.

Jenny: Trotzdem.

Herr Kreuzer: Okay, wie du meinst. Darf ich dir auch mal eine Frage stellen?

Jenny: Ja, klar.

Herr Kreuzer: Du hast doch vorhin, als Lars mit hier war, gesagt, dass du dir vorgenommen hast, nicht mehr auf eine normale Schule zu gehen.

Jenny: Ja, habe ich.

Herr Kreuzer: Gibt es dafür einen bestimmten Grund? Du meintest ja letztens, dass für deinen Wechsel hier her mehrere Gründe vorlagen.

Jenny: Hmm, ja, das hängt alles zusammen. Nur ... ich weiß nicht, ob ich darüber reden kann.

Herr Kreuzer: Ist es so schlimm?

Jenny: Jetzt, wo ich hier bin und nicht mehr auf meine alte Schule gehe, geht's einigermaßen.

Herr Kreuzer: Also möchtest du im Moment noch nicht darüber reden?

Jenny: Ich weiß es nicht, ehrlich. Es ist alles nicht so einfach und ... ich habe absolut keine Ahnung, ob ich die richtigen Worte finde. Nur muss ich sicher irgendwann doch mal mit jemandem drüber reden ... Lars hat Recht, ich muss mich jemandem anvertrauen, sonst geh ich irgendwann selbst daran kaputt.

Herr Kreuzer: (schaut Jenny ernst an) Das hört sich aber überhaupt nicht mehr harmlos an.

Jenny: Ist es auch nicht ... zumindest nicht für mich. Nur, irgendwie hab ich Angst davor, mit jemandem zu reden. Weiß ich, ob derjenige mich dann auslacht oder die ganze Sache hinterher an die große Glocke hängt?

Herr Kreuzer: (nickt) Ich verstehe ...

Überrascht erwidert Jenny den verständnisvollen Blick ihres Mathelehrers.

Jenny: Sie verstehen mich?

Herr Kreuzer: Ja, ich verstehe dich sogar sehr gut. So ein Unmensch, dass ich nicht ab und an mal Verständnis zeige bin ich doch nun auch nicht, oder?

Jenny: (lacht) Nein, stimmt. Sorry. Ich wollte Sie da jetzt nicht irgendwie beleidigen oder so.

Herr Kreuzer: Schon okay. Du meinst also, du hast Angst mit jemandem über das zu reden, was dich bedrückt?

Jenny: Ja, so könnte man es sagen.

Herr Kreuzer: Das ist aber nicht gut. Ich mache dir ein Angebot, Jenny. Wenn du mit mir darüber reden möchtest, dann kannst du das gerne machen. Und du brauchst dir auch keine Sorgen zu machen, dass ich damit hausieren gehe oder dich wegen irgendetwas verurteile.

Jenny: (zögert einen Moment) Okay ... Aber Sie müssen mir versprechen, dass sie niemandem etwas sagen.

Herr Kreuzer: Bis zu einem gewissen Punkt kann ich dir das auf jeden Fall versprechen.

Jenny: Und was wäre das für ein Punkt?

Herr Kreuzer: Wenn es moralisch und gesetzlich nicht vertretbar ist, dann muss ich das sagen.

Jenny: Moralisch und gesetzlich nicht vertretbar?

Herr Kreuzer: Ja. Mal als Beispiel: Nehmen wir an, du hättest schon einen Führerschein. Dann passiert ein Unfall, in den du verwickelt bist, aber du haust einfach ab, obwohl du eigentlich helfen müsstest.

Jenny: Ah, okay, verstehe.

Herr Kreuzer: Ich möchte dich jetzt auch nicht bedrängen, nicht falsch verstehen. Aber manchmal hilft es wirklich, mit jemandem zu reden.

Jenny: Wahrscheinlich haben Sie Recht ... Es ist halt nicht so einfach und ehrlich gesagt, ich weiß gar nicht so genau, wo ich anfangen soll.

Herr Kreuzer: Lass dir ruhig Zeit.

Jenny: Danke. Falls irgendwie zwischendurch was unklar ist, dann, naja, fragen Sie ruhig.

Herr Kreuzer: Mache ich. Und solltest du zwischendurch nicht mehr können, dann hörst du einfach auf oder machst eine Pause. Okay?

Jenny: Okay. (atmet durch) Eigentlich fing alles direkt nach den Sommerferien an. Ein paar meiner Freunde hatten auf die Realschule gewechselt und irgendwie war ich plötzlich alleine. Oder hab mich zumindest allein gefühlt. Ich bin mit den Lehrern nicht mehr richtig klar gekommen und ... irgendwie ging alles den Bach runter ...

Herr Kreuzer: Das war natürlich eine blöde Kombination.

Jenny: Ja, schon ... Aber das wäre alles noch irgendwie auszuhalten gewesen. Nur, dann kam der Tag, der mich endgültig aus der Bahn geworfen hat.

Jenny spürt wie ihr Tränen in die Augen steigen und sie macht eine kurze Pause.

Jenny: Sorry.

Herr Kreuzer: Kein Problem. Wie gesagt, lass dir Zeit.

Jenny: Geht schon ... danke ... Also, an diesem Tag hatte ich acht Stunden und ich bin anschließend wie üblich zum Busparkplatz gegangen. Dort war relativ wenig los und ich hatte mich auf ein entspanntes Warten eingestellt.

Da hab ich mich dann auf einen von den dickeren Steinen, die den Busparkplatz von dem regulären Parkplatz abgrenzen, gesetzt. Die Sonne schien und es war richtig schön warm. Ich hab einen Moment die Augen zugemacht ... und dann ... dann standen sie plötzlich vor mir ...

Herr Kreuzer: Geht es noch? Oder möchtest du mal einen Schluck trinken?

Jenny: (lächelt leicht) Gerne.

Herr Kreuzer schüttet Jenny ein Glas Wasser aus.

Jenny: (trinkt einen Schluck) Danke.

Herr Kreuzer: Kein Problem.

Jenny: Naja, also, die drei Typen standen also plötzlich vor mir. Sie wollten Kippen haben. Ich hatte natürlich keine, weil ich nun mal nicht rauche. Das wollten sie mir aber nicht glauben und einer von den dreien hat behauptet, mich nen Tag vorher mit ner Kippe gesehen zu haben. Auch die anderen beiden waren überzeugt, dass ich gelogen habe und ... dann haben sie mich festgehalten und mir meinen Rucksack abgenommen um den zu durchsuchen ...

Herr Kreuzer: Okay, das ist nicht die feine englische Art. (sucht Jenny's Blick) Aber das ist noch nicht alles, oder?

Jenny: (schüttelt leicht den Kopf) Nein. Wenn's nur das gewesen wäre, da könnte ich ja vielleicht sogar drüber lachen. (schluckt)

Das, was danach kam ... wenn ich da jetzt drüber nachdenke, kommt es mir vor wie ein schlechter Film ...

Herr Kreuzer: Das klingt beunruhigend.

Jenny: Also ... sie hatten meinen Rucksack vergeblich durchsucht. Und dann ... dann kam einer von den dreien auf die Idee ... mich zu durchsuchen ...

Herr Kreuzer: Dich?

Jenny: Ja. Die anderen beiden haben mich weiter festgehalten, es fühlte sich an wie Schraubstöcke ... und der dritte hat angefangen, mich zu filzen. Zuerst nur in den Hosentaschen, aber dann ging es weiter ... seine Hände, sie waren plötzlich überall ...

Herr Kreuzer: Hat denn sonst niemand etwas gemerkt?

Jenny: Ich weiß es nicht. Es hat zumindet keiner versucht, mir zu helfen. Nur einer der Lehrer, der auf dem Weg zum Auto war, hat gefragt, ob alles okay ist.

Herr Kreuzer: Und du hast die Chance nicht genutzt?

Jenny: (lacht) Hätte ich ja gerne ... Aber als der auf uns zukam, da hat der, der mich ... betatscht ... hat, gemeint, dass ich seine Freundin wäre. Die anderen beiden haben auch sofort ihre Finger von meinen Armen genommen und sich etwas zurückgenommen. Allerdings nicht, ohne mir vorher mit zischender Stimme und einem Messer zu drohen, mich abzustechen, wenn ich auch nur einen Mucks mache.

Herr Kreuzer: Wie bitte? Das meinst du jetzt aber nicht ernst, oder etwa doch?

Jenny: Doch, todernst ... Leider ... Es war so schrecklich! Und dann ist mir auch noch mein Bus vor der Nase weg gefahren. Den dreien schien das gut in die Karten zu spielen. Sie ... haben mich auf ne Cola eingeladen. Ich wollte nicht, wirklich, aber ... der Ton duldete einfach keinen Widerspruch, also bin ich notgedrungen mit.

Herr Kreuzer: Haben deine Eltern dich denn nicht vermisst als du nicht nach Hause kamst?

Jenny: Oh doch. Sie haben mehrmals versucht, mich auf dem Handy zu erreichen. Als ich abends nach Hause kam, gab's auch ne ordentliche Standpauke ...

Herr Kreuzer: Du hast also auch deinen Eltern bisher noch nichts gesagt?

Jenny: Nein. Ich wusste einfach nicht, wie ... und jetzt ... jetzt ist es eh zu spät ...

Herr Kreuzer: Zu spät ist es nie, Jenny.

Jenny: Doch ... jetzt ist Mutti tot.

Herr Kreuzer: Aber doch nicht, weil du nicht mit deinen Eltern geredet hast.

Jenny: Ich werd einfach das Gefühl nicht los, dass, wenn ich meinen Eltern sofort von dem Vorfall erzählt hätte, alles noch so wäre wie früher.

Herr Kreuzer: Meinst du?

Jenny: Ja. Wenn ich ihnen davon erzählt hätte, dann ... hätten wir entweder das zuhause geklärt ... oder ich hätte vielleicht schon eher den Mut gehabt, zu fragen, ob ich hier aufs Internat darf.

Herr Kreuzer: Du darfst dich da aber jetzt nicht auf den Gedanken versteifen.

Jenny: (seufzt leise) Das sagen Lars und Sebastian auch schon die ganze Zeit.

Herr Kreuzer: Mit den beiden hast du also geredet?

Jenny: Naja, nicht über die Sache an der Bushaltestelle, sondern nur ... nur über die Vorwürfe.

Herr Kreuzer: Aber es ist zumindest ein erster Schritt in die richtige Richtung.

Jenny: Ja, vielleicht ...

Herr Kreuzer: Ganz bestimmt. Ich würde dir ja gerne helfen, aber im Moment kann ich dir nur raten, die Selbstvorwürfe zu vergessen und ganz bald mit deinem Vater und deinem Bruder zu reden.

Jenny: Es hat mir schon sehr geholfen, dass Sie mir zugehört haben. Danke!

Herr Kreuzer: Das war doch selbstverständlich! Ich glaube, an deiner Stelle würde ich mir auch überlegen, ob du vielleicht Anzeige gegen die drei erstattest.

Jenny: Hmm, ja. Vielleicht trau ich mich das ja wirklich. Nur, bisher hatte ich immer Angst, dass die dahinter kommen und alles nur noch schlimmer wird. Und irgendwie ist diese Angst auch immer noch da. Verstehen Sie?

Herr Kreuzer: Ja, ich glaube schon.

Jenny: Danke noch mal für alles.

Herr Kreuzer: Gerne. Und wenn noch irgendetwas sein sollte und du reden möchtest, du weißt, wo du mich findest.

Jenny: (nickt) Ja, weiß ich. Dann ... ähm, geh ich jetzt mal noch ein bisschen zu den anderen.

Herr Kreuzer: Alles klar, mach das. Wir sehen uns dann morgen früh ja noch.

Jenny: Ja, wir kommen noch kurz vorbei bevor wir abhauen. Bis morgen.

 

***

Als Jenny kurz darauf in den Gemeinschaftsraum ihrer Klasse kommt, wird sie umgehend von Nina und Sally in Beschlag genommen, die sie zur Seite ziehen.

Nina: Mensch, Jenny, da bist du ja endlich. Hat er dir den Kopf dran gelassen?

Jenny: Sieht so aus. (lacht) Nee, war okay, er hat mir alles noch mal in Ruhe erklärt.

Sally: Wie? Was hat Lars dir erklärt?

Jenny: Ach, ihr redet von Lars, klar. Ich dachte grad, ihr meint den Kreuzer.

Sally: Den Kreuzer? Nee, du, lass mal. Von dem haben wir die Schnauze voll. (grinst) Was Nina meinte, war, ob Lars dich sehr ausgequetscht hat.

Jenny: Hmm, kann man so sagen. Lars war schon irgendwie ganz schön neugierig.

Nina: Oje ... hast du ihm was gesagt?

Jenny schaut sich kurz iim Gemeinschaftsraum um, ob keiner von den anderen mithört.

Jenny: Nur, dass wir über die Jungs geredet haben ... und auch, dass ich mich in Sebastian verknallt hab.

Sally: Das hast du ihm echt gesagt?

Jenny: Ja, aber nur nachdem er mir versprochen hat, niemandem davon zu erzählen.

Nina: Aber nicht, dass von Sally und mir, oder?

Jenny: Quatsch! Was denkt ihr denn? Ich plapper zwar schon mal schneller als ich denke, aber so doof bin ich dann auch wieder nicht.

Sally: Das beruhigt mich jetzt echt.

Nina: Und mich erst! Wenn ich mir vorstelle, du hättest Lars gesagt, dass ich mich in ihn verknallt habe ... Oh mein Gott! Das wär echt peinlich gewesen ...

Sally: Aber dann wär's jetzt auch zu spät.

Nina: Stimmt, auch wieder wahr.

Jenny: Ihr habt jetzt aber nicht ernsthaft die ganze Zeit gedacht, ich hätte Lars von euren Gefühlen erzählt, oder?

Sally: Naja, irgendwie schon. Ich mein, keine Ahnung, wie viel du Lars anvertraust und so ... Aber wenn du sagst, du hast nichts verraten, wird das schon stimmen, oder?

Jenny: Na klar! Außerdem, ich hab nicht im Entferntesten daran gedacht, ihm auch nur ein Sterbenswörtchen davon zu sagen. Ehrlich nicht!

Nina: Okay, gut. (grinst) Aber, warum warst du jetzt noch beim Kreuzer? Wegen Mathe? Oder war irgendwas?

Jenny: Lars und ich wollten grade in die Gemeinschaftsräume gehen, da hat er uns abgefangen. Paps hat heute, als wir in München waren, angerufen. Er guckt sich morgen die freie Haushälfte von Sebastians Eltern an und wollte wissen, ob wir mitkommen.

Nina: Ist ja super! Aber ... ihr bleibt doch weiterhin hier auf der Schule, oder?

Jenny: Auf jeden Fall! Wir bleiben euch voll erhalten, so wie jetzt auch. Vielleicht, dass wir mal für ein verlängertes Wochenende nach Hause fahren oder uns mit Paps in der Stadt treffen, aber ansonsten bleibt alles beim Alten.

Sally: Ihr wollt echt dann hier bleiben, wo ihr den ganzen Tag unter Kontrolle steht?

Jenny: Ja, wollen wir. Uns gefällt's hier einfach und Paps hat ja auch nicht allzu zuverlässige Arbeitszeiten. Früher war Mutti dann ja noch da, aber jetzt ... (seufzt) ... Ich glaub, ich geh schon mal aufs Zimmer.

Nina: Sollen wir mitkommen? Ist irgendwas?

Jenny: Nee, alles okay. Ich wollte nur Paps noch schnell nen Brief schreiben.

Sally: (erstaunt) Wieso das denn? Ich mein, wenn ihr euch doch eh morgen seht, dann kannst du's ihm doch gleich sagen. Oder nicht?

Jenny: Ist ein bisschen komplizierter. Seid mir nicht böse, ich kann da noch nicht so wirklich drüber reden. Ich glaube, da ist es leichter, wenn ich das aufschreibe.

Nina: Okay. Musst du wissen.

Jenny: Ist besser so ... Also dann, bis später.

Sally: Bis nachher.

Nina: Wir sehen uns.

Jenny verlässt den Gemeinschaftsraum. Erstaunt kommen Marco, Nico und Martin zu Sally und Nina.

Martin: Wo ist Jenny denn so schnell wieder hin?

Sally: Sie ... ist müde.

Nico: Hmm, seltsam. So müde sah sie gar nicht aus. Also, zumindest von weitem nicht. Versteh ich nicht ...

Nina: Es stimmt aber. Was ist da so dramatisch dran?

Martin: Nichts weiter. Wir haben uns halt nur gewundert, dass sie so kurz nachdem sie aufgetaucht ist schon wieder verschwindet.

Marco: Genau. Und, Moment, hatte sie sich vorhin nicht mit Lars getroffen?

Sally: Ja und? Das muss doch nicht damit zusammenhängen, dass sie jetzt müde ist.

Nico: Hmm, okay. Aber komisch ist's trotzdem.

Nina: Ihr Vater zieht nach München und morgen kommt er vorbei und sie schauen sich ne Doppelhaushälfte an. Vielleicht möchte sie da einfach ausgeschlafen sein.

Martin: Echt? Das ist doch super! Das gibt Jenny und Lars bestimmt auch neue Kraft.

Sally: Könnte gut sein, ja.

Nico: Bleiben die beiden denn hier?

Nina: So wie Jenny vorhin sagte, ja.

Marco: Das freut mich für die beiden.

 

***

Währenddessen sitzt Jenny mit Stift und Papier bewaffnet an dem Schreibtisch in ihrem Zimmer und sucht nach den richtigen Worten. Nach mehreren vergeblichen Versuchen, ist sie am Ende doch mit dem Ergebnis einigermaßen zufrieden.

 

Hallo Paps,

sicherlich wunderst du dich, dass ich dir einen Brief ins Auto gelegt habe, aber ich wusste nicht, wie ich es anders "anstellen" sollte, ohne, dass du direkt nach dem Grund fragst. Du hättest mir garantiert einige Fragen gestellt und ich weiß nicht, ob ich die so einfach hätte beantworten können. Selbst das Schreiben ist nicht wirklich einfach ...

Vielleicht hätte ich Mutti und dir damals sofort alles erzählen sollen, direkt nachdem es passiert war, aber ich konnte einfach nicht. Irgendwie hab ich mich nicht getraut, euch was davon zu sagen. Es ist nicht so, dass ich euch nicht vertraut habe, aber ich hab's einfach nicht geschafft, darüber zu reden. Weißt du, Paps, ich wollte doch immer, dass ihr stolz auf mich seid. Aber an dem Tag wärt ihr es sicher nicht gewesen ...

Heute habe ich es endlich geschafft, darüber zu reden. Es hat sich einfach vorhin ergeben, nachdem Herr Kreuzer uns von deinem Anruf wegen der Haushälfte erzählt hat. Naja, er meinte danach, dass ich auf jeden Fall mit dir reden sollte, vielleicht hast du ja eine Idee, was wir machen können. Da ich aber nicht weiß, ob ich noch mal die richtigen Worte finde, um es zu erzählen, habe ich mich entschlossen, dir alles in einem Brief zu erklären. Ob das der richtige Weg ist, weiß ich nicht, aber es ist leichter.

Bitte denk jetzt aber nicht, dass ich euch nichts davon sagen wollte, es war einfach nicht der richtige Zeitpunkt. Ich mach mir solche Vorwürfe, dass ich euch nicht gleich gesagt habe, was los war ... vielleicht würde Mutti dann noch leben ... Wenn ich euch von Anfang an gesagt hätte, warum ich auch aufs Internat wollte, dann hätten wir das vielleicht alles anders angehen können, der Unfall wäre nie passiert und Mutti wäre noch bei uns ...

So wie du jetzt beim Telefonieren gesagt hast, hattet ihr beide ja schon länger den Verdacht, dass mich etwas bedrückt und ich nicht mehr wirklich ich selbst war ...

Aber, bevor du jetzt denkst, dass ich mich nicht getraut habe, euch zu fragen, ob ich wie Lars ins Internat gehen kann - so war es nicht! Es war ganz anders ...

Erinnerst du dich noch an den Tag, als ich erst abends nach Hause gekommen bin, ohne euch irgendwie Bescheid zu sagen? Der Tag, an dem ich euch gesagt habe, ich wäre von der Schule aus mit zu Sarah gegangen und hätte total die Zeit vergessen? Das stimmte alles nicht ... Der Tag war einer der schrecklichsten, die ich bis dahin erlebt hatte.

Nach der achten Stunde haben mich drei Typen am Busparkplatz angesprochen, ob ich ne Kippe für sie hätte. Natürlich hatte ich keine, aber sie wollten mir nicht glauben. - Paps, ich schwöre, ich hab noch nie geraucht!

Zwei von den dreien haben mich festgehalten, so richtige Schraubzwingengriffe (vielleicht erinnerst du dich noch, dass ich mehrere Tage trotz Bullenhitze mit relativ langen Shirts rumgelaufen bin?), und der dritte Typ hat zuerst meinen Rucksack durchwühlt und danach angefangen, mich zu durchsuchen. Seine Hände waren überall, in meinen Hosentaschen, in der Hose, unter meinem Shirt - es war einfach schrecklich! Ich kam mir so dreckig, so benutzt vor ... und gleichzeitig hilflos. Verstehst du?

Irgendwann - mir kam's vor wie eine Ewigkeit - kam ein Lehrer in Richtung Parkplatz und dann auch auf uns zu. Als die drei den bemerkt haben, hat einer mir mit einem Taschenmesser gedroht, dass er zustechen würde, wenn ich auch nur ein Wort sage. Naja, der Lehrer kam auf uns zu und hat gefragt, ob alles in Ordnung wäre und die drei haben genickt. Der, der mich vorher so betatscht hat, meinte dann noch ganz cool, ich wäre seine Freundin. Für den Lehrer war die Sache dadurch klar und er ist abgezogen. Mein Bus war dummerweise mittlerweile auch weg.

Ich wollte Mutti anrufen und sie fragen, ob sie mich abholt, aber ich hatte keine Chance. Die Typen haben darauf bestanden, dass ich noch mit ihnen ne Cola trinken geh. Ich hatte echt keine Lust, aber die haben mir einfach keine Wahl gelassen ...

Ich hoffe, du verstehst, dass ich euch nichts gesagt habe und bist nicht sauer, dass ich zuerst mit Herrn Kreuzer gesprochen habe. Ehrlich gesagt, ich weiß selber nicht mehr, warum ich euch nichts davon gesagt habe. Außer, dass ich tierische Angst hatte, dass die drei was davon erfahren und mich dann noch mehr bedrohen. Die Ereignisse an dem Tag waren auch die, die den Hauptaspekt ausgemacht haben, warum ich so schnell wie möglich von der alten Schule weg wollte.

Bitte sei mir nicht böse!

Jenny

 

Nachdem Jenny den Brief in einem Umschlag in ihren Rucksack gepackt hat, schreibt sie noch ein kurzes Gedicht.

Sie ist gerade damit fertig, als die Türe aufgeht und Nina und Sally rein kommen.

Sally: Hey, Jenny. Hast du den Brief fertig bekommen?

Jenny: Ja, und noch ein kleines Gedicht.

Nina: Echt? Zeig doch mal!

Leicht zögernd reicht Jenny den beiden den Zettel mit dem Gedicht. Anschließend:

Nina: Das musst du Sebastian geben!

Jenny: Was? Spinnst du? Ich mach mich doch damit nicht vor ihm zum Affen!

Sally: Dann schreib doch einfach deinen Namen nicht drunter und steck's ihm heimlich zu. Dann hat er keine Ahnung, von wem es ist. Und wenn's ihm gefällt, kannst du ja dann noch sagen, dass es von dir ist.

Jenny: Meint ihr wirklich?

Nina: Klar, mach das. Aber weißt du was? Du nimmst das Gedicht einfach morgen mit und zeigst es Lars. Dann kannst du ihn ja fragen, ob er's genauso sieht wie wir.

Jenny: Ja, okay, überredet. Ich zeig's Lars morgen. Aber wenn ich mich blamiere ...

Sally: Dann sagen wir zur Not einfach, dass es nur eine Art Mutprobe war. Okay?

Nina: Das ist die Idee!

Jenny: (seufzt) Okay, einverstanden.

Nina: Wann holt euer Vater euch denn ab?

Jenny: So um zehn Uhr. Aber ich treff mich gegen neun schon mit Lars zum Frühstück.

Sally: Dann, wenn wir uns vorher nicht sehen sollten, viel Spaß morgen!

Jenny: Danke!

Sie machen sich fertig für die Nacht und als Herr Kreuzer die letzte Runde dreht, liegen sie bereits friedlich schlummernd in ihren Betten.

Ein neuer Anfang

Als Jenny am Samstagmorgen die Mensa betritt, sitzt Lars zusammen mit Sebastian an einem der Tische.

Jenny: Morgen, Jungs.

Lars: Morgen, Kleine.

Sebastian: Hi, Jenny. Ausgeschlafen?

Jenny: Es geht. (lacht) Aber wie kommt's, dass du schon so früh auf bist?

Sebastian: Lars hatte gestern die Idee, dass ich doch mit euch kommen könnte. Und wer weiß, vielleicht kann ich zur Not helfen, meine Eltern zu überreden.

Lars: Oder hast du da was gegen?

Jenny: Nö, warum sollte ich?

Lars: Man weiß ja nie. (grinst) Aber wirklich erwartet hätte ich es auch nicht ...

Jenny: Ja, ja, schon gut.

 

***

Um kurz vor zehn gehen die drei zu Herrn Kreuzer um sich für den Tag abzumelden.

Lars: Guten Morgen, Herr Kreuzer.

Herr Kreuzer: Morgen. Nanu, zu dritt?

Sebastian: Ja. Wenn es in Ordnung ist, würde ich gerne mit den beiden mitfahren.

Herr Kreuzer: Meinst du nicht, das ist eher eine Sache, die nur Jenny, Lars und deren Vater etwas angeht?

Jenny: Ach, das ist schon okay, wenn Sebastian mitkommt. Wir vermuten, dass es sich bei dem Haus, das wir uns gleich angucken, um die freie Doppelhaushälfte von Sebastians Eltern handelt.

Sebastian: Und daher würde ich mich den beiden wirklich gerne anschließen. Aber, wenn es nicht geht ...

Herr Kreuzer: (lächelt) Nun gut, dann will ich dem mal nicht im Wege stehen.

Lars: Super, danke! Dann gehen wir mal raus, unser Vater wird sicher jeden Moment auftauchen.

Herr Kreuzer: Dann wünsche ich euch einen schönen Tag. Nur, bitte meldet euch, falls ihr es nicht bis zum Abendessen zurück schafft.

Sebastian: Alles klar, machen wir.

 

***

Wenig später warten sie draußen vor dem Eingang des Internats auf Max.

Lars: Du, Jenny, was hat der Kreuzer eigentlich gestern gesagt, als du noch mal auf der Matte standest?

Jenny: Naja, er war schon ein bisschen irritiert, aber dann hat er mir den Kram noch mal in Ruhe erklärt.

Sebastian: Kommst du denn mit der Nachhilfe klar?

Jenny: Ja, geht schon. Es wird zwar noch was dauern, bis ich mir alles eingetrichtert habe, aber wird schon werden.

Lars: Ganz bestimmt! Oh, guckt mal, da kommt Paps schon. Wie immer pünktlich auf die Minute.

Sebastian: Okay, super. Dann schauen wir mal , ob er mich einsteigen lässt ...

Jenny: Klar. Warum denn nicht?

Die drei gehen auf Max zu, der aus dem Auto steigt.

Lars: Hi, Paps!

Max: Guten Morgen, ihr drei.

Jenny: Morgen, Paps.

Sebastian: Guten Morgen, Herr Berger.

Max: (lacht) Lass mal das "Herr Berger" weg, ich bin Max. Sonst komm ich mir so alt vor.

Sebastian: Okay, gerne.

Max: Möchtest du auch mit, Sebastian?

Sebastian: Wenn das okay ist, gerne.

Max: Natürlich. Deine Eltern freuen sich bestimmt auch.

Lars: Das haben wir auch gedacht.

Jenny: Sollen wir dann starten?

Max: Dann steigt mal ein.

Jenny: Sebastian, setz du dich ruhig nach vorne. Dann kannst du Paps zur Not sagen, wo er herfahren muss.

Lars: Aber ...

Jenny: (wirft Lars einen flehenden Blick zu) Bitte, Lars. Du kennst dich doch auch nicht sooo gut aus.

Lars: (seufzt) Na gut ...

Jenny: Danke.

Sie steigen ins Auto und fahren los.

 

***

Ein paar Minuten später:

Max: Ihr seid so ruhig, ist irgendwas passiert?

Lars: Nee, wir sind einfach noch müde.

Sebastian: Stimmt genau ... Dabei war's eigentlich nicht wirklich spät gestern.

Max: Achso, na dann.

Jenny: Und wie geht's dir so?

Max: Ihr fehlt mir. Und Mutti natürlich auch. Aber ansonsten geht es mir gut.

Lars: Ist das denn echt für dich okay, wenn wir im Internat bleiben, auch wenn du jetzt hier nach München ziehst?

Max: Ja, ist es. Wenn ihr gerne auf dem Internat bleiben wollt, dann dürft ihr das auch.

Jenny: Danke, Paps.

Max: Schon okay, Jenny. Ich merke doch, dass ihr euch dort wohlfühlt.

Sebastian: Wie kommt es eigentlich, dass du ... naja ... schon wieder Auto fährst?

Max: Irgendwann hätte ich es ja eh wieder gemusst, schon alleine wegen der Arbeit. Und, ganz ehrlich, ständig auf Bahn, Taxi oder Bus angewiesen zu sein, das ist wirklich noch nichts für mich.

Sebastian: Klingt logisch, ja. Die ganze Warterei immer und auf die Dauer ist's sicherlich auch ziemlich teuer.

Max: Da hast du Recht, Sebastian. Das kommt alles noch erschwerend hinzu.

Jenny: (leise zu Lars) Du, Lars, kannst du mir nen klitzekleinen Gefallen tun?

Lars: Klar. Worum geht's?

Jenny: Nicht so laut. (gibt Lars den Zettel mit dem Gedicht) Les dir das bitte mal durch und dann sag mir ehrlich, was du davon hältst und ... (wirft einen heimlichen Blick zu Sebastian) ob ich das jemandem geben kann.

Lars: Okay, mach ich.

Er liest sich das Gedicht durch.

Lars: Das ist super! Willst du das denn später jemand bestimmten geben?

Jenny: Vielleicht. Aber mehr verrat ich nicht.

Lars: Ich kann's mir eh schon denken. Aber ich sag da jetzt mal nichts mehr zu.

Jenny: Gut. Sonst kriegt er hinterher noch was mit.

Lars: (lacht) Eben.

Max: Was tuschelt ihr zwei denn da die ganze Zeit?

Lars: Ach, nichts weiter. Nur was über die Schule.

Max: (hellhörig) Noch ein Test oder eine Arbeit geschrieben, wo ich von wissen sollte?

Lars: Nein, Paps, alles im grünen Bereich.

Jenny: Genau, alles gut.

Lars: Wie lange brauchen wir eigentlich?

Sebastian: Normalerweise ungefähr ne Dreiviertelstunde vom Internat aus. Aber je nach Verkehr kann's auch mal ne Stunde oder sogar noch länger dauern.

Jenny: Dann haben wir ja noch was vor uns.

Lars: Ach, das wird schon ... Hast du zuhause eigentlich schon alles geregelt, Paps?

Max: Ja. Je nachdem, wie es gleich läuft, kann ich innerhalb von einer Woche die Zelte komplett abreißen.

Jenny: (erstaunt) So schnell?

Max: Manches geht eben schnell.

Jenny: Und manchmal sogar schneller als man denkt.

Lars: Genau, Jenny. Und ab dem ersten November fängst du dann wieder an zu arbeiten?

Max: Vielleicht auch eher. Peter meinte, er könne eventuell was für mich tun, dass ich sofort anfangen kann. Zwar zuerst dann nur auf Aushilfsbasis, aber ich denke, je eher ich wieder einen normalen Alltag habe, desto besser.

Jenny: Da könntest du Recht haben. Bist du mit Sebastians Eltern schon direkt per du?

Max: Eigentlich von Anfang an, ja.

Sebastian: (lacht) Das ist echt typisch für meine Eltern. Lars, weißt du noch, als du damals das erste Mal mit bei uns gewesen bist?

Lars: Ja, stimmt. (grinst) Ich war noch nicht mal zur Haustür rein, da hatten sie mir schon das Du angeboten.

Jenny: Naja, Paps ist da ja auch nicht anders.

Max: Was soll das jetzt heißen?

Jenny: Nichts, Paps. Zumindest, solange du das nicht auch irgendwelchen Verbrechern anbietest.

Max: Keine Sorge, so weit ist es noch nicht gekommen.

Jenny: Ein Glück!

 

***

Ungefähr eine halbe Stunde später biegen sie von der Hauptstraße in eine Nebenstraße ab.

Sebastian: Jetzt nur der Straße folgen, am Ende rechts und danach sind's noch ungefähr 500 Meter bis zum Haus.

Lars: Super, dann haben wir's ja bald geschafft.

Max: Hört sich fast so an, ja.

Jenny: Bin echt mal gespannt.

Sebastian: Wird schon alles schief gehen, Jenny.

Jenny: Hoffentlich nicht.

Max: Du siehst doch sonst nicht so schwarz.

Jenny: Hmm, kann sein.

Sebastian: Ich denke, wenn euch die Haushälfte gefällt, dann habt ihr sie schon sicher.

Max: So ungefähr klang es auch am Telefon.

Sebastian: (lacht) Hab ich doch gleich gesagt. Aber ihr wolltet mir ja nicht glauben.

Jenny: Ja, schon gut ...

 

***

Am Haus werden sie bereits von Karin und Peter erwartet.

Karin: Da seid ihr ja!

Peter: Herzlich willkommen!

Max: Danke, dass es so kurzfristig geklappt hat.

Karin: Das war doch selbstverständlich.

Peter: Lars, schön dich noch mal zu sehen. Und du bist dann wohl Jenny?

Lars: Ich freu mich auch.

Jenny: Ja, genau, ich bin Jenny.

Karin: Wollt ihr euch erstmal umschauen? Peter und Sebastian könnten euch alles zeigen.

Sebastian: (erstaunt) Und was machst du?

Karin: Ich kümmer mich ums Mittagessen. Ihr bleibt doch sicher zum Essen, oder?

Sebastian: (leicht genervt) Mama ...

Peter: Was denn? Habt ihr noch was vor heute? Oder müsst ihr zum Mittagessen schon wieder im Internat sein?

Jenny: Nee, wir haben heute Freigang. Rein theoretisch müssen wir nicht mal zum Abendessen zurück sein, nur sollen wir dann kurz anrufen.

Karin: Dann ist ja alles klar. Ich verschwinde mal in der Küche. Bis später!

 

***

Nachdem sie sich die Haushälfte angesehen haben:

Peter: Komm, Sebastian, wir lassen die drei mal einen Augenblick alleine. Vielleicht können wir Mama in der Küche noch was unter die Arme greifen.

Sebastian: Ja, okay, machen wir.

Peter: Schaut euch ruhig noch mal alles in Ruhe an und kommt danach einfach rüber.

Max: Danke, Peter. Bis nachher.

Peter: Bis gleich!

Sebastian und sein Vater gehen zu Karin, während Max, Jenny und Lars sich noch einmal in aller Ruhe alles ansehen.

Lars: Ganz ehrlich? Ich find's genial!

Jenny: Ja, hast Recht, Lars. Alleine schon die Lage ... total ruhig, aber trotzdem nicht sooo weit weg von München und dann der Wald direkt am Grundstücksende.

Max: Ich merk schon, euch gefällt's genauso gut wie mir.

Lars: Das ist doch super! Nur ... können wir uns das überhaupt leisten? Ich mein, jetzt wo nur noch von dir Geld reinkommt, Paps?

Max: Mach dir da keine Sorgen, Lars. Für die Lage, die Ausstattung und auch in Anbetracht des Gesamtzustands, ist der Preis wirklich gut. Ich glaube kaum, dass wir etwas Ähnliches hier in der Nähe günstiger bekommen würden.

Jenny: Also nehmen wir's?

Max: Ich würde sagen, ja. Es wäre wirklich optimal. Wir könnten ohne großes Theater binnen kürzester Zeit einziehen. Und warum sollen wir noch lange weiter suchen, wenn es uns doch allen drei gut gefällt?

Lars: Ja, stimmt. Außerdem ist es echt praktisch, dass Peter und du Kollegen seid. Dann könnt ihr zusammen zur Arbeit fahren und so.

Max: Ich denke, das wird sich mit der Zeit dann alles von alleine ergeben.

Jenny: Nur, wie machen wir das mit dem Umzug? So mal eben helfen können Lars und ich ja nicht wenn Schule ist.

Max: Da macht euch mal keinen Kopf. Ich kümmer mich da schon drum. Und wie ich Peter und Karin einschätze, helfen die beiden bestimmt mit, wo sie nur können.

Lars: Sollen wir uns dann jetzt schon überlegen, welche Zimmer wir wie nutzen?

Jenny: Würde sicher Sinn machen.

Max: Wenn ihr wollt, dann nehmt ihr zwei die obere Etage und ich bleibe hier unten.

Jenny: Okay, wenn das für dich auch in Ordnung ist.

Max: Sonst würde ich das wohl kaum vorschlagen, oder?

Lars: Stimmt. Komm, Jenny, wir gucken noch mal.

Die beiden gehen wieder hoch und schauen sich die Räume unter den neuen Gesichtspunkten noch mal an.

Lars: Und? Was meinst du?

Jenny: Sind ja im Grunde ziemlich gleich.

Lars: (lacht) Ziemlich gleich ist gut. Sollen wir dann einer links und einer rechts und den Raum in der Mitte nehmen wir zusammen als ne Art Hobbyraum?

Jenny: Klingt gut, ja. Welchen magst du haben?

Lars: Ist mir ehrlich gesagt egal. Hast du denn einen, den du spontan bevorzugen würdest?

Jenny: Nicht wirklich. Lass uns noch mal gucken.

Lars: Noch mal? Na gut ...

Sie gehen erneut in die beiden Räume.

Jenny: Ich nehm den linken.

Lars: Okay, wie du magst.

Max kommt dazu.

Max: Und? Habt ihr euch entschieden?

Lars: Ja, Jenny nimmt den linken, ich den rechten Raum. Und in der Mitte machen wir uns nen Hobbyraum oder so was in der Richtung.

Max: Das klingt doch gut. Jetzt müssen wir nur noch hoffen, dass die Kehrmanns sich auch vorstellen können, dass wir hier einziehen.

Jenny: Mist, stimmt ...

Lars: Ihr glaubt doch nicht ernsthaft, dass sie sich gegen uns entscheiden, oder?

Max: Naja, man kann nie wissen ...

Lars: Vorhin klangst du aber noch optimistischer, Paps.

Max: Findest du? Na gut, kommt, gehen wir rüber. Dann werden wir wohl Klarheit bekommen.

Lars: Okay.

 

***

Ein paar Minuten später sitzen sie alle zusammen bei den Kehrmanns im Esszimmer. Beim Essen:

Sebastian: Und? Wie hat's euch gefallen.

Max: Gut.

Jenny und Lars grinsen sich an.

Peter: Nur gut?

Max: Reicht das nicht? (grinst) Nein, um ehrlich zu sein, gefällt es uns ausgesprochen gut.

Karin: Das freut uns.

Sebastian: Ja, echt super!

Jenny: Heißt das, wir bekommen die Haushälfte?

Peter: (lacht) Ja. Wenn ihr sie haben wollt, soll sie eure werden. Wir sind einverstanden!

Max: Dann kommen wir wohl ins Geschäft.

Peter: Schön! Und was den Umzug angeht, mach dir keine Sorgen, Max. Ich hab die kommende Woche frei und könnte dir somit ohne Probleme helfen.

Karin: Und arbeitstechnisch hat Peter auch schon geklärt, dass du theoretisch sofort einsteigen könntest, wenn du möchtest. Gerade jetzt zum Oktoberfest brauchen die jede helfende Hand.

Max: Das klingt jetzt fast zu schön um wahr zu sein.

Peter: Ist es aber.

Max: Dann schonmal herzlichen Dank! (lächelt) Auch dafür, dass wir hierher ziehen dürfen.

Karin: Aber gerne doch.

Im Anschluss an das Essen hilft Jenny Karin in der Küche beim Aufräumen, während die Jungs mit ihren Vätern sich ins Wohnzimmer setzen.

Karin: Danke, dass du mir hilfst.

Jenny: Ist doch logisch. So geht's doch auch viel schneller und wir können gleich wieder zu den anderen.

Karin: Darf ich dich mal was fragen, Jenny?

Jenny: Ja, klar. Warum denn nicht?

Karin: Naja, wir kennen uns ja noch nicht wirklich. Und ich möchte dich ja auch nicht unter Druck setzen.

Jenny: Das kommt schon irgendwann, jetzt wo wir demnächst ja quasi unter einem Dach wohnen. Wenn auch nur in den Ferien. (lächelt) Was möchtest du denn wissen?

Karin: Wie geht es dir und Lars im Moment?

Jenny: Wie soll es uns gehen? Nicht so besonders ... aber wir können ja leider die Zeit nicht zurück drehen.

Karin: Ja, das stimmt. Und, auch wenn wir uns noch nicht kennen, möchte ich dir gerne etwas anbieten.

Jenny: (erstaunt) Was denn?

Karin: Wenn du mal jemanden zum Reden brauchst, vielleicht über etwas, wo du nicht unbedingt mit deinem Vater oder Lars drüber reden möchtest, dann kannst du gerne zu mir kommen.

Jenny: Danke, das ist nett!

Karin: Gerne. Ich würde deinem Bruder das ja auch anbieten, aber Jungs sind da ja schonmal so ein bisschen ...

Jenny: Seltsam?

Karin: Ja, genau, seltsam. (lacht) Okay, lass uns mal wieder zu den anderen gehen. Hier ist ja wieder alles soweit in Ordnung.

Jenny: Okay.

 

***

Zur selben Zeit im Wohnzimmer:

Sebastian: (zieht Lars zur Seite) Willst du nicht die Gelegenheit nutzen und mal mit eurem Vater reden?

Lars: Meinst du?

Sebastian: Ich würd's machen.

Lars: Wahrscheinlich hast du Recht. Nur, wie mach ich's, ohne dass Jenny nachher was mitbekommt?

Sebastian: Da fällt dir bestimmt was ein.

Lars: Okay, ich probier's mal. Ist vielleicht wirklich besser, wenn ich mal mit ihm rede.

Sebastian: Mach das.

Lars: (geht zu Max) Du, Paps? Hast du mal nen Moment?

Max: Klar, worum geht's?

Lars: Nicht hier ... Können wir vielleicht raus gehen? Oder noch mal nach nebenan?

Max: (erstaunt) Okay.

Die beiden gehen nach draußen.

Peter: Was war denn das auf einmal?

Sebastian: Nichts, was mit dem Einzug hier zu tun hat. Lars macht sich Sorgen um Jenny und ich hab ihm geraten, da mal mit Max drüber zu reden.

Peter: Ah, verstehe. Also müssen wir uns irgendwas einfallen lassen, wenn Mama und Jenny zu uns stoßen.

Sebastian: Wäre nicht schlecht, ja.

 

***

Max und Lars gehen schweigend nebeneinander her in Richtung Waldrand. Dort angekommen:

Max: Okay, Lars, was ist los?

Lars: Es geht um Jenny ... Ich mach mir Sorgen um sie. Sie ist so anders als früher.

Max: Wie genau meinst du das?

Lars: Naja, sie versucht locker und fröhlich zu sein, aber irgendwas liegt da im Argen. Nach außen tut sie glücklich, aber ihre Augen, die sprechen eine andere Sprache ... Aber wenn ich sie frage, ob etwas ist, dann blockt sie total ab.

Max: (seufzt) Ich hatte gehofft, dass sich das ändern würde, wenn sie aufs Internat geht.

Lars: War sie zuhause auch schon so?

Max: Ja, seit einigen Wochen. Wobei, angefangen hat es eigentlich schon kurz nach den Sommerferien. Wir dachten, es wäre nur eine Phase. Aber kurz bevor sie Mutti und mich gefragt hat, ob sie auch aufs Internat gehen darf, da wurde es noch schlimmer.

Lars: Noch schlimmer?

Max: (nickt) Sie ist morgens immer erst auf den letzten Drücker zum Bus gegangen und kam jeden, wirklich jeden, Tag direkt nach der Schule nach Hause.

Lars: Hat sie euch denn gesagt, was los ist?

Max: Nein, leider nicht. Ursprünglich wollten wir mit ihr reden, aber sie hat sich so zurückgezogen, wir sind kaum noch an sie heran gekommen.

Lars: Das klingt ja überhaupt nicht mehr nach Jenny.

Max: Stimmt ...

Lars: Hat sie denn erwähnt, warum sie hierher wollte?

Max: Sie hat zwar was gesagt, aber ich kann mir nicht wirklich vorstellen, dass das alleine der Grund war.

Lars: Was denn?

Max: Jenny meinte, sie wollte wieder mehr Zeit mit dir verbringen, du würdest ihr fehlen und sie würde sich in der Schule nicht mehr wohlfühlen.

Lars: Hmm ... Aber nen Grund hat sie nicht genannnt? Also, warum sie sich nicht mehr wohlfühlte?

Max: Nein. Ich wünschte, ich hätte mehr nachgefragt. Aber Mutti und ich wollten sie auch nicht unter Druck setzen. Wir hatten gehofft, dass sie in deiner Nähe wieder auftauen und sich vielleicht auch endlich öffnen würde.

Lars: Bis jetzt leider noch nicht. (zögert) Nur gestern Abend, als wir beim Kreuzer waren, da hat sie so ne komische Andeutung gemacht. Das ist mir aber erst später bewusst geworden.

Max: Was denn für eine Andeutung?

Lars: Es ging darum, ob wir, wenn du nach München ziehst, weiter aufs Internat gehen wollen. Und da meinte Jenny, dass sie nie wieder auf eine normale Schule gehen wollte. Aber wie sie das gemeint hat, keine Ahnung ...

Max: Sehr seltsam.

Lars: Ja ... Paps, ich hoffe wirklich, dass sie mit irgend jemanden darüber redet ... Und auch über ihre Selbstvorwürfe, die sie sich wegen Muttis Tod macht ...

Max: Wie bitte? Sie macht sich Vorwürfe?

Lars: Ja. Sie sagt andauernd, dass es ihre Schuld wäre, dass euch der Unfall passiert ist und Mutti nicht mehr lebt.

Max: (fährt sich durch die Haare) Nicht das auch noch ... (schaut Lars ernst an) Bitte versprich mir, dass du mir Bescheid sagst, wenn irgendwas vorfällt oder wenn sie doch mal mit dir spricht.

Lars: Mach ich, Paps. Sprichst du denn auch noch mal in Ruhe mit ihr?

Max: Auf jeden Fall. Ich hab vorhin mit Peter besprochen, dass wir bis zum nächsten Wochenende alles hier her geschafft haben. Dann kommt ihr drei übers Wochenende her und ich werd Jenny mal zur Seite nehmen und mit ihr reden.

Lars: Gut. Weißt du, ich hab einfach Angst, dass ihr irgendwas passiert.

Max: (nimmt Lars in den Arm) So weit lassen wir's nicht kommen. Das verspreche ich dir.

Lars: Danke, Paps.

 

***

Nachdem sie noch ein paar Stunden mit Karin und Peter verbracht haben, bringt Max Jenny, Lars und Sebastian wieder zurück ins Internat. Beim Aussteigen lässt Jenny heimlich den Brief für ihren Vater auf dem Rücksitz liegen.

Max: Dann macht's mal gut. Nächste Woche holen wir euch dann übers Wochenende ab, okay?

Jenny: Ja, okay. Ich freu mich.

Lars nickt zustimmend.

Max: Ich mich auch.

Lars: Du hast aber wirklich nichts dagegen, wenn Jenny und ich weiterhin im Internat bleiben wollen?

Max: Natürlich nicht. Wir können ja mal gucken, ob ihr vielleicht dann schonmal übers Wochenende heim kommt.

Jenny: Du bist der Beste, Paps!

Max: Danke, Jenny. So, dann haut mal ab. Ich seh euch doch an den Nasenspitzen an, dass ihr euren Freunden erzählen wollt, dass alles geklappt hat.

Sebastian: Ist das so auffällig?

Max: Schon irgendwie. So, jetzt muss ich aber los. Bis nächste Woche! Und, wenn was sein sollte, ihr könnt jederzeit anrufen, auch zu den unmöglichsten Zeiten.

Jenny: Schon klar, Paps. Fahr vorsichtig.

Max: Mach ich, Kleine, keine Sorge.

Sie verabschieden sich von Max und gehen auf den Eingang des Internats zu.

Sebastian: Ich freu mich echt total, dass das heute alles so geklappt hat.

Lars: Ich auch.

Jenny: Und ich erst. (grinst) Sagt ihr dem Kreuzer Bescheid, dass wir wieder da sind?

Lars: Okay, machen wir.

 

***

Jenny zieht sich in ihr Zimmer zurück und legt sich mit ihrem "Tagebuch" aufs Bett.

 

Was war das für eine Flut an Ereignissen in den letzten beiden Tagen! Ganz schön verrückt ... :)

Erstmal hab ich Nina und Sally gestern, als wir mit den Jungs zusammen in München waren, gestanden, dass ich mich in Sebastian verknallt habe. Und später dann auch noch Lars - allerdings auch nur, weil er einfach keine Ruhe gegeben hat. Zum Glück hat er versprochen, keinem davon zu erzählen. Ich hoffe nur, er hält sich da auch dran ... Wenn ich mir vorstelle, dass er womöglich Sebastian gegenüber was erwähnt ... Bitte nicht!

Ja und dann ... dann kam plötzlich der Kreuzer daher und meinte, wir sollten mal kurz mit zu ihm ins Büro kommen. Glücklicherweise war es aber nichts schlimmes. Er wollte uns nur sagen, dass Paps sich heute ein Haus angucken wollte. Und da waren wir dann vorhin und haben uns in Ruhe alles angeguckt.

Das ist einfach total schön! Das Haus gehört Sebastians Eltern und wir sind dann quasi unter einem Dach, wenn auch in abgetrennten Wohnbereichen. Und die Lage ... total romantisch, direkt an nem Waldrand in ner ruhigen Straße. In den nächsten Tagen holt Paps dann nach und nach mit Peters Hilfe unsere Klamotten von zuhause und dann steht einem neuen Leben nichts mehr im Weg.

Ich glaube, den ersten Schritt in eine bessere Zukunft habe ich gestern Abend noch gewagt. Ich hab dem Kreuzer von dem Vorfall an der Bushaltestelle erzählt. Naja, er meinte, ich sollte da auf jeden Fall mit Paps drüber reden. Direkt hab ich's zwar nicht gemacht, aber ich hab ihm einen Brief auf dem Rücksitz liegen gelassen. Hoffentlich findet er ihn, aber wird er wohl.

Um noch mal auf Sebastian zurück zu kommen: er ist einfach sooo süß und diese Augen, da könnte ich glatt drin versinken. Sobald ich auch nur in seine Nähe komm, klopft mein Herz bis zum Hals. Ob ich Lars doch mal auf ihn ansetzen soll? Vielleicht kriegt er ja raus, ob Sebastian mich auch mag. Oder soll ich ihm doch das Gedicht heimlich zustecken? Gar nicht so einfach ... Naja, ich schreib das Gedicht jetzt zumindest noch mal ordentlich ab und dann gongt's bestimmt auch schon zum Abendessen ...

 

Jenny verstaut das Heft wieder in ihrer Nachttischschublade und beginnt damit, das Gedicht ordentlich abzuschreiben. Als sie ungefähr die Hälfte fertig hat, gongt es zum Abendessen und sie macht sich auf den Weg in die Mensa, wo ihre Freunde bereits warten.

 

***

Nach dem Essen treffen die neun sich wieder vor der Mensa. Gemeinsam gehen sie noch etwas nach draußen.

Nico: Echt super, dass alles glatt gelaufen ist bei euch.

Sebastian: Ja. Das lief alles total reibungslos.

Jenny: Eigentlich ein Grund zum Feiern ...

Marco: Wer hält uns davon ab?

Nina: Stimmt. Sollen wir uns später noch treffen?

Mirco: Gerne. Zur Geisterstunde?

Sally: Okay. Kommt ihr dieses Mal zu uns?

Nina: Dann müssen wir aber noch was aufräumen.

Jenny: Na und? Wenn wir das jetzt gleich direkt angehen, dann klappt das schon.

Nina: Auch wieder wahr. Also, Jungs? Wie schaut's aus? Seid ihr dabei? Oder kneift ihr?

Lars: Kneifen? Wir? Auf keinen Fall!

Sally: Super.

Martin: Aber vergesst vor lauter Aufräumen nicht, euch zwischendurch ins Bett zu legen. Nicht, dass noch einer von den Lehrern Wind bekommt.

Nina: Schon klar, kein Grund zur Sorge.

Die Mädels verabschieden sich von den Jungs und ziehen sich in ihr Zimmer zurück.

 

***

Um kurz vor Mitternacht warten Nina, Sally und Jenny ungeduldig darauf, dass die Jungs zu ihnen stoßen.

Nina: Hast du das Gedicht für Sebastian jetzt eigentlich noch fertig bekommen?

Jenny: Ja, hab ich. Und ihr meint echt, ich soll das machen? Oder lieber doch nicht?

Sally: Klar, mach das. Ganz ehrlich? Mich würde nicht wundern, wenn Sebastian auch in dich verknallt hat.

Nina: Mich auch nicht ... Vorhin hat er dir auch schon wieder so nen verträumten Blick zugeworfen.

Jenny: Echt?

Nina: Jetzt sag nicht, du merkst das nicht.

Jenny: Ähm, nee, hab ich echt nicht gemerkt.

Sally: Du träumst auch mit offenen Augen.

Nina: Da sagst du was ...

In dem Moment klopft es leise an die Tür und direkt danach kommen Mirco, Lars, Sebastian, Marco, Martin und Nico ins Zimmer rein.

Sally: Da seid ihr ja!

Nico: Klar. (grinst) Wir haben auch noch was zum Futtern mitgebracht. Oder habt ihr keinen Hunger?

Nina: Doch. Und stelll dir mal vor, wir haben auch noch so ein paar Sachen zusammengekratzt.

Sally: Dann können wir ja wieder so richtig schlemmen.

Mirco: Hmm, könntest du Recht mit haben. Wobei man es mit dem Schlemmen nicht übertreiben sollte ...

Sally: (skeptisch) Was soll das denn jetzt heißen?

Mirco: War doch nur ein Scherz.

Sally: Na hoffentlich ...

Nina: (flüstert Sally ins Ohr) Ja, ja ... was sich liebt, das neckt sich ... Oder wie war das?

Sally: (ebenso in Ninas Ohr) Pass auf, dass ich nicht Lars den berühmten Wink mim Zaunpfahl gebe.

Marco: Was flüstert ihr denn da schon wieder die ganze Zeit? Das wird ja langweilig.

Nina: Ach, nichts weiter.

Sie machen es sich auf den Betten der Mädels gemütlich und seltsamerweise bilden sich die gleichen Gruppen wie am Vortag bei dem Spaziergang durch den Englischen Garten. Jenny kommt das gerade recht, so kann sie Sebastian das Gedicht unauffällig zuspielen. Als er kurz aufsteht, nimmt sie die Gelegenheit wahr.

Jenny: (bückt sich nach dem Zettel mit dem Gedicht) Ich glaub, du hst da grade was verloren, Sebastian.

Sebastian: (erstaunt) Oh, danke.

Unbeachtet steckt er den Zettel in seine Hosentasche.

Sebastian: Hab ich gar nicht gemerkt, dass mir was aus der Tasche rausgerutscht ist.

Jenny: Kein Thema. Womöglich hätte ich mich sonst hinterher nur gewundert, je nachdem was da drauf steht.

Sebastian: (lacht) Hast Recht, wäre wahrscheinlich eher verwirrend gewesen für dich.

Eine gute Stunde später, die Jungs wollen sich gerade auf den Weg in ihre Zimmer machen, hören sie Schritte auf dem Gang, die genau auf das Zimmer der Mädels zukommen.

Nina: Scheiße! Was machen wir jetzt?

Lars: Macht das Licht aus. Wir verstecken uns im Bad.

Sally: Okay.

Blitzschnell verschwinden die Jungs im angrenzenden Badezimmer, Nina löscht das Licht und die Mädels krabbeln - gerade noch rechtzeitig - unter ihre Bettdecken. Als die Tür aufgeht, bemühen sie sich, sich ihre Aufregung nicht anmerken zu lassen und möglichst gleichmäßig zu atmen.

Herr Stein: (leise) Sehr seltsam. Ich dachte, ich hätte etwas gehört. Aber dann habe ich mich wohl getäuscht.

Er zieht sich wieder zurück und schließt die Türe. Die Jungs warten noch ein paar Minuten und kommen dann wieder aus dem Badezimmer raus.

Mirco: (flüstert) Scheint, als wären sie eingeschlafen.

Lars: (ebenso leise) Sieht fast so aus. Dann hauen wir am besten auch mal ab und sehen zu, dass wir in die Federn kommen. Spät genug ist's ja.

Nico: Hast Recht.

Leise schleichen die Jungs aus dem Zimmer.

 

***

Bei Lars und Sebastian im Zimmer:

Sebastian: Was für ein Tag.

Lars: Da sagst du was ...

Sebastian: Was hat eigentlich das Gespräch mit eurem Vater vorhin ergeben?

Lars: Er will nächstes Wochenende mal in Ruhe mit Jenny über alles reden.

Sebastian: Ist vielleicht das beste.

Lars: Ja, auf jeden Fall. Jenny muss zuhause auch schon ne Zeit lang so verschlossen gewesen sein.

Sebastian: Hoffen wir mal, dass sie mit jemandem redet.

Lars: Definitiv. Aber, sag mal, was war das vorhin, was Jenny dir da gegeben hat?

Sebastian: Ach, ich hatte was verloren. Warum?

Lars: Nur so, nicht so wichtig.

Sebastian: Ja klar ... Komm, sag schon.

Lars: Naja, ich dachte ... ach, vergiss es.

Sebastian: Nee, jetzt bin ich neugierig. Also?

Lars: Na gut. Du gibst ja eh vorher keine Ruhe, stimmt's?

Sebastian: (grinst) Ganz genau.

Lars: Okay, also ... ich dachte, es wäre vielleicht was, das du brauchst, irgendeine Notiz oder so.

Sebastian: Nicht dass ich wüsste. Aber ich kann ja mal eben nachschauen.

Er holt den Zettel aus seiner Hosentasche, faltet ihn auseinander und beginnt zu lesen.

Lars: Und?

Sebastian: (irritiert) Also, der Zettel ist mal definitiv nicht von mir.

Lars: Nicht? Aber, wenn du ihn doch verloren hast ...

Sebastian: Warte, ich les dir mal vor, was hier steht.

Mit ruhiger Stimme liest Sebastian Lars das Gedicht vor.

Lars: (lacht) Okay, das ist wohl wirklich nicht von dir.

Sebastian: Meinst du, Jenny hat vorhin nur so gesagt, dass ich den Zettel verloren hab?

Lars: Keine Ahnung, echt nicht. Ich mein, zutrauen würde ich's ihr schon, aber ob sie sich in dich verliebt hat oder so, kann ich dir nicht sagen.

Sebastian: Hmm, dann wird das wohl immer ein Geheimnis bleiben ...

Lars: Oder auch nicht. Wie findest du Jenny denn?

Sebastian: Sie ist echt sympathisch und, wenn ich ehrlich sein soll, ich fand sie von Anfang an total nett. Aber mehr? Mehr war da eigentlich nicht.

Lars: Mehr WAR da nicht? Heißt das, deine Einstellung ihr gegenüber hat sich geändert?

Sebastian: Das kann ich dir nun wirklich nicht sagen.

Lars: Ach komm, gib dir nen Ruck. Wir sind jetzt, seit wir hier auf dem Internat sind, die besten Freunde und trotzdem willst du mir das nicht sagen?

Sebastian: Immerhin geht's dabei um deine Schwester ...

Lars: Na und? Das ist doch kein Grund ... Aber okay, ich will mich ja auch nicht aufdrängen.

Sebastian: Wie meinst du das jetzt wieder?

Lars: Falls Jenny das Gedicht geschrieben haben sollte, naja, ich kenn ihre Schrift ja doch schon etwas länger.

Sebastian: Du meinst, wenn ich dir den Zettel zeige, dann kannst du mir sagen, ob Jenny das geschrieben hat?

Lars: Nicht mit hundertprozentiger Sicherheit, aber so ungefähr schon.

Sebastian: Okay. (zeigt Lars das Gedicht) Und?

Lars: So auf den ersten Blick ist das auf jeden Fall Jennys Schrift. Bleibt nur noch die Frage, ob es für dich ist, oder ob Jenny nicht gemerkt hat, dass es ihr selbst auf den Boden gefallen ist.

Sebastian: Du meinst, dass sie nur dachte, der Zettel wäre von mir?

Lars: Ja, genau.

Sebastian: Möglich wäre es. Aber wie kriegen wir das möglichst unauffällig raus?

Lars: Geb ihr den Zettel doch einfach morgen wieder zurück. Kannst ja sagen, dass er nicht von dir ist und sie ihn vielleicht selbst verloren hat. Dann siehst du, wie sie reagiert. Und wer weiß, vielleicht verrät sie sich ja.

Sebastian: Gute Idee, so mach ich's.

Lars: Gut. Aber jetzt sollten wir doch mal so langsam schlafen, ist ja schon fast drei.

Sebastian: Hast Recht. Gute Nacht!

Lars: Nacht.

Wenig später ist auch bei den beiden Ruhe eingekehrt.

Love is in the air

Der Sonntagmorgen kommt und begrüßt die Schüler des Internats Wiesenhof mit herrlichem Spätsommerwetter. Die Sonne scheint von einem strahlendblauen Himmel und es verspricht erneut, ein schöner Tag zu werden.

Sebastian: Morgen, Lars.

Lars: (gähnt) Morgen.

Sebastian: Was meinst du, sollen wir später ne Runde Badminton spielen?

Lars: Och nee, lass mal. Aber kannst Jenny ja mal fragen. Dann könnt ihr auch in Ruhe reden.

Sebastian: Okay, mach ich. Wobei ... darf sie überhaupt schon wieder Sport machen?

Lars: Gute Frage. Weiß ich ehrlich gesagt gar nicht.

Sebastian: Naja, fragen kann ich sie ja trotzdem.

Lars: Mach das. Aber erstmal frühstücken, oder?

Sebastian: Auf jeden Fall!

 

***

Als die Jungs fast mit dem Frühstück fertig sind, kommt Jenny verschlafen in die Mensa.

Lars: Morgen, Kleine.

Jenny: Morgen. (setzt sich zu den beiden) Boah, ich bin noch sowas von müde.

Sebastian: Aber sonst ist alles gut? Du siehst irgendwie ein bisschen blass um die Nasenspitze aus.

Jenny: Mir ist vom Magen her nicht so besonders. Hab wohl zu viel Süßes gefuttert diese Nacht.

Sebastian: Dann hat sich meine Frage wohl auch eher erledigt, fürchte ich.

Jenny: Was denn?

Sebastian: Ich wollte dich eigentlich fragen, ob du Lust hast, ne Runde Badminton zu spielen.

Lars: Allerdings wussten wir ja auch nicht, ob Sven schon grünes Licht gegeben hat.

Jenny: Hmm, gute Frage. Frische Luft würde sicher nicht schaden. Und zu Sven sollte ich heute eh noch mal wegen dem Fuß. Er meinte, er wollte heute entscheiden, ob ich wieder Sport machen darf.

Lars: Dann geh doch gleich von hier aus direkt zu ihm.

Jenny: Mach ich. Aber, sagt mal, was war gestern eigentlich noch los? Wir haben Schritte gehört und dann?

Sebastian: Ihr seid in eure Betten und wir haben uns im Badezimmer verschanzt. Nachdem der Stein dann ne Zeit lang wieder weg war, sind wir wieder raus und ihr drei habt schon tief und feste geschlafen.

Jenny: Okay. Ich hab irgendwie so wirres Zeug geträumt, ich weiß gar nicht mehr, was Traum und was Wirklichkeit ist. Total doof.

Sebastian: Dann quatsch gleich mal mit Sven. Und wenn du noch kein Sport machen darfst, dann lassen wir uns was anderes einfallen. Okay?

Jenny: Klingt gut. Wo und wann treffen wir uns?

Sebastian: Komm einfach wenn du bei Sven fertig bist, bei uns im Zimmer vorbei.

Jenny: Okay, mach ich.

 

***

Nachdem sie mit Mühe eine Scheibe Brot gegessen und eine Tasse Tee getrunken hat, macht Jenny sich - gefolgt von leicht besorgten Blicken der Jungs - auf den Weg zu Sven.

Sven: Ach, wen haben wir denn da? Kriegt man dich auch noch mal zu Gesicht?

Jenny: (grinst) Morgen, Sven. Sooo lang ist's doch noch gar nicht her, dass wir uns gesehen haben.

Sven: Hast Recht. Was führt dich denn zu mir?

Jenny: Im Grunde genommen, zwei Sachen.

Sven: Direkt zwei?

Jenny: Ja. Du wolltest doch heute entscheiden, ob ich wieder beim Sport mitmachen darf.

Sven: Stimmt, da war ja was. Na, dann guck ich doch direkt mal bei deinen Fuß.

Er sieht sich Jennys Fuß genau an. Anschließend:

Jenny: Und?

Sven: Tja, Jenny, ich fürchte ...

Jenny: Och nee ...

Sven: (lacht) Lass mich doch erstmal ausreden.

Jenny: Okay, sorry.

Sven: Schon gut. Also, ich fürchte, dass es mit deiner extra Freizeit jetzt wieder vorbei ist.

Jenny: Echt? Super! Danke! Dann kann ich ja gleich mit Sebastian ne Runde Badminton spielen.

Sven: Jenny! Übertreib es bitte nicht direkt!

Jenny: Nee, keine Sorge.

Sven: Hoffentlich ... So, und was war der zweite Grund?

Jenny: Hast du irgendwas gegen Übelkeit?

Sven: Du auch? Was habt ihr denn wieder angestellt?

Jenny: Wieso auch?

Sven: Vorhin waren schon Marco und Martin hier, kurz danach Mirco und ein paar Minuten vor dir Nina und Sally.

Jenny: Echt? Hmm, keine Ahnung ...

Sven: Klar. Und das soll ich dir glauben?

Jenny: Warum denn nicht? Ich hab wahrscheinlich einfach gestern zu viel genascht.

Sven: Genau das haben die anderen auch gesagt. (sucht im Medikamentenschrank) Hier, davon nimmst du jetzt zehn Tropfen und wenn's nicht besser wird, kommst du bitte noch mal vorbei. Einverstanden?

Jenny: Okay, danke.

Sven: Kein Problem. Und wie gesagt, übertreib's nicht gleich wieder mit dem Sport.

Jenny: Ja, schon gut. Also dann, bis später mal.

Sven: Grüß Sebastian von mir.

Jenny: Alles klar.

 

***

Kurz darauf bei Lars und Sebastian im Zimmer:

Sebastian: Hey, da bist du ja. Was hat Sven gesagt?

Jenny: Ich darf, soll es aber nicht übertreiben.

Lars: Na, das klingt doch gut. Und mit deinem Magen?

Jenny: Nichts dramatisches. Nur, ich glaube, Sven hat Verdacht geschöpft wegen der Mitternachtsparty.

Lars: Warum das?

Sebastian: (grinst) Hast du dich verplappert?

Jenny: Nee, aber von den anderen waren auch schon fast alle bei Sven. Nur Nico und ihr zwei nicht.

Sebastian: Ach, Sven wird schon dicht halten. Selbst wenn er was ahnen sollte ...

Lars: Denke ich auch. Also geht ihr Badminton spielen?

Sebastian: Ein bisschen lockeres hin- und herspielen würde ich sagen. Du willst echt nicht mit?

Lars: Geht ihr zwei mal alleine. Ich muss für Geschi noch was fertig ausarbeiten.

Sebastian: Okay, wie du meinst.

Jenny: Ansonsten weißt du ja, wo wir sind.

Lars: Genau. Also dann, bis später mal.

Sebastian: Wir sind ja schon weg. Komm, Jenny, gehen wir. Bevor uns Lars noch rausschmeißt.

Jenny: Ist vielleicht sicherer.

Lachend gehen sie los.

 

***

Wenig später treffen Sebastian und Jenny an der Sporthalle ein. Sie bereiten alles zum Badminton spielen vor. Bereits kurz darauf liefern sie sich ein lockeres, aber dennoch spannendes, Match. Am Ende liegt Sebastian knapp vorne.

Jenny: (lachend) Ich fordere eine Revanche!

Sebatian: Okay. Aber erstmal machen wir eine kleine Pause und trinken was. Abgemacht?

Jenny: Einverstanden. Sollen wir uns für die Pause nach draußen in die Sonne setzen?

Sebastian: Gerne.

Sie gehen nach draußen und legen sich neben der Sporthalle auf die Wiese.

Jenny: Einfach traumhaft das Wetter.

Sebastian: Ja, hoffentlich hält's sich noch ne Weile. Der Winter kommt noch früh genug.

Jenny: Oh ja, da sagst du was.

Eine Weile liegen sie einfach nur da und genießen die Sonne. Doch dann hält Sebastian es nicht mehr länger aus und er spricht Jenny auf das Gedicht an.

Sebastian: Jenny?

Jenny: Hmm, was denn?

Sebastian: Kann ich dich mal was fragen.

Jenny dreht sich auf die Seite und schaut zu Sebastian.

Jenny: Klar, warum nicht?

Sebastian: Naja, ich mein ja nur.

Jenny: Was willst denn wissen?

Sebastian: Wegen dem Zettel von gestern Abend ...

Jenny: Zettel? Achso, klar. Was ist damit?

Sebastian: Bist du sicher, dass ich den verloren hab?

Jenny: Von wem denn sonst?

Sebastian: Weiß nicht. Von mir ist er auf jeden Fall nicht, hab den noch nie vorher gesehen.

Jenny: Echt nicht?

Sebastian: Echt nicht.

Jenny: Hmm, komisch ... aber ... vielleicht hast du ja ne heimliche Verehrerin.

Sebastian: (grinst) Erwischt! Jetzt hast du dich verraten. Das Gedicht war von dir, stimmt's?

Jenny: Von mir? Wir kommst du da drauf?

Sebastian: Das war doch jetzt wirklich nicht schwer, Jenny. Zum Einen hast du gerade gesagt, dass ich vielleicht ne heimliche Verehrerin hätte, obwohl du gar nicht wissen kannst was auf dem Zettel steht. Und ... naja, Lars hat mir gesagt, dass die Schrift deiner sehr ähnlich ist.

Jenny: Dieser Spielverderber ... Gefällt's dir denn wenigtens ein bisschen?

Sebastian: Ein bisschen? Es ist total schön. Weißt du, wenn ich dich nicht von Anfang an schon so nett und auch irgendwie ... süß ... gefunden hätte, wär's spätestens nach dem Gedicht um mich geschehen gewesen.

Jenny: Wow ... Hätte ich das geahnt ...

Sebastian: Hätte ich das Gedicht dann nicht bekommen?

Jenny: Doch. (grinst) Aber dann hätte ich's dir richtig gegeben und nicht so heimlich zugesteckt.

Sebastian: Dann ist ja gut, dass du mir das Gedicht gegeben hast, sonst hätten wir jetzt beide noch keine Ahnung von den Gefühlen des anderen.

Jenny: Ja. (lächelt verlegen) Und jetzt?

Sebastian: (grinst) Sind wir zusammen?

Jenny: Hört sich gut an.

Sebastian: Find ich auch.

Vorsichtig, beinahe zögernd, nähern sich ihre Gesichter einander und ihre Lippen berühren sich zu einem ersten, zaghaften Kuss. Anschließend schauen sie sich verträumt lächelnd in die Augen.

Sebastian: (leise) Schmeckt nach mehr.

Jenny: Ja. Später?

Sebastian: Gerne. Sollen wir nachher noch mal zum See? Vielleicht können wir ja sogar noch schwimmen.

Jenny: Meinst du?

Sebastian: Sehen wir ja. Wenn's uns zu kalt ist, liegen wir halt einfach nur ein bisschen zusammen in der Sonne.

Jenny: Okay, einverstanden.

Als kurz darauf der Gong zum Mittagessen ertönt, steht beiden die Überraschung ins Gesicht geschrieben.

Sebastian: Oh, schon so spät.

Jenny: Dann lass uns schnell noch eben drinnen die Sachen wieder weg räumen.

Sebastian: Mist, das müssen wir ja auch noch ...

Sie beeilen sich mit dem Aufräumen der Badmintonsachen in der Sporthalle und eilen anschließend im Laufschritt zum Mittagessen in die Mensa.

 

***

Im Anschluss an das Mittagessen zieht Jenny sich auf ihrem Zimmer eben ihren schwarzen Triangel-Bikini unter die normalen Sachen und sucht ein Handtuch und eine Decke raus. Bei ihrem Rückweg in die Einganshalle prallt sie auf der Treppe beinahe mit Sven zusammen.

Sven: Na, du hast's aber eilig, Jenny.

Jenny: Ja, sorry.

Sven: Wo willst du denn so schnell hin? (zieht die Augenbrauen hoch) Und vor allem ... wie war das mit dem erstmal nichts übertreiben?

Jenny: Ach, Sven, ich übertreib's doch gar nicht. Ich treff mich nur unten mit Sebastian, wir wollen schwimmen. Das kann doch für den Fuß kaum dramatisch sein, oder?

Sven: Wenn du dich beim Laufen auf der Treppe nicht überschlägst, dann nicht.

Jenny: Werd ich schon nicht, keine Sorge. So, ich muss weiter. Sebastian wartet sicher schon unten auf mich. Bis dann mal, wir sehen uns sicher später noch.

Sven: Dann viel Spaß euch.

Jenny: Danke!

Kopfschüttelnd guckt Sven Jenny hinterher, als diese den Rest der Treppe in einem Affenzahn weiter runter läuft.

 

***

Am See ist, wie beim letzten Mal, weit und breit keine Menschenseele zu sehen. Sebastian und Jenny suchen sich einen schönen Liegeplatz im Halbschatten, wo sie ihre Decke ausbreiten und sich anschließend in ihren Badesachen hinlegen. Sie genießen die Nähe des anderen und die Ruhe um sich herum. Nur das leise Säuseln des Windes im Laubwerk der Bäume durchdringt die Stille.

Nach einiger Zeit rappeln sie sich auf und wagen es, ins Wasser zu gehen.

Sebastian: Puh, ist aber doch ganz schön frisch.

Jenny: Stimmt. Meinst du wir sollen lieber wieder raus?

Sebastian: Ach, für'n paar Minuten wird's schon gehen. Wir können uns ja warm schwimmen, vielleicht geht es dann einigermaßen.

Jenny: Okay, einverstanden.

Gemütlich schwimmen sie nebeneinander her.

Jenny: Also entweder gewöhne ich mich so langsam an die Temperatur oder das Wasser ist hier wärmer.

Sebastian: Dann bist du wohl eher dabei, dich dran zu gewöhnen. Wärmer ist's hier nicht ...

Sie schwimmen noch eine Weile weiter. Nach etwa einer halben Stunde wird es ihnen dann aber doch zu kalt.

Sebastian: Du hast ja ganz blaue Lippen, Jenny.

Jenny: Echt? Hmm, du aber auch so'n bisschen.

Sebastian: Dann gehen wir mal lieber wieder raus in die Sonne. Ist vielleicht besser, oder?

Jenny: Ja, okay, hast Recht.

Wenig später wickeln sie sich mit ihren von der Sonne leicht aufgewärmten Badetüchern ein und legen sich anschließend wieder nebeneinander auf die Decke.

Nach einer Weile schlafen sie beide ein und wachen erst etwa zwei Stunden später wieder auf, als der Schatten des Baumes in ihrer Nähe über sie fällt.

Sebastian: Schade, jetzt ist die Sonne weg.

Jenny: Hmm, sollen wir n Stück da rüber? Da ist doch noch was mehr Sonne.

Sebastian: Gute Idee.

Sie rappeln sich auf, ziehen die Decke ein paar Meter weiter und legen ihre Sachen an die neue Stelle.

Jenny: Hast du Lust, noch mal ins Wasser zu gehen?

Sebastian: Okay, aber nicht wieder so lange wie eben.

Jenny: Nee, einmal blaue Lippen reicht.

Lachend gehen die beiden noch mal zum Abkühlen in das kühle Nass des Sees.

Als sie nach ein paar Minuten wieder raus kommen, wirft Sebastian einen Blick auf die Uhr.

Sebastian: Ich fürchte, wir müssen gleich los.

Jenny: Schade ... Oder wir rufen im Internat an und fragen, ob wir länger hier bleiben dürfen.

Sebastian: Hört sich gut an. Hast du dein Handy mit?

Jenny: Ja, hab ich.

Jenny sucht die Nummer des Internats in ihrem Handy und ruft an. Nach ein paar ertönten Freizeichen, nimmt am anderen Ende Herr Kreuzer den Anruf entgegen.

Herr Kreuzer: Internat Wiesenhof, Kreuzer, guten Abend.

Jenny: Hallo, Herr Kreuzer. Jenny Berger hier.

Herr Kreuzer: Jenny? Ist alles in Ordnung?

Jenny: Ja, alles in Ordnung. Wir, also Sebastian und ich, sind ja am See und würden gerne noch was bleiben.

Herr Kreuzer: Ich weiß nicht, es gibt doch nachher schon Abendessen ...

Jenny: Deswegen ruf ich ja an. Wir haben eine Kleinigkeit zum Essen dabei.

Herr Kreuzer: Wie lange wollt ihr denn bleiben?

Jenny: So bis acht?

Herr Kreuzer: So lange? Naja, gut, okay. Aber dann seid bitte pünktlich zurück.

Jenny: Ja, klar. Danke!

Nachdem Jenny aufgelegt hat, zieht Sebastian sie leicht zu sich heran und sie kuscheln sich zusammen auf die Decke.

Sebastian: Du, Jenny, das war echt ne gute Idee mit dem noch hier bleiben.

Jenny: (grinst) Find ich auch. Nur schade, dass die Sonne gleich ganz weg ist ...

Sebastian: Wenn dir kalt ist, kuschel dich einfach noch was näher an mich. Also, natürlich nur, wenn du magst.

Jenny: Klar mag ich. (rutscht noch etwas näher an Sebastian) Da könnte ich mich dran gewöhnen ...

Sebastian: Ich auch.

Er gibt ihr einen zarten Kuss auf die Stirn. Sanft gleiten seine Finger über Jennys Arm. Verträumt lächelt diese ihren Freund an.

Als gegen halb acht die Sonne am Horizont verschwindet, packen sie schweren Herzens ihre Sachen zusammen und machen sich Hand in Hand auf den Weg zurück zum Internat. Da sie sich jedoch sehr viel Zeit dabei lassen, schaffen Jenny und Sebastian es soeben, pünktlich im Internat einzutreffen.

 

 

***

Schnell sehen sie zu, dass sie zu Herrn Kreuzer kommen, um sich zurück zu melden.

Herr Kreuzer: Ah, da seid ihr ja wieder. (lächelt) Und? War's noch schön am See?

Sebastian: Ja, es war richtig schön. Wie die Sonne untergegangen ist ... einfach schön ...

Jenny: Da sagst du was ...

Herr Kreuzer: Dann hat es sich ja gelohnt. In der Küche ist noch etwas vom Abendessen für euch zurückgelegt, falls ihr noch Hunger haben solltet.

Sebastian: Super. Ehrlich gesagt, ein bisschen hungrig bin ich doch noch.

Jenny: Ich auch irgendwie.

Herr Kreuzer: Bis morgen dann mal.

Sebastian: Bis morgen. Und danke noch mal.

Herr Kreuzer: Kein Problem.

 

***

Nachdem sie in der Küche noch etwas gegessen und getrunken haben, gehen Sebastian und Jenny in ihre Zimmer.

Jenny springt als erstes unter die Dusche und zieht sich etwas wärmere Klamotten an. Als sie fertig ist, kommen Nina und Sally ins Zimmer.

Sally: Hi, Jenny. Und? Wie war's mit Sebastian?

Jenny: Hi. War total schön! Heute Morgen haben wir erstmal Badminton gespielt und vorhin waren wir zum Schwimmen am See.

Nina: Schwimmen? War das Wasser denn noch warm?

Jenny: Warm? Naja, warm wäre übertrieben. Ehrlich gesagt, es war schweinekalt. Aber so war's total schön.

Sally: Das freut mich! Achso, morgen haben wir in der dritten Stunde Vertretung beim Kreuzer.

Jenny: Och nee, ne Doppelstunde Mathe?

Nina: Ja, leider. Da lässt er sich bestimmt irgendne Gemeinheit einfallen.

Sally: Und mit dem Projekt für Kunst kommen wir ins Stocken. Aber, naja, die Lehrer können sich das ja aussuchen, was sie machen wollen.

Jenny: Na super, das kann ja heiter werden. Können wir nicht einfach darauf bestehen, Kunst zu machen?

Nina: Bei jedem anderen Lehrer ginge das vielleicht, aber beim Kreuzer ... keine Chance! Wenn der sich was in den Kopf gesetzt hat, dann kannst du davon ausgehen, dass er sich nicht umstimmen lässt.

Sally: Andererseits, nen Versuch wär's natürlich mal wert. Sehen ja dann, was bei rauskommt ...

Nina: Können wir ja morgen noch mit den anderen überlegen. Mir wäre alles recht, solange wir um zwei Stunden Mathe drum rumkommen.

Jenny: Oh ja ... Mir auch ...

Während sie so plaudern, machen die drei sich auch direkt fürs Bett fertig.

Nina: Okay, ihr beiden ... dann schlaft mal gut.

Sally: Gute Nacht!

Jenny: Bis morgen früh ...

Es dauert nicht lange und die drei schlummern tief und feste dem Land der Träume entgegen. Auf Jennys Lippen liegt beim Einschlafen, zum ersten Mal seit langem, ein glückliches Lächeln.

Wanderung mit Überraschung

Als am nächsten Morgen um viertel nach sechs der Gong zum Aufstehen durchs Internat hallt, wachen die drei Mädels gleichzeitig auf.

Sally: (gähnt) Och nee, schon wieder Montag ... Und ich bin so müde, ich muss bestimmt gleich total aufpassen, dass ich im Unterricht nicht einschlafe.

Jenny: Kann ich mir vorstellen. (räuspert sich) Scheiße, was ist denn mit meiner Stimme los?

Nina: Nicht viel würd ich sagen. Du bist ja total heiser.

Jenny: War vielleicht doch was kalt zum Schwimmen gestern. Naja, hinterher ist man immer schlauer. Vielleicht geht's ja gleich besser.

Sally: Hoffen wir's mal. Okay, Mädels, kommt, wir müssen raus aus den Federn. Sonst schaffen wir's nicht pünktlich zum Frühstück.

Nina: Stimmt ...

 

***

Die Jungs sitzen bereits am Frühstückstisch als die drei um Punkt sieben Uhr in der Mensa auftauchen.

Marco: Oha, ihr seht aber müde aus ...

Nina: (grinst) Danke.

Nico: Ihr kennt ihn doch.

Sally: Ja, schon klar.

Martin: War's so spät gestern bei euch?

Jenny: Nö. (schaut zur Tür) Wo bleibt er denn?

Martin: Wer?

Jenny: Ähm ... Lars.

Nico: Der sitzt doch schon auf seinem Platz.

Jenny: Oh, stimmt ...

Marco: Und wo habt ihr Jennys Stimme gelassen?

Nina: Die schläft noch.

Eine Weile später haben die meisten bereits ihr zweites Frühstücksbrötchen vor sich, Jenny hingegen knabbert immer noch an der ersten Hälfte herum.

Marco: Jenny, ist alles okay? Du isst ja kaum was. Oder bist du jetzt doch auf Diät?

Jenny: Ach, lass mich doch in Ruhe und kümmer dich um deinen eigenen Scheiß.

Marco: Na, du hast ja ne Laune heute. Viel Spaß, Martin, da haste ja gleich ne Kratzbürste neben dir sitzen.

Jenny: Leck mich doch ...!

Marco: (beschwichtigend) Okay, okay, ich hab nichts gesagt, Jenny. Kein Grund zur Panik.

 

***

Nach dem Frühstück wartet Jenny vor der Mensa ungeduldig auf ihren Bruder.

Lars: Morgen, Kleine. Wie geht's?

Jenny: Beschissen. Aber das hörst du ja sicher selber.

Lars: Stimmt, du bist echt total heiser. Sebastian hat's, glaube ich, auch erwischt; liegt im Bett und weigert sich aufzustehen. Naja, wir haben jetzt gleich Mathe in der ersten Stunde, der Kreuzer wird das sicher nicht so einfach durchgehen lassen. Was hast du denn jetzt?

Jenny: Geschi, aber ich hab echt null Bock auf gar nichts.

Lars: Wird schon schief gehen.

Jenny: Hmm ... Nicht, dass das jetzt von gestern kommt. Sebastian liegt flach und mir geht's auch nicht gerade bombig. Vielleicht haben wir's doch etwas übertrieben.

Lars: Wie meinste das jetzt?

Jenny: Na, mit dem Schwimmen im See gestern.

Lars: Hä? Ich denk, ihr seid nach München gefahren ...?

Jenny: Wie kommst du denn da drauf?

Lars: Hat Sebastian mir gestern Mittag gesagt. Aber vielleicht wollte er auch nur nicht, dass ich auch noch zum See komme.

Jenny: Kann sein, keine Ahnung. Du, ich muss los, sonst krieg ich noch Ärger mim Stein.

Lars: Alles klar. Wir sehen uns ja sicher in der Pause oder sonst spätestens beim Mittagessen.

Jenny: Ja, auf jeden Fall! Grüß Sebastian von mir, okay?

Lars: Mach ich. Bis später!

 

***

Sebastian liegt immer noch im Bett als Lars wenig später zur Tür rein gestürmt kommt.

Lars: Willst du nicht mal langsam aufstehen?

Sebastian: Nee, du, lass mal. Mir geht's echt mies. Ich glaub, ich hab sogar Fieber.

Lars: Echt? Scheiße. (schüttelt den Kopf) Achso, ich soll dir von Jenny nen schönen Gruß bestellen. Sie hat's auch erwischt, hat kaum noch Stimme.

Sebastian: Mist! So eine verdammte Kacke!

Lars: Warum seid ihr auch so deppert und geht jetzt noch im See schwimmen? Das war doch echt total leichtsinnnig von euch beiden!

Sebastian: Das hab ich mittlerweile auch festgestellt. Aber jetzt seh lieber zu, dass du in die Klasse kommst. Nicht, dass du deinen Kopf hinterher heute Mittag unterm Arm mit dir trägst.

Lars: Okay, bin schon weg. Ich sag Sven dann in der Pause Bescheid, dass er mal vorbei kommen soll.

Sebastian: Tu was du nicht lassen kannst.

 

***

In der Pause geht Jenny direkt auf Lars zu.

Jenny: Und? Wie geht's Sebastian?

Lars: Ich glaube, Sven hat ihn ins Krankenzimmer geholt. Wir können ja heute Nachmittag mal bei ihm vorbei gucken.

Jenny: Okay, machen wir. Hoffentlich geht's ihm am Freitag wieder besser.

Lars: Stimmt. Echt blöd, dass wir nicht jetzt in der Pause mal eben zu ihm können.

Jenny: Ja, total doof ...

Lars: Was habt ihr denn jetzt?

Jenny: Eigentlich Kunst beim Schneider. Aber der ist nicht da und deshalb steht uns jetzt ne Doppelstunde Mathe bevor und keiner hat Bock da drauf ...

Lars: Na dann viel Spaß ... Der Kreuzer hatte eben nicht wirklich die beste Laune. Keine Ahnung, was dem für ne Laus über die Leber gelaufen ist.

Jenny: Oh nein, nicht das auch noch! Das kann ja dann heiter werden. Aber, danke für die Warnung.

Lars: Kein Thema.

 

***

In der Klasse holen Jenny und ihre Klassenkameraden provokativ ihre Kunstsachen raus und sind bereits in ihre Projektarbeit vertieft, als Herr Kreuzer kurz nach dem Klingeln in die Klasse kommt.

Herr Kreuzer: Morgen!

Alle: Morgen, Herr Kreuzer!

Herr Kreuzer: Wo sind denn eure Mathesachen?

Marco: Noch in den Taschen. Wir müssen ja mit unserem Projekt voran kommen.

Herr Kreuzer: Achso? Nun, wir müssen aber auch in Mathe mit dem Stoff weiter kommen, da kommt so eine unverhoffte Doppelstunde gerade recht.

Sascha: Muss das wirklich sein?

Nina: Wir hängen doch überall hinter dem Zeitplan, auch mit unserem Kunstprojekt.

Martin: Stimmt. Wenn uns die Stunde auch noch fehlt, dann können wir den nächsten Meilenstein total vergessen.

Jenny: Außerdem haben wir doch morgen auch ne Doppelstunde Mathe ...

Herr Kreuzer: Schluss jetzt! Packt eure Kunstsachen weg, holt die Taschenrechner und einen Stift raus und dann bearbeitet ihr die Aufgaben auf diesem Arbeitsblatt. (schaut auf die Uhr) Ihr habt ab jetzt 75 Minuten Zeit. Nach Ablauf der Zeit sammel ich eure Lösungen ein.

Sally: Das können Sie doch nicht machen!

Herr Kreuzer: Und ob ich das kann! (verteilt die Arbeitsblätter) Also los, ran an die Arbeit!

Nachdem Jenny auch nach zehn Minuten noch nicht eine Aufgabe gelöst hat, wendet sie sich flüsternd an Martin.

Jenny: Martin, kannst du mir irgendwie helfen? Ich hab absolut keinen Durchblick und mein Schädel brummt total.

Martin: Okay, versuch, vorsichtig abzuschreiben. Da, wo ich mir nicht sicher bin, mach ich ein Fragezeichen neben. Die anderen Aufgaben kannst du bedenkenlos abschreiben.

Jenny: Danke.

Zunächst scheint alles gut zu gehen, doch plötzlich steht Herr Kreuzer hinter den beiden und erwischt Jenny.

Herr Kreuzer: (nimmt Jenny ihr Blatt weg) Du kannst mir nachher gerne erklären, was das sollte.

Jenny: (zerknirscht) Okay.

Den Rest der Zeit sitzt Jenny gedankenverloren ab. Nachdem die 75 Minuten um sind, sammelt Herr Kreuzer die Blätter wieder ein.

Herr Kreuzer: Okay, dann geht schon mal in die Pause. Jenny, du bleibst bitte noch kurz hier.

Mit einem aufmunternden Lächeln gehen ihre Freunde an Jenny vorbei nach draußen. Als alle draußen sind, blickt ihr Mathelehrer Jenny abwartend an.

Herr Kreuzer: Also? Was war los?

Jenny: Ich weiß auch nicht ... Mir geht's heute irgendwie nicht so besonders gut ...

Herr Kreuzer: Hängt das noch mit dem zusammen, was du mir am Freitag erzählt hast?

Jenny: Nein, damit hat's nichts zu tun. Ich hab nur tierische Kopfschmerzen und ... naja, da hab ich dann bei Martin abgeschrieben. Er kann aber nichts dafür.

Herr Kreuzer: Sicher?

Jenny: Ja. Ich glaub, mein Kopf platzt gleich.

Herr Kreuzer: Dann geh mal lieber zu Sven und lass dir etwas gegen die Kopfschmerzen geben. Jetzt gleich ist ja Pause, dann brauchst du dich nicht so abhetzen.

Jenny: Okay, ist vielleicht nicht verkehrt.

 

***

Auf der Krankenstation trifft Jenny wenig später im Behandlungsraum auf Sven.

Sven: (erstaunt) Was machst du denn hier?

Jenny: Hast du vielleicht ne Aspirin oder sonst was gegen Kopfschmerzen für mich?

Sven: Bist du sicher, dass dir sonst nichts fehlt?

Jenny: Naja, vielleicht meine Stimme. Aber das ist ja doch ziemlich offensichtlich.

Sven: Stimmt. Hast du auch Halsschmerzen?

Jenny: Ja, hab ich auch.

Sven: Okay, dann check ich dich lieber auch mal eben gründlich durch. Nicht, dass du dir auch eine ordentliche Grippe eingefangen hast.

Jenny: Hmm, schadet sicher nicht ...

Nachdem Sven fertig ist:

Jenny: Und?

Sven: Scheinst noch mal Glück gehabt zu haben.

Jenny: Ein Glück. Aber ... wenn ich schon mal grade hier bin, darf ich dann mal kurz zu Sebastian?

Sven: Naja, eigentlich darfst du während des Unterrichts nicht zu ihm.

Jenny: Es ist doch eh jetzt Pause ... Und ich hatte so gehofft, ihn wenigstens in den Pausen zu sehen.

Sven: Läuft da was zwischen euch beiden?

Jenny: Ja. Warum? Hast du was dagegen?

Sven: Nein, natürlich nicht. Ich freu mich für euch. Jetzt versteh ich auch, warum Sebastian vorhin im Halbschlaf deinen Namen gemurmelt hat.

Jenny: Also darf ich zu ihm?

Sven: Okay, aber nur fünf Minuten. Ich lös dir in der Zwischenzeit eine Aspirin auf, dann kannst du die trinken, bevor du wieder zum Unterricht gehst.

Jenny: Einverstanden. Und, danke!

Leise schleicht Jenny sich im Krankenzimmer an Sebastians Bett. Er ist so in sein Buch vertieft, dass er gar nicht mitbekommt, wie Jenny den Raum betritt. Erst als sie direkt neben ihm steht, sieht er auf.

Sebastian: Hey. (lächelt) Was machst du denn hier?

Jenny: Ich wollte nur mal schnell nach dir gucken. Wie geht's dir denn?

Sebastian: Ehrlich gesagt, ziemlich beschissen. Und dir?

Jenny: Naja, heiser und Kopfschmerzen. Deshalb war ich auch grade bei Sven und er hat mir erlaubt, kurz zu dir ins Zimmer zu huschen.

Sebastian: Nett von ihm.

Jenny: Ja, find ich auch.

Sebastian: Aber ... du schaust so bedrückt, was ist los? Da ist doch noch mehr, oder?

Jenny: Hmm, hab die zweite Sechs in Mathe sicher.

Sebastian: Warum denn das?

Jenny: Wir hatten ne Doppelstunde beim Kreuzer, weil der Schneider nicht da war. Und weil wir alle ziemlich protestiert haben und lieber eine Stunde Kunst machen wollten, hat er so ne Art Hausaufgabenüberprüfung gemacht.

Sebastian: Okay. Du hattest dich aber doch noch mit Martin zusammengesetzt.

Jenny: Ja, schon. Aber vorhin war's als wenn mein Kopf total leergefegt wäre. Dazu noch diese blöden Kopfschmerzen, dass ich mich überhaupt nicht konzentrieren konnte. Und dann hab ich eben bei Martin abgeschrieben.

Sebastian: Und er hat dich erwischt?

Jenny: Ja, anscheinend hat der Kreuzer seine Augen überall. Auf jeden Fall hat er mich erwischt und mir den Zettel weggenommen.

Sebastian: Ohne Verwarnung?

Jenny: Hmm, naja, kann ich jetzt auch nichts mehr dran ändern ... Passiert ist passiert ...

Sebastian: Das ist ja voll doof. Kommst du heute Nachmittag noch mal vorbei?

Jenny: Klar! Ich lass dich doch nicht hier alleine versauern. Aber ich glaube, jetzt muss ich wieder.

Sebastian: Okay, dann bis später.

Jenny: Tschüss und gute Besserung.

Sebastian: Danke, dir auch!

Jenny beugt sich über Sebastian und gibt ihm einen Kuss auf die Wange. Vor der Tür wartet Sven bereits mit der aufgelösten Aspirin und ein paar Lutschtabletten gegen die Halsschmerzen auf sie.

 

***

Auf dem Hof angekommen, kommt Lars mit schnellen Schritten auf sie zu.

Lars: Wo warst du denn die ganze Zeit? Die anderen wussten auch nicht wirklich was.

Jenny: Ich war nur kurz bei Sven und dann auch noch eben bei Sebastian. Geht ihm ja echt nicht gut, was?

Lars: Nee, nicht wirklich. Aber das mit eurem Schwimmen im See, dass war auch einfach nur leichtsinnig. Wie war denn Mathe?

Jenny: Frag lieber nicht. War totaler Mist. Der Kreuzer hat ne Hausaufgabenüberprüfung gemacht, ich hab bei Martin abgeschrieben und bin dabei erwischt worden. Wird wohl wieder ne Sechs ...

Lars: Mensch, Kleine, was machst du denn für Sachen?

Jenny: Ach, was weiß denn ich? Ich konnte mich überhaupt nicht konzentrieren. Hab ich dem Kreuzer vorhin dann auch noch gesagt, vielleicht hab ich ja Glück und er drückt ausnahmsweise n Auge zu.

Lars: Dann mal toi, toi, toi.

 

***

Da für die letzten beiden Stunden Sport auf dem Stundenplan der dritten Klasse steht, bleiben sie, als es zur nächsten Stunden gongt, auf dem Hof.

Herr Stein kommt bereits kurz darauf ebenfalls nach draußen. Auf dem Weg zur Sporthalle:

Herr Stein: Ich würde vorschlagen, wir nutzen das schöne Wetter heute für eine Sporteinheit im Freien. Was haltet ihr von einer kleinen Wanderung in Richtung See? Eure Sportsachen zieht ihr euch eben in der Halle an und dann geht's los. Einverstanden?

Begeistert stimmen sie zu. In der Umkleide lassen sie jedoch auch ihrer Verwunderung freien Lauf.

Nina: Mich wundert nur, dass wir unsere Sportsachen zum Wandern anziehen sollen.

Sally: Wer weiß, was er unter ner Wanderung versteht ...

Jenny: Meinst du, ihm schwebt was anderes vor?

Sally: Sehen wir ja gleich. Vielleicht wird die Wanderung zu ner Joggingeinheit.

Jenny: Dann aber ohne mich. Zwischendurch merk ich meinen Fuß immer noch ganz gut.

Nina: Ich meine Rippen auch. Naja, warten wir's mal ab. Vielleicht haben wir ja Glück und es wird wirklich nur ne gemütliche Wanderung.

Sally: Hoffen wir's mal ...

Ein paar Minuten später stehen sie alle in ihren Sportsachen vor der Halle und marschieren in einem relativ annehmbaren Tempo los.

Nach und nach fängt Herr Stein an, schneller zu gehen und bald schon joggen sie langsam durch die Gegend. Nina und Jenny, die beide mit ihren Blessuren zu kämpfen haben, bilden das Schlusslicht der Gruppe und auch Sally, Nico, Martin und Marco schließen sich den beiden an.

Martin: Sollen wir nicht einfach gehen? Ne Wanderung ist das doch schon lange nicht mehr ...

Mit diesen Worten spricht Martin den anderen fünfen aus der Seele. Sie drosseln ihr Tempo wieder und hören auf zu joggen. Obwohl sie dennoch recht zügig unterwegs sind, wird der Abstand zum Rest der Klasse immer größer.

Herr Stein: (bleibt an einer Weggabelung stehen) Lauft ihr bitte schon mal weiter bis zum See. Ich warte hier mal auf die Nachzügler.

Klaudia: Okay. Die haben vorhin schon in der Umkleide gesagt, dass sie keine Lust zu joggen haben.

Sascha: Boah, Klaudia, musst du eigentlich jedes Mal andere verpetzen?

Herr Stein: Los, weiter mit euch!

Sie laufen weiter, während Herr Stein an der Weggabelung wartet. Wenig später kommen die sechs um die Kurve.

Jenny: Scheiße ... jetzt gibt's Ärger.

Nina: Ach, wird schon schief gehen.

Als sie auf einer Höhe mit ihrem Klassenlehrer sind:

Herr Stein: (ironisch) Na, seid ihr schon schlapp?

Martin: Nee, das nicht. Aber unter ner Wanderung stellen wir uns doch was anderes vor als wie blöd durch die Gegend zu joggen.

Herr Stein: Aha, und dann habt ihr euch gedacht "Der Stein merkt doch eh nichts, da können wir genauso gut langsam hinterher trotten"?

Nina: Nein, haben wir nicht.

Herr Stein: Oder hattet ihr vielleicht sogar von vornherein vorgehabt, nicht zu joggen?

Nico: Wie kommen Sie denn da drauf?

Herr Stein: Viel mehr Möglichkeiten gibt es ja nicht.

Jenny: Da hat Klaudia vorhin was falsch verstanden.

Sally: Was meinst du?

Jenny: Na, da, wo Nina und ich gemeint haben, dass Joggen noch nicht so das Wahre für uns ist.

Nina: Stimmt. Diese falsche Schlange ...

Herr Stein: Also war da doch was? Nun, ich würde sagen, wir sieben werden heute nach den AGs noch eine schöne Wanderung machen.

Sally: Aber ... das geht nicht ...

Herr Stein: (wird langsam sauer) Und ob das geht! Das werdet ihr schon mitkriegen. Ich erwarte euch um Punkt halb fünf auf dem Hof.

Jenny: Wir wollten aber Sebastian heute noch besuchen.

Herr Stein: Das hättet ihr euch vorher überlegen sollen. Packt euch auf jeden Fall auch etwas zu essen und trinken ein. Zum Abendessen werden wir sicherlich noch nicht wieder zurück im Internat sein.

Nico: Was? Wir sind doch nicht so ... bescheuert und latschen stundenlang durch die Gegend.

Herr Stein: (gefährlich ruhig) Da wird euch wohl nichts anderes übrig bleiben! So, und jetzt zackig. Wir müssen noch bis zum See und anschließend wieder zurück. Oder wollt ihr Schuld sein, wenn es für euch heute kein Mittagessen gibt, weil wir nicht rechtzeitig zurück sind?

Entgeisterte Blicke wandern zwischen den sechsen hin und her. War das wirklich noch ihr sonst immer so verständnisvoller Klassenlehrer?

 

***

Nach den AGs treffen die sechs sich noch auf einen Sprung bei den Jungs im Zimmer.

Marco: Müssen wir uns das echt gefallen lassen? Ich hab sowas von keinen Bock, gleich mit dem Stein durch die Gegend zu latschen.

Nico: Was, wenn wir es einfach vergessen?

Nina: Ich glaub kaum, dass das irgendwas bringt.

Martin: Garantiert sucht er uns wenn wir nicht pünktlich auftauchen und dann gibt's nur noch mehr Ärger.

Sally: Auch wieder wahr.

Jenny: So ein verfluchter Mist! Habt ihr was dagegen, wenn ich noch mal schnell bei Sebastian vorbei flitz?

Martin: Quatsch! Aber vergiss das Wiederkommen nicht.

Jenny: Ich bin um Punkt halb im Hof ... Bis gleich!

 

***

Sebastian wartet bereits sehnsüchtig auf Jenny.

Sebastian: Hey, da bist du ja endlich!

Jenny: Ja. Ich hab leider nicht viel Zeit. Um halb fünf müssen wir noch ne Wanderung mit dem Stein machen.

Sebastian: Oha, und ich hab vorhin gedacht, ich hätte mich verhört. Der Stein war vorhin bei Sven und hat irgendwas gefragt wegen Nina und dir.

Jenny: Mist! (grinst) Hätten wir das gewusst, dann hätten wir Sven vorher anhauen können, dass er uns von der Wanderung befreit.

Sebastian: Ob das unbedingt gut gewesen wäre?

Jenny: Hmm, auch wieder wahr.

Sebastian: Packt euch auf jeden Fall was an Verpflegung ein. Ne Strafwanderung mim Stein ist Horror.

Jenny: Musstest du auch schon mal?

Sebastian: Ja. Da sind wir auch kurz nach den AGs los und waren erst gegen Mitternacht wieder zurück.

Jenny: (entsetzt) Was?

Sebastian: Wir hatten zu guter Letzt noch den letzten Bus hier rauf verpasst und alleine der Rückweg vom Münchener Hauptbahnhof ins Internat hat gut anderthalb Stunden gedauert.

Jenny: Ach du grüne Neune! Dann geh ich am besten jetzt wieder runter. (sieht auf die Uhr) Wir müssen ja eh in fünf Minuten schon im Hof sein.

Sebastian: Dann viel Spaß euch und meld dich morgen mal, wie's war. Okay?

Jenny: Auf jeden Fall! Und du sieh zu, dass du schnell wieder auf die Beine kommst.

Sebastian: Ich versuch's. Aber du weißt ja, Unkraut vergeht nicht. Grüß die anderen von mir.

Jenny: Mach ich. Kannst du Lars Bescheid sagen?

Sebastian: Klar, kein Problem.

Jenny: Danke. (gibt Sebastian einen Kuss) Bis morgen.

Sebastian: Bis morgen.

 

***

Als Herr Stein um kurz nach halb fünf in den Hof rauskommt, rechnen sie mit dem schlimmsten.

Herr Stein: Dann gehen wir mal los. Auf zum Bus, dann weiter zum Bahnhof. Wenn ihr euch nicht genug an Verpflegung eingepackt habt, könnt ihr euch dort noch was kaufen.

Martin: Das machen wir dann wohl besser noch.

Die anderen nicken zustimmend.

Wenig später sitzen sie im Bus Richtung Hauptbahnhof.

Herr Stein: So, und jetzt sagt mir doch bitte mal, warum ihr vorhin so getrödelt habt.

Jenny: Naja, Nina und ich sind ja noch nicht so hundertprozentig wieder fit. Und ... die anderen haben uns dann eigentlich nur Gesellschaft geleistet, damit wir nicht alleine am Schluss laufen mussten.

Nina: Genau! Eigentlich hätte es gereicht, wenn nur Jenny und ich jetzt die Strafwanderung machen würden.

Herr Stein: (lacht) Ihr kommt auf Ideen. Warum habt ihr denn nicht sofort etwas gesagt?

Nina: Keine Ahnung. Echt nicht.

Herr Stein: Naja, nun ist es ja eh zu spät. Aber, wenn es euch unterwegs zu viel wird, dann sagt bitte Bescheid.

Nina: Okay, machen wir.

Jenny: (grinst) Definitiv!

Herr Stein: Aber nicht aus einer Laune raus!

Jenny: Alles klar, versprochen.

Herr Stein: Gut, ich verlasse mich da drauf.

Am Hauptbahnhof angekommen, holen sie sich am dortigen Kiosk noch ein bisschen zu essen und trinken. Anschließend steigen sie in einen der eintreffenden Züge in Richtung Süden und fahren los.

Martin: Wohin fahren wir denn überhaupt?

Herr Stein: Lasst euch da mal überraschen. Ich denke, es wird euch gefallen.

Nina: Bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als zu warten ... Irgendwann sehen wir's ja dann.

 

***

Gegen halb sieben fährt der Zug in den Bahnhof einer kleinen Ortschaft ein und die sieben Wanderer steigen aus. In einem gemütlichen Tempo ziehen sie los. Vorbei an Wiesen und Feldern, die, vor den ersten Bergen der Alpen gelegen, ihren Weg säumen.

Herr Stein: Und? Wie gefällt es euch hier?

Marco: Die Landschaft ist ja ganz annehmbar ...

Sally: Ich würde aber trotzdem gleich lieber mit den anderen in der Mensa sitzen, anstatt hier kilometerweit durch die Gegend zu schlappen.

Nico: Bis jetzt ist's ja noch nicht so schlimm.

Martin: Noch nicht, eben ... Aber man weiß ja nie, was noch alles so kommt.

Marco: Genau. Lasst uns lieber mal abwarten, wie es noch weiter geht.

Jenny: Hoffentlich nicht die Runde, die ...

Martin: Bloß nicht! Dann wird's spät.

Herr Stein: Was meint ihr denn für eine Runde?

Nico: Ach, nicht so wichtig.

Herr Stein: Natürlich ...

Ihr Weg führt sie in ein Tal hinein und schlängelt sich am Rand eines Berges langsam aber sicher immer weiter nach oben. Die Leute, die ihnen entgegenkommen, schauen sie an, als wenn sie nicht ganz bei Trost wären. Doch auch die Anzahl derer, die den Berg hinuntergehen, wird immer weniger.

Marco: Wenn uns jetzt was passiert, dann finden die uns frühestens morgen früh wenn die ersten hier wieder den Berg hoch gehen.

Herr Stein: Mal nicht den Teufel an die Wand, Marco. Außerdem ist weiter oben eine Hütte, die um diese Zeit noch besetzt ist und dort würden wir zur Not auch mitten in der Nacht noch jemanden antreffen.

Martin: (grinst) Ist ja beruhigend, zu wissen, dass Sie sich hier so gut auskennen.

Herr Stein: Ihr glaubt doch nicht, dass ich euch auf eine unklare Tour mitnehmen würde, oder?

Nina: Nicht wirklich, nein.

Jenny: Sind Sie den Weg auch schon mal mit anderen aus dem Internat gegangen?

Herr Stein: Ja. Wenn ich mich nicht täusche, war damals auch Sebastian mal dabei.

Jenny: Ach du dicke Scheiße!

Nina: Das kannst du wohl laut sagen!

Herr Stein: Hat er euch davon erzählt? Ja, ja, das war was ... eine Tour, die kein Ende fand.

 

***

Nachdem sie eine kleine Pause zum Essen eingelegt haben, führt der Weg immer steiler den Berg hinauf.

Jenny: Müssten wir nicht mal so langsam wieder den Berg runter ins Tal?

Herr Stein: Sobald wir aus dem Waldstück raus sind, kommt ein schmaler Weg, der wieder bergab führt.

Nico: Dann besteht ja noch Hoffnung, dass wir irgendwann wieder im Internat ankommen.

Herr Stein: Das auf jeden Fall!

Als sie ein paar Minuten später aus dem Waldstück hinaus auf eine Wiese kommen, hat sich der Himmel bedrohlich verdunkelt. Nur wenige Augenblicke später beginnt es, wie aus Eimern zu schütten. Schnell laufen sie wieder auf den Waldrand zu und stellen sich unter.

Herr Stein: In Anbetracht des Wetters würde ich vorschlagen, dass wir nicht ins Tal zurückgehen, sondern weiter diesen Weg entlang. Wenn wir einigermaßen gut voran kommen, müssten wir in etwa einer halben Stunde an der Hütte sein. Zieht euch eure Jacken an und dann gehen wir so schnell es geht weiter.

Wie sich herausstellt, haben jedoch nur Martin, Marco und Nico Jacken eingepackt. Nach kurzer Zeit sind die Mädels bis auf die Haut nass.

Marco: Kommt, nehmt unsere Jacken. Ihr zittert ja alle drei schon wie wahnsinnig.

Nina: Nee, lasst ihr die ruhig an. Wir sind jetzt eh schon nass, dann bleibt wenigstens ihr trocken.

Martin: Jenny, dann wenigstens du. Du hast dir doch eh schon was eingefangen.

Jenny: Dann kommt's auf das bisschen Regen auch nicht mehr drauf an. Behaltet ihr die.

Als kurz darauf auch noch ein heftiges Gewitter aufzieht, ist es mit der Ruhe der Mädels jedoch endgültig vorbei.

Nina: Können wir jetzt bitte weiter?

Herr Stein: Okay. Fasst euch bitte an den Händen. Martin, du gehst am Schluss. Hier hast du eine meiner Trillerpfeifen. Wenn etwas sein sollte, pfeifst du dreimal kurz hintereinander. Okay?

Martin: Alles klar.

Sie bilden eine Kette und gehen mit langsamen, vorsichtigen Schritten über die mittlerweile matschig-glatte Wiese. An einer steileren Stelle müssen sie sich jedoch loslassen, da sie beide Hände benötigen, um über die Felsen voran zu kommen. Nach einer Weile, als das Gelände wieder ebener wird, suchen sich ihre Hände umgehend wieder. Weder das Gewitter noch der strömende Regen machen Anstalten, nachzulassen. Mittlerweile sind auch die Jungs und Herr Stein komplett durchnässt, weil ihre Jacken den Regen nicht mehr abweisen können.

Sally: Mann, warum fällt mir das jetzt erst ein? Ich hab doch eine Taschenlampe im Rucksack, zwar nur ne kleine, aber vielleicht bringt die ja trotzdem ein bisschen was.

Herr Stein: Die hilft bestimmt. Gibst du mir die? Dann kann ich hier vorne an schwierigen Stellen leuchten.

 

***

Endlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, sehen sie Lichter am Horizont auftauchen.

Nina: Ist das da hinten endlich die Hütte?

Herr Stein: Ja, gleich haben wir's geschafft.

Jenny: Ein Glück ...

Sally: Oh ja ...

Doch das verbliebene Wegstück bis zur Hütte entpuppt sich als schwieriger als gedacht. Immer wieder gerät einer von ihnen auf den glatten Steinen ins Rutschen. Zum Glück passiert aber nichts weiter. Mit einem Mal gerät jedoch der Stein, auf den Nina gerade treten will, ins Wackeln und Nina rutscht ein ganzes Stück den Berg runter.

Sally: Herr Stein!

Herr Stein: (dreht sich um) Was ist denn?

Sally: Nina ... sie ist abgerutscht.

Herr Stein: Was? Das darf doch nicht wahr sein! Wo?

Sally: Da vorne.

Sie gehen die paar Meter zurück.

Herr Stein: Nina?

Nina: Ja! Ich bin hier, nur ein Stück weiter unten.

Herr Stein: Bist du verletzt?

Nina: Ich glaube nicht, vielleicht ein paar Schrammen, aber nichts weiter.

Herr Stein: Okay, bleib ganz ruhig, ich komm zu dir runter. Jungs, könntet ihr eure Jacken ausziehen und falls ihr noch etwas unter euren Sweatshirts habt, dann zieht die bitte auch aus. Wir machen eine Kette da raus.

Martin: Alles klar.

Die Jungs ziehen ihre Jacken uns und glücklicherweise haben sie alle noch ein T-Shirt unter ihren Pullovern.

Herr Stein knotet die Oberteile und Jacken an den Ärmeln aneinander und befestigt sie an einem kleinen Baum.

Herr Stein: Martin, Jenny, ihr zwei geht bitte so schnell ihr könnt zur Hütte und holt Hilfe. Wir versuchen in der Zwischenzeit, Nina wieder hier hoch zu bekommen.

Jenny: Okay, wir sind schon weg. Komm, Martin!

 

***

So schnell sie auf den glitschigen Steinen laufen können, eilen Jenny und Martin auf die Hütte zu. Als sie nach ein paar Minuten endlich angekommen sind, klopfen sie feste an die Holztüre und warten ungeduldig, dass Ihnen die Tür endlich aufgemacht wird.

Hüttenbesitzer: Jo mai, wen hobe mer denn doa? Zwoi begossene Pudel ...

Jenny: Sie müssen uns helfen ... bitte!

Martin: Eine Freundin von uns ist ausgerutscht und ein Stück den Berg runtergerutscht. Dort drüben, wo man den Schein einer Taschenlampe sehen kann. Unser Klassenlehrer versucht schon, sie wieder rauf zu holen.

Hüttenbesitzer: Geht's ihr erst a mol nei und lasst's eu woas zuam Drinke gebe. I jeh zu eure Lehrer un schau doa, wie i helfe ka.

Jenny: Danke.

Die beiden gehen ins Innere der Hütte und werden freundlich begrüßt. Wenig später haben sie jeder eine dampfende Tasse Kakao vor sich stehen und die Wirtin kommt mit einem Stapel Pullover auf dem Arm zu ihnen.

Wirtin: Schaut's a moal, ob do wos boi is. Müsst eu eijentli woas von passe.

Martin: Danke, aber ... das muss doch nicht sein.

Wirtin: Ihr denkt's wohl, i lass eu hier so platschnass sitze? Na, na, dos moch i net.

Jenny: Vielen Dank, das ist echt nett.

Sie finden tatsächlich jeder einen Pullover, der ihnen passt und ziehen diese über.

 

***

Nach einer gefühlten Ewigkeit stoßen die anderen endlich wieder zu ihnen.

Martin: (erleichtert) Da seid ihr ja endlich.

Jenny: Jag uns bloß nicht noch mal so einen Schrecken ein, Nina! Das war echt heftig ...

Nina: Meint ihr, das hab ich extra gemacht? Nee, auf keinen Fall! Das könnt ihr mir glauben.

Herr Stein: Ein Glück, dass du nicht so weit abgerutscht warst. Viel tiefer hätte ich nicht runterklettern können. Ich werde jetzt erstmal kurz telefonieren.

Während Herr Stein im Internat anruft, wärmen sich die sechs Jugendlichen bei einem Teller heißer Suppe auf. Der Hüttenwart hat den Kamin in der Wirtsstube angeheizt und langsam wird ihnen warm.

Nach dem Essen:

Herr Stein: Hört mal bitte einen Augenblick zu. (die sechs verstummen umgehend) Wie ihr euch sicher schon gedacht habt, ist es viel zu gefährlich, heute wieder zurück zu gehen. Ich habe gerade mit Herrn Lorenz telefoniert und wir haben seinen Segen, den Tag hier oben ausklingen zu lassen. Und, weil wir sicherlich einige Zeit brauchen werden, um wieder im Internat anzukommen, übernimmt er morgen meinen Unterricht. Wir könnten also, wenn ihr nichts dagegen habt, den Ausflug auch noch bis morgen Abend ausdehnen. Was haltet ihr davon?

Die sechs gucken sich an und nicken zustimmend.

Martin: Warum eigentlich nicht? Sooo schlimm wie befürchtet ist es gar nicht und ... naja, abgesehen von dem Zwischenfall vorhin, gefällt's mir sogar recht gut.

Sally: Ja, du hast Recht.

Herr Stein: Gut. Dann müssten wir allerdings die Nacht im Kuhstall nebenan auf dem Heuboden verbringen ...

Jenny: Eine Nacht im Heu? Das ist doch super und macht bestimmt auch voll Spaß!

Nina: Genau!

Sie sitzen noch eine Weile gemütlich zusammen im Warmen und machen sich dann, mit Decken und Schlafsäcken versorgt, auf den Weg in den Heuboden.

 

***

Als sie am Dienstagmorgen von Klappern und anderen seltsamen Geräuschen geweckt werden, wissen sie zunächst gar nicht, wo sie sind. Doch dann fällt ihnen alles wieder ein. Nico, der einen verschlafenen Blick auf seine Armbanduhr wirft, ist plötzlich hellwach.

Nico: Kommt schnell mit raus. Wenn mich nicht alles täuscht, müsste jeden Moment die Sonne aufgehen.

Sally: Echt?

Nico: Ja. Also? Kommt ihr mit?

Nina: Klar! Was meint ihr, sollen wir Herrn Stein wecken?

Martin: Och, lassen wir ihn noch was schlafen. Er sieht so friedlich aus, wie er da im Heu liegt.

Jenny: Okay, dann schnell raus mit uns.

So leise es geht, klettern sie vom Heuboden runter in den Kuhstall und gehen nach draußen. Tatsächlich zeigt sich am Himmel schon ein kräftiger Rotton am Horizont und es wird mit jeder Minute heller. Etwa zehn Minuten später geht die Sonne über dem Gipfel eines der umliegenden Berge auf.

Jenny: Wow! Das sieht ja super aus!

Martin: Ja, auf jeden Fall!

Marco: Oh ja ... Und wisst ihr, was das allerbeste an diesem Dienstag ist? Na, wer ahnt es?

Nina: Nee, was denn?

Marco: (grinst) Ganz einfach: Wir kommen heute um die Doppelstunde Mathe rum.

Martin: Stimmt, ist ja super!

Jenny: Und wie! ... Aber schön wäre, wenn Sebastian, Lars und Mirco auch mit hier wären.

Nico: Ach, heute Abend siehste die doch wieder, oder sonst spätestens morgen früh.

Nina: Das ist aber schon noch ne verdammt lange Zeit.

Sally: Genau!

Jenny: Leider ...

Martin: Ach, Mädels, ihr habt doch uns.

Jenny: Das ist aber nicht das selbe ...

Lachend gehen sie wieder zurück auf den Heuboden. Herr Stein, der mittlerweile auch aufgewacht ist, sieht ihnen verwundert entgegen.

Herr Stein: Guten Morgen. Seid ihr schon lange auf?

Martin: Nö, wir haben uns nur grade draußen einen schönen Sonnenaufgang angesehen.

Herr Stein: So, so. Und da habt ihr mich nicht geweckt?

Jenny: (grinst) Ach, Sie sahen so friedlich und harmlos aus, wie Sie da so lagen und schliefen. Da haben wir's einfach nicht übers Herz gebracht, Sie zu wecken.

Herr Stein: Na, das kann ja noch was werden, wenn ihr am frühen Morgen schon so frech seid.

Nina: Frech? Eigentlich hatten wir's ja nur gut gemeint ...

Nico: Mir ist da vorhin so eine Idee gekommen. Könnte man hier nicht auch mal eine Art Klassenfahrt hin machen? Das wäre doch bestimmt ein super Erlebnis.

Herr Stein: Als Klassenfahrt? Ich weiß nicht, dann vielleicht eher während der Projektwoche oder aber im Rahmen eines Sonderprojektes.

Martin: Eigentlich egal, auf welche Art.

Herr Stein: Ich werde mal darüber nachdenken und mit den Kollegen sprechen. So, was haltet ihr davon, wenn wir jetzt zum Frühstücken nach nebenan gehen?

Nina: Meinen Sie, es gibt schon Frühstück?

Herr Stein: Wir haben schon halb acht durch. Ich denke doch, dass es da schon die Möglichkeit zu frühstücken gibt.

Auf gut Glück gehen sie in die Hütte und tatsächlich wartet bereits ein deftiges Frühstück mit Brot, Käse und frischer Milch auf die sieben Wanderer.

Anschließend verabschieden sie sich von der Wirtin und dem Hüttenwart.

Herr Stein: Nochmals vielen Dank für die freundliche Aufnahme gestern Abend.

Wirtin: Des woar doch selbstverständli. Mir konnte Sie doch net drauße stohn lasse.

Hüttenwart: Und wenn's ihr noch a moal hier in der Nähe soids, dann kommt's ruhig vorbei.

Herr Stein: Sehr gerne.

 

***

In gemütlichem Tempo machen sie sich schließlich auf den Rückweg ins Tal.

Nico: Eigentlich war das mit dem Gehen gestern in Sport doch nicht so schlimm.

Jenny: Stimmt. Könnten wir ja vielleicht noch mal machen. Irgendwann mal ...

Martin: Wer weiß, was uns noch einfällt.

Herr Stein: (schmunzelt) Dann muss ich euch wohl die nächste Zeit etwas genauer im Auge behalten, wenn ihr so Pläne schmiedet ...

Marco: Ach, das müssen Sie nicht. Ich denke, Sie würden das schon rechtzeitig merken.

Lachend ziehen sie weiter.

Nina: Hast du eigentlich zwischendurch mal irgendwas von Sebastian gehört, Jenny?

Jenny: Nee, ich hab Lars gestern Abend noch kurz geschrieben. Aber bis vorhin war noch keine Antwort da.

Sally: Seltsam. Aber rausgegangen ist die Nachricht? Ich mein, bei dem Gewitter gestern.

Jenny: Hmm, so genau hab ich da nicht drauf geachtet. (holt ihr Handy raus und schaut nach) Okay, Sally, hast Recht. Die ist gar nicht gesendet wurden. Dann kann ich ja lange auf ne Antwort warten.

Martin: Dann schick sie doch einfach noch mal ab.

Jenny: Schon erledigt.

 

***

Gegen 14 Uhr treffen sie an dem Bahnhof, an dem sie am Abend zuvor angekommen waren, ein. Als sie schließlich eine gute Stunde später endlich im Zug sitzen, sieht man auch Herr Stein die Erleichterung an.

Herr Stein: Also, so eine Strafwanderung hab ich auch noch nicht mitgemacht ...

Marco: So eine schreckliche? Oder so eine schöne?

Herr Stein: So eine schrecklich schöne. (lächelt) Nein, wirklich, mein Kompliment, dass ihr gestern nicht total die Nerven verloren habt. Ein bisschen meine Zweifel hatte ich ja doch, als es auch noch anfing zu gewittern.

Martin: Sooo schlimm war es ja nun auch wieder nicht.

Nina: Auf jeden Fall haben wir was zu erzählen, wenn wir nachher wieder zurück sind.

Jenny: Das auf alle Fälle. (grinst) Vielleicht sind die anderen hinterher sogar neidisch, weil sie nicht mit durften.

Nico: (lacht) Allen voran bestimmt Klaudia.

Herr Stein: Mit ihr scheint ihr alle eure Probleme zu haben, kann das sein?

Sally: Wundert Sie das etwa? Die verpetzt doch wirklich alles und jeden. Und dann wundert sie sich, dass niemand mit ihr befreundet sein möchte.

Martin: Nach der Aktion letzten Donnerstag ist sie bei uns definitiv endgültig unten durch.

Herr Stein: Letzten Donnerstag?

Marco: Ja, während der Versammlung in der Aula ...

Jenny: (stößt Marco an) Lasst gut sein, Jungs. Ihr seid grade nicht besser als sie.

Martin: Okay, hast Recht. Aber im Auge behalten, werden wir sie die nächste Zeit. Wenn sie wirklich ..., dann kannst du auf uns zählen.

Herr Stein: Ihr sprecht in Rätseln.

Jenny: Ist nicht weiter dramatisch.

Herr Stein: Okay. Aber wenn doch etwas sein sollte, dann meldet euch bitte.

Marco: Worauf Sie sich verlassen können!

Herr Stein: Gut, ich verlasse mich da auf euch. Was haltet ihr davon, wenn wir zum Abschluss unserer Wanderung noch eine Currywurst essen gehen und uns anschließend noch einen Film im Kino ansehen?

Nico: Echt jetzt? Sind Sie nicht froh, wenn Sie uns gleich wieder los sind?

Herr Stein: Ach, wisst ihr. Sooo schlimm seid ihr gar nicht. (schmunzelt) Also? Was meint ihr?

Martin: Okay, warum nicht? Wenn n gescheiter Film läuft, der uns alle interessiert, dann gerne.

 

***

Gegen halb neun verlassen sie das Kino und machen sich auf das letzte Stück Weg zurück ins Internat. Erschöpft und müde sitzen sie im Bus, den sie glücklicherweise so gerade eben noch erwischt haben.

Nina: Puh, ich bin platt. Hätte echt nicht viel gefehlt und ich wäre im Kino eingeschlafen.

Martin: Dann hättest du aber das Ende verpasst.

Nina: Wär mir dann auch egal gewesen. Also, ich weiß ja nicht, was ihr vor habt, aber ich geh definitiv gleich sofort ins Zimmer und hau mich ins Bett.

Sally: Ich auch. Bin auch total fix und foxi. Aber schön war's trotzdem irgendwie. Jenny, wie sieht's bei dir aus?

Jenny: Eigentlich wollte ich ja noch bei Sebastian vorbei. Aber ich glaub, das mach ich auch erst morgen. Mir fallen eh schon gleich die Augen zu ...

Marco: Sebastian läuft dir schon nicht weg ...

 

***

Als sie an der Bushaltestelle beim Internat eintreffen, sind die Mädels tatsächlich eingeschlafen.

Martin: Hey, Mädels, aufwachen!

Jenny: Was? Wie?

Nico: (grinst) Ihr seid voll eingepennt. Aber leider müsst ihr jetzt noch mal kurz die Augen auf machen und ein paar Schritte gehen.

Nina: Könnt ihr uns nicht tragen?

Marco: Nee, das geht echt nicht. Wir sind doch selber auch total platt.

Herr Stein: Na kommt, ihr seid so viel gelaufen heute, das Stück schafft ihr jetzt auch noch.

Sally: Müssen wir ja wohl ...

Müde schlappen sie aus dem Bus raus und aufs Internat zu. In der Eingangshalle:

Herr Stein: Dann verschwindet mal schnell in den Kojen. Wir sehen uns morgen früh.

Nico: Alles klar, gute Nacht.

Sie gehen zielstrebig in Richtung ihrer Zimmer. Kurz bevor sie durch die Türen verschwinden, kommt Klaudia den Gang entlang und direkt auf sie zu.

Klaudia: Oh, kommt ihr auch mal wieder? War's schön?

Jenny: Ja, war es. Wir hatten ein Unwetter, einen Beinaheabsturz, eine Nacht im Heu und eine entspannte Rückwanderung mit anschließendem Kinobesuch in München. Also wirklich beschweren können wir uns nicht.

Die anderen fünf nicken zustimmend.

Martin: Aber ... du hast den tollen Sonnenaufgang heute Morgen vergessen, Jenny.

Jenny: Oh, stimmt. Sorry.

Klaudia: Ja, ja, erzählen könnt ihr viel. Da ist doch bestimmt nicht ein Funken Wahrheit dran.

Nina: Wenn du uns nicht glauben willst, können wir dir auch nicht helfen. Aber kannst ja den Stein morgen fragen, ob's stimmt oder nicht...

Klaudia: Vielleicht mach ich das sogar.

Marco: Mach das. (an die anderen gewandt) Okay, Leute, ich hau mich jetzt echt ins Bett. Gute Nacht!

Sally: Schlaft gut, Jungs. Bis morgen.

Sie gehen in ihre Zimmer, springen noch schnell unter die Dusche und liegen schon bald darauf in ihren Betten, wo sie binnen kürzester Zeit eingeschlafen sind.

Zurück im Alltag

Müde sitzen die Ausflügler am nächsten Morgen in der Klasse auf ihren Plätzen.

Nina: Ich hätte doch gestern im Kino schlafen sollen.

Marco: Ach, dann schläfst du halt jetzt gleich im Unterricht. Vielleicht hast du Glück und der Kreuzer merkt nichts.

Nina: Hmm, nen Versuch wär's wert.

Klaudia: Ihr seid doch selbst Schuld. Hättet ihr am Montag in Sport nicht so getrödelt, dann hätte es eure ach so tolle Wanderung mit Herrn Stein gar nicht gegeben. Aber so konntet ihr euch wenigstens noch mal schön einschleimen.

Jenny: (verdreht die Augen) Was soll das denn jetzt schon wieder bedeuten?

Klaudia: Na, welchen anderen Grund sollte es gegeben haben, dass ihr euch so dämlich anstellt und dann auch noch erwischen lasst?

Sally: Du bist doch nur neidisch, dass du nicht auch mit auf der Wanderung warst.

Klaudia: Ich? Das ich nicht lache!

Sascha: Achtung! Der Kreuzer kommt!

Nur Sekundenbruchteile später betritt Herr Kreuzer das Klassenzimmer und knallt seine Tasche auf das Pult.

Herr Kreuzer: Guten Morgen!

Alle: Morgen, Herr Kreuzer.

Herr Kreuzer: Beginnt sofort mit den Aufgaben auf Seite 56 in eurem Buch! Martin, Marco, Nico, Sally, Nina und Jenny, kommt bitte kurz mit raus.

Erstaunt schauen die sechs sich an. Sie sind sich keiner Schuld bewusst, gehen dann aber doch, ohne groß zu zögern, mit ihrem Mathelehrer nach draußen.

Herr Kreuzer: Ihr wundert euch sicher, waurm ich euch gebeten habe, mit raus zu kommen, oder?

Nico: Ja, kann man so sagen.

Sally: Aber wir werden's wohl jeden Moment erfahren.

Herr Kreuzer: (lächelt) Werdet ihr, ja. Also, der Grund dafür ist, dass ich euch eure Hausaufgabenüberprüfung nicht vor der ganzen Klasse zurückgeben wollte.

Martin: (erstaunt) Warum denn das?

Herr Kreuzer: Ich möchte euch da zum Teil noch etwas zu sagen. Da wäre es vielleicht teilweise nicht so besonders berauschend, wenn die anderen alle zuhören.

Marco: Oha, das klingt ja hart ...

Herr Kreuzer: So schlimm ist es auch wieder nicht. Also, Nina, Sally, mit euch beiden fange ich an.

Nina: Okay.

Sally: Dann haben wir's wenigstens hinter uns.

Herr Kreuzer: (gibt ihnen die Zettel) Ich muss sagen, ich hätte doch etwas mehr von euch erwartet. Die letzten Stunden hatte ich doch den Eindruck, als wären die Themen bis zu euch durchgedrungen.

Nina: Hmm, waren sie auch eigentlich einigermaßen. Aber irgendwie war da am Montag so'n Brett vorm Kopf.

Herr Kreuzer: Naja, es geht ja noch vom Ergebnis her. Strengt euch einfach die nächsten Stunden etwas mehr an, dann habt ihr die Note schnell wieder ausgebügelt.

Sally: Okay, machen wir.

Herr Kreuzer: Gut. Nico und Marco, nun zu euch. (reicht ihren ihre Zettel) Bei euch beiden wäre es mit ein bisschen mehr Mühe eine Zwei geworden, so hat es leider nur für eine Drei plus gereicht.

Nico: Kann man nichts machen.

Marco: Eben ...

Herr Kreuzer: Ihr könnt dann schon mal wieder rein gehen und euch auch an die Aufgaben geben.

Fragend blicken die vier zu Jenny und Martin, die kurz mit den Schultern zucken, und gehen in die Klasse zurück.

Herr Kreuzer: Nun zu euch beiden. (schüttelt den Kopf) Eigentlich hätte ich euch beiden eine Sechs geben müssen.

Martin: Nur eigentlich?

Jenny: Versteh ich jetzt auch nicht so ganz.

Herr Kreuzer: Erklärt mir bitte noch mal kurz, wie das jetzt genau war.

Jenny: Das hab ich Ihnen doch am Montag schon alles erzählt. Ich hatte saumäßige Kopfschmerzen und konnte mich nicht konzentrieren. Um überhaupt irgendwas abgeben zu können, hab ich dann bei Martin abgeschrieben.

Herr Kreuzer: Okay, und wie war das mit dir, Martin?

Jenny: Er kann nichts dafür!

Martin: Lass gut sein, Jenny. Ich hab Jenny abschreiben lassen. Mit der Sechs geht schon in Ordnung.

Herr Kreuzer: Wie gesagt, eigentlich hätte ich euch beiden eine Sechs geben müssen. Da ich aber keinem von euch im Weg stehen möchte, habe ich es folgendermaßen gemacht: Martin, bei dir habe ich die Aufgaben ganz normal bewertet. Du hast also, wie ich das auch erwartet habe, am besten von allen abgeschnitten.

Martin: Wie jetzt? Echt? Danke!

Herr Kreuzer: Kein Problem. Allerdings hoffe ich, dass es nicht noch mal vorkommt. Ihr könnt so gerne im Unterricht zusammenarbeiten, aber es gibt auch Ausnahmen. Also ab sofort kein Teamwork mehr bei Tests und Arbeiten.

Martin: Okay, alles klar.

Jenny: Und ich werd mich beim nächsten Mal einfach versuchen, irgendwie durch zu boxen.

Herr Kreuzer: Jenny, die Sechs musste ich dir zwar geben, weil du abgeschrieben hast, aber ich habe sie mir in Klammern aufgeschrieben und einen Vermerk notiert, dass es dir nicht besonders gut ging.

Jenny: Oh. Danke!

Herr Kreuzer: Ist schon okay. Aber, kann es sein, dass es dir heute auch nicht wirklich besser geht?

Jenny: Eher noch schlechter. Hab neben der kaum noch vorhandenen Stimme und den Halsschmerzen jetzt auch noch Husten und Schnupfen bekommen, aber das wird schon. Morgen oder übermorgen geht's sicher wieder.

Herr Kreuzer: Wie du meinst.

Martin: Zur Not schleifen wir Jenny zu Sven.

Herr Kreuzer: Gut zu wissen. (lacht) Achso, bevor ich's nachher vergesse. Kommst du heute bitte noch mal wegen der Nachhilfe zu mir, Jenny?

Jenny: Heute? Naja, okay ...

Herr Kreuzer: Ich weiß, eigentlich wäre erst morgen wieder, aber angesichts der Tatsache, dass du gestern nicht da warst, wäre es vielleicht besser.

Jenny: Okay, ja, mach ich. Dann muss ich nur mit Herrn Stein klären, dass ich nicht zur AG komme.

Herr Kreuzer: Mach die ruhig erstmal mit. Ich muss heute selber eine AG betreuen, da passt das dann ganz gut.

Jenny: Alles klar. Dann also erst nach der AG?

Herr Kreuzer: Ja, genau. Ich würde sagen, so um halb fünf. Ist das okay für dich?

Jenny: Ja, okay.

 

***

Direkt nach dem Klingeln zur ersten Pause läuft Jenny eilig auf die Krankenstation. Dort schleicht sie sich zum Krankenzimmer um Sebastian zu besuchen, der immer noch mit seiner Grippe kämpft. Blitzschnell schlüpft sie durch die Tür ins Zimmer hinein.

Sebastian: Oh, hi, Jenny.

Jenny: Hi, Sebastian. Wie geht's dir?

Sebastian: Etwas besser. Aber du hörst dich, gelinde gesagt, gar nicht gut an.

Jenny: Kommt bestimmt von dem Regen, der uns überrascht hat als wir mit dem Stein unterwegs waren.

Sebastian: Oha. Wie war's denn ansonsten?

Jenny: Eigentlich ganz gut. Gestern Abend sind wir zum Abschluss noch im Kino gewesen. Deshalb bin ich auch jetzt erst hier und nicht gestern schon.

Sebastian: Ist doch okay. Nur ... darfst du überhaupt jetzt hier sein? Hast du Sven gefragt?

Jenny: Nee, hab ich nicht. Weder Sven noch sonst wen.

Sebastian: Shit!

Jenny: Was ist denn?

Sebastian: Ich glaube, Sven kommt jeden Moment. Versteck dich am besten, evor du noch Ärger bekommst.

Jenny: (schaut sich um) Aber wo?

Sebastian: Unterm Bett?

Jenny: Okay ...

Sebastian: Hinter der Tür ginge auch, aber wenn Sven sie zu macht, dann sieht er dich.

Jenny: Egal, ich krabbel dann mal unters Bett.

Sie ist gerade einigermaßen unter dem Bett verschwunden, als die Türe auch schon auf geht und Sven rein kommt.

Sven: Und? Wie schaut's aus?

Sebastian: Nicht anders als vor ner halben Stunde. (grinst) Aber sag doch mal, wann kann ich endlich wieder zu den anderen? So langsam wird's echt langweilig.

Sven: Immer mit der Ruhe. Mit einer Grippe ist nicht zu spaßen, die kann auch schon mal richtig hartnäckig sein.

Sebastian: Na super ... Meinst du denn, ich kann wenigstens Freitag wieder hier raus? Der Kreuzer hat da Geburtstag und wir haben zu ein paar Leuten was vorbereitet. Ich wäre schon gerne dabei, wenn wir ihm das Geschenk geben.

Sven: Das sehen wir dann mal, aber ich denke, es wird sich irgendwie einrichten lassen.

Sebastian: Hoffentlich ... Sag mal, hast du schon was von den Wanderern gehört? Sind sie wieder angekommen?

Sven: Ja, sie sind gestern Abend wieder eingetrudelt. Sind von einem ordentlichen Gewitter überrascht wurden und haben die Nacht auf einer Hütte verbracht.

Sebastian: Klingt ja cool. Also, das mit der Hütte.

Sven: Ja, das schon. Aber gerade waren Nina und Sally bei mir, weil sie beide etwas angeschlagen sind. Sie meinten, die Jungs wollten auch noch vorbei kommen.

Sebastian: Und Jenny? Ihr ging's doch am Montag schon nicht so besonders gut.

Sven: Die beiden wussten ncht, wo Jenny ist. Ich dachte schon mal, sie wäre vielleicht hier bei dir.

Sebastian: Wie du siehst, ist sie's nicht.

Sven: Sieht fast so aus, ja. (deutet auf den Boden) Wieso liegt denn dein Pullover auf dem Boden?

Sebastian: Oh, der muss vorhin runtergefallen sein. Ich hab den eben irgendwann ausgezogen, weil mir zu warm war mit Pulli und T-Shirt.

Sven: So, so, naja dann ...

Er bückt sich, hebt den Pullover auf und legt ihn wieder aufs Bett. Sebastian wirft einen heimlichen Blick auf die Uhr.

Sebastian: Du, Sven? Könnte ich eventuell noch ne Tasse von diesem Tee bekommen?

Sven: (erstaunt) Ich dachte, der schmeckt so scheußlich.

Sebastian: Tut er auch. Aber wenn er hilft, dann trink ich den auch literweise.

Sven: Okay. Dann mach ich dir gleich noch eine Tasse.

In dem Moment muss Jenny plötzlich husten. Sebastian steigt sofort darauf ein, doch Sven hat bereits etwas mitbekommen. Erneut geht er in die Knie und sieht Jenny unter dem Bett kauern, die sich ihre Hand auf den Mund presst um den Husten zu ersicken.

Sven: Was machst du denn da, Jenny? Musst du nicht schon längst wieder im Unterricht sein?

Jenny: Kann sein, ist mir aber egal. Ich wollte nur mal eben schnell nach Sebastian sehen.

Sven: Und warum versteckst du dich dann unter dem Bett und sitzt nicht auf dem Stuhl?

Sebastian: Jenny wusste halt nicht, ob sie in der Pause überhaupt herkommen darf.

Sven: Wie? Hast du etwa noch nicht einmal jemanden gefragt? Jenny, so geht das nun aber wirklich nicht!

Jenny: Reg ich ab, ich bin ja schon weg.

Sebastian: Bis später. Halt die Ohren steif.

Eilig verlässt Jenny das Zimmer.

Sven: Was sollte das denn jetzt gerade? Ich hätte Jenny wirklich für vernünftiger gehalten.

Sebastian: Bitte nimm's ihr nicht übel, Sven. Ganz ehrlich? Ich wäre auch in der Pause vorbei gekommen, wenn sie hier im Bett liegen würde und wir uns seit zwei Tagen nicht mehr gesehen hätten.

Sven: Wirklich? (Sebastian nickt) Okay ... Aber verrat mir doch bitte jetzt mal, wer von euch beiden vorhin die Hustenattacke hatte. Du warst das doch nicht wirklich, oder?

Sebastian: Naja, stimmt schon, das war Jenny. Ich bin nur darauf eingegangen, damit du nicht merkst, dass sie sich hier versteckt hat.

Sven: (lacht) Na, bei euch muss man ja aufpassen. Aber okay, ich will mal nicht so sein und ausnahmsweise beide Augen zudrücken. Wenn ich allerdings noch mal jemanden ohne Erlaubnis während des Unterrichts hier erwische, dann muss ich durchgreifen.

Sebastian: Okay, danke dir.

Sven: Ich bin ja kein Unmensch. So, dann schütte ich dir jetzt noch eine Tasse von dem Tee auf und mach mich danach wieder an die Arbeit.

 

***

Nach dem Abendessen gehen Nina, Sally, Jenny, Nico, Martin, Marco, Lars und Mirco mit den Scherzartikeln und der Geschenkbox zu Sebastian.

Sebastian: Oha. Überfall?

Nico: Nee, wir bringen dir nur ein bisschen Arbeit.

Lars: Wenn du hier schon den ganzen Tag so auf der faulen Haut liegst, kannst du doch das Päckchen für den Kreuzer packen, oder?

Sebastian: (grinst) Klar, kann ich machen. Muss ich nur aufpassen, dass Sven nichts von mitbekommt.

Sally: Du würdest das echt machen?

Sebastian: Ich bin über jede Abwechslung erfreut. Das ist vielleicht langweilig hier, sag ich euch.

Nina: Wieso bist du nicht letzte Woche krank gewesen? Dann hätten wir uns Gesellschaft leisten können.

Jenny: Das wär's noch gewesen.

Sebastian: Was soll das denn jetzt bedeuten?

Jenny: Ach, nichts weiter.

Nina: Dann ist ja gut. (grinst) Aber ich hätte dir Sebastian schon nicht ausgespannt.

Sally: Wie auch? Wir wissen doch auch erst seit Freitag, dass Jenny in Sebastian verschossen ist.

Martin: Ach, dann habt ihr darüber gesprochen, als ihr im Englischen Garten so weit hinter uns gewesen seid?

Lars: Blitzmerker.

Marco: Hä? Weißt du mehr als wir?

Lars: Ich hatte doch abends noch mit Jenny gesprochen.

Martin: Ach ja, stimmt.

Sally: Also, wie machen wir's jetzt mit dem Geschenk?

Nina: Alles hier zu lassen fänd ich doch etwas kritisch. Sven würde uns zwar sicher nicht verraten, aber was, wenn der Kreuzer Sebastian mal besucht?

Sebastian: Mist, du hast Recht. Gestern war er auch zwischendurch mal hier.

Nico: Okay, dann ist das doch zu riskant.

Lars: Dann packen wir eben jetzt alles ein und nehmen die Box wieder mit.

Jenny: Wir können das Päckchen ja dann bei uns im Zimmer irgendwo verstauen. Im Schrank oder so ...

Martin: Klingt gut, so machen wir's.

Nina: Sollen wir denn wirklich alles einpacken?

Marco: Klar! Oder kriegst du jetzt Muffensausen?

Nina: Nee, keine Sorge.

Marco: Dann ist ja gut.

Sie beginnen, die einzelnen Scherzartikel einzupacken.

Sebastian: Hoffentlich nimmt der Kreuzer uns das am Ende wirklich nicht übel.

Jenny: Ach, das wird er schon nicht. Oder meint ihr, er versteht das nicht als Spaß?

Nico: Normalerweise schon. Aber du hast ja auch schon erlebt, dass er auch anders kann.

Jenny: Oh ja ... da sagst du was.

Lars: Willst du Paps noch anrufen?

Jenny: Nee, kann ich ihm doch am Wochenende immer noch erzählen. Außerdem, der Kreuzer hat ja n Auge zugedrückt und die Sechs mit nem Vermerk, dass es mir nicht gut ging, aufgeschrieben.

Lars: Okay. Dann zählt die ja nicht wirklich.

Sebastian: Du kannst ja einfach abwarten, wie euer Vater am Wochenende drauf ist.

Sally: Seid ihr da schon wieder unterwegs?

Jenny: Hundertprozentig sicher ist's noch nicht.

Sebastian: (grinst) Aber zu 99,9 Prozent.

Nina: Ihr haut aber doch jetzt nicht jedes Wochenende ab nach Hause, oder?

Martin: (alarmiert) Bestimmt nicht, oder?

Jenny: Nee, haben wir nicht vor.

Sally: Dann ist ja gut. Wäre nämlich echt doof. (wirft Nina einen Blick zu) Nicht, dass ...

Nina: Ja, ja, schon klar.

Kichernd zwinkern die Mädels sich zu.

Mirco: Och nee, bitte nicht schon wieder.

Sally: (unschuldig) Was denn?

Mirco: Eure Geheimniskrämerei die ganze Zeit.

Nina: Mach dir nichts draus.

Jenny: Vielleicht, aber wirklich nur vielleicht, erfahrt ihr ja noch irgendwann, was es damit auf sich hat.

Mirco: Irgendwann? Aber doch wohl nicht erst, wenn wir alt und grau sind, oder?

Sally: Wer weiß, wer weiß ...

Nico: Wie machen wir das jetzt? Alles lieblos rein in den Karton? Oder habt ihr da noch ne Idee?

Nina: Wir wollten doch den Karton mit Zeitungspapier füllen und die Sachen darin verteilt verstecken. Oder jetzt doch nicht?

Sally: Doch, auf jeden Fall!

Lars: Habt ihr die Karte auch schon fertig?

Jenny: Klar, hier ist sie. Wir müssen nur noch alle unterschreiben und dann kann die oben auf die anderen Sachen gelegt werden.

Nico: Na dann mal her mit Stift und Karte!

Nacheinander unterschreiben sie und wickeln anschließend noch das Päckchen mit Geschenkpapier ein.

Sebastian: Super! Dann haben wir ja alles.

Martin: Fehlt nur noch die Übergabe.

Nico: Naja, da haben wir ja noch ne Galgenfrist.

Jenny: Wird schon alles schief gehen.

Sie plaudern noch eine Weile weiter und merken gar nicht, wie die Zeit vergeht.

Gegen neun Uhr streckt Sven den Kopf zur Tür rein.

Sven: Hey! Ich möchte euch ja nicht vergraulen, aber es wird Zeit. Wir haben gleich neun und morgen ist Unterricht.

Lars: Was? Schon so spät? Okay, wir hauen gleich ab.

Sven: Nicht gleich, sofort. Ihr wollt doch sicher auch keinen Ärger riskieren.

Jenny: Wir sind quasi schon in unseren Zimmern.

Sebastian: Kommt ihr morgen noch mal vorbei?

Jenny: Auf jeden Fall! Schlaf dich gesund, damit du am Freitag das Geschenk mit übergeben kannst.

Sebastian: Nur deswegen?

Jenny: Nee, natürlich auch so.

Sebastian: Dann ist ja gut ...

Lars: Okay, Schluss mit der Flirterei. Kommt, wir machen die Biege. Bis morgen, Sebastian!

Sie verabschieden sich und liegen wenig später bereits schlafend in ihren Betten.

Geburtstag mit Extra

Am übernächsten Morgen können sie zunächst ausschlafen, doch allzu lange hält es dann doch niemanden in den Betten. Der schulfreie Freitag mit der einhergehenden Geburtstagsfeier von Herrn Kreuzer lässt Vorfreude aufkommen. Aber auch leichte Aufregung macht sich bei den Jugendlichen breit.

Nina: Bin echt mal gespannt, wie der Kreuzer nachher auf das Geschenk reagiert.

Sally: Nicht nur du.

Jenny: Lasst uns nach dem Frühstück erstmal sehen, dass wir Sebastian von der Krankenstation runter kriegen.

Nina: Stimmt. Sollen wir gleich zusammen gehen? Oder willst du's alleine versuchen?

Jenny: Nee, kommt ruhig mit. Zu dritt kann Sven uns bestimmt nicht widerstehen.

Sally: Alles klar.

 

***

Als sie nach dem Frühstück auf der Krankenstation ankommen, fehlt von Sven jede Spur. Und auch Sebastian ist nicht mehr auffindbar.

Sally: Und nun?

Nina: Ich würde sagen, wir gucken bei den Jungs, oder?

Jenny: Gute Idee. Irgendwen werden wir wohl finden.

Sie gehen zunächst zum Zimmer von Lars und Sebastian. Da sie dort auch keinen finden, gehen sie erst noch bei Martin, Nico und Marco vorbei.

Sally: Haben wir irgendwas verpasst? Wo treiben die sich denn wieder alle rum?

Jenny: Keine Ahnung. Lasst uns in unser Zimmer gehen. Dann ruf ich Lars mal an. Die müssen doch irgendwo sein. Können sich ja schlecht alle in Luft aufgelöst haben.

Nina: (lacht) Da sagst du was. Okay, gehen wir rüber.

 

***

In ihrem Zimmer angekommen:

Nina: Ach nee, wen haben wir denn dann?

Nico: Da seid ihr ja endlich.

Nina: Du bist gut. Wir haben euch überall gesucht. Erst im Krankenzimmer, dann bei euch nebenan. Jetzt wollte Jenny Lars anrufen und fragen, wo ihr euch rumtreibt.

Mirco: Dann habt ihr das ja jetzt gespart. Aber jetzt sagt mal, wo habt ihr das Geschenk für den Kreuzer versteckt?

Sally: (grinst) An einem sicheren Ort. Man weiß ja nie, wer hier so im Zimmer rumschnüffelt.

Mirco: Darf man fragen, wo dieser Ort ist?

Sally: Machst du doch eh.

Mirco: Auch wieder wahr. Also, verratet ihr's uns?

Nina: Vielleicht ...

Martin: Ach kommt schon. Wir verraten's auch keinem.

Nina: Haha, wie witzig. Gleich ist's ja eh kein Geheimnis mehr. Was meint ihr, Mädels?

Jenny: Okay, kommt, holen wir's.

Die drei Mädels gehen zu ihrem Kleiderschrank.

Sally: Könnt ihr uns kurz helfen, Jungs? Nur ein paar Klamotten annehmen und uns später zurückgeben.

Mirco: Okay, kein Problem.

Nachdem sie den Jungs einen Großteil ihrer Sachen aus dem Schrank gegeben haben, kommt das Päckchen zum Vorschein. Sie holen es aus dem Schrank und räumen die Sachen anschließend zurück.

Sebastian: (lacht) Das war aber echt gut versteckt.

Jenny: Sicher ist sicher. (grinst) Aber sag mal, wie geht's dir eigentlich? Besser?

Sebastian: Passt schon. Zumindest hat Sven mich ohne Probleme gehen lassen.

Nico: Zur Not hätten wir dich auch noch aus dem Krankenzimmer geschmuggelt.

Die Mädels, Lars und Sebastian brechen gleichzeitig in lautes Gelächter aus.

Mirco: Was ist da jetzt so lustig dran?

Lars: Ist ne lange Geschichte.

Sebastian: Oh ja. Erzählen wir euch mal bei Gelegenheit.

Martin: Okay, wie ihr wollt.

Marco: Sollen wir dem Kreuzer das Geschenk denn jetzt direkt geben? Oder wollt ihr erst später?

Mirco: Besser sofort. Sonst müssen wir nachher noch mal die ganzen Klamotten von den dreien festhalten.

Binnen weniger Sekunden brandet eine Kissenschlacht zwischen den Jugendlichen auf und es geht hoch her im Zimmer. So bemerken sie auch gar nicht, dass die Tür geöffnet wird und ihr Kunstlehrer herein kommt.

Herr Schneider: Was ist denn hier los?

Erschrocken halten sie inne.

Martin: Ähm, eigentlich nichts.

Herr Schneider: So, so, das sieht man. Ich wollte euch nur kurz Bescheid sagen, dass nach dem Mittagessen in der Aula ein kleines Geburtstagsprogramm stattfindet.

Nico: Alles klar, dann haben wir ja noch was Zeit.

Herr Schneider: Übertreibt es aber nicht.

Sally: Nein, keine Sorge.

Herr Schneider verlässt das Zimmer wieder und zieht die Tür hinter sich ins Schloss.

Martin: Also? Was machen wir jetzt? Sofort oder später?

Sally: Am besten sofort. Dann haben wir's hinter uns.

Da niemand etwas dagegen einzuwenden hat, stehen die neun Jugendlichen bereits wenig später mit dem Geschenk in der Hand vor der Bürotüre ihres Mathelehrers.

Nina: Okay, seid ihr bereit?

Lars: Klar. (grinst) Lasst's uns hinter uns bringen.

Sally: Auf in die Höhle des Löwen.

Leise kichernd klopfen sie an die Tür.

Herr Kreuzer: Herein!

Sie betreten das Zimmer und stimmen ganz spontan "Happy Birthday" an. Die Überraschung steht Herrn Kreuzer ins Gesicht geschrieben. Nachdem sie ihm, einer nach dem anderen, noch persönlich gratuliert haben:

Herr Kreuzer: (lächelt) Vielen Dank.

Sally und Mirco überreichnen Herrn Kreuzer das Geschenk.

Herr Kreuzer: Oh, dankeschön.

Lars: Ist nichts besonderes, nur ein paar Kleinigkeiten.

Herr Kreuzer: Das musste aber wirklich nicht sein. Setzt euch doch einen Moment.

Sebastian: Würden wir ja gerne, aber wir müssen leider noch ganz dringend was erledigen.

Herr Kreuzer: Dann kann man wohl nichts machen.

Möglichst schnell, aber dennoch darauf bedacht, keinen Verdacht zu erregen, huschen sie wieder aus dem Büro raus auf den Flur. Dort stoßen sie beinahe mit Herrn Stein zusammen. Erstaunt scheint dieser den neunen kurz hinterher, bevor er zu seinem Kollegen in dessen Büro geht.

Herr Stein: Guten Morgen, Achim. Alles Gute zum Geburtstag.

Herr Kreuzer: Danke, John.

Herr Stein: Warum sind die neun denn gerade so blitzartig aus deinem Büro gestürmt? Hast du ihnen mit einer Mathearbeit gedroht?

Herr Kreuzer: (lacht) Nein, habe ich nicht. Ich weiß auch nicht, sie hatten angeblich noch etwas wichtiges zu erledigen. Aber vielleicht wissen wir mehr, wenn ich ihr Geschenk ausgepackt habe.

Herr Stein: Okay, dann bin ich ja mal gespannt.

Herr Kreuzer: Nicht nur du, John ...

Er beginnt, das Päckchen auszupacken und stößt als erstes auf den kleinen Geburtstagsgruß. Mit leicht gerunzelter Stirn liest er sich die Karte durch und kann anschließend ein Schmunzeln nicht unterdrücken.

Herr Stein: Und? Warum griemelst du so vor?

Herr Kreuzer: Wegen dem, was sie geschrieben haben. Warte, ich les es dir mal vor. 'Wir gratulieren Ihnen ganz herzlich zu Ihrem Geburtstag und wünschen Ihnen alles Gute für die Zukunft.' Dann haben sie alle unterschrieben.

Herr Stein: Und was ist daran jetzt so lustig?

Herr Kreuzer: Es geht ja noch weiter. 'PS: Die Dinge, die Sie in diesem Päckchen finden, werden Sie sicherlich verwundern, aber wir haben uns gedacht, dass sie die vielleicht mal gebrauchen können. Bitte nehmen Sie uns die Dinge nicht übel, schließlich sind sie nicht böse gemeint.' (hält kurz inne) Was das wohl zu bedeuten hat?

Herr Stein: Naja, zumindest bist du so darauf vorbereitet, was in dem Päckchen drin sein könnte.

Herr Kreuzer: Stimmt.

Er wendet sich wieder dem Auspacken zu und kann ein Lachen nicht unterdrücken. Auch sein Kollege stimmt in das Lachen mit ein. Gemeinsam überlegen sie, was die Sachen bedeuten könnten, kommen aber zu keinem endgültigen Ergebnis.

Herr Kreuzer: Ich hab eine Idee!

Herr Stein: Was denn für eine?

Herr Kreuzer: Pass auf, wir machen folgendes ...

 

***

Im Zimmer von den Mädels sitzen die neun wieder zusammen.

Nico: Was meint ihr, wie reagiert der Kreuzer?

Sally: Keine Ahnung, echt nicht.

Nina: Hoffentlich ist er nicht sauer oder so ...

Mirco: Stimmt. Sonst können wir uns auf was gefasst machen.

Martin: Na kommt, seht mal nicht gleich alles schwarz. Den Kopf wird er uns schon dran lassen.

Lars: (lacht) Da hast du wohl recht.

Sebastian zieht Jenny zu sich heran, die daraufhin ihren Kopf auf seine Schulter legt. Die beiden unterhalten sich flüsternd.

Sebastian: Alles in Ordnung, Jenny?

Jenny: Ja, alles gut.

Sebastian: Wirklich? Du siehst irgendwie bedrückt aus.

Jenny: Nee, alles gut, wirklich. (haucht ihm einen Kuss auf die Wange) Ich bin froh, dass es dich gibt.

Sebastian: Geht mir genaus so.

Marco: Hey, ihr Turteltauben, ihr seid hier nicht alleine ...

Sebastian: (grinst) Na und? Wenn's eucht stört, geht doch woanders hin.

Nina: Scherzkeks.

Sie brechen in lautes Lachen aus. Nach einer Weile:

Jenny: (nach Luft schnappend) Oh Gott, ich kann nicht mehr ...

Lars: Das ist aber doch kein Grund zu heulen, Kleine.

Jenny: Ich heul doch gar nicht.

Martin: Naja, wie man's nimmt ...

Sebastian: Zumindest laufen dir Tränen übers Gesicht.

Zärtlich wischt er ihr die Tränen mit einem Taschentuch ab, was bei den anderen nur zu erneutem Gelächter führt.

Mirco: Ihr seid echt kitschig ... sooo verliebt ...

Jenny: Musst ja nicht hingucken.

Mirco: Auch wieder wahr.

Der Gong zum Mittagessen ruft sie alle wieder zur Vernunft. Jenny flitzt noch schnell ins Badezimmer, um sich kurz mit kaltem Wasser das Gesicht zu waschen. Anschließend machen sie sich, immer noch kichernd, auf den Weg in die Mensa.

 

***

Als die neun am Ende des Mittagessens ihre Teller zusammenstellen, findet jeder von ihnen einen Umschlag mit ihrem Namen darunter. Kaum, dass sie die Mensa verlassen haben, stellen sie sich zusammen in eine einigermaßen ruhige Ecke im Flur.

Lars: Was ist das denn jetzt?

Nina: Keine Ahnung. Vielleicht sollten wir mal reingucken.

Zustimmend nicken die anderen und sie machen gleichzeitig ihre Umschläge auf.

Jenny: Hä? Jetzt versteh ich nur noch Bahnhof. 'ZUR' - was soll das denn?

Sally: Also, bei mir steht 'WICHTIG' drauf.

Nina: Bei mir 'ABENDESSEN' ...

Nico: Okay, wartet. Lasst uns mal gucken, was sich ergibt, wenn wir alle Zettel kombinieren.

Martin: Gute Idee!

Sie sortieren die Zettel bis eine logische Wortfolge herauskommt.

Sebastian: 'Kommt nach dem Abendessen zur Schwimmhalle. Es ist wichtig!' Okay, jetzt wissen wir zumindest, was sich hinter den Zetteln verbirgt. Aber was zum Teufel soll das?

Mirco: Das werden wir wohl nur erfahren, wenn wir dem nach kommen.

Sally: Stimmt. Also, auf zur Schwimmhalle heute Abend?

Lars: Klar!

Die anderen sind auch einverstanden.

Nina: Mist, guckt euch mal um! Wir müssen in die Aula, die anderen sind schon alle weg ...

Lars: Na dann mal los!

 

***

Nach einem fröhlichen Nachmittag in der Aula, sitzen am Abend alle zum Essen wieder in der Mensa. Es gibt ein richtiges Festmahl und alle hauen ordentlich rein und plappern fröhlich durcheinander. Nur Martin, Marco, Nico, Mirco, Lars, Sebastian, Nina, Sally und Jenny haben keine Ruhe und sehnen das Ende des Abendessens herbei.

Sven: Was ist denn mit euch los?

Sally: Ach, nichts besonderes. Wir müssen nur gleich noch dringend etwas erledigen.

Nina: Aber was, das ist leider nicht für fremde Ohren bestimmt.

Sven: Moment mal, ihr heckt doch wohl nicht irgendwas aus?

Nico: Selbst wenn's so wäre, würden wir’s dir bestimmt nicht jetzt beim Essen verraten, wo's alle mitkriegen können.

Sven: Verstehe. Aber wenn ihr’s doch einem sagen wollt ...

Jenny: Dann kommen wir selbstverständlich zu dir.

Martin: Genau!

Sven: (schmunzelt) Na, dann ist ja gut.

 

***

Nachdem fast anderthalb Stunden später endlich alle mit dem Abendessen fertig sind, laufen die neun so schnell sie können zur Schwimmhalle. Die nahestehenden Tannen verdecken das Abendlicht und auch der bewölkte, dunkel werdende Himmel sorgt für eine leicht unheimliche Athmosphäre. Als sie an der Schwimmhalle ankommen, ist weit und breit niemand zu sehen.

Sebastian: Hmm, schon komisch, dass niemand hier ist. Oder?

Lars: Stimmt. Meint ihr, da hat sich nur jemand nen Scherz erlaubt?

Martin: Könnte sein, aber dafür der ganze Aufwand mit den Zeitungsbuchstaben? Ich weiß nicht ... Lasst uns mal nen Moment warten. Wir sind ja doch in nem Affentempo von der Mensa hier hin gesprescht.

Lars: (lacht) Auch wieder wahr. Also, warten wir eben.

Mirco: Was war eigentlich mit Sven los beim Essen? Hat der euch ausgequetscht?

Sally: Hmm, ja, könnte man so sagen. Hoffen wir mal, dass er der einzigste ist, dem was aufgefallen ist.

Nina: Ach, die anderen waren doch viel zu sehr mit essen beschäftigt.

Jenny: (lehnt ihren Kopf auf Sebastians Schulter) Und wenn keiner kommt, genießen wir einfach die frische Luft.

Nico: Ja, ja ... Kann das sein, dass ihr zwei grade lieber alleine wärt?

Sebastian: Ach, quatsch. Zeit für uns haben wir ja am Wochenende noch genug.

Lars: Oje ... das kann ja was werden, wenn ihr beiden da die ganze Zeit über aneinander klebt ...

Nina: Och, du armer ...

Sally: Wirst es wohl überleben, Lars. Wann werdet ihr denn abegeholt?

Lars: Ähm, gute Frage. Jenny, hat Paps dich noch mal angerufen?

Jenny: (schüttelt den Kopf) Nee, ich dachte er hätte dich vielleicht ...

Lars: Auch nicht.

Sebastian: Ich ruf mal eben zuhause an, hab mein Handy mit. (holt sein Handy raus und wählt) Anrufbeantworter, na toll ... Hey, ich bins. Wir wollten nur mal nachfragen, wann ihr uns morgen abholt. Meldet euch doch bitte kurz, sonst schlafen wir aus. Bis später. (beendet den Anruf) So, das sollte wohl reichen.

Jenny: Werden wir ja sehen. (grinst) Aber das mit dem Ausschlafen war ne gute Idee ...

Sebastian: Ich weiß.

Nina: Pssst, ich hör was!

Schlagartig verstummen die neun Jugendlichen und lauschen angespannt. Das leise Knacken der Äste und das Rascheln des ersten Herbstlaubes hinter ihnen lässt sie kurz zusammenzucken. Instinktiv suchen die Mädels Schutz hinter den Jungs und Jenny klammert sich mit einer Hand an Sebastian, der ihr beruhigend mit dem Daumen über den Handrücken streichelt. Langsam drehen sie sich um und erkennen im Dunkel der Tannen zwei Gestalten, die langsam aber sicher auf sie zukommen. Kurz bevor die beiden vor den Jugendlichen ins etwas hellere Umfeld treten, blitzen gleichzeitig zwei Flammen auf und wenig später beginnen zwei Wunderkerzen zu brennen. Die beiden Gestalten fangen an zu lachen und die Jugendlichen fallen mit ein, nachdem sich der kurze Schock bei ihnen gelegt hat.

Herr Stein: Hoffentlich hat ihr euch nicht zu sehr erschrocken.

Lars: Iwo! Das war doch alles nur Show, damit Sie Ihren Spaß haben.

Nico: Genau. Alles nur Show.

Die anderen nicken zustimmend. Ob ihre Lehrer ihnen glauben oder nicht, können die neun nicht erkennen. Das Grinsen auf deren Gesichtern kann vieles bedeuten.

Herr Kreuzer: Dann ist ja gut. Ich wollte mich nur bei euch noch für das Geschenk bedanken. Da sollte ich ja für die nächste Zeit gewappnet sein.

Nina: So war das auch gedacht.

Martin: Stimmt genau. Es wird nämlich auf Dauer echt langweilig, wenn wir uns immer was ausdenken müssen, aber von den Lehrern nie was zurück kommt.

Herr Kreuzer: Na, dann macht euch mal auf was gefasst in den nächsten Wochen. (wendet sich mit ernster Miene an Jenny) Ich würde vorschlagen, wir verdoppeln ab Dienstag die Nachhilfe, also zweimal die Woche je zwei Stunden. Es kann ja nicht sein, dass du noch länger hinterher hinkst. (wieder an alle gewandt) Achso, bevor ich es vergesse, Montag sammel ich eure Hausaufgaben ein.

Entsetzte Blicke fliegen zwischen den Jugendlichen hin und her.

Herr Stein: Achim, jetzt übertreibst du es aber doch ein wenig.

Herr Kreuzer: Findest du? Na gut ... Euer Glück, dass Herr Stein mit hier ist. Vergesst mal wieder, was ich gerade gesagt habe.

Erneut brechen sie alle in lautes Lachen aus.

Nico: Na ein Glück!

 

***

Als sie wieder alleine sind, überlegen sie, wie sie die Zeit bis zum Schlafengehen noch sinnvoll rumkriegen können. Nach einer Weile kommt Sebastian eine Idee:

Sebastian: Sagt mal, was haltet ihr davon, wenn wir heute Abend noch mal ne kleine Mitternachtsparty machen?

Mirco: Gute Idee! Vor allem sollte uns heute keiner der Lehrer dazwischen funken. Die feiern doch bestimmt Kreuzers Geburtstag.

Nina: Warum eigentlich nicht ... Ist mal was anderes, wenn wir nicht aufpassen müssen, dass wir erwischt werden. Ich bin dabei!

Auch die anderen sind sofort einverstanden. Kurz überlegen sie noch, wer was mitbringt und dann verabschieden sich die Mädels von den Jungs um noch ein bisschen in Ruhe zu quatschen.

Lars: Und weg sind sie ...

Mirco: Ja, und wieder so auffällig. Die führen doch bestimmt irgendwas im Schilde.

Nico: Gut möglich. Seit letzter Woche hängen sie andauernd zusammen und tuscheln leise.

Martin: Naja, irgendwann werden wir's wohl erfahren.

Lars: Da wär ich mir nicht so sicher. Die drei sind ja doch manchmal ganz schön stur ...

Sebastian: Stimmt. Aber vielleicht kriegen wir am Wochenende ja was aus Jenny rausgekitzelt.

Lars: Abwarten ... Auf jeden Fall wird unser Vater ja mal mit ihr reden. Hoffentlich kriegt er was aus Jenny raus ...

Sebastian: Das wird schon.

Marco: Was meint ihr?

Sebastian: Wegen den Vorwürfen, die sie sich die ganze Zeit über macht.

Nico: Wegen dem Tod eurer Mutter, Lars?

Lars: (nickt) Ja, genau. Letzten Samstag hab ich Paps darauf angesprochen und er hat mir versprochen, dieses Wochenende mal in Ruhe mit ihr zu reden.

Martin: Das macht bestimmt Sinn. Wobei man ihr so direkt ja nichts anmerkt.

Lars: Doch. Ihr kennt Jenny ja nur so. Sie lacht normalerweise viel mehr. (schlägt mit der Faust gegen einen Baum) Verdammt, ich will die alte Jenny zurück!

Sebastian: (beruhigend) Lars, bitte, das hilft auch nicht. Sie wird wieder die alte werden, wir helfen dir so gut wir können dabei.

Mirco: Genau! Dafür sind Freunde doch da.

Martin: Und wenn wir alle zusammenhalten wird das schon.

Lars: (lächelt leicht) Danke, Jungs!

 

***

Zur gleichen Zeit bei den drei Mädels im Zimmer:

Nina: Jenny, ich wünschte, ich wäre so mutig wie du.

Jenny: Wie meinst du das denn jetzt?

Nina: Naja, wenn ich nicht so feige wäre, würde ich Lars einfach ansprechen.

Sally: Stimmt. Und ich Mirco ...

Jenny: Vielleicht braucht ihr nur n bisschen Hilfe ...

Nina: Was? Komm bloß nicht auf die Idee, Lars was zu stecken!

Jenny: (kichert leise) Nee, keine Panik. Darauf muss er schon selbst kommen.

Sally: Du sprichst in Rätseln.

Nina: Genau!

Jenny: Keine Angst, ich verrate nichts. Versprochen!

Sally: Gut. Mal was anderes, was haltet ihr davon, wenn wir Sven zur Party einladen?

Jenny: Hmm, wäre ne Idee ... Und die Jungs hätten da sicher auch nichts gegen.

Nina: Na dann, kommt, gehen wir ihn besuchen.

Auf der Krakenstation schaut Sven überrascht von seinen Unterlagen auf, als die drei plötzlich vor ihm stehen.

Sven: Hey, was gibt's? Kann ich euch irgendwie helfen?

Nina: Naja, helfen nicht direkt.

Sally: Wir wollten dich nur zu ner kleinen Party einladen. Heute um Mitternacht bei Lars und Sebastian im Zimmer.

Sven: Wie komm ich denn zu der Ehre?

Nina: Einfach, weil du total in Ordnung bist.

Sven: Ahja ... (lacht) Ich würde ja gerne, aber leider kann ich nicht. Herr Kreuzer feiert ab halb elf seinen Geburtstag mit den Kollegen und er hat mich auch eingeladen.

Jenny: Hmm, okay, dann kann man nichts machen. Aber verrat uns bloß nicht!

Sven: Nein, mach ich nicht. Nur übertreibt es nicht, okay?

Sally: Logo!

Nina: Zumindest ist jetzt sicher, dass uns normalerweise keiner der Lehrer erwischen sollte.

Sally: Stimmt.

Sven: Dann wünsche ich viel Spaß und ... ich stell schon mal die Magentropfen für morgen raus.

Jenny: Sehr witzig. Dir aber auch viel Spaß. Bis morgen oder so mal.

Sven: Bis morgen.

 

***

Um kurz vor Mitternacht treffen die Mädels vor dem Zimmer von Lars und Sebastian auf die anderen Jungs. Gemeinsam gehen sie ins Zimmer, wo sie eine heimelige Athmosphäre erwartet.

Mirco: Huch, was ist denn hier passiert? Das ist ja richtig romantisch.

Lars: Findest du? Wir dachten, wir machen's uns einfach ein bisschen gemütlich.

Nina: Das ist euch echt gelungen. Nur, ist das mit der Laterne nicht vielleicht etwas zu gefährlich?

Sebastian: Mach dir keinen Kopf, Nina, da ist nur ne Taschenlampe drunter, keine Kerze.

Nina: Achso ...

Lars: Dann macht's euch mal bequem.

Sally: Machen wir doch glatt!

In den bereits erprobten Dreiergruppen setzen sie sich auf die Betten.

Nina: Die Lehrer feiern übrigens wirklich Kreuzers Geburtstag.

Marco: Woher wisst ihr das jetzt so sicher?

Sally: Wir waren vorhin noch bei Sven ...

Martin: Warum das? War irgendwas passiert?

Sally: Nein, wir wollten ihn zu unserer Mitternachtsparty einladen.

Nico: Ihr seid schon ganz schön raffiniert.

Jenny: Tja, so sind wir eben ...

Mirco: Ja, ja, ihr seid schon drei ...

Sally: Drei was?

Mirco: Drei verrückte Hühner.

Sally: Na, danke auch.

Nina und Jenny blicken sich an und zwinkern sich zu.

Sebastian: Was hat das jetzt wieder zu bedeuten?

Jenny: Was meinst du?

Sebastian: Na, dein Zwinkern grade mit Nina.

Jenny: Das hast du dir nur eingebildet. Oder, Nina?

Nina: Ja, genau! Alles nur Einbildung.

Lars: Hmm, komisch, dann hatte ich die selbe Einbildung wie Sebastian.

Martin: Mach dir nichts draus, Lars. Mir geht's genauso.

Auch die anderen Jungs nicken zustimmend, nur Nina, Sally und Jenny tun unschuldig. Sie machen sich über die angesammelten Knabbereien her und quatschen munter weiter.

Nach etwa zwei Stunden:

Marco: Seid mir nicht böse, aber ich bin echt kaputt. Ich verschwind mal so langsam.

Nico: Ich komm mit.

Martin: (nickt) Ich schließ mich auch an.

Lars: Okay, dann bis morgen mal. Oder, wobei, vielleicht eher bis Sonntagabend.

Jenny: Ach, habt ihr nen Rückruf bekommen, wann wir abgeholt werden?

Sebastian: Ja, vorhin. So gegen zehn kommt uns einer von den dreien abholen, wer wussten sie noch nicht genau.

Jenny: Hmm, dann sollten wir aber auch nicht mehr allzu lange machen.

Sally: Oder ihr macht durch und verschlaft dann das Wochenende.

Lars: Da würden die aber doof aus der Wäsche gucken. Nee, wird schon schief gehen. Also, wer bleibt noch?

Die Mädels schauen sich kurz an und nicken dann gleichzeitig und auch Mirco hat noch keine Lust zu gehen. Nico, Martin und Marco verabschieden sich von den anderen und verschwinden.

Jenny: (lehnt ihren Kopf an Sebastians Schulter) Ich freu mich aufs Wochenende.

Sebastian: Ich auch.

Lars: Wehe, ihr turtelt die ganze Zeit nur rum und behandelt mich wie das fünfte Rad am Wagen.

Sebastian: So ein Blödsinn! Und ansonsten, wäre das ganze doch einfach zu lösen. Such dir ne Freundin, Kumpel.

Lars: Ja, klar ...

Möglichst unauffällig versucht Sally Nina ein Zeichen zu geben, dass sie die Chance ergreifen soll.

Etwa eine halbe Stunde später wird ihre Ruhe durch nähernde Schritte im Flur gestört. Eilig verstecken sich Nina, Sally und Jenny im Bad der Jungs, während diese unter die Bettdecken kriechen. Genau in dem Moment, wo die Zimmertüre von außen geöffnet wird, fällt die Badezimmertüre ins Schloss. Nur Sekundenbruchteile später geht das Licht im Zimmer an.

Herr Kreuzer: Ihr braucht euch gar nicht schlafend zu stellen. Wir wissen, dass ihr noch wach seid.

Lars, Sebastian und Mirco setzen sich in den Betten auf. In der Zwischenzeit geht Herr Stein zur Badezimmertür und öffnet sie.

Herr Stein: Kommt raus da!

Zerknirscht dreinschauend kommen die Mädels zurück ins Zimmer.

Herr Kreuzer: Also? Was soll das hier?

Herr Stein: Hatte ich mich beim letzten Mal nicht klar genug ausgedrückt was Mitternachtspartys angeht?

Nina: Doch ...

Herr Stein: Und warum seid ihr dann nicht in euren Betten?

Jenny: Mir ging's auf einmal total dreckig. Nina und Sally sind nur mit gekommen, weil sie Angst hatten, dass ich sonst im Flur zusammenbreche.

Herr Kreuzer: (mustert Jenny skeptisch) Und warum seid ihr dann hier bei den Jungs im Zimmer?

Nina: Wir wollten ja mit Jenny zu Sven, aber wir konnten ihn nirgends finden.

Sally: Und dann meinte Jenny, dass Lars eventuell etwas da hatte.

Herr Kreuzer: Okay, Sven war mit auf der Geburtstagsfeier. Und, Mirco, was machst du dann hier?

Mirco: Wir hatten überlegt, ob ich eventuell zu Lars und Sebastian ins Zimmer wechseln könnte. Da hatten wir doch auch schon mal mit Ihnen drüber gesprochen. Und das wollten wir heute mal austesten.

Herr Stein: So, so ... Nun gut, dann würde ich vorschlagen, dass ihr drei (schaut die Mädels streng an) jetzt schnellstens in euer Zimmer zurück geht. Jenny, wenn es dir noch nicht besser geht, Sven müsste jetzt wieder da sein.

Jenny: Ich ... es geht schon wieder ... Mir war nur tierisch schwindelig, aber das ist vorbei.

Herr Kreuzer: Da würde es aber sicherlich Sinn machen, wenn Sven sich das mal anschaut.

Lars: Aber bringt das jetzt mitten in der Nacht was? Jenny kann doch, wenn es ihr morgen noch nicht wieder besser geht, immer noch zu ihm gehen.

Sebastian: Aber nur, wenn sie früh genug auf ist. Denkt dran, um zehn werden wir abgeholt ...

Jenny: Ich schlaf jetzt einfach und dann ... wird das schon ... Vielleicht hab ich einfach den Tag über zu wenig getrunken.

Herr Stein: Okay, dann ab in die Federn mit euch!

Blitzschnell verschwinden die Mädels aus dem Zimmer und gehen eilig in ihres. Dort angekommen:

Sally: Puh, das war echt knapp.

Nina: Ja. Ein Glück, dass dir die Ausrede so spontan eingefallen ist, Jenny.

Jenny: Und Mirco dann ja glücklicherweise auch noch.

Nina: Stimmt ... Das hätte Ärger gegeben sonst.

Sally: Sauer genug waren die bestimmt. Das hat sicher noch ein Nachspiel ...

Jenny: Hoffen wir mal, dass sie es uns abgekauft haben und wir noch mal davon kommen.

Sally: Oh ja, sonst können wir uns München die nächsten Tage abschminken.

Jenny: Wenn sich irgendwas am Wochenende ergibt, dann ruft uns an, okay?

Nina: Klar, machen wir. Falls wir uns morgen nicht noch sehen sollten ... Viel Spaß!

Jenny: Danke!

In dem Moment geht die Zimmertür auf.

Herr Stein: Ihr seid ja noch immer nicht im Bett.

Jenny: Aber so gut wie ...

Die Mädels schlüpfen blitzschnell unter ihre Bettdecken. Zufrieden nickend verlässt ihr Klassenlehrer das Zimmer wieder.

Schatten der Vergangenheit

Am nächsten Morgen treffen sich Sebastian, Lars und Jenny um halb neun zum Frühstück in der Mensa.

Lars: Hey, Kleine. Und, wie geht's dir heute?

Jenny: Nicht anders als gestern, warum?

Sebastian deutet unauffällig mit dem Daumen zum Tisch, an dem einige ihrer Lehrer sitzen.

Jenny: (leise) Oh ... Mist ...

Sebastian: (ebenfalls leise) Schon okay. (wieder lauter) Als gestern den Tag über? Oder letzte Nacht?

Jenny: Tagsüber.

Lars: Dann ist ja alles wieder im Lot.

Sebastian: Denke ich auch. Also kein Muss, noch schnell bei Sven vorbei zu gehen.

Jenny: Genau. Wir können das Wochenende also völlig unproblematisch genießen.

Sebastian: Super! Musst du noch viel zusammen packen?

Jenny: Nee, ich muss eigentlich nur meinen Rucksack gleich noch holen und dann bin ich startklar.

Lars: Gut. Sollen wir uns nachher zusammen abmelden gehen?

Sebastian: Zeit genug haben wir ja noch, dann würd ich sagen, machen wir's zummen.

Jenny: Find ich auch.

Lars: Okay.

Sie frühstücken in aller Ruhe und machen sich anschließend auf den Weg in ihre Zimmer um die Sachen zu holen, die sie mitnehmen wollen.

 

***

Um halb zehn treffen sich die drei in der Eingangshalle wieder.

Sebastian: Gehen wir uns sofort abmelden? Oder warten wir noch ein paar Minuten?

Jenny: Mir egal, wie wir's machen.

Lars: Lasst uns noch nen Schlag hinsetzen und dann gehen wir so in zehn Minuten hoch.

Sebastian: Einverstanden.

Langsam schlendern sie in Richtung Sitzecke. Auf ungefähr halbem Weg dorthin kommt ihnen Klaudia entgegen.

Klaudia: Hier seid ihr ... Der Stein und der Kreuzer wollen euch sofort sprechen. Die warten beim Stein im Büro auf euch. Habt ihr irgendwas ausgefressen?

Jenny: Ich wüsste nicht, was dich das angeht. Außerdem, wie kommst du darauf, dass wir was ausgefressen haben?

Klaudia: (lacht gehässig) Mir gegenüber könnt ihr doch ruhig zugeben, dass ihr gestern ne Party veranstaltet habt. Und nicht nur ihr drei alleine ...

Jenny: Achja? Und woher willst du das bitte wissen?

Klaudia: Das kann dir doch wohl egal sein. DU hast dich doch überall hier reingeschlichen und schleimst an jeder Ecke rum.

Jenny: Ich? Dass ich nicht lache! Vielleicht solltest du einfach mal weniger Zeit dazu verschwenden, andere anzuschwärzen, dann hättest du eventuell auch mal ne Chance Freundschaften zu schließen.

Klaudia: Das muss ich mir ja wohl echt nicht bieten lassen!

Jenny: Was soll das denn jetzt wieder heißen? Kannst du die Wahrheit nicht vertragen?

Klaudia: Wenn du nicht hier wärst, dann wär ich jetzt Schülersprecherin und mit Sebastian zusammen.

Sebastian: Äh, was bitte?

Klaudia: Du musst doch auch spüren, dass da zwischen uns was ist. (legt eine Hand auf Sebastians Schulter) ICH bin diejenige, die zu dir stehen wird, wenn es hart auf hart kommt. Auf die da (deutet auf Jenny) kannst du doch getrost verzichten.

Sebastian: (schiebt die Hand von seiner Schulter) Von wegen! Pass bloß auf, was du sagst.

Klaudia: Ihr werdet noch sehen, was ihr davon habt. Und vor allem du, du Schlampe!

Jenny funkelt Klaudia wütend an.

Klaudia: Was?

Jenny: Nimm deine Flossen von meinem Freund und verpiss dich.

Klaudia: Wir werden ja noch sehen, wer am längeren Hebel sitzt. Freu dich bloß nicht zu früh.

Für einen Moment scheint es, als würde Klaudia sich zum Gehen wenden, dann dreht sie sich jedoch ruckartig noch mal um und schlägt Jenny mit der geballten Faust ins Gesicht.

Klaudia: Das hast du jetzt davon! Niemand nimmt mir das weg, was ich mir aufgebaut habe.

Mit schnellen Schritten rennt sie davon und bevor Jenny oder die Jungs reagieren können, ist sie schon verschwunden.

Lars: Was sollte das denn jetzt?

Sebastian: Keine Ahnung ... Ob das jetzt der erste Akt von ihrer Drohung war?

Lars: Drohung? Achso, du meinst, was sie in der Aula gesagt hat? Wer weiß ...

Sebastian: Das geht so auf jeden Fall nicht weiter. Ist alles ... Scheiße! Jenny, deine Nase blutet.

Jenny: Hmm, nicht so schlimm.

Sebastian: (reicht Jenny ein Taschentuch) Hier, nehm das erstmal. Oder willst du lieber zu Sven?

Jenny: Nee, lass mal. Lasst uns zum Stein gehen, dann haben wir's hinter uns.

Lars: Okay.

 

***

Als sie wenig später am Zimmer von Herrn Stein ankommen, steht die Türe offen und sie werden bereits von ihm und Herrn Kreuzer erwartet. Nachdem sie im Zimmer sind, schließt Herr Kreuzer die Tür und tritt zu seinem Kollegen hinter den Schreibtisch um sich dort auf dem zweiten Stuhl niederzulassen.

Herr Stein: Setzt euch!

Eilig setzen die drei sich und warten was passiert. Die Blicke der Lehrer kommen ihnen strenger vor als sonst. Jenny versucht, so zu sitzen, dass den beiden ihre blutige Nase nicht auffällt.

Herr Stein: Also, was sollte das diese Nacht? Warum habt ihr nicht zugegeben, dass ihr eine kleine Mitternachtsparty gemacht hat.

Sebastian: Naja, vielleicht hätten wir das machen sollen ... Aber wir waren einfach total geschockt als Sie so plötzlich aufgetaucht sind.

Lars: Und da ist Jenny dann spontan die Idee gekommen, zu sagen, dass es ihr nicht gut ging.

Herr Kreuzer: Stimmt das, Jenny?

Jenny: Hmmm, ja, stimmt ...

Herr Stein: Wärst du bitte so freundlich, uns anzugucken, wenn wir miteinander reden?

Zögernd schaut Jenny zu ihren Lehrern auf.

Herr Kreuzer: Was ist denn mit dir passiert?

Jenny: Nichts ... nur ein bisschen Nasenbluten ...

Lars: Jenny, bitte ...

Jenny: Nein, Lars.

Herr Stein: Was denn?

Sebastian: Wir waren in der Eingangshalle ...

Jenny: Lass gut sein, Sebastian.

Doch Lars und Sebastian sehen nicht ein, dass Klaudia verschont bleiben soll. Abwechselnd erzählen sie, was sich kurz zuvor in der Eingangshalle zugetragen hat.

Lars: Und am Ende hat sie Jenny zum wiederholten Male gedroht.

Herr Stein: (hellhörig) Hat das etwas mit der Andeutung zu tun, die du auf der Rückfahrt im Zug abgewiegelt hast, Jenny?

Jenny: Ja.

Herr Kreuzer: Also wirklich ... Manchmal frage ich mich, wo ich hier eigentlich bin.

Herr Stein: Gut, also, mit Klaudia werde ich später noch reden. So geht das ja nun wirklich nicht. Aber jetzt erstmal zu dir, Jenny. Du gehst bitte sofort zu Sven.

Jenny: Das muss doch nicht sein. Es hat doch schon fast wieder aufgehört zu bluten und außerdem werden wir in ... (schaut auf ihre Uhr) ... zehn Minuten schon abgeholt.

Lars: Dann hast du doch noch zehn Minuten Zeit. Und zur Not gehen Sebastian und ich schon mal runter und sagen, dass du noch nen Moment brauchst.

Jenny: (verschränkt die Arme vor der Brust) Erst wenn klar ist, wie unsere Strafe aussieht.

Herr Stein: Das ist euch doch sicher schon klar, oder? Ihr werdet die nächste Woche nicht nach München fahren. Und, da wir ja wissen, dass ihr sicher am nächsten Wochenende zum Oktoberfest wollt, werdet ihr nach den AGs noch ein wenig im Internat helfen.

Sebastian: Helfen?

Herr Kreuzer: Ja. Zum Beispiel bei Wartungen in der Sporthalle oder Sven auf der Krankenstation. Was genau, werden wir euch dann jeden Tag kurz mitteilen.

Lars: (seufzt) Okay ... Aber dafür dürfen wir dann nächstes Wochenenede zur Wies'n?

Herr Stein: Genau. Wir werden auch noch mit Sally, Nina und Mirco reden. Und falls noch mehr dabei waren, wäre es, unserer Ansicht nach, nur fair, wenn sie die Strafe freiwillig mit übernehmen. Ist euch das soweit klar?

Die drei nicken bestätigend.

Herr Kreuzer: Gut, dann geht jetzt. Wann kommt ihr morgen zurück?

Sebastian: Wissen wir noch nicht genau.

Herr Kreuzer: Dann seid bitte zum Abendessen zurück.

Lars: Okay.

Herr Stein: Falls es nicht klappen sollte, ruft einfach kurz an.

Sebastian: Machen wir.

Jenny: Können wir dann jetzt?

Herr Stein: (unterdrückt ein Schmunzeln) Ja, ihr könnt gehen.

Schnell verlassen sie das Zimmer.

Sebastian: Na, das war ja noch alles halb so wild. Ich hatte mit ner richtigen Standpauke gerechnet.

Lars: Ich auch ... So, Jenny, dann flitz mal eben noch zu Sven. Ich glaub, deine Lippe hat auch was abgekriegt.

Jenny: Och nee, das hört schon gleich wieder auf.

Lars: (genervt) Jenny ...

Jenny: Wieso denn?

Sebastian: Darum. Sei doch bitte mal ein bisschen vernünftig.

Lars: Ich komm auch mit.

Jenny: Ihr lasst mir wohl keine andere Wahl ...

Sebastian: Genau. Ich warte dann unten und fang wen auch immer ab, der uns abholen kommt.

Lars: Okay, bis gleich.

Sebastian: Bis gleich. Soll ich eure Rucksäcke schonmal mitnehmen?

Jenny: Nee, brauchst du nicht.

Sebastian: Okay, wie ihr wollt. Also dann, bis später.

 

***

Eine knappe Viertelstunde später kommen Jenny und Lars aus dem Internat nach draußen, wo Sebastian zusammen mit Karin auf die beiden wartet.

Karin: Da seid ihr ja. Alles in Ordnung?

Lars: Hallo, Karin. Ja, alles okay.

Sebastian: Was hat Sven gesagt?

Jenny: Alles halb so wild. Nichts gebrochen und die Lippe war nur leicht aufgeplatzt.

Karin: Ihr macht aber auch Sachen. Bereit für ein Wochenende mit der Familie?

Sebastian: Klar, Mutti.

Karin: Na dann, steigt ein und dann kann's losgehen.

Sie packen ihre Rucksäcke in den Kofferraum und steigen ins Auto.

Lars: Sind Peter und Paps zuhause?

Karin: Ja, die beiden wollten noch die letzten Möbel zusammen bauen.

Sebastian: Cool, dann kommen wir da wohl doch drum herum, Lars.

Lars: (lacht) Stimmt. Dann müssen wir nur noch einräumen.

Karin: Auch nicht mehr viel.

Jenny: (erstaunt) Wie jetzt?

Karin: Naja, ich hab mir erlaubt, mich auch ein bisschen nützlich zu machen. Das heißt, wir werden wohl, zumindest wenn die beiden den Rest fertig aufgebaut kriegen, ein ruhiges Wochenende genießen können.

Jenny: Hmm, nicht übel. Danke, Karin.

Karin: Gerne.

 

***

Als die vier zuhause ankommen, warten Peter und Max bereits auf sie. Freudig begrüßen sie einander. Nachdem sie eine Weile geplaudert haben:

Peter: Lars, Sebastian, könntet ihr mir mit dem Grill helfen?

Sebastian: Ja, klar, kein Problem.

Karin: Ich geh auch mal rein und bereite den Salat vor.

Jenny: Kann ich dir bei irgendwas helfen, Karin?

Karin: Nein, brauchst du nicht.

Max: Aber ich könnte ein bisschen Hilfe gebrauchen. Es ist zwar alles soweit verstaut, aber die Küchenschränke sind noch leer.

Jenny: (schmunzelt) Okay, dann machen wir das mal. Nicht, dass du jeden Tag bei Karin und Peter schnorren oder an ne Pommesbude fahren musst.

 

***

Im Flur stellt Jenny ihren Rucksack ab und geht hinter Max her in die geräumige Wohnküche.

Jenny: Okay, Paps, wo fangen wir an?

Max: Setz dich erstmal.

Jenny: Hä? Ich dachte ...

Max: Das war nur ein Vorwand. Es ist bereits alles an Ort und Stelle.

Jenny: Okay ...

Die beiden setzen sich an den großen Esszimmertisch.

Jenny: Was gibt's denn?

Max: Kannst du dir das nicht denken?

Jenny: Ähm ... nicht so wirklich.

Max: Na, dann werd ich dir wohl mal auf die Sprünge helfen.

Jenny: Das wäre nett.

Max: Ich wollte mit dir über den Brief reden, den du letzte Woche auf dem Rücksitz liegen gelassen hast.

Jenny: Achso, ja, jetzt versteh ich, was du meinst.

Max: Ja. Und auch noch etwas anderes, was aber, wie ich jetzt vermute, auch mit dem Brief zusammenhängen könnte.

Jenny: Okay ... Was meinst du?

Max: Lars hat letzten Samstag kurz mit mir gesprochen, in der Zeit wo du mit Karin in der Küche warst.

Jenny: Und?

Max: Er macht sich, genau wie ich auch, ziemliche Sorgen.

Jenny: Ich ... ich versteh euch ja auch ... Nur ... ich konnte da einfach nicht eher drüber reden.

Max: Um Gottes Willen, Jenny, ich will dir hier keine Vorwürfe machen. (legt eine Hand auf Jennys) Ich bin nur froh, jetzt zu wissen, warum du dich so verändert hast seit den Sommerferien.

Jenny: Aber was machen wir jetzt?

Max: Wir fahren gleich zusammen in die Stadt und dann erstattest du Anzeige. Kennst du die Namen von den dreien?

Jenny: (zerknirscht) Nein, ich weiß nur, dass einer Karsten mit Vornamen heißt.

Max: Okay, das macht nichts.

Jenny: Aber, wenn die was rauskriegen ... Die machen mich doch dann fertig.

Max: So weit wird es nicht kommen. Das versprech ich dir.

Jenny: Okay, gut ... Meinst du, ich soll Lars auch sagen, was passiert ist?

Max: Das musst du entscheiden, Jenny. Wenn du es ihm erzählen möchtest, dann mach es. Aber zwing dich zu nichts.

Jenny: (seufzt) Er wird es ja eh erfahren ... Wenn wir gleich nach München fahren, dann fragt er doch bestimmt, nach dem Grund.

Max: Okay, das stimmt wohl.

Jenny: Dann rede ich gleich nach dem Essen mit ihm ... und mit Sebastian auch ...

Max: Ihr versteht euch ziemlich gut, oder?

Jenny: Ja ... Er ist ... (lächelt verträumt) einfach ... ähm ...

Max: Dein Freund?

Jenny: (überrascht) Du weißt es?

Max: Denkst du, ich seh meiner Tochter nicht an, wenn sie bis über beide Ohren verknallt ist? Und die Blicke, die ihr euch letztes Wochenende zugeworfen habt ... Da müsste man schon blind sein.

Jenny: Aber, ich hab ... wir sind doch erst seit letztem Sonntag zusammen ...

Max: (lacht) Das mag vielleicht sein, aber das Knistern zwischen euch war schon sehr auffällig.

Jenny: Okay ... Aber ... ähm ... Paps?

Max: Ja, Jenny?

Jenny: Wegen Mutti ...

Max steht auf und deutet Jenny an, auch aufzustehen. Als sie ebenfalls steht, schlingt er seine Arme um sie und zieht sie an seine Brust.

Max: Du musst damit aufhören, dir einzureden, dass du Schuld an dem Unfall oder Muttis Tod bist.

Jenny windet sich aus den Armen ihres Vaters und schaut zu ihm hoch.

Jenny: Aber wenn ich nicht unbedingt so schnell wie möglich zu Lars ins Internat gewollt oder euch schon früher was davon gesagt hätte ...

Max: Hör mir mal genau zu, Jenny! So hart das jetzt auch klingen mag, aber der Unfall ist nicht mehr rückgängig zu machen und wir müssen uns damit abfinden, dass Mutti tot ist.

Jenny: Aber ...

Max: Jenny, bitte, du bist weder Schuld an dem Unfall, noch daran, dass Mutti danach gestorben ist. Die Schuld liegt ganz alleine bei dem Mann, der uns ins Auto gefahren ist. Du musst das akzeptieren, sonst gehst du an deinen Selbstvorwürfen kaputt.

Jenny: Das mag ja sein, aber ich kann das nicht mal eben auf Knopfdruck abstellen.

Max: Das verlangt ja auch keiner. Nur, versprich mir bitte, dass du mit jemandem sprichst. Egal ob mit einem deiner Lehrer, Lars, Sebastian oder mir ... oder auch mit jemand ganz anderem. Du weißt, dass du Tag und Nacht anrufen kannst, wenn dich etwas bedrückt oder du jemanden zum Reden brauchst.

Jenny: Ja, Paps. Versprochen.

Max: Gut. Dann lass uns mal gucken, wie weit das Essen ist und heute Nachmittag fahren wir dann in die Stadt.

Jenny: Okay ... Einverstanden.

 

***

Etwas später sitzen die sechs im großen Garten zusammen beim Essen. Lars und Sebastian werfen immer wieder besorgte Blicke zu Jenny, die mehr in ihrem Essen rumstochert als wirklich etwas zu essen.

Jenny: Sorry ... ich ... ich kann einfach nicht ... ich brauch nen Moment für mich.

Ohne auf die Reaktionen der anderen zu warten, steht Jenny auf und geht ums Haus herum in Richtung Waldrand. Dort angekommen, lässt sie sich auf den Boden sinken, zieht die Knie ran und wiegt sich leise schluchzend vor und zurück.

Währenddessen bei den anderen:

Lars: (verwirrt) Was war denn das jetzt wieder?

Max: Lasst sie mal einen Moment in Ruhe. Ich denke, sie wird später mit euch beiden reden.

Sebastian: Okay, wenn du meinst.

Max: Ja, meine ich.

Lars: Hat sie mit dir gesprochen?

Max: (nickt) Sie hatte letzten Samstag einen Brief im Auto liegen lassen, wo sie alles aufgeschrieben hat, was los ist.

Lars: Endlich ...

 

***

Als sie mit dem Essen fertig sind, springen Lars und Sebastian sofort auf und machen sich auf die Suche nach Jenny.

Sebastian: Was meinst du war es?

Lars: Ich hab absolut keine Idee, aber so wie Jenny sich die letzten Wochen verhalten hat ... Da war es definitiv keine Lapalie.

Sebastian: Das glaub ich dir aufs Wort. Willst du erstmal alleine zu ihr?

Lars: Nee, komm ruhig mit.

Sebastian: Okay, zur Not kann ich ja immer noch wieder zurück gehen.

Lars: Genau. (zögert) Und selbst wenn sie uns doch noch nichts sagt, zumindest Paps weiß jetzt Bescheid.

Sebastian: Stimmt. (bleibt abrupt stehen) Scheiße! Ist das Jenny da drüben?

Lars: (schaut hektisch hin und her) Wo?

Sebastian: Da hinten. Direkt am Waldrand.

Lars: Mist! Ja, das ist sie! Was zum Teufel ...?

Sebastian: Ganz ruhig, Lars. Bitte behalt die Nerven, okay?

Lars: Ich versuch's ...

Rennend legen die beiden die letzten Meter zum Waldrand zurück, wo Lars sich sofort neben seine am Boden liegende Schwester hockt.

Lars: Jenny?

Sebastian: Hey, Jenny ... Was ist los?

Jenny: Nichts. Lasst mich bitte in Ruhe ...

Lars: Nein, wir bleiben jetzt hier. Du liegst heulend im Gras, bist nur noch ein Wrack, da lassen wir dich ganz bestimmt nicht alleine.

Sebastian setzt sich neben Jenny, hebt ihren Kopf an und legt ihn auf seinen Schoß, ihr sanft die Haare aus dem Gesicht streichelnd.

Sebastian: Bitte, Jenny, sag uns was los ist. Wir wollen dir doch nur helfen.

Lars: (drückt Jennys Hand) Sebastian hat Recht. Egal was passiert ist, wir sind für dich da. Aber du musst uns auch sagen, was ist, sonst ... sonst können wir dir nicht helfen.

Jenny: Ich weiß ... aber ... es ist nichts ...

Lars: Ach komm, gib dir nen Ruck, Kleine.

Jenny: Hat Paps irgendwas gesagt?

Sebastian: Nur, dass er mit dir geredet hat und dass du uns auch noch erzählen würdest, was los ist.

Jenny: (seufzt) Dann muss ich wohl ... Aber, bitte versprecht mir, dass ihr nicht ausrastet.

Lars: Okay, wir versuchen es.

Stockend, und immer wieder von Schluchzen unterbrochen, erzählt Jenny den beiden Jungs, was sich vor einigen Wochen am Busbahnhof ihrer alten Schule zugetragen hat. Die ganze Zeit über drückt Lars ihre Hand leicht und Sebastian tupft ihr zwischendurch Tränen weg, die sich einen Weg über ihr Gesicht bahnen.

Als sie geendet hat, kann Lars sich jedoch nicht wirklich zusammenreißen. Er springt auf, läuft hin und her und schimpft unverständlich vor sich hin.

Sebastian: (leise) Es wird alles gut, Jenny. Wir helfen dir.

Jenny: Ich weiß ... (unsicher) Ist Lars jetzt sauer auf mich?

Sebastian: Auf dich? Quatsch! Höchtens auf diese Idioten. Ich kann mich, ehrlich gesagt, auch nur schwer zusammenreißen.

Jenny: Scheiße ... Ich hätte euch nichts davon erzählen sollen.

Lars, der gerade bei den Worten wieder bei Jenny und Sebastian angekommen ist, bleibt ruckartig stehen.

Lars: Uns nichts davon erzählen?! Jenny, du hättest schon viel eher was sagen sollen. Ich hätte hier sofort alles stehen und liegen gelassen, wäre nach Hause gekommen und hätte diesen Arschlöchern das Fell über die Ohren gezogen.

Jenny: Ich konnte einfach nicht eher drüber reden. Es ging einfach nicht, war wie eine Blockade in meinem Kopf ... Und ihr seid doch jetzt auch total fertig ...

Sebastian: Was hast du jetzt vor?

Jenny: Naja, Paps möchte, dass ich die anzeige. Er will gleich mit mir nach München fahren ...

Sebastian: Das klingt doch vernünftig.

Jenny: Schon, aber ich weiß nicht, ob ich nochmal die Kraft habe, das alles zu erzählen, wieder und wieder. Versteht ihr?

Die beiden nicken und Sebastian zieht Jenny zu sich in den Arm, während Lars ihr beruhigend eine Hand drückt. Stumm verständigen sich die Jungs mit Blicken.

Lars: Kann ich dich kurz mit Sebastian alleine lassen, Jenny?

Jenny: Ja, klar.

Langsam richtet Lars sich wieder auf und geht aufs Haus zu. Unsicher schaut Jenny zu Sebastian hoch.

Sebastian: Was ist los, mh?

Jenny: Ich hab Angst ... Was ... was denkst du gerade von mir?

Sebastian: Moment, du meinst, dass ich dich jetzt nicht mehr liebe? (Jenny nickt) Verdammt, Jenny, denk nicht so einen Mist! Du kannst doch nichts dafür, was die Idioten gemacht haben. Ich liebe dich, Jenny! Und da hat sich durch das, was du gerade erzählt hast, absolut nichts geändert. Wenn überhaupt, dann liebe ich dich jetzt nur noch mehr.

Verwirrt erwidert Jenny Sebastians Blick.

Jenny: Aber ...

Doch Jenny kommt nicht mehr dazu, ihren Satz zu beenden. Feste legen sich Sebastians Lippen auf ihre und küssen ihre Gedanken weg. Nach einer Weile lösen sie sich zögernd wieder von einander.

Sebastian: Glaubst du mir jetzt?

Jenny: Ja ...

Sebastian: Gut. (zögert) Sollen wir wieder zurück?

Jenny: Okay, ja. Ich kann mich ja nicht das ganze Wochenende hier verstecken.

Sebastian: Stimmt. Sonst liegst du Montag bei Sven im Krankenzimmer.

Er steht auf und zieht Jenny sanft auf die Beine. Hand in Hand gehen die beiden zum Haus zurück.

 

***

Drei Stunden später sind Max, Jenny und Lars auf dem Rückweg von München nach Hause. Nur widerwillig war Sebastian zuhause geblieben als die drei aufgebrochen waren.

Max: Alles in Ordnung, Jenny?

Jenny: Hmmm ... Bin nur froh, dass ich's jetzt erstmal hinter mir hab und nicht noch mal erzählen muss.

Lars: Aber es war auf jeden Fall die richtige Entscheidung.

Jenny: Ich weiß ... aber das hat es nicht leichter gemacht. Ich schreib Sebastian mal eben, dass alles okay ist.

Max: Mach das. (lächelt in den Rückspiegel) Und jetzt Kopf hoch, Kleine!

Lars: Genau! Wir wollen die alte Jenny zurück.

Jenny: (tippt auf ihrem Handy rum) Ja, ja, schon klar. Nur geht das nicht mal eben auf Knopfdruck.

Lars: Das wissen wir doch. Aber wir helfen dir schon dabei.

Jenny: Danke.

Max: Das ist doch logo, Kleines. (wartet einen Moment) Den Rest des Wochenendes gönnen wir uns aber jetzt Entspannung, oder was meint ihr?

Lars: Klingt nach nem guten Plan.

Jenny: Find ich auch. Aber mit den Kehrmanns oder?

Max: (lacht) Natürlich!

 

***

Unruhig geht Sebastian in der Küche auf und ab.

Peter: Junge, jetzt setz dich bitte mal. Du machst uns ja noch ganz kirre.

Sebastian: Sorry, aber ich mach mir einfach Sorgen um Jenny.

Karin: Sie hat doch Lars und Max dabei. Was soll ihr denn da groß passieren?

Sebastian: Ihr versteht das nicht ...

Peter: Doch, wir verstehen das schon. Aber es hilft ihr auch nicht, wenn du jetzt hier wie ein Tiger im Käfig durch die Gegend rennst, während Jenny auf der Wache Anzeige ...

Karin: Peter!

Sebastian: Du ... Ihr ... ihr wisst, was los ist?

Karin: Ja. Max war fix und fertig nachdem er den Brief von Jenny gelesen hat. Er wollte uns zunächst nicht sagen, was los ist, aber du kennst ja deinen Vater.

Sebastian: (nickt) Ja, das stimmt wohl. Hartnäckig und stur, wenn er was erfahren will ...

Peter: Sebastian!

Sebastian: Ach, komm schon, Paps. Du weißt doch, was ich meine.

Peter: (schmunzelt) Klar weiß ich das.

In dem Moment kündigt Sebastians Handy eine Nachricht an. Er schnappt danach, öffnet sie und lässt sich mit einem erleichterten Seufzen auf einen der Stühle sinken.

Sebastian: Von Jenny ... Es ist alles okay.

Karin: Na siehst du. Und der Rest wird sich auch finden. Sie hat so viele verständnisvolle Leute um sich herum und jetzt ja auch noch dich als Freund ...

Überrascht schaut Sebastian zwischen seinen Eltern hin und her.

Peter: Mensch, Junge, du glaubst wohl wirklich, wir leben hinter dem Mond.

Sebastian: Aber ... woher?

Karin: Nenn es wegen mir mütterlicher Instinkt. Aber selbst deinem Vater sind die heimlichen Blicke und Berührungen letztes Wochenende zwischen euch aufgefallen.

Sebastian: Ihr macht mich fertig. Gibt's sonst noch was, was ihr wisst, wo ich besser von wissen sollte?

Peter: Nein, alles gut.

Sebastian: Ein Glück! Das reicht echt an Schock für heute, nein, für das ganze Wochenende ...

Karin: Kein Sorge, den Rest des Wochenendes verbringen wir in Entspannung.

Peter: Hoffentlich ...

Karin: Sieh mal nicht so schwarz, Peter.

Peter: Mach ich ja gar nicht.

Sebastian: (lacht leise) Ihr zwei wieder ... (zögert) Ich wollte mich noch bei euch bedanken, dass ihr den Bergers die Haushälfte verkauft habt.

Karin: (umarmt Sebastian von hinten) Wir haben uns eben auf Anhieb verstanden, oder?

Peter: Genau!

Sebastian: Trotzdem danke!

Peter: Schon gut. Genug Gefühlsduselei fürs Erste ...

Sebastian: Okay, aber nur bis Jenny wieder da ist. Weil dann werde ich es mir nicht nehmen lassen, sie in den Arm zu nehmen und so.

Karin: Das verlangt doch auch keiner von dir.

 

***

Wieder zuhause angekommen, springt Jenny aus dem Auto und läuft Sebastian entgegen, der zur gleichen Zeit die Haustür aufreißt. Sie fallen sich, unter den leicht belustigten Blicken der anderen, in die Arme als hätten sie sich wochenlang nicht gesehen.

Sebastian: Ich bin so froh, dass du wieder hier bist.

Jenny: Wo sollte ich auch sonst sein?

Sebastian: (stutz) Ähm ... ja ... auch wieder wahr.

Lars: Wir waren doch grade mal zwei, drei Stunden weg.

Sebastian: Die mir aber wie eine beschissene Ewigkeit vorkamen.

Max: War es wirklich so schlimm?

Peter: Schlimmer ... Erst nachdem er Jennys Nachricht bekommen hat, das alles in Ordnung ist, hat er sich überhaupt mal hingesetzt.

Max: Oha. Da musstet ihr ja was aushalten.

Karin: Geht schon. Wie du siehst, wir haben alle drei überlebt.

Sebastian: Zum Glück. Jenny, bitte versprich mir, dass du sofort zu uns kommst, falls noch mal irgendwas passieren sollte, dass dich so aus der Bahn wirft.

Jenny: Versprochen. Euch allen. Es ist zwar nicht wirklich besser jetzt, aber doch irgendwie leichter.

Lars: An dem Besser arbeiten wir zusammen dran. Einverstanden?

Jenny: Okay, klingt gut.

Karin: Was haltet ihr davon, wenn wir nachher zu Luigi fahren?

Peter: (verwundert) Heute? Seit wann isst du zweimal warm?

Karin: Ich dachte nur ... so als Ablenkung und zum Abschalten.

Max: Sollen wir das nicht morgen machen? Zum Mittagessen?

Karin: Einverstanden. Dann ruf ich gleich mal an und reservier uns einen Tisch.

Peter: Mach das.

Lars: Steht denn für heute noch irgendwas an?

Max: Nicht wirklich.

Jenny: Gut. Lars, Sebastian, kommt ihr mit rein?

Sebastian: Was hast du vor?

Jenny: Naja, ich dachte, wir drei könnten das Abendessen zusammen vorbereiten ...

Lars: (skeptisch) Okay ...

Karin: Das müsst ihr aber nicht.

Jenny: Doch. Und, keine Bange, es wird nichts Außergewöhnliches.

Sebastian: Okay, ich bin dabei.

Lars: Na gut ...

Max: Soll ich euch helfen?

Jenny: Nö, setzt ihr euch ruhig gemütlich in den Garten oder so. Wir kriegen das schon hin.

Peter: Wie ihr meint. Max, ein Bier?

Max: Gerne.

Peter: Und du, Karin?

Karin: Ein Wasser, bitte.

Peter: (schüttelt irritiert den Kopf) Okay, ein Wasser ...

 

***

Während die Erwachsenen es sich in einer sonnigen Ecke des Gartens bequem machen, verschwinden Jenny, Lars und Sebastian im Haus.

Lars: Okay, raus mit der Sprache, Jenny!

Jenny: Wie? Was meinste?

Lars: Naja, warum willst du unbedingt Abendessen machen, anstatt dich in die Sonne zu legen?

Jenny: Achso ... Als Dankeschön.

Sebastian: Dankeschön?

Jenny: Ja. Für deine Eltern, weil sie uns hier wohnen lassen und für Paps, weil er ... naja ... weil er nicht sauer war, dass ich nicht eher was gesagt hab.

Lars: (schmunzelt) Hmmm ... dann müsstest du das Abendessen eigentlich alleine machen.

Jenny: Wieso?

Lars: Naja, für Sebastian und mich, weil wir immer für dich da sind.

Jenny: Oh ... hmmm ... hast Recht.

Sebastian: Aber, wir sind ja nicht so. Wir helfen dir trotzdem. Oder, Lars?

Lars: Klar doch!

Jenny: Danke!

Sebastian: Kein Ding. Also, was hattest du vor?

Jenny: Ich dachte an einen gemischten Salat und dazu Schnittchen. Oder meint ihr, das ist nichts?

Lars: Doch, klingt gut.

Sebastian: Okay, dann schnibbel ich mal die Paprika klein.

Lars: Und ich nehm mir den Salat und die Tomaten vor.

Jenny: Perfekt. Dann kümmer ich mich ums Brot.

Im trauten Einklang bereiten sie die Sachen vor. Beinahe gelöst summt Jenny dabei leise vor sich hin, während die Jungs sich über ihren Kopf hinweg erleichterte Blicke zu werfen. Erst das leise Brummen von Jennys Handy reißt sie aus ihrem geschäftigen Tun.

Jenny: (überrascht) Oh, das ist Nina. Ich geh mal schnell ran.

Lars: Okay.

Jenny: Hey, Nina! Vermisst ihr uns schon?

Nina: Hi, Jenny. Nee, deshalb ruf ich nicht an, auch wenn's schön wäre, wenn ihr hier wärt. Sag mal, hast du eventuell aus Versehen Sallys Handy mit eingepackt?

Jenny: Ähm, nee, nicht, dass ich wüsste. Warte, ich guck mal eben in meinem Rucksack nach. (wühlt im Rucksack) Da ist nichts, Nina.

Nina: Scheiße. Du warst jetzt unsere letzte Hoffnung.

Jenny: Was ist denn los? Ich versteh nur Bahnhof.

Nina: Ach, Klaudia zickt rum wie ne Blöde, zieht hier die ganze Zeit über dich, Lars und Sebastian her.

Jenny: Wie bitte?!

Nina: Ja, die dreht voll durch. Sagt andauernd, dass ihr es noch bitterlich bereuen würdet, dass ihr sie beim Stein verpetzt habt und ... ähm ... auch, dass du dich an Sebastian rangeschmissen hast.

Jenny: Was? Tickt die noch ganz sauber?

Nina: Keine Ahnung.

Jenny: Aber was hat das mit Sallys Handy zu tun?

Nina: Muss es nicht unbedingt. Dass ihr Handy fehlt, ist uns nur aufgefallen, weil Sally euch per SMS vorwarnen wollte. Und da hatten wir jetzt halt gehofft, dass du es versehentlich mit eingepackt habt, weil ihr doch beide das gleiche Modell habt.

Jenny: Hmm, ja ... Aber hab ich nicht, leider.

Nina: Naja, wir suchen mal weiter. Vielleicht hat sie's auch nur verlegt.

Jenny: Okay, viel Glück! Und ... ähm ... wenn Klaudia noch weiter rumzickt oder so, meldet ihr euch dann noch mal?

Nina: Klar, machen wir. Schönen Gruß an Lars und Sebastian.

Jenny: Danke, richte ich aus. Grüß du auch die anderen von uns.

Nina: Okay. Dann mal bis morgen!

Jenny: Ja, bis morgen!

Jenny legt auf und wendet sich wieder dem Schmieren der Schnitten zu.

Sebastian: Was ist denn mit Klaudia?

Jenny: Sie regt sich wohl die ganze Zeit auf, weil wir dem Stein was gesagt haben.

Lars: Das ist aber noch nicht alles oder?

Jenny: Hmm, nee ... So wie Nina meinte, droht sie auch immer wieder, dass wir's noch bereuen und auch, dass ich mich ... (schaut zu Sebastian) ... an dich rangeschmissen hätte.

Sebastian: Was für eine dumme Kuh! Niemals hätte ich mich mit der eingelassen. Glaub mir, Jenny, selbst wenn Klaudia die letzte Frau wäre, ich hätte nie irgendwas mit ihr angefangen.

Jenny: Das glaub ich dir ja auch. Aber ich vermute, Klaudia wird das nicht schnallen.

Lars: Und was war wegen Sallys Handy?

Jenny: Sie findet's nicht mehr. Die beiden hatten gehofft, dass ich es versehentlich mit eingesteckt hatte.

Sebastian: Okay ... Sehr seltsam. Meint ihr ... Wobei, würde sie so weit gehen?

Lars: Was meinst du?

Sebastian: Naja, ich dachte grade spontan, dass vielleicht Klaudia das Handy genommen haben könnte. Aber andererseits, was sollte sie damit anfangen?

Lars: Stimmt, das macht keinen Sinn.

Jenny: Naja, sie wollen jetzt weiter suchen und sich noch mal melden, wenn's was Neues gibt.

Lars: Okay, gut.

Sebastian: (seufzt leise) Was für ein Tag ...

Lars: Hä?

Sebastian: Naja, erst das, was Jenny uns erzählt hat, dann erfahr ich, dass meine Eltern letztes Wochenende schon Lunte gerochen hatten und zu guter Letzt jetzt noch Klaudia mit ihren Drohungen ...

Lars: Sieh's doch mal positiv. Schlimmer kann's eigentlich jetzt nicht mehr werden.

Jenny: Genau. Wie weit seid ihr?

Lars: Alles klein geschnibbelt. Und das Dressing hab ich auch schon gemacht.

Sebastian: Ich bin mit den Paprikas auch fertig.

Jenny: Perfekt! Ich bin auch durch. Dann würd ich sagen, tischen wir unseren Eltern mal was zu futtern auf, oder?

Lars: Gute Idee. Und ... ähm ... ne Flasche Sekt mit rausnehmen? Wir wollten doch mal anstoßen. Was meint ihr?

Sebastian: Klar, warum nicht?

Jenny: Okay. Nimmt einer von euch die Platte und die Salatschüssel und einer Teller und Besteck? Dann such ich die Gläser raus und hol den Sekt.

Lars: So machen wir's.

 

***

Als sie kurz darauf bei den Erwachsenen ankommen, schauen diese ihnen erwartungsvoll entgegen.

Karin: Oh, das sieht aber lecker aus.

Lars: Danke.

Max: Sekt? Haben wir Grund zum Feiern?

Jenny: Hmm, in gewisser Weise ja schon, oder?

Sebastian: Außerdem muss es doch nicht immer nen Grund geben, um ne Flasche Sekt zu köpfen.

Lars: Andererseits, ihr wisst doch, dass Jenny stellvertretende Schülersprecherin geworden ist. Und da haben wir dann, als wir letzte Woche zusammen mit den anderen in München waren mit alkoholfreiem Sekt angestoßen.

Sebastian: Ja, genau, und daraufhin hab ich dann gesagt, dass wir, wenn wir zuhause sind, ja noch mal richtig anstoßen könnten.

Peter: So, so, na dann.

Jenny: Eine Flasche ist doch echt nicht viel für sechs Personen.

Max: Ihr habt ja Recht, bin schon überzeugt. Na, dann lasst den Korken mal knallen.

Sebastian nimmt Jenny die Flasche aus der Hand und kurz darauf fliegt der Korken bereits in hohem Bogen über die Wiese. Schmunzelnd beobachtet Jenny ihren Freund und hält ihm anschließend nacheinander die Gläser hin.

Karin: Ähm, für mich bitte nur einen kleinen Schluck.

Peter: Musst du gleich noch weg? Habt ihr vom Chor noch was, das ich vergessen habe?

Karin: Nein, das nicht. Aber ... mir ist heute schon den ganzen Tag nicht so gut ... und ... da bleib ich lieber beim Wasser.

Peter: Also, jetzt versteh ich gar nichts mehr. Eben wolltest du doch noch zu Luigi.

Karin: Ich wollte halt nicht, dass ihr euch Sorgen macht.

Jenny: (räuspert sich leise) Möchtest du dann lieber keinen Sekt, Karin?

Karin: Ist vielleicht besser. Ich stoße dann mit Wasser mit euch an.

Peter: Wie du meinst ...

Mit einem angedeuteten Schulterzucken verteilt Sebastian den Sekt auf fünf Gläser.

Max: Na dann, auf deinen Posten, Jenny!

Jenny: (verlegen) Danke. Aber ich würde eigentlich lieber darauf anstoßen, dass wir jetzt hier wohnen und dass wir uns alle auf Anhieb so gut verstehen.

Lars: Auf uns!

Alle: Auf uns!

Sie prosten sich zu und trinken jeder einen Schluck. Anschließend wenden sie sich dem Abendessen zu.

 

***

Nach dem Abendessen räumen Jenny, Lars und Sebastian gerade das schmutzige Geschirr in die Spülmaschine, als Jennys Handy wieder klingelt.

Jenny: Hey, Sally! Habt ihr dein Handy doch wieder gefunden?

Klaudia: Hier ist nicht Sally.

Jenny: (stellt das Handy auf Lautsprecherfunktion) Du?!

Klaudia: Ja, ich.

Jenny: Was willst du?

Klaudia: Dir nur sagen, dass du das alles noch bitter bereuen wirst.

Jenny: Achja?

Klaudia: Ja! Hundertprozentig! Und ich garantiere dir, das sind keine leeren Drohungen. Ich halte meine Versprechen.

Jenny: Viel Spaß dabei.

Klaudia: Oh, den werd ich haben.

Jenny: Gibst du Sally das Handy freiwillig zurück? Oder soll ich dem Stein nen freundlichen Wink geben?

Klaudia: Was kann ich denn dafür, dass die dumme Kuh ihr Handy rumliegen lassen hat?

Jenny: Du hast die Wahl. Ich geb dir fünf Minuten, dann ruf ich erst Nina an und anschließend beim Stein, wenn Sally ihr Handy noch nicht hat.

Klaudia: (lacht) Du glaubst doch nicht ernsthaft, dass ich mich von dir erpressen lasse.

Jenny: Lass es drauf ankommen. Achso, übrigens, Lars und Sebastian haben gerade alles mitgehört. Also keine Chance, dich rauszureden.

Klaudia: Scheiße! Okay, ich geb Sally das Handy jetzt sofort zurück. Dafür haltet ihr aber die Klappe.

Jenny: Du hast fünf Minuten Zeit. Wenn ich bis dahin nichts von Nina oder Sally gehört hab, klingelt das Telefon beim Stein.

Klaudia: Ist ja gut, ich hab's gerafft.

Mit einem triumphierenden Lächeln im Gesicht, legt Jenny ihr Handy wieder zur Seite.

Lars: (lachend) Was war denn das bitte?

Jenny: Keine Ahnung ... Aber ist mir, ehrlich gesagt, auch egal.

Sebastian: Willst du echt den Stein anrufen, wenn sie's nicht in fünf Minuten zurückgegeben hat?

Jenny: Weiß ich noch nicht. Eigentlich wäre es ja nur fair ... Andererseits: Wäre ich dann nicht genau so eine Petze wie Klaudia?

Sebastian: Nicht in so nem Fall. Oder glaubst du, dass Sally es echt nur irgendwo hat liegen lassen?

Jenny: Ich hab echt keinen Plan. Normalerweise ist Sally total ordentlich ...

Lars: Hmmm ... schon verdächtig.

Sebastian: Naja, ich bin auf jeden Fall mal gespannt, ob Nina oder Sally jetzt gleich anrufen oder so.

Jenny: Nicht nur du ...

Sebastian: Und danach lasst uns bitte mal versuchen, abzuschalten, okay?

Lars und Jenny nicken zustimmend.

Lars: Definitiv!

Jenny: (zerknirscht) Sorry, wenn ich euch den Tag vermiest habe ...

Sebastian: Was? Quatsch! So hab ich das doch auch nicht gemeint. (nimmt Jenny in den Arm) Wann geht das endlich in deinen Dickschädel rein, dass du jederzeit zu uns kommen kannst, wenn du n Problem hast?

Jenny: Weiß nicht, vielleicht nie ...

Lars: (grinsend) Geb's auf, Sebastian. Das versuch ich ihr jetzt schon seit etwas über 16 Jahren einzutrichtern und ... naja ... man sieht ja, was bei rumgekommen ist.

Sebastian: Vielleicht bist du's einfach falsch angegangen?

Lars: Wie jetzt?

Jenny: Nee, das war einfach was, wo ich gedacht hab, ich könnte es vergessen, wenn ich nicht drüber rede. Das nächste, was ich gedacht habe, war dann, wenn ich weit genug von der alten Schule weg wäre, würde die Erinnerung verblassen. Aber weder das eine, noch das andere hat geholfen.

Lars: Und dann hast du Paps den Brief geschrieben?

Jenny: Ja ... nein ...

Sebastian: Hä? Euer Vater hat aber doch was von einem Brief erzählt.

Jenny: Ja ... ich hab ihm ja einen geschrieben.

Lars: Aber?

Jenny: Als wir letzten Freitag beim Kreuzer waren, wo Paps angerufen hatte wegen dem Haus, da bin ich doch danach noch mal zu ihm.

Lars: Ja, aber das war doch wegen Mathe, oder?

Jenny: (nickt) War es. Allerdings hat er mich anschließend dann noch gefragt, warum ich gesagt hätte, dass ich nie wieder auf eine andere Schule gehen wollte. Naja, und dann hab ich ihm alles erzählt.

Sebastian: Und er hat dir dann geraten, Max nen Brief zu schreiben?

Jenny: Nicht direkt. Er meinte nur, ich sollte mit Paps reden. Aber ich wusste nicht, ob ich das schaffe ... Und dann hab ich das eben alles aufgeschrieben.

Lars: Okay, zumindest hast du dann mit jemandem geredet.

Jenny: Ja ...

Sebastian: So weiß im Internat wenigstens auch jemand Bescheid, wenn noch mal was sein sollte oder die von der Polizei noch Fragen haben.

Lars: Stimmt. Ist auch nicht verkehrt. Und wir wissen jetzt auch Bescheid.

Jenny: (grinst leicht) Hautpsache, ihr bewacht mich jetzt nicht wie zwei Schießhunde.

Lars: Mal schauen.

Jenny: Oh nein ... bitte nicht!

Sebastian: Naja, bewachen vielleicht nicht. Aber aufpassen, das dürfen wir doch, oder?

Jenny: Als wenn ich euch davon abbringen könnte ...

Lars: Stimmt. Das funktioniert nicht.

Jenny: Werd ich dann wohl mit leben müssen. (schaut auf die Uhr) Hmmm, die fünf Minuten sind aber doch jetzt dicke vorbei ...

Sebastian: Dann ruf doch mal Nina an. Oder probier's direkt bei Sally.

Jenny: Mach ich.

Genau in dem Moment klingelt Jennys Handy.

Jenny: Hey, Nina.

Nina: Hi, Jenny. Du glaubst es nicht! Grade kam Klaudia mit Sallys Handy angelatscht. Angeblich hat sie's im Gemeinschaftsraum gefunden.

Jenny: Ah ja ... Und sonst?

Nina: Nichts.

Jenny: Nichts?

Nina: Absolut gar nichts. Sie hat Sally das Handy in die Hand gedrückt und ist wieder abgedampft. Irgendwas hat sie dabei zwar vor sich hin gebrummt, aber wir haben nichts davon verstanden.

Jenny: Okay, naja, war wahrscheinlich eh unwichtig.

Nina: Eben. Und ... ähm ... bei euch? Alles klar?

Jenny: Ja. Ich sitz grad mit den Jungs zusammen.

Nina: Du hast's gut ... Oh ... ähm ... hören die beiden mit?

Jenny: Nur halb.

Nina: Ein Glück. Man, wäre echt gerne jetzt auch bei euch.

Jenny: Dann pack's an.

Nina: Ja, ja, schon klar ...

Jenny: Okay, wir bequatschen das mal in Ruhe. Am besten, wenn Sally auch dabei ist.

Nina: Alles klar. Dann wünsch ich euch noch nen schönen Abend und grüß die Jungs.

Jenny: Mach ich. Du die anderen auch!

Nina: Klar! Bis morgen Abend dann.

Jenny: Bis morgen!

Nachdem Jenny aufgelegt hat, schauen Lars und Sebastian sie fragend an.

Lars: Und?

Jenny: Klaudia hat Sally das Handy zurückgegeben. Angeblich hat sie's im Gemeinschaftsraum gefunden.

Sebastian: Das war alles?

Jenny: Hmmm ...

Lars: Mh? Was?

Jenny: (seufzt) Naja, sie hat wohl dann beim Abdampfen noch irgendwas vor sich hin gebrummt. Aber was, das haben Nina und Sally nicht verstanden.

Lars: Okay ... Hmmm ...

Sebastian: Und was soll Nina anpacken?

Jenny: Mädelskram.

Lars: (skeptisch) Verheimlichst du uns doch schon wieder was?

Jenny: Nein, alles gut.

Sebastian: Ansonsten weißt du ja Bescheid.

Jenny: Ja, Jungs, ich weiß Bescheid.

Lars: Gut!

Sebastian: Was stellen wir jetzt noch an?

Jenny: Keine Ahnung ...

Lars: Ich auch nicht wirklich ...

Sebastian: Sollen wir noch ne kleine Runde drehen?

Lars: Könnten wir machen.

Jenny: Okay. Warum eigentlich nicht ...

 

***

Zwei Stunden später trudeln die drei wieder zuhause ein.

Karin: Da seid ihr ja wieder.

Sebastian: Klar. Dachtest du, wir würden abhauen?

Karin: Nein. (schmunzelt) Wir wollten gerade reingehen. Wie sieht das bei euch aus?

Jenny: Ich bin, ehrlich gesagt, ganz schön müde.

Max: Dann geh doch ins Bett, Jenny.

Jenny: Mach ich auch jetzt. Wir sehen uns morgen.

Lars: Schlaf gut, Kleine.

Jenny: Danke, ihr auch!

Sebastian zieht Jenny für einen Kuss in seine Arme.

Sebastian: (leise) Träum was Schönes! Du weißt ja, der erste Traum im neuen Heim geht in Erfüllung.

Jenny: (ebenso leise) Dann hoffe ich, dass ich von dir träume ...

Sebastian: Mach das ...

Jenny geht schon ins Haus, während die anderen noch kurz draußen bleiben.

Max: Hat Jenny noch irgendwas gesagt?

Lars: Nein, Paps. Nichts mehr.

Max: Naja, war ja auch genug für einen Tag.

Sebastian: Auf jeden Fall!

Peter: Das wird schon. Anzeige habt ihr doch jetzt erstattet.

Karin: Genau. Und ich kann ja sonst morgen auch noch mal mit ihr reden. So von Frau zu Frau quasi.

Max: Das wäre vielleicht noch eine Idee.

Karin: Dann mach ich das.

Wenig später verabschieden sich die fünf auch voneinander und gehen schlafen.

18

 

 

 

 

 

 

 

 

*** Fortsetzung folgt ***

 

Impressum

Texte: Jenna Killby
Bildmaterialien: Jenna Killby
Tag der Veröffentlichung: 31.01.2015

Alle Rechte vorbehalten

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